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German Pages [241] Year 2016
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 343 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Fabian Jenderek
Die arbeitsrechtliche Stellung geschäftsführender Organmitglieder im Internationalen Privatrecht
Mohr Siebeck
Fabian Jenderek, geboren 1983; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg; 2009–11 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Freiburg; Referendariat in Düsseldorf; 2013 Promotion; seit 2013 Rechtsanwalt in Düsseldorf.
e-ISBN PDF 978-3-16-153700-4 ISBN 978-3-16-153699-1 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2015 Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Friederike und Jacoba
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung erfolgte am 12., 13. November 2013. Rechtsprechung und Literatur wurden bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Die Arbeit ist während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsrecht, Arbeits- und Sozialrecht in Freiburg entstanden. Der erfolgreiche Abschluss dieses Werkes gibt Anlass, mich herzlich bei all jenen zu bedanken, die einen Beitrag zu seinem Gelingen geleistet haben. Zunächst gilt mein tiefer Dank meinem Doktorvater Professor Dr. Sebastian Krebber, LL.M. (Georgetown). Er förderte die Entstehung dieser Arbeit, indem er jederzeit für Fragen und bei Problemen hilfreich zur Verfügung stand, mir aber auch den für ein selbständiges Arbeiten erforderlichen Freiraum gab. Auch durch die Mitarbeit an seinem Institut erhielt ich viele Einblicke in das Kollisionsrecht sowie das europäische Arbeitsrecht und damit wichtige Impulse für die vorliegende Arbeit. Des Weiteren bin ich Herrn Professor Dr. Marc-Philippe Weller dankbar für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Prof. Dr. Dr. hc. mult. Jürgen Basedow, LL.M (Harvard) für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe. Zudem gilt allen Mitarbeitern des Instituts für Arbeitsrecht mein Dank, die mich während der Lehrstuhlzeit hilfreich unterstützt haben. Danken möchte ich darüber hinaus auch allen meinen Essener und Freiburger Freunden, die mich in der Freiburger Zeit und insbesondere während der Erstellung dieser Arbeit begleitet, unterstützt und ermutigt haben. Gefördert haben diese Arbeit vor allem meine Eltern und Geschwister, auf deren Unterstützung und Fürsorge ich stets vertrauen konnte, was mir die Erstellung dieser Arbeit erst ermöglichte. Nicht genug bedanken kann ich mich bei meiner Frau Friederike. Ihre unendliche Geduld mit mir sowie ihre Herzlichkeit und Liebe hat mir durch alle Höhen und Tiefen geholfen. Düsseldorf, im Juli 2015
Fabian Jenderek
Inhaltsübersicht Vorwort ......................................................................................................VII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XXV
Einleitung................................................................................................... 1 § 1 Gegenstand der Untersuchung ................................................................. 1 A. Das geschäftsführende Organmitglied im Internationalen Privatrecht................................................................................................ 1 B. Die Relevanz des Sachrechts für die kollisionsrechtliche Untersuchung ........................................................................................... 2 § 2 Gang der Untersuchung ........................................................................... 4
Kapitel 1: Die arbeitsrechtliche Stellung geschäftsführender Organmitglieder im deutschen, englischen und französischen Recht ........................................................................................................... 5 § 1 Deutsches Recht ....................................................................................... 5 A. Die gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen des Organverhältnisses ................................................................................... 5 B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder ....................................................................................... 8 C. Zusammenfassung .................................................................................. 36 § 2 Englisches Recht .................................................................................... 37 A. Die gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen des Organverhältnisses ................................................................................. 37 B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder ..................................................................................... 40
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Inhaltsübersicht
C. Zusammenfassung .................................................................................. 63 § 3 Französisches Recht ............................................................................... 64 A. Die gesellschaftsrechtliche Grundstruktur des Organverhältnisses ......... 64 B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder ..................................................................................... 72 C. Zusammenfassung .................................................................................. 93 § 4 Ergebnis ................................................................................................. 94 A. Der Vorrang der gesellschaftsrechtlichen Stellung vor der arbeitsrechtlichen Stellung ..................................................................... 94 B. Die Relevanz des Gesellschaftsrechts für die Zulässigkeit einer arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder..................................... 95 C. Der Einfluss des Gesellschaftsrechts auf die arbeitsrechtliche Einordnung von Rechtsverhältnissen der Organmitglieder ..................... 96 D. Rechtliche Gemeinsamkeiten und funktionale Vergleichbarkeit der untersuchten Rechtsordnungen bei der Frage nach der arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder..................................... 97
Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts ..................... 99 § 1 Fortgang der Untersuchung ................................................................... 99 § 2 Kollisionsrechtliche Grundlagen aller Sachverhalte, die eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aufweisen ................... 100 A. Einleitung ............................................................................................ 100 B. Die Anwendbarkeit der Rom I-VO und die Organstellung ................... 102 C. Der Individualarbeitsvertragsbegriff nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO und die Organstellung .......................................................................... 113 D. Grundsätze zur Bestimmung des auf den Individualarbeitsvertrag eines Organmitglieds nach Art. 8 Rom I-VO anzuwendenden Rechts .................................................................................................. 135 E. Das Auseinanderfallen des auf die Gesellschaft und des auf den Individualarbeitsvertrag eines Organmitglieds anzuwendenden Rechts .................................................................................................. 141 § 3 Anwendbares Recht in Sachverhalten, die eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aufweisen .............................................. 158 A. Einleitung ............................................................................................ 158
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B. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses .................................................... 159 C. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses .................................... 168 D. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichteten Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft ................................................................................ 171 Zusammenfassung in Thesen ..................................................................... 181 Literaturverzeichnis ................................................................................... 185 Sachverzeichnis ......................................................................................... 207
Inhaltsverzeichnis Vorwort ......................................................................................................VII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XXV
Einleitung................................................................................................... 1 § 1 Gegenstand der Untersuchung ................................................................. 1 A. Das geschäftsführende Organmitglied im Internationalen Privatrecht................................................................................................ 1 B. Die Relevanz des Sachrechts für die kollisionsrechtliche Untersuchung ........................................................................................... 2 § 2 Gang der Untersuchung ........................................................................... 4
Kapitel 1: Die arbeitsrechtliche Stellung geschäftsführender Organmitglieder im deutschen, englischen und französischen Recht ........................................................................................................... 5 § 1 Deutsches Recht ....................................................................................... 5 A. Die gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen des Organverhältnisses ................................................................................... 5 I. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der GmbH ....................................................... 5 II. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der AG ............................................................ 7 B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder ....................................................................................... 8 I. Auf die Organstellung gerichtete Tätigkeit als Arbeitsverhältnis ............................................................................... 8 1. Die Unterscheidung von gesellschaftsrechtlicher Bestellung und arbeits-/dienstvertraglicher Anstellung ................................... 8
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a) Trennung von Bestellungs- und Anstellungsverhältnis .............. 8 b) Das Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Anstellungsverhältnis .............................................................. 10 2. Die Vereinbarkeit von Organstellung und arbeitsrechtlicher Stellung ....................................................................................... 11 a) Die gesellschaftsrechtliche Grundkonzeption des Anstellungsverhältnisses als Dienstverhältnis ......................... 11 b) Gesetzliche Vorgaben in Bezug auf eine arbeitsrechtliche Stellung ................................................................................... 12 c) Konflikt der Arbeitgeberfunktion mit einem auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnis ............................ 12 d) Die Schutzwürdigkeit der Organmitglieder ............................. 14 3. Das Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis .......................... 15 a) Die Weisungsgebundenheit des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft ..................................................... 15 aa) Die Weisungsgebundenheit als zentrales Kriterium des Arbeitsverhältnisses eines Organmitglieds .............................. 15 bb) Das Verhältnis von gesellschaftsrechtlicher und arbeitsrechtlicher Weisungsgebundenheit der Organmitglieder ....................................................................... 16 (1) Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Weisungen für die örtliche oder zeitliche Weisungsgebundenheit ............... 16 (2) Gesellschaftsrechtliche Weisungen und unternehmerische Weisungen ....................................... 17 (3) Ergebnis...................................................................... 19 cc) Die Weisungsgebundenheit im Anstellungsvertrag ................ 20 (1) Die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers .......... 20 (2) Auswirkungen der Weisungsfreiheit des Vorstandsmitglieds nach § 76 Abs. 1 AktG auf das Anstellungsverhältnis .................................................. 21 b) Eingliederung des Organmitglieds in den Betrieb ................... 22 c) Ergebnis .................................................................................. 23 4. Ergebnis ...................................................................................... 25 II. Nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit als Arbeitsverhältnis ............................................................................. 25 1. Hintergrund der nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit ...................................................................................... 25 2. Anforderungen an ein nicht auf die Organstellung gerichtetes Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds ..................... 25 a) Wahrnehmung unterschiedlicher Tätigkeiten .......................... 25 b) Die persönliche Abhängigkeit im nicht auf die Organstellung gerichteten Rechtsverhältnis............................. 27
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aa) Möglichkeit einer persönlichen Abhängigkeit des Organmitglieds trotz Organstellung ........................................ 27 bb) Zulässigkeit einer Weisungsunterworfenheit des Vorstandsmitglieds trotz § 76 Abs. 1 AktG ............................ 28 3. Verhältnis von auf die Organtätigkeit und nicht hierzu gehörender Tätigkeit gerichteten Anstellungsverhältnissen ......... 29 4. Ergebnis ...................................................................................... 30 III. Organstellung in der Tochtergesellschaft und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft ............................................................... 30 1. Zulässigkeit eines auf die Organstellung bei der Tochtergesellschaft gerichteten Anstellungsvertrags mit der Muttergesellschaft ....................................................................... 30 a) Ausgangspunkt........................................................................ 30 b) Auseinanderfallen von Bestellungs- und Anstellungskompetenz ............................................................ 31 c) Organschaftliche Pflichten und anstellungsvertragliche Weisungen .............................................................................. 32 2. Das mit der Muttergesellschaft bestehende Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis ................................. 33 a) Das allein mit der Muttergesellschaft auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis ..................................................................... 33 b) Das mit Mutter- und Tochtergesellschaft auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis ............................. 35 3. Ergebnis ...................................................................................... 36 C. Zusammenfassung .................................................................................. 36 § 2 Englisches Recht .................................................................................... 37 A. Die gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen des Organverhältnisses ................................................................................. 37 I. Das geschäftsführende Organmitglied im englischen Gesellschaftsrecht ............................................................................ 37 II. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied ........................................................................... 38 1. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der private limited company ...................................................................................... 38 2. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der public limited company ...................................................................................... 39
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B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder ..................................................................................... 40 I. Auf die Organstellung gerichtete Tätigkeit als Arbeitsverhältnis ............................................................................. 40 1. Die Unterscheidung von gesellschaftsrechtlicher Bestellung und arbeits-/dienstrechtlicher Anstellung .................................... 40 a) Unterscheidung zwischen Organstellung und Anstellung ........ 40 b) Verhältnis von Organstellung und Anstellung ......................... 41 2. Die grundsätzliche Vereinbarkeit von Organstellung und arbeitsrechtlicher Stellung ........................................................... 43 a) Der Missbrauch der Gesellschaftsform als Ausgangspunkt für die Beurteilung des Anstellungsverhältnisses ......................................................... 43 b) Der Vertragsschluss über die Anstellung zwischen einer Gesellschaft und dem hieran mehrheitlich oder allein beteiligten director .................................................................. 44 c) Die Schutzbedürftigkeit der an der Gesellschaft beteiligten directors................................................................. 45 d) Ergebnis .................................................................................. 46 3. Das Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis .......................... 47 a) Die Charakterisierung als Arbeitsverhältnis durch tests .......... 47 b) Die tests im Einzelnen und ihre Anwendung auf den Anstellungsvertrag des Organmitglieds ................................... 47 aa) Der control test ......................................................................... 47 (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den control test .................................................................. 47 (2) Anwendung des control test auf den director ................. 48 bb) Der integration test ................................................................... 51 (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den integration test ............................................................. 51 (2) Anwendung des integration test auf den director ........... 51 cc) Der economic reality test ......................................................... 52 (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den economic reality test .................................................... 52 (2) Anwendung des economic reality test auf den director ... 53 dd) Der mutuality of obligations test.............................................. 53 (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den mutuality of obligations test ......................................... 53 (2) Anwendung des mutuality of obligations test auf den director ....................................................................... 54 ee) Der multiple factor test............................................................. 54 (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den multiple factor test ....................................................... 54
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(2) Anwendung des multiple factor test auf den director...... 55 ff) Folge der Anwendung der tests auf den director ..................... 56 4. Ergebnis ...................................................................................... 57 II. Nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit als Arbeitsverhältnis ............................................................................. 58 1. Praktische Relevanz der nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit ...................................................................................... 58 2. Der nicht auf die Organtätigkeit gerichtete Vertrag als Arbeitsvertrag ............................................................................. 59 3. Ergebnis ...................................................................................... 59 III. Organstellung in der Tochtergesellschaft und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft ............................................................... 60 1. Hintergrund des Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft ....................................................................... 60 2. Die Bestimmung des richtigen Arbeitgebers bzw. der richtigen Arbeitgeber bei Konzernsachverhalten ......................... 61 a) Die Muttergesellschaft als Arbeitgeberin bei Bestehen eines auf die Organstellung in der Tochter gerichteten Anstellungsverhältnisses ......................................................... 61 b) Das mit Mutter- und Tochtergesellschaft auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis ..................................................................... 63 C. Zusammenfassung .................................................................................. 63 § 3 Französisches Recht ............................................................................... 64 A. Die gesellschaftsrechtliche Grundstruktur des Organverhältnisses ......... 64 I. Das geschäftsführende Organmitglied im französischen Gesellschaftsrecht ............................................................................ 64 II. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied ........................................................................... 66 1. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der SARL.............................. 66 2. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der SA .................................. 68 a) Die unterschiedliche Ausgestaltung der Geschäftsführung in der SA ................................................................................. 68 b) Monistische Ausgestaltung der Geschäftsführung ................... 69 c) Dualistische Ausgestaltung der Geschäftsführung ................... 71 B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder ..................................................................................... 72 I. Die arbeitsrechtliche Stellung im Rahmen der Organtätigkeit .......... 72
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1. Die Problematik eines gesonderten, auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses ........................................... 72 a) Grundsatz des einheitlichen Rechtsverhältnisses in Bezug auf die Organstellung .............................................................. 72 b) Relevanz einzelner vertraglicher Regelungen zur Organstellung .......................................................................... 73 2. Charakterisierung des durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnisses ..................................................................... 74 3. Schutzbedürftigkeit der Organmitglieder ..................................... 75 4. Ergebnis ...................................................................................... 76 II. Nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit als Arbeitsverhältnis ............................................................................. 76 1. Hintergrund der Rechtsfigur des „cumul“ .................................... 76 a) Arbeitsrechtlicher Schutz durch Wahrnehmung einer nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit ......................... 76 b) Kritik an der Doppelstellung als Organmitglied und als Arbeitnehmer .......................................................................... 77 2. Allgemeine Anforderungen an ein wirksames, nicht auf die Organstellung bezogenes Arbeitsverhältnis ................................. 79 a) Die Definition des Arbeitsvertrags als Ausgangspunkt ............ 79 b) Tatsächliche Wahrnehmung von der Organstellung getrennter Aufgaben ................................................................ 79 c) Zahlung eines gesonderten Entgelts für die Arbeitnehmertätigkeit ............................................................. 81 d) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses bezüglich der nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit.................................................................................. 82 e) Keine Umgehung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften durch das Arbeitsverhältnis ..................................................... 84 3. Anwendung der Anforderungen des „cumul“ auf das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds in der SARL und der SA .................................... 85 a) Der „cumul“ in der SARL ....................................................... 85 aa) Die Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses neben der Organstellung ........................................................................... 85 bb) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses .................... 85 b) Der „cumul“ in der SA ............................................................ 86 aa) Der „cumul“ in der monistischen SA ...................................... 86 (1) Die Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses neben der Organstellung .............................................................. 86 (2) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses ............ 88 bb) Der „cumul“ in der dualistischen SA....................................... 88
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(1) Die Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses für die Vorstandsmitglieder .................................................... 88 (2) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses ............ 89 4. Ergebnis ...................................................................................... 89 III. Organstellung in der Tochtergesellschaft und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft ............................................................... 90 1. Die Muttergesellschaft als Arbeitgeber........................................ 90 2. Kompatibilität von Organstellung und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft ................................................................. 91 a) Das Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft und der Grundsatz der freien Abberufbarkeit der Organmitglieder ...... 91 b) Unabhängigkeit von Organstellung und Arbeitsverhältnis ....... 92 3. Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses zur Muttergesellschaft ....................................................................... 92 C. Zusammenfassung .................................................................................. 93 § 4 Ergebnis ................................................................................................. 94 A. Der Vorrang der gesellschaftsrechtlichen Stellung vor der arbeitsrechtlichen Stellung ..................................................................... 94 B. Die Relevanz des Gesellschaftsrechts für die Zulässigkeit einer arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder..................................... 95 C. Der Einfluss des Gesellschaftsrechts auf die arbeitsrechtliche Einordnung von Rechtsverhältnissen der Organmitglieder ..................... 96 D. Rechtliche Gemeinsamkeiten und funktionale Vergleichbarkeit der untersuchten Rechtsordnungen bei der Frage nach der arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder..................................... 97
Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts ..................... 99 § 1 Fortgang der Untersuchung ................................................................... 99 § 2 Kollisionsrechtliche Grundlagen aller Sachverhalte, die eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aufweisen ................... 100 A. Einleitung ............................................................................................ 100 B. Die Anwendbarkeit der Rom I-VO und die Organstellung ................... 102 I. Nichtanwendbarkeit der Rom I-VO auf gesellschaftsrechtliche Fragen betreffende Schuldverhältnisse .......................................... 102 1. Die Auslegung des Anwendungsbereichs der Rom I-VO........... 102 2. Einfluss des Gesellschaftsstatuts auf die Frage nach dem Bestehen einer gesellschaftsrechtlichen Frage ........................... 104
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II. Trennung von Arbeitsverhältnis und gesellschaftsrechtlichem Bestellungsverhältnis der Organmitglieder für die Anwendbarkeit der Rom I-VO ....................................................... 106 1. Das Bestellungsverhältnis als ein gesellschaftsrechtliche Fragen betreffendes Schuldverhältnis ........................................ 106 2. Das vom Bestellungsverhältnis getrennt zu qualifizierende Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds ..................................... 108 a) Die Zulässigkeit einer eigenständigen vertraglichen Qualifikation ......................................................................... 108 b) Der eigenständige, von der Bestellung losgelöste Arbeitsvertragsschluss .......................................................... 108 c) Das Arbeitsverhältnis und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts ................................................................ 111 III. Änderungen durch die Rom I-VO in Bezug auf den Ausschluss des Gesellschaftsrechts .................................................................. 113 IV. Ergebnis ........................................................................................ 113 C. Der Individualarbeitsvertragsbegriff nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO und die Organstellung .......................................................................... 113 I. Auslegung des Individualarbeitsvertragsbegriffs nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO .......................................................................... 113 1. Grundsatz der autonomen Auslegung des Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO ................................................................................. 113 a) Meinungsstand zur Auslegung des Individualarbeitsvertragsbegriffs nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO ............................................................................. 113 b) Unterschiedliche Einordnung eines Sachverhalts auf Kollisions- und Sachrechtsebene ........................................... 115 c) Die Auslegung lege causae und der Schutz des Schwächeren ......................................................................... 116 d) Schwächen der Auslegung lege causae bei einer Veränderung des objektiven Anknüpfungspunkts.................. 118 e) Ergebnis ................................................................................ 118 2. Rechtsquellen des autonomen Individualarbeitsvertragsbegriffs nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO ................................................................................. 119 a) Rückgriff auf Unionsrecht und Rechtsvergleichung bei der autonomen Auslegung des Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO ........ 119 b) Unionsrechtlicher Arbeitsvertrags- bzw. Arbeitnehmerbegriff.............................................................. 119 aa) Der Arbeitsvertrags- und der Arbeitnehmerbegriff im europäischen Primär- und Sekundärrecht .............................. 119 bb) Der Arbeitsvertrags- und der Arbeitnehmerbegriff in der Rechtsprechung des EuGH .................................................... 121
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(1) Relevanz der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitsvertrags- und Arbeitnehmerbegriff ................... 121 (2) Definition des Arbeitnehmers durch den EuGH im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ...................... 122 (3) Weitere Konkretisierungen des Arbeitnehmerbegriffs durch den EuGH........................................................ 123 c) Rechtsvergleichende Ergebnisse ........................................... 128 3. Eignung der untersuchten Quellen für die kollisionsrechtliche Begriffsbildung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO ................................................................................. 129 a) Unterschiedliche Zielrichtung der untersuchten Quellen ....... 129 b) Das Vertragserfordernis in Art. 8 Rom I-VO......................... 130 4. Ergebnis .................................................................................... 131 II. Die Qualifikationsverweisung auf das Gesellschaftsstatut ............. 131 1. Die Qualifikationsverweisung auf das Sachrecht ....................... 131 a) Die Qualifikationsverweisung zur Ermittlung der Vertragscharakteristika ......................................................... 131 b) Der Rechtsformzwang und die Organmitglieder.................... 132 2. Bedeutung des Gesellschaftsstatuts für die Qualifikation des Arbeitsvertrags .................................................................... 133 D. Grundsätze zur Bestimmung des auf den Individualarbeitsvertrag eines Organmitglieds nach Art. 8 Rom I-VO anzuwendenden Rechts .................................................................................................. 135 I. Korrektur einer möglichen Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO...................................................................................... 135 1. Rechtswahlkorrektur durch Anwendung zwingender arbeitsrechtlicher Vorschriften des objektiven Vertragsstatuts........................................................................... 135 2. Heranziehen von analog anwendbaren Schutzbestimmungen des objektiven Vertragsstatuts ................................................... 135 II. Objektive Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 Rom I-VO und der Einfluss des Gesellschaftsstatus über Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO...................................................................................... 137 1. Die Regelanknüpfung des Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 Rom I-VO an den Tätigkeitsort oder den Ort der einstellenden Niederlassung ............................................................................ 137 2. Der Einfluss des Gesellschaftsstatuts über Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO auf die objektive Anknüpfung des Arbeitsvertrags .......................................................................... 137 a) Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO als Ausnahmeklausel ...................... 137 b) Anforderungen an eine engere Verbindung zum Gesellschaftsstatut ................................................................ 138
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c) Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung an das Bestellungsverhältnis oder den Gesellschaftsvertrag ............. 139 III. Ergebnis ........................................................................................ 141 E. Das Auseinanderfallen des auf die Gesellschaft und des auf den Individualarbeitsvertrag eines Organmitglieds anzuwendenden Rechts .................................................................................................. 141 I. Einführung in die Problematik ....................................................... 141 II. Divergenz der auf die Gesellschaft und den Individualarbeitsvertrag anzuwendenden Rechtsordnungen ........... 143 1. Die Anknüpfung der Gesellschaft an den Gründungsort ............ 143 2. Anwendbarkeit unterschiedlichen Rechts bei unterschiedlichen Anknüpfungspunkten für Individualarbeitsvertrag und Gesellschaft .................................. 144 III. Die Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Arbeitsoder Gesellschaftsstatuts auf den Individualarbeitsvertrag ............. 144 1. Das kollisionsrechtlich zur Anwendung auf Individualarbeitsverträge der Organmitglieder berufene Gesellschaftsrecht ..................................................................... 144 a) Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Arbeitsvertragsstatuts nach Art. 8 Rom I-VO ........................ 144 aa) Meinungsstand zur Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung des Art. 8 Rom I-VO ......................................... 144 bb) Wortlaut und Systematik der Rom I-VO zur Frage der Anwendbarkeit gesellschaftsrechtlicher Normen des Arbeitsvertragsstatuts ............................................................. 146 cc) Einschränkung der Verweisung durch den Zweck der Kollisionsnorm ....................................................................... 148 dd) Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen auf Sachebene und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO ....................................... 150 ee) Ergebnis .................................................................................. 151 b) Eingeschränkte Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Gesellschaftsstatuts über Art. 9 Rom I-VO ........ 152 2. Sachrechtliche Berücksichtigung des gesellschaftsrechtlichen Auslandsbezugs ................................... 153 a) Die Relevanz des Auslandsbezugs bei der Auslegung des Sachrechts ............................................................................. 153 b) Die Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Normen des Vertragsstatuts bei Qualifikation nach Art. 8 Rom I-VO ....... 154 c) Berücksichtigung ausländischen Gesellschaftsrechts bei der Auslegung inländischen Arbeitsrechts ............................. 156 IV. Ergebnis ........................................................................................ 158
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§ 3 Anwendbares Recht in Sachverhalten, die eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aufweisen .............................................. 158 A. Einleitung ............................................................................................ 158 B. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses .................................................... 159 I. Anwendbarkeit der Rom I-VO und das auf die Organstellung gerichtete Anstellungsverhältnis .................................................... 159 1. Der vom Bestellungsverhältnis losgelöste Vertragsschluss und die Anwendbarkeit der Rom I-VO ...................................... 159 2. Das auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts ..................................... 161 3. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften des Gesellschaftsstatuts auf die Organmitglieder auch bei Nichtanwendbarkeit der Rom I-VO ........................................... 162 4. Ergebnis .................................................................................... 163 II. Qualifikation des auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO .......................................................................... 163 1. Tauglichkeit der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft der Organmitglieder für die Qualifikation des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsvertrags ................................................................... 163 2. Die Anwendung der ermittelten Kriterien auf die Organmitglieder ........................................................................ 165 III. Das nach Art. 8 Rom I-VO auf das auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht ......................... 166 1. Rechtswahl und Korrektur nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO ................................................................................. 166 2. Die mangels Rechtswahl mögliche akzessorische Anknüpfung des Anstellungsvertrags an das Bestellungsverhältnis ................................................................ 167 IV. Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Gesellschaftsstatuts auf das Arbeitsvertragsstatut .......................... 168 V. Ergebnis ........................................................................................ 168 C. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses .................................... 168 I. Anwendbarkeit der Rom I-VO und das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis .................................... 168 1. Das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis als eigenständiges vertragliches Schuldverhältnis i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO ............................................................ 168
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Inhaltsverzeichnis
2. Das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts ............................... 169 3. Ergebnis .................................................................................... 169 II. Qualifikation des nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO .......................................................................... 170 III. Das nach Art. 8 Rom I-VO auf das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht ......................... 170 D. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichteten Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft ................................................................................ 171 I. Anwendbarkeit der Rom I-VO und das auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft ......................................................................... 171 II. Qualifikation des auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichteten Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO .......................................................................... 172 1. Die Muttergesellschaft als Arbeitgeber...................................... 172 2. Das Unterordnungsverhältnis zur Muttergesellschaft................. 173 3. Der Individualarbeitsvertrag sowohl mit Mutter- als auch mit Tochtergesellschaft ............................................................. 174 a) Besonderheit bei Vertragsschluss mit Mutter- und Tochtergesellschaft ............................................................... 174 b) Das Verhältnis der Individualarbeitsverträge mit Mutterund Tochtergesellschaft ........................................................ 175 III. Das nach Art. 8 Rom I-VO auf das auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft anzuwendende Recht ....................................... 176 1. Regelanknüpfung bei vorübergehender Entsendung eines Arbeitnehmers in die Tochtergesellschaft, Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO ................................................................................. 176 2. Die Relevanz des Gesellschaftsstatuts der Tochtergesellschaft für die Frage nach dem Bestehen einer engeren Verbindung .................................................................. 178 Zusammenfassung in Thesen ..................................................................... 181 Literaturverzeichnis ................................................................................... 185 Sachverzeichnis ......................................................................................... 207
Abkürzungsverzeichnis ABl. Abt. AC AcP AEUV AG AGG AktG All ER ALMD AngestelltenkündigungsG Anh. Anm. AP ArbGG ArbRAktuell Art. ASSEDIC B & Ad B.C.C. B.T.R. BAG BB BCLC Bd. BetrVG BFH BGB BGH BGHZ BJS Bull. Civ. BUrlG bzw. C. civ.
Amtsblatt Abteilung Appeal Cases, Official Law Reports Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz All England Law Reports Australian Legal Monthly Digest Angestelltenkündigungsgesetz Anhang Anmerkung Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts – Arbeitsrechtliche Praxis – Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht Aktuell Artikel Association pour l’emploi dans l’industrie et le commerce Barnewall & Adolphus' King's Bench Reports British Company Law Cases British Tax Review Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Butterworths Company Law Cases Band Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bulletin Joly Sociétés Bulletin civil de la Cour de cassation Bundesurlaubsgesetz beziehungsweise Code civil
XXVI C. com. C. trav. CA CA 2006 Cass. civ. Cass. soc. Cass.com. Ch ChD Chron. CJA Clunet CML Rev Co. Comp. Law Ct. of Sess. DB Dr. soc. DStR DZWir EAS EAT EG EGBGB EGV Einl. Emp. & Ind. Rel. L. endg. ERA 1996 ErfK EU EuGH EuGVVO
EuLF Eur. Bus. L. Rev. EUV EuZA EuZW EVÜ EWCA
Abkürzungsverzeichnis Code de commerce Code du travail Court of Appeal oder Cour d‘appel Companies Act 2006 Cour de cassation, Chambre civile Cour de cassation, Chambre sociale Cour de cassation, Chambre commerciale Chapter Chancery Division Chronique Code de justice administrative Journal de droit international Common Market Law Review Company The Company Lawyer Court of Sessions Der Betrieb Revue Droit social Deutsches Steuerrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, Rechtsvorschriften, Systematische Darstellungen und Entscheidungssammlung Employment Appeal Tribunal Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Employment and Industrial Relations Law endgültig Employment Rights Act 1996 Erfurter Kommentar Europäische Union Europäischer Gerichtshof Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen European Legal Forum European Business Law Review Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 England and Wales Court of Appeal
Abkürzungsverzeichnis EWG EWiR EWR EzA F.A.Z. FamRZ Fasc. FLR FS GA GmbHG GmbHR GPR GroßKomm GS HGB HL hM Hrsg. I.C.L.Q. I.C.R. I.L.J. I.R.L.R. i.S.d. ICLQ Indus. L.J. Insolv. Int. IPR IPRax IR J.B.L. JCP JCP éd. E KB KOM KSchG L.M.C.L.Q. L.Q.R. LAGE Ltd MDR MitbestG MünchHb MünchKomm NJW NJW-RR
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XXVIII NotBZ Nr. NRE NSWC NZA NZA-RR NZG NZLR obs. ÖJZ PC PDG PIL Plc QB RabelsZ RdA Rec. Dalloz Rec. des Cours Rev. cr. dr. int. priv. Rev. dr. trav. Rev. int. dr. comp. Rev. sociétés Rev. trim. dr. eur. RG RIW RJDA RJS Rn. Rom I-VO Rom II-VO Rs. RTD com. S. S.C. S.L.P.Q. SA SAE SARL
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Abkürzungsverzeichnis SAS sec. Slg. SLT Spstr. TC TLR Tul. L. Rev. TVG u.a. UKHL v. Var. VO Vorbem. W.L.R. WASC WM ZEuP ZfA ZfRV ZGR ZHR ZIP ZPO
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Einleitung § 1 Gegenstand der Untersuchung A. Das geschäftsführende Organmitglied im Internationalen Privatrecht Die arbeitsrechtliche Stellung geschäftsführender Organmitglieder ist immer wieder Gegenstand kontroverser wissenschaftlicher Diskussionen gewesen. 1 Der besondere Reiz dieser Thematik liegt darin, dass die Organmitglieder gesellschaftsrechtlicher Bestandteil einer Gesellschaft sind, die Anwendung von Arbeitsrecht auf diese Organmitglieder also mit deren gesellschaftsrechtlicher Stellung abzustimmen ist. Inwieweit Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht in Einklang gebracht werden können, hängt unter anderem von der jeweiligen Gesellschaftsform ab. Sind jedoch bereits die Anforderungen an die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im nationalen Recht umstritten, so treten zusätzliche rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn der Sachverhalt einen Auslandsbezug aufweist. Dieser Auslandsbezug besteht beispielsweise, wenn die Gesellschaft oder ihre Muttergesellschaft nach ausländischem Recht gegründet wurde oder die Tätigkeit der Organmitglieder (teilweise) im Ausland ausgeübt wird. Es stellt sich dann die Frage des auf die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder anzuwendenden Rechts. Welches Recht auf Individualarbeitsverträge Anwendung findet, richtet sich in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks nach Art. 8 Rom I-VO 2. Die Anwendbarkeit der Rom I-VO setzt gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. f) der Verordnung voraus, dass es sich hierbei um ein Schuldverhältnis handelt, welches keine Fragen des Gesellschaftsrechts betrifft. Lassen sich arbeits- und gesellschaftsrechtliche Stellung der Organmitglieder kollisionsrechtlich trennen, ist die Rom I-VO auf diese arbeitsrechtliche Stellung also neben dem Gesellschaftsstatut selbständig anwendbar. Al1 Siehe etwa: Baums, Der Geschäftsleitervertrag; Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer; Fleck, ZHR 149 (1985), 387 ff.; Hueck, ZfA 16 (1985), 25 ff.; ders., in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 ff.; Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 ff. Aus dem Ausland: Daigre, Rev. sociétés 1981, 497 ff.; de Sevin, RJS 1992, 391 ff.; Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139 ff. 2 Verordnung Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABl. 2008 Nr. L 177/6.
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Einleitung
ternativ kommt eine einheitliche gesellschaftsrechtliche oder arbeitsrechtliche Anknüpfung in Betracht. Sofern die Rom I-VO anwendbar ist, erfordert die Anknüpfung gemäß Art. 8 Rom I-VO eine Qualifikation des Schuldverhältnisses als Individualarbeitsvertrag. Wie der Individualarbeitsvertragsbegriff zu verstehen ist, ist nicht abschließend geklärt. Insbesondere die Anforderungen an das für einen Individualarbeitsvertrag geforderte Unterordnungsverhältnis sind unklar, wenn auch im Unionsrecht bereits allgemeine Anforderungen an einen Arbeitnehmerbegriff, in der Rechtssache Danosa speziell zur Arbeitnehmerstellung von Organmitgliedern, 3 entwickelt wurden. Obwohl kein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff im Unionsrecht existiert, 4 können die Ergebnisse anderer unionsrechtlicher Rechtsakte jedoch für die Bestimmung des Individualarbeitsvertragsbegriffs herangezogen werden. 5 Soweit die arbeitsrechtliche und die gesellschaftsrechtliche Stellung kollisionsrechtlich getrennt angeknüpft werden, besteht die Möglichkeit, dass unterschiedliche Rechtsordnungen auf die beiden Rechtsverhältnisse zur Anwendung gelangen. Es ist daher auch zu untersuchen, inwiefern hierdurch Unstimmigkeiten im Sachrecht auftreten können. Ein Normenkonflikt bzw. eine Normenhäufung wäre beispielsweise möglich, wenn über die Verweisung des Art. 8 Rom I-VO auch gesellschaftsrechtliche Normen des Arbeitsvertragsstatuts Anwendung finden und gleichzeitig gesellschaftsrechtliche Normen des Gesellschaftsstatuts zu berücksichtigen sind. Insofern ist von Bedeutung, ob und inwieweit die kollisionsrechtliche Verweisung des Art. 8 Rom I-VO auch gesellschaftsrechtliche Normen mit zur Anwendung berufen kann und in welchem Maße Normen des Gesellschaftsstatuts auf das Arbeitsvertragsstatut einwirken können. B. Die Relevanz des Sachrechts für die kollisionsrechtliche Untersuchung Für das Verständnis des Internationalen Privatrechts ist eine Untersuchung der arbeitsrechtlichen Stellung von Organmitgliedern in den nationalen Rechtsordnungen erforderlich. Durch das Internationale Privatrecht soll zwar nicht das sachlich beste, sondern das räumlich beste Recht angewendet werden. 6 Es besteht jedoch keine vollständige Unabhängigkeit von Kollisionsrecht und Sachrecht. 7 Bei der kollisionsrechtlichen Prüfung eines Sachverhalts sind zum einen die Auswirkungen auf das anzuwendende Recht zu beachten, welches wiederum Kenntnisse des Sachrechts voraussetzt. Dies gilt 3
EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa). EuGH v. 14.10.2010, Rs. C-345/09, Slg. 2010, I-9879, Rn. 88 (van Delft u.a.); EuGH v. 16.6.2009, Rs. C-208/07, Slg. 2009, I-6095, Rn. 68 (Chamier-Glisczinski); EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-85/96, Slg. 1996, I-2691, Rn. 31 (Sala). 5 Siehe hierzu 2. Kapitel § 2 C.I.2.a). 6 Mann, in: FS Beitzke, S. 607 (620). 7 Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 214–269. 4
§ 1 Gegenstand der Untersuchung
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bei Organmitgliedern insbesondere insoweit, als im Sachrecht Verknüpfungen zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht bestehen, welche durch eine getrennte kollisionsrechtliche Anknüpfung von arbeits- und gesellschaftsrechtlicher Stellung auseinandergerissen werden könnten. Auch für die sich hieran anschließende Frage nach der Notwendigkeit einer sachrechtlichen oder kollisionsrechtlichen Anpassung ist die Kenntnis des Sachrechts unerlässlich. Zum anderen prägen die Sachrechtsordnungen auch die auftretenden Sachverhalte, mit der Folge, dass die Arbeitsverhältnisse der Organmitglieder je nach Rechtsordnung inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet sein können. Gegebenenfalls können diese insbesondere dem Gesellschaftsrecht entstammenden Unterschiede auch eine differenzierte Behandlung im Rahmen der Qualifikation zur Folge haben. Insofern ist eine Untersuchung des Sachrechts Voraussetzung für die kollisionsrechtliche Untersuchung. Die Auswahl der zu untersuchenden Rechtsordnungen richtet sich nach den in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union existierenden Grundpositionen zur arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder. Das französische Recht legt einen Schwerpunkt auf die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Organmitglied, so dass ein Arbeitsverhältnis dort erst dann erörtert wird, wenn es eine nicht von der Organstellung umfasste Tätigkeit zum Gegenstand hat. 8 Ähnlich wird dies im italienischen 9, tschechischen 10 und wohl auch lettischen 11 Recht gesehen. Dahingegen ist im deutschen 12 und englischen 13 sowie im spanischem Recht 14 ein auf die Organstellung gerichtetes Anstellungsverhältnis möglich, jedoch unterscheiden sich die durch das Gesellschaftsrecht vorgegebenen Beschränkungen sowie die Anforderungen an ein Arbeitsverhältnis der Organmitglieder in den Rechtsordnungen. Anhand der Rechtsordnungen Deutschlands und Englands sollen diese unterschiedlichen Beschränkungen und Anforderungen erläutert werden. Diesem wird das französische Recht gegenübergestellt. Mit der Eingrenzung der Untersuchung auf diese drei Rechtsordnungen wird hier einer vertieften Analyse der Vorzug vor einer übersichtsartigen, aber verkürzenden Erörterung aller Rechtsordnungen gewährt. Die Untersuchung der arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder erstreckt sich auf folgende, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit 8
Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn 776. Hierzu aus deutscher Sicht: Hernichel, Die leitenden Angestellten im italienischen Arbeitsrecht, S. 34 ff. 10 Hierzu aus deutscher Sicht: Langner, Der GmbH-Geschäftsführer im tschechischen Recht, S. 68 f., 207 ff. 11 EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 17 f., 42, 45 (Danosa). 12 BGH v. 11.7.1953, BGHZ 10, 187 (191); BGH v. 7.12.1961, BGHZ 36, 142 (143). 13 McMillan v Guest [1942] A.C. 561, HL; Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302 (304), EAT. 14 Echegaray, Deberes y responsabilidad de los administradores, S. 85. 9
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Einleitung
unterschiedlicher Gewichtung diskutierten Konstellationen: das auf die Organstellung gerichtete Rechtsverhältnis mit der Gesellschaft ist arbeitsrechtlich einzuordnen (1); das Organmitglied nimmt neben der Organstellung eine hiervon getrennte Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wahr (2); das Organmitglied ist mit der Konzernmutter über ein auf die Organstellung gerichtetes Arbeitsverhältnis verbunden (3). Die Untersuchung im Sachrecht konzentriert sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, da ein solches Voraussetzung für eine eigenständige Anknüpfung nach Art. 8 Rom I-VO ist. Gegenstand der Untersuchung sind allein die Organmitglieder, welche die Gesellschaft vertreten und ihre Geschäfte führen. Insoweit das Geschäftsführungsorgan nur aus einer Person besteht, wird aus Gründen der besseren Verständlichkeit auch hier von einem Organmitglied gesprochen.
§ 2 Gang der Untersuchung Aus dem Gegenstand der Untersuchung folgt eine Unterteilung der Arbeit in zwei Kapitel. Im ersten Kapitel wird die rechtliche Möglichkeit einer arbeitsrechtlichen Stellung des Organmitglieds in Deutschland, England und Frankreich analysiert. Die dadurch gefundenen Ergebnisse dienen dann als Grundlage für die kollisionsrechtliche Beurteilung der arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder in der Rom I-VO im zweiten Kapitel. Die Untersuchung der drei Rechtsordnungen im ersten Kapitel gliedert sich in die drei genannten Konstellationen, in denen eine arbeitsrechtliche Stellung diskutiert wird. Jeder Rechtsordnung vorangestellt ist eine kurze Darstellung der Grundstruktur des gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses zwischen Organmitglied und Gesellschaft in den nationalen Gesellschaften. Im zweiten Kapitel wird die Bestimmung des anzuwendenden Rechts für die drei Konstellationen aus dem ersten Kapitel untersucht. Dabei sind zunächst die allen Konstellationen gemeinsamen kollisionsrechtlichen Fragen zu klären, bevor auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse im Einzelnen eingegangen wird.
Kapitel 1
Die arbeitsrechtliche Stellung geschäftsführender Organmitglieder im deutschen, englischen und französischen Recht § 1 Deutsches Recht A. Die gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen des Organverhältnisses I. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der GmbH Die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers entsteht nach ganz herrschender Meinung durch einen Beschluss der Gesellschafter gemäß §§ 6 Abs. 3 S. 2, 46 Nr. 5, 47 Abs. 1 GmbHG sowie dessen Annahme durch die zu bestellende Person, 1 soweit nichts anderes im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist. Die Annahmebedürftigkeit des Bestellungsbeschlusses wird daraus gefolgert, dass dieses Amt freiwillig übernommen werden soll und es niemandem ohne seine Zustimmung „aufgedrängt werden kann“ 2. Die Gegenansicht zieht einen Vergleich zur Bevollmächtigung, 3 welche keiner Annahme bedarf. 4 Hiergegen ist allerdings einzuwenden, dass die Bestellung anders als die Bevollmächtigung zivilrechtliche Haftungspflichten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nach sich ziehen kann und die vom Geschäftsführer zu übernehmenden Pflichten teilweise strafbewehrt sind, wie etwa § 84 GmbHG. 5 Eine Annahme der Bestellung ist damit erforderlich. Aufgrund der Bestellung und deren Annahme unterliegt das Organmitglied der Pflicht zur Führung der Geschäfte sowie Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft. Das sog. Bestel1
BFH v. 31.3.2000, GmbHR 2000, 1211 (1214); Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 37; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 6 Rn. 42; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack, GmbHG, § 6 Rn. 25; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 35 Rn. 68; MünchKomm-GmbHG/Goette, § 6 Rn. 57; St. Oppenländer, in: Oppenländer/Trölitzsch (Hrsg.), Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, § 4 Rn. 12; Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 36; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 16. 2 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 6 Rn. 25. 3 Feine, in: Ehrenberg (Hrsg.), Handbuch des gesamten Handelsrechts, 3. Bd., III. Abtl., S. 470. 4 Zur Bevollmächtigung siehe nur: BGH v. 5.12.2006, NJW-RR 2007, 1202 (1203). 5 MünchKomm-GmbHG/Goette, § 6 Rn. 57.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
lungsverhältnis gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann durch die Gesellschaft mittels eines Widerrufs der Bestellung (Abberufung) nach § 38 Abs. 1 GmbHG einseitig beendet werden. Ein Widerruf ist jeder Zeit ohne Vorlage von Gründen durch die Gesellschafterversammlung möglich, in der Satzung kann sie jedoch auf das Vorliegen sachlicher Gründe beschränkt werden, § 38 Abs. 2 GmbHG. Bei der Ausübung ihrer Aufgaben sind die Geschäftsführer nicht vollständig frei, sondern werden gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG von den Gesellschaftern überwacht, denen sie etwa Bericht erstatten oder Auskünfte erteilen müssen. 6 Auch kann nach § 37 Abs. 1 GmbHG durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss der Umfang der Befugnisse der Geschäftsführer eingeschränkt werden. Durch Gesellschafterbeschluss können darüber hinaus direkte Weisungen in Geschäftsführungsangelegenheiten erteilt werden. 7 Nur einige zwingende Kompetenzen der Geschäftsführer, wie etwa die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO oder die Pflicht zur Massesicherung gemäß § 64 GmbHG, 8 sind von diesem Weisungsrecht ausgenommen. Nach nicht unumstrittener 9 Ansicht soll den Geschäftsführern zwar ein „Kernbestand“ an Geschäftsführungsaufgaben belassen werden. 10 Ansonsten steht die Weisungsmöglichkeit der Gesellschafterversammlung aber in deren freien Belieben. 11 Von der Weisungsunterworfenheit gegenüber den Gesellschaftern abgesehen kann die Ausübung der Geschäftsführungsaufgaben auch durch das Vorhandensein anderer Geschäftsführer beschränkt sein, da Geschäftsführungsbeschlüsse analog § 77 Abs. 1 AktG 12 einstimmig gefasst werden müssen und insofern ein Abstimmungsbedarf besteht. 6
Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rn. 50; Roth/Altmeppen/Roth, GmbHG, § 46 Rn. 44. 7 OLG Düsseldorf v. 15.11.1984, ZIP 1984, 1476; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 20, § 46 Rn. 91; Konzen, NJW 1989, 2977; Mennicke, NZG 2000, 622 ff. 8 MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, § 37 Rn. 26. 9 Für ein weites Weisungsrecht: OLG Nürnberg v. 9.6.2000, NZG 2000, 154 f.; Eisenhardt, in: FS Pfeiffer, S. 839 (845 f.); Höhn, Die Geschäftsleitung der GmbH, S. 5; Mennicke, NZG 2000, 622 (623); Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner/Gruber, GmbHG, § 37 Rn. 22; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 4; Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 37. 10 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 18; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (127 ff.); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 93; Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 18a; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 10; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 11; Wiedemann/Frey, Gesellschafsrecht I, S. 336; Zöllner, ZGR 1977, 325. 11 OLG Düsseldorf v. 15.11.1984, ZIP 1984, 1476 (1478); Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I. 2. a). 12 Für die ganz hM: Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 29. Anders nur: van Venrooy, GmbHR 1999, 685.
§ 1 Deutsches Recht
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Im Konzernverbund besteht daneben auch eine zusätzliche gesetzliche Weisungsgebundenheit der Organmitglieder einer abhängigen GmbH gegenüber der herrschenden Gesellschaft nach § 308 Abs. 2 S. 1 AktG analog bzw. der Organmitglieder einer eingegliederten Gesellschaft gegenüber der Hauptgesellschaft nach § 323 Abs. 1 AktG analog. II. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der AG Das Bestellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder, durch das sich die Befugnis bzw. Verpflichtung zur Geschäftsführung sowie Treuepflichten ergeben, 13 wird durch einen Beschluss des Aufsichtsrats gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 AktG und dessen Annahme begründet. Ein Vorstandsmitglied kann auf höchstens fünf Jahre bestellt werden, wobei eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit jeweils für höchstens fünf Jahre zulässig ist, § 84 Abs. 1 S. 2 AktG. Die Organstellung endet mit dem Widerruf der Bestellung durch den Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 3 AktG. Im Gegensatz zu dem Widerruf beim Geschäftsführer ist für deren Wirksamkeit das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG erforderlich. Ein solcher Grund liegt etwa bei einer groben Pflichtverletzung, der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder auch bei einem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung vor, soweit das Vertrauen nicht aus offensichtlich unsachlichen Gründen entzogen wurde. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, kann der Aufsichtsrat ein Mitglied zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen, § 84 Abs. 2 AktG. Die nach § 76 Abs. 1 AktG bestehende Aufgabe des Vorstands zur Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung bedeutet zugleich eine Unabhängigkeit von Weisungen. 14 Wie sich aus § 111 Abs. 4 S. 1 AktG ergibt, kann die unabhängige Tätigkeit der Vorstandsmitglieder auch nicht durch Satzungsregelungen eingeschränkt werden. 15 Einzige Einschränkung ist nach § 77 Abs. 1 AktG die Pflicht zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung bei mehreren Vorstandsmitgliedern, soweit die Satzung oder die Geschäftsordnung nicht etwas anderes vorsieht. Wie bei der GmbH sind die Vorstandsmitglieder also angehalten, die Entscheidungen abzusprechen. Vereinzelt 16 wird 13
BGH v. 28.4.1954, BGHZ 13, 188 (192); BGH v. 26.3.1956, BGHZ 20, 239 (246); MünchKomm-AktG/Spindler, § 76 Rn. 14; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 9; KölnKomm/Mertens, AktG, § 93 Rn. 57 ff. 14 Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 57; MünchKomm-AktG/Spindler, § 76 Rn. 22; Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 35. 15 MünchKomm-AktG/Habersack, § 111 Rn. 12; KölnKomm/Mertens, AktG, § 111 Rn. 32. 16 Kucera, Die arbeitsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds einer kleinen Aktiengesellschaft, S. 32 ff.; Theobald, in: FS Raiser, S. 421 (422).
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
vorgebracht, das Vorstandsmitglied könne in der Rechtswirklichkeit stärker abhängig sein, als dies vom Gesetzgeber gedacht war. Gerade in kleinen AG könne es vorkommen, dass der oder die Aktionäre einen erheblichen Einfluss auf die Geschäftsleitung ausüben 17 oder die Vorstandsmitglieder sich faktisch vom Aufsichtsrat gebunden fühlen, da sie von diesem abberufen werden können. 18 Auch besteht, allerdings in engen Grenzen, nach den GelantineEntscheidungen des BGH eine Vorlagepflicht an die Hauptversammlung, wenn zu treffende Umstrukturierungsmaßnahmen „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen“ 19, heranreichen. Abgesehen von diesen teilweise faktischen Einschränkungen kann das Vorstandsmitglied aber weitgehend frei agieren. Die unabhängige Leitungsmacht des Vorstands kann ansonsten nur im Konzernverbund durch das Weisungsrecht des übergeordneten Unternehmens nach § 308 bzw. § 323 AktG eingeschränkt werden. 20 B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder I. Auf die Organstellung gerichtete Tätigkeit als Arbeitsverhältnis 1. Die Unterscheidung von gesellschaftsrechtlicher Bestellung und arbeits-/dienstvertraglicher Anstellung a) Trennung von Bestellungs- und Anstellungsverhältnis Eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder ergibt sich nicht aus dem Bestellungsverhältnis, da dieses allein gesellschaftsrechtlich zu beurteilen ist. 21 Von dem Bestellungsverhältnis des Organmitglieds wird sowohl bei der GmbH als auch bei der AG die anstellungsrechtliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Organmitglied und Gesellschaft, das Anstellungsverhältnis, unterschieden. 22 Dieses kann entweder als Dienst- oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet sein. 17
Theobald, in: FS Raiser, S. 421 (422). Kucera, Die arbeitsrechtliche Stellung des Vorstandsmitglieds einer kleinen Aktiengesellschaft, S. 32 ff. 19 BGH v. 26.4.2004, NZG 2004, 571. 20 Hölters/Hölters, AktG, § 76 Rn. 62; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 18; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 76 Rn. 90. 21 Vgl. Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 123; Rowedder/Schmidt-Leithoff/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 6 Rn. 34; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 84 Rn. 19; KölnKomm/ Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn. 2, 4. 22 Vgl. BGH v. 11.7.1953, BGHZ 10, 187 (191); BGH v. 7.12.1961, BGHZ 36, 142 (143); BGH v. 14.7.1980, BGHZ 78, 82 (85); BGH v. 24.11.1980, BGHZ 79, 38 (41); BGH v. 14.11.1983, BGHZ 89, 48 (52 f.); Reuter, in: FS Zöllner, S. 487 ff. Zum Geschäftsführer der GmbH: Altmeppen/Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 38 f., 67; Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 1 f.; Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, 18
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Da durch die Bestellung bereits die Pflicht zur Geschäftsführung sowie Treuepflichten entstehen, ist ein gesonderter Anstellungsvertrag für die Organstellung grundsätzlich nicht erforderlich. Allerdings werden durch das Bestellungsverhältnis nur die Grundvoraussetzungen der Rechtsbeziehungen geregelt. Ein Anspruch auf eine Vergütung für die Tätigkeit entsteht – im Gegensatz zu Aufsichtsratsmitgliedern 23 – durch die Organstellung allein noch nicht. Hierzu bedarf es eines Anstellungsvertrags, welcher Verpflichtungsgrund für die Zahlung des Entgelts ist. 24 Der gegen diese Trennung von Anstellungs- und Bestellungsverhältnis vereinzelt vorgebrachte Einwand, dass es sich hierbei um ein künstlich geschaffenes rechtliches Konstrukt handele, 25 trägt nicht. Dieser Ansicht nach soll bereits durch die Bestellung ein Anstellungsverhältnis entstehen, das aber nicht selbständig, sondern zusammen mit der Bestellung als Einheit betrachtet werden soll. Dies gelte selbst dann, wenn die einzelnen Anstellungsbedingungen noch nicht ausgehandelt sind und der eigentliche Vertrag noch nicht geschlossen ist. 26 Diese Lösung einer Einheit von Anstellung und Bestellung widersetzt sich jedoch bereits dem Gesetzeswortlaut, der von einer Trennung der Verhältnisse ausgeht: Nach § 84 Abs. 3 S. 5 AktG führt der Widerruf der Bestellung nicht notwendig zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag, nach § 38 Abs. 1 GmbHG ist die Bestellung jederzeit widerruflich, unbeschadet der Ansprüche aus Verträgen. Neben der Bestellung kann also ein eigenständiger Anstellungsvertrag über die Organstellung geschlossen werden, welcher das gesellschaftsrechtliche Verhältnis ergänzende, anstellungsbezogene Regelungen beinhaltet. 27 Im Wesentlichen zählen neben der Vergütung hierzu die Altersversorgung, der Beginn und die Dauer der Tätigkeit, der Urlaub, der Umfang zulässiger Nebentätigkeit, die Rechte und Pflichten bei Beendigung der Organstellung einschließlich Ruhegeld sowie die Pflicht zur Übernahme von Aufsichtsratsmandaten in verbundenen Unternehmen. 28 S. 365 (366); Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II 2 c; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 150 ff.; zum Vorstandsmitglied einer AG: Hüffer, AktG, § 84 Rn. 2; KölnKomm/Mertens, AktG, § 84 Rn. 2; Großkomm-AktG/Kort, § 84 Rn. 16 ff., 271; MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rn. 10. 23 GroßKomm-AktG/Hopt/Roth, § 101 Rn. 91 ff.; KölnKomm/Mertens, AktG, § 101 Rn. 7. 24 Reuter, in: FS Zöllner, S. 487 (492). 25 Zum GmbHG und AktG i.d. Fassung von 1937: Hachenburg/Schilling, GmbHG, § 35 Rn. 40; Schilling, JZ 1961, 545 f.; v. Godin/Wilhelmi, AktG, § 75 Rn. 2. Aus jüngerer Zeit noch: Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 43 ff., 211 ff. 26 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 46. Zurückgehend auf RG v. 3.4.1917, Das Recht 1917, Nr. 1400. 27 Martens, in: FS Werner, S. 495 (508). 28 Siehe Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 55; GroßKomm-AktG/Kort, § 84 Rn. 19; MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 5, 8; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 151.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Das Anstellungsverhältnis enthält also durch die Verpflichtung des Organmitglieds zur Wahrnehmung von Aufgaben gegen ein Entgelt Elemente, die einem Arbeits- oder Dienstverhältnis entsprechen. Dieses bezieht sich auf die Organstellung, ist rechtlich jedoch getrennt von dem Bestellungsverhältnis. b) Das Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Anstellungsverhältnis Trotz der Trennung von Bestellungs- und Anstellungsverhältnis werden die beiden Rechtsverhältnisse nicht vollständig abstrakt voneinander behandelt. Da deren Regelungsgegenstand die Organstellung bzw. deren Ausübung ist, besteht ein inhaltlicher Zusammenhang beider Verhältnisse. Dem Gesellschaftsrecht kommt jedoch eine Vorrangstellung gegenüber anstellungsrechtlichen Regelungen zu. 29 Weicht etwa eine Klausel im Anstellungsvertrag von zwingendem Gesellschaftsrecht ab, ist diese Klausel nichtig. 30 Hintergrund ist, dass die (gesellschaftsrechtliche) Organstellung Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen Organmitglied und Gesellschaft ist. Der Anstellungsvertrag bleibt ein lediglich das Bestellungsverhältnis ergänzender Vertrag, der an gewisse gesellschaftsrechtliche Vorgaben gebunden ist oder von diesen beeinflusst wird. Dies gilt beispielsweise für die vom Gesetz vorgesehene mögliche gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit (§ 37 GmbHG) 31 bzw. zwingende Weisungsfreiheit (§ 76 AktG) 32. Gleichfalls ist es nicht zulässig, die Abberufung des Organmitglieds durch den Anstellungsvertrag einzuschränken. 33 Das Anstellungsverhältnis kann über diese Vorgaben hinaus durch vertragliche Abreden auch noch weiter an das Bestellungsverhältnis geknüpft werden. So gilt bei Vereinbarung sogenannter „Kopp(e)lungsklauseln“ 34 die Abberufung als Organmitglied gleichzeitig auch als Kündigung des Anstel29 BGH v. 29.5.1989, AP § 622 BGB Nr. 26; Martens, in: FS Werner, S. 495 (507 f., 511); KölnKomm/Mertens, AktG, § 84 Rn. 42 ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 11; Michalski/Tebben, GmbHG, § 6 Rn. 109 ff. 30 OLG Stuttgart v. 27.2.1979, DB 1979, 884 (885); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 11; Martens, in: FS Werner, S. 495 (507); Scholz/Schneider/ Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 156. 31 Trölitzsch, in: Oppenländer/Trölitzsch (Hrsg.), Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, § 16 Rn. 20. 32 Hölters/Weber, AktG, § 76 Rn. 36. 33 OLG Stuttgart v. 30.3.1994, NJW-RR 1995, 295 (296); Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 323 ff.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 38 Rn. 21; Fleck, ZGR 1988, 123; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 5, 10; Willemsen, in: FS Buchner, S. 971 ff. 34 BGH v. 29.5.1989, NJW 1989, 2683 f.; BGH v. 21.6.1999, NZG 1999, 1215; Bauer, in: FS Küttner, S. 259 (265 f.); Grobys/Glanz, NJW-Spezial 2007, 129; Grunmann/ Gillmann, DB 2003, 770 (772); MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 69.
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lungsvertrags. Es sind jedoch in der Regel die Kündigungsfristen nach § 621 BGB bzw. § 622 BGB (analog) 35 einzuhalten, 36 solange nicht die im Vergleich zur Abberufung strengeren Anforderungen des § 626 BGB erfüllt sind. 37 Von der rein gesellschaftsrechtlichen Bestellung ist also das Anstellungsverhältnis zu unterscheiden, welches eine arbeitsrechtliche Stellung des Organmitglieds begründen kann. Bestellungsverhältnis und Anstellungsverhältnis sind zwar getrennt, aber nicht abstrakt voneinander zu betrachten, da das Gesellschaftsrecht auf das Anstellungsverhältnis einwirkt. Dem Gesellschaftsrecht kommt dabei eine Vorrangstellung zu. 2. Die Vereinbarkeit von Organstellung und arbeitsrechtlicher Stellung a) Die gesellschaftsrechtliche Grundkonzeption des Anstellungsverhältnisses als Dienstverhältnis Das Anstellungsverhältnis der Organmitglieder wird von der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur zumindest grundsätzlich als Dienstverhältnis eingeordnet. 38 Eine arbeitsrechtliche Stellung bildet, sofern sie anerkannt wird, eher die Ausnahmekonstellation. 39 Bereits gegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer arbeitsrechtlichen Stellung von Organmitgliedern werden
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BGH v. 29.1.1981, AP § 622 BGB Nr. 14; BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 217; BGH v. 29.5.1989, NJW 1989, 2683; Bauer, BB 1994, 855 ff.; ders./Diller, GmbHR 1998, 809 (813); ErfK/Müller-Glöge, § 622 BGB Rn. 7; MünchKomm-BGB/Hesse, § 621 BGB Rn. 12; MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 159; Reiserer, DB 1994, 1822 (1823). 36 Bauer, in: FS Küttner, S. 259 (265); ders./Diller, GmbHR 1998, 809; Flatten, GmbHR 2000, 922; Leuchten, in: FS Bauer, S. 635 (639). Zum Ausnahmefall: Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 244. 37 Goette, DStR 1999, 1745 (1746). 38 BGH v. 7.12.1961, BGHZ 36, 142 (143); BGH v. 9.11.1967, BGHZ 49, 30 (31); BGH v. 9.2.1978, AP § 38 GmbHG Nr. 1; BGH v. 10.1.2000, NJW 2000, 1864; BGH v. 10.9.2001, AP § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 44; BGH v. 10.5.2010, NZG 2010, 827; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 172; Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (213); Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197 (203); Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, S. 41; Goette, DStR 2003, 2175; Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (31); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 3; MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 53; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rn. 73 ff.; Staudinger/Richardi, BGB, Vorbem. zu §§ 611 ff. BGB Rn. 233 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Hohlfeld, GmbHR 1987, 255 ff.; Holthausen/Steinkraus, NZA-RR 2002, 281 (282); Kuhn, Kompetenzbereiche und arbeitsrechtliche Relevanz im Recht der Geschäftsführung bei Gesellschaft und Verein, S. 280 f. 39 Siehe etwa BGH v. 7.12.1987, BB 1988, 290; Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (377); Moll/Grobys, in: Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 77 Rn. 10. Hierzu unter 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)cc)(1)(a).
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
vereinzelt Bedenken erhoben. 40 Bevor also auf die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses eingegangen werden kann, ist zu untersuchen, ob eine arbeitsrechtliche Stellung überhaupt mit der Organstellung vereinbar ist. Dies ist anhand der gesetzlichen Vorgaben sowie der teilweise erhobenen Kritikpunkte (Konflikt der Arbeitgeber- mit einer Arbeitnehmerfunktion und eine fehlende soziale Schutzwürdigkeit) zu klären. b) Gesetzliche Vorgaben in Bezug auf eine arbeitsrechtliche Stellung Die Anwendung von Arbeitsrecht auf die Organmitglieder ist teilweise bereits durch das Gesetz ausgeschlossen. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt der allgemeine Kündigungsschutz für Arbeitnehmer nicht für Organmitglieder. Auch § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG sieht Organmitglieder nicht als Arbeitnehmer „im Sinne dieser Vorschrift“ an. Ähnliches ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, § 3 Abs. 1 S. 2 MitbestG und § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Diesen Vorschriften wird allerdings über den Anwendungsbereich der jeweiligen Norm hinaus keine Bedeutung beigemessen. Vielmehr sind diese Normen als neutral bezüglich der Arbeitnehmereigenschaft von Organmitgliedern anzusehen. 41 c) Konflikt der Arbeitgeberfunktion mit einem auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnis Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder werden wegen ihrer Leitungs- sowie Anstellungs- und Entlassungsbefugnisse der Unternehmer- und Arbeitgeberseite zugerechnet. 42 Aus der Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen wird teilweise geschlossen, dass Organmitglieder nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft stünden, da Arbeitgeberaufgaben nicht mit der Arbeitnehmereigenschaft vereinbar seien. 43 40 Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (213); Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197 (203); Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbH-Geschäftsführer, S. 41; Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (31); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 3; Staudinger/Richardi, BGB, Vorbem. zu §§ 611 ff. BGB Rn. 233 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Hohlfeld, GmbHR 1987, 255 ff. 41 BAG v. 12.3.1987, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 6; Henssler, RdA 1992, 289 (293); Vogelsang, in: Schaub/Koch/Linck/Vogelsang (Hrsg.), Arbeitsrechts-Handbuch, § 14 Rn. 5. 42 Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (213); Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (374 ff.); ders., ZfA 16 (1985), 25 (31); Hohlfeld, GmbHR 1987, 255 (258); Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (439 ff.); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, Anh. zu § 6 Rn 3. 43 BGH v. 7.12.1961, BGHZ 36, 142 (143); BGH v. 9.11.1967, BGHZ 49, 30 (31); BGH v. 9.2.1978, AP § 38 GmbHG Nr. 1; BGH v. 10.1.2000, NJW 2000, 1864; BGH v. 10.9.2001, AP § 626 BGB Ausschlussfrist Nr. 44; Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (213); Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197 (203); Gissel, Arbeitnehmerschutz für den GmbHGeschäftsführer, S. 41; Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (31); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek,
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Eine Parallele zu den leitenden Angestellten zeigt jedoch, dass die Funktionen als Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich nicht grundsätzlich ausschließen. 44 Dem leitenden Angestellten können ebenfalls Weisungsbefugnisse übertragen werden und er kann gleichfalls selbständig über Einstellung sowie Entlassung von Arbeitnehmern entscheiden, wie sich aus § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG und § 5 Abs. 3 BetrVG ergibt. Trotz dieser Arbeitgeberfunktion wird die Arbeitnehmereigenschaft der leitenden Angestellten jedoch nicht bezweifelt. 45 Es werden zwar Unterschiede zwischen Organmitglied und dem leitenden Angestellten insofern geltend gemacht, als die Arbeitgeberfunktionen bei Letzterem nur vertraglich abgeleitet seien, während das Organmitglied originäre Arbeitgeberfunktionen wahrnehme und die oberste Leitungsmacht innehabe. 46 Da die Arbeitgeberfunktionen insofern von grundsätzlich anderer Qualität seien, könne der Vergleich mit den leitenden Angestellten nicht tragen. 47 Allerdings ist hierbei zu beachten, dass auch die Organmitglieder ihre Organstellung erst durch die Annahme der Bestellung erhalten und sie deswegen nicht originär ist. 48 Sie nehmen nur als Vertreter der Gesellschaft deren Aufgabe als Arbeitgeber wahr und verfügen daher auch nur über abgeleitete Rechte. 49 Auch ist weder das Vorstandsmitglied noch der Geschäftsführer mit der obersten Macht ausgestattet: In der AG ist keine hierarchische
GmbHG, Anh. zu § 6 Rn. 3; Staudinger/Richardi, BGB, Vorbem. zu §§ 611 ff. BGB Rn. 233 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 144; Hohlfeld, GmbHR 1987, 255 ff.; Kuhn, Kompetenzbereiche und arbeitsrechtliche Relevanz im Recht der Geschäftsführung bei Gesellschaft und Verein, S. 280 f. Siehe aber Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 187 ff. 44 Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 116, 130; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 91; Eckardt, ZfA 18 (1987), 467 (470); Henssler, RdA 1992, 289 (292); Wank, in: FS Wiedemann, S. 587 (595); ders./Maties, NZA 2007, 353 (354). Vgl. auch Becker, ZIP 1981, 1168 ff. 45 Einhellige Meinung, siehe nur Hromadka, Das Recht der leitenden Angestellten im historischgesellschaftlichen Zusammenhang, S. 246 ff.; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 91; Wank/Maties, NZA 2007, 353 (354); MünchHdbArbR/Richardi, § 19 Rn. 1 ff.; ErfK/Koch, § 5 BetrVG Rn. 17; Ascheid/Preis/Schmidt/ Biebl, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rn. 15 ff. 46 Henssler, RdA 1992, 289 (292); Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (374); ErfK/ Preis, § 611 BGB Rn. 34 ff. In diese Richtung auch Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (213). 47 Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (374). 48 Beuthien, in: FS 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 1 (3) Fn. 8; Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 130; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 92; Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, S. 46 ff. 49 Beuthien, in: FS 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 1 (3) Fn. 8; Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 130; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 92; Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, S. 46 ff.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Organverfassung gewollt, 50 in der GmbH sind die Geschäftsführer nach § 37 Abs. 1 GmbHG sogar den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen. Zusätzlich wird vorgebracht, dass schon aus dem Abschluss eines Anstellungsvertrags mit der Gesellschaft folge, dass über dem Organmitglied eine weitere Leitungsebene stehen müsse. 51 Die Wahrnehmung von Arbeitgeberbefugnissen schließt damit jedenfalls nicht pauschal die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aus. 52 d) Die Schutzwürdigkeit der Organmitglieder Teilweise wurden in der Rechtsprechung und der Literatur schon aufgrund der sozialen Stellung eine Schutzwürdigkeit und damit die Anwendung von Arbeitsrecht auf Organmitglieder grundsätzlich verneint. Die geringere Schutzwürdigkeit ergebe sich aus einem im Vergleich zu den leitenden Angestellten vermuteten höheren Gehalt der Organmitglieder 53 oder daraus, dass sie aufgrund ihrer autoritären Stellung ihre Anstellungsbedingungen selbst diktieren und beispielsweise eine bestimmte Vertragsdauer oder eine bestimmte Kündigungsfrist vereinbaren könnten. 54 Die Schutzbedürftigkeit wird aber auch umgekehrt für die Begründung einer Arbeitnehmereigenschaft verwendet: Der Geschäftsführer stelle seine ganze Arbeitskraft einem Unternehmen zur Verfügung und erhalte im Gegenzug ein Gehalt, das seine Existenzgrundlage bilde und nicht zwingend höher als das eines Arbeitnehmers sein müsse. 55 Die soziale Absicherung könne bei leitenden Angestellten daher auch besser sein als bei den Organmitgliedern. 56 Unabhängig von der Frage, inwieweit die soziale und wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit für den Ausschluss aus der Arbeitnehmereigenschaft überhaupt relevant ist, kann zumindest nicht pauschal aus der sozialen Stellung der Organmitglieder die Anwendung von Arbeitsrecht bejaht oder verneint werden. Die Unterschiede unter den Organmitgliedern sind recht groß, was sich beispielsweise an den unterschiedlich hohen Gehältern zeigt. 57 Hier relativiert sich auch die Unterscheidung von den leitenden Angestellten. Im Rahmen einer Vergütungsstudie zeigte sich, dass leitende Angestellte in gro50
BVerfG v. 20.9.1999, NJW 2000, 349 (350). Vgl. Wank, in: FS Wiedemann, S. 587 (595). 52 Henssler, RdA 1992, 289 (292); Wank, in: FS Wiedemann, S. 587 (595 f.); Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 116 ff.; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 87 ff.; Groß, Das Anstellungsverhältnis des GmbHGeschäftsführers, S. 100 ff.; Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (441). 53 BGH v. 11.7.1953, BGHZ 10, 187 (191 f.). 54 BGH v. 16.12.1953, BGHZ 12, 1 (9). 55 Vgl. Miller, ZIP 1981, 578 (581); Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 177; Trinkhaus, DB 1968, 1760. 56 Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (400 f.). 57 Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 131. 51
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ßen Unternehmen (Jahresumsatz zwischen 500 und 1.500 Millionen Euro) mit durchschnittlich 162.000 Euro im Jahr vergütet werden, während FremdGeschäftsführer kleinerer (Tochter-)GmbH 160.000 Euro (Jahresumsatz zwischen 500.000 und 5 Millionen Euro) bzw. 96.000 Euro (Jahresumsatz unter 500.000 Euro) durchschnittlich im Jahr verdienen. 58 Auch der Einfluss der Organmitglieder während der Organmitgliedschaft divergiert. 59 Eine pauschale Beurteilung aufgrund der sozialen Stellung ist daher nicht sinnvoll. Vielmehr ist für die Frage nach einer arbeitsrechtlichen Stellung die Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses unter Einbezug des Bestellungsverhältnisses zu untersuchen. 3. Das Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis a) Die Weisungsgebundenheit des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft aa) Die Weisungsgebundenheit als zentrales Kriterium des Arbeitsverhältnisses eines Organmitglieds In Ermangelung einer gesetzlichen Definition des Arbeitnehmers wurde von der Rechtsprechung folgender Begriff aufgestellt: „Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags in Diensten eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist“. 60 Da das Arbeitsverhältnis auf den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung gerichtet ist, 61 kann mangels Vergütungsanordnung auch deshalb das Bestellungsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis eingeordnet werden. Demgegenüber ist eine arbeitsrechtliche Einordnung des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses möglich. In Abgrenzung zum Dienstvertrag ist für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses die persönliche Abhängigkeit des Organmitglieds Voraussetzung, welche im Wesentlichen aus der Weisungsgebundenheit besteht. 62 Die Weisungsgebundenheit kann sich dabei im Umkehrschluss aus § 84 Abs. 1 S. 2 HGB („selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“) aus örtlicher oder zeitlicher, teilweise auch aus
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Kienbaum Vergütungsstudie 2009, auszugsweise in: Löhr, in: F.A.Z. v. 27.8.2009, Nr. 198, S. 12. 59 Vgl. Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 131 f. 60 St. Rspr.: BAG v. 15.3.1978, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 26; BAG v. 12.12.2001, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 111; BAG v. 20.1.2010, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 120. 61 BAG v. 9.3.2005, AP § 611 BGB Lehrer, Dozenten Nr. 167. 62 Zu der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation sogleich: 1. Kapitel § 1 B.I.3.b).
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
einer fachlichen Bindung ergeben, 63 wobei die Bedeutung fachlicher Weisungen gering ist. 64 Die fachliche Weisungsgebundenheit ist nicht zur Abgrenzung geeignet, da sie auch bei Dienst- und Werkverträgen möglich ist. 65 Ferner ist anerkannt, dass gewisse Arbeitnehmer – je nach ihrer Qualifikation – keinen fachlichen Weisungen unterliegen. 66 bb) Das Verhältnis von gesellschaftsrechtlicher und arbeitsrechtlicher Weisungsgebundenheit der Organmitglieder (1) Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Weisungen für die örtliche oder zeitliche Weisungsgebundenheit Wie oben beschrieben besteht teilweise eine Weisungsgebundenheit der Organmitglieder aus dem Bestellungsverhältnis. 67 Diese Weisungen sind gesellschaftsrechtlichen Ursprungs und beziehen sich auf die Organstellung selbst. 68 Für die Charakterisierung des Anstellungsvertrags als Arbeitsverhältnis kommt ihnen nur dann eine Bedeutung zu, wenn sie gleichzeitig auch eine persönliche Abhängigkeit begründen können. Nach dem Arbeitnehmerbegriff der herrschenden Meinung ist dies nicht der Fall, da die Weisungen nicht die Arbeitspflicht in Bezug auf Ort, Zeit und Inhalt konkretisieren. 69 Die gesellschaftsrechtlichen Weisungen betreffen stattdessen nur das Kompetenzverhältnis zwischen den Gesellschaftsorganen. Für ein Arbeitsverhältnis des Organmitglieds ist aber erforderlich, dass eine über das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinausgehende Weisungsbefugnis vorliegt, welche die Modalitäten der Leistungserbringung bestimmt. 70 Es ist zwar nicht auszuschließen, dass bei einer sehr starken gesellschaftsrechtlichen Weisungsgebundenheit auch ein Einfluss auf die Arbeitsorganisa63 BAG v. 27.10.1956, AP § 554 ZPO Nr. 3; BAG v. 19.5.1960, AP § 5 ArbGG 1953 Nr. 7; BAG v. 20.7.1994, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 73; BAG v. 30.11.1994, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 74. 64 Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, Kündigungsrecht, 1. Teil C Rn. 28; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 68, 85 f.; Hromadka, NZA 1997, 569 (576). 65 Vgl. Beuthien/Wehler, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 21. 66 BAG v. 10.11.1955, AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 2; BAG v. 27.7.1961, AP § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche Nr. 24. 67 1. Kapitel § 1 A.I. 68 Henssler, RdA 1992, 289 (294); Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (376 f.); ders., ZfA 16 (1985), 25 (29); Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 176; Zöllner/Loritz/ Hergenröder, Arbeitsrecht, § 4 III 5 a aa (1). 69 BAG v. 26.5.1999, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 106; Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (213); Henssler, RdA 1992, 289 (293 f.); Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (376 f.); ders., ZfA 16 (1985), 25 (29); Konzen, NJW 1989, 2977 (2978); Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 176. Siehe zu den Schwierigkeiten der örtlichen Versetzung Röhrborn, BB 2013, 693 ff. 70 BAG v. 26.5.1999, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 106.
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tion entsteht. 71 Durch eine so weitgehende Weisungsgebundenheit aus dem Gesellschaftsrecht könnte damit auch der Weg zu einer arbeitsrechtlich relevanten Abhängigkeit eröffnet sein. Allerdings ist zum einen ein solcher Einfluss auf Ort und Zeit schwer praktisch vorstellbar. Zum anderen müsste es sich dabei um eine so starke Bindung handeln, dass selbst der Kernbestand an Geschäftsführungsaufgaben berührt wäre. Dieses würde aber wiederum nach einer verbreiteten Ansicht 72 zur Unzulässigkeit eines solchen Weisungsrechts führen. Auf die Erfüllung der Kriterien der herrschenden Meinung zur Arbeitnehmereigenschaft haben die gesellschaftsrechtlichen Weisungen also grundsätzlich keinen Einfluss. (2) Gesellschaftsrechtliche Weisungen und unternehmerische Weisungen Neben dieser in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Ansicht zur Weisungsgebundenheit sieht das von Wank geprägte Alternativmodell die freiwillige Übernahme des Unternehmerrisikos als kennzeichnendes Merkmal der Selbständigkeit. 73 Demnach ist Arbeitnehmer derjenige, der so stark weisungsgebunden ist, dass er keine unternehmerischen Chancen wahrnehmen kann. 74 Sofern also Organmitglieder eine unternehmerische Tätigkeit ausüben, sind sie hiernach Selbständige. Wird diese Tätigkeit aber durch Weisungen eingeschränkt, wären die Organmitglieder Arbeitnehmer. 75 Die gesellschaftsrechtlichen Weisungen beschränken die Befugnisse und sind somit zumindest geeignet, eine unternehmerische Tätigkeit zu beschränken. Dass das Organmitglied unternehmerische Aufgaben wahrnimmt, ist unbestritten. 76 Allerdings handelt es sich dabei in der Regel um Entscheidungen in Angelegenheiten der Gesellschaft und nicht um eine eigene unternehmerische Tätigkeit. 77 Eine eigene unternehmerische Tätigkeit setzt voraus, dass freiwillig ein Unternehmerrisiko übernommen wurde, welchem Chancen wie eine
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BAG v. 24.11.2005, AP § 1 KSchG 1969 Nr. 19; Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (377); Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, S. 88. 72 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 37 Rn. 18; Hommelhoff, ZGR 1978, 119 (127 ff.); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 93; Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 37 Rn. 18a; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 10; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rn. 11; Wiedemann/Frey, Gesellschaftsrecht I, S. 336; Zöllner, ZGR 1977, 325. 73 Siehe bspw. Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 75 f., 389. 74 Wank, DB 1992, 90 ff. 75 So Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 137 f.; Wank/ Maties, NZA 2007, 353 (354). 76 Michalski/Haas/Zimons, GmbHG, § 43 Rn. 69, 74a. 77 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn. 22b; Michalski/Haas/Zimons, GmbHG, § 43 Rn. 69, 74a; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 Rn. 64. Siehe auch § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Gewinnbeteiligung gegenüberstehen. 78 Solche Chancen ergeben sich für das Organmitglied etwa durch eine Gesellschaftsbeteiligung oder eine (erhebliche) Erfolgsbeteiligung im Anstellungsvertrag. 79 Ein Organmitglied mit Festgehalt ohne eine solche Beteiligung kann daher schon keine unternehmerische Tätigkeit ausüben. 80 Für diese ist daher auch die Frage nach dem Bestehen gesellschaftsrechtlicher Weisungen ohne Bedeutung. Für alle anderen Organmitglieder ist entscheidend, ob die freiwillige Übernahme des Unternehmerrisikos ein Kriterium zur Abgrenzung der Selbständigen gegenüber den Arbeitnehmern ist und ob dieses durch die gesellschaftsrechtlichen Weisungen eingeschränkt werden kann. Hintergrund der Überlegungen zum Unternehmerrisiko ist die Kritik an dem herkömmlichen Arbeitnehmerbegriff, welcher nach Ansicht von Wank Tatbestand und Rechtsfolge nicht angemessen miteinander verknüpft. 81 Neben der persönlichen Abhängigkeit sei es sinnvoll, die freiwillige Übernahme des Unternehmerrisikos als Kriterium zu wählen: Trägt eine Person das Unternehmerrisiko, also ihr Berufs- und Existenzrisiko, selbst, ist sie als selbständig zu bezeichnen, während einem Arbeitnehmer dieses Risiko abgenommen wird und er dieses daher nicht beherrscht. Demgegenüber stehen die unternehmerischen Chancen, welche nur dem Selbständigen, nicht aber dem Arbeitnehmer zustehen. 82 Dieses Modell entspricht allerdings nicht der Gesetzeslage. Eine nach unternehmerischen Risiken und Chancen vorgenommene Aufteilung in Arbeitnehmer und Selbständige widerspricht dem vorgesehenen dreigeteilten System, in welchem die arbeitnehmerähnlichen Personen zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen stehen (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG; § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG; § 2 S. 2 BUrlG; § 12a TVG). 83 Nach der derzeitigen Gesetzeslage muss nicht zwingend Arbeitnehmer sein, wer keine Chancen am Wirtschaftsmarkt wahrnimmt, sondern er kann auch arbeitnehmerähnlich sein. 84 Diese Differenzierung ist bei Anwendung des Unternehmerrisikos als Kriterium nicht möglich. Darüber hinaus unterliegen unter Umständen sogar der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personengesellschaft oder sogar der Komplementär einer atypischen stillen Gesell78
Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 122 ff.; ders., NZA 1999, 225 (227 f.). Näher Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 137 ff. 80 Wank, in: FS Wiedemann, S. 587 (596); Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 137; Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 177. 81 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 122; ders., NZA 1999, 225 (226 f.). 82 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 122; ders., NZA 1999, 225 (227). 83 BAG v. 25.5.2005, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 117; Buchner, NZA 1998, 1144 (1148); Griebeling, RdA 1998, 208 (214); Hromadka, NZA 1997, 569 (576); Junker, Arbeitsrecht, Rn. 103; MünchHdb-ArbR/Richardi, § 16 Rn. 40; Rommé, ZfA 28 (1997), 251. 84 Hromadka, NZA 1997, 569 (576). 79
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schaft rein unternehmensbezogenen Weisungen, ohne dass sie dadurch Arbeitnehmer würden. 85 Auch wird gegen den Einbezug des Unternehmerrisikos geltend gemacht, dass ein wirtschaftliches Kriterium nicht trennscharf sei. 86 Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Alternativmodell zur herrschenden Meinung soll angesichts des klaren Gesetzeswortlauts hier unterbleiben. Die unternehmerischen Weisungen haben demnach keinen Einfluss auf die arbeitsrechtliche Stellung des Organmitglieds. (3) Ergebnis Die gesellschaftsrechtlichen Weisungen sind für eine Charakterisierung des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis unbeachtlich. Dies gilt für die gesellschaftsrechtlichen Weisungen der eigenen Gesellschaft genauso wie für Weisungen einer übergeordneten Gesellschaft. Es wird zwar vorgetragen, dass leitenden Angestellten der übergeordneten Gesellschaft meist mehr Entscheidungsfreiheit zustehe als den Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern der untergeordneten Gesellschaft. 87 Dies ist für das Vorliegen eines arbeitsrechtlich relevanten Weisungsverhältnisses aber irrelevant. Denn die Weisungen sind an das Organ des abhängigen Unternehmens gerichtet und nicht an die einzelnen Organmitglieder. 88 Schließlich ist in diesem Fall auch nicht die Konzernmutter die einstellende Gesellschaft, sondern die Konzerntochter. Eine Weisungsabhängigkeit vom Arbeitgeber besteht insofern also auch nicht. 89 Das Anstellungsverhältnis mit der Tochtergesellschaft ist demnach bei alleiniger Berücksichtigung der unternehmensbezogenen Weisungen grundsätzlich nicht als Arbeitsvertrag einzuordnen. 90 Entscheidend für die Charakterisierung als Arbeitsverhältnis sind damit allein die im Anstellungsvertrag enthaltenen Abreden.
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Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (376 f.). Ausführlich mit weiteren Nachweisen Rieble, ZfA 29 (1998), 327 (334 ff.). 87 Martens, Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 19 ff.; ders., in: FS Hilger/ Stumpf, S. 437 (440). 88 Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (30); ders., in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (377 f.). 89 Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (30); ders., in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (378). 90 Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (441). 86
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cc) Die Weisungsgebundenheit im Anstellungsvertrag (1) Die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers (a) Die im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers festgelegte Weisungsgebundenheit als Ausnahmefall Eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers im auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnis liegt nur vor, wenn der Anstellungsvertrag eine entsprechende Klausel enthält. 91 Sie steht, wie oben gezeigt, 92 auch nicht mit der Arbeitgeberfunktion im Widerspruch. Allerdings setzt die Führung der Geschäfte und die Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion eine gewisse Eigenverantwortlichkeit voraus, damit die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft nicht geschwächt wird. Eine strikte Weisungsgebundenheit ist der Position des Geschäftsführers also nicht immanent. Daher wird vermutet, dass eine den Geschäftsführer zeitlich und örtlich bindende Klausel eher die Ausnahme darstellen wird. 93 (b) Weisungsgebundenheit bei Mehrpersonen-Geschäftsführung Eine Weisungsgebundenheit muss nicht nur gegenüber den Gesellschaftern bestehen, sondern kann sich auch aus der oben beschriebenen Pflicht zur Zusammenarbeit 94 bei mehreren Geschäftsführern ergeben. In diesem Rahmen ist es möglich, dass ein internes, auch in der Geschäftsordnung festgeschriebenes Rangverhältnis zwischen den verschiedenen Geschäftsführern besteht. 95 Das BAG sieht hierin einen Ansatzpunkt für eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsgebundenheit der untergeordneten Geschäftsführer. 96 Folgt man dieser Einschätzung, so wäre die Geschäftsführung in „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ und „Arbeitgeber-Geschäftsführer“ aufgeteilt, 97 wobei der sog. „Arbeitgeber-Geschäftsführer“ nicht selbst Arbeitgeber wäre, sondern nur im Auftrag der Gesellschaft Arbeitgeberaufgaben gegenüber dem Arbeitnehmer-Geschäftsführer ausführen würde. Allerdings müssten die dem untergeordneten Geschäftsführer erteilten Weisungen wiederum arbeitsrecht91
BAG v. 6.5.1999, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 46; BAG v. 26.5.1999, AP § 35 GmbHG Nr. 10. 92 1. Kapitel § 1 B.I.2.c). 93 Vgl. Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (377); Moll/Grobys, in: Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 77 Rn. 10. Zeitliche Weisungsgebundenheit aber etwa in: BGH v. 7.12.1987, BB 1988, 290. Für die Vereinbarung eines örtlichen Weisungsrechts: Röhrborn, BB 2013, 693. 94 1. Kapitel § 1 A.I. 95 Vgl. Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (30). 96 BAG v. 26.5.1999, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 106. Anderer Ansicht: Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (30). 97 Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 146.
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liche Qualität haben und dürften sich nicht in einer organisationsbedingten Zuständigkeit erschöpfen. (c) Maßgeblichkeit der Beteiligung des Geschäftsführers für die Weisungsgebundenheit Eine im Anstellungsvertrag vorgesehene Weisungsgebundenheit gegenüber den Gesellschaftern ist dann unbedeutend, wenn der Geschäftsführer solche Beschlüsse verhindern kann. Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsführer auch als Gesellschafter einen solchen Einfluss hat, dass er alleine andere Gesellschafter überstimmen kann. Dies ist jedenfalls bei einem Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer gegeben, der zu 50 % oder mehr am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist. 98 Des Weiteren kann aber auch eine Sperrminorität die arbeitnehmerspezifische Abhängigkeit ausschließen. 99 Daraus folgt, dass zumindest für sog. Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer keine arbeitsrechtlich relevante Weisungsgebundenheit entstehen kann und damit ein Arbeitsverhältnis ausgeschlossen ist. Nur für Fremd-Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ist danach eine Weisungsgebundenheit möglich. (d) Ergebnis Eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers besteht nur im Ausnahmefall. Jedenfalls für den MehrheitsgesellschafterGeschäftsführer ist diese stets ausgeschlossen. (2) Auswirkungen der Weisungsfreiheit des Vorstandsmitglieds nach § 76 Abs. 1 AktG auf das Anstellungsverhältnis Für das Vorstandsmitglied ist die Aussage, dass eine Weisungsgebundenheit im auf die Organtätigkeit gerichteten Anstellungsvertrag theoretisch zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses führen kann, angesichts § 76 Abs. 1 AktG nicht problemlos übertragbar. Das Gesetz sieht eine Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung vor. Dies betrifft zunächst die korporationsrechtliche Ebene, also die Machtverteilung zwischen den Organen. Das Bestehen einer zeitlichen oder örtlichen Weisungsgebundenheit im Anstellungsvertrag ist zwar grundsätzlich von der korporationsrechtlichen Ebene zu trennen, 100 jedoch ist die Eigenverantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder zumindest mittelbar betroffen, wenn Hauptversammlung oder Aufsichtsrat einen Einfluss auf die Ausübung der Arbeit besitzen. Ein Einfluss auf die 98
Henssler, RdA 1992, 289 (291); Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 175, 177. Henssler, RdA 1992, 289, 291 f.); Miller, ZIP 1981, 578 (581). 100 Vgl. 1. Kapitel § 1 B.I.1. 99
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Geschäftsführung besteht zwar auch durch Weisungen einer übergeordneten Gesellschaft. 101 Dies ist allerdings eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme und kann außerhalb des Konzerns nicht zu einer weiteren Ausnahme führen. Auch die Rechenschaftspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 AktG beschränkt sich allein auf die konkreten Berichte. Um die Eigenverantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder zu gewährleisten, ist also das Gebot der Weisungsfreiheit ebenso auf die Anstellungsebene zu übertragen. 102 Eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsgebundenheit ist für das Vorstandsmitglied daher nicht möglich. 103 b) Eingliederung des Organmitglieds in den Betrieb Regelmäßig wird als Voraussetzung eines Arbeitsverhältnisses auch die Eingliederung in den Betrieb bzw. in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation genannt. 104 Der Eingliederung in den Betrieb als tragendem Merkmal wird entgegengehalten, dass bezüglich der Weisungsgebundenheit grundsätzlich auf § 84 Abs. 1 S. 2 HGB zurückgegriffen werde, diese Vorschrift aber nicht das Merkmal der Eingliederung enthalte. 105 Dieser Einwand verfängt aber nicht, da § 84 Abs. 1 S. 2 HGB nur als Hilfe, nicht als abschließende Umschreibung der für die Arbeitnehmereigenschaft maßgeblichen Gesichtspunkte herangezogen wird. 106 Nach Ansicht des BAG zeigt sich das Merkmal der Eingliederung aber ohnehin letztlich daran, dass ein umfangreiches Weisungsrecht des Vertragspartners besteht. 107 Insofern bestehen große Überschneidungen zwischen Eingliederung und Weisungsabhängigkeit. Auch wird die Eingliederung als zu unbestimmt bezeichnet, da daraus nicht stets ein 101
1. Kapitel § 1 A.II. I.E. Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, § 1 MuSchG Rn. 94. 103 BGH v. 16.12.1953, BGHZ 12, 1 (8); BGH v. 7.12.1961, BGHZ 36, 142; BGH v. 9.11.1967, BGHZ 49, 30; BGH v. 24.11.1980, BGHZ 79, 38 (41); Bauer, DB 1992, 1413; Henssler, RdA 1992, 289, 291 f.; Diller, Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, S. 60 f.; Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197; Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (367); Groß, Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers, S. 7; Goette, in: FS Wiedemann, S. 873 ff.; ders., DStR 2003, 2175; Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (439 ff.); Hüffer, AktG, § 84 Rn. 11; Löwisch, Arbeitsrecht, Rn. 8; GroßkommAktG/Kort, § 84 Rn. 274; KölnKomm/Mertens, AktG, § 84 Rn. 34; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 84 Rn. 23; MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 51, 53. Anderer Ansicht: Wehrmeyer, Die arbeitsrechtliche Einordnung der Organe juristischer Personen, S. 211. 104 BAG v. 30.10.1991, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 74; BAG v. 7.3.2002, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 196. 105 Wank, in: FS Wiedemann, S. 587 (600). 106 BAG v. 21.1.1966, AP § 93 HGB Nr. 2. 107 BAG v. 30.11.1994, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 74; BAG v. 30.10.1991, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 59. 102
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Arbeitsverhältnis folge, so dass das Merkmal eher als Indiz oder Umschreibung gesehen wird. 108 Ein Organmitglied macht sich in der Regel Personal und Material des Unternehmens zu Nutze, woraus eine Einbindung in eine fremde Organisation folgen könnte. 109 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es in seiner Stellung als Organmitglied der Gesellschaft in deren Bereich eingegliedert ist, was zunächst nur der Wahrnehmung der eigenen korporationsrechtlichen Aufgaben der Gesellschaft dient. Die Eingliederung könnte also wegen der Trennung von Bestellung und Anstellung nicht das Anstellungsverhältnis betreffen. 110 Andererseits ist das Anstellungsverhältnis auch nicht vollständig abstrakt vom Bestellungsverhältnis zu sehen. 111 Die Angewiesenheit auf Personal und Material hat zwar ihren Ursprung im begründeten Bestellungsverhältnis, jedoch ist das Anstellungsverhältnis die Ausgestaltung des Bestellungsverhältnisses. Soweit der Geschäftsführer also im Rahmen der Verrichtung seiner Arbeit Personal und Material nutzt, ist er in einen Betrieb eingegliedert. Jedoch beeinflusst das Organmitglied als Leitungsorgan und Vertreter der Gesellschaft die Organisation selbst, so dass es trotz der Eingliederung an der Fremdheit fehlt. 112 Anders kann dies sein, wenn eine organisatorische Weisungsgebundenheit vorliegt, dem Organmitglied also arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilt werden. Diese Fälle wurden oben im Rahmen der Weisungsgebundenheit behandelt. Ein unterschiedliches Ergebnis aufgrund des Einbezugs der Eingliederung ergibt sich daher nicht. Durch das Merkmal der Eingliederung ergeben sich also keine Abweichungen für die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder. c) Ergebnis Die Subsumtion unter den Arbeitnehmerbegriff zeigt, dass das Vorstandsmitglied nie und der Geschäftsführer nur in Ausnahmefällen im Rahmen ihres auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses in einem Arbeitsverhältnis zur bestellenden Gesellschaft stehen. Ein genereller Ausschluss von Organstellung und arbeitsrechtlicher Stellung ist allerdings nicht gegeben. Vielmehr ist allein auf das dem Anstellungsverhältnis entstammende Weisungsverhältnis abzustellen. Nur in extremen Ausnahmefällen können auch gesellschaftsrechtliche Weisungen einen Einfluss auf die Rechtsnatur des Anstellungsverhältnisses haben. Ansonsten sind diese hierfür irrelevant. 108
Vgl. schon Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, S. 51 f. So Wank, in: FS Wiedemann, S. 587 (600); Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 151 f.; Kamanabrou, DB 2002, 146 (147); Groß, Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers, S. 238 f. 110 Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (31). 111 1. Kapitel § 1 B.I.1.b). 112 Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (31). 109
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Die Anwendung von Arbeitsrecht ist hierdurch jedoch nicht ganz ausgeschlossen. Teilweise können arbeitnehmerschützende Vorschriften auch aufgrund Parteivereinbarung 113 oder unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses analog angewendet werden. Zu beachten sind allerdings die Grenzen des Gesellschaftsrechts, wie etwa § 84 Abs. 1 S. 1, S. 5 AktG. So ist die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses mit unbeschränkter Dauer unwirksam und wird als ein auf fünf Jahre befristeter Vertrag ausgelegt. 114 Hintergrund der teilweise analogen Anwendung arbeitnehmerschützender Vorschriften auf das Anstellungsverhältnis (etwa § 622 BGB 115, § 630 BGB 116 oder §§ 850 ff. ZPO 117) ist, dass die Organmitglieder wie Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft hauptberuflich der Gesellschaft zur Verfügung stellen und ebenso wie diese vom Fortbestehen des Anstellungsverhältnisses abhängig sind. 118 Für Allein- oder Mehrheitsgesellschafter gilt dieses jedoch nicht, da hier die Anstellung als Organmitglied nur ein Mittel ist, um der unternehmerischen Tätigkeit nachzukommen. 119 Die Organmitglieder sind also nicht gänzlich schutzlos gestellt. Nach jüngerer Rechtsprechung des BAG wird der Geschäftsführer bei Abschluss seines Anstellungsvertrags auch als Verbraucher tätig, so dass vorformulierte Anstellungsbedingungen der AGB-Prüfung nach den §§ 305 ff. BGB unterworfen sein können, wenn der Geschäftsführer keinen Einfluss auf den Inhalt nehmen kann. 120 Diese Einordnung unterstreicht die Tendenz des BAG, den Geschäftsführern einen gewissen Schutz gegenüber der Gesellschaft zuzubilligen. Für die arbeitsrechtliche Stellung des Organmitglieds hat diese Rechtsprechung aber keine Relevanz.
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Siehe zum Kündigungsschutzgesetz: BGH v. 10.5.2010, NJW 2010, 2343. Kritisch zu einer solchen Praxis Dzida, NJW 2010, 2345. 114 BAG v. 26.8.2009, AP § 84 AktG Nr. 2; Hüffer, AktG, § 84 Rn. 15. 115 BGH v. 29.1.1981, BGHZ 79, 291; BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 217; OLG Hamm v. 20.11.2006, GmbHR 2007, 442 (443); Bauer, BB 1994, 855 f.; Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn. 243; ErfK/Müller-Glöge, § 622 BGB Rn. 7; MünchKomm-BGB/Hesse, § 621 BGB Rn. 12; MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 159; kritisch Hümmerich, NJW 1995, 1177 (1178 ff.). 116 BGH v. 9.11.1967, BGHZ 49, 31. 117 BGH v. 8.12.1977, AP § 850 ZPO Nr. 9; Henssler, RdA 1992, 289 (295 ff.). 118 BAG v. 25.9.2002, AP § 2 ArbGG 1979 Nr. 83; Henssler, RdA 1992, 289 (294 f.); Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (32); Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (439 ff.); ErfK/ Müller-Glöge, § 622 BGB Rn. 7; Fleck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 197 (205); Hölters/ Weber, AktG, § 84 Rn. 35. 119 BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 217 (220). 120 BAG v. 19.5.2010, NJW 2010, 2827 (2829). So zuvor schon Hümmerich, NZA 2006, 709 ff.
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4. Ergebnis Der auf die Organstellung gerichtete Anstellungsvertrag ist beim Vorstandsmitglied nicht und beim Geschäftsführer nur in Ausnahmefällen als Arbeitsverhältnis einzuordnen. Ein Arbeitsverhältnis scheidet beim Geschäftsführer von vornherein aus, wenn dieser mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligt ist. Auch die analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften auf das reine Dienstverhältnis des Organmitglieds findet nur in begrenztem Maße statt. II. Nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit als Arbeitsverhältnis 1. Hintergrund der nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit Die in Deutschland für eine arbeitsrechtliche Stellung von Organmitgliedern relevante Konstellation ist die oben behandelte, in der neben der Bestellung ein auf die Organstellung gerichteter Anstellungsvertrag geschlossen wurde. Kaum Aufmerksamkeit hat hingegen die Behandlung der Konstellation erfahren, in der ein Organmitglied neben der Organstellung eine weitere Tätigkeit bei der gleichen Gesellschaft wahrnimmt und hierüber einen gesonderten Vertrag geschlossen hat. Bestand vor der Organmitgliedschaft ein Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft wird in der Regel nur die Frage aufgeworfen, ob dieses mit der Bestellung aufgelöst wurde oder während der Organstellung ruhend fortbesteht. 121 In der Rechtsprechung finden sich nur wenige Fälle, in denen während der Organstellung eine weitere Tätigkeit aktiv wahrgenommen wurde. 122 Die Literatur hält dies zumindest für möglich, 123 beschäftigt sich aber nicht weiter damit. Für die arbeitsrechtliche Stellung des Organmitglieds kann ein solches Arbeitsverhältnis aber von Bedeutung sein, da in der Regel kein Arbeitsverhältnis in Bezug auf die Organstellung vorliegt. 2. Anforderungen an ein nicht auf die Organstellung gerichtetes Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds a) Wahrnehmung unterschiedlicher Tätigkeiten Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds, welches sich nicht auf die zur Organstellung selbst gehörende Tätigkeit bezieht, ist zu121
Siehe nur: BAG v. 19.7.2007, NZA 2007, 1095 ff.; LAG Bremen v. 2.3.2006, NZA 2006, 623; Müller-Glöge, in: FS Hromadka, S. 255 ff.; Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 60 ff.; Bauer, GmbHR 2000, 767 ff. 122 BAG v. 27.10.1960, AP § 5 ArbGG 1953 Nr. 14; BAG v. 24.8.1972, AP § 611 BGB Gemischter Vertrag Nr. 2. Unter Bezug auf die beiden Urteile: BAG v. 27.6.1985, AP § 1 AngestelltenkündigungsG Nr. 2. 123 Diller, NJW 2008, 1019 (1020); Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, Kündigungsschutzrecht, § 14 KSchG Rn. 14; MünchKomm-BGB/Hergenröder, § 14 KSchG Rn. 10; Löwisch/Spinner, KSchG, § 14 Rn. 13.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
nächst, dass das Arbeitsverhältnis sich von der auf die Organstellung gerichteten Tätigkeit unterscheidet. 124 Hierfür ist die Möglichkeit einer funktionellen und sachlichen Abgrenzung zwischen den wahrgenommenen Tätigkeiten notwendig. 125 Beispielhaft ist der Geschäftsführer, welcher gleichzeitig als Buchhalter 126, Vertriebsleiter 127 oder als Ausbilder gemäß § 20 Abs. 4 BBiG 128 tätig ist. Damit diese Trennung der Tätigkeiten auch nach außen erkennbar ist, kann beispielsweise eine zeitliche oder örtliche Trennung der Tätigkeiten vorgenommen werden. Dies ist aber ein rein praktisches Problem und soll hier nicht weiter vertieft werden. Rechtlich interessanter ist hingegen die Frage, ob neben der Leitung der Gesellschaft noch Raum für eine hiervon getrennte Aufgabe ist. So sieht § 88 AktG ein Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder vor, welches jedoch über dessen amtliche Überschrift hinausgehend die Gesellschaft nicht nur vor Wettbewerb schützen, sondern auch die volle Arbeitskraft der Leitungsorgane erhalten soll und einen anderweitigen Einsatz ihrer Arbeitskraft grundsätzlich verbietet. 129 Neben § 88 AktG ergibt sich dies bereits aus der Treuepflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft. 130 Ob dieses Verbot allerdings so weit zu verstehen ist, dass hiervon auch einfache Arbeitnehmertätigkeiten in derselben Gesellschaft erfasst sind, wird nicht diskutiert. Die streitige Frage, ob durch § 88 AktG ein generelles Verbot jeglicher sonstiger gewerblicher Tätigkeiten ausgesprochen ist, 131 ist für das hier thematisierte Problem jedenfalls irrelevant, da diese Frage nur selbständige Tätigkeiten betrifft. Zu unterlassen ist aber grundsätzlich jede berufliche Nebentätigkeit, welche „nach zeitlichem Umfang und gefordertem Arbeitseinsatz die volle [...] Ausfüllung des Vorstandsamtes gefährdet“ 132. Dass die nicht von der Geschäftsleitung umfasste Tätigkeit im Interesse der Gesellschaft erfolgt, lässt das Zustimmungserfordernis noch nicht per se entfallen. Dies zeigt schon die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats bei konzerninternen
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Vgl. MünchKomm-BGB/Hergenröder, § 14 KSchG Rn. 10. BAG v. 24.8.1972, AP § 611 BGB Gemischter Vertrag Nr. 2. 126 BAG v. 27.10.1960, AP § 5 ArbGG 1953 Nr. 14 = SAE 1961, 85 (mit Tatbestand). 127 BAG v. 24.8.1972, AP § 611 BGB Gemischter Vertrag Nr. 2. 128 Fiebig/Gallner/Mestwerdt/Nägele/Pfeiffer, Kündigungsschutzrecht, § 14 KSchG Rn. 14. 129 GroßKomm-AktG/Kort, § 88 Rn. 1, 2; Hüffer, AktG, § 88 Rn. 1; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 88 Rn. 1, 17. 130 GroßKomm-AktG/Kort, § 88 Rn. 1; MünchKomm-AktG/Spindler, § 88 Rn. 1. 131 Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, Gesellschaftsrecht, § 88 Rn. 3. Bejahend: KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 88 Rn. 10; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 6; ablehnend: Hüffer, AktG, § 88 Rn. 3. Differenzierend: MünchKomm-AktG/Spindler, § 88 Rn. 10. 132 KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 88 Rn. 2. 125
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Vorstandsdoppelmandaten, 133 wobei auch hier Interessenskonflikte auftreten können. Allerdings ist die Arbeitnehmertätigkeit von einer anderen Qualität als die geschäftsführende Aufgabe des Vorstandsmitglieds. So wird vertreten, dass im Rahmen des § 88 AktG nur Raum für nicht geschäftsführende Tätigkeiten sei, 134 was auf die Arbeitnehmertätigkeit in der gleichen Gesellschaft zutrifft. Für die Eingrenzung auf geschäftsführende Aufgaben spricht auch, dass die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten in anderen Gesellschaften nicht vom Wettbewerbsverbot erfasst ist. 135 Auch aus Gesichtspunkten des Wettbewerbsschutzes ergibt sich keine Notwendigkeit eines Verbots, wohl aber aus Gründen des Arbeitskrafteinsatzes. Zumindest für eine Arbeitnehmertätigkeit, welche einen größeren Zeitaufwand erfordert, sollte daher eine Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt werden. Sofern diese Tätigkeit schon vor der Bestellung ausgeübt wurde und der Aufsichtsrat Kenntnis davon hat, dass der zu Bestellende dieser Tätigkeit weiter nachgehen wird, ist von einer konkludenten Einwilligung im Bestellungsbeschluss auszugehen. 136 b) Die persönliche Abhängigkeit im nicht auf die Organstellung gerichteten Rechtsverhältnis aa) Möglichkeit einer persönlichen Abhängigkeit des Organmitglieds trotz Organstellung Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist anhand des obigen Arbeitsvertragsbegriffs zu prüfen. Praktische Schwierigkeiten bereitet das Merkmal der Weisungsgebundenheit. Verfügt die betreffende Person über die umfassenden Befugnisse aus der Organstellung, ist eine gleichzeitige Weisungsgebundenheit auf untergeordneter Ebene schwer vorstellbar. Es müssten die Verhältnisse in der Gesellschaft so organisiert sein, dass im Rahmen der untergeordneten Tätigkeit ein Weisungsverhältnis zu einer Person besteht, die nicht mit dem betreffenden Organmitglied identisch ist und auch keine Weisungen von ihr empfängt. Da die arbeitsrechtliche Beziehung zur Gesellschaft bestehen soll, sind die Arbeitgeberbefugnisse auch nur von einem Vertreter der Gesellschaft wahrzunehmen. Hierfür kommt in der Regel nur ein anderes Organmitglied in Betracht. Ob dieses allerdings tatsächlich seinem Mitgeschäftsführer Weisungen bei der Wahrnehmung der Geschäftsführung untergeordneter Tätigkeiten erteilt, ist zweifelhaft. Andererseits kann laut BAG auch durch die 133
Vgl. hierzu statt vieler KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 76 Rn. 70. Fleischer, AG 2005, 336 (337). 135 MünchKomm-AktG/Spindler, § 88 Rn. 5; KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 88 Rn. 2. 136 Vgl. MünchKomm-AktG/Spindler, § 88 Rn. 23; KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 88 Rn. 16; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 88 Rn. 9. 134
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Einbindung in ein Kollegialorgan eine persönliche Abhängigkeit entstehen. 137 Dass sich die Erteilung von Weisungen und das Empfangen von Weisungen nicht ausschließen, wurde oben bereits diskutiert. 138 Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass für den Aufstieg eines Arbeitnehmers zum Organmitglied insbesondere leitende Angestellte in Frage kommen, die auch zuvor bereits Leitungsaufgaben wahrgenommen haben und in diesem Rahmen eigenen Ermessensspielraum hatten. Insofern bestand schon vorher eine Weisungsgebundenheit nur in abgeschwächtem Maße. Die Anforderungen an eine Weisungsgebundenheit sind damit nicht zu hoch anzusetzen. bb) Zulässigkeit einer Weisungsunterworfenheit des Vorstandsmitglieds trotz § 76 Abs. 1 AktG Eine Weisungsunterworfenheit des Vorstandsmitglieds ist in Bezug auf die Organstellung gemäß § 76 Abs. 1 AktG ausgeschlossen. Ob dieses Verbot auch für eine neben der Organstellung ausgeübte Tätigkeit gilt, ist nicht geregelt. Für das auf die Organstellung gerichtete Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitglieds wurde oben zwar bereits eine umfassende Weisungsfreiheit bejaht. 139 Die nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit ist jedoch gerade getrennt von der Organstellung zu sehen. Aus dem Wortlaut des § 76 Abs. 1 AktG ergibt sich lediglich, dass das Vorstandsmitglied bei der Leitung der Geschäfte weisungsfrei, nicht jedoch, dass dies auch bei anderen Tätigkeiten der Fall sein muss. Es besteht lediglich mittelbar eine faktische Bindung des Vorstandsmitglieds bezüglich seiner Organtätigkeit, wenn es in Bezug auf die nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit zeitlichen und örtlichen Weisungen unterliegt. Dann kann auch die Organtätigkeit selbst nur außerhalb dieser Zeiten ausgeübt werden. Allerdings ergeben sich die Konflikte auch dann, wenn die Organstellung nur als Nebentätigkeit neben einer Arbeitnehmerstellung bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt wird, ohne dass es einen Anlass gäbe, einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG zu prüfen. Obwohl es sich in der hier problematisierten Konstellation um den gleichen Vertragspartner handelt, ist § 76 Abs. 1 AktG so auszulegen, dass nur die zur Organstellung gehörenden Tätigkeiten von dem Gebot der Eigenverantwortlichkeit erfasst sind. Denn wann und wo das Vorstandsmitglied in seiner Organfunktion agiert, wird nicht vorgeschrieben. Auch ergeben sich keine Interessenskonflikte, wie dies teilweise bei einer Drittanstellung diskutiert wird, 140 da die Tätigkeit als Ar137
Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.3.b)cc)(1)(b). Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.2.c). 139 Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.3.b)cc)(2). 140 Siehe nur Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 73 f.; Fonk, NZG 2010, 368 (370); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 7 Rn. 431; MünchKomm-AktG/ 138
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beitnehmer gerade nicht mit der auf die Organstellung gerichteten Tätigkeit identisch ist. Die Wahrnehmung weiterer Arbeitnehmertätigkeiten ist also insoweit zulässig. 3. Verhältnis von auf die Organtätigkeit und nicht hierzu gehörender Tätigkeit gerichteten Anstellungsverhältnissen Nimmt das neue Organmitglied neben den Aufgaben als Organmitglied zusätzlich „echte Arbeitnehmeraufgaben“ wahr, kann das (bisherige) Arbeitsverhältnis also neben den auf die Organstellung gerichteten Anstellungsvertrag treten. Es entsteht eine Doppelstellung als Arbeitnehmer und Selbständiger, falls nicht auch der auf die Organstellung gerichtete Anstellungsvertrag ausnahmsweise ein Arbeitsverhältnis ist. Sofern allerdings kein gesonderter Anstellungsvertrag für die Organstellung geschlossen wurde, kann auch der frühere Arbeitsvertrag mit dem Inhalt fortbestehen, dass die Leitung der Geschäfte Teil des Arbeitsvertrags ist. In diesem Fall ergibt sich die Frage, ob der Vertrag in einen Arbeits- und einen Dienstvertrag aufgespalten werden kann oder ob ein gemischter Vertrag besteht. Ein gemischter Vertrag zeichnet sich durch die zu einem einheitlichen Vertrag verbundenen verschiedenen Elemente aus, die nicht in selbständige Abreden aufteilbar sind. Erforderlich ist der Abschluss mehrerer vertraglicher Regelungen zum gleichen Zeitpunkt, die einen einheitlichen Inhalt haben und in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander stehen, weswegen die verschiedenen Vereinbarungen die gleiche rechtliche Behandlung erfahren sollen. 141 Bei einem zum Organmitglied aufgestiegenen Arbeitnehmer fehlt es bereits am gleichzeitigen Vertragsschluss. Auch der gleiche Inhalt besteht nicht, wenn sich die Leistungen funktionell und sachlich abgrenzen lassen. Ebenso sind die unterschiedlichen Tätigkeiten nicht gleich zu behandeln, wenn die eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird, die andere jedoch nicht. 142 Letztlich ist auch nicht anzunehmen, dass bei der Wahrnehmung von zwei sich unterscheidenden Tätigkeiten, von denen die eine gegebenenfalls bereits vor der Bestellung ausgeübt wurde, eine Abhängigkeit zwischen den Leistungen bestehen soll. Diese wäre allenfalls dann gegeben, wenn mit der Bestellung auch die Aufgaben eines leitenden Angestellten übertragen wurden und von den Parteien vereinbart wurde, dass diese nur für die Dauer der Organstellung ausgeübt werden sollen. Liegen also die Voraussetzungen eines gemischten Vertrags nicht vor, sondern lassen sich die Tätigkeiten abgrenzen, ist der Vertrag in zwei selbständige Verträge, also in einen Dienst- und einen Arbeitsvertrag aufzuspalSpindler, § 84 Rn. 66; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 84 Rn. 41; Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 67 f. 141 Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 393 f. 142 Vgl. BAG v. 24.8.1972, AP § 611 BGB Gemischter Vertrag Nr. 2.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
ten. Auf letzeren wäre dann beispielsweise das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. 4. Ergebnis Es ist grundsätzlich möglich, dass zusätzlich zur Organstellung eine hiervon unabhängige Arbeitnehmertätigkeit bei der gleichen Gesellschaft ausgeübt wird. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, da der Ausschluss des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nur für die Stellung als Organmitglied gilt. Sollte allerdings kein gesonderter Vertrag hierüber geschlossen worden sein, ist zu erwägen, ob ein einheitlicher gemischter Vertrag vorliegt. Nach den obigen Erläuterungen wird dies in der Regel aber nicht der Fall sein, so dass der Vertrag in zwei selbständige Verträge aufgespalten wird. III. Organstellung in der Tochtergesellschaft und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft 1. Zulässigkeit eines auf die Organstellung bei der Tochtergesellschaft gerichteten Anstellungsvertrags mit der Muttergesellschaft a) Ausgangspunkt Ein auf die Organstellung gerichtetes Anstellungsverhältnis muss nicht zwingend mit der gleichen Gesellschaft abgeschlossen werden, von der das Organmitglied auch bestellt wurde. Im Konzernverbund wird daher teilweise mit der herrschenden Muttergesellschaft ein Anstellungsvertrag über die Organtätigkeit in der abhängigen Tochtergesellschaft geschlossen. 143 Dies gilt insbesondere, wenn die betreffende Person bereits vor der Bestellung in der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft als Arbeitnehmer angestellt war. 144 In solchen Fällen kann eine Entsendung des Arbeitnehmers an die Tochtergesellschaft erfolgen. Diese Konstellation ist im Arbeitsrecht nicht ungewöhnlich. Hier existieren unterschiedliche Praktiken: Im Gegensatz zu der kurzfristigen Entsendung im Rahmen einer Auslandsreise oder eines Montageeinsatzes 145 wird bei längerfristigen Entsendungen teilweise ein neuer (Lokal-)Arbeitsvertrag mit der anderen Gesellschaft geschlossen, während das Arbeitsverhältnis mit der Urprungsgesellschaft aufgehoben wird
143 Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (378); Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437; ders., Das Arbeitsrecht der leitenden Angestellten, S. 26 ff.; Michalski/Heyder, GmbHG, § 6 Rn. 118 ff.; Krämer, NotBZ 2004, 81; ders., NotBZ 2004, 121. 144 Weinmann, ZGR 1984, 460 (462); Schneider, GmbHR 1993, 10 (13). 145 Melms, in: Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 11 Rn. 31 ff.
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oder (ruhend) fortbesteht. 146 In letzterem Fall können zwei Arbeitsverhältnisse nebeneinander bestehen. 147 Es kann allerdings auch eine Entsendung auf Grund einer Zusatzvereinbarung zu dem ursprünglichen Arbeitsvertrag erfolgen, in welcher der Arbeitsvertrag um die Erbringung der Tätigkeit in der anderen Konzerngesellschaft ergänzt wird. 148 In jedem Fall sind durch ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft Interessen von Tochter- und Muttergesellschaft bei der Entsendung berührt. Wird bei Arbeitnehmern der Muttergesellschaft eine Organtätigkeit in der Tochtergesellschaft festgelegt, treffen arbeits- und gesellschaftsrechtliche Regelungen aufeinander. Da Anstellung und Bestellung eng zusammenhängen, können Konflikte auftreten, wenn ein Dritter als Anstellungsvertragspartner Weisungen erteilt, die mit den Pflichten aus dem Bestellungsverhältnis in Konflikt stehen. Daraus resultiert die Frage der Zulässigkeit solcher Drittanstellungsverträge. § 285 S. 1 Nr. 9a S. 8 HGB sieht eine Offenlegungspflicht von Bezügen aus einer Drittanstellung ohne Rücksicht auf deren Zulässigkeit vor. Dies zeigt, dass eine solche Konstellation im Gesellschaftsrecht zumindest nicht völlig unüblich ist. 149 b) Auseinanderfallen von Bestellungs- und Anstellungskompetenz In der GmbH steht einer Drittanstellung keine zwingende Anstellungskompetenz durch die bestellende Gesellschaft entgegenstehen. Das GmbHG sieht für die Bestellung der Geschäftsführer und deren Widerruf gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG nur eine Kompetenz der Gesellschafter vor. Bezüglich der Anstellungskompetenz besteht aber keine Regelung. Das GmbHG ist insofern also offen. 150 Das AktG hingegen verweist für den Anstellungsvertrag auf die sinngemäße Anwendung der Regelungen über die Bestellung des Vorstands, § 84 Abs. 1 S. 5 AktG. Die Zuständigkeit für den Abschluss eines Anstellungsvertrags liegt damit beim Aufsichtsrat. Diese Kompetenz kann anders als die Bestellung gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 AktG auf einen Aufsichtsratsausschuss übertragen werden, 151 eine Übertragung an Dritte ist jedoch nicht geregelt. 146
Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 207 ff.; Oberklus, Die rechtlichen Beziehungen des zu einem Tochterunternehmen im Ausland entsandten Mitarbeiters zum Stammunternehmen, S. 18 ff., 68 ff.; Hergenröder, ZfA 30 (1999), 1 (21); Melms, in: Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 11 Rn. 37 ff. 147 Franzen, IPRax 2000, 506 (507); Heilmann, Das Arbeitsvertragsstatut, S. 149; Mauer, RIW 2007, 92 (95 f.); Oberklus, Die rechtlichen Beziehungen des zu einem Tochterunternehmen im Ausland entsandten Mitarbeiters zum Stammunternehmen, S. 18 ff. 148 Melms, in: Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 11 Rn. 31, 36. 149 Hüffer, AktG, § 84 Rn. 14; Mutter/Frick, AG 2006, R 32. 150 Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 168. 151 Hüffer, AktG, § 107 Rn. 18a.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Das Prinzip der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 S. 1 AktG) erlaubt eine Abweichung von gesetzlichen Vorschriften aber nur, soweit dies ausdrücklich zugelassen ist. 152 Daher ist eine Drittanstellung nur dann möglich, wenn in der Satzung ein Recht auf Zustimmung zugunsten des Aufsichtsrats für einen Drittanstellungsvertrag vereinbart und eine Zustimmung zu dem Drittanstellungsvertrag tatsächlich erteilt wurde. 153 Folglich sind Drittanstellungsverträge mit der Muttergesellschaft über die Organstellung in der Tochtergesellschaft bei der GmbH immer, bei der AG nur unter Einschränkungen zulässig. c) Organschaftliche Pflichten und anstellungsvertragliche Weisungen Probleme durch eine Drittanstellung können sich durch die Koordinierung der organschaftlichen Pflichten gegenüber der untergeordneten Gesellschaft und der anstellungsvertraglichen Pflichten gegenüber der übergeordneten Gesellschaft ergeben. Das Organmitglied darf bei der Erfüllung des Anstellungsverhältnisses mit einem Dritten nicht seine organschaftlichen Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzen, zu dessen Organmitglied es bestellt wurde. Hieraus ergibt sich für den Geschäftsführer jedoch noch keine Unzulässigkeit eines Anstellungsvertrags mit einem Dritten. Vielmehr sind die vertraglichen Regelungen und Weisungen, die gegen die Organpflichten verstoßen, unbeachtlich, so dass diese unberührt bleiben. 154 Da das Gesellschaftsrecht gegenüber vertraglichen Vereinbarungen vorrangig ist, 155 ist es auch nicht erforderlich, dass der Anstellungsvertrag solche Beschränkungen ausdrücklich aufführt. Diese ergeben sich aus den gesellschaftsrechtlichen Organpflichten und den Beschränkungen konzernrechtlicher Leitungsmacht. 156 Eine Weisungsunterworfenheit gegenüber der Muttergesellschaft widerspricht zumindest in der GmbH nicht der Organstellung, da eine Weisungsfreiheit des Geschäftsführers nicht vorgesehen ist. Insofern bestehen keine Bedenken gegenüber einem Drittanstellungsvertrag. 157 Gegen eine Drittanstellung bei der AG wird zwar wegen § 76 Abs. 1 AktG angeführt, dass Interessenskonflikte entstünden, wenn ein Vorstandsmitglied „Diener zweier 152
MünchKomm-AktG/Pentz, § 23 Rn. 152; Hölters/Solveen, AktG, § 23 Rn. 29; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 35. 153 GroßKomm-AktG/Kort, § 84 Rn. 323. 154 Fleck, ZHR 149 (1985), 387 (393 ff., 404 ff.); Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 168; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 84 Rn. 26. 155 Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.1.b). 156 Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (36); Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 168; Theobald, in: FS Raiser, S. 421 (426 f.). 157 BGH v. 4.11.1964, WM 1964, 1320; BAG v. 8.6.2000, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 49; BAG v. 9.5.1994, GmbHR 1994, 547; Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rn. 167; Krämer, NotBZ 2004, 81 (83); Schneider, GmbHR 1993, 10 (13 f.); Rowedder/Schmidt-Leithoff/ Koppenstei-ner/Gruber, GmbHG, § 35 Rn. 79.
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Herren“ 158 sei. Jedenfalls bei dem hier diskutierten Konzernsachverhalt ist dies aber wegen der Weisungsbefugnis der Muttergesellschaft nach §§ 308 Abs. 2, 323 Abs. 1 AktG ohnehin unproblematisch, solange keine Existenz bedrohenden oder rechtswidrigen Weisungen erteilt werden. 159 Rechtlich werden durch das Vorrangverhältnis solche Interessenskonflikte aber in jedem Fall vermieden, da die Vertragsfreiheit bezüglich des Anstellungsverhältnisses ihre Grenzen in Gesetz und Satzung findet. 160 Eine Drittanstellung ist also sowohl bei der GmbH als auch bei der AG zulässig. 161 2. Das mit der Muttergesellschaft bestehende Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis a) Das allein mit der Muttergesellschaft auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis Die Rechtsnatur des mit der Muttergesellschaft abgeschlossenen Anstellungsvertrags über die Organstellung in der Tochtergesellschaft richtet sich danach, ob zwischen den Vertragsparteien ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht. 162 Wesentliches Merkmal hierfür ist die Weisungsgebundenheit, wobei unternehmerische Weisungen aus den oben genannten Gründen 163 außer Betracht bleiben. Die Weisungen der Muttergesellschaft über §§ 308 Abs. 2, 323 Abs. 1 AktG können eine persönliche Abhängigkeit also nicht begründen. Dass die Muttergesellschaft darüber hinausgehende, arbeitsrechtlich relevante Weisungen erteilen wird, ist zweifelhaft. Bereits für die das Organmitglied bestellende Gesellschaft wurde eine solche Weisungsgebundenheit als Ausnahme gewertet. 164 Im Verhältnis zur Muttergesellschaft kann ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht darüber hinaus auch mit der gesellschaftsrechtlichen Weisungsunabhängigkeit bzw. den Organpflichten der 158
MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 66; KölnKomm/Mertens, AktG, § 84 Rn. 51. Henssler, RdA 1992, 289 (301). 160 Theobald, in: FS Raiser, S. 421 (426 f.). 161 Vgl. BAG v. 25.10.2007, AP § 14 KSchG 1969 Nr. 11; Henssler, RdA 1992, 289 (301); Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (36); Fleck, ZHR 149 (1985), S. 387; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 186 f.; MünchHdb-GesR/Wiesner, Bd. 4, § 21 Rn. 2 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rn. 168; Schmidt/Lutter/Seibt, AktG, § 84 Rn. 26; Theobald, in: FS Raiser, S. 421 (426 f.); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 7 Rn. 411; Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (442). Anderer Ansicht: Hüffer, AktG, § 84 Rn. 14; MünchKomm-AktG/Spindler, § 84 Rn. 66; Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 68 f. 162 Vgl. nur Henssler, RdA 1992, 289 (301); Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 505. 163 Vergleiche 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)bb)(2). 164 Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)cc)(1)(a). 159
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Tochtergesellschaft kollidieren, wenn Weisungen aus dem Anstellungsvertrag den Weisungen aus dem Bestellungsverhältnis widersprechen. 165 Ist dies der Fall, sind solche Abreden unwirksam oder zumindest unbeachtlich. 166 Allerdings muss sich der Anstellungsvertrag der Muttergesellschaft nicht in der Wahrnehmung der einen Organtätigkeit erschöpfen. Vielmehr kann die Tätigkeit in der Tochtergesellschaft auch nur aufgrund anstellungsrechtlicher Weisungen übernommen worden sein, wenn also der Vertrag mit der Muttergesellschaft die Verpflichtung enthält, die Geschäftsführung in Tochtergesellschaften zu übernehmen. 167 Dann kann die Muttergesellschaft über die Arbeitskraft verfügen. 168 In diesem Fall liegt eine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit vor. Dass sich das Weisungsrecht auf eine Tätigkeit bezieht, die in der Regel nicht in abhängiger Stellung ausgeübt wird, ist unerheblich. Die Arbeitgeberstellung der Muttergesellschaft wird umso deutlicher, wenn die Muttergesellschaft in der Tochtergesellschaft auch über die (gesellschaftsrechtliche) Bestellung und Abberufung frei entscheiden kann. Als Mehrheitsgesellschafterin einer GmbH ist dies über § 46 Nr. 5 GmbHG möglich. In der AG hingegen entscheidet allein der Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG über die Abberufung. Für die Charakterisierung des Anstellungsverhältnisses zur Muttergesellschaft ist eine mehrheitliche Beteiligung an der Tochtergesellschaft unerheblich. Relevant ist allein die Beteiligung an der Muttergesellschaft. Ist hierdurch ausgeschlossen, dass der Person, die in der Tochtergesellschaft als Organmitglied tätig ist, Weisungen erteilt werden können, fehlt es an der persönlichen Abhängigkeit. 169 In diesem Fall liegt ein Arbeitsverhältnis nicht vor. Ein zeitlich vor der Organstellung bereits existierender Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft kann auch um die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben erweitert werden. Die Übernahme der Leitung einer Tochtergesellschaft ist dann (unselbständiger) Teil des mit der Muttergesellschaft fortbestehenden Arbeitsvertrags geworden. 170 Dabei ist es für die Einordnung als Arbeitsverhältnis unerheblich, ob während der Organstellung auch wei165
Theobald, in: FS Raiser, S. 421 (426). Theobald, in: FS Raiser, S. 421 (426 f.). Dennoch von Weisungen in dieser Zeit ausgehend: Fleck, ZHR 149 (1985), 387 (404 ff.); Miller, ZIP 1981, 578 (580). 167 BAG v. 25.10.2007, AP § 14 KSchG 1969 Nr. 11; OLG Frankfurt v. 5.6.1997, AP § 2 ArbGG 1979 Nr. 59; Baumann, in: Oppenländer/Trölitzsch (Hrsg.), Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, § 13 Rn. 15; Brachert, Organmitgliedschaft und Arbeitnehmerstatus, S. 189; Fleck, ZHR 149 (1985), 387 (401); Henssler, RdA 1992, 289 (301); Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (36); Jaeger, DStR 2010, 2312 (2313); Krauss, Status und Kündigungs-schutz von arbeitnehmerähnlichen Vorstandsmitgliedern in einer Aktiengesellschaft, S. 155 ff.; Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (446 f.). 168 Martens, in: FS Hilger/Stumpf, S. 437 (447). 169 Krämer, NotBZ 2004, 81 (84); Schneider, GmbHR 1993, 10 (14). 170 Schneider, GmbHR 1993, 10 (14); Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 185. 166
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terhin Arbeitnehmeraufgaben in der Muttergesellschaft wahrgenommen werden. 171 Enthält der Arbeitsvertrag die Verpflichtung zur Tätigkeit gegen ein Entgelt, ist bei einer weisungsfreien Tätigkeit kein Ruhen des Vertrags anzunehmen. Stattdessen kann sich das Arbeitsverhältnis während der Dauer des Organverhältnisses in ein Dienstverhältnis umwandeln. 172 b) Das mit Mutter- und Tochtergesellschaft auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis Neben einem bereits bestehenden Anstellungsverhältnis mit der Muttergesellschaft, welches die Organtätigkeit in der Tochtergesellschaft beinhaltet, kann auch ein zusätzlicher Anstellungsvertrag mit der Tochtergesellschaft über die Organstellung geschlossen werden. Diese beiden Verträge sind – zumindest teilweise – auf die gleiche Tätigkeit als Organmitglied gerichtet. Dennoch handelt es sich hier grundsätzlich um getrennte Arbeitsverhältnisse mit unterschiedlichen Arbeitgebern, da beide Dienstleistungen vom Arbeitnehmer fordern können und Schuldner des Vergütungsanspruchs sind. 173 Ein einheitliches Arbeitsverhältnis mit mehreren Personen auf Arbeitgeberseite ist nur möglich, wenn ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den arbeitsvertraglichen Beziehungen zu den einzelnen Arbeitgebern besteht, der es verbietet, die genannten Beziehungen rechtlich unterschiedlich zu behandeln. 174 Rechtsfolge ist, dass ein einheitliches Arbeitsverhältnis nur einheitlich von beiden Arbeitgebern aufgelöst werden kann. 175 Obwohl die Tätigkeit identisch ist, ist dies nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge. Der Anstellungsvertrag mit der Muttergesellschaft ist in der Regel darauf ausgerichtet, die betreffende Person nach Abberufung in der Tochtergesellschaft auf einer anderen Position einzusetzen. Das Arbeitsverhältnis soll also fortbestehen, wohingegen die Rechtsbeziehungen zur Tochtergesellschaft nur während der Organstellung bestehen. Die Anstellungsverträge zur Mutter- und Tochtergesellschaft sind also in der Regel nicht als einheitlicher Vertrag
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BAG v. 25.10.2007, AP § 14 KSchG 1969 Nr. 11; Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 185. 172 In diese Richtung geht BAG AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gemischter Vertrag mit Anmerkung Heckelmann. Siehe auch Thüsing, in: Fleischer (Hrsg.), Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 70. 173 Vgl. zum Arbeitgeberbegriff: BAG v. 9.9.1982, AP § 611 BGB Hausmeister Nr. 1; Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, Kündigungsrecht, 1. Teil C Rn. 73; MünchHdb-ArbR/ Richardi, § 21 Rn. 1. 174 BAG v. 27.3.1981, AP § 611 BGB Arbeitgebergruppe Nr. 1 mit krit. Anm. Wiedemann; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 191. Kritisch, aber meist falsch zitiert: Schulin, SAE 1983, 294 (295); Schwerdtner, ZIP 1982, 900 ff. 175 BAG v. 27.3.1981, AP § 611 BGB Arbeitgebergruppe Nr. 1.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
anzusehen. 176 Die Rechtsnatur der Verträge ist daher getrennt voneinander zu bestimmen. 177 3. Ergebnis Die Organstellung in einer Gesellschaft schließt es nicht aus, dass mit der Muttergesellschaft ein hierauf gerichtetes Anstellungsverhältnis geschlossen wird. Eine arbeitsrechtliche Stellung des Organmitglieds ergibt sich dann, wenn die Muttergesellschaft über die Arbeitskraft des Organmitglieds der Tochtergesellschaft verfügen kann und das Organmitglied also insofern weisungsunterworfen ist. Sofern neben dem Arbeitsverhältnis auch ein Anstellungsverhältnis mit der Tochtergesellschaft über die Organstellung besteht, liegt in der Regel kein einheitliches Arbeitsverhältnis, sondern liegen zwei getrennte Verträge vor, deren Rechtsnatur nach den genannten Kriterien ermittelt werden kann. C. Zusammenfassung Die Organstellung an sich schließt eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder nicht aus, jedoch beschränken die Vorgaben des Gesellschaftsrechts die Anwendung von Arbeitsrecht. Aus der Organstellung allein entsteht jedenfalls noch kein Arbeitsverhältnis, hierin liegt ein rein gesellschaftsrechtliches (Bestellungs-)Verhältnis. Erst durch die Vereinbarung weiterer Einzelheiten zwischen Organmitglied und Gesellschaft, wie etwa der Vergütung oder ggf. der Konkretisierung der Tätigkeit, entsteht ein Anstellungsverhältnis, welches je nach Ausgestaltung der Rechtsbeziehung entweder als Dienst- oder als Arbeitsverhältnis charakterisiert werden kann. Auf die Organstellung bezogen limitieren die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften aber eine arbeitsrechtliche Stellung dahingehend, dass ein Arbeitsverhältnis für Vorstandsmitglieder aufgrund § 76 Abs. 1 AktG gar nicht und für Geschäftsführer nur bei expliziter Vereinbarung von Weisungen möglich ist. In der Praxis bildet eine arbeitsrechtlich relevante Weisungsbindung für Geschäftsführer aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft eher die Ausnahme. 178 Nur selten wurde daher auch vom BAG eine arbeitsrechtliche Stellung der Geschäftsführer bezüglich ihrer Organtätigkeit bejaht. 179 Beinhaltet der Anstellungsvertrag hingegen die Wahrnehmung einer von der Organstellung ge176
Anderer Ansicht: Schneider, GmbHR 1993, 10 (14); Scholz/Schneider/Sethe, GmbHG, § 35 Rn. 187. 177 Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.1.a) und § 1 B.III.1.b). 178 Hueck, in: FS Hilger/Stumpf, S. 365 (377); Moll/Grobys, in: Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 77 Rn. 10. 179 Etwa in BGH v. 7.12.1987, BB 1988, 290; BAG v. 26.5.1999, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 106.
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trennten Tätigkeit, ist ein Arbeitsverhältnis leichter möglich, da eine Kollision mit Organpflichten nicht besteht. Jedoch sind für die persönliche Abhängigkeit wegen der gleichzeitigen Organstellung die Organisationsstrukturen in der Gesellschaft entscheidend, so dass auch insofern das Gesellschaftsrecht relevant wird. Die praktische Relevanz ist in Deutschland aber unklar, Rechtsprechung und Literatur befassen sich mit dieser Gestaltungsmöglichkeit kaum. Darüber hinaus kann ein Organmitglied in konzernverbundenen Gesellschaften auch ein Arbeitsverhältnis zu der Muttergesellschaft eingehen, welche über dessen Arbeitskraft verfügen kann. Bei der Untersuchung der Arbeitsverhältnisse zeigt sich der Vorrang des Gesellschaftsrechts vor anderen schuldrechtlichen Absprachen. Da das Organmitglied in erster Linie eine gesellschaftsrechtliche Aufgabe wahrnimmt, sind deren Vorgaben bei der Zulässigkeit und den Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses zu beachten.
§ 2 Englisches Recht A. Die gesellschaftsrechtlichen Grundstrukturen des Organverhältnisses I. Das geschäftsführende Organmitglied im englischen Gesellschaftsrecht Die Untersuchung zum englischen Gesellschaftsrecht erstreckt sich auf die geschäftsführenden Organmitglieder in den verbreitetsten Kapitalgesellschaften: der private company limited by shares (private limited company) und der public company limited by shares (public limited company), welche funktional der deutschen GmbH bzw. AG entsprechen. 194 Das Geschäftsführungsorgan ist in beiden Gesellschaften das board of directors. 195 Die einzelnen Mitglieder des Organs sind nach sec. 250 Companies Act 2006 (CA 2006) die directors (Direktoren), welche im englischen Recht nicht selbst als Organ bezeichnet werden, sondern deren Funktion eher als Vertreter (agent) und Treuhänder (trustee) umschrieben wird. 196 Als Organmitglieder bestehen ihre Pflichten jedoch grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft und nicht ge194
Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn. 14; ders., Englisches Gesellschaftsrecht, S. 7. 195 Lennard’s Carrying Co. v Asiatic Petroleum Co [1915] A.C. 705, 713, HL; Bolton (Engineering) Co. Ltd v Graham & Sons Ltd [1957] 1 Q.B. 159 (172), CA; Sealy/ Worthington, Cases and Materials in Company Law, S. 2, 260 ff.; du Plessis/Saenger, in: du Plessis/Großfeld/Luttermann/Saenger/Sandrock (Hrsg.), German Corporate Governance in International and European Context, S. 37 (40); MacKenzie, Comp. Law. 1983, 99 (100). Aus deutscher Sicht hierzu Schmidt-Tiedemann, Geschäftsführung und Vertretung im Gesell-schaftsrecht, S. 72. 196 Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, S. 174. Siehe hierzu aus deutscher Sicht Just, Die englische Limited in der Praxis, Rn. 156.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
genüber den Gesellschaftern. 197 Die Direktoren sind nach dem CA 2006 gleichberechtigt, es kann bei entsprechender Satzungsregelung aber auch einer der Direktoren zum managing director oder chief executive officer gewählt werden. 198 Ebenfalls ist in größeren Gesellschaften, im Wesentlichen in public limited companies, eine Unterteilung in executive und non-executive directors (NEDs) möglich. 199 Die NEDs sollen von der Gesellschaft unabhängig sein und deren Geschäftsabläufe überwachen, ohne Geschäftsführungsaufgaben wahrzunehmen. 200 Im Folgenden wird daher nur die Stellung der executive directors Gegenstand der Untersuchung sein. Wesentliche Rechtsquellen für das gesellschaftsrechtliche Verhältnis der Direktoren zu der Gesellschaft sind der CA 2006 und die articles of association. Die articles of association können zwar nach sec. 18 (1) CA 2006 von jeder Gesellschaft individuell erlassen werden. Die vom Secretary of State gemäß sec. 19 CA 2006 für private oder public limited companies jeweils vorgeschlagenen model articles of association werden von den Gesellschaften jedoch in der Regel ganz oder teilweise übernommen. 201 Im Folgenden wird daher auch auf die model articles of association als Rechtsquelle Bezug genommen. II. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied 1. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der private limited company Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis als Direktor einer private limited company entsteht bei der Gründung einer Gesellschaft gemäß sec. 9 (4) (c), 12 (1) (a) CA 2006 durch Ernennung in dem Gesellschaftsvertrag (memorandum of association), wobei die Zustimmung der benannten Person erforderlich ist, sec. 12 (3) CA 2006. Für die Bestellung der darauffolgenden Direktoren sind, sofern die Satzung keine andere Regelung enthält, 202 die Gesellschafter zuständig. Dies ist auch von Art. 17 (1) (a) model articles of association for a private company vorgesehen, wobei nach Art. 17 (1) (b) model articles of association auch die Direktoren selbst eine Person zum Direktor ernennen können. 197
Platt v Platt (1999) 2 BCLC 745, Ct. of. Sess. Re Newspaper Proprietary Syndicate Ltd (1900) 2 Ch 349, Ch. D; Anderson v James Sutherland (Peterhead) Ltd [1941] SC 203 (217), Ct. of Sess. Siehe auch A.2.1 des UK Corporate Governance Code 2010. 199 Dignam/Lowry, Company Law, S. 269, 377 ff. Aus deutscher Sicht Just, RIW 2004, 199 ff. Siehe auch A.4 des UK Corporate Governance Code 2010. 200 Dignam/Lowry, Company Law, S. 269, 377 ff. 201 Alcock/Birds/Gale, Companies Act 2006: The new law, Rn. 6.6. 202 Woolf v East Nigel Gold Mining Co Ltd (1905) 21 TLR 660, CA. 198
§ 2 Englisches Recht
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Die Dauer der Direktorenstellung ist nicht vom CA 2006 vorgeschrieben, sondern kann in den articles of association frei festgelegt werden. Vor Ende der festgelegten Zeit kann ein Direktor durch die Gesellschafterversammlung gemäß sec. 168 CA 2006 unabhängig von einer anderen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Direktor entlassen werden, 203 wobei der Abberufung eine 28-tägige Frist 204 vorausgeht, sec. 168 (2), 169 (1), 312 (1) CA 2006. Die articles of association können aber hiervon abweichen und auf eine Frist verzichten, siehe sec. 168 (5) (b) CA 2006. 205 Nicht erforderlich ist nach Gesetz und model articles of association ein Grund für die Abberufung als Direktor. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit soll der Direktor nach sec. 173 (1) CA 2006 grundsätzlich unabhängig sein, wobei in der Satzung die Befugnisse der Direktoren beschränkende Regelungen zulässig sind, sec. 173 (2) CA 2006. 206 Die Direktoren können also, soweit die Satzung nichts anderes vorsieht, über sehr weitgehende Entscheidungsfreiheiten verfügen und auch Entscheidungen gegen den Willen der Gesellschaftermehrheit durchsetzen. 207 Eine Weisungsmöglichkeit der Gesellschafter ist in Art. 4 (1) model articles für Einzelfälle vorgesehen. Den Gesellschaftern bleiben im Übrigen gewisse Schlüsselpositionen, wie die Veränderung der articles of association, vorbehalten, sec. 21 CA 2006. 2. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der public limited company Der CA 2006 geht von dem Prinzip der einheitlichen Kapitalgesellschaftsform aus. Für die private limited company und die public limited company gelten daher im Wesentlichen die gleichen Regeln. Die model articles for a public company ähneln ebenfalls denen der private limited companies. So ist die Bestellung zum Direktor nach Art. 20 (a) model articles for public companies entweder durch die Hauptversammlung oder durch die Direktoren selbst möglich, wobei im letzteren Fall die Hauptversammlung der Bestellung bei der nächsten Versammlung zustimmen muss. Es ergeben sich aber auch Abweichungen zur private limited company. Gemäß Art. 21 (2) model artic203 Zur Entlassung mehrerer Direktoren: National Roads and Motorists’ Association Ltd v Scandrett [2003] ALMD 2326, NSWSC. 204 Zur sogenannten clear day rule: Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 374. 205 Birds/Clark/McNeill/McCormack/Twigg-Flesner/Villiers, Boyle & Birds’ Company Law, S. 584; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 425; noch zum CA 1985: Browne v Panga Pty Ltd (1995) 120 FLR 34, WASC. 206 Siehe auch Dignam/Lowry, Company Law, S. 266; Birds/Clark/ McNeill/ McCormack/Twigg-Flesner/Villiers, Boyle & Birds’ Company Law, S. 584. 207 Gramophone and Typewriter Ltd v Stanley |1908] 2 KB 89, CA; Howard Smith Ltd v Ampol Petroleum Ltd (1974) AC 821, PC.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
les for public companies werden die Direktoren auf drei Jahre bestellt und können sich danach zur Wiederwahl stellen. 208 Eine Ausnahme gilt nur für Direktoren, die von anderen Direktoren bestellt wurden. Deren Amtszeit reicht nur bis zur nächsten Jahreshauptversammlung. Für die Abberufung der Direktoren und die grundsätzliche Weisungsfreiheit mit der Möglichkeit von Weisungen nach sec. 4 (1) model articles for public companies gelten die oben genannten Regeln. Ein weiterer Unterschied zwischen den Gesellschaften ist die vorgeschriebene Mindestanzahl von zwei Direktoren für public limited companies, sec. 154 (2) CA 2006. B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder I. Auf die Organstellung gerichtete Tätigkeit als Arbeitsverhältnis 1. Die Unterscheidung von gesellschaftsrechtlicher Bestellung und arbeits-/dienstrechtlicher Anstellung a) Unterscheidung zwischen Organstellung und Anstellung Ist eine Person als Direktor einer limited tätig, wird dies im englischen Recht als holding an office bezeichnet. 209 Der Direktor ist demnach zunächst Inhaber eines Amtes, welches seine gesellschaftsrechtliche Stellung beschreibt. Aus dieser gesellschaftsrechtlichen Stellung entstehen gemäß sec. 170 – 181 CA 2006 auch Treuepflichten (duty of fidelity) 210. Nach der Rechtsprechung und der sich anschließenden Literatur besteht aber allein aufgrund dieser gesellschaftsrechtlichen Stellung kein Anspruch auf Vergütung, der Direktor kann lediglich das quantum meruit (angemessene Vergütung) geltend machen. 211 Hintergrund ist, dass Rechte und Pflichten, die über die Stellung als Organmitglied hinausgehen, durch eine vertragliche Vereinbarung konkretisiert werden. 212
208
2010.
209
Für börsennotierte Unternehmen, siehe B.7.1 des UK Corporate Governance Code
McMillan v Guest [1942] AC 561, HL; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 439. 210 Siehe hierzu etwa Kershaw, Company Law in Context, S. 292 ff.; Stone, in: Slade/Regan (Hrsg.), Tolley’s Employment Handbook, 9. 19, S. 127. 211 Dunston v Imperial Gas Light and Coke Co (1832) 3 B & Ad 125, KB; Hutton v West Cork Railway Co (1883) 23 ChD 654, CA; Guinness plc v Saunders [1990] 2 AC 663, HL; Birds/Clark/McNeill/McCormack/Twigg-Flesner/Villiers, Boyle & Birds’ Company Law, S. 562; Dignam/Lowry, Company Law , S. 276. Zu den Voraussetzungen siehe: Craven-Ellis v Canons [1936] 2 KB 403 (CA). Zu den directors’ fees siehe 1. Kapitel § 2 B.I.3.b)dd)(2). 212 Newtherapeutics Ltd v Katz [1991] Ch 226, CA; Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302 (304), EAT; Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 427 f., 439.
§ 2 Englisches Recht
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Eine solche Konkretisierung kann durch den Abschluss eines service contract (Anstellungsvertrag) erfolgen, welcher in sec. 168 (1) CA 2006 erwähnt wird und die Geschäftsführung zum Gegenstand hat. In dem Anstellungsvertrag werden in der Praxis üblicherweise das Gehalt sowie sonstige nicht organschaftliche Rechte und Pflichten der Direktoren gegenüber der Gesellschaft geregelt. 213 Auch die Treuepflichten können durch den Anstellungsvertrag noch verschärft werden. 214 Festgesetzt werden die Bedingungen von dem board of directors oder einem Komitee des boards. Woraus sich eine arbeitsrechtliche Stellung eines Organmitglieds ergeben kann, wird von der Rechtsprechung und Literatur einheitlich beantwortet: die gesellschaftsrechtliche Stellung reicht hierfür nicht aus, nur aus dem Anstellungsvertrag kann sich je nach Ausgestaltung ein Arbeitsverhältnis – ansonsten ein Dienstverhältnis – ergeben. 215 Grund hierfür ist, dass ein Arbeitsverhältnis eine Vereinbarung über die Arbeitsbedingungen voraussetzt. 216 Die Bestellung erfüllt jedoch nur den Zweck, die Handlungsbefugnis des Direktors sowie etwaige Treuepflichten zu begründen. Nähere Bedingungen werden nicht festgelegt. Erst durch den Anstellungsvertrag werden diese Bedingungen geregelt. Der Abschluss dieses Vertrags ist ein rechtlich gesonderter Akt, daher werden die Bestellung und die Anstellung unterschieden. 217 b) Verhältnis von Organstellung und Anstellung Das Verhältnis von Bestellung zum Direktor und Anstellung als Direktor zeigt sich am deutlichsten bei der Abberufung als Direktor, da sich insofern die Frage der Folgen für den Anstellungsvertrag stellt. In sec. 168 (1) 213
Vgl. Birds/Clark/McNeill/McCormack/Twigg-Flesner/Villiers, Boyle & Birds’ Company Law, S. 562; Dignam/Lowry, Company Law, S. 276. 214 London and Mashonaland Exploration Co Ltd v New Mashonaland Exploration Co Ltd [1891] WN 165, Ch D; Hivac Ltd v Park Royal Scientific Instruments Ltd [1946], Ch. 169, CA; Thomas Marshall (export) Ltd v Guinle [1979] Ch 227, Ch. D; Bell v Lever Bros [1932] AC 161, HL; Plus Group Ltd v Pyke [2003] B.C.C. 332, CA; Item Software (UK) Ltd v Fassihi [2005] I.C.R. 450, CA; Goddard, Comp. Law. 2004, 25 (1), 23; Grantham, Modern Law Review 66 (2003), 109; Koh, Cambridge Law Journal 2003, 62(1), 42; kritisch: Christie, 55 (1992) Modern Law Review 506 (509 f.). 215 Dunston v Imperial Gas Light and Coke Co. (1832) 3 B & Ad 125, KB; Hutton v West Cork Railway Co. (1883) 23 ChD 654, CA; McMillan v Guest [1942] AC 561, HL; Goodwin v Brewster (1951) 32 TC 80, CA; Ward, B.T.R. 8 (1989), 281 ff.; Selwyn, Law of Employment, S. 37. 216 Newtherapeutics Ltd v Katz [1991] Ch 226, CA; Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302 (304), EAT. 217 McMillan v Guest [1942] A.C. 561, HL; Anderson v James Sutherland (Peterhead) Ltd [1941] S.C. 203, Ct. of Sess.; Newtherapeutics Ltd v Katz [1991] Ch 226, CA; Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302 (304), EAT; Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, S. 69; Ward, B.T.R. 8 (1989), 281.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
CA 2006 ist geregelt, dass Vereinbarungen im Anstellungsvertrag keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Abberufung haben. Umgekehrt kann die Abberufung jedoch einen Einfluss auf den Anstellungsvertrag haben. Wurde eine Mindestvertragslaufzeit für den Anstellungsvertrag vereinbart und wird der Direktor vor Ablauf dieser Zeit abberufen, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Vertragsverletzung (breach of contract). 218 Dieser Anspruch liegt darin begründet, dass der Direktor durch die Abberufung an der Erfüllung des Anstellungsvertrags gehindert ist. 219 Obwohl der Anstellungsvertrag als eigenständiger Vertrag getrennt von der gesellschaftsrechtlichen Beziehung zur Gesellschaft ist, ist er nicht von dieser unabhängig zu betrachten. Der Regelungsgegenstand des Vertrags ist, sofern nichts anderes vereinbart ist, allein die Ausübung der Tätigkeit als Direktor. Fällt diese Tätigkeit aufgrund der Abberufung weg, fällt auch der Anknüpfungspunkt für die Tätigkeit fort. 220 Aus diesem Grund enden die Stellung als Direktor und der Anstellungsvertrag gleichzeitig. 221 Ein Schadensersatzanspruch besteht jedoch nicht, wenn die Satzung vorsieht, dass der Vertrag automatisch mit Beendigung der Direktorenstellung ebenfalls enden soll. Dann besteht wegen der Verknüpfung von Anstellungsvertrag und Organmitgliedschaft kein Anspruch auf Schadensersatz. 222 Der Anstellungsvertrag endet somit automatisch mit der Stellung als Direktor. 223
218
Nelson v James Nelson & Sons [1914] 2 KB 770, CA; Foster v Foster [1916] 1 Ch 532; Birds/Clark/McNeill/McCormack/Twigg-Flesner/Villiers, Boyle & Birds’ Company Law, S. 583; Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, S. 392 f. Zur Zustimmungspflicht der Gesellschafter bei long-term service contracts (zwei Jahre oder länger), siehe sec. 188 (1) CA 2006. Für börsennotierte Gesellschaften: D.1.5 des UK Corporate Governance Code 2010. Zur Vorgängerregelung Fleming, European Lawyer 76 (2008), 25 f. 219 Southern Foundries Ltd v Shirlaw [1940] AC 701, HL; Shindler v Northern Raincoat Co Ltd [1960] 1 W.L.R. 1038, Assizes (Manchester); Cassidy, Concise Corporation Law, S. 100. 220 Cassidy, Concise Corporation Law, S. 100. 221 Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, S. 392. 222 Read v Astoria Garage (Streatham) Ltd [1952] Ch 637, CA; Davies, Gower and Davies’ Principles of Modern Company Law, S. 393. 223 Aus deutscher Sicht knapp: Schwilden, Die rechtliche Stellung des GmbHGeschäfts-führers und des managing directors einer englischen private limited company im Vergleich, S. 28; Heinz, Die englische Limited, § 6 Rn. 22.
§ 2 Englisches Recht
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2. Die grundsätzliche Vereinbarkeit von Organstellung und arbeitsrechtlicher Stellung a) Der Missbrauch der Gesellschaftsform als Ausgangspunkt für die Beurteilung des Anstellungsverhältnisses Der Wortlaut von sec. 227 CA 2006 („service contracts“) lässt offen, ob der Anstellungsvertrag des Direktors als Dienstvertrag (contract for services) oder als Arbeitsvertrag (contract of services bzw. employment contract) ausgestaltet ist. 224 Bevor aber eine Prüfung anhand der Arbeitsvertragskriterien erfolgt, wird in England diskutiert, ob ein (Arbeits-)Vertrag zwischen Direktor und Gesellschaft überhaupt zulässig ist. Dabei steht nicht wie in Deutschland die Frage im Vordergrund, ob die gesellschaftsrechtliche Stellung generell gegen eine Arbeitnehmereigenschaft spricht oder die Wahrnehmung von Arbeitgeberbefugnissen mit einer Arbeitnehmerstellung vereinbar ist. Ausgangspunkt der Zulässigkeit eines Arbeitsvertrags im englischen Recht ist vielmehr die Befürchtung, dass eine maßgeblich an der Gesellschaft beteiligte Person die Gesellschaftsform lediglich ausnutzen könnte, 225 um hierdurch gewisse Vorteile, wie bspw. Arbeitslosengeld oder Insolvenzgeld für Arbeitnehmer nach sec. 166, 182 Employment Rights Act 1996 (ERA 1996), zu erlangen. 226 In einem der ersten Fälle der Rechtsprechung zu diesem Thema wurde etwa die Frage erörtert, ob ein Alleingesellschafter als Vertreter der Gesellschaft mit sich als Direktor überhaupt einen Arbeitsvertrag habe abschließen können, nachdem dieser später bei einem Arbeitsunfall zu Tode gekommen war und die Witwe nun einen Versicherungsschutz geltend machte, der nach dem Workers’ Compensation Act 1922 nur Arbeitnehmern zustand. 227 Schwierigkeiten bereitet der Rechtsprechung in diesen Fällen zum einen, dass im Falle eines Alleingesellschafters oder auch eines Mehrheitsgesellschafters auf beiden Seiten die gleiche Person (maßgeblich) beteiligt ist. Dies lässt einen Missbrauch befürchten, sofern aufgrund der Arbeitnehmereigenschaft Leistungen von Dritten wie einer Versicherung oder im Falle einer Insolvenz vom Secretary of State nach sec. 166, 182 ERA 1996 gefordert werden. Zum anderen wird diskutiert, ob bei der alleinigen oder mehrheitlichen Beteiligung an der Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis des Direktors
224 225
(140).
Mayson/French/Ryan, Company Law, S. 439. Howell, Comp. Law. 2000, 312 (313); Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139
226 Siehe hierzu etwa die Urteile: Buchan v Secretary of State for Employment [1997] I.R.L.R. 80, EAT; Fleming v Secretary of State for Trade and Industry [1997] I.R.L.R. 682, Ct of Sess; Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177 (181), CA. 227 Lee v Lee’s Air Farming Ltd [1961] AC 12, PC.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
zumindest mangels Schutzbedürftigkeit ausscheidet, da dieser die Geschicke seiner Gesellschaft selbst lenkt. 228 b) Der Vertragsschluss über die Anstellung zwischen einer Gesellschaft und dem hieran mehrheitlich oder allein beteiligten director Grundsätzlich ist die Gesellschaft eine eigenständige, von den Gesellschaftern getrennt zu beurteilende juristische Person. 229 Selbst wenn ein Gesellschafter alle Anteile an der Gesellschaft hält, ist die Gesellschaft eine andere (juristische) Person, in deren Namen Verträge geschlossen werden können. 230 Daher soll es auch möglich sein, dass eine Gesellschaft mit einem oder mehreren ihrer Direktoren einen Anstellungsvertrag abschließen kann, obwohl diese Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sind und sich in diesem Rahmen selbst Weisungen erteilen. 231 Dass hierdurch ein Arbeitsverhältnis entstehen kann, stieß auf Kritik, da die Gefahr eines Missbrauchs der Kapitalgesellschaftsform befürchtet wurde. 232 Übt ein Direktor eine so große Macht über die Gesellschaft aus, dass er seine Einstellungsbedingungen bestimmen und sogar das Recht ausüben kann, gegen seine eigene Entlassung ein Veto einzulegen, ist zweifelhaft, ob dieser Vertrag mit dem Direktor noch als Arbeitsvertrag bezeichnet werden kann. 233 Eine Störung des Paritätsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liegt nicht vor, vielmehr wird die Gesellschaft als Vertragspartner von der gleichen Person, welche Arbeitnehmer sein soll, geschaffen bzw. kontrolliert. Die Rechtsprechung befürchtet hier, dass die Gesellschaft lediglich zum Schein („sham“) besteht. 234 Daher wird in diesen Konstellationen eine Parallele zu den gesellschaftsrechtlichen Fällen gezogen, in denen ausnahmsweise die eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft ausgehebelt wird, also der „Schutzschild“ der Gesellschaftsform wegen Missbrauchs durchbrochen wird („piercing the corporate veil“ oder
228
Buchan v Secretary of State for Employment [1997] I.R.L.R. 80, EAT. Grundlegend: Salomon v A. Salomon and Co. Ltd [1897] AC 22, HL. Später u.a.: Macaura v Northern Assurance Co. Ltd [1925] AC 619, HL; Acatos and Hutcheson plc v Watson [1995] 1 BCLC 218, Ch D. 230 Daimler Co Ltd v Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain) Ltd [1916] 2 AC 307, HL; Macaura v Northern Assurance Co. Ltd [1925] AC 619 (633), HL. 231 Lee v Lee’s Air Farming Ltd [1961] AC 12, PC; Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277, EAT; Parsons v Albert Parsons & Sons Ltd [1979] I.R.L.R. 117, CA. 232 Hierzu Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139 (140). 233 Mummery J.‘s Ansicht in Buchan v Secretary of State for Employment [1997] I.R.L.R. 80 (84), EAT. 234 Lee v Lee’s Air Farming Ltd [1961] AC 12, PC; Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302 (304), EAT; Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177 (181), CA. 229
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„veil lifting“). 235 Allerdings wird hier nur in extremen Ausnahmefällen die Rechtspersönlichkeit aufgehoben, so dass ein Arbeitsverhältnis zu dem Direktor und Mehrheitsgesellschafter nicht bestehen kann. 236 Dies ist etwa der Fall, wenn die Gesellschaft tatsächlich nur zum Schein und einzig zur Verbergung der selbständigen Tätigkeit des Direktors besteht 237 oder wenn der Arbeitsvertrag allein zu dem Zweck eingegangen wurde, später staatliche Leistungen, wie etwa ein Insolvenzgeld, zu erhalten. 238 Ein Indiz für den letzten Fall ist, wenn die im Vertrag festgelegten Vereinbarungen nicht eingehalten werden. 239 c) Die Schutzbedürftigkeit der an der Gesellschaft beteiligten directors Die gleichzeitige Stellung eines Direktors als Mehrheits- oder Alleingesellschafter wird nicht nur im Zusammenhang mit der Wirksamkeit des Vertragsschlusses diskutiert, sondern auch unter dem Gesichtspunkt, ob solche Direktoren überhaupt schutzwürdig sind. Teilweise wurde angenommen, dass ein Arbeitsvertrag nicht vorliege, wenn dies mit den vom Direktor geltend gemachten Rechten unvereinbar sei. 240 Hintergrund dieser Ansicht war ein Fall, in dem der alleinige Anteilseigner einer Ein-Mann-Gesellschaft von dem Staat Ersatz für sein Gehalt als Direktor forderte, das er von seiner inzwischen insolventen Gesellschaft nicht mehr erlangen konnte. 241 Dem Gericht erschien es ungerechtfertigt, dieses Recht einem Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer einer Gesellschaft zuzubilligen, der für die Geschicke seiner Gesellschaft selbst verantwortlich war, und betrachtete ihn nicht als 235 Siehe hierzu: Jones v Lipman [1962] 1 WLR 832, Ch D; Woolfson v Strathclyde Regional Council [1978] SLT 159, HL; Adams v Cape Industries Plc [1990] Ch 433; Lubbe v Cape Plc [2000] UKHL 41, HL. 236 Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT; Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform v Neufeld [2009] I.R.L.R. 475, CA; Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139 (140). 237 Nesbitt v Secretary of State for Trade & Industry [2007] I.R.L.R. 847, EAT; Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT; Howell, J.B.L. 2008, 8, 778 (781). 238 Fleming v Secretary of State for Trade & Industry [1997] I.R.L.R. 682, Ct of Sess; Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA; Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT; Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139 (140). Kritisch zur tatsächlichen Bedeutung des Kriteriums: Leighton/Wynn, 40 Indus. L.J. 5, 5 (36). 239 Fleming v Secretary of State for Trade & Industry [1997] I.R.L.R. 682, Ct of Sess; Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT. 240 Smith/Thomas, Smith & Wood’s Employment Law, S. 71. 241 Der Insolvency Act 1986 (schedule 6) und der Employment Rights Act 1996 (sec. 182) geben einem Arbeitnehmer das Recht, als „bevorzugter Schuldner“ im Rahmen der Insolvenz Ansprüche gegen die Gesellschaft geltend zu machen bzw. gegenüber dem Secretary of State das noch ausstehende Gehalt einzufordern.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Arbeitnehmer, da er selbst die Insolvenz verschuldet hatte. 242 Die Arbeitnehmereigenschaft war damit von dem Schutzzweck der jeweiligen Norm abhängig. Diese Argumentation wurde kurz darauf aber wieder aufgegeben, u.a. da sie vermuten lasse, der Begriff des Arbeitnehmers könne im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes anders ausgelegt werden als in sonstigen Zusammenhängen. Dies sei aber nicht der Fall, da ein einheitlicher Begriff bestehe. 243 Auch könne ein Gericht im Rahmen eines Arbeitsgerichtsprozesses nicht das Verschulden der Insolvenz zum Gegenstand machen. 244 Die geringere Schutzbedürftigkeit des Direktors im Einzelfall spiele insofern keine Rolle. Dies zeige sich letztlich auch an dem oben dargestellten Prinzip der eigenständigen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft, 245 welches durch einen generellen Ausschluss der mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligten Direktoren von der Arbeitnehmereigenschaft verletzt würde. In der Rechtsprechungspraxis führt dies dazu, dass der Anwendung von Arbeitsrecht auf die Geschäftsführer ein Hindernisgrund weniger entgegensteht und hierdurch das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses – so hat es den Eindruck – tendenziell eher bejaht wird. 246 d) Ergebnis Folglich besteht also die Möglichkeit, dass Gesellschaft und Direktor einen Arbeitsvertrag abschließen. Auch wenn der Direktor die Kontrolle über die Gesellschaft hat, führt dies nicht dazu, dass er keinen Anstellungsvertrag mit dieser eingehen kann. 247 Ob dieser letztlich ein Arbeitsvertrag ist, ist anhand des Arbeitsvertragsbegriffs zu bestimmen. 248
242
Buchan v Secretary of State for Employment [1997] I.R.L.R. 80, EAT. Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177 (194 f.), CA. 244 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177 (194 f.), CA; Fleming v Secretary of State for Trade and Industry [1997] I.R.L.R. 682, Ct of Sess; Sellars Arenascene Ltd v Conolly [2001] I.R.L.R. 222, CA; Gladwell v Secretary of State for Trade and Industry [2007] I.C.R. 264, EAT; Secretary of State for Business, Enterprise and Regula-tory Reform v Neufeld [2009] I.R.L.R. 475, CA. 245 Vgl. Salomon v A. Salomon and Co. Ltd [1897] AC 22, HL. Siehe 1. Kapitel § 2 B.I.2.b). 246 Siehe etwa Lee v Lee’s Air Farming Ltd [1961] AC 12 (30), PC; Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA; Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760, CA; Gladwell v Secretary of State for Trade and Industry [2007] I.C.R. 264 (272), EAT. 247 Lee v Lee’s Air Farming Ltd [1961] AC 12, PC; Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT. 248 Montgomery v Johnson Underwood Ltd [2001] I.R.L.R. 269, CA. 243
§ 2 Englisches Recht
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3. Das Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis a) Die Charakterisierung als Arbeitsverhältnis durch tests Der Arbeitnehmer ist in sec. 230 (1) ERA 1996 als jemand definiert, der im Rahmen eines Arbeitsvertrags tätig wird. Der Arbeitsvertrag wiederum wird in sec. 230 (2) ERA 1996 nicht näher definiert, stattdessen wird lediglich die Möglichkeit normiert, den Arbeitsvertrag ausdrücklich oder konkludent sowie mündlich oder schriftlich abzuschließen. Auch der Trade Union and Labour Relations (Consolidation) Act 1992 beinhaltet eine ähnlich unbestimmte Formulierung. 249 Zur näheren Bestimmung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, haben daher die Gerichte eine Reihe von Tests entwickelt, die im Laufe der Zeit immer wieder erweitert und ergänzt wurden. Der Begriff des Arbeitnehmers wird dabei grundsätzlich einheitlich ausgelegt. 250 So werden Entscheidungen der Gerichte zu Steuer- oder Sozialversicherungssachen auch in reinen arbeitsrechtlichen Sachverhalten zugrunde gelegt. b) Die tests im Einzelnen und ihre Anwendung auf den Anstellungsvertrag des Organmitglieds aa) Der control test (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den control test Der control test ist der älteste Test zur Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses oder des Arbeitnehmerstatus einer Person. 251 Maßgeblich für die Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen ist die Verfügungsgewalt des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer bzw. die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers in Bezug auf Zeit, Ort sowie Art und Weise der Arbeitsausführung des Arbeitnehmers sowie die Aufsicht des Arbeitgebers über die Arbeitsausführung. 252 Kann die betroffene Person weitgehend selbst über 249
Sec. 295 (1): “In this Act ‘Contract of Employment’ means a contract of service or of apprenticeship, ‘employee’ means an individual who has entered into or works under (or, where the employment has ceased, worked under) a contract of employment, and ‘employer’, in relation to an employee, means any person by whom the employee is (or, where employment has ceased, was) employed”. 250 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177 (194 f.), CA. 251 Yewens v Noakes [1880] 6 QB 530, CA; Walker v The Crystal Palace Football Club Ltd [1910] 1 KB 87, CA; Performing Right Society Ltd v Mitchell and Booker (Palais de Danse) Ltd [1924] 1 KB 762, KB; Mersey Docks and Harbour Board v Coggins and Griffiths (Liverpool) Ltd [1947] AC 1, HL. 252 Yewens v Noakes [1880] 6 QB 530, CA; Performing Right Society Ltd v Mitchell and Booker (Palais de Danse) Ltd [1924] 1 KB 762 (767), KB; Ready Mixed Concrete (South East) Ltd v Minister for Pensions and National Insurance [1968] 2 QB 497, 515, QB; Lane v Shire Roofing Company [1995] I.R.L.R. 493, CA; Deakin/Morris, Labour Law, 133 f.; Willey, Employment Law in Context, S. 38.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
diese Punkte bestimmen, ist ein Arbeitsvertrag zu verneinen. Dieser Test wurde lange Zeit als abschließend betrachtet. Durch den Einsatz hochqualifizierter Arbeitnehmer, die einen weitgehenden Entscheidungsspielraum in Bezug auf ihre Arbeit besitzen, wurde die alleinige Anwendung dieses Tests allerdings in Zweifel gezogen, da sich deren Arbeitnehmereigenschaft hiermit nur schwer begründen ließ. 253 Auch kam Kritik auf, dass der Test ungeeignet sei, da auch Selbständige einer gewissen Kontrolle unterliegen könnten. 254 Obwohl aufgrund der Kritik ein zurückhaltender Umgang mit dem Test zu beobachten ist, wird dieses Merkmal dennoch häufig angewendet und bildet meist das entscheidende Merkmal bei der Zuordnung der vertraglichen Strukturen. 255 (2) Anwendung des control test auf den director Der control test wird auch auf die Direktoren angewandt und ist maßgeblicher Bestandteil der Prüfung. Dabei wird in den Urteilen häufig von einer Weisungsgebundenheit ausgegangen und nur bei gegenteiligen Anhaltspunkten die Arbeitnehmereigenschaft in Frage gestellt. In jedem Fall besteht in Gesellschaften, die die model articles of association übernommen haben, eine Weisungsmöglichkeit der Direktoren nach deren Art. 4 (1). 256 Entscheidend ist die Weisungsgebundenheit der Direktoren gegenüber den Gesellschaftern und den übrigen Direktoren. 257 Diese Weisungsgebundenheit ist bei Direktoren, die über eine Mehrheit der Anteile bzw. Stimmrechte verfügen, problematisch, da sich der Direktor selbst Weisungen erteilen müsste. In diesem Umstand wird jedoch im englischen Recht grundsätzlich kein Hindernis für das Bestehen eines Arbeitsvertrags gesehen, da – wie oben bereits angesprochen – die eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft im Vordergrund steht. Da auch die Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter und als Direktor zwei unterschiedliche Stellungen sind, wurde in Lee v Lee’s Air Farming Ltd eine Weisungsgebundenheit bejaht. 258 In Abweichung von diesem Fall wurde 253
Cassidy v Ministry of Health [1951] 1 All ER 574, CA; Deakin/Morris, Labour Law, S. 134; Brodie, S.L.P.Q. 1997, 138 (140); Sargeant, Employment Law, S. 42, 3. 4. 2; Smith/Thomas, Smith & Wood’s employment law, S. 64; Willey, Employment Law in Context, S. 38. 254 Brodie, S.L.P.Q. 1997, 138 (140). 255 Sargeant, Employment Law, S. 42, 3. 4. 2; Smith/Thomas, Smith & Wood’s Employment Law, S. 64; siehe etwa Clifford v Union of Democratic Mineworkers [1991] I.R.L.R. 518, CA. 256 Siehe 1. Kapitel § 2 A.II. 257 Howell, J.B.L. 2008, 8, 778 (781); dies., Comp. Law. 2000, 312 (313). 258 Lee v Lee’s Air Farming Ltd [1961] AC 12 (30), PC: “There appears to be no greater difficulty in holding that a man acting in one capacity can give orders to himself in another capacity than there is in holding that a man acting in one capacity can make a contract with himself in another capacity.”
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in Buchan v Secretary of State for Employment 259 umgekehrt entschieden. Da der Mehrheitsgesellschafter die Vertragsbedingungen seines Anstellungsvertrags als Direktor selbst bestimmen und er außerdem Entscheidungen der Gesellschaft verhindern konnte, die ihn als Direktor betreffen würden, wurde die Arbeitnehmereigenschaft anhand des control test verneint. Hintergrund war u.a. die Erwägung, dass der Kündigungsschutz nicht für eine Person gelten solle, die ohne ihre Zustimmung ohnehin nicht entlassen werden kann. 260 Entscheidend war nicht die Mehrheit der Anteile, sondern die Mehrheit der Stimmrechte (voting rights), so dass der Direktor, der gleichzeitig controlling shareholder war, nicht über einen Arbeitsvertrag beschäftigt sein sollte. 261 Allerdings wurde in der Folge das Ablehnen der Arbeitnehmereigenschaft allein aufgrund der Beteiligung an der Gesellschaft als ein Verstoß gegen die vorher aufgestellten Prinzipien zur eigenen Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft 262 gesehen und die Rechtsprechung im Fall Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill 263 wieder aufgegeben. Es gebe keine common law rule, die besagt, dass ein Direktor, der die Mehrheit der Anteile hält, nicht auch im Rahmen eines Arbeitsvertrags beschäftigt werden kann. 264 Der Einfluss als Gesellschafter, der diese Person davor bewahrt, gegen ihren Willen entlassen zu werden, dürfe keine Rolle spielen. 265 Der generelle Ausschluss von der Arbeitnehmereigenschaft eines Mehrheitsgesellschafters wird auch mit folgender Argumentation verneint: Überträgt der Mehrheitsgesellschafter seine Anteile an der Gesellschaft an einen Dritten, so verliert er dadurch die Kontrolle über die Gesellschaft und könnte dann wieder Arbeitnehmer sein. Die rechtliche Einordnung des Vertrags solle sich aber nicht nach verändernden Mehrheitsverhältnissen richten. 266 Ein ähnliches Argument wird auch in Fällen der Insolvenz einer Gesellschaft geltend gemacht, wenn der Direktor und gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter von den Insolvenzverwaltern entlassen wird, denn hier kann der Direktor trotz seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter die Entlassung nicht verhindern. 267 Eine 259
Buchan v Secretary of State for Employment [1997] I.R.L.R. 80, EAT. Vgl. Buchan v Secretary of State for Employment [1997] I.R.L.R. 80 (148), EAT. 261 Für eine Anrechnung auch der de facto-Kontrolle als Faktor: Nesbitt v Secretary of State for Trade & Industry [2007] I.R.L.R. 847, EAT. 262 Salomon v A. Salomon and Co. Ltd [1897] AC 22, HL. 263 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA. 264 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA; Gladwell v Secretary of State for Trade and Industry [2007] I.C.R. 264 (272), EAT. 265 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA. 266 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177 (195), CA. 267 Fleming v Secretary of State for Trade & Industry [1997] I.R.L.R. 682 (684), Ct of Sess; Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA; Howell, J.B.L. 2008, 8, 778 (781). 260
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Umwandlung des Dienstvertrags in einen Arbeitsvertrag wegen des Übergangs der Entscheidungsgewalt wird abgelehnt, so dass von vornherein ein Arbeitsverhältnis besteht. 268 Dem control test wird für die Arbeitnehmereigenschaft eines Direktors aufgrund dieser Einschränkungen nur noch die Bedeutung eines wichtigen, aber keines allein entscheidenden Faktors zugemessen. 269 Erforderlich ist eine Prüfung aller relevanten Faktoren, 270 welche im Rahmen der unterschiedlichen, gleich zu besprechenden tests erörtert werden. Der control test bildet auch bei der zusätzlichen Anwendung dieser anderen tests den Ausgangspunkt der Überlegung: In Conolly v Sellers Arenascene Ltd 271 etwa wurde die Entscheidung eines Untergerichts aufgehoben, da dieses zwar richtigerweise einen Schwerpunkt auf die Kontrolle des Direktors über die Gesellschaft gelegt habe, jedoch diesem Punkt eine Relevanz beigemessen habe, welche eine Beurteilung anderer relevanter Faktoren ausschließe. Insbesondere wird in der Rechtsprechung deutlich, dass der eigenen Rechtspersönlichkeit ein solch hoher Stellenwert eingeräumt wird, dass auch bei der Weisungsgebundenheit eines Direktors zwischen dessen Position als Gesellschafter und als Direktor getrennt wird. Die gleichzeitige Stellung als Mehrheitsgesellschafter führt daher nicht zwingend zum Ausschluss eines Arbeitsvertrags, kann aber relevant werden, wenn der Verdacht einer nur zum Schein gegründeten Gesellschaft besteht. 272 Ist dies nicht der Fall, fällt mit der geringer werdenden Bedeutung des control test auch das größte Hindernis für die Annahme eines Arbeitsvertrags weg.
268
Fleming v Secretary of State for Trade & Industry [1997] I.R.L.R. 682 (684), Ct of Sess; Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA; Howell, J.B.L. 2008, 8, 778 (781). 269 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA; Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760, CA; Gladwell v Secretary of State for Trade and Industry [2007] I.C.R. 264 (272), EAT. Äußerst kritisch: Leighton/Wynn, 40 Indus. L.J. 5, 5 (35 f.). 270 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177, CA; Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760, CA; Gladwell v Secretary of State for Trade and Industry [2007] I.C.R. 264 (272), EAT. 271 Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760, CA. 272 Secretary of State for Trade and Industry v Bottrill [1999] B.C.C. 177 (194 f.), CA. Kritisch hinsichtlich der Bedeutung dieses Eingrenzungskriteriums: Leighton/Wynn, 40 Indus. L.J. 5, 5 (36).
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bb) Der integration test (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den integration test Der control test wurde zunächst durch den integration test ergänzt, der sich in komplexeren Arbeitsverhältnissen als geeignet erwies. 273 Wie auch im deutschen Recht ist insbesondere bei hoch qualifizierten Angestellten, die aufgrund ihrer Fähigkeiten keiner näheren oder nur einer geringen Kontrolle des Arbeitgebers unterliegen, wie bei dem Kapitän eines Schiffs 274 oder Ärzten im Krankenhaus 275, die Weisungsunterworfenheit nachrangig: Je höher die Qualifikation, desto unbedeutender ist das Merkmal der control. 276 Entscheidend ist daher weniger die Unterordnung unter die Weisungen des Arbeitgebers als vielmehr die Eingliederung in die Organisation und damit die Unterwerfung unter deren Regeln und Abläufe. 277 Wann eine Person eingegliedert ist, ist im Einzelnen nicht vollständig geklärt: Einigkeit herrscht jedenfalls darüber, dass die Arbeit selbst Bestandteil der Unternehmensabläufe ist und nicht nur eine von dem Unternehmensablauf unabhängige, zusätzliche Dienstleistung darstellen soll. 278 Es geht damit um die Organisation der Arbeit sowie die Nutzung der Ressourcen des Unternehmens. 279 Je weiter die Integration der Arbeit reicht, desto eher ist der Vertrag als Arbeitsvertrag anzusehen. Dieser Test wird aber nicht als ausreichend angesehen, sondern eher als ein möglicher Faktor unter mehreren. 280 Dies liegt unter anderem auch daran, dass von Unternehmern versucht wurde, über Outsourcing und Beschäftigung von Arbeitern an der Peripherie den Arbeitnehmerstatus zu verhindern. 281 (2) Anwendung des integration test auf den director Wegen der geringer werdenden Bedeutung des control test kommt der integration test hingegen bei der Untersuchung von Fach- und Führungskräften häufiger zur Anwendung. 282 Der Direktor widmet in der Regel seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft, die dem Unternehmen unmittelbar zugute273
Beloff v Pressdram Ltd [1973] 1 All ER 241, 250, Ch. D. Gold v Essex County Council [1942] 2 KB 293, CA. 275 Cassidy v Ministry of Health [1951] 1 All ER 574, CA. 276 Beloff v Pressdram Ltd [1973] 1 All ER 241, 250, Ch D; siehe auch schon Cassidy v Minister of Health [1951] 1 All ER 574, CA. 277 Deakin/Morris, Labour Law, S. 135. 278 Stevenson, Jordan & Harrison v McDonald and Evans [1952] 1 TLR 101, CA; Beloff v Pressdram Ltd [1973] 1 All ER 241, Ch D. 279 Willey, Employment Law in Context, 2009, S. 38 280 Smith/Thomas, Smith & Wood’s Employment Law, S. 64; Sargeant/Lewis, Employment Law, S. 43. 281 Deakin/Morris, Labour Law, S. 136. 282 Deakin/Morris, Labour Law, S. 135. 274
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
kommt. Dabei nutzt er die Ressourcen Personal und Material der Gesellschaft. Eine Einbindung i.S.d. integration test liegt beim Direktor damit in der Regel vor. In der Rechtsprechung zu den Direktoren wird allerdings auf dieses Merkmal kein Schwerpunkt gelegt und in der Regel auch nicht ausdrücklich erwähnt, was auch daran liegen mag, dass der integration test schon seit längerem als unzeitgemäß gilt. 283 Jedenfalls allein ausschlaggebend für das Bestehen eines Arbeitsvertrags ist dieser test nicht. cc) Der economic reality test (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den economic reality test Der economic reality test oder auch entrepreneurial test stellt darauf ab, ob die Person eigene wirtschaftliche Interessen mit der Arbeit verfolgt, wer das finanzielle Risiko trägt, wer die Arbeitsausrüstung stellt und wie die Bezahlung erfolgt (beispielsweise, ob vom Arbeitsleistenden eine Rechnung an das Unternehmen gestellt wird). 284 Dieser test ähnelt insoweit dem Kriterium des Unternehmerrisikos, welches allerdings für die Bestimmung des Arbeitsverhältnisses im deutschen Recht abgelehnt wird. 285 Teilweise überschneidet sich diese Methode mit dem integration test, da u.a. auch die Abhängigkeit von dem Arbeitgeber bezüglich finanzieller und personeller Ausstattung diskutiert wird. 286 Im Vordergrund steht aber, ob die Person eigene wirtschaftliche Risiken und Chancen übernimmt. 287 Ist dies der Fall, ist ein Arbeitsvertrag eher abzulehnen. Mit dem economic reality test werden also Ausschlusskriterien für die Arbeitnehmereigenschaft festgelegt. 288 Der Test wird insbesondere bei Fach- und Führungskräften angewendet, die auch dann Arbeitnehmer sein können, wenn sie nicht unter ständiger Aufsicht und Weisungsgebundenheit stehen, solange der Vertragspartner die notwendige Ausstattung bereithält und das Risiko eines Fehlschlags trägt. Ein Indiz kann die Art der Bezahlung sein: Erhält die Person ein regelmäßiges Gehalt, ist von einem Arbeitsvertrag auszugehen. Andererseits soll eine an die Leistung des Einzelnen oder die Rentabilität des Unternehmens geknüpfte Bezahlung nicht notwendig implizieren, dass der Arbeitende die Verantwortung für das Management und die Profitabilität des Unternehmens trägt. 289 283
Siehe Ward, B.T.R. 8 (1989), 281 (293). Market Investigations Ltd v Minister of Social Security [1968] 3 All ER 732, QB; Lee Ting Sang v Chung Chi-Keung [1990] IRLR 236, PC; Hall v Lorimer [1994] I.R.L.R. 171, CA; Taylor/Emir, Employment Law, S. 63. 285 Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)bb)(2). 286 Vgl. Hall v Lorimer [1994] I.R.L.R. 171, CA. 287 Market Investigations Ltd v Minister of Social Security [1968] 3 All ER 732, QB; Taylor/Emir, Employment Law, S. 63; Willey, Employment Law in Context, S. 38. 288 Taylor/Emir, Employment Law, S. 63. 289 Deakin/Morris, Labour Law, S. 136. 284
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(2) Anwendung des economic reality test auf den director Die Anwendung des economic reality test auf Direktoren wird von den Gerichten mit der Argumentation abgelehnt, dass das Profitieren vom Erfolg der eigenen Tätigkeit einer Arbeitnehmereigenschaft nicht widerspricht. 290 So seien viele Situationen vorstellbar, in denen Personen, die unzweifelhaft Arbeitnehmer einer Gesellschaft sind, von dem Erfolg der Gesellschaft, zu dem sie beigetragen haben, profitieren. 291 Hier wird ein Vergleich zur erfolgsabhängigen Vergütung gezogen, die nicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrags spricht. Die wirtschaftliche (Un-)Abhängigkeit spielt daher nur eine untergeordnete Rolle für das Arbeitsverhältnis eines Direktors. dd) Der mutuality of obligations test (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den mutuality of obligations test Im Rahmen des mutuality of obligations test werden die gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsparteien untersucht. Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags ist, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, Arbeit anzubieten, und der Arbeitnehmer verpflichtet ist, diese Arbeit auszuführen. 292 Kann der Arbeitnehmer grundlos ohne Sanktion die Ausführung der Arbeit verweigern, liegt kein Arbeitsvertrag vor. Sind aber die Parteien zum Anbieten bzw. Ausführen der Arbeit verpflichtet, spricht dies für einen Arbeitsvertrag. Dieser Test wurde genutzt, um die Arbeitnehmereigenschaft auf Personen zu erweitern, die nicht unter die klassischen Muster fielen, weil sie z.B. nicht oder nur zeitweise in dem Unternehmen arbeiteten. 293 Es wird allerdings zu bedenken gegeben, dass eine solche Gegenseitigkeit Bestandteil aller zweiseitigen Verträge ist: Ohne Reziprozität wäre ein Vertrag bedeutungslos bzw. nicht existent. 294 Daher könne auch das Merkmal der Gegenseitigkeit von Verpflichtungen kein eigenständiger Indikator für die Identifizierung eines Arbeitsvertrags sein. 295 290
Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760, CA; Nesbitt v Secretary of State for Trade & Industry [2007] I.R.L.R. 847, EAT. 291 Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760 (770), CA; Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT. 292 Grundlegend: Airfix Footwear Ltd v Cope [1978] I.C.R. 1210, EAT sowie O’Kelly v Trusthouse Forte [1983] I.R.L.R. 369, CA; Carmichael and Leese v National Power plc [2000] I.R.L.R. 43, HL. 293 Nethermere (St Neots) Ltd v Gardiner [984] I.C.R. 612, [1984] I.R.L.R. 240,CA; Smith/Thomas, Smith & Wood’s Employment Law, S. 65. 294 Deakin/Morris, Labour Law, S. 137. 295 Deakin/Morris, Labour Law, S. 137; Freedland, The Contract of Employment, S. 21 f.; ders., The Personal Employment Contract, S. 91 f.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
(2) Anwendung des mutuality of obligations test auf den director Für den Direktor ist die Frage nach der Gegenseitigkeit von Verpflichtungen in der Regel zu bejahen, wenn er verpflichtet wird, die Aufgaben der Geschäftsführung wahrzunehmen. Diese Mindestbedingung ist für ihn nur dann nicht gegeben, wenn in dem Anstellungsvertrag kein Gehalt für seine Arbeit vereinbart wurde. Die Vergütung (remuneration) kann nämlich unterschiedlich erfolgen: entweder als Gehalt bzw. Arbeitslohn (salary) oder im Wege einer Vorstandsvergütung (director’s fee), welche entweder fix oder abhängig vom erzielten Gewinn gezahlt wird. Diese für das Steuerrecht relevante Unterscheidung wird für das Arbeitsrecht als Indiz für bzw. gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrags gewertet: 296 Wird ein director’s fee gezahlt, spricht dies eher gegen einen Arbeitsvertrag; ist dieses director’s fee außerdem nicht im Vorhinein festgelegt, sondern kann darüber ad hoc entschieden werden, liegt in der Regel kein Arbeitsvertrag vor. 297 Allerdings scheidet damit ein Arbeitsvertrag nicht endgültig aus, sondern es besteht nur eine entgegenstehende Vermutung. ee) Der multiple factor test (1) Bestimmung eines Arbeitsverhältnisses durch den multiple factor test Der multiple factor test oder auch multifactorial approach ist ein Test, der davon ausgeht, dass nicht ein Kriterium über die Einordnung des Vertrags entscheiden kann, sondern ein Gesamteindruck entscheidend ist. 298 In unterschiedlichen Situationen soll eine Gesamtschau verschiedener Faktoren entscheiden, welche Kriterien eine größere oder geringere Rolle spielen. Dabei werden nicht nur die bisher erörterten Tests berücksichtigt, sondern weitere Kriterien entwickelt. In Market Investigations Ltd v Minister of Social Security 299 wurden verschiedene Faktoren aufgelistet: die Befugnis einzustellen und zu entlassen, der Abzug bestimmter Versicherungsbeiträge vom Lohn, die Organisation des Arbeitsplatzes, die Versorgung mit Arbeitsmaterialien sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit. In einem weiteren Fall zählte das Gericht 18 Faktoren auf, von denen keiner allein den Ausschlag für oder gegen einen Arbeitsvertrag geben, aber durch ein Gewichten und Austarieren die
296
Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302, EAT. Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302, EAT. 298 Ready Mixed Concrete (South East) Ltd v Minister of Pensions and National Insurance [1967] 2 QB 497, CA; O’Kelly v Trust House Forte plc [1983] I.R.L.R. 369, CA; Lee v Chung [1990] I.C.R. 409, PC; Hall (Inspector of Taxes) v Lorimer [1994] I.R.L.R. 171, CA. 299 Market Investigations Ltd v Minister of Social Security [1969] 2 QB 173, [1968] 3 All ER 732, QB. 297
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Entscheidung getroffen werden kann. 300 In Hall (Inspector of Taxes) v Lorimer wurden die Zahlung einer Vergütung, die Kontrolle bzw. Weisungsgebundenheit und die Gegenseitigkeit von Verpflichtungen als essentielle Faktoren angesehen. 301 Allerdings wird keine abschließende Liste aufgestellt, sondern das Gericht soll sich stets ein Gesamtbild von jedem einzelnen Fall machen, wobei die verschiedenen Faktoren gewichtet und gegeneinander abzuwägen sind. 302 (2) Anwendung des multiple factor test auf den director Für die konkrete Frage nach dem wirksamen Bestehen eines Arbeitsvertrags eines Direktors wurden im Urteil Clark v Clark Construction Initiatives Ltd zusammenfassend folgende acht Kriterien festgehalten: 303 (i)
Wurden Steuern als Arbeitnehmer sowie Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, besteht eine widerlegbare Vermutung für einen Arbeitsvertrag. (ii) Die Tatsache, dass der Direktor die Mehrheit der Anteile bzw. Stimmrechte hat, verhindert noch nicht die Einordnung des Anstellungsvertrags als Arbeitsvertrag, auch wenn er als Anteilseigner die Kontrolle über die Gesellschaft besitzt. (iii) Ebenso kann auch die Tatsache, dass der Direktor der Unternehmer ist, der die Gesellschaft aufgebaut hat und von dem Erfolg der Gesellschaft profitiert, nicht als Argument gegen die Arbeitnehmereigenschaft verwendet werden. 304 (iv) Ein weiteres Indiz ist das Verhalten der Parteien in Bezug auf die Einhaltung des Vertrags. Ist etwa eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden oder Urlaubstagen im Vertrag festgelegt, kann es von Bedeutung sein, ob diese eingehalten wurden. Ist dies der Fall, soll eine starke Vermutung für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags sprechen. (v) Wird umgekehrt der Vertrag gar nicht eingehalten, spricht dies gegen einen Arbeitsvertrag. In diesem Zusammenhang sollen allerdings kleinere Verstöße außer Betracht gelassen werden. (vi) Sind die Vertragsbedingungen nicht schriftlich festgehalten worden, ist dies ein sehr starkes Indiz, dass kein Arbeitsvertrag vorliegt, da der Vertrag wohl keine bindende Wirkung haben soll. (vii) Die Tatsache, dass der Direktor Darlehensverträge mit der Gesellschaft abschließt oder für deren Forderungen bürgt bzw. eine Garantie abgibt, kann nur in Ausnahmefällen eine Relevanz bezüglich der Arbeitnehmereigenschaft besitzen. Gerade bei kleineren Unternehmen sei davon auszugehen, dass der Direktor diese Dinge vornehmen muss. (viii) Obwohl die Eigenschaft als controlling shareholder Zweifel bezüglich der Arbeitnehmereigenschaft aufwirft, kann dieser Fakt allein jedoch nie die Einordnung als Arbeitsvertrag verhindern. 300
O’Kelly v Trust House Forte plc [1983] I.R.L.R. 369, CA. Hall (Inspector of Taxes) v Lorimer [1994] I.R.L.R. 171, CA. 302 Hall (Inspector of Taxes) v Lorimer [1994] I.R.L.R. 171, CA; Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT. 303 Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT. 304 So auch schon Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760 (769), CA. 301
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Das Problem dieses Ansatzes ist, dass die Ergebnisse je nach Einschätzung des Gerichts unterschiedlich ausfallen können und somit die Rechtssicherheit beeinträchtigt wird. 305 Dies resultiert aus der Verwendung der Vielzahl von Kriterien, welchen aber teilweise nur Indizwirkung zukommt. Daher werden bestimmte Eigenschaften teilweise als Mindestbedingungen für einen Arbeitsvertrag verstanden, wie etwa die Gegenseitigkeit und die persönliche Erbringung der Leistungen (personal service) 306 oder der Grad der Kontrolle durch den Arbeitgeber. 307 Darüber hinaus ist diese Auflistung nach dem EAT unvollständig. 308 Das EAT selbst legte in dem Urteil auch noch Wert auf weitere Faktoren, welche es nicht in die Auflistung mit aufgenommen hatte. Dies liegt jedoch auch daran, dass die Auflistung insbesondere der Wirksamkeit des Vertragsschlusses dienen soll. Auffällig ist, dass für die arbeitsrechtliche Einschätzung auch die Zahlung von Steuer- und Versicherungsbeiträgen berücksichtigt wird. Wurde eine Person beispielsweise im Steuerrecht als Selbständiger behandelt, so gilt dies als Indiz für die Unterscheidung von Arbeitsvertrag und Dienstvertrag im Arbeitsrecht. 309 ff) Folge der Anwendung der tests auf den director Die verschiedenen Tests leiden darunter, dass die aufgezählten Kriterien nur Gesichtspunkte für das Bestehen eines Arbeitsvertrags sind, die Einordnung des Verhältnisses letztlich aber dem Richter vorbehalten ist. Hierdurch soll eine intuitive Herangehensweise ermöglicht werden, 310 die sowohl die Erfahrung des Richters 311 als auch die allgemeine Verkehrsauffassung 312 mit einbezieht. Dies mag zur Einzelfallgerechtigkeit beitragen, erschwert aber die voraussehbare Charakterisierung eines Rechtsverhältnisses. Für den Anstellungsvertrag des Direktors zeigt sich trotz der Unwägbarkeiten eine deutliche Tendenz in Richtung des Bestehens eines Arbeitsvertrags, da bislang nur die Anwendung des control test ein entscheidendes Gegenargument für die Annahme eines Arbeitsvertrags war. Dessen Bedeutung wurde durch die Rechtsprechung jedoch deutlich abgeschwächt. Der zuletzt 305
Sargeant/Lewis, Employment Law, S. 45; Leighton/Wynn, 40 Indus. L.J. 5, 5 (37). Express & Echo Publications Ltd v Tanton [1999] I.R.L.R. 367, CA. Dies wurde aber wieder eingeschränkt durch das EAT in MacFarlane v Glasgow City Council [2001] I.R.L.R. 7 und Byrne Bros Ltd v Baird [2002] I.R.L.R. 96. 307 Montgomery v Johnson Underwood Ltd [2001] I.R.L.R. 269, CA. 308 Clark v Clark Construction Initiatives Ltd [2008] I.R.L.R. 364, EAT. 309 Vgl. hierzu auch Parsons v Albert J Parsons & Sons Ltd [1979] I.R.L.R. 117, CA. 310 Cassidy v Ministry of Health [1951] 1 All ER 574 (579), CA; Ready Mixes Concrete (South East) Ltd v Minister of Pensions and National Insurance [1968] 1 All ER 433, QB; Withers v Flackwell Heath Football Supporters’ Club [1981] I.R.L.R. 307, EAT; Wedderburn, The Worker and the Law, S. 116. 311 Smith/Thomas, Smith & Wood’s Employment Law, S. 66. 312 In Cassidy v Ministry of Health [1951] 1 All ER 574, CA. 306
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vermehrt angewendete multiple factor test bezieht bei der Anwendung auf den Direktor die gesamten Kriterien mit ein, welche die Rechtsprechung jeweils zur Abgrenzung von Dienst- und Arbeitsvertrag entwickelt hatten. Dabei ist zwar der control test ein entscheidendes, aber nicht alleiniges Merkmal der Arbeitnehmereigenschaft. In der Rechtsprechung ist jedoch zu beobachten, dass insbesondere bei Allein- oder Mehrheitsbeteiligung des Direktors an der Gesellschaft der control test als „significant factor“ bezeichnet wird, dann aber sogleich begründet wird, warum die fehlende Weisungsgebundenheit bzw. Kontrolle unerheblich ist. 313 Ebenso an Bedeutung verloren hat der economic reality test, der bei Direktoren kaum noch angewendet wird. 314 Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass der Direktor, der gleichzeitig Anteilseigner ist, ansonsten nie Arbeitnehmer sein könnte, was neben dem Trennungsprinzip auch dem gegenläufigen Grundsatz des common law widerspräche. Bedeutender sind der Einfluss des schriftlichen Abschlusses des Anstellungsvertrags und die Einhaltung des Vertrags durch die Parteien. Dies lässt auf eine Vermutung eines Arbeitsvertrags für Direktoren schließen. 315 Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hat auch die Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Wurden diese abgeführt, soll eine Vermutung zugunsten des wirksamen Vorliegens eines Arbeitsvertrags bestehen. Hintergrund ist, dass derjenige, der Zahlungen leistet, auch später davon profitieren soll. Mit diesem Argument als Untermauerung des Trennungsprinzips wird die Kritik zurückgewiesen, dass ein Allein- oder Mehrheitsgesellschafter das Unternehmen in die Insolvenz führen und dennoch vom Staat sein Gehalt als Direktor einklagen kann. 4. Ergebnis Letztlich wird also bei Vorliegen eines schriftlichen Anstellungsvertrags zwischen Direktor und Gesellschaft von einem Arbeitsvertrag ausgegangen, 316 der nur bei Rechtsmissbrauch 317 unwirksam ist. Im Vergleich zum deutschen Recht fällt auf, dass die Frage der Weisungsgebundenheit zwar berücksichtigt wird, jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt, um Mehrheitsgesellschafter nicht von der Arbeitnehmereigenschaft auszuschließen. Dem Grundsatz, dass die Gesellschaft eine eigene juristische Person darstellt, 313
Vgl. 1. Kapitel § 2 B.I.3.b)aa), ee). Vgl. Conolly v Sellers Arenascene Ltd [2001] I.C.R. 760, CA; Nesbitt v Se-cretary of State for Trade & Industry [2007] I.R.L.R. 847, EAT. 315 So vorher schon Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277, EAT; Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302 (305), EAT. 316 Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (280), EAT; Eaton v Robert Eaton Ltd [1988] I.C.R. 302 (305), EAT; Anderson v James Sutherland (Peterhead) Ltd [1941] S.C. 203, Ct. of Sess. 317 Hierzu 1. Kapitel § 2 B.I.2.a). 314
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
kommt eine derart große Bedeutung zu, dass selbst bei Personenidentität von Alleingesellschafter und Direktor Weisungen des Gesellschafters an den Direktor für relevant gehalten werden. Der Direktor verfügt daher als Arbeitnehmer über alle den Arbeitnehmern zustehenden Rechte. 318 Ein Ausschluss von bestimmten Rechten besteht anders als in Deutschland nicht. Ohnehin entsteht der Eindruck, dass die englischen Gerichte grundsätzlich von der Anwendung von Arbeitsrecht auf die Organmitglieder ausgehen und erst Gründe dargetan werden müssen, wenn dies einmal nicht der Fall sein sollte, während in Deutschland die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers nur im Ausnahmefall bejaht wird. II. Nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit als Arbeitsverhältnis 1. Praktische Relevanz der nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit Die Konstellation, in der das Organmitglied mit der Gesellschaft über einen Arbeitsvertrag verfügt, der sich nicht auf die zur Organstellung gehörende Tätigkeit bezieht und dennoch während der Stellung als Direktor aktiv ausgeübt wird, findet in England – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Literatur auch keine erhöhte Aufmerksamkeit. Sofern hieraus auf eine praktische Relevanz geschlussfolgert werden könnte, wäre diese gering. Angesichts der Tatsache, dass die Direktoren in der Regel über einen auf die Geschäftsführung gerichteten Arbeitsvertrag verfügen, scheint zumindest aus Motiven des Arbeitnehmerschutzes keine Notwendigkeit zu bestehen, einen weiteren Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft einzugehen bzw. aufrechtzuerhalten. Allerdings sind manche Schutzrechte des Arbeitnehmers, wie etwa die Zahlung einer Abfindung (sec. 155 ERA 1996), deren Höhe (sec. 162 Abs. 1 lit. a ERA 1996) sowie der Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung (sec. 108 ERA 1996), daran geknüpft, dass der Arbeitnehmer eine gewisse Zeit durchgängig beschäftigt war. 319 Ein Arbeitnehmer, der zum Direktor aufsteigt und dann entlassen wird, könnte daher seine Rechte verlieren, wenn er während der Zeit als Organmitglied seine Arbeitnehmertätigkeit nicht mehr ausübt. Die Annahme einer kontinuierlichen Beschäftigung (continuity of employment, sec. 210 ERA 1996) ist aber nicht schon dann ausgeschlossen, wenn ein Arbeitnehmer andere Tätigkeiten im Unternehmen wahrnimmt. Entscheidend ist nach sec. 218 ERA 1996 nur der Wechsel des Arbeitgebers, 320 nicht die Art der Tätigkeit als Arbeitnehmer. Daraus folgt, dass ein Arbeitnehmer, 318
Deakin, Labour Law, S. 360 ff.; Shrives/Welch, Management Accounting 1997, 42 f.; Smith/Thomas, Smith & Wood’s Employment Law, S. 434 ff.; Birds/Clark/McNeill/ McCormack/Twigg-Flesner/Villiers, in: Boyle & Birds‘ Company Law, S. 565 f. 319 Deakin/Morris, Labour Law, S. 167 ff.; Smith/Thomas, Smith & Wood’s Employment Law, S. 180 ff. 320 Siehe auch Wood v York City Council [1978] I.R.L.R. 228, 229, CA.
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welcher zum Direktor aufsteigt, eine kontinuierliche Beschäftigung im Sinne der sec. 210 ERA 1996 vorweisen kann, wenn er auch über die Eigenschaft als Direktor einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Der Aufstieg eines Arbeitnehmers innerhalb eines Unternehmens führt also nicht zum Verlust der Rechte, so dass auch dahingehend keine juristisch relevanten Fragen in Rechtsprechung und Literatur diskutiert werden. Ein Motiv für den Abschluss eines Arbeitsvertrags neben der Organtätigkeit ergibt sich also auch hieraus nicht. Dass in der Praxis dennoch nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeiten neben der Organmitgliedschaft ausgeübt werden, zeigt sich in dem Sachverhalt mancher Urteile, auch wenn in der rechtlichen Würdigung dies – soweit ersichtlich – nicht problematisiert wird. In Buchan v Secretary of State for Employment 321 beispielsweise brachte der Kläger vor, dass er nur fünf Prozent seiner Zeit auf seine Stellung als Direktor verwendete, während er den Rest der Zeit als scanner operator bzw. im Verkauf arbeitete. 2. Der nicht auf die Organtätigkeit gerichtete Vertrag als Arbeitsvertrag Grundsätzlich möglich ist nach sec. 227 CA 2006 der Abschluss eines Vertrags für Tätigkeiten, die sich nicht auf die Organstellung beziehen. 322 Die Anwendung der Arbeitsvertragskriterien auf einen nicht auf die Organtätigkeit gerichteten Vertrag dürfte im Regelfall auch zu einem Arbeitsvertrag führen. Da schon die Geschäftsführer selbst Arbeitnehmer sind, ist ein anderes Ergebnis für die Wahrnehmung von Tätigkeiten unterhalb der Organstellung schwer vorstellbar. Auch die gleichzeitige Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter der Gesellschaft schließt das Bestehen eines Arbeitsvertrags für einen Direktor nicht aus. Für die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags ist allerdings nach sec. 188 CA 2006 die Zustimmung der Gesellschafter Voraussetzung, falls die vorgesehene Laufzeit des Arbeitsvertrags zwei Jahre übersteigt. 323 3. Ergebnis Es besteht die Möglichkeit, neben der Organstellung zusätzliche Arbeitnehmeraufgaben wahrzunehmen, die nicht zu der Organstellung gehören. Soweit diese Möglichkeit in der Praxis genutzt wird, wird sie jedenfalls in Rechtsprechung und Literatur – soweit ersichtlich – kaum wahrgenommen oder
321 Vgl. beispielsweise: Buchan v Secretary of State for Employment [1997] I.R.L.R. 80, EAT; Keenan, Smith and Keenan’s Company Law, S. 309, 314. 322 Siehe auch Nr. 414 der Explanatory Notes des Department of Trade and Industry (jetzt: Department for Business, Enterprise and Regulatory Reform) zum CA 2006. 323 Noch zum CA 1985: Keenan, Smith and Keenan’s Company Law, S. 316.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
diskutiert. Juristische Besonderheiten ergeben sich wegen der ohnehin meist vorliegenden arbeitsrechtlichen Stellung in der Eigenschaft als Direktor nicht. III. Organstellung in der Tochtergesellschaft und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft 1. Hintergrund des Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft Konzernsachverhalte, in denen ein Direktor der Tochtergesellschaft gleichzeitig über einen Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft verbunden ist, finden sich in der englischen Praxis schon seit längerem. 324 Dennoch sind diese Fälle in England nicht in gleichem Maße Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion wie in Deutschland. Die gesellschaftsrechtlichen Konflikte zwischen den Pflichten gegenüber Mutter- und Tochtergesellschaft werden zwar diskutiert, jedoch nicht als ein Hindernis für einen Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft betrachtet. 325 Es wird davon ausgegangen, dass der Direktor in jedem Fall die Interessen der Gesellschaft zu wahren hat, bei der er Organmitglied ist, unabhängig davon, ob er über einen Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft verfügt. 326 Der Abschluss von Arbeitsverträgen mit den Direktoren der Tochtergesellschaft wird in England vielmehr in einem anderen Kontext relevant, nämlich bei der Haftung der Konzernmutter für das Verhalten der Direktoren ihrer Tochtergesellschaft im Falle der Insolvenz der Tochter. 327 Ist ein Direktor der Tochtergesellschaft über einen Arbeitsvertrag bei der Muttergesellschaft beschäftigt und schuldet er im Rahmen dieses Arbeitsvertrags die Geschäftsführung in der Tochtergesellschaft, kann die Muttergesellschaft für das Handeln ihres Arbeitnehmers bei der Tochtergesellschaft als Direktor über die vicarious liability (Haftung für Dritte) einzustehen haben. Ein solches Arbeitsverhältnis zwischen Muttergesellschaft und dem als Direktor zur Tochtergesellschaft entsandten Arbeitnehmer ist möglich und wird wegen der ohnehin bestehenden Einflussnahme der Mutter- auf die Tochtergesellschaft auch allgemein bejaht. 328 Der Direktor darf lediglich nicht wegen des Ar324
Siehe Grantham, Comp. Law. 1997, 138. Vgl. Keay, Comp. Law. 2008, 29(10), 290 ff.; Lee, J.B.L. 2003, 449 (450 ff.); Skeikh, A Guide to the Companies Act 2006, S. 421; Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139 (142). 326 Scottish Co-operative Wholesale Society Ltd v Meyer [1959] A.C. 324 (367), HL; Keay, Comp. Law. 2008, 29(10), 290 (291); Lee, J.B.L. 2003, 449 (450 ff.); Parsons, M.U.L.R. 1967, 395 (418); Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139 (142). 327 Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd [1991] AC 187, PC; Dairy Containers Ltd v NZI Bank Ltd [1995] 2 NZLR 30, HC; Grantham, Comp. Law. 1997, 138. 328 Vgl. Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (280 f.), EAT; Wardman, Comp. Law. 2003, 24(5), 139 (142). 325
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beitsvertrags seine Treuepflichten nach sec. 171 ff. CA 2006 gegenüber der Tochtergesellschaft verletzen. 329 Es können also Pflichten sowohl gegenüber der Tochtergesellschaft bestehen als auch gegenüber der Muttergesellschaft. Wem gegenüber der Direktor aber Rechte als Arbeitnehmer geltend machen kann, richtet sich danach, wer richtiger Arbeitgeber ist. Dies wird besonders dann relevant, wenn die vertraglichen Regelungen bezüglich eines Anstellungsverhältnisses nicht eindeutig sind. 330 2. Die Bestimmung des richtigen Arbeitgebers bzw. der richtigen Arbeitgeber bei Konzernsachverhalten a) Die Muttergesellschaft als Arbeitgeberin bei Bestehen eines auf die Organstellung in der Tochter gerichteten Anstellungsverhältnisses Grundsätzlich wird vermutet, dass eine Person, die bei einer Gesellschaft zum Direktor bestellt wird, auch von dieser angestellt wurde. 331 Wird allerdings das Gehalt von der Muttergesellschaft festgelegt und bezahlt sowie zusätzlich mit der Muttergesellschaft vereinbart, dass nach einer Abberufung als Direktor eine andere, gleichwertige Beschäftigung angeboten wird, soll ein Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft bestehen. 332 Es stellt sich daher bei Verbindungen eines Organmitglieds zu mehreren Gesellschaften die Frage, zu welcher Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis besteht bzw. ob zu beiden (Mutter- und Tochtergesellschaft) ein Arbeitsverhältnis existiert. Ob und mit wem ein Arbeitsverhältnis eingegangen wurde, wird also unter anderem davon abhängig gemacht, wer die Vergütung für die Tätigkeit als Organmitglied zahlt. Dies muss aber nicht allein maßgeblich sein. Wichtiger für die Bestimmung des Arbeitgebers ist, wer befugt ist, dem Arbeitnehmer für die Ausführung der Arbeit Weisungen zu erteilen, oder in wessen Organisation er eingegliedert ist. 333 Insoweit gelten die oben genannten Kriterien für einen Arbeitsvertrag. 334 Die Weisungsgebundenheit während der Tätigkeit als Direktor in der Tochtergesellschaft besteht in erster Linie gegenüber der Tochtergesellschaft, da der Direktor schon durch das Gesetz verpflichtet ist, die Interessen seiner Gesellschaft zu wahren (sec. 171 ff. CA 2006). 335 Das 329 Birds, in: de Lacy (Hrsg.), The Reform of the United Kingdom Company Law, S. 166. Aus deutscher Sicht: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 878. 330 So etwa in Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (279), EAT. 331 Anderson v James Sutherland (Peterhead) Ltd [1941] S.C. 203, Ct. of Sess; Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (280), EAT. 332 Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (280 f.), EAT. 333 Mersey Docks and Harbour Board v Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd [1947] AC 1 (17), HL. 334 1. Kapitel § 2 B.I.3. 335 Vgl. Keay, Comp. Law. 2008, 293 (294).
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Organmitglied ist gehalten, die Eigeninteressen der Gesellschaft, bei der es zum Organmitglied berufen ist, in den Vordergrund zu stellen. 336 Daher können (arbeits-)vertragliche Regelungen mit Dritten nur so weit gehen, wie diese Interessen nicht verletzt werden. 337 Diese gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten sind ebenso wie in Deutschland vorrangig vor vertraglichen Regelungen. Ebenso besteht als Direktor der Tochtergesellschaft eine gewisse Eingliederung in deren Arbeitsorganisation. 338 Schließlich ist relevant, wer den Direktor entlassen kann. Hier wird darauf abgestellt, dass die Bestellung als Direktor nur von der Tochtergesellschaft widerrufen werden kann. Sie besitzt daher die Kontrolle über den Direktor. 339 Die rechtliche Weisungsgebundenheit kann aber auch gegenüber der Muttergesellschaft bestehen. Über die Eigenschaft als Gesellschafterin kann die Muttergesellschaft – in gewissem Maße – Einfluss auf die Geschäftsführung und auf die Bestellung und Abberufung nehmen. Insofern besteht eine tatsächliche Weisungsgebundenheit gegenüber der Muttergesellschaft. 340 Unabhängig von der Gesellschafterstellung der Muttergesellschaft besteht, abweichend von den Vorschriften des CA 2006, ebenso die Möglichkeit einer Satzungsregelung, nach der ein Gesellschafter, hier die Muttergesellschaft, einen oder mehrere Direktoren der Tochtergesellschaft selbständig bestellen und wieder abberufen kann. 341 Auch hierdurch kann die Muttergesellschaft die Weisungsmacht gegenüber ihrem Arbeitnehmer ausüben. Ein Arbeitsvertrag liegt in einem solchn Fall vor. In Fällen, in denen bereits vor der Bestellung in der Tochtergesellschaft ein Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft bestand, ist es möglich, den Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft um die Wahrnehmung der Stellung als Direktor zu erweitern. Hier liegt dann eine Entsendung vor, wobei der Muttergesellschaft die Möglichkeit verbleibt, Weisungen zu erteilen, so dass der Arbeitsvertrag fortbesteht. 342
336 Birds, in: de Lacy (Hrsg.), The Reform of the United Kingdom Company Law, S. 166. Aus deutscher Sicht: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 878. 337 Birds, in: de Lacy (Hrsg.), The Reform of the United Kingdom Company Law, S. 166. Aus deutscher Sicht: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 878. 338 Vgl. 1. Kapitel § 2 B.I.3.b)bb)(2). 339 Mersey Docks and Harbour Board v Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd [1947] AC 1 (17), HL. 340 Dairy Containers Ltd v NZI Bank Ltd [1995] 2 NZLR 30, HC; Birds/Clark/McNeill/ McCormack/Twigg-Flesner/Villiers, Boyle & Birds’ Company Law, S. 584. 341 Keenan, Smith & Keenan’s Law for Business, S. 597. 342 Harold Holdsworth & Co (Wakefield) Ltd v Caddies [1955] 1 WLR 352, HL; Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (281), EAT; Birds/Clark/McNeill/McCormack/ Twigg-Flesner/Villiers, Boyle & Birds’ Company Law, S. 584.
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b) Das mit Mutter- und Tochtergesellschaft auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis Die Tatsache, dass mit der Muttergesellschaft ein Vertrag besteht, schließt nicht aus, dass auch mit der Tochtergesellschaft zusätzlich ein Arbeitsvertrag über die Tätigkeit als Organmitglied geschlossen wird. Die Konstellation der Entsendung eines Arbeitnehmers zu einer Tochtergesellschaft bietet verschiedene zulässige vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten. 343 Obwohl im Arbeitsrecht bei einer längeren Tätigkeit in einer Tochtergesellschaft – unabhängig von einer Organstellung – in der Regel davon ausgegangen wird, dass im Falle zweier Arbeitsverhältnisse mit Mutter- und Tochtergesellschaft das Rumpfarbeitsverhältnis ruht, können auch zwei aktive Arbeitsverhältnisse bestehen. 344 Dies wird allerdings eher bei einer kürzeren Dauer der Entsendung der Fall sein. 345 Sofern aber die oben genannten Anforderungen an die Arbeitgebereigenschaft 346 sowohl von der Mutter- als auch der Tochtergesellschaft erfüllt werden, also jeweils eine eigene Vergütung gezahlt wird sowie eine Weisungsgebundenheit zu beiden Gesellschaften besteht, existieren zwei aktive Arbeitsverhältnisse des Direkors der Tochtergesellschaft nebeneinander. Es handelt sich hierbei rechtlich und tatsächlich um zwei getrennte Verträge. 347 Deren Wirksamkeit nebeneinander wird – soweit ersichtlich – auch nicht bestritten, solange die Arbeitsverträge sich inhaltlich nicht widersprechen. 348 Speziell im Arbeitsverhältnis zu der Muttergesellschaft ist dabei auch zu beachten, dass aufgrund des Arbeitsverhältnisses nicht die Treuepflichten des Arbeitnehmers zur Tochtergesellschaft beeinträchtigt werden. 349 Ob die beiden Arbeitsverhältnisse auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis mit zwei Arbeitgebern darstellen könnten, wird nicht diskutiert. C. Zusammenfassung Die hier behandelten Direktoren der private limited company und der public limited company sind im Rahmen ihrer geschäftsführenden Tätigkeit in der Regel über einen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft verbunden. Die Bestimmung des Rechtscharakters richtet sich dabei nicht nach der Subsumtion unter eine Definition, sondern nach einer Vielzahl von Kriterien, die aus den 343
Hierzu De Silva, 20 No. 1 Emp. & Ind. Rel. L. 11. De Silva, 20 No. 1 Emp. & Ind. Rel. L. 11; Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (281), EAT. 345 De Silva, 20 No. 1 Emp. & Ind. Rel. L. 11. 346 1. Kapitel § 2 B.III.2.a). 347 Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (281), EAT. 348 Folami v Nigerline (UK) Ltd [1978] I.C.R. 277 (281), EAT. 349 Birds, in: de Lacy (Hrsg.), The Reform of the United Kingdom Company Law, S. 166. Aus deutscher Sicht: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 878. 344
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
von der Rechtsprechung entwickelten Tests hervorgegangen sind. Es besteht danach grundsätzlich eine Vermutung der Arbeitnehmereigenschaft, die durch die erwähnten Tests in der Regel nicht widerlegt wird. Verneint wird ein Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft nur dann, wenn es Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Gesellschaftsform gibt. Aufgrund des meist vorliegenden Arbeitsvertrags der Organmitglieder ergibt sich keine Notwendigkeit für die Direktoren, nebenher eine weitere Arbeitnehmertätigkeit wahrzunehmen. Rechtliche Bedenken bestehen hiergegen jedoch nicht. Der auf die Tätigkeit als Direktor in einer Tochtergesellschaft gerichtete Vertrag kann entweder mit der Muttergesellschaft und/oder mit der Tochtergesellschaft abgeschlossen werden. Maßgeblich ist hierfür, wem gegenüber die Verpflichtung zur Tätigkeit besteht und von wem die Vergütung gezahlt wird. Falls vor der Bestellung ein Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft bestand, kann dieser während der Organmitgliedschaft in der Tochtergesellschaft aktiv oder ruhend fortbestehen. Der Einfluss des Gesellschaftsrechts auf die arbeitsrechtliche Stellung der Direktoren zeigt sich im Gegensatz zum deutschen Recht weniger darin, dass eine Arbeitnehmerstellung des Organmitglieds aufgrund der Geschäftsführungsposition und Leitungsmacht schwer zu begründen ist. Vielmehr führt die eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft dazu, dass auch der mehrheitlich an einer Gesellschaft beteiligte Direktor Arbeitnehmer sein kann. Die Unterscheidung zwischen der Eigenschaft als Gesellschafter und als Direktor führt sogar so weit, dass ein Alleingesellschafter in seiner Funktion als alleiniger Direktor der Gesellschaft eine arbeitsrechtliche Stellung besitzt
§ 3 Französisches Recht A. Die gesellschaftsrechtliche Grundstruktur des Organverhältnisses I. Das geschäftsführende Organmitglied im französischen Gesellschaftsrecht Die französischen Kapitalgesellschaftsformen société à responsabilité limitée (SARL) und société anonyme (SA) sind mit der deutschen GmbH bzw. der deutschen AG vergleichbar. 350 Zu der Rechtsstellung der die Geschäftsführungsaufgaben dieser Gesellschaften wahrnehmenden Personen werden unterschiedliche Theorien vertreten: Ursprünglich wurden sie als Beauftragte (mandataires) i.S.d. Art. 1986 Code civil (C. civ.) der Gesellschafter angese-
350 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 494; Merle, Droit commercial, Rn. 173, 438.
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hen. 351 Diese Bezeichnung hat ihren Ursprung darin, dass Beauftragte nach Art. 1986 C. civ. ihr Amt unentgeltlich wahrnehmen können und gemäß Art. 2003 f. C. civ. von ihrer Rechtsstellung jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen werden können, was sich mit der vom Gesellschaftsrecht vorgesehenen Stellung der Geschäftsführer deckt. 352 Mit den Reformgesetzen von 1966 353 und 1978 354 und vor dem Hintergrund der Publizitätsrichtlinie 68/151/EWG 355 wurde die Körperschaftstheorie ins französische Recht eingeführt. Die Reformgesetze entzogen den Gesellschaftern die Disposition über die Vertretungsbefugnisse der Geschäftsführung und stellten hierzu auf den Gesellschaftsgegenstand ab. 356 Die Geschäftsführung wird daher nicht mehr als Vertreter der Gesellschafter, sondern als ein vom Gesetz zwingend vorgegebener Teil der Gesellschaft, als dessen Organ, verstanden. 357 Es handelt sich also nicht um eine mittels eines Auftrags übertragene Befugnis, sondern um eine originär gesellschaftsrechtliche Funktion, 358 die der Vertretung der Gesellschaft selbst dient. Daher wird heute allgemein von dem Geschäftsführungsorgan (organe de gestion) gesprochen, 359 welches von den dirigeants 351 Cass. civ. v. 4.6.1946, JCP 1947, II, Nr. 3518; Cass. com. v. 7.4.1967, Rec. Dalloz 1967, 618; Camerlynck, Contrat de travail, S. 70 f., 88 f.; Catala, L’entreprise, S. 56; Coudy, Le gérant de S.A.R.L., S. 29; Storck, Juris-Classeur Sociétés, Bd. IV, Sociétés à responsabilité limitée, Gérance, Fasc. 74-1, 6; Taquet, Dirigeants des sociétés et statut social, S. 9, 12. Zum Teil auch noch heute: Chénedé/Jourdan, Contrat de travail, Rn. 309; Henry/Jacob/Tisserand-Martin/Venandet, Méga Code Civil, Art. 1984 Nr. 6; Le Cannu, La société anonyme à directoire, S. 275; Pélissier/Supiot/Jeammaud, Droit du travail, Rn. 194. 352 Chénedé/Jourdan, Contrat de travail, Rn. 309; Pélissier/Supiot/Jeammaud, Droit du travail, Rn. 194. 353 Loi n° 66-537 du 24 juillet 1966. 354 Loi n° 78-9 du 4 janvier 1978. 355 Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9.3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. 1968 Nr. L 65/8. 356 Aus deutscher Sicht zu der Entwicklung: Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 116 ff. 357 Merle, Droit commercial, Rn. 94. 358 Berr, L’exercice du pouvoir dans les sociétés commerciales, S. 28 ff.; Martin, La représentation des sociétés commerciales par leurs organes, S. 97; Wéry, Droit des contrats (le mandat), S. 122. 359 Siehe nur Cass. civ. v. 5.10.1999, Rev. sociétés 2000, 275; Cass. civ. v. 12.12.2001, BJS 2002, 530; Berr, L’exercice du pouvoir dans les sociétés commerciales, S. 30; Bulle, Le statut du dirigeant de société, Rn. 21; Daigre, Rev. sociétés 1981, 497; DucoulouxFavard, Rev. int. dr. comp. 1992, 849 (862 f.); Magnier, Droit des sociétés, Rn. 170; Merle, Droit commercial, Rn. 94; Ripert/Roblot/Germain, Traité des droit commercial – Les sociétés commerciales, Bd. II, S. 223; Vidal, Droit des sociétés, S. 196 f. Gleiches gilt für die Generaldirektoren der dualistischen SA: Guyon, Droit des affaires, Rn. 34.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
sociaux ausgeübt wird. 360 Der Begriff mandataire (social) ist jedoch auch heute noch sowohl im Gesetz 361 als auch in der Literatur weit verbreitet, was allerdings mehr auf eine traditionelle Verwendung des Begriffs und weniger auf eine bewusste Wortwahl zurückzuführen ist. 362 Findet eine begriffliche Auseinandersetzung tatsächlich statt, wird von einem organe gesprochen, welches die Leitung der Gesellschaft übernimmt. 363 Die Vertretertheorie (théorie de l’agence), nach der das Geschäftsführungsverhältnis durch einen Vertrag begründet werde, vermöge dessen die betreffende Person im Namen der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter tätig werde, die Gesellschaft selbst aber nicht handlungsfähig sei, 364 hat sich in Frankreich nicht durchgesetzt. Keine Berücksichtigung in der Untersuchung werden die Geschäftsführungsorgane der société par actions simplifiée (SAS) finden. Diese Gesellschaft stellt eine vereinfachte Form der SA dar, welche sich von dieser u.a. durch eine weitgehende Satzungsfreiheit der Gesellschafter unterscheidet. 365 Angesichts der durch die Art. L. 227-5, L. 227-6 Code de commerce (C. com.) möglichen unterschiedlichen Geschäftsführungsmodelle in der SAS und der Festlegung von Bestellung, Abberufung, Entschädigung und Dauer der Organzeit in der Satzung 366 sowie im Sinne der Vergleichbarkeit zu den bereits behandelten Gesellschaftsformen beschränkt sich die Untersuchung auf die Organmitglieder der SARL und der SA. II. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied 1. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der SARL Die SARL wird gemäß Art. L. 223-18 C. com. von einem oder mehreren natürlichen Geschäftsführern (gérants) geleitet. Zuständig für die Bestellung 360
Kritisch zur Bezeichnung nur als dirigeant: Sinay, Dr. soc. 1982, 70. Art. L. 223-22 Var. 5, L. 225-21, L. 225-54-1, L. 225-67 C. com. 362 Teilweise auch synonyme Verwendung, etwa: Sayag, Revue sociétés 1981, 1. 363 Cass. civ. v. 5.10.1999, Rev. sociétés 2000, 275 mit Anmerkung Chartier; Cass. civ. v. 12.12.2001, BJS 2002, 530; Ducouloux-Favard, Rev. int. dr. comp. 1992, 849 (862 f.); Magnier, Droit des sociétés, Rn. 170; Merle, Droit commercial, Rn. 94; Ripert/Roblot/ Germain, Traité des droit commercial – Les sociétés commerciales, Bd. II, S. 223; Vidal, Droit des sociétés, S. 196 f. Schon früher: Cass. civ. v. 4.6.1946, JCP 1947 II, 3518. 364 Couret, Rev. sociétés 1984, 243 (249); ders., Rec. Dalloz 1995, chronique, 163 (165); Paul Didier, in: Etudes Sayag, S. 227; Philippe Didier, Rev. sociétés 2003, 238. Zurückgehend auf v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. II, § 90, S. 282. 365 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 906, 912 f.; Merle, Droit commercial, Rn. 595-1. 366 Aus deutscher Sicht hierzu: Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 206 f. 361
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des oder der Geschäftsführer sind nach Art. L. 223-18 C. com. die Gesellschafter, welche die Geschäftsführer gemäß Art. L. 223-25 C. com. auch wieder abberufen. Soweit in der Satzung nichts anderes vorgegeben ist, gilt der Geschäftsführer nach Art. L. 223-18 C. com. auf unbestimmte Zeit bestellt. Eine vorzeitige Abberufung des Geschäftsführers soll nur aufgrund eines triftigen Grundes (juste motif) gefällt werden. Was hierunter im Einzelnen zu verstehen ist, lässt sich den einzelnen Entscheidungen der Cour de Cassation entnehmen. 367 Beispielhaft seien Geschäftsführungsfehler 368 oder die Unfähigkeit 369 bzw. Unwilligkeit 370 zur Wahrnehmung der Aufgaben genannt. Das Fehlen eines triftigen Grundes hat allerdings nicht die Unwirksamkeit der Abberufung zur Folge, sondern nur einen Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers. Damit kann der Geschäftsführer jederzeit abberufen werden, auch wenn die Gesellschaft unter Umständen das Risiko eines Schadensersatzanspruchs eingeht. Ein Bestandsschutz besteht daher selbst bei willkürlicher Abberufung nicht. Abgesichert werden kann der Geschäftsführer im Falle der Abberufung zwar durch eine in der Satzung geregelte Abfindung. Allerdings darf diese nicht so hoch sein, dass die Gesellschafter versucht sein könnten, ihn aus diesem Grund nicht zu entlassen. 371 Dies zeigt, dass die Gesellschafter über den Fortbestand der Stellung der Geschäftsführer frei entscheiden können, soweit sie das finanzielle Risiko eines Schadensersatzanspruchs einzugehen bereit sind. Die Geschäftsführungsbefugnis ist vorbehaltlich anderslautender Satzungsbestimmungen unbeschränkt, Art. L. 223-18 Abs. 4, L. 221-4 C. com. Daher gilt der Geschäftsführer als chef d’entreprise 372. Die Gesellschafterversammlung selbst kann nur in besonderen Ausnahmefällen Entscheidungen in Geschäftsführungsangelegenheiten fällen. Eine Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer liegt also nicht vor. Auch gegenüber anderen Mitgeschäftsführern (cogérants) sind sie weitgehend unabhängig, da gemäß Art. L. 221-4 C. com. jedem Geschäftsführer die Geschäftsführung obliegt und Entscheidungen einzeln und unabhängig voneinander getroffen werden. 373 Ein Weisungsrecht zwischen den Geschäftsführern besteht nicht, lediglich ein Widerspruchsrecht kann vor der Vornahme von Handlungen nach Art. L. 221-4 C. com. geltend gemacht werden kann. 367 Für eine ausführlichere Darstellung siehe etwa Deboissy/Wicker, Code des sociétés et autres groupements, Art. L. 223-25 C. com., Nr. 2 a). 368 CA Rennes v. 28.3.1973, Rev. sociétés 1974, 708; CA Paris v. 8.11.1991, RJDA 1992, 123. 369 CA Nancy v. 9.12.1949, Rev. sociétés 1950, 38. 370 CA Versailles v. 3.3.2005, JCP éd. E 2005, 825. 371 Cass. com. v. 6.12.1983, Rev. sociétés 1984, 311. 372 Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 1346. 373 Kritisch hierzu Alibert, Rev. sociétés 1975, 605. Siehe auch Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 1351.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Die Vergütung wird von den Gesellschaftern mangels einer gesetzlichen Vorschrift in der Satzung einseitig frei festgelegt. 374 Der Geschäftsführer hat danach auf deren Höhe grundsätzlich keinen Einfluss. Faktisch wird eine einseitige Festlegung zumindest für die Anfangsvergütung teilweise bezweifelt, da die Geschäftsführer in der Praxis mit den Gesellschaftern verhandeln können. 375 Rechtlich hingegen ist die Kompetenzverteilung jedoch eindeutig. Auch im Nachhinein sind die Gesellschafter frei darin, die Vergütung zu erhöhen, zu verringern bzw. sie vollständig zu streichen, ohne Rücksicht darauf, wie die Vergütung vorher festgesetzt war. 376 Aufgrund der hierdurch entstehenden Abhängigkeit von den Gesellschaftern besteht die Gefahr, über diesen Umweg einen Rücktritt des Geschäftsführers bewirken zu können. Auch hier könnte wieder der Einwand des zumindest faktischen Einflusses erhoben werden, wenn etwa der Wechsel des Geschäftsführers beispielsweise zu einer anderen Gesellschaft durch finanzielle Anreize verhindert werden soll. 2. Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der SA a) Die unterschiedliche Ausgestaltung der Geschäftsführung in der SA In der SA sind zwei Gestaltungsmöglichkeiten von Geschäftsführung und deren Kontrolle zu unterscheiden: Die monistische SA verfügt über einen Verwaltungsrat (conseil d’administration), Art. L. 225-17 C. com, und einen Generaldirektor (directeur général), Art. L. 225-51-1 C. com, während die in der Praxis seltenere 377 dualistische SA in Annäherung an das deutsche System 378 nach Art. L. 225-58 C. com. aus einem die Geschäfte leitenden Vorstand (directoire) und einem Aufsichtsrat (conseil de surveillance) besteht. Nicht zu den Organmitgliedern gehören wegen der nur abgeleiteten Befugnisse die dem Generaldirektor nach Art. L. 225-53 C. com. assistierenden directeus généraux délégués (vor 2001: directeurs généraux). 379
374
Cass. com. v. 11.1.1972, Rec. Dalloz 1972, jur., 559; CA Versailles v. 31.10.2002, BJS 2003, 184, § 42; Deboissy/Wicker, Code des sociétés et autres groupements, Art. L. 223-18 C. com., Nr. 4, S. 151; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 1359. 375 Le Cannu, BJS 1996, 207, § 68. 376 Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 1359. 377 Hierzu: Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 636; François, Rec. Dalloz 2004, 682. 378 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 494. 379 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 553, 557.
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b) Monistische Ausgestaltung der Geschäftsführung Durch das Inkrafttreten des Gesetzes NRE von 2001 380 wurde die Geschäftsführung in der monistischen SA grundlegend reformiert. War der Verwaltungsrat vorher für einen großen Teil der Geschäftsführung zuständig, wird ihm nun hauptsächlich die Aufgabe eines Kontrollorgans zuteil. 381 Insbesondere die Rolle des Verwaltungsratspräsidenten (président du conseil d’administration), welchem vorher sowohl die allgemeine Geschäftsleitung als auch die Vertretung nach außen oblag (président-directeur général oder kurz PDG), sollte maßgeblich geändert werden. Die Forderung nach einer Trennung von Gescäftsführung und Kontrolle wurde nur teilweise, im Sinne eines Wahlrechts umgesetzt: Das Gesetz sieht nun vor, dass einer Person, dem Generaldirektor, die allgemeine Geschäftsführung zugewiesen ist. Dieses Amt ist von der Position des Verwaltungsratspräsidenten formal zu trennen. Zum Generaldirektor ernannt werden kann jedoch sowohl der Verwaltungsratspräsident, der in diesem Fall auch président-directeur général (PDG) genannt wird, oder eine dritte Person, Art. L. 225-51-1 C. com. Während dem Verwaltungsratspräsidenten also nur noch die Rolle des Vorsitzenden des Verwaltungsrats zukommt, vertritt der Generaldirektor die Gesellschaft nach außen und ist für das Tagesgeschäft zuständig. In der Praxis ist jedoch Geschäftsführung und Kontrolle meist immer noch in einer Person vereint. 382 Die strategisch wichtigen wirtschaftlichen und finanziellen Entscheidungen werden aber gemeinsam mit dem Verwaltungsrat wahrgenommen. Dieser gibt auch die Ausrichtung der Gesellschaft vor und verfügt über das Evokationsrecht für jede den Geschäftsverlauf betreffende Frage, Art. L. 225-35 Abs. 1 C. com. 383 Wie sich aus Art. L. 225-56 Abs. 3 C. com. ergibt, kann der Verwaltungsrat damit die Handlungsfreiheit des Generaldirektors einschränken. Das nähere Verhältnis von allgemeiner Geschäftsführung (Generaldirektor) und Vorgabe der allgemeinen Ausrichtung (Verwaltungsrat) ist im Gesetz nicht weiter bestimmt und sorgt in der Literatur für Verunsicherung. 384 Da der Verwaltungsrat jedenfalls teilweise Geschäftsführungsaufgaben übernimmt, wird er weiterhin zu den Geschäftsführungsorganen gezählt. 385
380
Loi relative aux nouvelles régulations économiques (Loi n° 2001-420 du 15. Mai 2001). 381 Cass. com. v. 3.10.2006, RTD com. 60 (2007), 164; Merle, Droit commercial, Rn. 372. 382 Merle, Droit commercial, Rn. 429. 383 Merle, Droit commercial, Rn. 404. 384 Menjuc, ZGR 2003, 679 (684 f.). 385 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 494; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 449; Magnier, Droit des sociétés, Rn. 513.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Die Verwaltungsratsmitglieder (administrateurs) werden gemäß Art. L. 225-18 C. com. von der Hauptversammlung (assemblée générale) auf höchstens sechs Jahre bestellt und können jederzeit ohne Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung abberufen werden. Der vom Verwaltungsrat nach Art. L. 225-47 C. com. gewählte Vorsitzende kann gleichfalls jederzeit abberufen werden. Dies stellt eine Ausprägung des Prinzips der sofortigen Abberufbarkeit ohne Entschädigungsansprüche (principe de la révocabilité ad nutum) dar. Ein Organmitglied ad nutum (durch Kopfnicken) zu entlassen, soll die Handlungsfähigkeit und die Interessensvertretung der Gesellschaft sichern und stellt daher einen zentralen Grundsatz des französischen Gesellschaftsrechts dar. 386 Die Vergütung der Verwaltungsratsmitglieder erfolgt durch sog. jetons de présence (Sitzungsvergütung), dessen Höhe jährlich durch die Hauptversammlung für den Verwaltungsrat als Kollektiv festgelegt wird, Art. L. 225-45 C. com. Letzterer entscheidet dann über die Verteilung unter den Mitgliedern. Der Generaldirektor wird vom Verwaltungsrat bestellt, Art. L. 225-51-1 C. com. Legt der Verwaltungsrat die Amtszeit nicht fest, gilt der Generaldirektor als auf unbestimmte Zeit bestellt. 387 Allerdings kann er jederzeit durch den Verwaltungsrat abberufen werden, Art. L. 225-55 C. com. Ist der Generaldirektor gleichzeitig Verwaltungsratsmitglied und wird er nur in der letztgenannten Position abberufen, hat dies keinen Einfluss auf die Stellung als Generaldirektor. Sollte die Abberufung als Generaldirektor ohne triftigen Grund (juste motif) 388 erfolgen, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz nur, wenn der Generaldirektor nicht gleichzeitig auch der Vorsitzende des Verwaltungsrats ist, Art. L. 225-55 C. com. Dies bedeutet eine Einschränkung des Prinzips der sofortigen Abberufbarkeit zugunsten des Generaldirektors. In der ursprünglichen Form existiert dieses Prinzip in der monistischen SA also nur noch für die Verwaltungsratsmitglieder sowie den PDG. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht jedoch in keinem Fall. Während der Zeit als Organmitglied ist der Generaldirektor nach Art. L. 225-35 Abs. 3 C. com. verpflichtet, dem Verwaltungsrat Bericht zu erstatten, und kann gegebenenfalls auch Weisungen vom Verwaltungsrat erhalten. Auch das Gehalt des Generaldirektors wird einseitig vom Verwaltungsrat nach Art. L. 225-53 Abs. 3 C. com. festgelegt und kann bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten verringert werden, 389 so dass eine Abhängigkeit gegenüber diesem besteht.
386
Le Cannu, Rev. sociétés 1984, 312 (313 f.). Merle, Droit commercial, Rn. 431. 388 Der Begriff juste motif wird genauso wie bei der SARL verstanden, siehe Magnier, Droit des sociétés, Rn. 554. 389 CA Paris v. 7.6.2000, JCP éd. E 2000, 1214. 387
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c) Dualistische Ausgestaltung der Geschäftsführung Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft findet nach Art. L. 225-64 C. com. ausschließlich durch den Vorstand statt, während dem Aufsichtsrat gemäß Art. L. 225-58 Abs. 3 C. com. die Funktion eines Kontrollorgans zukommt, dem der Vorstand nach Art. L. 225-68 C. com. Bericht erstattet. Die Befugnisse des Vorstands entsprechen dabei einer Kombination derjenigen des Verwaltungsrats und des Generaldirektors der monistischen Aktiengesellschaft. 390 Der Vorstand besteht aus fünf oder mehr Mitgliedern (membres du directoire), die vom Aufsichtsrat ernannt werden. In kleinen Aktiengesellschaften mit einem Kapital unter EUR 150.000 können die Geschäftsführungsaufgaben des Vorstands auch von einer einzigen Person, dem directeur général unique wahrgenommen werden, Art. L. 225-58 Abs. 1, 2 C. com. Die Vorstandsmitglieder müssen dabei grundsätzlich gemeinsam agieren, können mit Einverständnis des Aufsichtsrats aber auch die Aufgaben unter sich aufteilen. 391 Bestellt werden die Vorstandsmitglieder, die unter sich einen Vorsitzenden (président) wählen, gemäß Art. L. 225-59 C. com. von dem Aufsichtsrat. Die Amtszeit wird in der Satzung festgelegt und darf zwischen zwei und sechs Jahren mit der Möglichkeit der Wiederwahl betragen, Art. L. 225-62 C. com. Abberufen werden die Vorstandsmitglieder von der Hauptversammlung oder bei entsprechender Regelung in der Satzung auch von dem Aufsichtsrat, Art. L. 225-61 Abs. 1 C. com. Erfolgt die Entlassung ohne triftigen Grund, kann ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. L. 225-61 Abs. 1 S. 2 C. com. geltend gemacht werden, ein Anspruch auf Wiedereinstellung hingegen nicht. Das Gehalt der Vorstandsmitglieder wird von dem Aufsichtsrat einseitig für jedes Mitglied einzeln nach Art. L. 225-63 C. com. im Bestellungsbeschluss 392 festgelegt und kann im Nachhinein einseitig verringert werden. 393 Die rechtliche Stellung der Vorstandsvorsitzenden ist vergleichbar mit derjenigen des Generaldirektors. 394
390
Merle, Droit commercial, Rn. 444. Merle, Droit commercial, Rn. 444. 392 CA Paris v. 1.12.2000, Dr. sociétés 2001, Nr. 66; Merle, Droit commercial, Rn. 440. 393 Vgl. Cass. com. v. 16.7.1985, Rev. sociétés 1985, 842. 394 Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 817. 391
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
B. Die arbeitsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Organmitglieder I. Die arbeitsrechtliche Stellung im Rahmen der Organtätigkeit 1. Die Problematik eines gesonderten, auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses a) Grundsatz des einheitlichen Rechtsverhältnisses in Bezug auf die Organstellung Das Rechtsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft wird durch die Bestellung begründet. Im Gegensatz zum deutschen und englischen Recht ergibt sich aus diesem Organverhältnis auch bereits die Gegenleistungspflicht der Vergütung für die Tätigkeit als Organmitglied. Diese ist, soweit die Gesellschafter eine solche – wie im Regelfall – gewähren, entweder in einem Beschluss oder in der Satzung verankert. Auch ergeben sich die Treuepflichten (devoir de loyauté), wie das Wettbewerbsverbot, 395 nach allgemeiner Ansicht aus der gesetzlichen Übertragung der Geschäftsführungsbefugnisse. 396 Ein die näheren Bedingungen der Anstellung regelnder Vertrag ist daher nicht notwendig. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Anstellungsvertrags. Die Inhalte eines solchen Vertrags ergeben sich bereits aus dem Gesetz und können demnach nicht Gegenstand eines Vertragsschlusses mit eigenem Inhalt sein. 397 Diesem Vertrag käme nur eine iterative, deklaratorische Bedeutung zu. Allerdings fehlt die Kompetenz zum Vertragsabschluss: Die für einen Vertragsschluss wirksame Willenserklärung kann nicht von der Gesellschaft abgegeben werden, da sie nur durch ihre Organe handeln kann. 398 Während aber die an sich für den Abschluss von Verträgen zuständigen Geschäftsführungsorgane nicht über ihre Bestellung und deren Bedingungen entscheiden dürfen, dürfen die für die Bestellung zuständigen Organe keine Verträge abschließen. 399 Eine abgeleitete Zuständigkeit der für die Bestellung zuständigen Organe wird abgelehnt. 400 Ein Anstellungsvertrag ist nach der herrschenden Ansicht daher unzulässig.
395
Cass. com. v. 12.2.2002, Rev. sociétés 2002, 617 mit Anm. Saintourens; Cass. com. v. 24.2.1998, BJS 1998, 213 § 266; Champaud/Danet, Anm. zu Cass. com. v. 24.2.1998, RTD com. 51 (1998), 612; Daille-Duclos, JCP éd. E 1998, 1486 (1487); Le Nabasque, RTD com. 52 (1999), 273 (282 f.). 396 Cass. com. v. 27.2.1996, JCP 1996, II, 22665; Cass. com. v. 24.2.1998, JCP éd. E 1998, 637; Malaurie, Rec. Dalloz 1996, 519; Schmidt/Dion, JCP éd. E 1996, II, 838; Daigre, in: Mélanges Bézard, S. 79; Le Nabasque, RTD com. 52 (1999), 273 (282). 397 Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (9); Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn 776. 398 Merle, Droit commercial, Rn. 94. 399 Michoud, La théorie de la personnalité morale, Bd. I, S. 132, Rn. 59. 400 Gaudu/Vatinet/Ghestin, Les contrats du travail, S. 45.
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b) Relevanz einzelner vertraglicher Regelungen zur Organstellung Nur der Abschluss einzelner vertraglicher Abreden zwischen Organmitglied und Gesellschaft, vertreten wiederum durch die Geschäftsführungsorgane, ist hierdurch nicht automatisch ausgeschlossen, da sie sich nicht direkt auf die Bestellung beziehen und dadurch die Zuständigkeit der Gesellschafter nicht betroffen ist. Diskutiert werden etwa der Abschluss von indemnité de départ (auch: parachutes dorés), welche eine Abfindung im Fall der Abberufung sichern sollen, eine vertragliche Regelung der Treuepflichten oder die Beschränkung der Befugnisse während der Organtätigkeit durch einen Vertrag. 401 Allerdings verstoßen die Abfindungsverträge zumindest bei den Verwaltungsratsmitgliedern und dem PDG aufgrund der Umgehung des Prinzips der sofortigen Abberufbarkeit gegen Treu und Glauben und sind daher nichtig. 402 Aber auch für den Geschäftsführer und den Generaldirektor dürfen vertraglich vereinbarte Entschädigungen im Falle der vorzeitigen Abberufung nicht so hoch sein, dass sie das zuständige Organ aufgrund finanzieller Probleme davon abhalten könnten, ihr Recht auf Abberufung geltend zu machen. 403 Ebenso werden vertragliche Vereinbarungen, welche die Handlungsbefugnisse beschränken, für nichtig befunden, wenn sie die freie Handlungsfähigkeit gefährden oder über die Satzung hinausgehen. 404 Auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann in der Satzung geregelt werden, 405 so dass eine vertragliche Regelung zwar nicht ausgeschlossen, 406 aber auch nicht zwingend erforderlich ist. 407 Vertragliche Regelungen zwischen Organmitglied und Gesellschaft sind also nur vereinzelt zulässig und können wegen der rein partiellen Regelung insgesamt keine arbeitsrechtliche Stellung begründen. Anstellungsbezogene
401
El Ahdab, Rev. sociétés 2004, 18 ff.; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 782. 402 Cass. com. v. 3.5.1995, JCP éd. E 1995, 505; Viandier/Caussain, JCP éd. E 2004, 925; JCP éd. E 1997, 710, Nr. 8. Eine Auflockerung des Verbots sieht Viandier, JCP éd. E 2004, 1344; kritisch zum Verbot Delga, JCP éd. E 2007, 1803. 403 Cass. com. v. 6.3.1983, Rev. sociétés 1984, 311; Cass. com. v. 26.5.2004, JCP éd. E. 2004, 1447; Cass. com. v. 14.6.2005, BJS 2006, 98. Für börsennotierte SA siehe Art. L. 225-42-1 i.V.m. L. 225-38, L. 225-40 bis L. 225-42 C. com. Hierzu auch Le Cannu/Dondero, RTD com. 61 (2008), 357 (384). 404 Trib. Com. Paris v. 1.8.1974, Rev. sociétés 1974, 685; Guyon, Traité des Contrats – Les sociétés, S. 382. 405 Cass. com. v. 20.2.1979, Gaz. Pal. 1979, 1, somm., S. 213. 406 Cass. com. v. 24.2.1998, BJS 1998, 213 § 266 mit Anm. Petit; Champaud/Danet, RTD com. 51 (1998), 612. 407 Cass. com. v. 24.2.1998, BJS 1998, 213 § 266; Cass. com. v. 12. 2. 2002, Rev. sociétés 2002, 617; Champaud/Danet, RTD com. 51 (1998), 612; Nabasque, RTD com. 52 (1999), 273 (285).
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Rechte und Pflichten der Arbeit als Organmitglied ergeben sich daher allein aus dem mit der Bestellung beginnenden Rechtsverhältnis. 2. Charakterisierung des durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnisses Mangels eines Anstellungsvertrags könnte Grundlage einer auf die Organstellung gerichteten arbeitsrechtlichen Stellung des Organmitglieds nur das durch die Bestellung begründete Rechtsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft sein. Dieses Rechtsverhältnis beinhaltet die Verpflichtung des Organmitglieds, die Geschäfte für die Gesellschaft gegen Zahlung einer Vergütung wahrzunehmen. Sofern die weiteren Anforderungen des Arbeitsvertrags 408 vorlägen, könnte hierin ein Arbeitsverhältnis zu sehen sein. Dies wird in der französischen Literatur jedoch – sofern es überhaupt thematisiert wird – ohne weitere Diskussion abgelehnt. 409 Grund hierfür ist die Rolle des Organmitglieds bzw. des Organs, welches in Frankreich allein dem Gesellschaftsrecht zugeordnet wird. Die Bestellung stellt trotz der erforderlichen Annahme des Gesellschafterbeschlusses 410 nach der herrschenden Meinung einen körperschaftlichen Akt bzw. einen Gesamtakt (acte collectif) 411 und kein zweiseitiges Rechtsgeschäft dar. 412 Ein Vertragsverhältnis, insbesondere ein Arbeitsvertrag liegt hierin also nicht. 413 Begründet wird dies wiederum mit der Unzuständigkeit der bestellenden Organe für einen Vertragsschluss mit den Geschäftsführungsorganen: 414 Die an sich für den Abschluss von Verträgen zuständigen Geschäftsführungsorgane sind nicht an der Bestellung beteiligt, während die bei der Bestellung handelnden Organe (Verwaltungsrat, Aufsichtsrat oder Gesellschafterver-
408
Hierzu sogleich 1. Kapitel § 3 B.II.2. Vgl. nur Bulle, Le statut du dirigeant de sociétés, Rn. 24. 410 Storck, Société à responsabilité limitée (Gérance. Organisation. Pouvoirs), JurisClasseur Sociétés Traité, Fasc. 74 – 10, 2/2004, Rn. 30. 411 Roujou de Boubée, Essai sur l’acte juridique collectif, S. 195. 412 Vgl. aus deutscher Sicht: Hohenadel, Die arbeitsrechtliche Stellung der Geschäftsleiter im französischen Recht, S. 43 f. 413 Goldstein, Le statut du gérant de société à responsabilité limitée au regard du droit fiscal et de la sécurité sociale, S. 76; Pélissier/Supiot/Jeammaud, Droit du travail, Rn. 194. Zur Negierung eines Vertragsverhältnisses: Cass. civ. v. 5.10.1999, Rev. sociétés 2000, 275 mit Anmerkung Chartier; Cass. civ. v. 12.12.2001, BJS 2002, 530; Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (9); Daigre, Rev. sociétés 1981, 497; Gaudu/Vatinet/Ghestin, Les contrats du travail, S. 45 f.; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 776; Merle, Droit commercial, Rn. 94; Michoud, La théorie de la personnalité morale, Bd. I, S. 132, Rn. 59; Cozian/ Viandier, Droit des sociétés, Rn. 547. 414 Vgl. Merle, Droit commercial, Rn. 94; Michoud, La théorie de la personnalité morale, Bd. I, S. 132, Rn. 59. 409
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sammlung) nicht für den Vertragsschluss zuständig sind. 415 Auch die Festlegung der Vergütung ist gesellschaftsrechtlichen Ursprungs und nicht vertraglicher Natur. 416 Es bestand zwar zwischenzeitlich die Tendenz, gewisse Sonderformen der Vergütung wie etwa die Altersrente (pension de retraite) als vertragliche Verpflichtung anzusehen. 417 Diese Sichtweise konnte sich aber nicht durchsetzen. 418 Das Rechtsverhältnis der Organmitglieder zur Gesellschaft wird also allein aus der gesellschaftsrechtlichen Funktion heraus bestimmt. Ein Arbeitsverhältnis wird durch die Bestellung zum Organmitglied demnach nicht begründet. Auch die früher vertretene Ansicht, die durch die Annahme der Bestellung einen Vertragsschluss bejahte, sieht hierin nur ein Auftragsverhältnis und kein Arbeitsverhältnis, da die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung dem Charakteristikum des Auftrags entspricht. 419 Als satzungsgemäß bestelltes Organ der Gesellschaft wird ihm aufgrund der Direktionsbefugnis ebenfalls die Fähigkeit abgesprochen, bezüglich der gleichen Aufgaben Arbeitnehmer zu sein. 420 Es besteht insofern eine Inkompatibilität zwischen Organmitgliedschaft und Arbeitnehmereigenschaft. 421 3. Schutzbedürftigkeit der Organmitglieder Das Rechtsverhältnis der Organmitglieder wird maßgeblich durch gesellschaftsrechtliche Gesetzesvorschriften, Gesellschafterbeschlüsse und die Satzung bestimmt. Ein auf die Organstellung gerichtetes Arbeitsverhältnis besteht nicht. Vorgesehen ist nur ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Gesellschaft bei einer Abberufung ohne triftigen Grund. 422 Demnach besteht zumindest ein Abfindungsschutz für die Organmitglieder. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gegenüber der ASSEDIC (Association pour l’emploi dans l’industrie et le commerce) ist den Organmitglieder allerdings verwehrt. 423
415
Michoud, La théorie de la personnalité morale, Bd. I, S. 132, Rn. 59. Cass. com. v. 3.3.1987, Rev. sociétés 1987, 266; Cass. com. v. 22.1.1991, Rev. sociétés 1992, 61; CA Paris v. 14.5.1993, RTD com. 46 (1993), 535; CA Paris v. 19.5.1998, Dr. sociétés 10/1998, Nr. 129; CA Paris v. 7.6.2000, JCP éd. E 2000, 1214; Gibirila, JCP 1998, II, 1335 (1337); Legros, Rev. sociétés 1992, 63 (66). Kritisch aus Sicht der Praxis: Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 445. 417 CA Versailles v. 15.5.1985, Rec. Dalloz 1987, 404. 418 Cass. com. v. 3.3.1987, Rev. sociétés 1987, 266; Cass. com. v. 22.1.1991, Rev. sociétés 1992, 61; Cass. soc. v. 11.6.2008, BJS 2009, 25. 419 Siehe 1. Kapitel § 3 A.I. 420 Chagny, Dr. soc. 2009, 210 (212); Savatier, Dr. soc. 1966, 108 (109). 421 Chagny, Dr. soc. 2009, 210 (212). 422 Siehe 1. Kapitel § 3 A.II. 423 Ripert/Roblot/Germain, Traité de droit commercial – Les sociétés commerciales, Bd. II, S. 449; Storck, Sociétés à responsabilité limitée, Juris-Classeur Sociétés Traité, Fasc. 416
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Nur bezüglich der Sozialversicherung stehen nach Art. L 311-13 Code de la sécurité sociale dem Geschäftsführer (Art. L 311-13 Nr. 11), sofern er nicht mit mehr als 50% an der Gesellschaft beteiligt ist, dem Präsidenten des Verwaltungsrats und dem Generaldirektor (Art. L 311-13 Nr. 12) sowie den Vorstandsmitgliedern (Art. L 311-13 Nr. 13) teilweise ähnliche Rechte wie den Arbeitnehmern zu. 424 Ein starker Schutz des Organmitglieds besteht demnach nicht. Arbeitnehmerrechte können nicht geltend gemacht werden. Allerdings entspricht dies auch dem Wunsch des Gesetzgebers, der von einer weitgehend freien Abberufbarkeit der Organmitglieder ausgeht. 425 Das Organmitglied wird daher auch nicht als schutzwürdig angesehen. 4. Ergebnis Das Organmitglied ist im französischen Recht bezogen auf seine Organstellung über das gesellschaftsrechtliche Bestellungsverhältnis mit der Gesellschaft verbunden. Vertragliche Nebenabreden existieren nur vereinzelt. Ein Arbeitsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft besteht nicht und ist aufgrund der freien Abberufbarkeit des Organmitglieds auch nicht gewollt. II. Nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit als Arbeitsverhältnis 1. Hintergrund der Rechtsfigur des „cumul“ a) Arbeitsrechtlicher Schutz durch Wahrnehmung einer nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit Die durch das Gesetz angelegte schwache Absicherung der Organmitglieder ist der Grund für eine zunächst nur in der Praxis stattfindende Entwicklung, die den Organmitgliedern einen gewissen Schutz nach der Abberufung zukommen lässt. Da die Anwendung von Arbeitsrecht auf die Organstellung selbst nicht möglich ist, nehmen ca. 10 % der Organmitglieder neben dieser Stellung weitere Aufgaben in der gleichen Gesellschaft wahr, bezüglich derer sie einen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft abschließen. 426 Waren die Organmitglieder bereits vorher bei der Gesellschaft als Arbeitnehmer beschäftigt, ruht der Arbeitsvertrag nicht, sondern ist weiterhin bezüglich (zumindest eines Teils) der vorherigen Tätigkeit aktiv. In Frankreich wird diese rechtli74-10 Rn. 35. Hierzu wiederum die Stellungnahme des ministère du travail, de l'emploi et de la santé, JO Sénat du 14/04/2011, S. 967. 424 Siehe hierzu auch Cass soc. v. 16.4.1992, Rev. sociétés 1992, 502; Merle, Droit commercial, Rn. 432, 420; Nurit Pontier, JCP éd. E 2002, Nr. 222, 210 (211); sowie die Stellungnahme des ministère du travail, de l'emploi et de la santé, JO Sénat du 14/04/2011, S. 967. 425 Siehe 1. Kapitel § 3 A.II. und § 3 B.I.1.b). 426 Vgl. Evain, Insee première 2007, Nr. 1150.
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che Konstruktion der Doppelstellung als Organmitglied und als Arbeitnehmer unter der Bezeichnung „le cumul avec un contrat de travail“ bzw. kurz „(le) cumul“ bei den Geschäftsleitern diskutiert. 427 Durch den zusätzlich zur Organstellung abgeschlossenen Arbeitsvertrag entsteht nicht nur eine zusätzliche Vergütung für das Organmitglied sowie ein Rechtsverhältnis, welches nicht automatisch mit der Abberufung als Organmitglied endet, 428 sondern auch die Möglichkeit, Arbeitnehmerrechte wahrzunehmen. 429 Daneben werden als Motivation für eine Doppelstellung auch Interessen des Unternehmens geltend gemacht: Zum einen kann ein Unternehmen verdienten Arbeitnehmern ein Aufstieg zum Organmitglied attraktiver gestalten, indem durch Erhalt des Arbeitsvertrags eine gewisse Absicherung für die betreffende Person erreicht wird. 430 Darüber hinaus profitiert zum anderen das Unternehmen davon, dass das zukünftige Organmitglied im Unternehmen nicht als Fachkraft für technische Aufgaben entfällt. So wird das Know-How einer Person auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig angesiedelt, welches insbesondere für kleinere und mittlere Familienunternehmen eine Erleichterung darstellen soll. 431 Der cumul hat also einen rechtlichen sowie einen tatsächlichen bedeutsamen Hintergrund. b) Kritik an der Doppelstellung als Organmitglied und als Arbeitnehmer Schwierigkeiten bereitet eine Doppelstellung als Organmitglied und als Arbeitnehmer allerdings schon im Hinblick auf die Machtverhältnisse in der Gesellschaft. Als Arbeitnehmer müsste das Organmitglied einer anderen Person untergeordnet sein, 432 obwohl er als Organmitglied an der Spitze des Unternehmens steht. Insbesondere wenn die Gesellschaft nur über einen einzigen Geschäftsführer, der für die Verträge von Arbeitnehmern zuständig ist, verfügt, entstehen Probleme. Er muss nicht nur sich selbst untergeordnet sein, 427 Deboissy/Wicker, Code des sociétés et autres groupements, Art. L. 223-18 C. com., Nr. 6-8, S. 152 f.; Deslandes, Rec. Dalloz 1982, chron S. 19; Mansuy, Rev. sociétés 1987, 1; Sinay, Dr. soc. 1982, 70; Sayag, Rev. sociétés 1981, 1; Ripert/Roblot/Germain, Traité des droit commercial – Les sociétés commerciales, Bd. II, S. 223; Storck, Juris-Classeur Sociétés traité, Fasc. 74-10 und 74-20; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 1016 f.; aus deutscher Sicht: Klein, RIW 2000, 817 (819). 428 Cass. soc. v. 23.11.1990, Rec. Dalloz 1991, 190 mit Anmerkung Pélissier; Cass. soc. v. 2.7.1992, BJS 1992, 1099; Cass. soc. v. 1.6.1978, Rev. sociétés 1979, 79 mit Anmerkung Le Cannu. Siehe auch Art. 225-61 C. com. 429 Vgl. Ripert/Roblot/Germain, Traité de droit commercial – Les sociétés commerciales, Bd. II, S. 449; Storck, Sociétés à responsabilité limitée, Juris-Classeur Sociétés Traité, Fasc. 74-10 Rn. 35. 430 PélissierAuzero/Dockès, Droit du travail, Rn. 685. 431 So Chagny, Dr. soc. 2009, 210; Ripert/Roblot/Germain, Traité de droit commercial – Les sociétés commerciales, Bd. II, S. 448; Merle, Droit commercial, Rn. 389. 432 Siehe 1. Kapitel § 3 B.II.1.a), d).
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sondern sich gegebenenfalls auch selbst entlassen, also auch das an sich selbst als Arbeitnehmer gerichtete Kündigungsschreiben unterzeichnen. 433 Neben diesen Problemen wird – wie in der Literatur berichtet wird – 434, insbesondere von der ASSEDIC, kritisiert, dass diejenigen, die für die Geschäftsführung verantwortlich sind, im Falle der Insolvenz oder Arbeitslosigkeit den gleichen Schutz wie Arbeitnehmer erhalten könnten. Von Seiten der Gesellschaften, welche die Verträge abschlossen, wurde eine Erschwerung der freien Abberufung der Organmitglieder bemängelt. 435 Diese Erschwerung hat weniger rechtliche als faktische Gründe: Die Gesellschaften wollten die betreffende Person nicht nur in ihrer Eigenschaft als Organmitglied abberufen, sondern ihr auch gleichzeitig als Arbeitnehmer kündigen. Trotz dieser Bedenken wird der cumul grundsätzlich für zulässig erachtet. 436 Dies hat zunächst einen schlicht juristischen Grund: Die Ernennung einer Person zu einem Organmitglied schließt zumindest nicht von vornherein zwingend aus, dass diese Person jemanden in anderer Eigenschaft untergeordnet ist und in Bezug dessen über einen Arbeitsvertrag verfügt. 437 Darüber hinaus besteht aufgrund der geschilderten Interessen von Unternehmen, Arbeitnehmern ein Aufstieg als Organmitglied unter Beibehalt des Arbeitsvertrags attraktiv zu machen und sich gleichzeitig deren technische Arbeitskraft zu sichern, 438 ein praktisches Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung. 439 Um diesem Phänomen und dem daraus entstehenden Konflikt zwischen Organmitgliedschaft und Arbeitnehmereigenschaft Rechnung zu tragen, aber auch Grenzen zu setzen, entstanden durch Gesetz, Rechtsprechung und Literatur verschiedene Anforderungen, die ein Arbeitsvertrag eines Organmitglieds zu erfüllen hat. Dabei bestehen zwischen den Gesellschaftsformen im Detail Unterschiede.
433
So in Cass. soc. v. 5.6.1980, Revue social 1981, 88. Hierzu Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 705; Bulle, Le statut du dirigeant de société, Rn. 203. Zur ähnlichen Argumentation in England: 1. Kapitel § 2 B.I.2.a), c). 435 Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 705. 436 Cass. soc. v. 16.5.1990, Rev. sociétés 1990, 407; Cass. soc. v. 14.5.1998, JCP éd. E 1999, I, 284 mit Anm. Puigelier; Sayag, Revue sociétés 1981, 1 ff.; Cozian/Viandier/ Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 643; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 705; Merle, Droit commercial, Rn. 186, 389, 432; Le Cannu, Les surprises des salariés promus au directoire ou au conseil de surveillance d’une société anonyme, Petites Affiches, 1.10.1990, Nr. 118, S. 16; Cass. soc. v. 17.11.1988, Rev. sociétés 1989, 232 mit Anmerkung Petit; Cass. soc. v. 5.7.1989, BJS 1990, 278 Nr. 78; CA Paris v. 4.5.1995, BJS 1995, 760 Nr. 261. 437 PélissierAuzero/Dockès, Droit du travail, Rn. 685. 438 Siehe 1. Kapitel § 3 B.II.1.a). 439 PélissierAuzero/Dockès, Droit du travail, Rn. 685. 434
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2. Allgemeine Anforderungen an ein wirksames, nicht auf die Organstellung bezogenes Arbeitsverhältnis a) Die Definition des Arbeitsvertrags als Ausgangspunkt Das Bestehen eines wirksamen Arbeitsvertrags eines Organmitglieds orientiert sich grundsätzlich an den Merkmalen des Arbeitsvertragsbegriffs. Der Code du travail (C. trav.) bietet keine Definition eines Arbeitsvertrags. In Rechtsprechung und Literatur hat sich allgemein folgende Umschreibung durchgesetzt: Der Arbeitsvertrag ist eine Vereinbarung, aufgrund derer eine natürliche Person seine Arbeitskraft einer anderen Person in einem Unterordnungsverhältnis gegen ein Entgelt zur Verfügung stellt. 440 Es sind also drei wesentliche Elemente maßgeblich: die Arbeitsleistung (prestation de travail), das Entgelt (rémunération) und ein Unterordnungsverhältnis (lien de subordination). An diesen drei Elementen orientiert sich auch die Wirksamkeit des nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsvertrags eines Organmitglieds. Wegen der befürchteten Gefahr des Rechtsmissbrauchs, insbesondere einer Umgehung der freien Abberufung der Organmitglieder, konkretisierte die Rechtsprechung diese Anforderungen an einen Arbeitsvertrag für die Organmitglieder, wie im Folgenden dargestellt wird. Ein wirksamer Arbeitsvertrag liegt nur vor, wenn alle genannten Anforderungen erfüllt sind. 441 b) Tatsächliche Wahrnehmung von der Organstellung getrennter Aufgaben Zur Vermeidung rein fiktiver Arbeitsverhältnisse, die lediglich der zusätzlichen Absicherung des Organmitglieds dienen, fordert die Rechtsprechung, dass ein Arbeitsvertrag eines Organmitglieds die Verpflichtung zu einer sich von der Geschäftsführung unterscheidenden fachlichen Tätigkeit enthalten („fonctions techniques distinctes“) muss. 442 Erforderlich ist also, dass sich die Tätigkeiten als Organmitglied und als Arbeitnehmer tatsächlich unterscheiden lassen. Sobald sich die Arbeitnehmer-Aufgaben mit den Aufgaben, die aus der Position des Geschäftsführers resultieren, vermischen, kann der Ge440
«Le contrat de travail est la convention par laquelle une personne physique s’engage à mettre son activité à la disposition d’une autre personne, physique ou morale, sous la subordination de laquelle elle se place, moyennant une rémunération», siehe nur Cass. soc. v. 27.3.1996, Nr. 93-40741; Cass. soc. v. 16.9.2009, Nr. 08-41.494; Cass. soc. v. 9.10.2010, Nr. 08-70160; Pélissier/Auzero/Dockès, Droit du travail, Rn. 197, 200 ff. 441 Cass. soc. v. 22.11.1972, Rev. sociétés 1973, 655; Cass. soc. v. 31.5.1981, JCP 1981, IV, 224. 442 Cass. soc. v 5.6.1980, Rev. sociétés 1981, 88; Chartier, Rev. sociétés 1981, 92 ff.; Cass. soc. v. 26.11.1970, Rev. sociétés 1971, S. 397; Cass. soc. v. 21.7.1981, Rev. sociétés 1982, 74 mit Anmerkung Le Cannu; CA Paris v. 18.3.1993; Cass. soc. v. 2.2.1994, BJS 1994, 383, § 113; CA Versailles v. 9.11.2000, BJS 2001, § 45.
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schäftsführer nicht mehr das Bestehen seiner Arbeitnehmerstellung geltend machen. 443 Wird die Organstellung in einem Kollegialorgan wahrgenommen, in dem das einzelne Organmitglied keine eigene Entscheidungsgewalt hat (Verwaltungsrat, Vorstand), können die Tätigkeiten in der Praxis leichter auseinander gehalten werden, da die Arbeitnehmertätigkeiten eigenständig wahrgenommen werden. 444 Ein Missbrauch ist so leichter aufzudecken. Schwieriger ist die Beurteilung, wenn auch die Organstellung eigenverantwortlich wahrgenommen wird und die Entscheidungen unabhängig von anderen getroffen werden (Geschäftsführer der SARL, Verwaltungsratspräsident, Generaldirektor). 445 Sollen Gegenstand des Arbeitsvertrags Leitungs- oder Verwaltungsaufgaben, wie etwa die eines technischen Leiters 446 oder auch eines Bauleiters 447, auf unterer Ebene sein, treten Probleme auf, da diese Aufgaben auch von der Organstellung umfasst sein könnten. 448 Hingegen erfüllen Aufgaben ohne Bezug zur Führung oder Leitung, wie die eines Buchhalters, die Anforderung der Rechtsprechung problemlos. 449 Weitere sich aus den Urteilen ergebende Arbeitnehmeraufgaben von Organmitgliedern sind die eines in einem Bauunternehmen tätigen (Land-)Vermessers, 450 einer Verkäuferin in einer Modeboutique, 451 eines (Wirtschafts-)Ingenieurs. 452 Die Arbeitnehmertätigkeit ist auch „effectif“ auszuüben, 453 was an sich eine Selbstverständlichkeit darstellen mag. Dieses Kriterium verdeutlicht jedoch die Bemühungen der Rechtsprechung, nur formal bestehende Arbeitsverträge zu verhindern. Eine Vermutung, dass die im Vertrag beschriebene Tätigkeit auch wirklich ausgeführt wird, wird teilweise befürwortet, wenn die „Arbeitnehmer-Aufgaben“ auch schon zeitlich vor der Organstellung ausgeübt wurden. 454 Anhand dieses Kriteriums wird ersichtlich, dass die Arbeitnehmereigenschaft von Organmitgliedern in Frankreich nicht durch die schlichte Wahrnehmung von ohnehin mit der Geschäftsführung verbundenen Aufgaben 443
Cass. soc. v. 18.11.1970, Bull. civ. V, Nr. 634, S. 517; Cass. soc. v. 26.11.1970, Bull. civ. V, Nr. 666, S. 541. 444 Mansuy, Rev. sociétés 1987, 1 (5). 445 Mansuy, Rev. sociétés 1987, 1 (6). 446 Cass. soc. v. 22.11.1972, Bull. civ. V, Nr. 636, S. 580. 447 Cass. soc. v. 5.6.1980, Rev. sociétés 1981, 88. 448 Mansuy, Rev. sociétés 1987, 1 (6). 449 Siehe hierzu Cass soc. v. 16.10.1991, Bull. civ. V, Nr. 408, S. 255 sowie François/ Maigret/Marlange, Dirigeant de société, S. 58 f. 450 Cass. soc. v. 16.5.1990, Rev. sociétés 1990, 407. 451 Cass. soc. v. 14.5.1998, Bull. civ. V, Nr. 252, S. 192. 452 Cass. soc. v. 4.1.1974, Bull. civ. V, Nr. 13, S. 12. 453 Mansuy, Rev. sociétés 1987, 1 (3 ff.). 454 So Chartier, Rev. sociétés 1981, 92 (95).
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begründet wird. Vielmehr ist das Vorliegen einer klar abgrenzbaren technischen Tätigkeit erforderlich, die tatsächlich ausgeübt wird. Insofern lässt sich in funktionaler Hinsicht auch nur eingeschränkt eine Vergleichbarkeit zur Arbeitnehmereigenschaft von Organmitgliedern in England 455 oder auch teilweise der Geschäftsführer in Deutschland 456 herstellen, welche nur über einen auf die Organstellung gerichteten, aber dem Arbeitsrecht unterworfenen Anstellungsvertrag verfügen. Davon ausgehend, dass Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, vor allem in größeren Gesellschaften, weitestgehend Leitungsfunktionen und keine technischen Aufgaben mehr übernehmen, ist die gerade dargestellte Anforderungen ein Merkmal, welches in anderen Ländern ohne Regelung des cumul allenfalls von Organmitgliedern in kleineren Gesellschaften erfüllt wird. Hier stellt sich dann jedoch bei gleichzeitiger Organstellung die gleich zu behandelnde Frage des Bestehens eines Unterordnungsverhältnisses. c) Zahlung eines gesonderten Entgelts für die Arbeitnehmertätigkeit Weiteres zwingendes Merkmal für das Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds ist die Zahlung eines Entgelts für die Arbeitnehmer-Aufgaben. Entscheidend ist, dass die Zahlung des Entgelts getrennt von der Vergütung aus der Organstellung erfolgt 457 und sich nur auf die Ausübung des Arbeitsvertrags und nicht auch auf die Organstellung bezieht. 458 Dabei soll das Entgelt nicht außer Verhältnis zur geleisteten Tätigkeit stehen. 459 Hierdurch soll wiederum eine faktische Einschränkung der Abberufung verhindert werden. Stünde der Arbeitslohn außer Verhältnis zur ausgeübten Tätigkeit, kann hierin eine verdeckte Vergütung der Organstellung liegen. Wird das Organmitglied abberufen, endet die Organstellung, nicht aber das Arbeitsverhältnis. Die Gesellschaft wäre daher weiterhin zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet, erhält aber nicht (mehr) die der Vergütung entsprechende Arbeit. Die Gesellschaft könnte daher aus finanziellen Gründen geneigt sein, das Organmitglied nicht abzuberufen. 460
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Siehe 1. Kapitel § 2 B.I.4. Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.4. 457 Bulle, Le statut du dirigeant, Rn. 215, 227. 458 Cass. soc. v. 26.11.1970, Bull. civ. V, Nr. 666, S. 541; Cass. soc. v. 4.1.1974, Bull. civ. V, Nr. 13, S. 12; Cass. soc. v. 21.7.1981, Rev. sociétés 1982, 74 mit krit. Anmerkung Le Cannu. 459 Cass. com. v. 12.7.1983, Bull. civ. IV, Nr. 218; Bulle, Le statut du dirigeant, Rn. 216. 460 Cass. soc. v. 15.10.1970, Bull. civ. V, Nr. 1021. 456
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d) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses bezüglich der nicht zur Organstellung gehörenden Tätigkeit Das entscheidende Kriterium des Arbeitsverhältnisses eines Organmitglieds ist das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses. Obwohl das Organmitglied oberste Geschäftsführungsbefugnis wahrnimmt, muss es bei Ausübung des Arbeitsvertrags in einem Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft stehen. Nach der Cour de cassation besteht ein Unterordnungsverhältnis, wenn die Tätigkeit unter der Aufsicht und Kontrolle eines weisungsberechtigten Arbeitgebers ausgeübt wird, der ein Fehlverhalten des Untergeordneten sanktionieren kann. 461 Die Eingliederung in einen Betrieb sei ein Indiz für eine Unterordnung, wenn der Arbeitgeber einseitig die Bedingungen der Arbeitsausübung (Arbeitsort, Arbeitszeit, Art…) bestimmt. Bei Arbeitnehmern mit hoher Qualifikation werden an das Vorliegen einer Weisungsabhängigkeit jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt: Die Weisungen können sich auch auf generelle Anweisungen beschränken. 462 Ob auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit für das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft ausreichen soll, hat die Cour de cassation schon früh negativ beantwortet, indem sie entschied, dass das Rechtsverhältnis eines Arbeitnehmers nur von der rechtlichen Unterordnung (subordination juridique) gegenüber dem Vertragspartner abhängt. 463 Dennoch fließt die wirtschaftliche Abhängigkeit teilweise indirekt in die rechtliche Charakterisierung eines Rechtsverhältnisses mit ein. 464 Auch in der Literatur wird der wirtschaftlichen Abhängigkeit mitunter wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. 465 Letztlich wird jedoch die wirtschaftliche Abhängigkeit als maßgebendes Merkmal der Arbeitnehmereigenschaft überwiegend abgelehnt und stattdessen auf die rechtliche Abhängigkeit abgestellt, welche aber auch auf faktischen Gegebenheiten beruhen kann. 466 Obwohl sie als Geschäftsleiter selbst Weisungen erteilen, müssen die Organmitglieder in ihrer Funktion als Arbeitnehmer also Anweisungen erhalten und gegebenenfalls mit Sanktionen wie der Kündigung des Vertrags rechnen. 467 Bereits die Möglichkeit einer solchen Unterordnung wird kritisch 461 Cass. soc. v. 15.11.1996, Dr. soc. 1996, 1067, mit Anm. Dupeyroux; Cass. soc. v. 19.12.2000, Dr. soc. 2001, 227 (229); Barthélémy, JCP éd. E 1997, II. 911. 462 Gaudu/Vatinet/Ghestin, Les contrats du travail, S. 27. 463 Cass. civ. v. 6.7.1931, Dalloz périodique 1931, 1. 121, Grands arrêts Nr. 1. 464 Gaudu/Vatinet, Les contrats du travail, S. 28; Groutel, in: Mélanges Camerlynck, S. 50 (52). 465 Angeregt durch das Urteil Cass. soc. v. 19.12.2000, Dr. soc. 2001, 237 f. Siehe etwa Jeammaud, Dr. soc. 2001, 227 ff.; Favennec-Héry/Verkindt, Droit du travail, S. 404. 466 Cass. soc. v. 19.12.2000, Dr. soc. 2001, 237; Bossu, Droit du travail, S. 96; Favennec-Héry/Verkindt, Droit du travail, S. 404; Dockès, Droit du travail, S. 35 f.; Jeammaud, Dr. soc. 2001, 227. 467 Bulle, Le statut du dirigeant de société, Rn. 203 ff.; Deslandes, Rec. Dalloz 1982, chronique 19 (20).
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beurteilt. 468 Die allgemeinen Anweisungen, die alle Geschäftsleiter von dem Verwaltungsrat oder den Gesellschaftern erhalten, reichen als arbeitsrechtlich relevante Weisungen jedenfalls nicht aus, da sie nur die Organstellung betreffen. 469 Ob gesellschaftsrechtliche bzw. organschaftliche Weisungen überhaupt für den Arbeitnehmer-Status relevant sind, spielt hier keine Rolle, da die fragliche Arbeitnehmertätigkeit ohnehin nicht auf die Organstellung gerichtet ist. 470 Entscheidend ist nur die Weisungsabhängigkeit betreffend der konkreten Arbeitnehmertätigkeit, 471 bei der alle Faktoren einzubeziehen sind, die auf die Tätigkeit als Arbeitnehmer Einfluss haben können. 472 Weisungen müssen zunächst von einer anderen Person erteilt werden. 473 Nicht untergeordnet sind damit Personen, die an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehen und jeden Ablauf in der Gesellschaft kontrollieren, ohne dass eine andere Person ihnen gegenüber Weisungsbefugnisse besitzt. 474 Dies gilt beispielsweise für den Geschäftsführer, der als einzige Person im Unternehmen alle Unternehmensabläufe kennt. 475 Hingegen ist ein Unterordnungsverhältnis für Organmitglieder, die in einem Kollektivorgan tätig sind, leichter möglich, da diese in ihrer Funktion als Arbeitnehmer dem Verwaltungsrat bzw. Vorstand als Ganzem unterworfen sind. 476 Relevant werden kann in dem Zusammenhang auch die Beteiligung des Organmitglieds an der Gesellschaft, wenn diese dazu führt, dass keine Weisungen an das Organmitglied mehr möglich sind. Für den Ausschluss eines Unterordnungsverhältnisses ist die Mehrheitsbeteiligung allein zwar nicht maßgeblich. 477 Anders ist 468
Pélissier/Auzero/Dockès, Droit du travail, Rn. 690. Cass. soc. v. 28.1.1988, Bull. civ. V, Nr. 191; Gaudu/Vatinet/Ghestin, Les contrats du travail, S. 45. 470 Zur Problematik dagegen in Deutschland: 1. Kapitel § 1 B.I.3.bb). 471 Champaud/Danet, RTD com 46 (1993), 104 (106). 472 Cass. soc. v. 17.1.1989, BJS 1989, 347, Nr. 1120; Cass. soc. v. 11.7.1995, RJDA 1995, 867, Nr. 1096; Cass. soc. v. 4.12.1990, Rev. sociétés, 1991, 79; CA Paris v. 8.4.2005, Rev. sociétés, 2005, 471; Le Cannu, Rev. sociétés 1982, 76 (79 f.); Cass. soc. v. 17.6.1992, RTD com. 46 (1993), 104 mit Anmerkung Champaud/Danet; Guyon, Rev. sociétés 1989, 715 (717); CA Paris v. 19.9.1990, BJS 1990, 1048, Nr. 341; CA Versailles v. 15.3.1991, BJS 1991, 629, Nr. 222; CA Paris v. 16.6.1993, RTD com. 47 (1994), 64 mit Anmerkung Champaud/Danet; CA Versailles v. 12. 5. 1995, BJS 1995, 772, Nr. 266. 473 Deslandes, Rec. Dalloz 1982, chronique 19 (20). 474 Bulle, Le statut du dirigeant de société, Rn. 205; Goldstein, Le statut du gérant de société à responsabilité limitée au regard du droit fiscal et de la sécurité sociale, S. 81. 475 Zur SARL: Cass. soc. v. 11.7.1995, RJDA 10/1995, 867, Nr. 1096, 1109; CA Agen v. 23.3.1999, Dr. sociétés 1999, comm. 170, note Vidal; Storck, Sociétés à responsabilité limitée, Juris-Classeur Sociétés Traité, Fasc. 74-10 Rn. 35. 476 Bulle, Le statut du dirigeant de société, Rn. 205; Mansuy, Rev. sociétés 1987, 1 (15). 477 Zu einer Beteiligung von 50 %: Cass soc. v. 19.10.1978, Rev. sociétés 1979, 311; Cass. com. v. 17.4.1980, Rev. sociétés 1980, 750; Cass. soc. v. 4.3.1981, Rev. sociétés 1981, 761; CA Orléans v. 12.6.1979, Rev. sociétés 1980, 299. Zu einer Beteiligung über 469
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dies aber, wenn Mehrheitsbeteiligung und Organstellung zusammentreffen. Ein Unterordnungsverhältnis wird dann verneint. 478 Ob tatsächlich ein Unterordnungsverhältnis besteht, ist eine Einzelfallentscheidung. Je kleiner allerdings die Gesellschaft ist, desto schwieriger ist es für das Organmitglied, das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses nachzuweisen. 479 Liegt ein Unterordnungsverhältnis nicht vor, soll dies aber nicht zwingend die Nichtigkeit eines Vertrags zur Folge haben. Stattdessen kann der Vertrag während der Zeit als Organmitglied auch ruhen. 480 e) Keine Umgehung gesellschaftsrechtlicher Vorschriften durch das Arbeitsverhältnis Schließlich ist für die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags eines Organmitglieds Voraussetzung, dass dieser Vertrag nicht nur eingegangen wurde, um die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zu umgehen. 481 Insbesondere soll nicht die freie Abberufung der Organmitglieder durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags gefährdet werden, wenn etwa ein zu hohes Gehalt für die Arbeitnehmertätigkeit gezahlt wird, welches in Wirklichkeit auch eine Gegenleistung für die Organtätigkeit darstellt und diesem Gehalt nach der Abberufung folglich kein Gegenwert mehr entspricht. Für die Gesellschaft entsteht bei Kündigung also ein finanzieller Nachteil. Ein gewisser finanzieller Nachteil ist zwar schon im Gesetz durch den Abfindungsschutz bei Kündigung angelegt, durch die Vereinbarung eines fiktiven Arbeitsverhältnisses wird dieser Nachteil jedoch noch erhöht. Die Anforderung, dass die freie Abberufung des Organmitglieds nicht umgangen wird, ist implizit in den bereits genannten Anforderungen enthalten, wird aber teilweise in der Literatur auch als eigenständige Voraussetzung genannt. 482
50 %: Cass. soc. v. 4.12.1990, Rev. sociétés 1991, 79; CA Paris v. 20.6.1991, RTD com. 45 (1992), 816. 478 Cass. soc. v. 15.5.1984, BJS 1984, 1105, § 409; CA Paris v. 24.2.1987, BJS 1987, 301, § 151. Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 1331. 479 Gaudu/Vatinet/Ghestin, Les contrats du travail, S. 46. 480 Cass. soc. v. 12.12.1990, Bull. Civ. V, Nr. 658, S. 397; Cass. soc. v. 10.4.1991 Rec. Dalloz 1991, IR, 144: Cass. soc. v. 12.6.1991, Bull. civ. V, Nr. 295, S. 180; Cass. soc. v. 15.3.2000, JCP éd. E 2000, 1144; mit Anmerkung Petit; Cass. soc. v. 26.4.2000, Revue de jurisprudence de droit des affaires 7-8/2000, Nr. 769. 481 François/Maigret/Marlange, Dirigeant de société, S. 58, 60. 482 So etwa François/Maigret/Marlange, Dirigeant de société, S. 58, 60.
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3. Anwendung der Anforderungen des „cumul“ auf das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds in der SARL und der SA a) Der „cumul“ in der SARL aa) Die Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses neben der Organstellung Ein gesetzliches Verbot für den cumul besteht für den Geschäftsführer einer SARL nicht. Das Schweigen des code du commerce wird als Aufgabe verstanden, die Doppelstellung zu konkretisieren und verschiedene Voraussetzungen für die Zulässigkeit aufzustellen. 483 Ob weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen des Arbeitsvertrags bestehen, richtet sich nach dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags, da Art. L. 223-19 C. com. wie folgt differenziert: Bestand schon vor der Bestellung ein Arbeitsvertrag, gilt dieser ohne Weiteres fort, falls auch die Tätigkeiten weiterhin unter Einhaltung der genannten Voraussetzungen ausgeübt werden; 484 soll hingegen ein bereits bestellter Geschäftsführer Partei eines Arbeitsvertrags mit der gleichen Gesellschaft werden, unterliegt dieser Vertrag den Zustimmungsvoraussetzungen nach Art. L. 223-19 C. com. Der Grund für die Differenzierung liegt darin, dass die Organmitglieder nicht mit sich selbst über die Bestimmungen des Arbeitsvertrags verhandeln sollen, sondern einer gewissen Kontrolle beim Abschluss von Verträgen mit der Gesellschaft unterliegen. bb) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses Ein Unterordnungsverhältnis setzt u.a. eine Weisungsunterworfenheit voraus. 485 Diese könnte nicht vorliegen, wenn das Organmitglied selbst an der Gesellschaft beteiligt ist und hierüber und über die Stellung als Organmitglied selbst weisungsbefugt ist. Problematisch ist das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses bei einem Geschäftsführer, der die Mehrheit der Anteile oder alle Anteile an der Gesellschaft hält (sog. gérant majoritaire). 486 Die Cour de cassation geht davon aus, dass aufgrund des Einflusses auf die Entscheidungen der Gesellschaft der Mehrheitsgesellschafter nicht in einer untergeordneten Stellung stehen kann und daher ein dennoch abgeschlossener Arbeitsvertrag nichtig ist. 487 Auch für den Fall einer Beteiligung von exakt 483 Vgl. Cass. soc. v. 16.5.1990, Rev. sociétés 1990, 407; 14.5.1998, JCP éd. E 284 mit Anmerkung Puigelier. 484 Cass. soc. v. 14.5.1998, JCP éd. E 1999, S. 284 mit Anmerkung Puigelier; CA Versailles v. 9.11.2000, BJS 2001, § 45. 485 Vgl. 1. Kapitel § 3 B.II.2.d). 486 Vidal, Droit des sociétés, Rn. 908. 487 Cass. soc. v. 7.2.1979, Rec. Dalloz 1979, IR, 267; Cass. soc. v. 8.10.1980, Rec. Dalloz 1981, 257 mit Anmerkung Reinhard; Rev. sociétés 1981, 578 mit Anmerkung Hémard.
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50% eines Geschäftsführers einer SARL hat die Cour de cassation eine Nichtigkeit des Arbeitsvertrags angenommen. 488 Nur die Eigenschaft als Minderheitsgesellschafter soll ein Unterordnungsverhältnis noch nicht per se ausschließen; hier sind die einzelnen Umstände zu betrachten. 489 Dementsprechend besteht also trotz Beteiligung an der Gesellschaft grundsätzlich die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag als Geschäftsführer abzuschließen. Eine Unterordnung ist insbesondere dann denkbar, wenn dem Mitgeschäftsführer (cogérant) 490 oder bestimmten anderen Gesellschaftern 491 Rechenschaft bezüglich der Arbeitnehmertätigkeit abgelegt werden muss. Insofern kann also eine Weisungsgebundenheit zu einer anderen Person bestehen. b) Der „cumul“ in der SA aa) Der „cumul“ in der monistischen SA (1) Die Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses neben der Organstellung (a) Die Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses für Verwaltungsratsmitglieder Das Gesetz regelt für Verwaltungsratsmitglieder in Art. L. 225-22 C. com. den Aufstieg eines Arbeitnehmers zum Verwaltungsratsmitglied. Bestand vor der Ernennung zum Verwaltungsratsmitglied ein Arbeitsvertrag, kann unter den dort genannten Voraussetzungen neben der Organstellung der Arbeitsvertrag fortbestehen. 492 Gesetzlich nicht erwähnt ist der umgekehrte Fall, in dem das bereits ernannte Verwaltungsratsmitglied einen Arbeitsvertrag abschließen möchte. Zwar legt die Rechtsprechung regelmäßig das Schweigen des Gesetzes zur Konstruktion des cumul dahingehend aus, dass mangels gesetzlicher Einschränkungen eine Doppelstellung als Organmitglied und Arbeitnehmer möglich ist. In dem gerade genannten Fall hält die Cour de cassation die Doppelstellung aufgrund der Art. L. 225-44 und L. 225-22 C. com. jedoch aus folgenden Gründen für unzulässig: 493 Art. L. 225-44 C. com. sieht vor, dass das Verwaltungsratsmitglied kein anderes Arbeitsentgelt als das für sein Mandat durch Beschluss des Verwaltungsrats festgelegte erhalten darf. Damit
488
Cass. soc. v. 4.3.1981, Revue des sociétés 1981, 761 mit Anmerkung Le Cannu. Cass. soc. v. 2.2.1994, BJS 1994, 383. 490 Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (11); Mansuy, Rev. sociétés 1987, 1 (16). 491 Cass. com. v. 8.3.1982, Bull. civ. IV, Nr. 90; Cass. soc. v. 18.6.1986, Bull. civ. V, Nr. 311, S. 238. 492 Deboissy/Wicker, Code des sociétés et autres groupements, Art. L. 225-22 C. com., Nr. 5 a). 493 Cass. soc. v. 7.6.1974, Rev. sociétés 1975, 91 mit Anmerkung Chartier; CA Paris v. 29.6.2001, BJS 2001, § 253, S. 1135; Cass. soc. v. 21.2.2006, RJDA 10/2006, Nr. 1044; Viandier/Caussain, JCP éd. E. 1999, 1237 (1239). 489
§ 3 Französisches Recht
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ist die Vergütung aus einem Arbeitsvertrag ausgeschlossen. 494 Das sich hieraus ergebende Verbot des nachträglich abgeschlossenen Arbeitsvertrags wird dadurch gestützt, dass Art. L. 225-22 C. com. für den umgekehrten Fall den cumul unter gewissen Bedingungen gestattet. Fehlt also eine Regelung, ist der cumul aufgrund des Art. L. 225-44 C. com. ausgeschlossen. 495 Den Beteiligten steht es aber offen, nach der Niederlegung des Amtes als Verwaltungsratsmitglied einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen bzw. den bereits geschlossenen zu bestätigen, da dann der Grund für die Nichtigkeit entfällt. 496 Schließlich besteht nach Art. L. 225-22 Abs. 2 C. com. eine zahlenmäßige Beschränkung für Verwaltungsratsmitglieder mit einem zusätzlichen Arbeitsvertrag. Sie dürfen höchstens ein Drittel der gesamten Verwaltungsratsmitglieder ausmachen. Der Arbeitsvertrag der Verwaltungsratsmitglieder, die diese Mehrheit überschreiten, wird nicht nichtig, sondern ruht und lebt bei Beendigung der Stellung wieder auf. 497 (b) Die Zulässigkeit eines Arbeitsvertrags für den Generaldirektor Ein vor Bestellung als Generaldirektor abgeschlossener Arbeitsvertrag über eine von seiner Organstellung getrennte Tätigkeit wird aufgrund des Schweigens des Gesetzes für zulässig erachtet. 498 Ein zeitlich danach abgeschlossener Arbeitsvertrag unterliegt hingegen dem Zustimmungserfordernis des Art. L. 225-38 C. com. Ist der Generaldirektor allerdings gleichzeitig Mitglied des Verwaltungsrats, gelten für ihn aufgrund dieser Eigenschaft auch die Regeln für Verwaltungsratsmitglieder, 499 das heißt ein nach Bestellung abgeschlossener Arbeitsvertrag ist unwirksam und die zahlenmäßige Beschränkung der Verwaltungsratsmitglieder mit Arbeitsvertrag ist einzuhalten.
494
Cass. soc. v. 7.6.1974, Rev. sociétés 1975, 91 mit Anmerkung Chartier; CA Paris v. 29.6.2001, BJS 2001, § 253, S. 1135; Cass. soc. v. 21.2.2006, RJDA 10/2006, Nr. 1044. 495 Cass. soc. v. 7.6.1974, Revue sociétés 1975, 91 mit Anmerkung Chartier; CA Paris v. 29.6.2001, BJS 2001, § 253, S. 1135; Cass. soc. v. 21.2.2006, RJDA 10/2006, Nr. 1044; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 517. 496 Cass. soc. v. 9.10.1991, Rev. sociétés 1992, 318 mit Anmerkung Petit; Cass. soc. v. 25.6.1996, Juris-Classeur périodique édition entreprise et affaires 1996 I. 589, Nr. 12. 497 Cass. soc. v. 13.6.2006, RJDA 10/06, Nr. 1026. Damit hat die Cour de cassation die vorher geltenden harten Folgen der Nichtigkeit des Vertrags bzw. Aufhebung der Bestellung, wie sie vorher bestanden (so noch Cass. soc. v. 11.6.1986, BRDA 7/1986, Nr. 13/9) abgeschwächt. 498 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 550. 499 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 550; Merle, Droit commercial, Rn. 432.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
(2) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses Wie beschrieben ist durch die Stellung des Verwaltungsratsmitglieds in einem Kollegialorgan ein Unterordnungsverhältnis in der Funktion als Arbeitnehmer möglich, da eine Weisungsgebundenheit zu den anderen Verwaltungsratsmitgliedern oder zu dem Generaldirektor bestehen kann. Der Generaldirektor ist hingegen als chef d’entreprise 500 in einer höheren Stellung und nicht innerhalb eines Kollegialorgans tätig, so dass eine Weisungsunterworfenheit gegenüber Anderen schwerer möglich ist. 501 Sie wird jedoch bei einer Unterordnung gegenüber dem Verwaltungsrat bejaht. 502 Voraussetzung ist allerdings, dass der Generaldirektor selbst den Verwaltungsrat nicht kontrolliert. Dies ist beim PDG der Fall, da er neben der alleinigen Geschäftsleitung auch die Kontrolle über die selbige innehat, so dass dieser keinen Arbeitsvertrag schließen kann. Auch eine Mehrheitsbeteiligung des Generaldirektors schließt wie beim Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer der SARL die Arbeitnehmereigenschaft aus. 503 bb) Der „cumul“ in der dualistischen SA (1) Die Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses für die Vorstandsmitglieder Das Gesetz sieht für den Arbeitsvertrag des Vorstandsmitglieds einer dualistischen Aktiengesellschaft keinerlei Beschränkungen vor. In Art. L. 225-61 C. com. wird lediglich festgehalten, dass ein Arbeitsvertrag, der zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied geschlossen wurde, im Falle der Abberufung als Vorstandsmitglied nicht automatisch die Aufhebung des Arbeitsvertrags zur Folge hat. Der Umkehrschluss ergibt, dass ein Arbeitsvertrag also möglich ist. 504 Dies gilt sowohl für den Aufstieg vom Arbeitnehmer zum Organmitglied als auch beim Abschluss eines Arbeitsvertrags nach Antritt der Organstellung. 505 In letzterem Fall ist allerdings das Zustimmungserfordernis des Art. L. 225-86 C. com. zu beachten. Für den directeur général unique gilt das Gleiche. 506 500
Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 581; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 790. 501 Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (9). 502 Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 790. 503 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 550. 504 Merle, Droit commercial, Rn. 439; Sayag, Revue sociétés 1981, 1 (10). 505 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 643; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 818; Merle, Droit commercial, Rn. 439 f.; Cass. soc. v. 17.11.1988, Rev. sociétés 1989, 232; Cass. soc. v. 5.7.1989, Rev. sociétés 1989, 715 mit Anmerkung Guyon; CA Paris v. 4.5.1995, BJS 1995, 760 Nr. 261. Petit, Rev. sociétés 1989, 234 ff. 506 Guyon, Rev. sociétés 1993, 659 f. unter Verweis auf die nicht veröffentlichte Entscheidung des CA Versailles v. 16.3.1993.
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(2) Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses Die Ausübung einer tatsächlichen und von der Geschäftsleitung getrennten Aufgabe ist Voraussetzung für das Bestehen eines Arbeitsvertrags. 507 Ein Unterordnungsverhältnis im Rahmen der wahrgenommenen Tätigkeiten wird für ein Mitglied eines Kollegialorgans grundsätzlich angenommen, da diese unter der Kontrolle der anderen Mitglieder stehen können. 508 Unterschiede ergeben sich jedoch je nach Machtverteilung und tatsächlicher Unterordnung. Ein Unterordnungsverhältnis wurde etwa bei dem Vorstandsvorsitzenden (président du directoire) und einem Mehrheitsaktionär, der die vollständige Kontrolle über alle Vorgänge besitzt, verneint. 509 Eine Subordination war hier nicht erkennbar. Hingegen ist der directeur général unique nicht Mitglied eines Kollegialorgans, sondern alleiniger Geschäftsleiter, so dass eine Subordination selten ist. Möglich ist sie dennoch, wenn die wahrgenommene Aufgabe als Arbeitnehmer so stark von der Leitung getrennt ist, dass er diesbezüglich tatsächlich weisungsunterworfen ist. 510 4. Ergebnis Das Organmitglied kann also unter Einhaltung gewisser Voraussetzungen über einen Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft verfügen. Dessen Gegenstand sind allerdings nicht die Organstellung und die hieraus resultierenden Aufgaben, sondern eine hiervon getrennte Tätigkeit als Arbeitnehmer. Da das Organmitglied eine übergeordnete Stellung im Unternehmen wahrnimmt, ist neben der Frage, ob die Tätigkeiten tatsächlich auch wahrgenommen werden, insbesondere relevant, ob ein Unterordnungsverhältnis zu jemand anderen besteht. Dies ist meist nur dann möglich, wenn neben dem Organmitglied noch ein anderes Organmitglied besteht, welches die „ArbeitnehmerTätigkeiten“ überwachen kann. Das Arbeitsverhältnis und das Organverhältnis sind getrennte Rechtsverhältnisse. Wird das Organmitglied abberufen, endet damit nicht automatisch auch der Arbeitsvertrag oder umgekehrt. 511 Dennoch kann der Arbeitsvertrag und die Bestellung als Organmitglied gleichzeitig gekündigt bzw. widerrufen und auf die gleichen Tatsachen gestützt werden, wobei sich der Grund für die 507
Cass. soc. v. 17.11.1988, Rev. sociétés 1989, 232 mit Anmerkung Petit; Cass. soc. v. 1.6.1978, Revue sociétés 1979, 79 mit Anmerkung Le Cannu. 508 Cass. soc. v. 4.2.1988, BJS 1995, 782; Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (10 f.). 509 Zum Vorstandsvorsitzenden: Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rn. 818. Zum Mehrheitsaktionär: Cass. soc. v. 5.7.1989, Rev. sociétés 1989, 715 mit Anmerkung Guyon; CA Agen v. 2.12.1992, CJA 1993/2, Nr. 3338, S. 244. 510 So Guyon, Rev. sociétés 1993, 659 f. unter Verweis auf die nicht veröffentlichte Entscheidung des CA Versailles v. 16.3.1993. 511 François/Maigret/Marlange, Dirigeant de société, S. 68 f.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Kündigung auch auf die Aufgaben aus dem Arbeitsvertrag beziehen muss. 512 Es reicht daher nicht aus, dass lediglich ein Vertrauensverlust der Gesellschaft gegenüber dem Organmitglied eingetreten ist. 513 Zwischenzeitlich wurde zwar diskutiert, ob aufgrund des Grundsatzes der freien Abberufbarkeit der Organmitglieder auch der Arbeitsvertrag des Geschäftsführers automatisch enden soll, 514 dies hat sich jedoch nicht durchgesetzt. 515 III. Organstellung in der Tochtergesellschaft und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft 1. Die Muttergesellschaft als Arbeitgeber Ein cumul besteht nur in den Fällen, in denen sowohl die Organstellung als auch die Arbeitnehmertätigkeit in der gleichen Gesellschaft vorgenommen werden. Hiervon zu unterscheiden sind Arbeitsverhältnisse, die mit anderen Gesellschaften, wie etwa konzernverbundenen Gesellschaften über die Organtätigkeit abgeschlossen werden. Die Regeln des cumul greifen hier nicht, da es sich um zwei unterschiedliche juristische Personen handelt 516 und darüber hinaus auch der Inhalt des Vertrags ein anderer ist. Während unabhängig von der Doppelstellung in Deutschland für die Frage des Vertragspartners im Wesentlichen entscheidend ist, mit wem der Vertrag geschlossen wurde, ist es in Frankreich nicht selbstverständlich, dass die einstellende Gesellschaft auch der Arbeitgeber ist. 517 Entscheidend ist in der Regel, zu wem das Unterordnungsverhältnis besteht, insbesondere von wem die Direktionsgewalt ausgeübt wird. 518 Jedenfalls zu der Gesellschaft, die das Organmitglied bestellt hat, besteht kein auf die Organstellung gerichtetes Arbeitsverhältnis. 519 Folglich ist ein diesbezügliches Arbeitsverhältnis nur zur Muttergesellschaft möglich. Die Konstellation, dass die Muttergesellschaft mit dem Organmitglied der Tochtergesellschaft ein Arbeitsvertrag geschlossen hat, ist in Rechtsprechung 512
Cass. soc. v. 7.4.1993, RJS 1993, Nr. 673. Cass. soc. v. 8.3.1990, Nr. 87-45.509; François/Maigret/Marlange, Dirigeant de société, S. 69. 514 Houin, RTD com. 29 (1976), 124 (140); Chartier, Rev. sociétés 1983, 355 (356). 515 Cass. soc. v. 23.11.1990, Rec. Dalloz 1991, 190 mit Anmerkung Pélissier; Cass. soc. v. 2.7.1992, BJS 1992, 1099; Cass. soc. v. 1.6.1978, Rev. sociétés 1979, 79 mit Anmerkung Le Cannu. Siehe auch Art. L. 225-61 C. com. 516 Cass. soc. v. 20.3.1996, RJS 4/96, Nr. 620; Cass. soc. v. 4.3.1997, Bull. Civ. V, Nr. 91, S. 65; Cass. soc. v. 11.3.2003, Bull. Civ. V, Nr. 88, S. 85; Petit, Rev. sociétés 1994, 79. 517 Aus deutscher Sicht: Teichmann, Die Gesellschaftsgruppe im französischen Arbeitsrecht, S. 37 ff. 518 Cass. soc. v. 15.11.1996, Dr. soc. 1996, 1067. 519 Siehe 1. Kapitel § 3 B.I.4. 513
§ 3 Französisches Recht
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und Literatur im Grundsatz allgemein anerkannt und gebilligt. 520Erforderlich ist allerdings, dass auch tatsächlich die Kriterien eines Arbeitsvertrags erfüllt sind, wobei das relevante Kriterium das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses zur Muttergesellschaft ist. Zuvor soll jedoch auf die vereinzelt in der Literatur diskutierte Frage eingegangen werden, inwiefern die Organstellung in der Tochtergesellschaft mit dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in der Muttergesellschaft kompatibel ist. 2. Kompatibilität von Organstellung und Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft a) Das Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft und der Grundsatz der freien Abberufbarkeit der Organmitglieder Gegen die Vereinbarkeit von Organstellung in der Tochter- und Arbeitnehmerstellung in der Muttergesellschaft werden Bedenken geäußert. Es wird befürchtet, dass der Grundsatz der freien Abberufbarkeit der Organmitglieder umgangen wird, wenn durch die arbeitsrechtliche Stellung einem Organmitglied eine ihm an sich nicht zustehende Sicherheit in Bezug auf seine gesellschaftsrechtliche Stellung vermittelt wird. 521 Gerade vor dem Hintergrund, dass ein solcher Vertrag nicht mit der Tochtergesellschaft geschlossen werden kann, soll ein solcher Arbeitsvertrag nichtig sein. 522 Zwischen den Möglichkeiten eines Arbeitsvertrags mit der Gesellschaft, die das Organmitglied bestellt, und mit der Muttergesellschaft ist aber zu differenzieren. Die freie Abberufbarkeit zwischen Organmitglied und Gesellschaft dient dazu, die Interessen der Gesellschaft und damit der Gesellschafter zu wahren. 523 Die mit der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft betrauten Personen sollen jederzeit abberufen werden können, wenn die Gesellschafter der Ansicht sind, dass die Interessen der Gesellschafter nicht mehr gewahrt sind. Ein arbeitsrechtlicher Schutz des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft ist daher nur mit der freien Abberufbarkeit der 520 Cass. soc. v. 2.10.1991, RJS 11/91, Nr. 1252; RJDA, 12/91, Nr. 1041; Cass. soc. v. 6.10.1993, Rev. sociétés 1994, 76; Cass. soc. v. 11.3.2003, Bull. civ. V, Nr. 88, S. 85; Cass. soc. v. 21.2.2006, Nr. 04-40646; Cass. soc. v. 17.9.2008, Dr. soc. 2009, 214; Cass. soc. v. 6.10.1993, Rev. sociétés 1997, 554 mit Anm. Didier; Viandier/Caussain, JCP éd. E 1997, I, chron. 676 Nr. 11; Petit/Reinhard, RTD com. 51 (1998), 174; Gatumel, JCP 1992, I, 3554, Nr. 1; Ripert/Roblot/Germain, Traité des droit commercial – Les sociétés commerciales, Bd. II, S. 680; Viandier/Caussain, JCP 1993, I, 3652, Nr. 12; de Sevin, RJS 1992, 391 ff.; Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (8 ff.); Chagny, Dr. soc. 2009, 210 ff.; Miellet, JCP éd. E 1998, 110 f.; Pélissier/Auzero/Dockès, Droit du travail, Rn. 697; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 1496; Vacarie, Dr. soc. 1989, 462 ff. 521 Petit, Rev. sociétés 1994, 79 (82 f.). 522 Petit, Rev. sociétés 1994, 79 (83). 523 Siehe 1. Kapitel § 3 A.II.
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Organmitglieder vereinbar, wenn die geschilderten Voraussetzungen an einen cumul 524gewahrt sind. Anders ist dies aber, wenn das Organmitglied einen Arbeitsvertrag mit einer anderen Gesellschaft, wie der Muttergesellschaft, schließt oder ihn schon vor Bestellung geschlossen hatte. 525 Hier wird die freie Abberufbarkeit nicht eingeschränkt, da die Gesellschafter der Tochtergesellschaft frei entscheiden können, ohne finanzielle Nachteile befürchten zu müssen. Die Muttergesellschaft hat in diesem Fall die Möglichkeit, ihren Arbeitnehmer in einer anderen Gesellschaft als Organmitglied einzusetzen. 526 b) Unabhängigkeit von Organstellung und Arbeitsverhältnis Nur teilweise wird kritisiert, dass die mit der organschaftlichen Funktion zusammenhängende Unabhängigkeit der Position eines Arbeitnehmers widerspricht. 527 Die Muttergesellschaft könnte über den Arbeitsvertrag auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft einwirken und diese – so die Kritik – zu einer unternehmenseigenen Abteilung der Muttergesellschaft machen. 528 Dennoch wird grundsätzlich ein Vertrag mit der Muttergesellschaft in diesem Zusammenhang für möglich gehalten, was mit der Vertragsfreiheit der Parteien begründet wird. 529 Das Organmitglied der Tochtergesellschaft übt lediglich die Tätigkeit aus, für die sie von der Muttergesellschaft angestellt wurde. 530 Ob auch die Voraussetzungen des Arbeitsvertrags vorliegen, ist im Einzelnen zu klären. Ausgeschlossen ist ein Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft jedoch nicht. Entscheidend ist nur, dass das Organmitglied trotz des Arbeitsvertrags bei der Ausübung der aus der Organstellung resultierenden Aufgaben die Interessen der Gesellschaft wahrt. 531 3. Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses zur Muttergesellschaft Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Muttergesellschaft und Organmitglied der Tochtergesellschaft setzt voraus, dass der Arbeitnehmer in einem Unterordnungsverhältnis zur Muttergesellschaft steht. 532Dieses Unter524
Hierzu 1. Kapitel § 3 B.II.2., 3. Cass. soc. v. 20.3.1996, Nr. 95-41.463; Cass. soc. v. 21.2.2006, Nr. 04-40.646; Chagny, Dr. soc. 2009, 210 (212). 526 Cass. soc. v. 2.10.1991, RJS 11/91, Nr. 1252; de Sevin, RJS 1992, 391 (392); Cass. soc. v. 20.3.1996, Nr. 95-41.463; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 1496. 527 Vgl. Petit, Dr. soc. 1991, 463 (465); Didier, Rev. sociétés 1997, 557 (561). 528 Gatumel, JCP 1992, I, 3554, Nr. 1; Petit, Rev. sociétés 1994, 79 (82); Petit, Dr. soc. 1991, 463 (465). 529 Vgl. Petit, Rev. sociétés 1994, 79 (81). 530 Cass. soc. v. 2.10.1991, RJS 11/91, Nr. 1252; de Sevin, RJS 1992, 391 (392). 531 Vgl. Le Nabasque, RTD com. 52 (1999), 273 (285). 532 Cass. soc. v. 2.10.1991, RJS 11/91, Nr. 1252; CA Paris v. 2.5.1990, BJS 1990, 775 V cep; Cass. soc. v. 6.10.1993, Rev. sociétés 1994, 76; Cass. soc. v. 4.3.1997, BJS 1997, 525
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ordnungsverhältnis besteht etwa dann, wenn der Arbeitnehmer sich der Gefahr einer Entlassung durch die Organe der Muttergesellschaft ausgesetzt fühlt. 533 Es reicht für das Unterordnungsverhältnis aber auch aus, dass die Anweisungen der Muttergesellschaft nur im Rahmen der gesellschaftsrechtlich vorgesehenen Möglichkeiten als Mehrheitsaktionärin wahrgenommen werden, sich die Weisungsgebundenheit also nicht von derjenigen des normalen Organmitglieds unterscheidet. 534 Unabhängig von der Stellung als Gesellschafterin der Tochtergesellschaft kann ein Unterordnungsverhältnis des Organmitglieds der Tochtergesellschaft zur Muttergesellschaft bestehen, auch wenn die Muttergesellschaft nicht für die Bestellung und Abberufung zuständig ist oder Weisungen erteilen kann. 535 Ein Unterordnungsverhältnis ergibt sich dann aus dem schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Muttergesellschaft und Arbeitnehmer. 536 Selbst wenn die Muttergesellschaft nicht direkten Einfluss auf die tägliche Arbeit des Organmitglieds ausüben kann, kann sie es dazu anhalten, ihren Weisungen zu folgen, indem das Organmitglied bei Nichtbefolgen mit Sanktionen rechnen muss. 537 C. Zusammenfassung Ein Anstellungsvertrag i.S.d. deutschen und englischen Rechts ist in Frankreich nicht vorgesehen, da bereits über die rein gesellschaftsrechtliche Bestellung die Aufgaben der Geschäftsführung sowie das Gehalt geregelt werden. Insofern besteht auch keine Möglichkeit eines auf die Organstellung gerichteten Arbeitsvertrags. Auch würde eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder dem Grundsatz der freien Abberufbarkeit der Organmitglieder widersprechen. Rechnung getragen wird dem Schutzinteresse der Organmitglieder aber über die Konstruktion eines cumul, welcher zusätzlich zu der Organstellung den Abschluss eines Arbeitsvertrags unter gewissen Voraussetzungen gestattet. Inhalt dieses Arbeitsvertrags darf nicht die Geschäftsführung, sondern nur eine andere, zusätzliche Tätigkeit sein, die im Unterordnungsverhältnis ausgeübt werden muss. Eine arbeitsrechtliche Stellung in 662; Viandier/Caussain, JCP éd. E 1997, I, chron. 676 Nr. 11; Cass. soc. v. 11.3.2003, Bull. civ. V Nr. 88, S. 85; Miellet, JCP 1998 éd. E, 110 (111); Cass. soc. v. 21.2.2006, Nr. 04-40646; CA Paris v. 26.1.1994, BJS 1994, 517; CA Versailles v. 14.2.1997, RTD com. 51 (1998), 174, obs. Petit/Reinhard; Pélissier/Auzero/Dockès, Droit du travail, Rn. 698; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rn. 1496. 533 Cass. soc. v. 4.3.1997, JCP éd. E 1997, pan. 442. 534 Cass. soc. v. 6.10.1993, Rev. sociétés 1994, 76; Cass. soc. v. 4.3.1997, JCP éd. E 1997, pan. 442. 535 Anderer Ansicht: Petit, Rev. sociétés 1994, 79 (82); ders., Dr. soc. 1991, 463 (465). 536 Cass. soc. v. 19.3.1997, Nr. 1335 D; Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (14). 537 Collin, Dr. soc. 6/2005, 7 (14).
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Bezug auf die Organstellung kann sich jedoch dann ergeben, wenn mit der Muttergesellschaft ein Arbeitsverhältnis eingegangen wird. Bei der arbeitsrechtlichen Stellung des Organmitglieds ist jeweils das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zu beachten, welches Zulässigkeitsfragen eines Arbeitsverhältnisses aufwirft. Dieser gesellschaftsrechtlichen Stellung kommt ein so hoher Stellenwert zu, dass die Frage nach der Möglichkeit eines auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft, von der das Organmitglied bestellt wurde, in der französischen Rechtsprechung und Literatur gar nicht erst diskutiert wird. Die Unzulässigkeit eines solchen Vertrags lässt sich neben dem fehlenden Regelungsbedarf auch mit dem Prinzip der sofortigen Abberufbarkeit erklären: Wenn das Organmitglied ohne Gründe abberufen werden darf, soll die Wahrnehmung dieses Rechts nicht dadurch erschwert werden, dass die Gesellschaft trotz der Abberufung dem Organmitglied gegebenenfalls weiterhin eine Vergütung aus einem Anstellungsvertrag zahlen muss.
§ 4 Ergebnis A. Der Vorrang der gesellschaftsrechtlichen Stellung vor der arbeitsrechtlichen Stellung Mit der Bestellung zum Organmitglied entsteht ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis, welches die organschaftlichen Rechte und Pflichten regelt. 538 Ob daneben auch eine arbeitsrechtliche Stellung des Organmitglieds möglich ist, hängt von diesem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis ab. So sind etwa vom zwingenden Gesellschaftsrecht abweichende (anstellungs-)vertragliche Abreden in Deutschland sowie Frankreich teilweise unwirksam 539 bzw. führen in England zu einem breach of contract des Anstellungsvertrags aufgrund des Einflusses der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften 540. Dem Gesellschaftsrecht wird insoweit ein Vorrang vor dem Arbeitsrecht eingeräumt. Hintergrund ist die primär gesellschaftsrechtliche Funktion des Organmitglieds als notwendiger Teil der Gesellschaft. Zum Erhalt der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und der Vertretung ihrer Interessen sind die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften und Beschränkungen zu beachten. Diese sind für die arbeitsrechtliche Stellung einschneidender, wenn sich die fragliche Tätigkeit auf die Organstellung selbst bezieht, als wenn eine andere bei der Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit betroffen ist. Hier tritt der Konflikt zwischen org-
538
1. Kapitel § 1 A, § 2 A., § 3 A. 1. Kapitel § 1 B.I.1.b), § 3.B.I.1.b). 540 1. Kapitel § 2 B.I.1.b). 539
§ 4 Ergebnis
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anschaftlicher und arbeitsrechtlicher Stellung in nur sehr begrenztem Umfang zutage. 541 Für die Frage nach dem Bestehen einer arbeitsrechtlichen Stellung ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden: erstens, ob eine arbeitsrechtliche Stellung zulässig ist, zweitens ob die Anforderungen an ein Arbeitsverhältnis erfüllt sind. An beiden Punkten wird das Gesellschaftsrecht relevant. B. Die Relevanz des Gesellschaftsrechts für die Zulässigkeit einer arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder Durch gesellschaftsrechtliche Vorschriften und Prinzipien können Wirksamkeitsanforderungen an ein Arbeitsverhältnis gestellt werden. So ist im französischen Recht die freie Abberufbarkeit der Organmitglieder als gesellschaftsrechtliches Prinzip derart bedeutend, dass die auf die Organstellung gerichtete Rechtsbeziehung allein dem Gesellschaftsrecht unterworfen wird. 542 Eine arbeitsrechtliche Stellung besteht insofern nicht. Nur unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen kann eine von der Organstellung getrennte Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wahrgenommen werden. 543 Das englische Recht kennt hingegen kaum Beschränkungen für das Bestehen einer arbeitsrechtlichen Stellung. Nur bei einem Missbrauch der Gesellschaftsform, wenn beispielsweise die Gesellschaft nur zum Schein oder allein zur späteren Erlangung staatlicher Leistungen des Geschäftsführers wie des Insolvenz-geldes gegründet wurde, kommt eine Nichtigkeit des Arbeitsvertrags in Betracht. 544 Auch im deutschen Recht werden keine konkreten Wirksamkeitsanforderungen an ein Anstellungsverhältnis gestellt. Zumindest im Grundsatz ist die arbeitsrechtliche Stellung mit der Organmitgliedschaft vereinbar. 545 Das Problem liegt vielmehr in der Subsumtion unter die Kriterien des Arbeitsvertrags. Übereinstimmung herrscht hingegen in Bezug auf die generelle Zulässigkeit eines Arbeitsverhältnisses, welches die Tätigkeit als Organmitglied in einer Tochtergesellschaft der vertragsschließenden Gesellschaft zum Gegenstand hat. 546
541
1. Kapitel § 1 B.II.2.b)bb), § 3 B.II.1.b). 1. Kapitel § 3 B.I.2, 4. 543 1. Kapitel § 3 B.II. 544 1. Kapitel § 2 B.I.4. 545 1. Kapitel § 1 B.I.2. 546 1. Kapitel § 1 B.III.1, § 2 B.III.2.a), § 3 B.III.2. 542
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
C. Der Einfluss des Gesellschaftsrechts auf die arbeitsrechtliche Einordnung von Rechtsverhältnissen der Organmitglieder Der Vorrang des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Arbeitsrecht wirkt sich nicht nur auf die Zulässigkeit einer arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder aus, sondern betrifft auch die Subsumtion des Anstellungsverhältnisses unter die Kriterien des Arbeitsvertrags- bzw. Arbeitnehmerbegriffs. Das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses, welches insbesondere in Deutschland und Frankreich für die Arbeitnehmereigenschaft entscheidend ist, 547 wird durch das gesellschaftsrechtliche Verhältnis beeinflusst, indem eine Weisungsfreiheit bzw. Weisungsgebundenheit der Organmitglieder vorgegeben wird oder die Hierarchie in der Gesellschaft ein Unterordnungsverhältnis zu einer anderen Person nicht zulässt. Dies gilt in erster Linie für Anstellungsverhältnisse gegenüber der Gesellschaft, zu deren Organmitglied die betreffende Person bestellt wurde. So ist aufgrund der von § 76 Abs. 1 AktG zwingend vorgesehenen Weisungsfreiheit der Vorstandsmitglieder ein Unterordnungsverhältnis ausgeschlossen, 548 während § 37 GmbHG einer arbeitsrechtlich relevanten Weisungsgebundenheit der GmbH-Geschäftsführer nicht entgegensteht, diese allerdings auch nicht automatisch auslöst. Hierfür sind anstellungsvertragliche Regelungen notwendig. 549 Keine höhere Relevanz hat das Gesellschaftsrecht in Deutschland in Bezug auf ein Arbeitsverhältnis, das auf eine nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeit der Organmitglieder gerichtet ist, 550 wohingegen in Frankreich für ein solches Arbeitsverhältnis klar definierte Regeln durch das Gesellschaftsrecht vorgegeben werden. 551 Bei einem Anstellungsverhältnis mit einer Gesellschaft über die Organtätigkeit in einer Tochtergesellschaft ist die gesellschaftsrechtliche Stellung in beiden Rechtsordnungen bedeutsam, da insoweit in Frage steht, wie eine gegebenenfalls weisungsfreie Wahrnehmung der gesellschaftsrechtlichen Pflichten in der Tochtergesellschaft mit einem Arbeitsverhältnis zu der Muttergesellschaft zu vereinbaren ist. 552 Im Gegensatz zu dem maßgeblich durch die Weisungsverhältnisse beeinflussten Unterordnungsverhältnis in Deutschland und Frankreich legt das englische Recht bei der Beurteilung der Organmitglieder einen Schwerpunkt auf die eigene Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft, mit der Folge, dass die Organmitglieder dort grundsätzlich über eine arbeitsrechtliche Stellung verfügen; dies gilt selbst dann, wenn sie gleichzeitig Mehrheits- oder sogar Al547
1. Kapitel § 1 B.I.3.a), § 3 B.II.2.d). Zum englischen Recht, siehe 1. Kapitel § 2 B.I.3.b).aa). 548 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)cc)(2). 549 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)cc)(1). 550 1. Kapitel § 1 B.II.2. 551 1. Kapitel § 3 B.II.2. 552 1. Kapitel § 1 B.III.2, § 3 B.III.2.
§ 4 Ergebnis
97
leingesellschafter der Gesellschaft sind. 553 Zusätzlich sind im englischen Recht zwar auch weitere Kriterien für die Arbeitnehmereigenschaft relevant, das gesellschaftsrechtliche Prinzip der Trennung von Organmitglied, Gesellschaftern und Gesellschaft stellt jedoch eine Vermutung für die Arbeitnehmereigenschaft auf, 554 mit der Folge, dass die Anforderungen an das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses für Organmitglieder geringer als in Deutschland und Frankreich sind. D. Rechtliche Gemeinsamkeiten und funktionale Vergleichbarkeit der untersuchten Rechtsordnungen bei der Frage nach der arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder Trotz der geschilderten Unterschiede bestehen grundlegende Gemeinsamkeiten der untersuchten Rechtsordnungen bei der Behandlung der arbeitsrechtlichen Stellung von Organmitgliedern. Mögen die Resultate auch variieren, so ist die Herangehensweise doch ähnlich. Ausgehend vom Gesellschaftsrecht wird die Frage erörtert, ob neben der gesellschaftsrechtlichen Stellung noch Raum für ein Arbeitsverhältnis ist. In allen untersuchten Rechtsordnungen werden hierzu gesellschaftsrechtliche Prinzipien herangezogen, wie die sofortige Abberufbarkeit der Organmitglieder 555, die eigenständige Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft 556 oder die Weisungsfreiheit bestimmter Organmitglieder 557. Den Rechtsordnungen ist gemein, dass ein Arbeitsverhältnis nicht in der Bestellung allein liegen kann, sondern hierfür ein Anstellungsvertrag – sofern zulässig – getrennt hiervon bestehen müsste. Ob auch tatsächlich ein Arbeitsverhältnis oder ein Dienstverhältnis vorliegt, richtet sich nach bestimmten Anforderungen, die zumindest im Kern gleich sind: Erforderlich ist das Erbringen einer Tätigkeit in einem Unterordnungsverhältnis gegen ein Entgelt. Entscheidendes Kriterium ist in der Regel das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses, in dessen Zusammenhang in den Rechtsordnungen auch der Konflikt zwischen der Stellung als oberster Leiter der Gesellschaft und der gleichzeitigen Eigenschaft als weisungsunterworfener Arbeitnehmer problematisiert wird. Bezogen auf die Organstellung selbst bestehen durchaus Unterschiede: Eine arbeitsrechtliche Stellung existiert in Deutschland für den Geschäftsführer im Ausnahmefall, für das Vorstandsmitglied nie, 558 in England sind die Organmitglieder mit wenigen Ausnahmen stets Arbeitnehmer, 559 während in 553
1. Kapitel § 2 B.I.4. 1. Kapitel § 2 B.I.3.b)ff). 555 Siehe etwa 1. Kapitel § 3 B.I.3. 556 Siehe etwa 1. Kapitel § 2 B.I.2.a). 557 Siehe etwa 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)cc)(2). 558 1. Kapitel § 1 B.I.4. 559 1. Kapitel § 2 B.I.4. 554
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1. Kapitel: Die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder im Sachrecht
Frankreich die Organmitglieder insofern in keinem Fall über eine arbeitsrechtliche Stellung verfügen 560. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen die Rechtsordnungen nur bei dem nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnis und bei dem mit der Muttergesellschaft über die Tätigkeit als Organmitglied in der Tochtergesellschaft abgeschlossenen Arbeitsverhältnis: In diesen beiden Fällen wird ein Arbeitsverhältnis – trotz einiger Gegenansichten in der Literatur zu den Konzernfällen – für grundsätzlich möglich erachtet. 561 In tatsächlicher Hinsicht ist aber eine Marginalisierung der Unterschiede zu entdecken. Zum einen finden auch ohne die Existenz eines Arbeitsverhältnisses teilweise für Arbeitnehmer geltende Schutzvorschriften (analoge) Anwendung, wie in Deutschland §§ 622, 630 BGB, 850 ff. ZPO 562 oder in Frankreich sozialversicherungsrechtliche Vorschriften nach Art. L 311-13 Code de la sécurité sociale 563. Zum anderen gelten für viele Organmitglieder aufgrund der recht weiten Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs im Unionsrecht 564 auch dessen Arbeitnehmerschutzvorschriften. Darüber hinaus bewirkt die in Frankreich im Vergleich zu Deutschland und England ausführlicher diskutierte und wohl auch praktisch häufiger auftretende Rechtsfigur des cumul, dass ein nicht die Organtätigkeit betreffendes zusätzliches Arbeitsverhältnis eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder auslöst. 565 Dies hat zwar zur Folge, dass Organmitgliedern nach französischem Recht teilweise eine arbeitsrechtliche Stellung zukommt. Angesichts der strengen Anforderungen an einen solchen cumul, insbesondere der Wahrnehmung einer zusätzlichen technischen Arbeitnehmertätigkeit, lässt sich die Situation funktional aber nur sehr eingeschränkt mit den Direktoren in England und den Geschäftsführern in Deutschland vergleichen, welche über einen auf die Organstellung gerichteten arbeitsrechtlichen Anstellungsvertrag verfügen. 566
560
1. Kapitel § 3 B.I.4. 1. Kapitel § 1 B.II.4, III.3, § 2 B.II.3, III.2., § 3 B.II.4., III.3. 562 1. Kapitel § 1 B.I.3.c). 563 1. Kapitel § 3 B.I.3. 564 2. Kapitel § 2 C.I.2.b)bb)(2). 565 1. Kapitel § 3 B.II.3. 566 Hierzu 1. Kapitel § 3 B.II.2.b). 561
Kapitel 2
Bestimmung des anzuwendenden Rechts § 1 Fortgang der Untersuchung Gegenstand des zweiten Kapitels ist die Bestimmung des anzuwendenden Rechts auf die im ersten Kapitel untersuchten, eine arbeitsrechtliche Stellung aufweisenden Rechtsverhältnisse der Organmitglieder. Hierzu werden zunächst in einem ersten Schritt (§ 2) die kollisionsrechtlichen Grundlagen erarbeitet, welche allen eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aufweisenden Sachverhalten gemein ist. Dies betrifft zum einen die aus dem ersten Kapitel bekannte Frage nach dem Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht. Es gilt dabei festzustellen, ob und inwiefern eine eigenständige arbeitsrechtliche Anknüpfung der Organmitglieder nach der Rom IVO stattfinden kann bzw. inwiefern diese notwendig ist. Zum anderen kommen grundsätzliche Fragen der Auslegung und der Qualifikation eines Rechtsverhältnisses von Organmitgliedern als Individualarbeitsvertrag, der Bestimmung des nach Art. 8 Rom I-VO hierauf anzuwendenden Rechts sowie der sich bei einer vom Gesellschaftsstatut getrennten arbeitsrechtlichen Anknüpfung ergebenden Probleme zum Tragen. In letzterem Fall wird unter Heranziehung der Ausführungen zum ersten Kapitel erläutert, ob bei einem Auseinanderfallen der auf die Gesellschaft und auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechte Konflikte auftreten können. Dies wirft wiederum grundsätzliche Fragen nach der Reichweite der jeweiligen kollisionsrechtlichen Verweisung auf. In einem zweiten Schritt (§ 3) werden diese abstrakten kollisionsrechtlichen Grundlagen für Organmitglieder konkret auf die einzelnen sich aus dem ersten Kapitel ergebenden Sachverhalte angewendet. Diese Sachverhalte sind in drei Gruppen gegliedert: das auf die Organstellung gerichtete Rechtsverhältnis, das nicht auf die Organstellung gerichtete Rechtsverhältnis und das auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Rechtsverhältnis mit der Muttergesellschaft. Insbesondere die erste Konstellation wird in den Sachrechten äußerst unterschiedlich beurteilt, wenn in England und teilweise in Deutschland das vom Gesellschaftsrecht getrennte Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis betrachtet wird, während Frankreich dieses Rechtsver-
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
hältnis als rein gesellschaftsrechtlich ansieht. 1 Hier stellt sich auch die Frage, ob und wie bei Nichtanwendbarkeit der Rom I-VO und stattdessen rein gesellschaftsrechtlicher Anknüpfung dennoch arbeitsrechtliche Vorschriften des Gesellschaftsstatuts Anwendung finden können.
§ 2 Kollisionsrechtliche Grundlagen aller Sachverhalte, die eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aufweisen A. Einleitung Unabhängig davon, worauf sich die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder bezieht oder mit welcher Gesellschaft ein Arbeitsverhältnis der Organmitglieder besteht, existieren in allen im ersten Kapitel dargestellten Sachverhalten gewisse Gemeinsamkeiten. Wie sich aus der Untersuchung der Sachrechte ergibt, entsteht zwischen einer Gesellschaft und ihrem Organmitglied stets eine gesellschaftsrechtliche Beziehung und nur gegebenenfalls – im durch die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zulässigen Rahmen – auch eine arbeitsrechtliche Stellung des Organmitglieds. Einer solchen Verknüpfung der arbeitsrechtlichen mit der gesellschaftsrechtlichen Stellung ist auch im Rahmen der Bestimmung des auf die arbeitsrechtliche Stellung anzuwendenden Rechts Rechnung zu tragen. Dies betrifft bereits die Auswahl der Kollisionsnorm. Für Individualarbeitsverträge bestimmt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) 2 Art. 8 Rom I-VO das anzuwendende Recht. Die Rom I-VO ist jedoch nach ihrem Art. 1 Abs. 2 lit. f) lediglich auf solche vertraglichen Schuldverhältnisse anwendbar, welche keine Fragen des Gesellschaftsrechts betreffen. Für das Rechtsverhältnis der Organmitglieder bestehen im Kollisionsrecht somit drei Möglichkeiten der Anknüpfung: eine rein gesellschaftsrechtliche, eine rein arbeitsrechtliche sowie eine getrennte, sowohl gesellschafts- als auch arbeitsrechtliche Anknüpfung. Ausgehend von dem bislang kodifizierten Recht ist im Rahmen der Anwendbarkeit der Rom I-VO zu untersuchen, ob das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied im Kollisionsrecht gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist. Hierdurch würde eine einheitlich rein arbeitsrechtliche Qualifikation des Rechtsverhältnisses scheitern. Im Falle einer zumindest teilweisen gesellschaftsrechtlichen Qualifikation stellt sich die Frage, inwiefern auch die ge1
Siehe zum Ganzen nur Ergebnis 1. Kapitel § 4. Erwägungsgrund Nr. 46 der Rom I-VO i.V.m. Art. 1, Art. 2 des Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl. 2010 Nr. C 83/201 (299). 2
§ 2 Kollisionsrechtliche Grundlagen
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samten Beziehungen gesellschaftsrechtlich qualifiziert werden oder ob unter Umständen auf kollisionsrechtlicher Ebene – vergleichbar zu den untersuchten Sachrechten 3 – Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht zu trennen sind und eine eigenständige, vom Gesellschaftsrecht unabhängige Anknüpfung des Arbeitsverhältnisses nach der Rom I-VO erfolgt. Die Beziehung zwischen Organmitglied und Gesellschaft stellt sich objektiv betrachtet als ein Lebenssachverhalt dar. Wird dieser Lebenssachverhalt aber nach der „analytischen Methode“ Goldschmidts 4 unter sachlichen Gesichtspunkten „zerlegt“, kann sich daraus eine getrennte Anknüpfung von Bestellung und Anstellung ergeben. Ist die Rom I-VO hiernach auf das Anstellungsverhältnis anwendbar, folgt die Frage der Qualifikation des Anstellungsverhältnisses eines Organmitglieds als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Rom I-VO. Neben der Ermittlung der Konturen eines kollisionsrechtlichen Individualarbeitsvertragsbegriffs wird die generelle Anwendung der ermittelten Arbeitsvertragskriterien auf Organmitglieder unter Berücksichtigung derer gesellschaftsrechtlicher Stellung relevant. Im Rahmen der darauf folgenden Anknüpfung nach Art. 8 Rom I-VO ist zu untersuchen, inwiefern bei fehlender Rechtswahl auch eine engere Verbindung des Arbeitsvertrags zu dem Staat bestehen kann, dessen Recht auf die Gesellschaft Anwendung findet. Existiert eine engere Verbindung, führt dies zu einem Gleichlauf des anwendbaren Rechts, welches der im ersten Kapitel geschilderten Verknüpfung von Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht entspräche. Soweit keine engere Verbindung besteht und sich das auf die Gesellschaft und den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht unterscheidet, stellt sich die Frage, welche Folgen sich aus diesem Auseinanderfallen von Gesellschaftsund Arbeitsvertragsstatut ergeben können. Durch die Zerlegung eines Sachverhalts nach der „analytischen Methode“ können teilweise Normwidersprüche auftreten, welche durch eine Synthese bzw. Anpassung zu lösen sind. 5 Bei Organmitgliedern besteht – auch durch den eingeräumten Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Arbeitsrecht – ein so enges Verhältnis von Bestellung und Anstellung, dass bei Anwendbarkeit unterschiedlicher Rechtsordnungen Widersprüche insbesondere dadurch zu befürchten sind, dass auf 3 Siehe 1. Kapitel § 1 B.I.1., B.II.2., B.III.2.b), § 2 B.I.1, B.II.2., B.III.1., § 3 B.II.2., B.III.2. 4 Goldschmidt, in: FS Wolff, S. 203 (208–211). Siehe hierzu auch Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung, S. 265 f.; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 34; MünchKomm-GmbHG/Weller, Einl. Rn. 392, 428, § 15 Rn. 133. 5 Goldschmidt, in: FS Wolff, S. 203 (212); Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung, S. 265 f.; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationa-len Privatrechts, S. 355; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 6 Rn. 34; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 34 II 1.
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
das Anstellungsverhältnis nicht passende gesellschaftsrechtliche Normen Anwendung finden können. Solche gesellschaftsrechtliche Normen können solche des Arbeitsvertragsstatuts und/oder des auf die Gesellschaft anzuwendenden Rechts (Gesellschaftsstatut) sein. Zur Ermittlung möglicher Normwidersprüche in Bezug auf das Anstellungsverhältnis ist zunächst zu klären, welche gesellschaftsrechtlichen Normen tatsächlich durch die Rom I-VO zur Anwendung berufen werden. Eine der Rechtssicherheit weniger dienliche Anpassung kann bereits durch die richtige Auswahl der berufenen Sachnormen vermieden werden. Im Anschluss ist zu untersuchen, ob verbleibende Unstimmigkeiten durch die sachrechtliche Berücksichtigung des Auslandsbezugs, also auch des Gesellschaftsstatuts im Rahmen der sog. „Adaption des Sachrechts an die Internationalität des Sachverhalts“ 6 korrigiert werden können. Diese soeben angesprochenen Fragen gelten für die im ersten Kapitel untersuchten Arbeitsverhältnisse in gleichem Maße und sind daher vorab für alle Sachverhalte mit einer arbeitsrechtlichen Stellung der Organmitglieder zu untersuchen, bevor das auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse anzuwendende Recht bestimmt werden kann. B. Die Anwendbarkeit der Rom I-VO und die Organstellung I. Nichtanwendbarkeit der Rom I-VO auf gesellschaftsrechtliche Fragen betreffende Schuldverhältnisse 1. Die Auslegung des Anwendungsbereichs der Rom I-VO Nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO sind vertragliche Schuldverhältnisse von der Anwendbarkeit der Rom I-VO ausgeschlossen, wenn sie Fragen des Gesellschaftsrechts betreffen. Zu diesem Ausschluss zählen nach dem Wortlaut unter anderem Fragen der inneren Verfassung der Gesellschaft. Dies könnte das Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitglied betreffen, da ein Organ Teil der Gesellschaft ist. Wie weit allerdings der Begriff „innere Verfassung“ reicht, was also vom Gesellschaftsrecht erfasst ist, wird – wie im ersten Kapitel am Beispiel Frankreichs gegenüber Deutschland und England deutlich wurde – in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen unterschiedlich beurteilt. Was unter dem Systembegriff „innere Verfassung“ i.S.v. Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO genau zu verstehen ist, ist daher durch Auslegung zu ermitteln. Die im Internationalen Privatrecht verwendeten Auslegungsmethoden sind die autonome Auslegung, die Auslegung lege causae und die Auslegung lege
6
v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 17.
§ 2 Kollisionsrechtliche Grundlagen
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fori. 7 Vorgaben für die Auslegung folgen zwar nicht aus einem bestimmten Artikel der Rom I-VO, da eine Vorschrift wie bislang Art. 18 EVÜ fehlt. Jedoch bedingt bereits der unionsrechtliche Charakter der Rom I-VO eine einheitliche Auslegung der Begriffe, für die der EuGH gemäß Art. 267 AEUV letztverbindlich zuständig ist. 8 Dass dabei eine Auslegung lege fori nicht den Anforderungen an die einheitliche Auslegung entspricht, ergibt sich daraus, dass jedes Gericht seine eigene und damit potentiell andere Auslegung eines Begriffs zugrunde legen würde. Die Verordnung würde daher je nach Gerichtsstand unterschiedlich ausgelegt werden. Für die Kollisionsnormen ergibt sich dies auch aus Erwägungsgrund Nr. 6, wonach zur Vorhersehbarkeit des Ausgangs von Rechtsstreitigkeiten und zur Förderung der Sicherheit in Bezug auf das anzuwendende Recht die Kollisionsnormen unabhängig von dem Gerichtsstaat dasselbe Recht bestimmen müssen. 9 Um die Einheitlichkeit der Auslegung zu gewährleisten, liegt es dagegen nahe, eine autonome Auslegung zu wählen, wie dies in der deutschen Literatur fast einhellig befürwortet wird. 10 Durch die Verwendung einer einzigen Definition kann in der kollisionsrechtlichen Prüfung ohne weiteren Aufwand ein Rechtsverhältnis qualifiziert werden. Vereinzelt wird aber auch eine Auslegung lege causae 11 bevorzugt. Ob eine Auslegung nach der lex causae aber die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung wahren kann, ist zweifelhaft. So würde etwa hier der Begriff „innere Verfassung“ nach dem Sachrecht bestimmt werden, welches anzuwenden wäre, wenn tatsächlich eine gesellschaftsrechtliche Frage vorläge. Dies wäre das Gesellschaftsstatut. 12 Die Auslegung der Rechtsbegriffe richtet sich also nach der im jeweiligen Fall geltenden lex causae. Dies ist aber nicht von Vornherein mit einer uneinheitlichen Rechtsauslegung gleichzusetzen. Denn die lex causae, also hier das Gesellschaftsstatut, ist für den jeweiligen Einzelfall im Vorhinein bestimmbar. Die Frage ist daher, ob die Einheitlichkeit sich 7
Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 7 III, IV; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 7 Rn. 599 ff. 8 Vgl. EuGH v. 6.12.2005, Rs. C-461/03, Slg. 2005, I-513, Rn. 21 (Gaston Schul); EuGH v. 16.1.1974, Rs. 166/73, Slg. 1974, 33, Rn. 2 (Rheinmühlen-Düsseldorf). 9 Vgl. Kenfack, Clunet 136 (2009), 3 (7). 10 Vgl. zum Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Fragen: Lehmann, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 32 f.; MünchKomm-BGB/ Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 59; Staudinger/Magnus, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 9; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 37 EGBGB Rn. 41; Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 5-042. 11 Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 252. 12 Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 252. Wohl auch Kneip, Geschäftsführungsverträge im Internationalen Privatrecht, S. 43.
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
nur auf die Auslegung im Einzelfall (Ausschluss der Willkür) oder auch auf die generell einheitliche Auslegung eines Begriffs für alle Fälle zu beziehen hat. Für Ersteres spricht Erwägungsgrund Nr. 16, der lediglich ein hohes Maß an Berechenbarkeit fordert, um Rechtssicherheit im europäischen Rechtsraum zu schaffen. Allerdings ist es der Rechtssicherheit auch dienlich, wenn nicht erst ein anderes anwendbares Recht, hier das Gesellschaftsstatut, bestimmt werden muss, bevor mit der eigentlichen Auslegung begonnen werden kann, sondern feststehende Parameter benutzt werden können. Dies kann aber nur durch eine autonome Auslegung erreicht werden. Die autonome Auslegung ist daher grundsätzlich vorzugswürdig. Zwingend vorgegeben ist von der Rom I-VO jedoch keine der beiden Auslegungsmethoden. Gegebenenfalls kann sich aus dem Sinn und Zweck der Verwendung eines Rechtsbegriffs auch eine Auslegung lege causae anbieten. 2. Einfluss des Gesellschaftsstatuts auf die Frage nach dem Bestehen einer gesellschaftsrechtlichen Frage Speziell für den Ausschluss des Gesellschaftsrechts wird gegen eine autonome Auslegung eingewandt, den Mitgliedstaaten stehe das Recht zu, ihre Gesellschaftsrechtsordnungen frei ausgestalten zu können. 13 Daher müsse auch die jeweilige Gesellschaftsrechtsordnung festlegen dürfen, welche Fragen ihr Gesellschaftsrecht betreffen und inwieweit noch eine Autonomie der Parteien besteht, Verträge abzuschließen, die unter Umständen einem anderen Recht unterworfen sein können. 14 Ob also auf das Rechtsverhältnis eines Organmitglieds die Rom I-VO anwendbar ist oder nicht, wäre allein unter Heranziehung des jeweiligen Gesellschaftsstatuts zu klären. 15 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der Ausschluss des Gesellschaftsrechts aus der Rom I-VO (sowie aus der Rom II-VO 16) nicht dazu dient, es den Mitgliedstaaten zu überlassen, ob der Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet ist oder ob eine Frage gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist. Der Zweck des Ausschlusses liegt vielmehr darin, dass für das Gesellschaftsrecht nicht die Kollisionsnormen für Verträge, sondern eigene Anknüpfungsregeln gelten sollen, 17 die alle eng mit dem Gesellschaftsstatut zusammenhängenden Fragen 13 Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 252. 14 Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 252. Wohl auch Kneip, Geschäftsführungsverträge im Internationalen Privatrecht, S. 43. 15 So Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 252; Kneip, Geschäftsführungsverträge im Internatio-nalen Privatrecht, S. 43. 16 Art. 1 Abs. 2 lit. d) Rom II-VO. 17 Staudinger/Magnus, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 79.
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erfassen und in der Regel einem Statut unterstellen. 18 Hierdurch wird eine Zersplitterung in einzelne Vertragsstatute vermieden. Darüber hinaus ist auch die speziell für die Organmitglieder vorgeschlagene Lösung, die Entscheidung des Gesellschaftsstatuts, ob und inwieweit Organmitglieder ein Arbeitsverhältnis abschließen können, zu respektieren, 19 nicht mit der Rom I-VO zu vereinbaren. Dürfte das Gesellschaftsstatut über die Frage entscheiden, wann ein vertragliches Schuldverhältnis wirksam ist, würde die Vorschrift des Art. 10 Rom I-VO, wonach allein das Vertragsstatut – sowie gegebenenfalls gemäß Art. 9 Rom I-VO die Eingriffsnormen – für die Wirksamkeit eines Vertrags maßgeblich ist, umgangen. Auch der Schutz des Schwächeren 20 in der Rom I-VO spricht dagegen, die Anknüpfung eines Arbeitsverhältnisses allein von dem Gesellschaftsstatut abhängig zu machen, wenn das Anstellungsverhältnis des Organmitglieds als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Ein nationales Recht hätte es ansonsten in der Hand, Vorgaben im nationalen Recht für die Nichtanwendbarkeit der Schutzvorschrift des Art. 8 Rom I-VO zu treffen. Die Rom I-VO soll jedoch in Verbindung mit weiteren internationalprivatrechtlichen Rechtsakten zu einer Vereinheitlichung des europäischen Kollisionsrechts führen. 21 Dem widerspräche es, wenn über die Anwendbarkeit der dort verankerten Schutznormen die einzelnen Mitgliedstaaten selbst entscheiden könnten. Somit ist autonom zu bestimmen, welche vertraglichen Schuldverhältnisse als gesellschaftsrechtliche Fragen aus dem Anwendungsbereich der Rom IVO ausgenommen sind. Das Gesellschaftsstatut hat hierauf keinen Einfluss.
18
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, KOM (2005) 650 endg., ABl. 2006 Nr. C 318/56 (58). 19 Kneip, Geschäftsführungsverträge im Internationalen Privatrecht, S. 43. 20 EuGH v. 15.3.2011, Rs. C- 29/10, Slg. 2011, I-1595, Rn. 41 f. (Koelzsch); v. Hoffmann, RabelsZ 38 (1974), 396 ff. So auch zum Internationalen Verfahrensrecht: EuGH v. 10.4.2003, Rs. C-437/00, Slg. 2003, I-3573, Rn. 18, 22 (Pugliese); EuGH v. 13.7.1993, Rs. C-125/92, Slg. 1993, I-4075, Rn. 18 f. (Mulox IBC); EuGH v. 9.1.1997, Rs. C-383/95, Slg. 1997, I-57, Rn. 17 (Rutten); EuGH v. 27.2.2002, Rs. C-37/00, Slg. 2002, I-2013, Rn. 40 (Weber); Boskovic, Rec. Dalloz 2008, 2175 ff.; Mélin, Droit international privé, S. 197; Morris/McClean/Beevers, The Conflict of Laws, Rn. 13-035. Näher hierzu 2. Kapitel § 2 C.I.1.b). 21 MünchKomm-BGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 12.
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
II. Trennung von Arbeitsverhältnis und gesellschaftsrechtlichem Bestellungsverhältnis der Organmitglieder für die Anwendbarkeit der Rom I-VO 1. Das Bestellungsverhältnis als ein gesellschaftsrechtliche Fragen betreffendes Schuldverhältnis Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Organmitglieds im Sachrecht stellt sich die Frage, ob und inwieweit dessen Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft dem Ausschluss des Gesellschaftsrechts unterliegen. Unter der in Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO aufgezählten inneren Verfassung einer Gesellschaft ist nach dem Giuliano/Lagarde-Bericht zu dem wortgleichen Art. 1 Abs. 2 lit. e) EVÜ 22 unter anderem „das Stimmrecht, die Beschlußfähigkeit, die Bestellung der Gesellschaftsorgane“ 23 zu verstehen. Ebenfalls wird die Abberufung der Organmitglieder als actus contrarius zur Bestellung unter den Begriff der inneren Verfassung gefasst. 24 Da die Gesellschaft auf ihre Organe bzw. Organmitglieder zur Führung ihrer Geschäfte angewiesen ist, sind die Organmitglieder Bestandteil der Gesellschaft. Fragen bezüglich ihrer Bestellung oder Abberufung sowie deren organschaftliche Befugnisse erfassen daher notwendigerweise die innere Verfassung und damit das Gesellschaftsrecht. Dies entspricht auch den Wertungen im nationalen Recht. 25 Der Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Fragen nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO betrifft vertragliche Schuldverhältnisse als Ganze. Dies bedeutet, dass jedenfalls dasjenige Schuldverhältnis, welches die Bestellung und Abberufung beinhaltet, nicht in den Anwendungsbereich der Rom I-VO fällt. Voraussetzung für ein vertragliches Schuldverhältnis ist nach der Rechtsprechung des EuGH, welche zur Brüssel I-VO entwickelt wurde und wegen des Erwägungsgrundes Nr. 7 der Rom I-VO auch für die Rom I-VO herangezogen wird, 26 eine freiwillig eingegangene Verpflichtung einer Partei gegenüber einer anderen, welche zu einer Sonderverbindung dieser Parteien führt. 27 22
In Deutschland als Art. 37 Nr. 2 EGBGB a.F. umgesetzt. Giuliano/Lagarde-Bericht, ABl. 1980 Nr. C 282/1 (12). 24 Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 774; Kronke/Mazza, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, S. 1167. I.E. MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 63; Staudinger/Großfeld, BGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 335; Czernich/Heiss/Nemeth, Europäisches Schuldvertragsübereinkommen, Art. 1 EVÜ Rn. 46. 25 Hierzu 1. Kapitel § 1 A., § 2 A., § 3 A. 26 Bitter, IPRax 2008, 96 (98 f.); Dutta, IPRax 2009, 293 (295); Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. dr. int. pr. 97 (2008), 727 (733); Pertegás, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 175. 27 EuGH v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967, Rn. 15 (Handte); EuGH v. 27.10.1998, Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511, Rn. 17 (Réunion européenne/Spliethoff’s Bevrachtingskantoor); EuGH v. 17.9.2002, Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357, Rn. 23 (Tac23
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Durch die Bestellung und deren Annahme liegt ein solches vertragliches Schuldverhältnis vor, 28 ohne dass zusätzlich ein Anstellungsvertrag geschlossen wird. Alle Pflichten, welche aus diesem Vertragsverhältnis resultieren, sind ebenso als vertraglich einzuordnen. 29 Dass das nationale Recht dies unter Umständen anders sieht, ist ohne Bedeutung, um eine einheitliche Auslegung der Bestimmungen der Verordnung gewährleisten zu können. 30 Dieses durch die Bestellung entstehende Schuldverhältnis soll in Anlehnung an die deutsche und österreichische Bezeichnung 31 im Folgenden auch im Internationalen Privatrecht als Bestellungsverhältnis bezeichnet werden. Damit ist aber noch keine Aussage über eine tatsächliche Trennung zwischen Anstellung und Bestellung getroffen. Festzuhalten ist lediglich, dass das allein durch die Bestellung und deren Annahme entstehende Rechtsverhältnis inklusive aller sich aus Gesetz und Satzung ergebenden gesellschaftsrechtlichen Fragen dem Gesellschaftsrecht unterfällt. 32 Ob ein Organmitglied auch von dem Bestellungsverhältnis getrennt zu qualifizierende vertragliche coni); EuGH v. 5.2.2004, Rs. C-265/02, Slg. 2004, I-1543, Rn. 24 (Frahuil/Assitalia); aus der Literatur zum autonomen Vertragsbegriff: Briggs, The Conflict of Laws, S. 158; Kegel, GS Lüderitz, S. 347 ff.; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (644 ff.); MünchKommBGB/ders., Art. 1 Rom I-VO Rn. 7; Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 1-097, 2-001 ff. 28 OLG München v. 25.6.1999, IPRax 2000, 416; Haubold, IPRax 2000, 375 (377); Hallweger, NZG 1999, 1172; Mankowski, EWiR 1999, 949 (950); Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 2-038; Yeo, L.M.C.L.Q. 2005, 144 (150); ders., Choice of Law for Equitable Doctrines, § 7. 12. 29 Base Metal Trading Ltd v. Shamurin [2004] EWCA Civ. 1316, CA; kritisch zu dieser Entscheidung Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 2-038 und Yeo, L.M.C.L.Q. 2005, 144 (149 f.). Vgl. zum Art. 5 Nr. 1 EuGVO: EuGH v. 20.1.2005, Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481, Rn. 48 ff. (Janus Versand). 30 Allgemein: EuGH v. 21.6.1978, Rs. 150/77, Slg. 1978, 1431, Rn. 14 (Bertrand); EuGH v. 19.1.1993, Rs. C-89/91, Slg. 1993, I-139, Rn. 13 (Shearson Lehman Hutton); EuGH v. 3.7.1999, Rs. C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Rn. 12 (Benincasa); EuGH v. 27.4.1999, Rs. C-99/96, Slg. 1999, I-2277, Rn. 26 (Mietz); EuGH v. 20.1.2005, Rs. C27/02, Slg. 2005, I-481, Rn. 33 (Janus Versand); Schlussanträge des GA Tesauro v. 20.11.1991, Rs. C-214/89, Slg. 1992, I-1756, Rn. 4 (Powell Duffry). 31 Für das Kollisionsrecht: Czernich/Heiss/Nemeth, Europäisches Schuldvertragsübereinkommen, Art. 1 EVÜ Rn. 46; Kronke/Mazza, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, S. 1167; MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 63; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 37 EGBGB Rn. 45; Vischer/Huber/ Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 774. 32 I.E.: CA Paris v. 26.3.1966, Clunet 93 (1966), 841 (844) mit Anm. Goldman; Czernich/Heiss/Nemeth, Europäisches Schuldvertragsübereinkommen, Art. 1 EVÜ Rn. 46; implizit Jayme, IPRax 1983, 244; Kronke/Mazza, in: Kronke/Melis/Schnyder (Hrsg.), Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, S. 1167; MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 63; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 37 EGBGB Rn. 45; Vischer/Huber/ Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 774.
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
Schuldverhältnisse zur Gesellschaft haben kann, auf welche die Rom I-VO anwendbar ist, ist sogleich zu klären. 2. Das vom Bestellungsverhältnis getrennt zu qualifizierende Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds a) Die Zulässigkeit einer eigenständigen vertraglichen Qualifikation Dass das Bestellungsverhältnis nicht von dem Anwendungsbereich der Rom I-VO erfasst ist, bedeutet nicht, dass automatisch alle Rechtsbeziehungen des Organmitglieds zur Gesellschaft nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen sind. Auch der Umstand, dass im Sachrecht punktuell arbeitsrechtliche Vorschriften auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis – wie in der Rechtssache Danosa 33 – angewendet werden, schließt nicht von vornherein eine eigenständige arbeitsrechtliche Qualifikation eines weiteren Schuldverhältnisses aus. Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO ist nur für das konkrete vertragliche Schuldverhältnis, welches Fragen des Gesellschaftsrechts betrifft, der Anwendungsbereich der Rom I-VO nicht eröffnet. Liegt ein weiteres vertragliches Schuldverhältnis vor, ist die Frage bezüglich des Betreffens gesellschaftsrechtlicher Fragen neu zu stellen. Die Anwendbarkeit der Rom IVO auf Arbeitsverhältnisse der Organmitglieder setzt also voraus, dass es sich um ein vom Bestellungsverhältnis unabhängiges vertragliches Schuldverhältnis handelt, welches keine Frage des Gesellschaftsrechts betrifft. Ob das Gesellschaftsstatut ein vom Bestellungsverhältnis getrennt zu qualifizierendes Arbeitsverhältnis zulässt, ist unbeachtlich. 34 b) Der eigenständige, von der Bestellung losgelöste Arbeitsvertragsschluss Voraussetzung für ein vertragliches Schuldverhältnis ist nach obiger Definition eine freiwillige Verpflichtung einer Partei gegenüber einer anderen, die zu einer Sonderverbindung dieser Parteien führt. 35 Das Arbeitsverhältnis des Organmitglieds müsste, um nach der Rom I-VO angeknüpft zu werden, also grundsätzlich zusätzlich zu der Bestellung abgeschlossen werden, da ansonsten nur ein gesellschaftsrechtliches Bestellungsverhältnis besteht. 36 Die genannten autonomen Kriterien des Begriffs „vertragliches Schuldverhältnis“ legen zwar die Tatbestandsmerkmale fest, so dass grundsätzlich jede Einigung von Gesellschaft und Organmitglied neben der Bestellung als ein abtrennbares Schuldverhältnis eingeordnet werden könnte. Relevant für die 33
EuGH v. 11.11 2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa). Siehe 2. Kapitel § 2 B.I.2. Anderer Ansicht: Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/ Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 252; Kneip, Geschäftsführungsverträge im Internationalen Privatrecht, S. 43. 35 Siehe Fn. 27. 36 Siehe 2. Kapitel § 2 B.II.1. 34
§ 2 Kollisionsrechtliche Grundlagen
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Frage nach der Existenz eines abtrennbaren Schuldverhältnisses im Kollisionsrecht ist jedoch die Reichweite des Bestellungsverhältnisses. Nur hiervon nicht erfasste Materien können Gegenstand eines zusätzlichen Schuldverhältnisses sein. Ein vertragliches Schuldverhältnis nach dem Verständnis der Rom I-VO erfasst nicht nur die von den Parteien ausdrücklich vereinbarten Inhalte, sondern auch alle Regelungen, die sich ex lege in Bezug auf dieses Schuldverhältnis ergeben. 37 Dies betrifft sowohl Wirksamkeitsanforderungen der lex causae (Art. 10 Rom I-VO) als auch deren Auslegung (Art. 12 Abs. 1 lit. a) Rom I-VO) sowie Sekundäransprüche. 38 Wie bereits erwähnt sind alle aus diesem Schuldverhältnis resultierenden Pflichten auch als zu diesem Schuldverhältnis gehörend einzuordnen. 39 Raum für ein abtrennbares Schuldverhältnis besteht daher, wenn eine Vereinbarung über diesen Inhalt hinausgeht. Dass sich dieses gegebenenfalls auf die Bestellung bezieht, schadet dabei nicht. Es ist durchaus anerkannt, dass auch an ein Vertragsverhältnis angelehnte oder dieses konkretisierende vertragliche Absprachen ein eigenes, getrenntes vertragliches Schuldverhältnis bilden können. Dies zeigt sich schon daran, dass für diese Schuldverhältnisse eine akzessorische Anknüpfung diskutiert wird. 40 Notwendig für ein vom Bestellungsverhältnis abtrennbares Schuldverhältnis ist folglich ein Willensakt, welcher einen zusätzlich zur Bestellung existierenden oder einen getrennt von der Bestellung bestehenden Regelungsinhalt hat, damit dieses Arbeitsverhältnis von dem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis getrennt werden kann. Ein eigenständiger Vertragsschluss neben der Bestellung wäre nur dann nicht notwendig, wenn sich auch aus dem Bestellungsverhältnis arbeitsrechtliche Elemente ergeben, welche sich als ein eigenständiges vertragliches Schuldverhältnis von dem Bestellungsverhältnis abspalten ließen. Aus dem im Sachrecht bestehenden einen Bestellungsverhältnis würden dann im Kollisionsrecht zwei Rechtsverhältnisse werden: ein gesellschaftsrechtliches Schuldverhältnis, das sich nach dem Gesellschaftsstatut richtet, und ein arbeitsrechtliches Schuldverhältnis, auf welches die Rom I-VO anwendbar ist. Ein Vertrag kann ausnahmsweise kollisionsrechtlich in Teilverträge aufgespalten werden, um bei gleichgewichtiger Verfolgung zweier oder mehrerer 37
Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 2006, 036 ff. 38 EuGH v. 8.3.1988, Rs. 9/87 Slg. 1988, 1539 Rn. 13 (Arcado); MünchKomm-BGB/ Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7. 39 2. Kapitel § 2 B.II.1. 40 Vergleiche BAG v. 15.12.1967, AP IPR-ArbR Nr. 11; CA Versailles v. 6.2.1991, Rev. crit. dr. int. priv. 80 (1991), 745; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Staudinger/ Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 1. Aufl., Art. 28 EGBGB Rn. 69; Soergel/v. Hoffmann, BGB, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 116; Kreytenberg, Die individuelle Schwerpunktbestimmung internationaler Schuldverträge, S. 188 ff.; Gamillscheg AcP 157 (1958/59), 303 (334). Siehe hierzu auch 2. Kapitel § 2 D.II.2.c).
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
Interessen eines Rechtsverhältnisses eine Doppel- oder Mehrfachqualifikation zu vermeiden. 41 Obwohl eine Aufspaltung zu der Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen auf ein ansonsten einheitliches Rechtsverhältnis führen kann und daher die Gefahr von Widersprüchen oder Lücken in sich birgt, 42 ist eine Aufspaltung dem Kollisionsrecht nicht gänzlich fremd: Mittels der sog. dépeçage kann nach Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO auch für nur einen Teil eines Vertrags eine Rechtswahl getroffen werden, um etwaigen Parteiinteressen und wirtschaftlichen Bedürfnissen zu entsprechen. 43 Eine Vorschrift wie Art. 4 Abs. 1 S. 2 EVÜ, die auch eine Abtrennung eines Teils des Vertrags bei der objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts nur ausnahmsweise 44 zuließ, existiert in der Rom I-VO jedoch nicht mehr. 45 Daraus wird geschlossen, dass eine Abspaltung einzelner Teile zumindest im Rahmen des Art. 4 Rom I-VO nicht mehr zulässig ist. 46 Im Rahmen der sachlichen Anwendbarkeit der Rom I-VO ist die Frage der Aufspaltung eines Rechtsverhältnisses – soweit ersichtlich – bislang nicht Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Bezogen auf das Bestellungsverhältnis der Organmitglieder könnte der Ausschlusstatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO so zu verstehen sein, dass die Anwendbarkeit der Rom I-VO nur soweit ausgeschlossen ist, wie das Schuldverhältnis Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht regelt. Soweit also anstellungsrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Fragen betroffen sind, wäre die Anwendbarkeit der Rom I-VO gegeben. Allerdings erfasst die Rom I-VO nach Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO vertragliche Schuldverhältnisse, nicht einzelne Fragestellungen. Das anzuwendende Recht ist nach der Rom I-VO damit für das gesamte Vertragsverhältnis zu bestimmen. 47 Innerhalb dessen sind nur bestimmte Teilfragen wie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit (Art. 13 Rom I-VO) oder besonders anzuknüpfende Normen (Art. 3 Abs. 3, Art. 4, Art. 9 Rom I-VO) ausgenommen. Darüber hinaus führt eine „vertikale Spaltung“ 48 dazu, dass auf41
v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 7 Rn. 178. Vgl. Jayme, in: FS Kegel, S. 253 (258 ff.); MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 279. 43 Vgl. B. Audit, Droit international privé, Rn. 821; Collier, Conflicts of Laws, S. 195 f. 44 Giuliano/Lagarde-Bericht, ABl. 1980 Nr. C 282/1 (22); B. Audit, Droit international privé, Rn. 824; Collins/Briggs/Hill/McClean/Morse, Dicey and Morris on the Conflict of Laws, Rn. 32-109; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 131. 45 Zur Teilung eines Vertrags zuletzt: EuGH v. 6.9.2009, Rs. C- 133/08 (ICF). 46 Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Staudinger/Ferrari, Internationales Vertragsrecht, Art. 4 Rom I-VO Rn. 101; Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (536); MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 279; Prütting/Wegen/Weinreich/Brödermann/ Wegen, BGB, Art. 4 Rom I-VO Rn. 6; Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 189; Staudinger/Magnus, BGB, Einleitung zur Rom I-VO Rn. 74. 47 MünchKomm-BGB/Martiny, Vor Art. 1 Rom I-VO Rn. 8. 48 MünchKomm-BGB/Spellenberg, Vor Art. 11 EGBGB Rn. 18. 42
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grund der unterschiedlichen Anknüpfung innerhalb eines an sich einheitlichen Vertrags widersprüchliche Ergebnisse entstehen können. 49 Wegen dieser Gefahren ist eine Aufspaltung eines Vertrags sehr restriktiv zu handhaben. Diese Gefahren bestehen auch bei den Organmitgliedern, da das Gesellschaftsrecht die Rechtsbeziehungen prägt. Eine den Parteivereinbarungen entgegenstehende kollisionsrechtliche Aufspaltung widerspricht dem Willen der Parteien, die gerade kein eigenständiges Schuldverhältnis, etwa mit eigenständigem Schuldverhältnis abgeschlossen haben. Auch ist dies nicht notwendig, da – wie in der Rechtssache Danosa 50 – auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis punktuell arbeitsrechtliche Vorschriften angewandt werden können. Schließen Gesellschaft und Organmitglied also keinen eigenständigen Arbeitsvertrag ab, richten sich die Beziehungen daher allein nach dem Gesellschaftsstatut. c) Das Arbeitsverhältnis und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts Auf das neben der Bestellung geschlossene Arbeitsverhältnis ist die Rom IVO nur anwendbar, wenn das Arbeitsverhältnis selbst keine Frage des Gesellschaftsrechts betrifft und dadurch nicht unter den Ausschluss des Gesellschaftsrechts nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO fällt. Auch wenn durch das Arbeitsverhältnis in der Regel nur Anstellungsbedingungen und nicht gesellschaftsrechtliche Fragen geregelt sind, ist es möglich, dass die Arbeitsverhältnisse der Organmitglieder mittelbar Auswirkungen auf eine gesellschaftsrechtliche Frage haben. Dies ist etwa der Fall, wenn die Gesellschaft trotz Abberufens des Organmitglieds weiterhin eine Zahlungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis trifft, dem aber keine Gegenleistung seitens des Organmitglieds mehr entspricht. Insofern wäre die Abberufung aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegebenenfalls erschwert. 51 Ob solche mittelbaren Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht für eine Bejahung des Ausschlusstatbestands ausreichen, ist zweifelhaft. 52 Es geht dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO nach nur um Fragen, die das Gesellschaftsrecht betreffen, und nicht um solche, die bereits das Gesellschaftsrecht berühren. 53 49
MünchKomm-BGB/Spellenberg, Vor Art. 11 EGBGB Rn. 18; Wengler, RabelsZ 47 (1983), 215 (219 ff.). Zur dépeçage: Giuliano/Lagarde-Bericht, ABl. 1980 Nr. C 282/1 (22). Siehe hierzu auch: B. Audit, Droit international privé, Rn. 821; Lagarde, Rev. crit. dr. int. pr. 80 (1991), 287 (301 f.); Erman/Hohloch, BGB, Art. 27 EGBGB Rn. 21; MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn. 70; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 27 EGBGB Rn. 59 ff. 50 EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa). 51 Siehe etwa 1. Kapitel § 1 B.I.1.b) und § 3.B.II.2.c). 52 Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 251. 53 Die anderen Sprachfassungen („questions governed by the law of companies“, „questions relevant du droit des sociétés“) helfen hier nicht weiter.
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
Dies spricht für eine eher enge Auslegung, also gegen die Erfassung von Rechtsverhältnissen, die nur mittelbar eine Frage des Gesellschaftsrechts „berühren“. Auch lässt sich diese enge Auslegung aus dem Zweck des Ausschlusses des Gesellschaftsrechts aus der Rom I-VO ableiten. Entscheidend für den Ausschluss des Gesellschaftsrechts war, dass grundsätzlich die gesamten gesellschaftsrechtlichen Beziehungen einheitlich nach einem Recht beurteilt werden sollen, 54 da sich ansonsten bei einer Statutenspaltung Anpassungsprobleme ergeben können. 55 Dies gilt aber nur für Rechtsverhältnisse, die auch tatsächlich dem Innenverhältnis der Gesellschaft zuzuordnen sind, und nicht für solche, die einen anderen Gegenstand haben und nur am Rande solche Fragen berühren. Ein Vertrag, der also nicht unmittelbar auf das Innenverhältnis bzw. Bestellungsverhältnis einwirkt, betrifft keine Frage des Gesellschaftsrechts i.S.d. Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO. Ein nur mittelbarer Einfluss auf eine Frage des Gesellschaftsrechts führt demnach noch nicht zum Ausschluss aus der Rom I-VO nach Art. 1 Abs. 2 lit. f). Betrifft ein Teil des Arbeitsverhältnisses jedoch unmittelbar eine Frage des Gesellschaftsrechts, welches aufgrund des Zwecks des Arbeitsverhältnisses allerdings eher untypisch wäre, stellt sich die Frage, ob die Anwendbarkeit der Rom I-VO vollständig oder nur für diesen gesellschaftsrechtlichen Teilbereich ausgeschlossen ist. Nach Art. 1 Abs. 1, 2 lit. f) Rom I-VO sind vertragliche Schuldverhältnisse, die Fragen des Gesellschaftsrechts betreffen, vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Dem Wortlaut ist nicht zu entnehmen, dass diese nur für einen Teilbereich des Schuldverhältnisses gelten soll. Vielmehr ist das ganze Schuldverhältnis vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen. Dies bestätigt auch ein Vergleich mit der Problematik der typengemischten Verträge 56, welche nicht getrennt angeknüpft werden, sondern bei denen stattdessen über eine Schwerpunktbildung die charakteristische Leistung bzw. die engste Verbindung ermittelt und dementsprechend angeknüpft wird. Nur ein Arbeitsverhältnis, dessen Hauptzweck die Regelung von Fragen des Gesellschaftsrechts ist, kann also nicht nach der Rom I-VO beurteilt werden. Wie sich aus dem Kapitel 1 ergibt, ist dies jedoch typischerweise nicht der Fall.
54
MünchKomm-BGB/Kindler, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn. 543; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 37 EGBGB Rn. 45; Santa Maria, European economic law, S. 81; Spahlinger/Wegen/Spahlinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 21; Staudinger/Großfeld, BGB, Internationales Gesellschaftsrecht Rn. 17. 55 MünchKomm-BGB/Kindler, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn. 543. 56 Siehe hierzu MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 262 ff.; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 35 ff.; v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. II, Rn. 500.
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III. Änderungen durch die Rom I-VO in Bezug auf den Ausschluss des Gesellschaftsrechts Mit der Rom I-VO wurde im Vergleich zum EGBGB der Ausschluss des Gesellschaftsrechts von der Ausnahmevorschrift des Art. 37 Nr. 2 EGBGB a.F. in die Regelung des sachlichen Anwendungsbereichs, Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO, verschoben. Im Vergleich zu Art. 1 Abs. 2 lit. e) EVÜ bestehen hingegen keine größeren systematischen Veränderungen. Da das EVÜ den Art. 27–37 EGBGB a.F. zugrunde lag, wirkt sich die Verschiebung im Vergleich zur früheren deutschen Rechtslage nicht aus. 57 Auch der Wortlaut wurde nur geringfügig geändert („die Errichtung durch Eintragung oder auf andere Weise“ statt früher nur „Eintragung“; „die persönliche Haftung [...] für die Verbindlichkeiten“ statt früher „persönliche gesetzliche Haftung [...] für die Schulden“). In Bezug auf die arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder sind demnach keine Änderungen zur früheren Rechtslage entstanden. IV. Ergebnis Grundsätzlich unterfallen die Rechtsbeziehungen zwischen Organmitglied und Gesellschaft also dem Gesellschaftsstatut, da hierdurch die innere Verfassung der Gesellschaft betroffen ist. Dies betrifft allerdings nur die sich direkt auf die Organstellung beziehenden Grundstrukturen. Besteht zwischen den Parteien ein gesondertes Schuldverhältnis mit anstellungsrechtlichem Inhalt, kann dieses getrennt vom Gesellschaftsstatut nach der Rom I-VO angeknüpft werden. Erforderlich hierfür ist jedoch, dass es sich um einen eigenständigen Vertrag handelt, der neben der Bestellung steht und keine Frage des Gesellschaftsrechts betrifft. Ob dies auf die einzelnen im ersten Kapitel untersuchten Arbeitsverhältnisse der Organmitglieder zutrifft, wird unten 58 zu untersuchen sein. C. Der Individualarbeitsvertragsbegriff nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO und die Organstellung I. Auslegung des Individualarbeitsvertragsbegriffs nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO 1. Grundsatz der autonomen Auslegung des Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO a) Meinungsstand zur Auslegung des Individualarbeitsvertragsbegriffs nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO Das im Sachrecht bestehende Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds ist nicht automatisch als Individualarbeitsvertrag gemäß Art. 8 Rom I-VO zu qualifi57 58
Mankowski, NZG 2010, 201 (205). Siehe 2. Kapitel § 3.
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
zieren, da dafür eine Identität des Begriffs auf Sach- und Kollisionsrechtsebene erforderlich wäre. Dass dieses nicht der Fall ist, ergibt sich schon aus den unterschiedlichen Arbeitsvertragsbegriffen der nationalen Rechtsordnungen. Der Individualarbeitsvertragsbegriff ist daher anders zu bestimmen. Wie oben bereits erwähnt bedingt der unionsrechtliche Charakter der Rom I-VO eine einheitliche Auslegung der Begriffe, für die der EuGH gemäß Art. 267 AEUV letztverbindlich zuständig ist. 59 Dies spricht zunächst für eine autonome Auslegung der Begriffe in der Rom I-VO. In der deutschen Literatur wird daher auch fast einhellig ein autonomer Arbeitsvertragsbegriff vertreten. 60 Dennoch stellen insbesondere im englischen Raum einige Stimmen speziell zur Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs eher auf die lex causae ab. 61 Auch in den Erwägungsgründen der Rom II-VO zeigt sich, dass eine autonome Auslegung im Internationalen Arbeitsrecht nicht für selbstverständlich gehalten wird, wenn in den Erwägungsgründen Nr. 11 und 30 der Rom II-VO ausdrücklich eine autonome Auslegung für die Begriffe „außervertragliches Schuldverhältnis“ und „Verschulden bei Vertragsverhandlungen“ angeordnet wird, für den Begriff der Arbeitskampfmaßnahme in Erwägungsgrund Nr. 27 der Rom II-VO hingegen auf das nationale Recht verwiesen wird. 62 Ein Verweis auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff ist dem Europarecht ohnehin 59
Vgl. EuGH v. 6.12.2005, Rs. C-461/03, Slg. 2005, I-513, Rn. 21 (Gaston Schul); EuGH v. 16.1.1974, Rs. 166/73, Slg. 1974, 33, Rn. 2 (Rheinmühlen-Düsseldorf). Siehe 2. Kapitel § 2 B.I.1. 60 Vgl. Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (108); Junker, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 111 (113); Dornbusch/Fischermeier/ Löwisch/Krebber, Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, Art. 3, 8, 9 Rom I-VO, Rn. 3; Cavalier/Upex, I.C.L.Q. 55 (2006), 587 (605); Leible/Engel, EuZW 2004, 7 (8); Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 4832; MünchKommBGB/ders., Art. 8 Rom I-VO Rn. 17; MünchKomm-BGB/Junker, 4. Aufl., Anhang zu Art. 42 EGBGB Rn. 7; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1236; v. Hoffmann/ Thorn, Interna-tionales Privatrecht, § 10 Rn. 75; im Grundsatz auch: Bamberger/Roth/ Spickhoff, BGB, Art. 8 Rom I-VO Rn. 8; zum EVÜ: Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 4; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 15 I 1; Staudinger/Magnus, BGB, Art. 8 Rom I-VO Rn. 21, 35; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Staudinger/ Staudinger, Internationales Vertragsrecht, 1. Aufl., Art. 30 EGBGB Rn. 5. Siehe auch Anton, Private International Law, S. 347; B. Audit, Droit international privé, Rn. 509. 61 Clarkson/Hill, The Conflict of Laws, S. 244; Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, S. 305 Rn. 11-012; Morse, in: Collins/Briggs/Hill (Hrsg.), Dicey and Morris on the Conflict of Laws, Ch. 33 Rn. 33-065 f.; ders, I.C.L.Q. 41 (1992), 1 (13); ders., in: North (Hrsg.), Contract Conflicts, S. 143 (147 f.); Plender, in: Lando/Magnus/Novak-Stief (Hrsg.), Angleichung des materiellen und des internationalen Privatrechts in der EU, S. 25 (48). 62 ErfK/Schlachter, Art. 9 Rom II-VO Rn. 2; Heinze, RabelsZ 73 (2009), 770 (782); Knöfel, EuZA 1 (2008), 228 (241); Leible/Lehmann, RIW 2007, 721 (731); MünchKomm-BGB/Junker, Art. 9 Rom II-VO Rn. 14 f.
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nicht fremd, sondern in verschiedenen Richtlinien der EU 63, einschließlich der Verordnung 1408/71 64, ausdrücklich zu finden. Es ist daher näher zu untersuchen, ob eine autonome Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs notwendig ist. Angesichts der beim Arbeitsvertrag bestehenden unterschiedlichen Ansichten ist der Frage nachzugehen, ob sich speziell zur Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs eine Auslegung nach der lex causae besser eignet als die autonome Auslegung. Die nur vereinzelt vorgeschlagene Auslegung nach der lex fori 65 widerspricht einer einheitlichen Auslegung, 66 so dass diese Auslegungsmethode hier zu vernachlässigen ist. Teilweise wird zwar vorgeschlagen, eine Auslegung nach der lex fori sei möglich, soweit als lex fori das gesamte Unionsrecht verstanden wird. 67 Eine solche Ansicht ließe aber unberücksichtigt, dass erstens der Gerichtsstaat nicht die Europäische Union, sondern ein einzelner Staat ist, dessen Arbeitsrecht nicht vollständig mit dem Unionsrecht harmonisiert ist, und sich zweitens die verschiedenen Arbeitnehmer- bzw. Arbeitsvertragsbegriffe im Unionsrecht wegen ihres systematischen und teleologischen Zusammenhangs unterscheiden können. 68 b) Unterschiedliche Einordnung eines Sachverhalts auf Kollisionsund Sachrechtsebene Die Auslegung nach der lex causae wird von der englischen Literatur weniger wegen der Schwierigkeiten einer autonomen Begriffsbildung bevorzugt, sondern um Konflikte zwischen Kollisionsrecht und anzuwendendem Recht durch die nachfolgende Qualifikation zu vermeiden. 69 Gemeint ist hiermit die 63
Siehe hierzu die ausführlichen Nachweise bei Krebber, in: Rieble/Junker (Hrsg.), Das Grünbuch und seine Folgen, S. 33 (55) Fn. 107. 64 Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. 1971 Nr. L 149/2. 65 Zu Art. 6 EVÜ: Däubler, RIW 1987, 249 (250); Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S. 56; ders., ZfA 14 (1983), 307 (365); Klima, RIW 1987, 796 (797); Smith/Cromack, ILJ 22 (1993), S. 1 f. Wohl auch Knöfel, RdA 2006, 269 (273). 66 Siehe 2. Kapitel § 2 B.I.1. 67 Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (111). 68 Zu Letzterem sogleich. Siehe auch EuGH v. 14.10.2010, Rs. C-345/09, Slg. 2010, I9879, Rn. 88 (van Delft u.a.); EuGH v. 16.6.2009, Rs. C-208/07, Slg. 2009, I-6095, Rn. 68 (Chamier-Glisczinski); EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-85/96, Slg. 1996, I-2691, Rn. 31 (Sala); Schlachter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 39 Rn. 6; Cavalier/Upex, I.C.L.Q. 55 (2006), 587 (588). 69 Morse, in: Collins/Briggs/Hill (Hrsg.), Dicey and Morris on the Conflict of Laws, Ch. 33 Rn. 33-065 f.; ders, I.C.L.Q. 41 (1992), 1 (13); Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 11-012; kritisch Forsyth, L.Q.R. 114 (1998), 141 (152).
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
unterschiedliche Einordnung eines Sachverhalts auf Kollisions- und Sachrechtsebene. Erfüllt etwa ein Rechtsverhältnis die aus der autonomen Auslegung folgenden Anforderungen an einen Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Rom I-VO, könnte dies im Widerspruch zu der nun auf dieses Rechtsverhältnis anzuwendenden Rechtsordnung stehen, wenn diese Rechtsordnung hierin kein Arbeitsverhältnis sieht. Das von Morse befürchtete Problem, wegen arbeitsrechtlicher Qualifikation auch im Sachrecht Arbeitsrecht auf einen Vertrag anwenden zu müssen, der von diesem Recht als Dienstvertrag eingeordnet wird, 70 besteht aber nicht, da die Qualifikation noch nicht über die Anwendung von Arbeitsrecht entscheidet, sondern das Sachrecht frei in seiner Einordnung ist: Es findet auch bei arbeitsrechtlicher Qualifikation ein Verweis auf das gesamte Recht des Staats statt, so dass eine anderweitige Charakterisierung möglich ist. 71 Anwendbares Recht und Internationales Privatrecht können Rechtsverhältnisse also unterschiedlich einordnen, ohne dass dies schwerwiegende Problem nach sich zieht. 72 c) Die Auslegung lege causae und der Schutz des Schwächeren Zweck des Art. 8 Rom I-VO ist der Schutz des Schwächeren. 73 Neben der eingeschränkten Rechtswahl in Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO soll auch die objektive Anknüpfung in Abs. 2 sicherstellen, dass die Schutzvorschriften des Staates angewandt werden, in dem der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit ausübt, da das dortige geschäftliche und politische Umfeld die Arbeitstätigkeit beeinflussen kann. 74 Dieser Schutz beschränkt sich auf das Kollisionsrecht, da im Sachrecht das Rechtsverhältnis auch anders eingeordnet werden kann. 75 70 Morse, in: Collins/Briggs/Hill (Hrsg.), Dicey and Morris on the Conflict of Laws, Ch. 33 Rn. 33-065 f.; ders, I.C.L.Q. 41 (1992), 1 (13). 71 Näher hierzu 2. Kapitel § 2 E.III.1.a)ee). Siehe auch Mankowski, BB 1997, 465 (466). 72 Zum Internationalen Verfahrensrecht, aber Gleiches für das Internationale Privatrecht andeutend: Schlussanträge des GA Jacobs v. 8.4.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3977 Rn. 23 f. (Handte); dazu auch Gaudemet-Tallon, Rev. crit. dr. int. pr. 81 (1992), 730 (736); zweifelnd: Schlussanträge des GA Slynn v. 17.12.1987, Rs. 9/87, Slg. 1988, 1539 (1549), ohne Rn. (Arcado). 73 EuGH v. 15.3.2011, Rs. C-29/10, Rn. 41 f. (Koelzsch); v. Hoffmann, RabelsZ 38 (1974), 396. So auch zum Internationalen Verfahrensrecht: EuGH v. 10.4.2003, Rs. C437/00, Slg. 2003, I-3573, Rn. 18 Rn. 22 (Pugliese); EuGH v. 13.7.1993, Rs. C-125/92, Slg. 1993, I-4075, Rn. 18 f. (Mulox IBC); EuGH v. 9.1.1997, Rs. C-383/95, Slg. 1997, I-57 Rn. 17 (Rutten); EuGH v. 27.2.2002, Rs. C-37/00, Slg. 2002, I-2013, Rn. 40 (Weber); Boskovic, Rec. Dalloz 2008, 2175 ff.; Coursier, Le conflit de lois en matière de contrat de travail, S. 24; Mélin, Droit international privé, S. 197; Morris/McClean/Beevers, The Conflict of Laws, Rn. 13-035. 74 EuGH v. 15.3.2011, Rs. C- 29/10, Rn. 42 (Koelzsch). 75 Vgl. 2. Kapitel § 2 E.III.1.a)ee).
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117
Insofern ist es zweifelhaft, ob das Sachrecht, wie nach der Auslegung lege causae, auch schon auf der kollisionsrechtlichen Ebene über den zu schützenden Personenkreis mitentscheiden sollte: Der Schutz des potentiell Schwächeren könnte dadurch verringert sein, dass eine Partei nach dieser Lösung nur dann als schwächer im Kollisionsrecht angesehen wird, wenn dies die lex causae so vorsieht. Problematisch erscheint dies, wenn der Arbeitsvertragsbegriff der lex causae enger ist als der der meisten anderen Mitgliedstaaten. Ein umfassenderer Schutz im Kollisionsrecht könnte – je nach Weite der Definition – durch eine autonome Auslegung und anschließende Qualifikation erreicht werden. 76 Wie weit der personelle Anwendungsbereich des Schutzes des Schwächeren sein soll, ist der Verordnung gerade nicht zu entnehmen. Die Rechtsprechung des EuGH zu anderen Rechtsgebieten lässt jedoch eine Tendenz zu einem weiten Verständnis des Arbeitnehmer- bzw. Arbeitsvertragsbegriffs erkennen. 77 Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies auch im Kollisionsrecht fortgeführt wird. Die Lösung über die lex causae kann zwar letztlich dazu führen, dass im Sachrecht eher Arbeitsrecht Anwendung findet: Ergibt sich über Art. 8 Rom I-VO nämlich keine Rechtsordnung, die Arbeitsrecht auf ein Rechtsverhältnis anwendet, ist es immer noch möglich, dass die subsidiär, in der Regel über Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO bestimmte Rechtsordnung eine arbeitsrechtliche Einordnung für das Sachrecht vornimmt. Ziel des kollisionsrechtlichen Schutzes ist es jedoch nicht, das für den Arbeitnehmer beste Recht zu finden, sondern nur die gestörte Vertragsparität etwa bei der Rechtswahl auszugleichen. Die plausibelste Lösung erscheint hierzu eine autonome Auslegung. Ein von der Auslegung nach der lex causae modifizierter Ansatz wäre eine Berücksichtigung aller am Schuldverhältnis beteiligten Rechtsordnungen. Sofern eine der beteiligten Rechtsordnungen das Schuldverhältnis als Arbeitsvertrag einordnet, wäre ein Arbeitsvertrag auch auf kollisionsrechtlicher Ebene zu bejahen. Diese Lösung wäre wohl am weitreichendsten und könnte Probleme in den Randbereichen des Arbeitsvertragsbegriffs vermeiden. Zur Bestimmung, welche Rechtsordnungen als beteiligt gelten, kann auf die Kriterien zu Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO zurückgegriffen werden. An der Praktikabilität sind aber Zweifel anzumelden, da zunächst alle beteiligten Rechtsordnungen zu befragen sind und gegebenenfalls zu jedem Land ein Rechtsgutachten einzuholen wäre.
76 77
Cavalier/Upex, I.C.L.Q. 2006, 587 (608). Siehe hierzu Krebber, GPR 2011, 138 (139).
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
d) Schwächen der Auslegung lege causae bei einer Veränderung des objektiven Anknüpfungspunkts Eine Auslegung des Arbeitsvertrags nach der lex causae weist neben der schlechten Praktikabilität das Problem auf, dass für die Auslegung dieses Begriffs gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO auf den Ort der Arbeitsleistung als lex causae abgestellt wird, 78 da es sich hierbei um einen dynamischen bzw. wandelbaren Anknüpfungspunkt handelt. 79 Bei einer Veränderung dieses Anknüpfungspunkts ergibt sich nicht nur ein Statutenwechsel, 80 was rechtlich weitgehend unproblematisch ist, sondern es kann daraus gegebenenfalls auch eine andere Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs folgen. Die Auslegungsund Qualifikationsfrage würde sich mit jeder Änderung des Anknüpfungspunktes also erneut stellen. Die von Erwägungsgrund Nr. 16 der Rom I-VO geforderte Berechenbarkeit und Rechtssicherheit der Kollisionsnormen wäre durch eine solche Auslegung nicht mehr gewährleistet. e) Ergebnis Die Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs in der Rom I-VO ist entweder autonom oder nach der lex causae möglich. Letztere Variante offenbart allerdings Schwächen bei der Praktikabilität und ist auch nicht zur Vermeidung von Konflikten zwischen Kollisionsrecht und Sachrecht zwingend notwendig. Im Gegenteil, der über den Erwägungsgrund Nr. 7 der Rom I-VO bestehende enge Zusammenhang mit der Brüssel I-VO, dessen Vorgaben der EuGH auch autonom auslegt, 81 spricht eher für eine Auslegung, die auch unter Art. 18 Brüssel I-VO tragfähig ist. Nicht zuletzt weist auch der Zwang zur einheitlichen Auslegung stark auf eine autonome Auslegung hin. 82 Dass eine autonome Definition des kollisionsrechtlichen Individualarbeitsvertragsbegriffs bislang nicht existiert, ist kein zulässiges Argument gegen die autonome Auslegung. 83 Es bestehen auch bereits Kriterien, die in die autonome Auslegung des Arbeitsvertrags einfließen können. Es handelt sich dabei um die Arbeitsvertrags- bzw. Arbeitnehmerbegriffe im europäischen
78
Däubler, EuZW 1997, 613 (618). Mankowski, IPRax 2005, 58 (60); Knöfel, IPRax 2006, 552 (557); MünchHdb-ArbR/ Oetker, § 11 Rn. 37; Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 4849. 80 Hierzu nur: Cass. soc. v. 17.12.1997, RJS 2/98, Nr. 150; MünchKomm-BGB/ Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn. 73; Thüsing, NZA 2003, 1303 (1307). 81 EuGH v. 8.11.2005, Rs. C-443/03, Slg. 2005, I-9611, Rn. 45 (Leffler). 82 MünchKomm-BGB/Martiny, Vorbem. zu Art. 1 Rom I-VO, Rn. 14. 83 Anderer Ansicht: Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, Art. 8 Rom I-VO Rn. 8; zum EVÜ: Smith/Cromack, I.L.J. 22 (1993), 1. 79
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Primär- bzw. Sekundärrecht und in der Rechtsprechung des EuGH sowie um die Rechtsvergleichung. 84 2. Rechtsquellen des autonomen Individualarbeitsvertragsbegriffs nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO a) Rückgriff auf Unionsrecht und Rechtsvergleichung bei der autonomen Auslegung des Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO Eine autonome Bestimmung des Individualarbeitsvertrags ist nicht gleichzusetzen mit einer vollständig unabhängigen Begriffsbildung, sondern sie orientiert sich auch an den Begriffen des Sachrechts. 85 Als heranzuziehendes Sachrecht ist bei europäischem Kollisionsrecht sowohl das Unionsrecht als auch das Sachrecht der einzelnen Staaten zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des Individualarbeitsvertragsbegriffs können damit zumindest Grundelemente aus dem Unionsrecht „herausdestilliert“ und unter Hinzuziehen der Rechtsvergleichung für das Kollisionsrecht genutzt werden. 86 Zur Bestimmung des Arbeitsvertrags- bzw. Arbeitnehmerbegriffs im Unionsrecht kommt dabei zum einen das europäische Primär- und Sekundärrecht, zum anderen die Rechtsprechung des EuGH in Betracht. b) Unionsrechtlicher Arbeitsvertrags- bzw. Arbeitnehmerbegriff aa) Der Arbeitsvertrags- und der Arbeitnehmerbegriff im europäischen Primärund Sekundärrecht Der Arbeitsvertrag wird weder im Primärrecht noch im Sekundärrecht der Europäischen Union autonom definiert. In den europäischen Rechtsakten wird stattdessen meist auf den jeweiligen nationalen Arbeitsvertragsbegriff abgestellt; 87 nur Art. 18 Abs. 1 Brüssel I-VO und Art. 10 InsO-VO erfordern 84 Magnus, IPRax 1991, 382 (384); Mankowski, RIW 2004, 167 (168); Winkler v. Mohrenfels/Block, EAS B 3000, Rn. 52; Springer, Virtuelle Wanderarbeit, S. 89; Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (485). 85 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 7 Rn. 173; Bernasconi, Der Qualifikationsprozess im Internationalen Privatrecht, S. 222 f. 86 Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (485). Vgl. auch Mankowski, RIW 2004, 167 (168); MünchHdb-ArbR/Birk, 2. Aufl., § 20 Rn. 61; MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rom IVO, Rn. 17. 87 § 2 Nr. 1 Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICECEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, ABl. 1999 Nr. L 175/43; Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, ABl. 2001, Nr. L 82/16; § 1 Nr. 2 Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 18. Juni 2009 im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durch-
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ebenfalls einen autonomen Arbeitsvertragsbegriff, 88 eine Definition fehlt aber auch hier. 89 Für den Begriff des Arbeitnehmers besteht gleichfalls keine brauchbare autonome Definition in den europäischen Rechtsakten. 90 Das Primärrecht enthält in Art. 45 Abs. 1 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit), Art. 145 AEUV (Beschäftigungspolitik), Art. 151 ff. AEUV (Sozialpolitik) und Art. 27 ff. GR-Charta (Solidarität) einen Arbeitnehmerbegriff, ohne ihn näher zu konkretisieren. Im Sekundärrecht wird teilweise auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verwiesen 91 oder eine nicht weiterführende Umschreibung wie in Art. 3 lit. a) der Richtlinie 89/391/EWG 92 gegeben, nach welcher der Arbeitnehmer als eine Person bezeichnet wird, „die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird“. Arbeitgeber ist nach Art. 3 lit. b) der gleichen Richtlinie „jede natürliche oder juristische Person, die als Vertragspartei des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer die Verantwortung für das Unternehmen bzw. den Betrieb trägt“. Kriterien zur Bestimmung des Arbeitnehmers lassen sich hierdurch nicht ableiten. Im kollisionsrechtlichen Zusammenhang wurde in der sozialrechtlichen Verordnung 1408/71 93 der Arbeitnehmer als jede Person bezeichnet, die in einem der aufgeführten Bereiche versichert ist. Diese für das Arbeitsrecht unbrauchbare Umschreibung 94 des Arbeitnehmers wurde in der diese Verordnung ersetzenden Verordnung Nr. 883/2004 95 aufgegeben. Stattdessen wird führung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG, ABl. 2010 Nr. L 68/13; Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, ABl. 1991 Nr. L288/32. 88 Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 2, 4a; MünchKommZPO/Gottwald, Art. 18 EuGVO Rn. 2; Musielak/Stadtler, ZPO, Art. 18 VO (EG) 44/2001 Rn. 2; MünchKomm-BGB/Kindler, Art. 10 VO (EG) 1346/2000 Rn. 3 f.; MünchKommInsO/Reinhart, Art. 10 VO (EG) 1346/2000 Rn. 4; Rogerson, Collier’s Conflict of Laws, S. 143. 89 Krebber, in: FS v. Hoffmann, S. 218. 90 Krebber, in: FS v. Hoffmann, S. 218 (221 f.). 91 Siehe zu den Richtlinien und der Verordnung Nr. 1408/71 bereits 2. Kapitel § 2 C.I.1.a) sowie Krebber, in: Rieble/Junker (Hrsg.), Das Grünbuch und seine Folgen, S. 33 (55). 92 Vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, ABl. 1989 Nr. L 183/1. 93 Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. 1971 Nr. L 149/1. 94 Krebber, in: Rieble/Junker (Hrsg.), Das Grünbuch und seine Folgen, S. 33 (56). 95 Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. 2004 Nr. L 166/1.
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nunmehr in deren Art. 1 lit. a) lediglich auf den Beschäftigten abgestellt, dessen Beurteilung sich nach den Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats richtet, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird. Auch hieraus lassen sich keine Kriterien für das Internationale Arbeitsrecht ableiten. bb) Der Arbeitsvertrags- und der Arbeitnehmerbegriff in der Rechtsprechung des EuGH (1) Relevanz der Rechtsprechung des EuGH zum Arbeitsvertrags- und Arbeitnehmerbegriff Mangels Legaldefinition der autonom zu bestimmenden Arbeitsvertrags- oder Arbeitnehmerbegriffe ist der EuGH für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs zuständig, um eine unionsweit einheitliche Geltung des jeweiligen Rechtsakts sicherzustellen. 96 Die Reichweite der Auslegung soll allerdings auf den Rechtsakt beschränkt sein. Ein allgemein für alle Rechtsakte einheitlicher Arbeitnehmerbegriff besteht laut EuGH nicht, da die Auslegung von dem jeweiligen Zweck des Rechtsakts abhängt. 97 Je nach Regelungszusammenhang variiert also der Begriff. 98 Für den Zusammenhang von Brüssel IVO und Rom I-VO ist insofern eine Ausnahme zu machen, da der Erwägungsgrund Nr. 7 der Rom I-VO einen Einklang mit den Bestimmungen der Brüssel I-VO fordert. 99 Der Individualarbeitsvertragsbegriff im Internationalen Verfahrensrecht ist bislang aber nur einmal Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen. In der Rechtssache Shenavai/Kreischer traf der EuGH die Aussage, dass „Arbeitsverträge ebenso wie andere Verträge über eine unselbständige Tätigkeit […] bestimmte Besonderheiten insofern aufweisen, als sie eine dauerhafte Beziehung begründen, durch die der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise in den Betrieb des Unternehmens oder des Arbeitgebers eingegliedert wird.“ 100 Eine echte Definition des Arbeitsvertrags ist dies allerdings nicht. 101 Der Begriff des Arbeitsvertrags bleibt auch nach dieser Rechtsprechung sehr vage. 102 Allein die Dauerhaftigkeit der
96
EuGH v. 23.3.1982, Rs. 53/81, Slg. 1982, 1035, Rn. 11 (Levin); EuGH v. 3.7.1986, Rs. 66/85, Slg. 1986, 2121, Rn. 16 (Lawrie-Blum). 97 EuGH v. 13.1.2004, Rs. C-256/01, Slg. 2004, I-873, Rn. 63 (Allonby); EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-85/96, Slg. 1998, I-2691, Rn. 31 (Martínez Sala). Siehe auch Rebhahn, EuZA 5 (2012), 3 (5). 98 Schlachter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 39 Rn. 6. 99 Morse, in: Collins/Briggs/Hill (Hrsg.), Dicey and Morris on the Conflict of Laws, Ch. 33 Rn. 33-063 – 33-066. 100 EuGH v. 15.1.1987, Rs. 266/85, Slg. 1987, 239, Rn. 16 (Shenavai). 101 Krebber, in: FS v. Hoffmann, S. 218 (226). 102 Bischoff/Huet, Clunet 114 (1987), 465 (467).
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Rechtsbeziehung und die Eingliederung können der Rechtsprechung als Merkmale entnommen werden. (2) Definition des Arbeitnehmers durch den EuGH im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Die Rechtsprechung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV nimmt eine hervorgehobene Stellung in der Begriffsbestimmung ein, da hierzu die ersten und in der Summe die meisten Entscheidungen zur Frage des Arbeitnehmerbegriffs ergangen sind und auch in anderen Urteilen auf die Begriffsbestimmung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zurückgegriffen wird. 103 Wegen der herausragenden Stellungen der Grundfreiheiten, zu denen die Arbeitnehmerfreizügigkeit gehört, werden sowohl die Vorschriften der Art. 45 ff. AEUV 104 als auch der Begriff Arbeitnehmer 105 weit ausgelegt. 106 So hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung den Arbeitnehmer wie folgt definiert: „Arbeitnehmer ist jede Person, die eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.“ 107
Diese Definition ist für die Arbeitnehmerfreizügigkeit abschließend und kann damit von den Mitgliedstaaten nicht um weitere Voraussetzungen ergänzt werden. 108 Ob ein solches Arbeitsverhältnis gegeben ist, wird von „der Gesamtheit der jeweiligen Faktoren und Umstände […], die die Beziehungen zwischen den Parteien charakterisieren, wie etwa die Beteiligung an den geschäftlichen Risiken des Unternehmens, die freie Gestaltung der Arbeits103
Rn. 6. 104
Vgl. Schlachter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 39
EuGH v. 3.6.1986, Rs. 139/85, Slg 1986, 1741, Rn. 13 (Kempf). EuGH v. 23.3.1982, Rs. 53/81, Slg 1982, 1035, Rn. 13 (Levin); EuGH v. 3.6.1986, Rs. 139/85, Slg. 1986, 1741, Rn. 13 (Kempf); EuGH v. 3.7.1986, Rs. 66/85, Slg. 1986, 2121, Rn. 16 (Lawrie-Blum). 106 Siehe z.B. auch Streinz/Franzen, EUV/AEUV, Art. 45 AEUV Rn. 16. 107 EuGH v. 3.7.1986, Rs. 66/85, Slg. 1986, 2121, Rn. 16, 17 (Lawrie-Blum); EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-176/96, Slg. 2000, I-2681, Rn. 45 (Lehtonen und Costors Barine); EuGH v. 23.3.2004, Rs. C-138/02, Slg. 2004, I-2703, Rn. 26 (Collins); EuGH v. 7.9.2004, Rs. C456/02, Slg. 2004, I-7573, Rn. 15 (Trojani); EuGH v. 26.4.2007, Rs. C-392/05, Slg. 2007, I-3503, Rn. 67 (Alevizos); EuGH v. 17.7.2008, Rs. C-94/07, Slg. 2008, I-5939, Rn. 33 (Raccanelli). Das wörtliche Zitat stammt aus dem letztgenannten Urteil. 108 EuGH v. 23.3.1982, Rs. 53/81, Slg. 1982, 1035; EuGH v. 21.6.1988, Rs. 39/86, Slg. 1988, 3161, Rn. 41 (Lair/Universität Hannover); Schwarze/Schneider/Wunderlich, EU-Kommentar Art. 45 AEUV Rn. 10. 105
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zeit und der freie Einsatz eigener Hilfskräfte“ 109 abhängig gemacht. Für die Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. Unionsrechts ist es ohne Bedeutung, dass das Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui generis ist. 110 Das Bestehen eines „Arbeitsvertrags“ ist nicht notwendig, ein „Arbeitsverhältnis“ („relation de travail“, „employment relationship“) reicht aus. Der EuGH hat diese zur Freizügigkeit entwickelte Definition trotz der eigenen Feststellung, dass kein für alle Rechtsakte einheitlicher Arbeitnehmerbegriff besteht, auch für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in einem anderen Zusammenhang benutzt, z.B. Art. 141 EGV (nunmehr Art. 157 AEUV) 111, RL 92/85/EWG 112, RL 2003/88 113. Allerdings können die Erwägungen zum Arbeitnehmerbegriff dabei auch zusätzlich von den speziellen Schutzgedanken der Richtlinie getragen sein, 114 was aber meist nur das schon gefundene Ergebnis bestätigt. 115 (3) Weitere Konkretisierungen des Arbeitnehmerbegriffs durch den EuGH (a) Das Unterordnungsverhältnis des Arbeitnehmers Der Arbeitnehmerbegriff wird vom EuGH selten näher konkretisiert. Auch das für die Abgrenzung zu den Selbständigen entscheidende Unterordnungsverhältnis ist bislang wenig thematisiert worden. Meist wird hierfür allgemein auf die im Einzelfall bestehende „Gesamtheit der jeweiligen Faktoren und Umstände“ verwiesen, die die Beziehung zwischen den Beteiligten charakte-
109
EuGH v. 14.12.1989, Rs. C-3/87, Slg. 1989, 4459, Rn. 36 (Agegate). EuGH v. 23.3.1982, Rs. 53/81, Slg. 1982, 1035, Rn. 16 (Levin); EuGH v. 31.5.1989, Rs. 344/87, Slg. 1989, 1621, Rn. 15 f. (Bettray); EuGH v. 19.11.2002, Rs. C-188/00, Slg. 2002, I-10691, Rn. 32 (Kurz); EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-456/02, Slg. 2004, I-7573, Rn. 15 (Trojani). 111 EuGH v. 13.1.2004, Rs. C-256/01, Slg. 2004, I-873, Rn. 67 (Allonby). 112 Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz, ABl. 1992 Nr. L 348/1. Vgl. hierzu EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I11405, Rn. 39 (Danosa); EuGH v. 20.9.2006, Rs. C-116/06, Slg. 2007, I-7643, Rn. 25 (Kiiski). 113 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. 2003 Nr. L 299/9. Vgl. hierzu EuGH v. 14.10.2010, Rs. C-428/09, n. n. i. Slg., Rn. 28 (Isère). 114 Schlussanträge des GA Bot v. 2.9.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 89 ff. (Danosa); EuGH v. 20.9.2006, Rs. C-116/06, Slg. 2007, I-7643, Rn. 32 (Kiiski). 115 Vgl. Schlussanträge des GA Bot v. 2.9.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 85 (Danosa). 110
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
risiert. 116 Als solche Faktoren und Umstände gelten die freie Gestaltung der Arbeitszeit, der freie Einsatz eigener Hilfskräfte sowie die Beteiligung an den geschäftlichen Risiken. 117 Auch die gesetzliche oder satzungsmäßige Verteilung der Befugnisse wird genannt. 118 Die leitende Stellung allein ist jedenfalls kein Ausschlussgrund. So werden leitende Angestellte im Kollisionsrecht trotz ihrer Weisungsbefugnis wohl als Arbeitnehmer angesehen, 119 wovon auch Art. 7 des geänderten Vorschlags einer Verordnung über das auf Arbeitsverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft anzuwendende Kollisionsrecht ausging. Diese Vorschrift sah eine freie Rechtswahl für Arbeitnehmer als gerechtfertigt an, wenn diese eine besondere Stellung im Betrieb hatten, namentlich „mit Leitungs- oder Beratungsaufgaben betraut“ waren. 120 Die ausführlichste Stellungnahme des EuGH zum Unterordnungsverhältnis ist der Rechtssache Danosa 121 zu entnehmen. Danach sind für ein Unterordnungsverhältnis eines Organmitglieds die „Bedingungen, unter denen das Mitglied der Unternehmensleitung bestellt wurde, die Art der ihm übertragenen Aufgaben, der Rahmen, in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, der Umfang der Befugnisse des Betroffenen und die Kontrolle, der es innerhalb der Gesellschaft unterliegt, sowie die Umstände, unter denen es abberufen werden kann“ 122 zu untersuchen. Die darauf folgenden Erörterungen des EuGH lassen dann aber nicht immer erkennen, welche der subsumierten Kriterien im konkreten Fall für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen. Jedenfalls das Vorliegen einer Rechenschafts- und Zusammenarbeitspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat, die Möglichkeit, von einem Organ entlassen zu werden, das „nicht von ihr [dem Vorstandsmitglied Frau Danosa] kontrolliert wurde und das jederzeit gegen ihren Willen entscheiden konnte“, und die Tatsache, dass das Organmitglied in die Gesellschaft integriert war, reichen dem „ersten Anschein nach“ für eine Arbeitnehmereigenschaft aus. 123 Die Merkmale lassen erkennen, dass der EuGH den Begriff des Arbeitnehmers 116
Vgl. EuGH v. 4.2.2010, Rs. C-14/09, Slg. 2010, I-931, Rn. 26 f. (Genc); EuGH v. 13.1.2004, Rs. C-256/01, Slg. 2004, I-873, Rn. 67, 69 (Allonby); EuGH v. 14.12.1989, Rs. 3/87, Slg. 1989, 4459, Rn. 36 (Agegate). 117 EuGH v. 14.12.1989, Rs. 3/87, Slg. 1989, 4459, Rn. 36 (Agegate). 118 Siehe: GA Philippe Léger, Schlussanträge vom 15.2.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996, I-3091, Rn. 29; Mankowski, RIW 2004, 167 (169). 119 Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 4832; v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. II, Rn. 447, der allerdings hierfür auf § 5 ArbGG abstellt. 120 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates vom 28.4.1976 über das auf Arbeitsverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft anzuwendende Kollisionsrecht, KOM (75), 653 endg. 121 EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa). 122 EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 47 (Danosa). 123 EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 48–51 (Danosa).
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sehr weit auslegt, was sich auch auf die Auslegung des materiellen Arbeitnehmerbegriffs in den nationalen Rechtsordnungen, zumindest jedoch zunächst aufgrund der Auslegungskompetenz des EuGH nach Art. 267 AEUV 124 auf den Begriff der in dem Urteil relevanten RL 92/85/EWG, auswirkt. Fest definiert ist der Arbeitnehmerbegriff durch das Urteil aber noch nicht. Eine allgemeine Rechenschafts- und Zusammenarbeitspflicht, beispielsweise in Form von Berichten und Informationsschreiben an den Aufsichtsrat, 125 bereits als Weisungsgebundenheit zu bezeichnen, geht über das bisherige nationale Verständnis dieses Begriffs zumindest der im ersten Kapitel untersuchten Rechtsordnungen hinaus und dehnt deren Arbeitnehmerbegriff aus. Allein hierauf die Arbeitnehmereigenschaft zu stützen, würde alle Personen unter den Arbeitnehmerbegriff fassen, die ihrem Auftraggeber Auskunft über ihre Arbeit schulden, und damit wohl auch einen nicht unerheblichen Teil solcher Personen mit einbeziehen, die nach dem nationalen Recht unzweifelhaft Selbständige sind. Es ist daher bei Anwendung dieses Merkmals Vorsicht geboten. Auch das Kriterium, dass eine Person keinen Einfluss auf ihre sofortige Entlassung hat, grenzt nur Mehrheitsgesellschafter von dem Arbeitnehmerbegriff aus. 126 Ansonsten ist – persönliche Beziehungen zum Vertragspartner außen vor gelassen – 127 nur schwer vorstellbar, welche Person über die eigene Entlassung mitentscheiden kann. Die sofortige Abberufbarkeit als Merkmal eines Unterordnungsverhältnisses erscheint ebenfalls befremdlich, 128 da das Einhalten einer Kündigungsfrist bei Dienstverhältnissen nicht zwingend notwendig ist. Führt man diese Argumentation jedoch weiter, bedeutet dies, dass stets ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses gegeben ist, wenn keine Kündigungsfrist vereinbart wurde und ein Kündigungsgrund nicht erforderlich ist. Wie die Schlussanträge des Generalanwalts in der gleichen Rechtssache aber erkennen lassen, steht hinter diesem Kriterium wohl wiederum die Weisungsgebundenheit: Kann eine Person jederzeit abberufen werden, könnte sie sich dazu genötigt fühlen, im Sinne der Erwartungen des Auftraggebers bzw. hier des Aufsichtsrats zu handeln,
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Vgl. EuGH v. 6.12.2005, Rs. C-461/03, Slg. 2005, I-513, Rn. 21 (Gaston Schul); EuGH v. 16.1.1974, Rs. 166/73, Slg. 1974, 33, Rn. 2 (Rheinmühlen-Düsseldorf). Siehe auch 2. Kapitel § 2 B.I.1. 125 Schlussanträge des GA Bot v. 2.9.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 85 (Danosa). Einer allgemeinen Rechenschaftspflicht eher ablehnend gegenüberstehend: Grabitz/Hilf/Randelzhofer/Forsthoff, Das Recht der Europäischen Union, Art. 45 AEUV Rn. 71. 126 Hierzu sogleich. 127 Die persönlichen Beziehungen sind unerheblich, siehe EuGH v. 8.6.1999, Rs. C337/97, Slg. 1999, I-3289, Rn. 15 (Meeusen). 128 Siehe zur Kritik an den neuen Kriterien des EuGH auch Rebhahn, EuZA 5 (2012), 3 (28).
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auch wenn keine Weisungsbefugnis besteht. 129 Dies stellt aber eher eine Vermutung dar. Implizit wird durch die Anforderungen des EuGH auch die Frage, ob fachliche bzw. unternehmerische Weisungen für die Arbeitnehmereigenschaft ausreichen, 130 geklärt, da der Umfang der Befugnisse und die Kontrolle durch die Gesellschaft die fachliche Tätigkeit des Organmitglieds betreffen. Deutlich wird dies auch in den Schlussanträgen in der Rechtssache Asscher 131, an der sich der EuGH in der Rechtssache Danosa orientiert zu haben scheint. Danach ist derjenige als Träger der Niederlassungsfreiheit anzusehen, welcher „nach der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Verteilung der Befugnisse in der juristischen Person der Weisung keiner anderen Person oder keines Organes, das er selbst nicht kontrolliert, unterliegt.“ Gesellschaftsrechtliche Weisungen sind demnach beachtlich. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Organmitglieder nicht pauschal als Arbeitnehmer oder Selbständige eingeordnet werden können. 132 Das Ziel des EuGH, den Begriff des Arbeitnehmers weit auszulegen, 133 ist mit dem Wunsch nach größtmöglichem Schutz des schwächeren Vertragsteils zu erklären. Die in der Rechtssache Danosa aufgestellten Kriterien, nach denen ein Unterordnungsverhältnis vorliegt, sind allerdings so breit gefasst, dass im Zweifel die Arbeitnehmereigenschaft immer bejaht werden kann. 134 Um jedoch nicht alle Selbständigen zu erfassen, ist – unabhängig von den Organmitgliedern – zumindest erforderlich, dass die betreffende Person in die Gesellschaft integriert ist. 135 (b) Gesellschaftereigenschaft und Arbeitnehmereigenschaft Die Arbeitnehmereigenschaft ist laut dem EuGH noch nicht ausgeschlossen, wenn die betreffende Person zugleich Gesellschafter des Unternehmens ist, sofern sie im Übrigen in einem Weisungsverhältnis zum Arbeitgeber bezüg129 Siehe Schlussanträge des GA Bot v. 2.9.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 82 (Danosa). 130 Coursier, Le conflit de lois en matière de contrat de travail, S. 24 f. 131 Schlussanträge des GA Léger v. 15.2.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996, I-3089, Rn. 29 (Asscher). 132 Anders: v. d. Groeben/Schwarze/Tiedje/Trodberg, EUV/EGV, Art. 43 EGV Rn. 52; Streinz/Müller-Graff, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 14; Everling, Das Niederlassungsrecht im Gemeinsamen Markt, S. 16; Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 31; Veltmann, Der Anwendungsbereich des Freizügigkeitsrechts, S. 24. 133 EuGH v. 4.2.2010, Rs. C-14/09, Slg. 2010, I-931, Rn. 26 f. (Genc). 134 Der EuGH geht sogar noch darüber hinaus, in dem er den Anwendungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinien von dem arbeitsrechtlichen Hintergrund löst, siehe Krebber, in: FS v. Hoffmann, S. 218 (224). Sehr kritisch auch Rebhahn, EuZA 5 (2012), 3 (28, 33). 135 Siehe Schlussanträge des GA Bot v. 2.9.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 78 (Danosa).
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lich der Ausführung ihrer Arbeit steht. 136 Dadurch, dass der EuGH in der Rechtssache Danosa jedoch auf den Einfluss des Beschäftigten auf seine Abberufung abstellt, spricht zumindest eine Mehrheitsbeteiligung gegen das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses. Allerdings ist auch hier die innere Organisationsstruktur der Gesellschaft zu beachten. Ist etwa der Aufsichtsrat von den Beschlüssen der Anteilseigner unabhängig, fehlt dennoch eine Weisungsgebundenheit. 137Dass der faktische Einfluss des Mehrheitsanteilseigners auf den Aufsichtsrat hierbei eine Rolle spielt, ist angesichts der weiten Auslegung des Arbeitnehmerschutzes nicht zu erwarten. Jedenfalls die Eigenschaft des Ein-Mann-Gesellschafters, der gleichzeitig Geschäftsführer seines Unternehmens ist, ist geklärt: Er ist kein Arbeitnehmer, da es an dem erforderlichen Unterordnungsverhältnis fehlt, 138 denn er unterliegt nicht der Weisung einer anderen Person oder eines Organs, das er nicht selbst kontrolliert. 139 (c) Beteiligung am Geschäftsrisiko Eine Beteiligung am Geschäftsrisiko 140 könnte jedoch die Arbeitnehmereigenschaft einer an der Gesellschaft beteiligten Person ausschließen. 141 Eine wesentliche Beteiligung an der Gesellschaft lässt die Person am unternehmerischen Risiko dadurch partizipieren, dass er dessen Erfolg und Misserfolg im Privatvermögen spürt. 142 Das Risiko des Verlusts ist bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich auf die Kapitaleinlage beschränkt, sie kann sich jedoch bei Organmitgliedern auch aus der Haftung für Verbindlichkeiten ergeben. Organmitglieder haben darüber hinaus auch einen Einfluss auf die Unternehmensziele und die Unternehmenspolitik. Welchen Stellenwert die Beteiligung am Geschäftsrisiko besitzt, ist nicht ganz klar. Selbständig ist jedenfalls im Gegenzug eine Tätigkeit, wenn sie „für eigene Rechnung und auf eigenes Risiko erfolgt“. 143 Da das Organmitglied jedenfalls auch (außer beim Alleingesellschafter) für fremde Rechnung (der Gesellschaft) tätig ist, kann aus der Stellung als Mehrheits-Gesellschafter und Organmitglied noch nicht unmit136 EuGH v. 10.12.1991, Rs. C- 179/90, Slg. 1991, 5889, Rn. 13 (Merci Convenzionali Porto die Genova); Lenz/Borchardt/Scheuer, EU-Verträge Kommentar, Art. 45 AEUV Rn. 8. 137 Mankowski, RIW 2004, 167 (171). 138 EuGH v. 8.6.1999, Rs. C-337/97, Slg 1999, I-3289, Rn. 15 (Meeusen); EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996, I-3089, Rn. 26 (Asscher). 139 Schlussanträge des GA Léger v. 15.2.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996, I-3089 Rn. 29. 140 EuGH v. 14.12.1989, Rs. 3/87, Slg. 1989, 4459, Rn. 36 (Agegate). 141 Mankowski, RIW 2004, 167 (171). 142 Mankowski, RIW 2004, 167 (171). 143 V. d. Groeben/Schwarze/Troberg, EUV/EGV, Art. 43 Rn. 51; Schlachter, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 39 Rn. 10; Schwarze/Schneider/ Wunderlich, EU-Kommentar, Art. 45 AEUV Rn. 14.
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telbar auf dessen Selbständigkeit nach Unionsrecht geschlossen werden. Nicht ausreichend ist auch, wenn die Entlohnung im Wege einer Ertragsbeteiligung erfolgt, 144 es sei denn, dass eine Verlustbeteiligung gewollt ist. 145 c) Rechtsvergleichende Ergebnisse Zur Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs in der Rom I-VO können auch die Ergebnisse der Rechtsvergleichung als Indiz herangezogen werden. 146 Allerdings ist das Unionsrecht aus sich heraus auszulegen. Die Rechtsvergleichung hat dabei unter anderem den Sinn, festzustellen, ob ein schon durch die Auslegung erreichtes Ergebnis auch von den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen geteilt wird. 147 Einer Rechtsordnung bei Unklarheit bezüglich der Auslegung ohne weiteren Begründungsaufwand den Vorzug zu geben, würde hingegen dem unionsrechtlichen Charakter nicht gerecht. 148 Die Rechtsvergleichung hat damit auch eine affirmative Wirkung. Die Merkmale der im ersten Kapitel ermittelten Arbeitsvertragsbegriffe in den untersuchten Rechtsordnungen decken sich weitestgehend mit den vom EuGH geschaffenen Kriterien für den im Unionsrecht erwähnten Arbeitnehmerbegriff. 149 Unterschiede zeigen sich allein bei der Frage des Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnisses von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber. Diesem Kriterium wird teilweise eine nur untergeordnete Rolle neben anderen Faktoren zugesprochen, 150 teilweise sind die Anforderungen höher als die vom EuGH angelegten 151. Letztlich stimmen jedoch die untersuchten sowie – soweit ersichtlich 152 – auch die anderen Mitgliedstaaten in der Anwendung dieses Kriteriums überein. 144
EuGH v. 14.12.1989, Rs. 3/87, Slg. 1989, 4459, Rn. 36 (Agegate). Mankowski, RIW 2004, 167 (171). 146 Zur Rechtsvergleichung als Auslegungsmethode im Unionsrecht: EuGH v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3977 (Handte); Schlussanträge des GA Lagrange, Rs. 3/54 u. 4/54, Slg. 1954, 151, 157 ff. (ASSIDER); Bleckmann, ZGR 1992, 364; Everling, ZGR 1992, 376; Colneric, ZEuP 13 (2005), 225 (229); Lenaerts, I.C.L.Q. 52 (2003), 873 ff.; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, S. 151; de Vareilles-Sommières, Rev. trim. dr. eur. 1992, 712 (721). Zum EVÜ bzw. EGBGB: Mankowski, RIW 2004, 167 (168); Springer, Virtuelle Wanderarbeit, S. 89; Magnus, IPRax 1991, 382 (384); Winkler v. Mohrenfels/Block, EAS B 3000 Rn. 52. 147 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Mayer, Das Recht der Europäischen Union, 40. EL, Art. 1 EGV Rn. 87; Colneric, ZEuP 13 (2005), 225 (229); Martiny, RabelsZ 45 (1981), 427 (442). 148 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Mayer, Das Recht der Europäischen Union, Art. 19 EUV Rn. 60. 149 Vgl. 1. Kapitel § 1 B.I.3, § 2 B.I.3 und § 3 B.II.2. 150 Siehe hierzu in England 1. Kapitel § 2 B.I.3.b)ff). 151 Etwa in Deutschland 1. Kapitel § 1 B.I.3.a)bb). 152 Überblicksweise etwa in: Henssler/Braun, Arbeitsrecht in Europa, S. 149 (Belgien), S. 263 (Estland), S. 296 (Finnland), S. 400 (Griechenland), S. 557 (Irland), S. 613 f. (Ita145
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3. Eignung der untersuchten Quellen für die kollisionsrechtliche Begriffsbildung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO a) Unterschiedliche Zielrichtung der untersuchten Quellen Die Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs aus der Rechtsprechung des EuGH zu den Unionsrechtsakten für den Arbeitsvertragsbegriff in Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO schlicht zu übernehmen, begegnet Bedenken. 153 Laut EuGH existiert kein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff aufgrund der jeweils unterschiedlichen Zielrichtung der Rechtsakte. 154 So wird durch Art. 45 AEUV zur Verwirklichung des Binnenmarktes die Freiheit des Arbeitnehmers zur Aufnahme einer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat geschützt, 155 während der für das Kollisionsrecht entscheidende Qualifikationsprozess dieser Freiheit nachgelagert ist. 156 Auch wird beispielsweise bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit eine trennscharfe Unterscheidung von Arbeitnehmern und Selbständigen aufgrund der ähnlichen Schutzrichtung von Art. 45 AEUV und Art. 49 AEUV nicht für erforderlich gehalten, da beide ein ähnliches Schutzniveau haben. 157 Dagegen ist für das Kollisionsrecht sowohl aufgrund der unterschiedlichen objektiven Anknüpfung von Arbeitsvertrag (Tätigkeitsort, Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO) und beispielsweise Dienstvertrag (gewöhnlicher Aufenthalt, Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO) als auch des Normzwecks von Art. 8 Rom I-VO, Einschränkung der Möglichkeit freier Rechtswahl zum Schutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, 158 eine klare Abgrenzung erforderlich. Der zur Freizügigkeit entwickelte Arbeitnehmerbegriff ist also nicht zwingend maßgeblich für den Arbeitsvertragsbegriff in der Rom I-VO. Die vom EuGH entwickelte Definition des Arbeitnehmerbegriffs stellt allerdings nicht auf eine bestimmte Zielrichtung ab. Lediglich die Subsumtion hierunter lässt rechtsaktbezogene Schutzgedanken erkennen. Aus diesem lien), S. 787 (Niederlande), S. 934 (Österreich), S. 999 (Polen), S. 1063 (Portugal), S. 1392 f. (Spanien). 153 Anders: v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 10 Rn. 75; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 5. Ebenso anderer Ansicht, aber mit der Begründung, dass das gesamte Unionsrecht als lex fori zu verstehen ist: Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (111). 154 EuGH v. 14.10.2010, Rs. C-345/09, Slg. 2010, I-9879, Rn. 88 (van Delft u.a.); EuGH v. 16.6.2009, Rs. C-208/07, Slg. 2009, I-6095, Rn. 68 (Chamier-Glisczinski); EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-85/96, Slg. 1996, I-2691, Rn. 31 (Sala). 155 Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/AEUV, Art. 45 AEUV Rn. 1; Grabitz/Hilf/ Nettesheim/Forsthoff, Das Recht der Europäischen Union, Art. 45 AEUV Rn. 3. 156 Vgl. Knöfel, IPRax 2006, 552 (555); Brödermann, in: Brödermann/Iversen (Hrsg.), Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, Rn. 442. 157 EuGH v. 5.2.1991, Rs. 363/89, Slg. 1991, I-273, Rn. 24 (Roux). 158 Schlunck, Die Grenzen der Parteiautonomie im internationalen Arbeitsrecht, S. 82, zu Art. 30 EGBGB.
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Grund wird auch zu unterschiedlichen Rechtsakten stets auf diese Definition zurückgegriffen. Soweit der Zweck der Rom I-VO nicht etwas anderes erfordert, ist daher nicht erkennbar, warum die Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs nicht grundsätzlich ebenso auf den Arbeitsvertrag Anwendung finden sollten. 159 b) Das Vertragserfordernis in Art. 8 Rom I-VO Ein weiterer Unterschied zum unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ist die explizite Erwähnung des Begriffs „Vertrag“ in Art. 8 Rom I-VO. Im Gegensatz zu Art. 8 Rom I-VO sowie Art. 18 Brüssel I-VO steht bei dem Arbeitnehmerbegriff des EuGH nicht der Arbeitsvertrag im Zentrum der Überlegung, sondern der Arbeitnehmer. 160 Beispielsweise ist es unerheblich, woher die Vergütung für die Tätigkeit stammt. 161 Im Internationalen Privatrecht ist Anknüpfungsgegenstand aber nicht die gesamte Tätigkeit einer Person, sondern nur der konkrete Vertrag. 162 Der Begriff des Vertrags wird nicht näher erläutert, unter Berücksichtigung des materiellen Anwendungsbereichs der Verordnung (Art. 1 Rom I-VO) kann jedoch grundsätzlich auf die Anforderungen an ein vertragliches Schuldverhältnis zurückgegriffen werden. Erforderlich ist demnach eine freiwillige Verpflichtung einer Partei gegenüber einer anderen, die zu einer Sonderverbindung dieser Parteien führt. 163 Dass die Wirksamkeit des Vertrags nicht erforderlich ist, ergibt sich für alle Verträge bereits aus Art. 10 und Art. 12 Abs. 1 lit. d), e) Rom I-VO. Zu beachten ist allein, dass vorvertragliche Ansprüche nach Art. 1 Abs. 2 lit. i) Rom I-VO nicht mehr unter die Rom I-VO fallen, sondern der Rom II-VO nach deren Art. 2 Abs. 1 unterworfen sind.
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Vgl. Cavalier/Upex, I.C.L.Q. 2006, 587 (608); Collier, Conflicts of Laws, S. 203; Krebber, in: FS v. Hoffmann, S. 218 (226); Mankowski, BB 1997, 465 (468); Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (485). 160 Birk, in: FS Ansay, S. 15 (18). 161 EuGH v. 26.11.1998, Rs. C-1/97, Slg. 1998, I-7747, Rn. 25 (Birden). 162 Mankowski, BB 1997, 465 f. 163 EuGH v. 17.6.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3967, Rn. 15 (Handte); EuGH v. 27.10.1998, Rs. C-51/97, Slg. 1998, I-6511, Rn. 17 (Réunion européenne/Spliethoff’s Bevrachtingskantoor); EuGH v. 17.9.2002, Rs. C-334/00, Slg. 2002, I-7357 Rn. 23 (Tacconi); EuGH v. 5.2.2004, Rs. C-265/02, Slg. 2004, I-1543, Rn. 24 (Frahuil). Siehe aus der Literatur zum autonomen Vertragsbegriff auch Briggs, The Conflict of Laws, S. 158; Kegel, GS Lüderitz, S. 347 ff.; Martiny, in: FS Geimer, S. 641 (644 ff.); MünchKommBGB/ders., Art. 1 Rom I-VO Rn. 7; Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obli-gations, Rn. 1-097, 2-001 ff.
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4. Ergebnis Grundvoraussetzung eines Arbeitsvertrags i.S.d. Art. 8 Rom I-VO ist also, dass eine Person aufgrund einer Vereinbarung für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die sie im Gegenzug eine Vergütung erhält. 164 Entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung ist das Über-/Unterordnungsverhältnis. Insbesondere in Bezug auf Organmitglieder werden hieran jedoch nur geringe Anforderungen gestellt. II. Die Qualifikationsverweisung auf das Gesellschaftsstatut 1. Die Qualifikationsverweisung auf das Sachrecht a) Die Qualifikationsverweisung zur Ermittlung der Vertragscharakteristika Während die Auslegung eine Begriffsbestimmung liefert, kann erst durch die Qualifikation eine Subsumtion unter die durch die Auslegung ermittelten Merkmale erfolgen. Die Auslegung ist mithin Bestandteil des Qualifikationsprozesses. 165 Aufgrund dessen liegt es nahe, nach der autonomen Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs auch die Subsumtion autonom durchzuführen. 166 In der Literatur werden diese beiden Schritte daher häufig gar nicht erst getrennt diskutiert, 167 sondern es wird meist unter einem der beiden Stichworte festgestellt, dass autonom qualifiziert oder ausgelegt wird. Dies kann damit erklärt werden, dass wohl in dem Großteil der Fälle sich breite Ausführungen zur Qualifikation erübrigen, sobald die Merkmale eines Arbeitsvertrags feststehen. Aus Sicht des Rechtsanwenders bilden Auslegung und Qualifikation auch eher eine Einheit. 168 Dennoch ist es sinnvoll, sich die Frage zu stellen, nach welchen Maßstäben die Qualifikation vorgenommen werden muss, da sich in den Randbereichen des Arbeitnehmer- bzw. Arbeitsvertragsbegriffs Unterschiede in der sachrechtlichen Behandlung zeigen. Aufgabe der Qualifikation ist es, die tatsächlichen Charakteristika und Inhalte eines Vertrags unter die durch die Auslegung ermittelten Merkmale zu subsumieren. 169 Diese Charakteristika und Inhalte ergeben sich zwar meist aus den Parteiabreden, können jedoch auch aus anderen Umständen folgen. Zu diesen Umständen 164 Siehe auch: Coursier, Le conflit de lois en matière de contrat de travail, S. 24; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 6; MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rom IVO Rn. 17. 165 Heinze, in: FS Kropholler, S. 105 (108); Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (484). 166 Winkler v. Mohrenfels/Block, EAS B 3000, Rn. 53; Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (484). 167 Etwa Smith/Cromack, I.L.J. 22 (1993), 1. 168 Winkler v. Mohrenfels/Block, EAS B 3000, Rn. 53; Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (484). 169 Mankowski, BB 1997, 465 (469).
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zählen etwa Vorgaben aus dem Sachrecht, welche dem Rechtsverhältnis bestimmte Charakteristika zuweisen. 170 Die Notwendigkeit, solche aus dem Sachrecht entstehenden Vorgaben zu beachten, ergibt sich daraus, dass das Schuldverhältnis zwischen den Parteien nicht nur auf Vereinbarungen beruht, sondern ihm rechtliche Vorgaben zugrunde liegen. 171 Solche Vorgaben können jedoch nicht autonom entwickelt werden, sondern orientieren sich an einer Rechtsordnung. Dieses ist in der Regel die Rechtsordnung, nach welcher der Vertrag später zu beurteilen ist, sofern er tatsächlich diese Charakteristika aufweist. Es findet daher insofern eine Qualifikationsverweisung auf die lex causae statt. 172 Obwohl sich – wie bereits zur Auslegung nach der lex causae geschildert – gegebenenfalls Probleme bei einem Statutenwechsel ergeben können, 173 ist dies hier hinzunehmen, da Bezugspunkt der Charakteristika neben den Parteivereinbarungen auch das auf den Vertrag anwendbare Recht ist. Die autonome Auslegung wird dadurch auch nicht im Nachhinein unterlaufen, da sich aus der lex causae nur die Charakteristika ergeben, welche unter die schon autonom ermittelten Kriterien des Arbeitsvertragsbegriffs subsumiert werden. b) Der Rechtsformzwang und die Organmitglieder Von der Subsumtion der Vertragscharakteristika unter die Elemente des Arbeitsvertragsbegriffs zu unterscheiden ist der sog. Rechtsformzwang, welcher bislang im Wesentlichen im Sachrecht Bedeutung erlangt hat. Der Rechtsformzwang hat dabei zwei Facetten. Zum einen kann der Rechtsformzwang dazu führen, dass nicht die Bezeichnung durch die Vertragsparteien oder deren Wille für die Einordnung eines Rechtsverhältnisses, sondern die objektive Rechtslage entscheidend ist, wie dies auch im Europarecht bereits anerkannt ist. 174 Zum anderen kann durch den Rechtsformzwang aber auch unabhängig von dem Bestehen objektiver Vertragsbedingungen eine Einordnung des Rechtsverhältnisses vorgegeben sein. 175 So sieht das französische Recht beispielsweise nach Art. L. 7313-1 C. trav. für Handelsvertreter vor, dass diese zwingend Arbeitnehmer sind. Dieser zweite Aspekt des Rechtsformzwangs löst sich also insoweit von einem Arbeitsvertrags-/Arbeitnehmerbegriff mit festen Merkmalen und stellt allgemeine (gesetzgeberische) Wertungen in den Vordergrund. 170
Mankowski, BB 1997, 465 (469). Allgemein: M. Audit, Clunet 2004, 789 (809 ff.) Mankowski, BB 1997, 465 (469). 172 Mankowski, BB 1997, 465 (469). 173 Deinert, RdA 2009, 144 (154; Knöfel, RdA 2006, 269 (273). Siehe auch 2. Kapitel § 2 C.I.1.d). 174 Vgl. EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg, 2010, I-11405, Rn. 39, 41 (Danosa); EuGH v. 13.1.2004, Rs. C-256/01, Slg. 2004, I-873, Rn. 71 (Allonby). 175 Birk, in: FS Ansay, S. 15 (21 ff.). 171
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Auswirkungen auf die Qualifikation als Arbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Rom IVO hat der nationale Rechtsformzwang nicht. Es sind zwar bei der Qualifikation nationale Vertragscharakteristika zu berücksichtigen, diese werden durch den Rechtsformzwang jedoch nicht beeinflusst. Eine Bedeutung kann dem nationalen Rechtsformzwang demnach – wenn überhaupt – erst bei der Anwendung des Sachrechts zukommen. 176 Für die Einordnung von Organmitgliedern existiert in den behandelten Rechtsordnungen und – soweit ersichtlich – auch in den Rechtsordnungen der anderen Mitgliedstaaten jedoch ohnehin kein Rechtsformzwang. Sofern etwa im Sachrecht die Organmitglieder bei der auf die Organstellung gerichteten Tätigkeit nur von der Anwendung bestimmter Normen (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) ausgenommen werden oder auf diese Tätigkeit arbeitsrechtliche Vorschriften für analog anwendbar erklärt werden, 177 handelt es sich um keine allgemeinen Vorgaben für deren arbeitsrechtliche Einordnung im positiven oder negativen Sinne. Das Gesetz gibt also etwa in Deutschland bei dem auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnis die Arbeitnehmereigenschaft weder positiv noch negativ vor, sondern verhält sich neutral. 178 Darüber hinaus sind die Sichtweisen in den verschiedenen Rechtsordnungen bezüglich der Einordnung der Organmitglieder nicht als eine allgemein gültige Regel zu verstehen, sondern gelten nur für die Organmitglieder der nationalen Gesellschaften. 179 Ein europarechtlicher Rechtsformzwang existiert für Organmitglieder bislang ebenso wenig und ist auch nicht zu erwarten. 2. Bedeutung des Gesellschaftsstatuts für die Qualifikation des Arbeitsvertrags Die für die Qualifikation eines Arbeitsvertrags notwendigerweise zu ermittelnden Vertragscharakteristika können sich bei den Organmitgliedern nicht nur aus den Parteiabreden, sondern auch aus rechtlichen Vorgaben ergeben. Rechtliche Vorgaben resultieren jedoch weniger aus dem Arbeits- oder Dienstrecht, als vielmehr aus dem Gesellschaftsrecht: Satzung und gesetzliche Regelungen bestimmen, inwiefern Organmitglieder weisungsgebunden sind oder ob sie grundsätzlich weisungsfrei sein sollen. 180 Diese sich aus dem Gesellschaftsstatut ergebenden gesellschaftsrechtlichen Vorgaben gelten primär für das gesellschaftsrechtliche Bestellungsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft. Ob diese Vorgaben auch ein getrennt von der Bestellung bestehendes Arbeitsverhältnis beeinflussen können, ist nicht 176
Vgl. zum Rechtsformzwang im Kollisionsrecht Birk, in: FS Ansay, S. 15 (29); Krebber, in: FS v. Hoffmann, S. 218 (228). 177 Hierzu 1. Kapitel § 1 B.I.4. 178 Hierzu 1. Kapitel § 1 B.I.2.b). 179 Siehe hierzu auch 2. Kapitel § 2 E.III.2. 180 Siehe 1. Kapitel § 1 A., § 2 A.II., § 3 A.II.
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selbstverständlich. Es ist zu beachten, dass durch den Ausschluss des Gesellschaftsrechts nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO die Arbeitsverhältnisse, welche nach Art. 8 Rom I-VO qualifiziert werden könnten, gerade keine Frage des Gesellschaftsrechts betreffen. Mangels des Betreffens gesellschaftsrechtlicher Fragen ist daher nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Vorgaben aus dem gesellschaftsrechtlichen Bestellungsverhältnis auch auf das getrennt hiervon bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung finden können. Die Bestellungsbedingungen finden auf einen solchen Vertrag also nicht direkt, sondern allenfalls mittelbar Anwendung. Ist der Vertrag auf die Organstellung selbst gerichtet, können auch gesellschaftsrechtliche Weisungen zu einem Unterordnungsverhältnis führen, wenn etwa eine faktische Weisungsbindung auch für das Arbeitsverhältnis entsteht. Andererseits kann auch ein Ausschluss der Weisungsgebundenheit auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, etwa nach § 76 AktG bei dem Vorstandsmitglied einer deutschen Aktiengesellschaft, auf die Anstellungsebene durchschlagen. 181 Demgegenüber sind für einen mit der Gesellschaft geschlossenen, nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsvertrag die Bestellungsbedingungen irrelevant, da diese Organtätigkeit nicht Gegenstand des Arbeitsvertrags ist. Anders ist dies wiederum bei dem mit der Konzernmutter geschlossenen Vertrag, der die Organstellung in der Tochtergesellschaft zum Gegenstand hat. Hier ist wesentlich, ob die Organstellung einer solchen Weisungsgebundenheit mit der Muttergesellschaft widerspricht. 182 Ist dies der Fall, schließt diese gesellschaftsrechtlich vorgeschriebene Weisungsfreiheit gegebenenfalls ein Unterordnungsverhältnis aus. Daher ist das jeweilige Gesellschaftsstatut für die Qualifikation heranzuziehen 183 und darauf zu überprüfen, ob die rechtlichen Vorgaben Einfluss auf die Qualifikation nehmen. Es handelt sich dabei nicht um eine Qualifikationsverweisung auf die lex causae, sondern um eine Qualifikationsverweisung auf das Gesellschaftsstatut.
181
Siehe zu den auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnissen: 1. Kapitel § 1 B.I.1.b), 3.a)cc)(2) und § 2.B.I.3.b)aa)(2). 182 Näher unten 2. Kapitel § 3 D.II.2. 183 Czernich/Tiefenthaler/Kodek/Czernich, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Art. 18 EuGVVO Rn. 6; Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 8b; ders., RIW 2004, 167 (169); ders., LAGE Art. 30 EGBGB Nr. 7.
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D. Grundsätze zur Bestimmung des auf den Individualarbeitsvertrag eines Organmitglieds nach Art. 8 Rom I-VO anzuwendenden Rechts I. Korrektur einer möglichen Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO 1. Rechtswahlkorrektur durch Anwendung zwingender arbeitsrechtlicher Vorschriften des objektiven Vertragsstatuts Das auf den Individualarbeitsvertrag anwendbare Recht kann gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO von den Parteien weitgehend frei vereinbart werden, eine objektive Beziehung zu dem Recht ist nicht erforderlich. Einzige Korrekturen der Rechtswahl sind das Günstigkeitsprinzip nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO sowie bei fehlendem Auslandsbezug die zwingenden inländischen bzw. europäischen Vorschriften nach Art. 3 Abs. 3, Abs. 4 Rom I-VO. 184 Angesichts der in den Rechtsordnungen unterschiedlichen Ansichten zu der arbeitsrechtlichen Stellung von Organmitgliedern ist insbesondere der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO relevant. Es findet danach ein Vergleich des gewählten Rechts mit dem sich aus einer objektiven Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 Rom I-VO ergebenden Arbeitsvertragsstatut statt. Ist ein Recht gewählt worden, welches das kollisionsrechtlich als Individualarbeitsvertrag qualifizierte Verhältnis nicht arbeitsrechtlich, sondern dienstvertraglich einordnet, ist das objektive Vertragsstatut zu befragen, ob es zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen für das Rechtsverhältnis des Organmitglieds enthält. Ist dies der Fall, so sind diese Vorschriften neben dem gewählten Recht anwendbar. Hierzu zählen etwa Vorschriften des Kündigungsrechts, der Lohnfortzahlung oder des Mutterschutzes. Jedoch ist in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen das Arbeitsrecht in vielen Bereichen auch durch europäische Verordnungen und Richtlinien geprägt. Soweit dort die jeweilige Richtlinie auf einen europäischen Arbeitnehmerbegriff abstellt, entscheidet dann nicht mehr der eventuell enge nationale, sondern der weite unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff über die Anwendbarkeit einer Vorschrift. 185 Hierdurch relativiert sich in diesen Fällen der Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO bei einem Vergleich mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen. 2. Heranziehen von analog anwendbaren Schutzbestimmungen des objektiven Vertragsstatuts Eine Besonderheit für das Rechtsverhältnis der Organmitglieder ergibt sich, wenn das objektiv ermittelte Arbeitsvertragsstatut das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwar verneint, arbeitsrechtliche Normen dieses Statuts auf 184
MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO, Rn. 25 f., 107, 109. Vgl. hierzu v. Medem, ArbRAktuell 2010, 654; Fischer, NJW 2011, 2329 (2331); Oberthür, NZA 2011, 253 (256). 185
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Organmitglieder aber analog angewendet werden sollen. 186 Gehören diese arbeitsrechtlichen Normen zu dem zwingenden Recht, beispielsweise im deutschen Recht die analoge Anwendung von § 622 Abs. 1 BGB 187, könnten sie über das Günstigkeitsprinzip des Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO anzuwenden sein. Dazu müsste das Günstigkeitsprinzips nicht nur die direkte, sondern auch die analoge Anwendung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften erfassen. Umstritten ist bereits, welcher Art die Normen sein müssen, um als Bestimmungen i.S.d. Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO zu gelten. Jedenfalls zählen Vorschriften des Sonderprivatrechts hierzu. 188 Teilweise verneint wird eine Anwendbarkeit des Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO auf Normen des allgemeinen Privatrechts, die auch unabhängig von der Arbeitnehmereigenschaft dem Schutz des schwächeren Vertragspartners dienen. 189 Es fehle der spezifische Charakter des Arbeitnehmerschutzrechts. Bei den hier relevanten Normen handelt es sich jedoch ohnehin um arbeitsrechtliche Schutzvorschriften. Diese werden von dem objektiv ermittelten Arbeitsvertragsstatut lediglich aufgrund anderer Einordnung des Individualarbeitsvertrags durch das Sachrecht analog angewendet. Relevant ist jedoch nicht die sachrechtliche Charakterisierung des Rechtsverhältnisses, sondern dass arbeitsrechtliche Normen Anwendung finden. Dafür spricht auch der Schutzzweck des Günstigkeitsprinzips, den schwächeren Teil eines Individualarbeitsvertrags zu schützen. Ist ein Rechtsverhältnis kollisionsrechtlich als Individualarbeitsvertrag qualifiziert, findet bei einer Rechtswahl also ein Günstigkeitsvergleich auch mit den arbeitsrechtlichen Normen des objektiv ermittelten Arbeitsvertragsstatuts statt, die von diesem Vertragsstatut nur analog angewendet würden. Hierfür ist eine analoge Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO nicht erforderlich. 190
186
Vgl. hierzu OLG Düsseldorf v. 3.4.2003, LAGE Art. 30 EGBGB Nr. 7. BGH v. 29.1.1981, BGHZ 79, 291. 188 MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn. 34. 189 Birk, RdA 1989, 201 (206); MünchHdb-ArbR/Oetker, § 11 Rn. 23. Wohl auch v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. II, Rn. 448. Hingegen für eine Anwendbarkeit auch dieser Bestimmungen: Hohloch, in: FS Heiermann, S. 143 (147); MünchKomm-BGB/ Martiny, Art. 8 Rom I-VO, Rn. 34; Staudinger/Magnus, BGB, Art. 8 Rom I-VO, Rn. 72. 190 Anders zu Art. 30 EGBGB OLG Düsseldorf v. 3.4.2003, LAGE Art. 30 EGBGB Nr. 7 mit kritischer Anmerkung Mankowski. 187
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II. Objektive Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 Rom I-VO und der Einfluss des Gesellschaftsstatus über Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO 1. Die Regelanknüpfung des Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 Rom I-VO an den Tätigkeitsort oder den Ort der einstellenden Niederlassung Wurde keine Rechtswahl getroffen, bestimmt sich das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nach objektiven Anknüpfungspunkten. Diese sind zum einen der Ort, „in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“ (Tätigkeitsort, Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO), zum anderen der Ort, in dem sich die einstellende Niederlassung befindet (Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO). Auf den Ort der einstellenden Niederlassung kommt es jedoch nur an, wenn ein Tätigkeitsort nicht bestimmt werden kann. 2. Der Einfluss des Gesellschaftsstatuts über Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO auf die objektive Anknüpfung des Arbeitsvertrags a) Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO als Ausnahmeklausel Die Regelanknüpfung nach Art. 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Rom I-VO greift dann nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. Dann ist nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO das Recht dieses Staates anzuwenden. Eine Anwendung der Ausweichklausel nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO ist jedoch dem Ausnahmefall vorbehalten 191 und nur im Falle einer fehlenden Rechtswahl möglich. Denn Zweck der Regelanknüpfung ist es zum einen, eine gewisse Rechtssicherheit bei der Anknüpfung zu bieten, und zum anderen, den Arbeitnehmer als die schwächere Vertragspartei mittels der Anknüpfung an den Arbeitsort zu schützen, da das dortige geschäftliche und politische Umfeld die Arbeitstätigkeit beeinflusst. 192 Eine stark restriktive Handhabung der Ausweichanknüpfung ist jedoch nicht notwendig. Dies ergibt sich schon aus einem Vergleich zu der in Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO geregelten Ausweichanknüpfung. Dort wird eine „offensichtlich engere Verbindung“ zu einem anderen Staat gefordert, während für Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO eine „engere Verbindung“ ausreicht. 193 Ferner zeigt sich auch in der Entstehungs191
Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (536); Bureau/Muir Watt, Droit international privé II, Rn. 944; Solomon, Tul. L. Rev. 82 (2008), 1709 (1720). Siehe auch den Vorschlag des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, RabelsZ 68 (2004), 1 (42, 103). 192 EuGH v. 10.4.2003, Rs. C-437/00, Slg. 2003, I-3573, Rn. 18, 22 (Pugliese); EuGH v. 15.3.2011, Rs. C- 29/10, Slg. 2011, I-1595, Rn. 41 (Koelzsch). 193 Vgl. zu vermehrter Flexibilität: Garcimartín Alférez, EuLF 2008, I-61 (I-76); Lando/ Nielsen, CMLRev. 45 (2008), 1687 (1713). In der englischen Version ist dies noch deutlicher: Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO: „Where it is clear from all the circumstances of the case
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geschichte der Rom I-VO, dass der Ausweichklausel in Art. 8 Abs. 4 Rom IVO eine größere Bedeutung beigemessen wird: Ein Vorschlag der Kommission, 194 die Ausweichklausel zu den jetzt in Art. 4 Rom I-VO geregelten Verträgen zu beseitigen, galt nicht für Arbeitsverträge. b) Anforderungen an eine engere Verbindung zum Gesellschaftsstatut Trotz des Ausnahmecharakters der Ausweichklausel ist es auch möglich, typische Fallkonstellationen zu bilden und typische Regeln zur Anknüpfung für diese zu entwickeln. 195 Allerdings darf hierdurch kein eigenes System mit Anknüpfungsregeln entstehen, welches die Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Rom I-VO umgehen würde. 196 Die Arbeitsverträge der Organmitglieder könnten unabhängig von der Regelanknüpfung stets eine engere Verbindung zu dem Staat besitzen, dessen Recht auch auf die Gesellschaft anwendbar ist. Hintergrund der Überlegung ist, dass das Gesellschaftsstatut das Bestellungsverhältnis erfasst und teilweise auch Vorgaben für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses enthalten kann. Erforderlich ist in jedem Fall, dass die Gesamtheit der Umstände ein Abweichen von der Regelanknüpfung verlangt. Was hierunter zu verstehen ist, wird in der Verordnung nicht konkretisiert. Von Rechtsprechung und Literatur werden persönliche Kriterien (gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien), 197 räumliche Kriterien (Sitz des Arbeitgebers, Wohnsitz des Arbeitnehmers) 198 sowie vertragsbezogene Kriterien (Vertragssprache, Währung, Gerichtsstand) 199 zur Bestimmung einer engen Verbindung herangezogen. 200 Rein subjektive Kriterien, wie das nach einem hypothetischen Parteiwillen
that the contract is manifestly more closely connected with a country…”; Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO: „Where it appears from the circumstances as a whole that the contract is more closely connected with a country…”. 194 Vorschlag vom 15.12.2005 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, KOM (2005), 650 endg., S. 6, 19. 195 Kreuzer, in: FS Zajtay, S. 295 (324 ff.); MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom IVO, Rn. 246; Springer, Virtuelle Wanderarbeit, S. 194 f. Nur einzelfallbezogene Abwägung Mankowski, IPRax 2003, 465 (470). Siehe auch Hirse, Die Ausweichklausel im Internationalen Privatrecht, S. 384 ff. 196 Mankowski, IPRax 2003, 464 (471). 197 BAG v. 24.8.1989, AP IPR-ArbR Nr. 30; BAG v. 17.7.1997, AP Art. 27 EGBGB n. F. Nr. 2; v. Bar, Internationales Privatrecht, Bd. II, Rn. 530; Clausnitzer/Woppen, BB 2008, 1804; Deinert, RdA 1996, 341. 198 BAG v. 9.7 2003, AP Art. 27 EGBGB n. F. Nr. 7. 199 BAG v. 24.8.1989, AP IPR-ArbR Nr. 30; BAG v. 11.12.2003, AP Art. 27 EGBGB n. F. Nr. 6. 200 Zu allem: MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rn. 68 ff.
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vermutlich gewählte Recht, sind unbeachtlich. 201 Führen die persönlichen, räumlichen und vertragsbezogenen Kriterien alle zu demselben Staat, wird ein abweichender gewöhnlicher Arbeitsort als Anknüpfung grundsätzlich verdrängt. 202 Dabei ist zu beachten, dass für sich genommen keines dieser Kriterien ausschlaggebende Bedeutung hat. 203 Das Bestehen einer engeren Verbindung zum Statut der Gesellschaft setzt also voraus, dass mehrere dieser Kriterien auf den Arbeitsvertrag des Organmitglieds zutreffen. Dies ist möglich, eine generelle Regel, dass stets eine engere Verbindung zum Gesellschaftsstatut vorliegt, lässt sich anhand dieser Kriterien aber nicht begründen, da alle genannten Kriterien im Einzelfall anders liegen können. Selbst der Sitz des Arbeitgebers, also der Gesellschaft, kann verlegt werden, ohne dass dies Einfluss auf das Gesellschaftsstatut hat. 204 Eine Berücksichtigung der Einzelumstände kann daher keine typische Anknüpfungswirkung entfalten. c) Möglichkeit einer akzessorischen Anknüpfung an das Bestellungsverhältnis oder den Gesellschaftsvertrag Eine engere Verbindung nach Art. 8 Abs. 4 kann sich jedoch auch aus einer akzessorischen Anknüpfung an andere Vertragsverhältnisse ergeben, wie sich aus Erwägungsgrund Nr. 20 S. 2 der Rom I-VO ergibt. In Betracht kommt bei Organmitgliedern der Gesellschaftsvertrag 205 oder das mit der Gesellschaft geschlossene, dem Gesellschaftsstatut unterliegende Bestellungsverhältnis. Der Unterschied zur Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut selbst ist, dass die akzessorische Anknüpfung nicht auf Einzelkriterien abstellt, sondern allein auf die Nähe zu einem anderen Vertragsverhältnis. Die Anknüpfungsregel könnte daher lauten: Der Arbeitsvertrag eines Organmitglieds ist stets akzessorisch an das Gesellschaftsstatut bzw. sein Bestellungsverhältnis anzuknüpfen. Eine solch generelle Regel zur akzessorischen Anknüpfung an ein Vertragsverhältnis wird allgemein für Vergleiche 206, Ruhegehaltsvereinbarungen 207, Bürgschaften bei Identität von Hauptschuldner und Bürgen 208 sowie 201 Junker, in: FS 50 Jahre BAG, S. 1197 (1204); MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn. 71; Lando, Rec. des Cours 1984-VI, 225 (307). 202 Staudinger/Magnus, BGB, Art. 8 Rom I-VO Rn. 134. 203 BAG v. 24.8.1989, AP IPR-ArbR Nr. 30; Thüsing, NZA 2003, 1303 (1305). 204 Siehe 2. Kapitel § 2 E.II.1. 205 Harbarth/Nordmeier, IPRax 2009, 393 (397). 206 Soergel/v. Hoffmann, BGB, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 116; Kreytenberg, Die individuelle Schwerpunktbestimmung internationaler Schuldverträge, S. 189. 207 BAG v. 15.12.1967, AP IPR-ArbR Nr. 11. 208 CA Versailles v. 6.2.1991, Rev. crit. dr. int. priv. 80 (1991), 745. Anders bei nur Teilidentität: Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Staudinger/Ferrari, Internationales Vertragsrecht, Art. 4 Rom I-VO Rn. 118; Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 166.
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für sonstige angelehnte Verträge, also solche, die allein der Abänderung, Ergänzung oder Erfüllung des Hauptvertrags dienen, 209 bejaht. Voraussetzung für ein Abweichen von der Regelanknüpfung ist, dass die beiden Verträge inhaltlich zusammengehören und ein „größeres Ganzes“ bilden. 210 Ziel ist es, mögliche Widersprüche oder Anpassungsprobleme, die durch die Anwendung unterschiedlicher Rechte auf Einzelverträge, die einen gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, zu vermeiden 211 und eine (materielle) Harmonie 212 zwischen den Verträgen anzustreben. Der Wunsch nach Harmonie und Einheitlichkeit allein ersetzt dabei aber keine objektiven Argumente für das Bestehen eines inhaltlichen Zusammenhangs zwischen zwei Rechtsverhältnissen. 213 Ob der jeweilige Arbeitsvertrag diese Anforderungen erfüllt und stets akzessorisch anzuknüpfen ist, hängt von dem Inhalt des Vertrags ab. Je nachdem, mit wem er geschlossen wurde und ob er sich auf die Organtätigkeit oder eine hiervon getrennte Tätigkeit bezieht, kann er einen Einfluss auf die Anknüpfung haben. Diese Frage ist daher für die Arbeitsverhältnisse unten im Einzelnen zu klären. 214 Eine akzessorische Anknüpfung an den Gesellschaftsvertrag 215 wirft weitere Schwierigkeiten auf, da der Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern abgeschlossen wird und nicht – wie die hier relevanten Arbeitsverträge – zwischen Organmitglied und Gesellschaft bzw. Muttergesellschaft. Grundsätzlich ist nämlich eine akzessorische Anknüpfung nur an ein Rechtsverhältnis möglich, welches zwischen denselben Parteien geschlossen wurde, 216 so dass eine akzessorische Anknüpfung an den Gesellschaftsvertrag ausscheidet. Etwas anderes gilt dann, wenn das Organmitglied Mitgesellschafter ist und im Gesellschaftsvertrag sich zur Wahrnehmung der Organtätigkeit verpflichtet hat. Der auf die Organstellung gerichtete Arbeitsvertrag ist dann akzessorisch an diesen Gesellschaftsvertrag anzuknüpfen.
209
Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Staudinger/Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 1. Aufl., Art. 28 EGBGB Rn. 69; Kreytenberg, Die individuelle Schwerpunktbestimmung internationaler Schuldverträge, S. 188 ff.; Gamillscheg AcP 157 (1958/59), 303 (334). 210 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 18 I 1 d; MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 253. 211 MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 254. 212 Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 117. Kritisch Vetter, NJW 1987, 2124 (2126). 213 Vetter, NJW 1987, 2124 (2126). 214 Siehe 2. Kapitel § 3 B.III.2, § 2 B.III., § 2 C.III.2. 215 Harbarth/Nordmeier, IPRax 2009, 393 (397). 216 MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 255; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 116; Mankowski, IPRax 2003, 464 (471).
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III. Ergebnis Wird zwischen Gesellschaft und Organmitglied eine Rechtswahl getroffen, ist zu beachten, dass unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom IVO auch die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen des objektiven Vertragsstatuts angewendet werden können. Hierzu zählen auch nur analog anzuwendende arbeitsrechtliche Vorschriften. Besteht keine Rechtswahl, richtet sich das auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht nach der Regelanknüpfung des Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 Rom IVO, sofern nicht im Einzelfall eine engere Verbindung an das Gesellschaftsstatut zu bejahen ist. Dies kann u.U. dazu führen, dass sich das auf die Gesellschaft und das auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht unterscheiden. E. Das Auseinanderfallen des auf die Gesellschaft und des auf den Individualarbeitsvertrag eines Organmitglieds anzuwendenden Rechts I. Einführung in die Problematik Durch eine vom gesellschaftsrechtlichen Bestellungsverhältnis getrennte Qualifikation des Arbeitsverhältnisses bestehen kollisionsrechtlich zwei Rechtsverhältnisse. Das anwendbare Recht richtet sich dabei für das Bestellungsverhältnis nach dem Gesellschaftsstatut, für das Arbeitsverhältnis nach dem über Art. 8 Rom I-VO bestimmten Arbeitsvertragsstatut. Unterscheidet sich die auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Rechtsordnung von der des Gesellschaftsstatuts, ist dies insofern problematisch, als das Verhältnis von Arbeits- und Gesellschaftsrecht im Sachrecht derart aufeinander abgestimmt ist, dass gesellschaftsrechtliche Regelungen in der Regel Vorrang vor arbeitsvertraglichen Vereinbarungen haben. 217 Für die Behandlung von Arbeitsverhältnissen der Organmitglieder stellt sich daher die Frage, welche gesellschaftsrechtlichen Normen auf diese Arbeitsverhältnisse anwendbar sind. Als auf das Arbeitsverhältnis unmittelbar anwendbares Gesellschaftsrecht kommen zum einen die gesellschaftsrechtlichen Normen des Arbeitsvertragsstatuts in Betracht. Ob neben den arbeitsrechtlichen Normen auch gesellschaftsrechtliche Normen erfasst sind, stellt eine Frage der Reichweite bzw. des Umfangs der kollisionsrechtlichen Verweisung des Art. 8 Rom I-VO dar. Zum anderen kann es sich auch um (aus Sicht des Arbeitsvertragsstatuts) ausländische, insbesondere die sich aus dem Bestellungsverhältnis ergebenden gesellschaftsrechtlichen Normen handeln, soweit diese im Rahmen einer Sonderanknüpfung nach Art. 9 Rom I-VO zur Anwendung gebracht werden können. Bei der Anwendung von Gesellschaftsrecht auf das Arbeitsverhältnis 217 Vgl. beispielsweise: 1. Kapitel § 1 B.I.1.b), § 1 B.I.3.a)cc)(2), § 1 B.II.2.b)aa), § 1 B.III.1.c), § 2 B.I.1.b), § 2 B.I.3.b)aa)(2), § 3 B.I.1.a), § 3 B.II.2.d), § 3 B.II.3.
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ist allerdings stets der Auslandsbezug, also der Umstand zu berücksichtigen, dass Arbeits- und Gesellschaftsrecht unterschiedlichen Rechtsordnungen entstammen können. Zunächst ist jedoch entscheidend, wann auf das Arbeitsverhältnis tatsächlich ein anderes Recht als auf die Gesellschaft anwendbar ist. Erst wenn eine Divergenz der Rechtsordnungen besteht, wird überhaupt die Frage relevant, inwieweit gesellschaftsrechtliche Normen bei arbeitsvertraglicher Qualifikation im Sachrecht Anwendung finden. Zur Veranschaulichung sollen folgende Beispiele dienen: Beispiel 1: Eine deutsche GmbH hat ihren Verwaltungssitz in Frankreich. Wegen hauptsächlicher Tätigkeit des Geschäftsführers in Frankreich wäre auf einen mit ihm abgeschlossenen, auf die Organstellung gerichteten Arbeitsvertrag nach der Regelanknüpfung des Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO grundsätzlich französisches Recht anwendbar. Die Gesellschaft hingegen könnte weiterhin deutschem Recht unterliegen, welches keine Einwände gegen den Vertrag hat. Da aber das französische Gesellschaftsrecht bestimmte Wirksamkeitsanforderungen an den Arbeitsvertrag eines Geschäftsführers stellt, insbesondere fordert, dass sich der Vertrag auf eine von der Geschäftsführung getrennte Tätigkeit bezieht, 218 ist entscheidend, ob durch das Vertragsstatut auch das französische Gesellschaftsrecht mit zur Anwendung berufen wird. Ist dies der Fall, wäre der Arbeitsvertrag nichtig. Beispiel 2: Eine französische SARL mit Verwaltungssitz in Deutschland möchte ihren Geschäftsführer abberufen. Trotz des französischen Verbots eines auf die Organstellung gerichteten Arbeitsvertrags wurde ein solcher mit der Gesellschaft abgeschlossen. Ist wegen der Tätigkeit des Geschäftsführers in Deutschland auf dieses Arbeitsverhältnis deutsches Recht anwendbar, entscheidet dieses gemäß Art. 10 Rom I-VO auch über die Wirksamkeit des Vertrags. Dem französischen Prinzip der sofortigen Abberufbarkeit kann nur Rechnung getragen werden, wenn es über Art. 9 Rom I-VO Anwendung finden kann. Ansonsten ist der Vertrag wirksam und eine gesonderte Kündigung notwendig. Unter der gleichen Bedingung gelten auch nur die strengen Anforderungen des französischen Gesellschaftsrechts an einen nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsvertrag. Beispiel 3: Eine Limited englischen Rechts entsendet ihren Arbeitnehmer in eine deutsche AG, in der dieser als Vorstandsmitglied bestellt wird. Ein mit der englischen Muttergesellschaft geschlossener, auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichteter Anstellungsvertrag könnte unwirksam sein, wenn trotz Vereinbarung englischen Rechts die in Deutschland notwendige 218
Hierzu 1. Kapitel § 3 B.II.2.b).
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Zustimmung des Aufsichtsrats oder eine entsprechende Satzungsregelung für einen Drittanstellungsvertrag fehlt. Dies gilt allerdings nur, sofern die im deutschen Gesellschaftsrecht verankerte Vorschrift des § 84 Abs. 1 S. 1, S. 5 i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG auch Anwendung auf den Vertrag mit der Muttergesellschaft findet. II. Divergenz der auf die Gesellschaft und den Individualarbeitsvertrag anzuwendenden Rechtsordnungen 1. Die Anknüpfung der Gesellschaft an den Gründungsort Ob sich das Gesellschaftsstatut nach dem Ort der Gründung der Gesellschaft (sog. Gründungstheorie) oder nach dem Ort des (Haupt-)Verwaltungssitzes (sog. Sitztheorie) bestimmt, gilt für Gesellschaften innerhalb der Europäischen Union durch die Rechtsprechung des EuGH 219 zur Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV zugunsten der Gründungstheorie weitgehend als geklärt. 220 Der EuGH hat auch in der Rechtssache Cartesio klargestellt, dass allein das Recht des Gründungsstaates einer Gesellschaft für deren Wirksamkeit entscheidend ist. 221 Dieses kann den Wegzug verhindern. 222 Das ändert aber nichts daran, dass der Niederlassungsfreiheit ein kollisionsrechtlicher Gehalt zu entnehmen ist. 223 Soweit nach dem Recht des Gründungsstaates feststeht, dass eine Gesellschaft auch jenseits dieser nationalen Rechtsordnung existieren kann, kommt die Niederlassungsfreiheit zur Anwendung. Das Recht des Zuzugsstaats entscheidet dann nicht über die Wirksamkeit der Gesellschaft. Stattdessen ist allein das Gründungsrecht maßgeblich und dieses auch auf die Gesellschaft anzuwenden. 224 219
EuGH v. 9.3.1999, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459 (Centros); EuGH v. 5.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919 (Überseering); EuGH v. 30.9.2003, Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155 (Inspire Art). 220 Ulmer, NJW 2004, 1201 ff.; Behrens, IPRax 2003, 193 (204 f.); Kieninger, ZEuP 2004, 685 (692); Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 772; Leible, ZGR 2004, 531 (534); ders./Hoffmann, RIW 2002, 925 (930 ff.); dies., ZIP 2003, 925, (926, 930 f.); Wymeersch, CMLR 40 (2003), 661 (685, 695). 221 EuGH v. 16.12.2008, Rs. C-210/06, Slg. 2008, I-9641, Rn. 110 (Cartesio). Vorher auch schon EuGH v. 27.9.1988, Rs. C-81/87, Slg. 1988, 5483, Rn. 19 f. (Daily Mail). 222 Hierzu: Kindler, IPRax 2009, 189 (191); MünchKomm-BGB/ders., Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn. 111 ff., 136 ff. Zuvor bereits Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651 (674). 223 Weller, IPRax 2003, 324 (327 f.); ders., IPRax 2009, 202 (205). Anderer Ansicht hierzu: Kindler, IPRax 2009, 189 (191); MünchKomm-BGB/ders., Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn. 111 ff. 224 Anders aber im Verhältnis zu Ländern außerhalb der EU und des EWR: BGH v. 27.10.2008, NJW 2009, 289.
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2. Anwendbarkeit unterschiedlichen Rechts bei unterschiedlichen Anknüpfungspunkten für Individualarbeitsvertrag und Gesellschaft Nach Art. 8 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO kann für den Individualarbeitsvertrag ein Recht grundsätzlich frei gewählt werden. Dies muss nicht mit dem auf die Gesellschaft anzuwendenden Rechts identisch sein, so dass es hier zu einer Divergenz der Rechtsordnungen kommen kann. Unabhängig von einer Rechtwahl sind auf die Gesellschaft und auf das Arbeitsverhältnis grundsätzlich auch unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar, wenn der Tätigkeitsort des Organmitglieds nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO in einem anderen Staat liegt als der Gründungsort der Gesellschaft. Dies ist insbesondere in den Fällen denkbar, in denen die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in ein anderes Land verlegt hat. Denn das Organmitglied ist in der Regel gewöhnlich am Verwaltungssitz tätig, so dass dessen Recht auf den Arbeitsvertrag anwendbar ist. Für das auf die Gesellschaft anzuwendende Recht hingegen ist die Verlegung des Verwaltungssitzes unerheblich und es bleibt beim Recht des Gründungsortes. Es sind also zwei unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar. Kommt nach Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO das Recht des Staates zur Anwendung, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, ist ebenso eine Divergenz der Rechtsordnungen von Gesellschaftsund Arbeitsvertragsstatut möglich. Dies ist der Fall, wenn auf die Gesellschaft nicht das Recht des Staates anwendbar ist, in dem sie sich im Zeitpunkt der Anstellung des Organmitglieds befindet. Ein Gleichlauf der Rechtsordnungen von Gesellschafts- und Arbeitsvertragsstatut besteht jedoch dann, wenn der Arbeitsvertrag aus oben genannten Gründen eine engere Verbindung zum Gründungsstaat der Gesellschaft aufweist bzw. akzessorisch an das Bestellungsverhältnis anzuknüpfen ist. III. Die Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Arbeits- oder Gesellschaftsstatuts auf den Individualarbeitsvertrag 1. Das kollisionsrechtlich zur Anwendung auf Individualarbeitsverträge der Organmitglieder berufene Gesellschaftsrecht a) Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Arbeitsvertragsstatuts nach Art. 8 Rom I-VO aa) Meinungsstand zur Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung des Art. 8 Rom I-VO Weichen Gesellschaftsstatut und Arbeitsvertragsstatut voneinander ab, besteht die Frage, welches Gesellschaftsrecht auf den Arbeitsvertrag des Organmitglieds anwendbar ist: das des Gesellschaftsstatuts oder das des Arbeitsvertragsstatuts. Ob gesellschaftsrechtliche und nicht nur arbeitsrechtliche
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Normen des Arbeitsvertragsstatuts mit zur Anwendung über Art. 8 Rom I-VO berufen sind, ist eine Frage der Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung des Art. 8 Rom I-VO. Die Diskussion um die Verweisung auf das Sachrecht wird teilweise auch unter dem Oberbegriff „Umfang des Vertragsstatuts“ geführt, was aber insofern problematisch ist, als hierunter allgemein der in Art. 12 Rom I-VO beschriebene Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts verstanden wird. 225 Genaue Aussagen darüber, inwiefern die kollisionsrechtliche Qualifikation eines Rechtsverhältnisses bereits über das anzuwendende Sachrecht entscheidet, sind trotz der zentralen Bedeutung für das anzuwendende Recht in der Literatur selten zu finden. Neben der Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen auf das Arbeitsverhältnis von Organmitgliedern betrifft dies auch die Frage, ob durch die Verweisung des Art. 8 Rom I-VO auch schon die Anwendung von Arbeitsrecht und damit die nationale Einordnung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis im Sachrecht vorgegeben ist oder ob auch in Abweichung von der Qualifikation das Rechtsverhältnis im Sachrecht auch als freier Dienstvertrag eingeordnet werden kann. 226 Es bestehen zu diesen Fragen folgende Antwortmöglichkeiten: Entweder enthält die Kollisionsnorm einen sog. „offenen Verweis“ 227 auf alle Rechtsnormen einer Rechtsordnung, d.h. das im Kollisionsrecht qualifizierte Rechtsverhältnis ist im Sachrecht vollständig neu einzuordnen, oder die kollisionsrechtliche Verweisung auf das Sachrecht erfolgt nur eingeschränkt und es sind nur bestimmte Sachnormen anwendbar. Im ersten Fall ist die Qualifikation nur für die Ermittlung der richtigen Kollisionsnorm entscheidend, während im Sachrecht eine „Qualifikation zweiten Grades“ vorgenommen wird, bei welcher der Anstellungsvertrag unter den Maßstäben des fremden Rechts gemessen und unabhängig von der kollisionsrechtlichen Qualifikation neu eingeordnet wird (sog. Theorie der Stufenqualifikation). 228 Dagegen wird 225
Zum EVÜ: Krebber, Internationales Privatrecht des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen, S. 237. 226 Das Problem für den Arbeitsvertrag erkennend, eine Lösung aber leider offenlassend: Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 11012. Zu einer Anwendung des Arbeitsrechts im Sachrecht bei arbeitsrechtlicher Qualifikation tendierend: Morse, I.C.L.Q. 41 (1992), 1 (13). 227 Schwimann, Internationales Privatrecht, S. 26; Siehr, Internationales Privatrecht, § 49 II 6. 228 Vgl. hierzu Scheucher, ZfRV 2 (1961), 228; Schwind, Handbuch des Österreichischen Internationalen Privatrechts, S. 48; ders., in: Liber amicorum Schnitzer, S. 187; ders., Internationales Privatrecht, Rn. 60 ff.; Philip, Rec. des Cours 1978-II, 1 (40 f.); Hoyer, ZfRV 16 (1975), 50; Schnitzer, RabelsZ 38 (1974), 317 (330); ders., Handbuch des internationalen Privatrechts, Bd. I, S. 102 ff.; Betti, in: FS Gutzweiler, S. 233 (235, 243, 245). Diese Richtung wohl andeutend Plender/Wilderspin, The European Private International Law of Obligations, Rn. 2-054.
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bei einer eingeschränkten Verweisung der Zweck der Kollisionsnorm berücksichtigt. Die Sachnormen sind nur insoweit anwendbar, als sie dem von der Verweisungsnorm vorgezeichneten Zweck und den von ihr geschützten kollisionsrechtlichen Interessen entsprechen. bb) Wortlaut und Systematik der Rom I-VO zur Frage der Anwendbarkeit gesellschaftsrechtlicher Normen des Arbeitsvertragsstatuts Die Rom I-VO enthält keine ausdrückliche Aussage bezüglich der Reichweite der Verweisung. 229 Der Wortlaut des Art. 8 Rom I-VO spricht von dem „gewählten Recht“ (Abs. 1), dem „Recht des Staates“ (Abs. 2, Abs. 3) bzw. „Recht dieses anderen Staates“ (Abs. 4), welches anzuwenden ist. Hieraus folgt keine Beschränkung auf bestimmte Sachnormen. Vielmehr spricht dies für eine Anwendung aller Sachnormen im Sinne einer offenen Verweisung. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob dem systematischen Zusammenhang von Art. 8 und Art. 9 Rom I-VO eine Einschränkung der Verweisung entnommen werden kann. 230 Nach Art. 9 Rom I-VO sollen ungeachtet des nach Maßgabe der Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts Eingriffsnormen der lex fori und teilweise des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, Anwendung finden. 231 Es handelt sich dabei um Normen, die nicht dem Schuldrecht zuzuordnen sind, sondern meist öffentlich-rechtlichen Ursprungs sind. Wenn aber aus Sicht des Vertragsstatuts ausländische Normen – sofern Vertragsstatut und lex fori nicht identisch sind – als Eingriffsnormen Anwendung finden können, entstünde eine Lücke, wenn nicht auch entsprechende Normen des Vertragsstatuts durch die kollisionsrechtliche Verweisung zur Anwendung berufen würden. 232 Aus diesem Grund wird teilweise in der Literatur davon ausgegangen, dass der Verweis des Vertragsstatuts alle (Eingriffs-)Normen dieser Rechtsordnungen, also gegebenenfalls auch Normen des öffentlichen Rechts, erfasst. 233 Andere wollen diese Lücke mittels 229
Anders der nie realisierte Vorschlag einer Verordnung über das Arbeitskollisionsrecht von 1972, ABlEG 1972, Nr. C 49/26, siehe Krebber, Internationales Privatrecht des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen, S. 238. 230 Zum EVÜ: Krebber, Internationales Privatrecht des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen, S. 246 ff. 231 Kritisch zur Eingrenzung Lagarde/Tenenbaum, Rev. crit. dr. int. pr. 97 (2008), 727 (779); Freitag, IPRax 2009, 109 (113 f.). 232 Lando/Nielsen, CMLRev. 45 (2008), 1687 (1719); Kleinschmidt, Zur Anwendbarkeit zwingenden Rechts im internationalen Vertragsrecht, S. 287; Thorn, in: Ferrari/Leible (Hrsg.), Ein neues Internationales Vertragsrecht für Europa, S. 129 (143). Zum EVÜ ausführlich Krebber, Internationales Privatrecht des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen, S. 250. 233 Zum EVÜ: Jackson, in: North (Hrsg.), Contract Conflicts, S. 59 (67 f.); Krebber, Internationales Privatrecht des Kündigungsschutzes bei Arbeitsverhältnissen, S. 250; Lando,
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einer Analogie schließen, 234 während wiederum ein anderer Teil der Literatur öffentlich-rechtliche bzw. wirtschaftliche Eingriffsnormen grundsätzlich vom Vertragsstatut ausschließt. 235 Dem Wortlaut des Art. 9 Rom I-VO ist eine Klarstellung in dieser Frage nicht zu entnehmen: Nach Abs. 1 sind Eingriffsnormen „ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung anwendbaren Rechts“ 236 auf einen Sachverhalt anwendbar, was je nach Sichtweise als Argument für oder gegen eine generelle Anwendbarkeit der Eingriffsnormen des Vertragsstatuts verwendet werden kann. Auch die Aussage in Abs. 2, dass die Eingriffsnormen des Gerichtsstaates nicht berührt werden, kann entweder dahingehend ausgelegt werden, dass zusätzlich zu den Eingriffsnormen des Vertragsstatuts auch die Eingriffsnormen der lex fori gelten, oder dahingehend, dass allein die Eingriffsnormen der lex fori unberührt bleiben. Schließt man sich der letzteren Ansicht an, könnte hieraus ein systematisches Argument für eine eingeschränkte Verweisung begründet werden. Allerdings vermag diese Ansicht angesichts der oben geschilderten Probleme einer Lückenbildung nicht zu überzeugen. Um Normmangel zu vermeiden, erscheint es vorzugswürdig, dass auch die Normen des Vertragsstatuts zur Anwendung berufen sind, welche als Eingriffsnormen Anwendung finden könnten. Auch die neuere Diskussion zu doppelfunktionalen Sachnormen, welche im Rahmen der allgemeinen Kollisionsnormen angeknüpft sowie als Eingriffsrecht berufen werden können, 237 geht davon aus, dass ein Ausschließlichkeitsverhältnis von Eingriffsnormen und Normen des Vertragsstatuts nicht besteht. 238 Eine eindeutige Aussage zur Reichweite der Verweisung lässt sich aus dem Wortlaut und der Systematik zu Art. 9 Rom I-VO nicht treffen. Es zeigt CMLRev. 24 (1987), 159 (213 f.); ders./Nielsen, CMLRev. 45 (2008), 1687 (1719); Lipstein, in: FS Zajtay, S. 357 (364 ff., 377); Siehr, RabelsZ 52 (1988), 41 (71); Wimmer, Die Gestaltung internationaler Arbeitsverhältnisse durch kollektive Normenverträge, S. 182. Anderer Ansicht: Einsele, WM 2009, 289 (297); Mankowski, IPRax 2006, 101 (110); MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 43; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 121. Philip, in: North (Hrsg.), Contract Conflicts, S. 81 (106 f.); Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217 (244 ff.). Offenlassend: Leible/Lehmann, RIW 2008, 528 (543). 234 Kleinschmidt, Zur Anwendbarkeit zwingenden Rechts im internationalen Vertragsrecht, S. 288 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 52 X 3 b; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 121. Hierzu auch Philip, in: North (Hrsg.), Contract Conflicts, S. 81 (106). 235 Einsele, WM 2009, 289 (297); MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 43; Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217 (244 ff.). 236 In der englischen bzw. französischen Fassung: „Irrespective of the law otherwise applicable to the contract“; „quelle que soit par ailleurs la loi applicable au contrat d'après le présent règlement“. 237 Hierzu BGH v. 13.12.2005, IPRax 2006, 272; Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, S. 210 ff.; Pfeiffer, in: FS Geimer, S. 821 (833 ff.). 238 Pfeiffer, IPRax 2006, 238 (240).
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sich anhand des Art. 9 Rom I-VO immerhin, dass die Verweisung nicht so eng zu verstehen ist, dass nur Normen des Zivilrechts erfasst sind. Wenn aber auch Normen des öffentlichen Rechts angewendet werden dürfen, schließt dies die Anwendung anderer zivilrechtlicher, also nicht arbeitsrechtlicher Normen zumindest nicht generell aus. cc) Einschränkung der Verweisung durch den Zweck der Kollisionsnorm Eine Einschränkung der kollisionsrechtlichen Verweisung kann sich aber aus dem Zweck der Kollisionsnorm ergeben, nicht alle Sachnormen zu berufen, sondern nur solche, welche den kollisionsrechtlichen Interessen der Kollisionsnorm entsprechen bzw. in einem Funktionszusammenhang zu der Kollisionsnorm stehen. Dies mag als „kanalisierte Verweisung“ 239 bezeichnet werden, wonach sich die Verweisung auf den dem Verweisungsbegriff der Kollisionsnorm funktionell adäquaten Teil des materiellen Rechts beschränkt. 240 Es kann hierzu aber ebenso auch auf das maßgeblich von Schurig geprägte „Bündelungsmodell“ 241 abgestellt werden, wonach bestimmte, inhaltlich zusammengehörige Normen eines Staates in einer Kollisionsnorm gebündelt werden und mittels einer kollisionsrechtlichen Interessensabwägung der Anwendungsbereich bestimmt wird. Im Ergebnis sind nach beiden Ansichten die Interessen der durch die Qualifikation bestimmten Kollisionsnorm zu würdigen. Dadurch soll eine unkontrollierte „Auslieferung“ des Sachverhalts an die gesamte ausländische Sachrechtsordnung verhindert und stattdessen die Verweisung auf den von der Verweisungsnorm vorgezeichneten Zweck und den von ihr geschützten kollisionsrechtlichen Interessen beschränkt werden. 242 239
Begründet von Schwimann, ZfRV 16 (1975), 229 (233); ders., ÖJZ 1980, 7 (9 ff.); ders., Internationales Privatrecht, S. 26. Der gleichen Bezeichnung folgend Kropholler, Internationales Privatrecht, § 17 II; Wendehorst, in: FS Sonnenberger, S. 743 (757). 240 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 17 II; Schwimann, ÖJZ 1980, 10. Dieses Ergebnis teilen u.a. auch, ohne sich jedoch auf die kanalisierte Verweisung zu beziehen: MünchKomm-BGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 509; Bernasconi, Der Qualifikationsprozess im Internationalen Privatrecht, S. 224; Lipstein, in: ders., PIL, Vol. III, Ch. 5 Characterization, S. 14 f. 241 Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 89–108; ders., in: FS Kegel, S. 549 (560 ff.); ders., RabelsZ 50 (1990), 217 (229–232); Kegel/ders., Internationales Privatrecht, § 6 II 2, § 7 II 3 b) bb); ihm folgend Hessler, Sachrechtliche Generalklausel und internationales Familienrecht, S. 139–142; Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, S. 145 f.; Mankowski, RIW 1996, 8 (9); ders., DZWir 1996, 273 (275); ders., VersR 1999, 821 (822); v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 5 f., § 7 Rn. 139–141; MünchKomm-BGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 490 f.; Schwimann, ÖJZ 1977, 85 f.; ders., ÖJZ 1980, 10; Wördemann, International zwingende Normen im Internationalen Privatrecht des europäischen Versicherungsvertrages, S. 100–104. 242 Schwimann, ÖJZ 1980, 7 (11); ders., Internationales Privatrecht, S. 25 f., spricht auch von „sekundärer Qualifikation“. Zur Kritik an der Stufenqualifikation und der dadurch bedingten offenen Verweisung: v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd.
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Allerdings wird durch diese eingeschränkte Verweisung die Autonomie der verwiesenen Rechtsordnung eingeschränkt und – so die Kritik – nur noch „verstümmeltes Recht“ 243 angewendet. Dadurch entstünde das bereits oben geschilderte Problem der Lückenbildung. 244 Dies ist allerdings eine Frage der Definition der Interessen einer Kollisionsnorm. Die Einschränkung der Verweisung geht nicht so weit, dass nur ein eng eingeschränkter Kreis von Normen – etwa nur solche des Schuldrechts – zur Anwendung berufen ist. Sie soll vielmehr verhindern, dass durch eine vollständig offene Verweisung Überlappungen auftreten. Der Vorteil einer eingeschränkten Verweisung zeigt sich in den Problemen der offenen Verweisung. Unproblematisch ist eine offene Verweisung, solange der gesamte Sachverhalt unter nur eine Anknüpfungsregel gestellt werden kann. Zerfällt der Sachverhalt aber in verschiedene Teilfragen, die unterschiedlich anzuknüpfen sind, kann es zu Überlappungen kommen, wollte man dem Sachrecht eine jeweils eigene Zuordnung des Sachverhalts zubilligen. 245 Dies wird vermieden, wenn die kollisionsrechtliche Verweisung dem von der Kollisionsnorm festgelegten Bereich funktional entspricht, wobei jedoch keine bestimmte Qualifikation auf der Sachebene vorgegeben wird. 246 Weiterhin soll es egal sein, an welcher Systemstelle des Sachrechts eine Norm steht und unter welche Begriffe das berufene fremde Recht diese Norm einordnet. 247 Auf der Rechtsfolgenseite kann dann auch öffentliches Recht anwendbar sein, soweit dieses mit dem Zweck der Verweisung vereinbar ist. 248 Für das Arbeitsrecht bedeutet dies Folgendes: Das Arbeitsvertragsstatut umfasst alle Fragen, die in Bezug auf das konkrete vertragliche Schuldverhältnis relevant werden, wobei eine bestimmte Einordnung im Sachrecht I, § 7 Rn. 159 f.; MünchKomm-BGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 490; Makarov, in: FS Dölle, Bd. II, S. 149 (152 ff.); Niederer, Einführung in die allgemeinen Lehren des internationalen Privatrechts, S. 238 ff.; Schurig, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 216 ff.; Schwimann, Grundriß des IPR, S. 25 ff. 243 Schwind, Internationales Privatrecht, Rn. 64. 244 Vgl. 2. Kapitel § 2 E.III.1. a)bb). 245 Vgl. Schwimann, ÖJZ 1980, 7 (10). 246 Gegen ein Präjudiz der internationalverfahrensrechtlichen Qualifikation für die internationalprivatrechtliche Qualifikation und Gleiches für das Verhältnis Internationales Privatrecht – Sachrecht andeutend: Schlussanträge des GA Jacobs vom 8.4.1992, Rs. C26/91, Slg. 1992, I-3977 Rn. 23 f. (Handte). 247 Schwimann, ÖJZ 1980, 7 (10). Zur Unerheblichkeit der sachrechtlichen Einordnung als Familien-, Vertrags- oder Deliktsrecht bei der Anknüpfung der Folgen eines Rücktritts vom Verlöbnis oder eines Verlöbnisbruchs: MünchKomm-BGB/Coester, Vor Art. 13 EGBGB Rn. 5; Siehr, Internationales Privatrecht, § 2 II; Staudinger/Mankowski, BGB, Nach Art. 13 EGBGB Rn. 39. 248 LAG München v. 22.8.1990, IPRax 1992, 97 ff. zu Art. 36 der italienischen Verfassung; Däubler, IPRax 1992, 82 (83 f.); Hohloch, in: FS Heiermann, S. 143 (147); MünchKomm-BGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 505.
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nicht vorgegeben wird. Es sind daher auch Normen anwendbar, die in der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung nicht unmittelbar dem Arbeitsrecht zugeordnet sind und an einer anderen Systemstelle des Sachrechts stehen, 249 jedoch auf das Schuldverhältnis Auswirkungen haben. Hierzu zählt auch das Gesellschaftsrecht. Nicht anwendbar sind allerdings Sachnormen, die andere Interessen verfolgen und daher nur bei abweichender Einordnung angewendet werden können. 250 Gesellschaftsrechtliche Normen finden also nur Anwendung, soweit sie das Arbeitsverhältnis (eines Organmitglieds) betreffen; keine Anwendung finden daher Sachnormen, die allein das Bestellungsverhältnis zum Gegenstand haben. Hierdurch wird die oben beschriebene Gefahr der Überlappung vermieden. Entscheidend ist also, dass durch die Qualifikation ein Lebensverhältnis einer Kollisionsnorm zugeordnet wurde und nur dieses ausgewählte Lebensverhältnis auch im Sachrecht behandelt werden soll. Das durch Art. 8 Rom I-VO ausgewählte Lebensverhältnis ist ein vertragliches Schuldverhältnis, welches im Kollisionsrecht als Arbeitsvertrag qualifiziert wird. Auf Sachrechtsebene sind die Normen anwendbar, die sich auf dieses vertragliche Schuldverhältnis beziehen. Ob diese dem Arbeitsrecht, dem Gesellschaftsrecht oder dem Dienstvertragsrecht entstammen, ist unerheblich. Dementsprechend gilt auch die Qualifikation als Arbeitsvertrag nur für das Kollisionsrecht. Auf Sachrechtsebene kann das Schuldverhältnis auch anderweitig eingeordnet werden. dd) Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen auf Sachebene und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO Der Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen der nach Art. 8 Rom I-VO anwendbaren Rechtsordnung widerspricht auch nicht der Ausschluss des Gesellschaftsrechts nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO. Die in Art. 1 Abs. 2 Rom I-VO aufgelisteten Materien sind von der kollisionsrechtlichen Anknüpfung nach der Rom I-VO zwar ausgenommen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass gleichzeitig auch die Anwendung von Sachnormen der genannten Rechtsgebiete vom Arbeitsvertragsstatut ausgeschlossen ist.
249
Schwimann, ÖJZ 1980, 7 (10). Zur Unerheblichkeit der sachrechtlichen Einordnung als Familien-, Vertrags- oder Deliktsrecht bei der Anknüpfung der Folgen eines Rücktritts vom Verlöbnis oder eines Verlöbnisbruchs: MünchKomm-BGB/Coester, Vor Art. 13 EGBGB Rn. 5; Siehr, Internationales Privatrecht, § 2 II; Staudinger/Mankowski, BGB, Nach Art. 13 EGBGB Rn. 39. Zur Anwendbarkeit des öffentlichen Rechts: LAG München v. 22. 8. 1990, IPRax 1992, 97 ff.; Däubler, IPRax 1992, 82 (83 f.) und MünchKommBGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 505. 250 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 5 f.; Wolff, Internationales Privatrecht, S. 50.
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Der Ausschluss nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO bezieht sich – wie oben dargestellt 251 – nur auf Fragen, die das Gesellschaftsrecht betreffen, nicht auch auf solche, die das Gesellschaftsrecht berühren. Ist also ein vertragliches Schuldverhältnis, welches nur das Gesellschaftsrecht berührt, nach Art. 8 Rom I-VO anzuknüpfen, entstünde bei der Anwendung des Sachrechts sogar eine Lücke, wenn die das Gesellschaftsrecht berührenden Fragen im Sachrecht nicht mit angesprochen werden dürften. ee) Ergebnis Die kollisionsrechtliche Verweisung ist nicht im Sinne einer offenen Verweisung zu verstehen, sondern auf den von der Kollisionsnorm vorgegebenen Rahmen beschränkt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei arbeitsvertraglicher Qualifikation im Sachrecht zwingend Arbeitsrecht anzuwenden ist. Die Entscheidung der Einordnung des Rechtsverhältnisses ist dem Sachrecht unabhängig von der Qualifikation im Kollisionsrecht überlassen. 252 Soweit auf dieses Rechtsverhältnis gesellschaftsrechtliche Normen einwirken können, sind auch diese von der kollisionsrechtlichen Verweisung umfasst. Es ist zu beachten, dass die verweisende Norm zwar die Bedingungen der Verweisung definieren, nicht jedoch den Inhalt des letztlich verwiesenen Sachrechts modifizieren kann. Das verwiesene Recht ist so anzuwenden, „wie es ein in der betreffenden Rechtsordnung heimischer Rechtsanwender tun würde“ 253. Angewandt auf das Beispiel 1 254, in dem der auf die Organstellung gerichtete Arbeitsvertrag mit einer deutschen GmbH französischem Sachrecht unterliegt, bedeutet dies, dass auf den Arbeitsvertrag alle französischen Normen Anwendung finden, welche sich auf das Anstellungsverhältnis des Organmitglieds beziehen. Ist dieses Verhältnis nicht auf eine von der Organstellung getrennte Tätigkeit bezogen, greift grundsätzlich das Prinzip der sofortigen Abberufbarkeit, mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit des Arbeitsvertrags. 255
251
2. Kapitel § 2 B.II.2.c). Gegen eine Festlegung durch die internationalverfahrensrechtliche Qualifikation für das Sachrecht: Schlussanträge des GA Darmon v. 15.6.1988, Rs. 189/87, Slg. 1988, 5565 Rn. 19 (Kalfelis). Ebenso und Gleiches für das Internationale Privatrecht andeutend: Schlussanträge des GA Jacobs v. 8.4.1992, Rs. C-26/91, Slg. 1992, I-3977 Rn. 23 f. (Handte); dazu auch Gaudemet-Tallon, Rev. crit. dr. int. pr. 81 (1992), 730 (736); zweifelnd: Schlussanträge des GA Slynn v. 17.12.1987, Rs. 9/87, Slg. 1988, 1539 (1549), ohne Rn. (Arcado). 253 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 24. 254 2. Kapitel § 2 E.I. 255 Zur Anwendbarkeit dieses Prinzips auf nicht französische Gesellschaften siehe 2. Kapitel § 2 E.III.2.b). 252
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
b) Eingeschränkte Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Gesellschaftsstatuts über Art. 9 Rom I-VO Grundsätzlich sind nur die Normen des Arbeitsvertragsstatuts auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Normen des Gesellschaftsstatuts finden damit grundsätzlich keine Anwendung auf den Arbeitsvertrag, sofern nicht die auf den Vertrag und die Gesellschaft anwendbare Rechtsordnung identisch ist. Damit richtet sich auch die Wirksamkeit des Arbeitsverhältnisses allein nach dem Arbeitsvertragsstatut. Lediglich über eine Sonderanknüpfung nach Art. 9 Rom I-VO kann ausländischen Normen Wirkung verliehen werden. Voraussetzung ist zum einen, dass die ausländische Norm eine Eingriffsnorm nach Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO darstellt und zum anderen, dass sie der lex fori oder der Rechtsordnung des Wirkungsstatuts entstammt, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, wobei letzteres von Art und Zweck der Normen sowie einer Folgenabwägung abhängt. Die Anforderungen an eine Eingriffsnorm werden in Art. 9 Abs. 1 Rom IVO definiert. Zunächst muss es sich um eine Norm handeln, die – unabhängig von dem nach den allgemeinen Regeln auf den Vertrag anzuwendenden Recht – einen Sachverhalt zwingend regeln will. 256 Die im Beispiel 2 257, in dem das Organmitglied einen deutschem Recht unterliegenden Arbeitsvertrag mit einer französischen Gesellschaft geschlossen hat, erwähnten französischen gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an bzw. Verbote für einen Arbeitsvertrag eines Organmitglieds beziehen sich auf französische Gesellschaften. Diese Gebote dienen dazu, dass ein Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds mit der Gesellschaft nur eingegangen wird, wenn sich dieses Arbeitsverhältnis auf eine von der Organstellung getrennte Tätigkeit bezieht. Hintergrund ist der Grundsatz der sofortigen Abberufbarkeit französischer Organmitglieder. 258 Eine ausdrückliche Regelung, dass Arbeitsverhältnisse von Organmitgliedern, die einem anderen Recht unterworfen sind, auch die französischen Vorschriften zu befolgen haben, besteht indes nicht. Hinter den Anforderungen bzw. Verboten steht aber das Prinzip der sofortigen Abberufbarkeit, welches für alle französischen Gesellschaften gilt. Es wird also bezweckt, alle Arbeitsverträge, die Organmitglieder mit französischen Gesellschaften geschlossen haben, diesen Anforderungen zu unterwerfen, unabhängig davon, welches Recht auf diesen Vertrag anwendbar ist. Die gesellschaftsrechtlichen Normen müssen aber zumindest auch für die Wahrung des öffentlichen Interesses eines Staates, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation als entscheidend angesehen werden, damit 256
MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 8. 2. Kapitel § 2 E.I. 258 1. Kapitel § 3 B.I.1.a) und § 3 B.II.2).a). 257
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ihnen Wirksamkeit i.S.d. Art. 9 Rom I-VO verliehen werden kann. Die Normen, welche sich auf die Arbeitsverhältnisse der Organmitglieder beziehen, dienen grundsätzlich dem Interesse der Gesellschaft, die für sie handelnden Organe selbst zu bestimmen und abzuberufen, also ihre Handlungsfähigkeit und Interessensvertretung zu sichern. 259 Die Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Gesellschaften mag zwar von wirtschaftlicher Bedeutung sein, jedoch dient sie nicht primär übergeordneten staatlichen Interessen, sondern den Individualinteressen der Gesellschaft und deren Gesellschaftern. Das Gleiche gilt für die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu Drittanstellungsverträgen von Organmitgliedern, wie im obigen Beispiel 3 bei der Zustimmung der deutschen Tochtergesellschaft zum Anstellungsvertrag mit der englischen Muttergeselschaft 260. In den Beispielen 2 und 3 sind die Anstellungsverträge der Organmitglieder daher wirksam, da die Verbotsnormen bzw. Anforderungen des ausländischen Gesellschaftsstatuts keine Anwendung finden. Eine Wirksamkeitsverleihung der Normen des Gesellschaftsstatuts ist aber selbst dann nicht gesichert, wenn es sich tatsächlich um Eingriffsnormen handeln sollte. Im Gegensatz zur Vorgängervorschrift Art. 7 Abs. 1 EVÜ reicht eine enge Verbindung zu dem Staat der Eingriffsnorm nicht mehr aus. Nur die Eingriffsnormen des Gerichtsstaats (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) oder des Staats, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind (Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO), werden erfasst. Hat, wie im Beispiel 2, eine französische Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, liegt der Erfüllungsort der Verpflichtungen des Organmitglieds in Deutschland. Ebenso ist nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) 2. Spstr. Brüssel I-VO der Gerichtsstaat Deutschland. Unabhängig davon, ob gesellschaftsrechtliche Normen des französischen Gesellschaftsstatuts tatsächlich Eingriffsnormen sein können, kann diesen hier nach Art. 9 Abs. 2, Abs. 3 Rom I-VO keine Wirkung verliehen werden. Eine Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Gesellschaftsstatuts über Art. 9 Rom I-VO ist – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt möglich. 2. Sachrechtliche Berücksichtigung des gesellschaftsrechtlichen Auslandsbezugs a) Die Relevanz des Auslandsbezugs bei der Auslegung des Sachrechts Durch die Anwendung der Art. 8 und 9 Rom I-VO finden auf das Arbeitsverhältnis des Organmitglieds grundsätzlich nur die gesellschaftsrechtlichen Normen des Arbeitsvertragsstatuts Anwendung, soweit sie sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen. Eine Anwendbarkeit gesellschaftsrechtlicher Nor259 260
Vgl. etwa in Frankreich 1. Kapitel § 3 B.I.1.a)., § 3 B.II.2.a)–e). 2. Kapitel § 2 E.I.
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
men des Gesellschaftsstatuts scheitert hingegen in der Regel daran, dass diese Normen keine Eingriffsnormen darstellen. Wie bereits festgestellt sind die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Organmitglieder aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Organmitglieds nicht isoliert von dem Gesellschaftsrecht zu betrachten, sondern werden von dessen Vorschriften beeinflusst. Dabei handelt es sich aber um das auf das Bestellungsverhältnis bzw. die Gesellschaft anwendbare Recht. Dieses aus dem Gesellschaftsstatut resultierende Gesellschaftsrecht beansprucht einen Vorrang gegenüber dem Arbeitsrecht. Werden dennoch – wie es sich nach dem kollisionsrechtlichen Ergebnis darstellt – nur die gesellschaftsrechtlichen Normen des Arbeitsvertragsstatuts angewendet und die Normen des Gesellschaftsstatuts außer Acht gelassen, kann es zu unbilligen Ergebnissen kommen. Jedoch können auch nach Auffindung des anwendbaren Rechts ausländische Rechtslagen berücksichtigt werden, indem die anwendbaren Sachnormen im Lichte des Auslandsbezugs nach der Methodenlehre der lex causae ausgelegt werden. 261 Eine solche Auslegung kann beim Arbeitsverhältnis der Organmitglieder in zweierlei Hinsicht erfolgen: Zum einen können inländische Normen wegen der Berührung des Arbeitsverhältnisses zu einer ausländischen Gesellschaft (etwa aufgrund teleologischer Reduktion) 262 nicht angewandt werden, zum anderen kann ausländisches Gesellschaftsrecht bei der Anwendung inländischer Normen durch Auslegung berücksichtigt werden. Hintergrund ist, dass die gesellschaftsrechtlichen Normen grundsätzlich für den Inlandssachverhalt entworfen wurden, der Fall mit Auslandsberührung jedoch hiervon abweichen kann. b) Die Bedeutung gesellschaftsrechtlicher Normen des Vertragsstatuts bei Qualifikation nach Art. 8 Rom I-VO In dem oben genannten Beispiel 1 263 wäre das auf die Organstellung gerichtete, französischem Recht unterliegende Arbeitsverhältnis mit einer deutschen GmbH nichtig, falls das französische Prinzip der sofortigen Abberufbarkeit durch das Arbeitsvertragsstatut auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Denn das französische Recht gestattet es Organmitgliedern nur, einen Arbeitsvertrag über Tätigkeiten mit der sie bestellenden Gesellschaft einzugehen, wenn diese nicht die Organstellung beinhalten. 264 Grundsätzlich ist französisches 261 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 20 f., 24; Hessler, Sachrechtliche Generalklausel und internationales Familienrecht, S. 170 ff.; Lorenz, FamRZ 1987, 645 ff.; Jayme, in: GS Ehrenzweig, S. 35 (39 ff.); Dannemann, in: FS Stoll, S. 417 (425 ff.); Bayer, Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, S. 105 f.; Kinsch, Rev. crit. dr. int. pr. 92 (2003), 403 (409 ff). 262 Vgl. Kinsch, Rev. crit. dr. int. pr. 92 (2003), 403 (411 f.). 263 2. Kapitel § 2 E.I. 264 1. Kapitel § 3 B.II.2.b).
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Gesellschaftsrecht bei französischem Vertragsstatut über Art. 8 Rom I-VO mit zur Anwendung berufen, wenn es einen Bezug zum Arbeitsvertrag aufweist. 265 Dennoch erscheint es nicht sinnvoll, bei einer deutschen Gesellschaft ein Verbot anzuwenden, welches sich allein auf die Handlungsfähigkeit französischer Gesellschaften bezieht. Dieses Verbot ist zwar arbeitsvertragsbezogen, so dass dessen Anwendbarkeit nicht schon kollisionsrechtlich ausscheidet. Jedoch beruht das Verbot auf einer Besonderheit des französischen Gesellschaftsrechts, welches sich eigentlich nach dem Gesellschaftsstatut richtet. Es kommt somit zu der Frage, ob das Sachrecht auch seine gesellschaftsrechtlichen Vorschriften anwendet. Rein gesellschaftsrechtliche Vorschriften gelten im Grundsatz nur für die inländischen Gesellschaften. Französisches Gesellschaftsrecht gilt also nur für französische Gesellschaften und nicht für deutsche Gesellschaften. Soweit vom Arbeitsvertragsstatut aber gesellschaftsrechtliche Vorschriften erfasst sind, können diese Vorschriften auch Rechtsverhältnisse ausländischer Gesellschaften berühren. Der Grund hierfür liegt in dem unterschiedlichen Anknüpfungspunkt, welcher der Arbeitsvertrag zwischen Gesellschaft und Organmitglied ist und nicht die Gesellschaft selbst. Nach der kollisionsrechtlichen Prüfung entscheidet dann aber das anwendbare Sachrecht, im Beispiel 1 französisches Recht, ob im konkreten Fall die Vorschriften ihres Rechts auch tatsächlich angewendet werden sollen. Hierfür ist der Normzweck entscheidend. 266 Da der Ursprung der Organbeziehung im Gesellschaftsrecht wurzelt, soll arbeitsvertragsbezogenes Gesellschaftsrecht etwa verhindern, dass durch das Arbeitsrecht gesellschaftsrechtliche Prinzipien (Weisungsfreiheit, sofortige Abberufbarkeit der Organmitglieder) umgangen werden. 267 Eine Anwendung dieser inländischen Prinzipien auf ausländische Gesellschaften entspricht also nicht dessen Zweck. Das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht wird in diesem Fall die Anwendung des eigenen Gesellschaftsrechts außer Acht lassen, gegebenenfalls mittels einer teleologischen Reduktion. Im Beispiel 1 trägt das Prinzip der sofortigen Abberufbarkeit der speziellen gesellschaftsrechtlichen Stellung der Organmitglieder französischer Gesellschaften Rechnung, bezieht sich auf deren Organverhältnis und ist daher auch nur auf einen Inlandssachverhalt (aus französischer Sicht) anwendbar. Für Organmitglieder deutscher Gesellschaft gilt dieses Prinzip demnach nicht. Normen wie Art. L. 225-22 Abs. 2 C. com 268 hingegen, deren Anwendungsbereich bereits auf eine bestimmte Gesellschaftsform, hier der monistischen SA, beschränkt ist, gelten ohnehin nur für diese eine Gesellschaft. 265
2. Kapitel § 2 E.III.1.a)ee). Vgl. v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 21; Lorenz, FamRZ 1987, 645 (648). 267 Vgl. 1. Kapitel § 3 B.II.1.b), § 3 B.II.2.e). 268 Hierzu 1. Kapitel § 3 B.II.3.b)aa).(1)(a). 266
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
Das Gesellschaftsrecht des Arbeitsvertragsstatuts ist damit zwar kollisionsrechtlich zur Anwendung berufen, es ist jedoch nach dessen Sinn und Zweck nicht auf Arbeitsverträge von Organmitgliedern ausländischer Gesellschaften anwendbar, da die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nur für die nationalen Gesellschaften gelten. c) Berücksichtigung ausländischen Gesellschaftsrechts bei der Auslegung inländischen Arbeitsrechts Die für das Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds relevanten Normen des Gesellschaftsrechts resultieren aus dessen gesellschaftsrechtlicher Bestellung zum Organmitglied. Diese gesellschaftsrechtliche Beziehung unterliegt jedoch dem Gesellschaftsstatut und damit potentiell einer anderen Rechtsordnung. In dem Beispiel 2 269 etwa ist auf das Arbeitsverhältnis des Organmitglieds mit einer französischen Gesellschaft deutsches Recht anwendbar, während auf die Gesellschaft französisches Recht anwendbar ist. Soll das aus der französischen Organbeziehung entstehende gesellschaftsrechtliche Verbot eines Arbeitsvertrags zur Anwendung gebracht werden, wäre dies kollisionsrechtlich nur über eine Sonderanknüpfung nach Art. 9 Rom I-VO möglich. 270 Diese Option ist in der Regel, wie auch im konkreten Beispiel, zu verneinen. Liegt keine Eingriffsnorm vor, sind die Normen des Gesellschaftsstatuts damit nicht über das Kollisionsrecht zur Anwendung berufen. Ausländische Verbote können jedoch im Rahmen der Auslegung und Konkretisierung des anzuwendenden Rechts beachtet werden. Eine direkte Anwendung ausländischer Normen, etwa i.S.e. Verbotsgesetzes nach § 134 BGB, wird dagegen abgelehnt. 271 Zulässig ist allerdings eine Berücksichtigung der Normen im Rahmen von Generalklauseln, wie in §§ 138, 242 BGB, 272 aber auch „begrifflich präzise“ Normen können modifiziert werden. 273 Das im Beispiel 2 relevante französische Verbot eines auf die Organstellung bezogenen Arbeitsvertrags kann also nach § 138 BGB die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags zur Folge haben. Notwendig ist, dass es sich um eine im konkreten Fall wegen ihrer Verknüpfung beachtliche ausländische Norm 269
2. Kapitel § 2 E.I. 2. Kapitel § 2 E.III.1.b). 271 BGH v. 22.6.1972, BGHZ 59, 82 (85); BGH v. 29.9.1977, BGHZ 69, 295 f.; BGH v. 17.11.1994, BGHZ 128, 41 (53); OLG Hamburg v. 6.5.1993, RIW 1994, 686 mit Anm. Mankowski; MünchKomm-BGB/Spellenberg, Art. 10 Rom I-VO Rn. 122; Freitag, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 399; Staudinger/Hausmann, BGB, Art. 10 Rom I-VO Rn. 26. 272 Vgl. Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217 (243); MünchKomm-BGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 609; Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 (318). 273 Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 (318); Lorenz, FamRZ 1987, 645 (646); Winkler v. Mohrenfels, NJW 1986, 2485. 270
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handelt. 274 Welcher Art diese Verknüpfung sein muss bzw. wann „es geboten erschein(t)“ 275, das Recht eines Drittlandes in die sachrechtliche Beurteilung einzubeziehen, ist bislang nicht geklärt oder nur beispielhaft erörtert. 276 Möglich wäre es, auf eine enge Verbindung des Schuldverhältnisses zu einem Staat abzustellen. Dabei ist aber zu beachten, dass der bestehende Auslandsbezug gerade keine kollisionsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen hat. Die Vorgaben des Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO oder des früheren Art. 7 EVÜ (bei Eingriffsnormen) wären also zu hoch gegriffen. Es geht nicht um die direkte Anwendbarkeit der Norm. Den Regeln des Gesellschaftsstatuts kann jedenfalls insoweit ein Vorzug eingeräumt werden, als dass sich hieraus gesellschaftsrechtliche Grenzen für vertragliche Vereinbarungen der Organmitglieder ergeben. 277 Ein Vorrangverhältnis des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Arbeitsrecht besteht ohnehin in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. 278 Problematisch ist einzig, dass hier nicht inländisches, sondern ausländisches Gesellschaftsrecht Vorrang vor inländischem Arbeitsrecht besitzen soll. Durch die gesellschaftsrechtliche Beziehung des Organmitglieds zur Gesellschaft, welche dem Gesellschaftsstatut unterstellt ist, besteht aber ein engeres Verhältnis zu den Normen des Gesellschaftsstatuts als zu den Normen des Arbeitsvertragsstatuts. Schließlich wäre es auch unbillig, weder die gesellschaftsrechtlichen Normen des Vertragsstatuts anzuwenden, da diese sich nur auf inländische Gesellschaften beziehen, noch die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des Gesellschaftsstatuts heranzuziehen, da diese mangels überstaatlichen Interesses keine Eingriffsnormen darstellen. Wegen der regulierenden Wirkung des gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses kann eine vom Gesellschaftsrecht isolierte Anwendung von Vertragsrecht nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen. So ist beispielsweise bei einem Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft, in Abwandlung des Beispiels 3, zu berücksichtigen, wenn das Organmitglied in der ausländischen Tochtergesellschaft weisungsfrei sein soll.
274
Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217 (243). MünchKomm-BGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 608. 276 Vgl. Winkler v. Mohrenfels, NJW 1986, 2485; Hessler, Sachrechtliche Generalklausel und internationales Familienrecht, S. 77 ff., 136 f.; Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217 (243); MünchKomm-BGB/Sonnenberger, Einleitung IPR Rn. 608 f.; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, § 4 Rn. 21. 277 Vgl. ohne nähere Begründung: Süß, in: Süß/Wachter (Hrsg.), Handbuch des Internationalen GmbH-Rechts, Allgemeinter Teil § 1 Rn. 70. Verdrängung vertraglicher Pflichten durch inhaltsgleiche Organpflichten: MünchKomm-BGB/Kindler, Internationales Handelsund Gesellschaftsrecht, Rn. 687. 278 Siehe 1. Abschnit A.II.1.c).bb), A.II.3.a)cc), B.II.1.a).bb), C.II.2.b)ee). 275
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
Im Beispiel 2 kann also das gesellschaftsrechtliche Verbot im Rahmen des § 138 BGB berücksichtigt werden. Nicht alle ausländischen Verbote oder Anforderungen müssen im Rahmen des § 138 BGB aber zur Nichtigkeit führen. 845 Besteht etwa eine gesellschaftsrechtliche Norm im Gesellschaftsstatut, nach welcher die Bestellung und das Arbeitsverhältnis gleichzeitig enden sollen, ist dies bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Eine denkbare Lösung für diesen Fall wäre etwa die Annahme einer konkludenten Kopplungsklausel, wie sie auch im deutschen Sachrecht existiert, 846 mit der Folge, dass keine gesonderte Kündigung für den Arbeitsvertrag ausgesprochen werden muss. IV. Ergebnis Trotz der engen Verzahnung des Arbeitsverhältnisses mit dem Gesellschaftsrecht im Sachrecht können Arbeitsverhältnisse von Organmitgliedern getrennt von dem durch die Bestellung entstehenden gesellschaftsrechtlichen Schuldverhältnis qualifiziert werden, wenn hierin ein eigenständiges Vertragsverhältnis liegt. Ansonsten unterfallen die Rechtsbeziehungen der Organmitglieder dem Gesellschaftsrecht. Ist auf das Arbeitsverhältnis eine andere Rechtsordnung als auf die Gesellschaft anwendbar, besteht die Frage, welche gesellschaftsrechtlichen Normen auf das Arbeitsverhältnis einwirken können. Die gesellschaftsrechtlichen Normen des Arbeitsvertragsstatuts sind in der Regel nicht anwendbar, da sie sich auf inländische Gesellschaften (aus Sicht des Arbeitsvertragsstatuts) beziehen. Hingegen sind die gesellschaftsrechtlichen Normen des Gesellschaftsstatuts bei der Auslegung des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts zu berücksichtigen.
§ 3 Anwendbares Recht in Sachverhalten, die eine arbeitsrechtliche Stellung der Organmitglieder aufweisen A. Einleitung Nachdem die Grundlagen für die kollisionsrechtliche Behandlung der Organmitglieder abstrakt feststehen, können diese auf die einzelnen im ersten Kapitel untersuchten Rechtsverhältnisse der Organmitglieder konkret angewendet werden. Hierbei ergibt sich wie im ersten Kapitel eine Unterteilung in drei Gruppen: das auf die Organstellung gerichtete Anstellungsverhältnis (B.), das nicht auf die Organstellung gerichtete Anstellungsverhältnis (C.) und das auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Anstellungsverhältnis mit der Muttergesellschaft (D.). Die Frage nach der arbeits845 846
Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217 (243). 1. Kapitel § 1 B.I.2.
§ 3 Anwendbares Recht in den jeweiligen Sachverhalten
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rechtlichen Qualifikation im Internationalen Privatrecht knüpft aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der Organmitglieder im Sachrecht 847 neutral an das Rechtsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft an, ist also unabhängig von der sachrechtlichen Einordnung zu betrachten. In einem ersten Schritt ist entsprechend der Reihenfolge der oben dargestellten kollisionsrechtlichen Grundlagen 848 zu überprüfen, ob die Rom I-VO überhaupt anwendbar ist, also inwieweit gesellschaftsrechtlichen Fragen betroffen sind. Dabei entsteht durch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Danosa 849 auch die Frage, wie insbesondere in der ersten Konstellation trotz gesellschaftsrechtlicher Qualifikation im Sachrecht auch Arbeitsrecht auf das Rechtsverhältnis Anwendung finden kann. Im Anschluss ist jeweils unter Heranziehung der oben entwickelten Kriterien zu überprüfen, ob das einzelne Rechtsverhältnis als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Rom I-VO qualifiziert werden kann. Ist dies der Fall kann schließlich über Art. 8 Rom I-VO das anzuwendende Recht konkret bestimmt werden. Relevant werden dabei Fragen der Rechtswahlkorrektur sowie – im Falle einer fehlenden Rechtswahl – eine akzessorische Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut. B. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses I. Anwendbarkeit der Rom I-VO und das auf die Organstellung gerichtete Anstellungsverhältnis 1. Der vom Bestellungsverhältnis losgelöste Vertragsschluss und die Anwendbarkeit der Rom I-VO Das auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis fällt nur dann unter den Anwendungsbereich der Rom I-VO, wenn es keine Frage des Gesellschaftsrechts gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO betrifft. Nach den obigen Ausführungen ist die Anwendbarkeit der Rom I-VO bei Organmitgliedern zu bejahen, wenn von dem Bestellungsverhältnis gesonderte Vereinbarungen getroffen wurden, welche als eigenes Schuldverhältnis beurteilt werden können. 850 Dies ist in deutschen und englischen Gesellschaften regelmäßig durch den Abschluss von Anstellungsverträgen der Fall. In französischen Gesellschaften hingegen existiert nach der gesetzlichen (und richterlichen) Vorstellung kein gesondert geschlossenes Arbeitsverhältnis, so dass insofern die gesamten auf die Organstellung bezogenen Rechtsbeziehungen auch im Internationalen Privatrecht dem Gesellschaftsrecht unterworfen sein würden. Das kollisionsrechtliche Ergebnis stimmt also mit dem sachrechtlichen über847
1. Kapitel § 4 B., C., D. 2. Kapitel § 3 B. 849 EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa). 850 2. Kapitel § 2 B.II.2.b). 848
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
ein. Die nur von ihrem eigenen Sachrecht ausgehende kollisionsrechtliche Rechtsprechung und Literatur sieht dies ähnlich: Die deutsche und englische Ansicht wendet die Rom I-VO bzw. früher das EVÜ auf Anstellungsverträge der Organmitglieder an, 851 wohingegen etwa die französische Literatur das gesamte Rechtsverhältnis des Organmitglieds auch im Kollisionsrecht allein dem Gesellschaftsrecht zuordnet und damit dem Gesellschaftsstatut unterstellt. 852 Die Möglichkeit des Bestehens eines gesonderten, auf die Organstellung gerichteten Anstellungsvertrags wird in der französischen Literatur allerdings auch gar nicht in Betracht gezogen. Zweifel an dieser Lösung werden geäußert, da aufgrund der einheitlichen Auslegung (und Anwendung) der Rom I-VO eine Abstraktion von nationalen Besonderheiten zu fordern sei. 853 Die nationale Besonderheit Frankreichs, oder etwa auch Italiens 854, läge darin, dass bei Organmitgliedern kein auf die Organstellung gerichtetes (arbeitsrechtliches) Anstellungsverhältnis im Sachrecht besteht bzw. bestehen darf. Andersrum gewendet wäre es eine nationale Besonderheit, dass in Deutschland und England solche Verträge existieren. Wie aber eine einheitliche Lösung aussieht, wird nicht näher erläutert. Je nach Sichtweise sind entweder die gesamten auf die Organstellung gerichteten Rechtsbeziehungen dem Gesellschaftsstatut zu unterstellen, oder es ist unabhängig vom Bestehen eines gesonderten Vertragsverhältnisses stets eine (arbeits-)vertragliche Qualifikation vorzunehmen. 855 Die zweite Variante kann für sich in Anspruch nehmen, die Tendenz des EuGH zur Anwendung 851
LG München I v. 9.12.1981, IPRax 1983, 244; Base Metal Trading Ltd v. Shamurin [2004] EWCA Civ. 1316, CA; Erdmann, NZG 2002, 503 (512); Jayme, IPRax 1983, 244; Jones, Insolv. Int. 2005, 29 (30); Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 4832; Michalski/Leible, GmbHG, Syst. Darst. 2 Rn. 103; MünchKommBGB/Kindler, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 687; Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 297; Staudinger/Magnus, BGB, Art. 1 Rom I-VO Rn. 86; Ulmer/Behrens, Einl. B Rn. 76; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 773; Yeo, L.M.C.L.Q. 2005, 144 (150 f.). 852 CA Paris v. 15.2.1933, Clunet 1933, 959; Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrat, S. 406 (409); Cohen, Rev. crit. dr. int. pr. 92 (2003), 585 (597); Loussouarn/Trochu, in: Goldman (Hrsg.), Juris-classeur de droit international, fasc. 564-30, Nr. 227 f.; Menjuc, Droit international et européen des sociétés, Rn. 110. Die übrige Rechtsprechung und Literatur zu dem Rechtsverhältnis der Organmitglieder bezieht sich nur auf die Reichweite der Hand-lungsbefugnisse, hierzu: Cass. com. v. 21.12.1987, Rev. sociétés 1988, 398; CA Paris v. 26.3.1966, Clunet 1966, 841 (844); Goldman, Clunet 1966, 845 (846); Synevt, Rev. sociétés 1988, 400. 853 So Mankowski, RIW 2004, 167 (171); Rauscher/ders., EuZPR/EuIPR, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 8a. 854 Vgl. aus deutscher Sicht: Hernichel, Die leitenden Angestellten im italienischen Arbeitsrecht, S. 35. 855 In die letzte Richtung scheinen die Ausführungen von Mankowski, RIW 2004, 167 (171) zu gehen. Siehe auch Rauscher/ders., EuZPR/EuIPR, Art. 18 Brüssel I-VO Rn. 8a.
§ 3 Anwendbares Recht in den jeweiligen Sachverhalten
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von Arbeitsrecht auf Organmitglieder 856 im europäischen Kollisionsrecht fortzuführen. Letztlich sind beide Möglichkeiten aber nicht zufriedenstellend: Die erste Variante lässt unberücksichtigt, dass die Parteien ein eigenständiges Schuldverhältnis i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO abschließen können. Die zweite Variante missachtet, dass die Rechtsbeziehungen teilweise das Gesellschaftsrecht betreffen und die Rom I-VO insoweit keine Anwendung finden kann. Eine vollständig gesellschaftsrechtliche oder nichtgesellschaftsrechtliche Qualifikation des Rechtsverhältnisses ist also nicht möglich. Daher wäre es ebenfalls nicht möglich, ein rein gesellschaftsrechtliches Verhältnis, wie es etwa in Frankreich besteht, im Rahmen des Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO in einen gesellschaftsrechtlichen und einen vertraglichen Teil aufzuspalten. 857 Darüber hinaus wird eine einheitliche Lösung ohnehin den tatsächlichen Umständen nicht gerecht. Es müssen zwar nicht die Entscheidungen des Gesellschaftsstatuts bezüglich der Möglichkeit eines Anstellungsvertrags im Internationalen Privatrecht respektiert werden, 858 jedoch entstehen aus den unterschiedlichen Behandlungen im Sachrecht tatsächliche Unterschiede in der Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Organmitglied: Einmal besteht ein zusätzlicher Vertrag neben der Bestellung, ein anderes Mal nicht. Diese zu beachten, bedeutet keine reine Differenzierung nach nationalen, sondern nach tatsächlichen Unterschieden, mögen diese auch auf dem nationalen Gesellschaftsrecht beruhen. Liegt also ein (arbeitsrechtlicher) Anstellungsvertrag vor, in dem die durch die Bestellung entstandenen Pflichten der Parteien um die Zahlung einer Vergütung sowie gegebenenfalls weitere Pflichten ergänzt wurden, ist auf diesen die Rom I-VO grundsätzlich anwendbar. 859 Dass die Aufteilung in Anstellung und Bestellung nicht von allen Rechtsordnungen geteilt wird, bedeutet also nicht, dass sie im Internationalen Privatrecht unzulässig ist. 860 2. Das auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts Grundsätzlich ist also die Rom I-VO anwendbar, wenn ein (arbeitsrechtlicher) Anstellungsvertrag geschlossen wurde. Eine Ausnahme besteht, wenn hierdurch eine Frage des Gesellschaftsrechts betroffen ist. Dies ist in der Regel nicht der Fall. Es wird nicht die gesellschaftsrechtliche Beziehung an sich, sondern nur deren anstellungsrechtliche Ausgestaltung geregelt. Fragen 856
EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa). Siehe 2. Kapitel § 2 B.II.2.c). 858 Siehe 2. Kapitel § 2 B.I.2. Anderer Ansicht: Kneip, Geschäftsführungsverträge im Internationalen Privatrecht, S. 43 f. 859 I.E. MünchKomm-BGB/Kindler, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 687. 860 Siehe aber auch Mankowski, RIW 2004, 167 (171). 857
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Kapitel 2: Bestimmung des anzuwendenden Rechts
des Bestellungsverhältnisses i.S.d. Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO wie Bestellung und Abberufung sind also nicht unmittelbar betroffen. 861 Aus französischer Sicht wird zwar die (freie) Abberufung des Organmitglieds nicht rechtlich, aber faktisch erschwert, sobald ein Anstellungsvertrag mit eigenständigem Kündigungserfordernis abgeschlossen wird, da eine sofortige Abberufung die Weiterzahlung der Bezüge ohne Gegenleistung zur Folge hat. Der Anstellungsvertrag betrifft jedoch nur mittelbar eine Frage des Gesellschaftsrechts. Unmittelbar ist die (sofortige) Abberufung nicht betroffen, da diese weiterhin rechtlich möglich ist: Das Organmitglied wird mit dem Ausspruch der Abberufung unmittelbar seines Amtes enthoben, eine Weiterbeschäftigungspflicht als Organmitglied bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des Anstellungsvertrags besteht nicht. Auch andere gesellschaftsrechtliche Fragen werden in der Regel nicht betroffen sein: Weisungen, welche die unternehmerische Tätigkeit als Organmitglied betreffen und daher dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen sind, werden beispielsweise durch den Anstellungsvertrag typischerweise nicht geregelt. Stattdessen sind allenfalls anstellungsbezogene Weisungsmöglichkeiten im Anstellungsvertrag enthalten. 862 Ist ein Anstellungsvertrag jedoch darauf gerichtet, gezielt eine Frage des Gesellschaftsrechts zu regeln, unterfällt er dem Gesellschaftsstatut und nicht dem Vertragsstatut nach der Rom I-VO. Stellt ein Anstellungsvertrag etwa konkret erschwerte Anforderungen an die Abberufung, bezieht er sich auf das Bestellungsverhältnis und ist daher ebenso wie dieses gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. 3. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften des Gesellschaftsstatuts auf die Organmitglieder auch bei Nichtanwendbarkeit der Rom I-VO Selbst wenn die Rom I-VO, etwa mangels eines eigenständigen Vertragsschlusses, keine Anwendung findet, bedeutet dies nicht, dass die Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Normen auf Organmitglieder im Sachrecht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die kollisionsrechtliche Verweisung erfasst alle Rechtsnormen, die den Interessen der Verweisungsnorm entsprechen. 863 Soweit arbeitsrechtliche Normen sich auch auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis beziehen, steht deren Anwendung die kollisionsrechtliche Anknüpfung nicht entgegen. Eine solche Norm ist etwa der in der Rechtssache Danosa streitgegenständliche Art. 10 RL 92/85/EWG. Der EuGH entschied, dass ein schwangeres Vorstandsmitglied einer lettischen Aktiengesellschaft Ar861 Siehe zum typischen Inhalt der auf eine Organstellung gerichteten Anstellungsverträge 1. Kapitel § 1 B.I.1.a), § 2 B.I.1.a). 862 Zur Unzulässigkeit anstellungsbezogener Weisungen wegen gesellschaftsrechtlich vorgeschriebener Weisungsfreiheit: 2. Kapitel § 2 E.III.2.c). 863 2. Kapitel § 2 E.III.1.a)ee).
§ 3 Anwendbares Recht in den jeweiligen Sachverhalten
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beitnehmerin im Sinne der Mutterschutzrichtlinie sein kann, obwohl laut der Vorlageentscheidung, so der EuGH, kein (arbeitsrechtlicher) Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft abgeschlossen wurde. 864 Rechtsfolge war, dass die gesellschaftsrechtliche (!) Abberufung nicht wirksam war, da unter Umständen aus Gründen abberufen wurde, die mit der Schwangerschaft in Verbindung stehen konnten. Der Arbeitnehmerschutz wurde also direkt auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis bezogen. Durch einen internationalen Bezug, der zunächst eine kollisionsrechtliche (hier gesellschaftsrechtliche) Qualifikation erfordert, kann sich am Ergebnis nichts ändern. Es ist daher nicht notwendig, arbeitsrechtlich zu qualifizieren, um auf Sachebene arbeitsrechtliche Normen anzuwenden. Überdies stünde eine solch rein rechtsfolgenorientierte Qualifikation nicht mit dem Ziel der Anwendung des räumlich und nicht des sachlich besten Rechts 865 überein. 4. Ergebnis Ist zwischen Gesellschaft und Organmitglied kein gesondertes Arbeitsverhältnis geschlossen worden, kann das Schuldverhältnis des Organmitglieds zur Gesellschaft nur einheitlich beurteilt werden. Da dieses vertragliche Verhältnis Fragen des Gesellschaftsrechts betrifft, ist es einheitlich gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Nur für einen auf die Organstellung gerichteten Anstellungsvertrag, welcher mit eigenem Inhalt neben der Bestellung geschlossen wurde, kann die Rom I-VO anwendbar sein. Voraussetzung ist gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO jedoch, dass hierdurch keine Frage des Gesellschaftsrechts betroffen ist. Dies ist in der Regel nicht der Fall. II. Qualifikation des auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO 1. Tauglichkeit der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zur Arbeitnehmereigenschaft der Organmitglieder für die Qualifikation des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsvertrags Bis zum Urteil in der Rechtssache Danosa 866 hat sich der EuGH nicht eingehend mit der Arbeitnehmereigenschaft der Organmitglieder beschäftigt. Jedenfalls soll die organschaftliche Stellung die Arbeitnehmereigenschaft laut EuGH nicht von vornherein ausschließen. 867 Entscheidend ist allein das Be-
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EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 22, 39 (Danosa). Mann, in: FS Beitzke, S. 607 (620). 866 EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa). 867 EuGH v. 10.12.1991, Rs. C-179/90, Slg 1999, I-5889, Rn. 13 (Merci Convenzionali Porto di Genova). 865
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stehen eines Unterordnungsverhältnisses, 868 wobei die Beteiligung an der Gesellschaft und eine Ertragsbeteiligung kein Ausschlussgrund sind. 869 In zwei teilweise missverstanden 870 Fällen des EuGH, in denen scheinbar einmal die Arbeitnehmerfreizügigkeit 871 ein anderes Mal die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit 872 eines Geschäftsführers bejaht wurden, hatte jedoch der Geschäftsführer tatsächlich nicht die Verletzung seiner eigenen Rechte behauptet. Stattdessen wurden einmal die Rechte der Arbeitnehmer für die Gesellschaft geltend gemacht, 873 das andere Mal ging es um die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft selbst. In der Rechtssache Danosa legte der EuGH hingegen Kriterien für ein Unterordnungsverhältnis eines Organmitglieds fest. Wie bereits geschildert ging es dort aber um die partielle Anwendung von Arbeitsrecht auf die Abberufung, also auf einen gesellschaftsrechtlichen Vorgang. Auf diese Rechtsbeziehung ist die Rom I-VO jedoch gar nicht anwendbar. Für die hier relevante Qualifikation des auf diese Organstellung gerichteten Anstellungsvertrags gelten daher die oben genannten Einschränkungen 874 für die Anwendung der vom EuGH aufgestellten Kriterien eines Arbeitsvertrags. Entscheidend ist letztlich die Weisungsunterworfenheit, welche sich entweder aus dem Anstellungsvertrag selbst ergibt oder sich nach der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Verteilung der Befugnisse in der juristischen Person richtet. 875 Als für den Individualarbeitsvertrag relevante Weisungen sind im Gegensatz zum deutschen Recht neben tätigkeitsbezogenen Weisungen auch gesellschaftsrechtliche Weisungen 876 maßgeblich. Ob eine gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit vorliegt, ist durch die Qualifikationsverweisung auf das Gesellschaftsstatut zu ermitteln. 877 Eine allgemeine Rechenschaftspflicht mag 868
EuGH v. 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 47 (Danosa); EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996 I-3089, Rn. 29 (Asscher). 869 2. Kapitel § 2 C.I.2.b)bb)(3)(b),(c). 870 Schlussanträge des GA Bot v. 2.9.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405, Rn. 84, Fn. 26 (Danosa); Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff, Das Recht der Europäischen Union, Art. 45 AEUV Rn. 71. 871 EuGH v. 7.5.1998, Rs. C-350/96, Slg. 1998, I-2521, Rn. 19 (Clean Car Autoservice). 872 EuGH v. 29.10.1998, Rs. C-114/97, Slg. 1998, I-6717, Rn. 44 (Kommission/Spanien). 873 EuGH v. 7.5.1998, Rs. C-350/96, Slg. 1998, I-2521, Rn. 19 (Clean Car Autoservice); Frey/Thölke, EWiR 1999, 355 (356). Zu den sog. Korrelarrechten siehe Grabitz/Hilf/Nettesheim/Forsthoff, Das Recht der Europäischen Union, Art. 45 AUEV Rn. 47 ff. 874 2. Kapitel § 2 C.I.2.b)bb)(3)(a). 875 Vgl. Schlussanträge des GA Léger v. 15.2.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996, I-3089 Rn. 29 (Asscher). 876 2. Kapitel § 2 C.I.2.b)bb)(3)(a). 877 2. Kapitel § 2 C.II.2.a).
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bei einer Gesamtbetrachtung eine Rolle spielen, als einziges Kriterium ist sie aber wegen des geringen Eingriffs in die freie Tätigkeit des Organmitglieds nicht zur Begründung eines Unterordnungsverhältnisses geeignet. 2. Die Anwendung der ermittelten Kriterien auf die Organmitglieder Wendet man diese Kriterien auf die Organmitglieder in den oben besprochenen Gesellschaften an, so ergibt sich unter Heranziehung des Gesellschaftsstatuts Folgendes: Der Geschäftsführer einer deutschen GmbH hingegen verfügt in der Regel über einen Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft. Im Rahmen dessen unterliegt er – sofern die Satzung nichts anderes vorsieht – zumindest den gesellschaftsrechtlichen Weisungen nach § 37 GmbHG, sofern er nicht mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligt ist. Diese Weisungsgebundenheit reicht für das nach Art. 8 Rom I-VO erforderliche Unterordnungsverhältnis aus. Ob er weitergehenden anstellungsrechtlichen Weisungen unterliegt, ist insoweit nicht maßgeblich. Ein Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Rom I-VO liegt vor. Die Rom I-VO ist auf den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds einer deutschen AG anwendbar. Eine Weisungsgebundenheit ist nach dem Gesellschaftsstatut ausgeschlossen. Dies betrifft sowohl gesellschaftsrechtliche als auch rein anstellungsbezogene Weisungen. Eine entgegen diesen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften vereinbarte Weisungsbindung im Anstellungsvertrag ist unbeachtlich. 878 Ein Individualarbeitsvertrag ist daher nur dann denkbar, wenn aus den anderen Kriterien sich ein Unterordnungsverhältnis ergeben würde. Bei Anwendung der Kriterien des EuGH aus der Rechtssache Danosa wäre ein Arbeitsvertrag denkbar: Eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat besteht u.a. darin, dass der Vorstand den Lagebericht und den Jahresabschluss nach § 170 AktG zu erstellen hat, welcher von dem Aufsichtsrat geprüft wird. Auch besteht die Möglichkeit, dass das Vorstandsmitglied von einem Organ, dem Aufsichtsrat, entlassen wird, das er selbst nicht kontrolliert, wenn auch das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG erforderlich ist. Da diese Kriterien jedoch im Rahmen des Art. 8 Rom I-VO als zu weitgehend abgelehnt wurden, 879 existiert insofern kein Individualarbeitsvertrag nach Art. 8 Rom I-VO. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn die Aktiengesellschaft von einer anderen Gesellschaft beherrscht wird. Aufgrund der sich dann ergebenden gesellschaftsrechtlichen Weisungsbindung der Organe 880 liegt ein Individualarbeitsvertrag vor. 878
2. Kapitel § 2 E.III.2.c). 2. Kapitel § 2 C.I.2.b)bb)(3)(a). 880 Siehe 1. Kapitel § 1 A.I. 879
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In der Satzung der public und der private limited kann eine Weisungsgebundenheit für die Direktoren der englischen Gesellschaften vorgesehen werden. Die häufig verwendeten model articles sehen dies in ihrem Art. 4 (1) auch vor. Da diese Weisungsgebundenheit für das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses ausreicht, verfügen die Direktoren in der Regel über einen Individualarbeitsvertrag nach Art. 8 Rom I-VO. Sach- und Kollisionsrecht stimmen insofern überein. Im Gegensatz zu dem englischen Sachrecht besteht allerdings ein Arbeitsvertrag nicht bei Ein-Mann-Gesellschaften, in denen der alleinige Gesellschafter auch Direktor ist. 881 Die französischen Organmitglieder verfügen in der Regel über keinen sich auf die Organstellung beziehenden Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Rom I-VO, da die Beziehungen nur gesellschaftsrechtlich geregelt sind und so schon kein Raum für eine vertragliche Qualifikation nach der Rom I-VO besteht. III. Das nach Art. 8 Rom I-VO auf das auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht 1. Rechtswahl und Korrektur nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO Das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht kann frei gewählt werden, jedoch ist das Günstigkeitsprinzip des Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO zu beachten. Während es bei der Anwendung dieser Vorschrift nach dem Wortlaut eher um einzelne Normen des objektiv ermittelten Vertragsstatuts, die trotz der Rechtswahl angewendet werden sollen, zu gehen scheint, ist angesichts der unterschiedlichen Ansichten in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zur Frage der Arbeitnehmereigenschaft der Organmitglieder die Frage hier eine grundsätzlichere: Ist Arbeitsrecht überhaupt auf den Anstellungsvertrag anzuwenden? Soweit beispielsweise englisches Recht über die objektive Anknüpfung auf den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds einer beherrschten deutschen AG anwendbare wäre, jedoch deutsches Recht nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO gewählt wurde, kann trotz der Negierung eines Arbeitsverhältnisses in Deutschland englisches Arbeitsrecht auf das Rechtsverhältnis Anwendung finden. Der Unterschied in der sachrechtlichen Einordnung des Verhältnisses ergibt sich daraus, dass die Anforderungen an ein Arbeitsverhältnis des Organmitglieds in England geringer sind. 882 Daneben können über Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO arbeitsrechtliche Normen des objektiven Vertragsstatuts auch dann angewendet werden, wenn das objektive Vertragsstatut das Rechtsverhältnis zwar nicht als Arbeitsverhältnis einordnet, jedoch die analoge Anwendung einiger Normen vorgesehen ist. 883 881
Vgl. 2. Kapitel § 2 C.I.2.b)bb)(3)(b). Vgl. 2. Kapitel § 3 C.I.4. 883 2. Kapitel § 2 D.I.2. 882
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2. Die mangels Rechtswahl mögliche akzessorische Anknüpfung des Anstellungsvertrags an das Bestellungsverhältnis Ungeachtet der objektiven Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Arbeitsort oder den Ort der einstellenden Niederlassung kann der auf die Organstellung gerichtete Arbeitsvertrag akzessorisch an das Statut des Bestellungsverhältnisses anzuknüpfen sein, wenn beide Verträge inhaltlich zusammen gehören und ein „größeres Ganzes“ bilden. 884 Das Verfolgen eines solchen Harmoniebestrebens zwischen Bestellung und Anstellung ist nicht notwendig, wenn der Verwaltungssitz in dem Gründungsstaat liegt und das Organmitglied dementsprechend auch seine Arbeit dort gewöhnlich verrichtet. Dann ist schon nach der Regelanknüpfung auf beide Verhältnisse das gleiche Recht anwendbar. 885 Wurde aber der Verwaltungssitz der Gesellschaft in einen anderen Staat verlegt, ändert sich das Gesellschaftsstatut nicht, jedoch kann der Arbeitsort nun in diesem anderen Staat liegen. Auf Bestellungsverhältnis und Anstellungsvertrag wären also unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar. Der Zusammenhang zwischen Bestellungsverhältnis und Anstellungsverhältnis ergibt sich daraus, dass Gegenstand beider Rechtsverhältnisse die Organstellung ist. Dabei kommt dem Anstellungsverhältnis eine Ergänzungsfunktion in Bezug auf das Bestellungsverhältnis zu. Auch wenn im Sachrecht das Rechtsverhältnis (trotz Kopplungsklauseln) 886 keine Einheit mit dem Bestellungsverhältnis bildet, sondern dieses wegen der Kündigungsfrist des Anstellungsvertrags überdauern kann, ist zu beachten, dass der Anstellungsvertrag nicht abstrakt von dem Bestellungsverhältnis besteht, sondern die Organstellung voraussetzt. Endet die Organstellung, besteht der Anstellungsvertrag gegebenenfalls zwar weiter, die sich aus dem Vertrag ergebende Pflicht zur Tätigkeit als Organmitglied besteht jedoch nicht mehr. Lediglich die Vergütung wird weiter gezahlt, ein Anspruch auf andere Beschäftigung existiert nur bei anderweitiger Absprache. Insofern besteht grundsätzlich ein enger inhaltlicher Zusammenhang, welcher für eine akzessorische Anknüpfung des auf die Organstellung gerichteten Individualarbeitsvertrags an das Bestellungsverhältnis spricht. Anders ist die Anknüpfung zu beurteilen, wenn von dem Individualarbeitsvertrag auch andere Tätigkeiten erfasst sind bzw. es möglich ist, nach Ende der Organstellung auch andere Tätigkeiten wahrzunehmen. In diesem Fall besteht keine akzessorische Anknüpfung an das Bestellungsverhältnis.
884
2. Kapitel § 2 D.II.2.c). Hierzu Harbarth/Nordmeier, IPRax 2009, 393 (394). 886 Siehe 1. Kapitel § 1 C.I.1.b). 885
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IV. Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen des Gesellschaftsstatuts auf das Arbeitsvertragsstatut Sofern der auf die Organstellung gerichtete Arbeitsvertrag einer anderen Rechtsordnung unterliegt als das Bestellungsverhältnis, können Normen des Gesellschaftsstatuts unter den oben genannten Voraussetzungen 887 bei der Auslegung des inländischen Rechts berücksichtigt werden. Hierdurch wird verhindert, dass auch bei nichtakzessorischer Anknüpfung an das Bestellungsverhältnis, die Normen des Gesellschaftsstatuts außer Betracht blieben. V. Ergebnis Soweit ein die gesellschaftsrechtliche Stellung konkretisierender Anstellungsvertrag zwischen Gesellschaft und Organmitglied geschlossen wurde, ist die Rom I-VO in der Regel auf diesen anwendbar. Ob der Anstellungsvertrag als Individualarbeitsvertrag nach Art. 8 Rom I-VO qualifiziert werden kann, ist davon abhängig, ob das Organmitglied in einem Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft steht. Hieran werden keine hohen Anforderungen gestellt, so dass sich die nationale Einordnung eines Arbeitsverhältnisses meist mit der kollisionsrechtlichen Qualifikation deckt. Eine Ausnahme besteht nur für die Arbeitsverhältnisse von Organmitgliedern englischer Ein-Mann-Gesellschaften. Aufgrund der Trennung des Arbeitsverhältnisses vom Bestellungsverhältnis im Kollisionsrecht können bei Anwendung der Regelanknüpfung auf die beiden Verhältnisse unterschiedliche Rechtsordnungen anwendbar sein. Wegen des inhaltlichen Zusammenhanges und des ergänzenden Charakters des Arbeitsverhältnisses spricht jedoch viel für eine akzessorische Anknüpfung des Arbeitsverhältnisses an das Bestellungsverhältnis. Die Entscheidung bleibt jedoch dem konkreten Vertragsinhalt im Einzelfall vorbehalten. C. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses I. Anwendbarkeit der Rom I-VO und das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis 1. Das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis als eigenständiges vertragliches Schuldverhältnis i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO Voraussetzung für eine von dem Bestellungsverhältnis getrennte Qualifikation des Arbeitsverhältnisses eines Organmitglieds ist der Abschluss eines eigenständigen vertraglichen Schuldverhältnisses. 888 Bezieht sich ein Anstel887 888
2. Kapitel § 2 E.III.2.c). 2. Kapitel § 2 B.II.2.b).
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lungsverhältnis nicht auf die Organstellung, sondern auf eine hiervon getrennte Tätigkeit, ergeben sich insofern keine Bedenken für eine eigenständige Qualifikation und die Anwendbarkeit der Rom I-VO. Die Anwendbarkeit der Rom I-VO von den Vorschriften des Gesellschaftsstatuts abhängig zu machen, 889 ist nicht gerechtfertigt. 890 Es richtet sich allein nach Art. 10 Abs. 1 bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO, ob das Arbeitsverhältnis aus irgendeinem Grunde nichtig ist. Dies ist also keine Frage des Internationalen Privatrechts, sondern der lex causae. 2. Das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis und der Ausschluss des Gesellschaftsrechts Eine vom Gesellschaftsstatut unabhängige Qualifikation nach der Rom I-VO erfordert gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom I-VO auch, dass das vertragliche Schuldverhältnis keine Frage des Gesellschaftsrechts betrifft. Da das zusätzlich ausgeübte Arbeitsverhältnis nicht auf die Regelung der Organstellung zielt, sind Fragen des Gesellschaftsrechts grundsätzlich nicht hiervon betroffen. Ähnlich wie bei dem auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnis ergibt sich im Sachrecht aber die Problematik, dass in Rechtsordnungen, die einen arbeitsrechtlichen Anstellungsvertrag verbieten, auch das zusätzlich ausgeübte Anstellungsverhältnis an gesellschaftsrechtlichen Wirksamkeitsanforderungen gemessen wird. Hintergrund ist die beispielsweise in Frankreich geäußerte Befürchtung, dass durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags die gesellschaftsrechtliche Abberufung als Organmitglied faktisch erschwert wird. 891 Solche mittelbaren Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht sind allerdings, wie oben festgestellt, 892 nicht von Art. 1 Abs. 2 lit. b) Rom I-VO erfasst. 3. Ergebnis Auf ein zusätzlich zur Organstellung abgeschlossenes Arbeitsverhältnis ist die Rom I-VO anwendbar. Fragen des Gesellschaftsrechts sind hierdurch nicht betroffen.
889 In diese Richtung Benedettelli, in: Meeusen/Pertegás/Straetmans (Hrsg.), Enforcement of International Contracts in the European Union, S. 252. 890 2. Kapitel § 2 B.I.2. 891 Siehe 1. Kapitel § 3 B.II.1.b). 892 2. Kapitel § 2 B.II.2.c).
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II. Qualifikation des nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO Die Qualifikation des nicht auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses als Individualarbeitsvertrag richtet sich nach den zu Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO aufgestellten Anforderungen. 893 Anders als bei der Tätigkeit als Organmitglied sind für die Frage nach dem Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses hier die rein gesellschaftsrechtlichen Weisungsverhältnisse gegenüber den Gesellschaftern oder dem Aufsichtsrat irrelevant. Allerdings ist auch nicht allein der Vertragsinhalt maßgeblich. Vielmehr ist im Einzelfall zu untersuchen, inwieweit durch die Strukturen der Gesellschaft ein Unterordnungsverhältnis zu einer anderen Person überhaupt noch möglich ist, da der vermeintliche Arbeitnehmer in seiner Position als Organmitglied selbst oberste Weisungsbefugnisse ausübt. Diesbezüglich muss also eine Qualifikationsverweisung auf das Gesellschaftsstatut erfolgen. Ist die betreffende Person alleiniges Mitglied des Geschäftsführungsorgans, ist ein Unterordnungsverhältnis schwer vorstellbar, da dieses dann zu einer Person bestehen muss, die nicht der Geschäftsführung untergeordnet ist. Besteht das Geschäftsführungsorgan aus mehreren Mitgliedern, muss die betreffende Person direkt oder indirekt einem anderen Organmitglied untergeordnet sein, welches wiederum unabhängig von ihm als Organmitglied ist. Ist das Organmitglied bereits in seiner Organstellung weisungsunterworfen, sind die Anforderungen an ein Unterordnungsverhältnis jedoch nicht so hoch anzusiedeln. Ist die Wahrnehmung der Organtätigkeit bereits durch gesellschaftsrechtliche Weisungsrechte so weit eingeschränkt, dass von einem Individualarbeitsvertrag auszugehen ist, wird auch die Wahrnehmung weiterer Tätigkeiten stets in einem Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft stehen. 894 III. Das nach Art. 8 Rom I-VO auf das nicht auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht Falls keine Rechtswahl für den Arbeitsvertrag vorgenommen wurde, bestimmt sich das anzuwendende Recht gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO nach dem Arbeitsort und subsidiär nach dem Recht des Staates der einstellenden Niederlassung. Allerdings kann auch eine engere Verbindung zu einem anderen Staat bestehen, so dass dessen Recht gemäß Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO anzuwenden ist. Eine engere Verbindung könnte sich aus dem Gesellschaftsstatut bzw. dem Bestellungsverhältnis ergeben, welches aufgrund der gleich893
Zu den Kriterien des Individualarbeitsvertrags nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO: 2. Kapitel § 2 C.I.4. 894 Anders im französischen Sachrecht, siehe 1. Kapitel § 3 C.II.2.d).
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zeitigen Organstellung neben dem Arbeitsverhältnis steht. Allerdings handelt es sich bei dem zusätzlich ausgeübten Arbeitsverhältnis und dem Bestellungsverhältnis um zwei auf unterschiedliche Tätigkeiten gerichtete Rechtsverhältnisse. Es existiert also nicht ein so enges Verhältnis wie zwischen dem auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnis und dem Bestellungsverhältnis. 895 Auch besteht ein enges Verhältnis zum Staat des Gesellschaftsstatuts nicht schon allein aufgrund der gleichzeitigen Organstellung. Das hier relevante Arbeitsverhältnis ist unabhängig von der Organstellung. Es mag zwar aus Sicht mancher Gesellschaftsrechtsordnungen ein Bedürfnis bestehen, alle Rechtsverhältnisse zwischen Organmitgliedern und der Gesellschaft dem Gesellschaftsstatut zu unterstellen, 896 um dessen gesellschaftsrechtliche Verbote oder Anforderungen durchzusetzen. Allerdings ist wiederum zu beachten, dass das hier relevante Arbeitsverhältnis auf eine Tätigkeit zielt, die unabhängig von der Organstellung ist und auch vor oder nach dieser in gleicher Weise ausgeübt werden kann und dem Schutzregime des Art. 8 Rom I-VO unterfällt. Eine engere Verbindung zum Gesellschaftsstatut besteht daher nicht. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, warum bei vorheriger Arbeitnehmertätigkeit durch die Bestellung als Organmitglied gegebenenfalls ein Statutenwechsel stattfinden sollte, obwohl der Inhalt des Arbeitsverhältnisses sowie die sonstigen Anknüpfungspunkte nach Art. 8 Abs. 2, 3 Rom I-VO (Arbeitsort, Ort der einstellenden Niederlassung) gleich bleiben. Eine engere Verbindung zum Gesellschaftsstatut nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO besteht also nur dann, wenn auch persönliche, räumliche sowie vertragsbezogene Kriterien 897 vorliegen, die zu demselben Staat führen. Ansonsten bleibt es bei der Regelanknüpfung. D. Bestimmung des anzuwendenden Rechts des auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichteten Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft I. Anwendbarkeit der Rom I-VO und das auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft Die auf die Organstellung gerichtete Tätigkeit muss nicht zwingend nur zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft, die es bestellt hat, vertraglich ausgestaltet werden. Wie im ersten Kapitel gezeigt, ist es im Sachrecht grundsätzlich möglich, dass ein Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds einer Gesellschaft auch zu dessen Muttergesellschaft besteht. 898 Entscheidend für die Bestimmung des auf dieses Verhältnis anwendbaren Rechts ist gemäß 895
Siehe hierzu 2. Kapitel § 3 B.III.2. Hierzu 2. Kapitel § 2 B.I.2. 897 2. Kapitel § 2 D.II.2.b). 898 1. Kapitel § 1 B.III.1, § 2 B.III.1, § 3.B.III.2. 896
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Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO zunächst, ob eine Frage des Gesellschaftsrechts durch dieses Rechtsverhältnis betroffen ist. Anders als in den oben geschilderten Konstellationen existiert im Verhältnis zur Muttergesellschaft kein konkurrierendes gesellschaftsrechtliches Bestellungsverhältnis. Nur im Verhältnis zur bestellenden Gesellschaft besteht ein solches. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass das Rechtsverhältnis zwischen Muttergesellschaft und Organmitglied der Tochtergesellschaft keine gesellschaftsrechtlichen Fragen aufwirft. Im deutschen Sachrecht beispielsweise ist es wegen der Zuständigkeit des Aufsichtsrats und wegen der Weisungsunabhängigkeit der Organmitglieder umstritten, ob das Vorstandsmitglied einer AG mit einer anderen Gesellschaft einen Anstellungsvertrag über die Organstellung eingehen darf. Jedenfalls die Zustimmung des Aufsichtsrats ist erforderlich. 899 Auch in Frankreich bestehen teilweise Bedenken. 900 Diese Probleme resultieren aus der gesellschaftsrechtlichen Stellung in der Tochtergesellschaft. Das Ziel des mit der Muttergesellschaft geschlossenen Vertrags ist jedoch ein anderes. Es wird nicht die Organstellung selbst, sondern es werden lediglich Anstellungsbedingungen geregelt, die also nicht das Gesellschaftsrecht betreffen, sie allenfalls berühren. Soweit in Frage steht, ob Vorschriften zur Weisungsgebundenheit der Organmitglieder umgangen werden, ist dies in erster Linie für die gesellschaftsrechtliche Beziehung zwischen Tochtergesellschaft und ihrem Organmitglied relevant. 901 Wenn aber selbst in diesem Verhältnis ein Anstellungsvertrag nicht dem Ausschluss des Gesellschaftsrechts unterfällt, 902 gilt für einen Vertrag mit Dritten nichts anderes. Der mit der Muttergesellschaft geschlossene Vertrag ist also nach den Vorschriften der Rom I-VO zu behandeln. II. Qualifikation des auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichteten Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO 1. Die Muttergesellschaft als Arbeitgeber Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, dass die beteiligten Parteien bestimmt werden können, was in der Regel keine größeren Schwierigkeiten bereitet, insbesondere wenn nur zwei Parteien (Gesellschaft und das Organmitglied) beteiligt sind. Verfügt das Organmitglied einer Gesellschaft allerdings auch über rechtliche Beziehungen zur Muttergesellschaft, kann ein Arbeitsverhältnis des Organmitglieds entweder zur Muttergesellschaft, zur 899
1. Kapitel § 1 B.III.1.b). 1. Kapitel § 3 B.III.2. 901 Mankowski, RIW 2004, 167 (172); Rauscher/ders., EuZPR/EuIPR, Art. 18 Brüssel IVO Rn. 8e. Anderer Ansicht zum deutschen Sachrecht: Hölters/Weber, AktG, § 84 Rn. 41. 902 2. Kapitel § 3 B.I.2. 900
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Tochtergesellschaft oder zu beiden bestehen. Im Internationalen Privatrecht ist die Frage nach der Bestimmung des Arbeitgebers bislang ungeklärt. Es wird entweder auf die Bestimmung i.S.d. lex causae 903 oder der lex fori 904 verwiesen. Im Sinne einer einheitlichen Auslegung des Arbeitsvertragsbegriffs sind jedoch auch die Parteien autonom zu bestimmen. Insofern ist unter Rückgriff auf die obige Definition des Individualarbeitsvertrags zu Art. 8 Rom I-VO der Arbeitnehmer derjenige, der die Leistung, und Arbeitgeber derjenige, der die Gegenleistung (Vergütung) erbringt und dem der Arbeitnehmer unterworfen ist. Notwendiges Element des Individualarbeitsvertrags ist das Austauschverhältnis, 905 so dass die von Art. 8 Rom I-VO erfassten Parteien rechtsgeschäftlich miteinander verbunden sind. Relevant ist die Zahlung des Entgelts und zu wem ein Unterordnungsverhältnis besteht. Dies kann allerdings auch dazu führen, dass zwei Arbeitgeber existieren. 906 2. Das Unterordnungsverhältnis zur Muttergesellschaft Sofern die Muttergesellschaft an das Organmitglied der Tochtergesellschaft ein Entgelt zahlt und dieses Organmitglied im Gegenzug Leistungen in der Tochtergesellschaft als Organmitglied erbringt, kommt ein Individualarbeitsvertrag nach Art. 8 Rom I-VO im Verhältnis zur Muttergesellschaft in Betracht. Entscheidendes Kriterium des Individualarbeitsvertrags ist das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses. Hierbei kann zwischen einer Unterordnung in Bezug auf die konkrete Tätigkeit als Organmitglied und einer Unterordnung auch in anderen Fragen unterschieden werden. Eine Weisungsgebundenheit bezüglich der konkreten Ausführung der Geschäftsführungsaufgaben kann vereinbart werden. Inwieweit das Organmitglied der Tochtergesellschaft aber unternehmerische Weisungen der Muttergesellschaft rechtlich befolgen darf, ist eine Frage des Gesellschaftsstatuts der Tochtergesellschaft. Sieht dieses eine Weisungsfreiheit der Organmitglieder vor, kann die vorgesehene Weisungsgebundenheit nicht realisiert werden. Dennoch besteht ebenso wie im nationalen Recht die Frage, ob es auf eine Weisungsgebundenheit in Bezug auf die konkrete Ausführung der Tätigkeit als Organmitglied überhaupt ankommt. Jedenfalls, wenn die Muttergesellschaft Entscheidungsgewalt besitzt, in welcher Tochtergesellschaft eine Per903
Knapp, in: Lalive/Vischer (Hrsg.), Colloque international sur le droit international privé des groupes de sociétés, S. 147 (157); Kahn-Freund, in: Lalive/Vischer (Hrsg.), Colloque international sur le droit international privé des groupes de sociétés, S. 199 (200); Morgenstern, International Conflicts of Labour Law, S. 62. 904 Lyon-Caen, Droit social international et européen, S. 111; Schlunck, Die Grenzen der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, S. 87. 905 Siehe zur Leiharbeit Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, S. 160. 906 Cass. soc. v. 21.4.1966, Bull. civ. V, Nr. 352.
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son als Organmitglied eingesetzt wird, und die Muttergesellschaft nach Abberufung weiter über die Arbeitskraft frei verfügen kann sowie über ihre Funktion als Gesellschafterin der Tochtergesellschaft zusätzlich das Recht zur Bestellung oder Abberufung besitzt, sind die Anforderungen des EuGH an das Unterordnungsverhältnis erfüllt. Die Muttergesellschaft hat insofern nicht nur die Möglichkeit, generell über die Arbeitskraft zu verfügen, sondern kann auch den Bestand des Organverhältnisses beeinflussen. Besteht eine Bestellungs- oder Abberufungsmöglichkeit der Muttergesellschaft nicht und kann die Ausübung der Tätigkeit aus der Organstellung nicht beeinflusst werden, bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass kein Arbeitsvertrag mehr vorliegt. Solange die Muttergesellschaft über die Arbeitskraft verfügen und eine Person dazu bestimmen kann, in einer anderen Gesellschaft tätig zu werden, ist diese Person weisungsgebunden. Eine fachliche Weisungsgebundenheit ist nicht zwingende Voraussetzung. 907 Dass sie gegebenenfalls trotz Kündigung des Arbeitsvertrags weiterhin die Organstellung in der Tochtergesellschaft wahrnehmen kann, betrifft nur das Verhältnis zu dieser Gesellschaft. Im Verhältnis zur Muttergesellschaft hingegen kann der Arbeitnehmer verpflichtet sein, das Mandat in der Tochtergesellschaft niederzulegen, um seinen Aufgaben nachzukommen. 3. Der Individualarbeitsvertrag sowohl mit Mutter- als auch mit Tochtergesellschaft a) Besonderheit bei Vertragsschluss mit Mutter- und Tochtergesellschaft Neben dem Vertrag mit der Muttergesellschaft kann das Organmitglied gleichzeitig auch mit der Tochtergesellschaft, bei der es Organ ist, einen (Lokal-)Arbeitsvertrag abschließen, so dass zwei Verträge nebeneinander bestehen. 908 Für den auf die Organstellung gerichteten Lokalarbeitsvertrag ergeben sich keine Abweichungen zur oben dargestellten 909 Qualifikation des auf die Organstellung gerichteten Arbeitsverhältnisses. Auch die Qualifikation des Verhältnisses zur Muttergesellschaft als Individualarbeitsvertrag wird grundsätzlich nicht durch den Lokalanstellungsvertrag berührt. 910 Entscheidend ist allerdings, dass das Verhältnis zur Muttergesellschaft, auch als Rumpfarbeitsvertrag bezeichnet, weiterhin die Anforderungen an ein aktives Arbeitsverhältnis erfüllt. Dies ist erwähnenswert, da der Lokalanstel907
2. Kapitel § 2 C.I.2.b)bb)(3)(a). Vgl. allgemein zur Entsendung innerhalb eines Konzerns: Franzen, IPRax 2000, 506 (507); Heilmann, Das Arbeitsvertragsstatut, S. 149; Mauer, RIW 2007, 92 (95 f.); Oberklus, Die rechtlichen Beziehungen des zu einem Tochterunternehmen im Ausland entsandten Mitarbeiters zum Stammunternehmen, S. 18 ff. 909 Hierzu 2. Kapitel § 3 B.II. 910 Mankowski, RIW 2004, 167 (172). 908
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lungsvertrag bereits alle Details der Tätigkeit inklusive Vergütung regeln kann. Der Rumpfarbeitsvertrag könnte daher mit der Organstellung in der Tochtergesellschaft auch ruhen oder aufgehoben worden sein. Maßgeblich sind hierfür die Umstände des Einzelfalls. Entscheidendes Unterscheidungskriterium zwischen aktivem/ruhendem und aufgehobenem Arbeitsverhältnis ist das Vorliegen einer Rückkehrvereinbarung: 911 Enthält der Vertrag mit der Muttergesellschaft lediglich Nebenabreden, wie eine betriebliche Altersversorgung oder die Garantieübernahme für Lohnansprüche, und keine Rückkehrvereinbarung, besteht in der Regel kein Arbeitsverhältnis mehr. 912 Wird hingegen eine Rückkehr entweder in Form eines Rückkehranspruchs des Arbeitnehmers 913 oder eines Rückrufrechts der Muttergesellschaft 914 vereinbart, kann das Arbeitsverhältnis fortbestehen. 915 Das Arbeitsverhältnis ist aber nur dann weiterhin aktiv, wenn die Arbeitsleistung auf Weisung und gegen ein Entgelt erfolgt. 916 Wurde hingegen das Arbeitsverhältnis wirksam aufgelöst, können die genannten Einzelabreden nur noch selbständig angeknüpft werden. Hier handelt es sich um eigenständige Verträge, die Art. 4 Rom I-VO unterliegen. b) Das Verhältnis der Individualarbeitsverträge mit Mutter- und Tochtergesellschaft Anstelle zweier einzelner Individualarbeitsverträge zu Tochter- und Muttergesellschaft könnte auch ein einheitlicher Vertrag zu Mutter- und Tochtergesellschaft gleichzeitig bestehen. 917 Die Verknüpfung zweier Verträge zu einem einheitlichen Vertrag ist dem Internationalen Privatrecht nicht fremd. 918 911
Ausführlich Junker, in: FS Kropholler, S. 481 (485 ff.); Gotthardt, MDR 2001, 961 (966, 969). 912 Junker, in: FS Kropholler, S. 481 (485). 913 Gotthardt, MDR 2001, 961 (969); Heilmann, Das Arbeitsvertragsstatut, S. 149 ff.; Junker, in: FS Kropholler, S. 481 (487); Lorenz, RdA 1989, 220 (223); Mastmann/Stark, BB 2005, 1849 (1850); Oberklus, Die rechtlichen Beziehungen des zu einem Tochterunternehmen im Ausland entsandten Mitarbeiters zum Stammunternehmen, S. 16. Siehe außerdem die schon etwas ältere Erhebung von Kronke, Rechtstatsachen, kollisionsrechtliche Methoden-entfaltung und Arbeitnehmerschutz im internationalen Arbeitsrecht, S. 41. Aber auch eine Auflösung mit Wiedereinstellungsanspruch ist möglich: Birk, RabelsZ 46 (1982), 384 (393 f.). 914 EuGH v. 10.4.2003, Rs. C-437/00, Slg. 2003, I-3573 (Pugliese); Gotthardt, MDR 2001, 961 (969); Heilmann, Das Arbeitsvertragsstatut, S. 149 ff.; Junker, in: FS Kropholler, S. 481 (488); Mankowski, RIW 2004, 133 (138 f.). 915 Junker, in: FS Kropholler, S. 481 (490); Mastmann/Stark, BB 2005, 1849 (1850); Wißkirchen/Bissels, DB 2007, 340 (341); Lyon-Caen, Dr. soc. 1981, 747 (748 f.). 916 Cass. soc. v. 15.6.1969, Dr. soc. 1961, 108; Mauer, RIW 2007, 92 (95); Vacarie, Dr. soc. 1989, 462 (463 f.). 917 Pataut, Rev. dr. trav. 2011, 14 ff. 918 Siehe 2. Kapitel § 2 B.II.2.b).
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Allerdings ist der Wille erforderlich, beide Verträge einem einheitlichen Schicksal zu unterwerfen. 919 Ein solcher Wille ist jedoch nicht anzunehmen, wenn der Vertrag mit der Muttergesellschaft auch nach der Abberufung fortbestehen soll, da er sich auf weitere Einsatzmöglichkeiten des Arbeitnehmers bezieht, der Arbeitsvertrag zur Tochtergesellschaft jedoch nur auf die Organstellung bezogen ist. Auch Erwägungsgrund Nr. 36 S. 2 der Rom I-VO geht davon aus, dass das Lokalarbeitsverhältnis eigenständig ist. Insofern bestehen zwei verschiedene Individualarbeitsverträge. III. Das nach Art. 8 Rom I-VO auf das auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft anzuwendende Recht 1. Regelanknüpfung bei vorübergehender Entsendung eines Arbeitnehmers in die Tochtergesellschaft, Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO Sofern nicht ein bestimmtes Recht von den Parteien gewählt wurde, ist das Recht des Staates anwendbar, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO. In der Regel ist dies der Verwaltungssitz der Tochtergesellschaft. 920 Eine Ausnahme von der Anknüpfung an den aktuellen Arbeitsort sieht Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO für Entsendungsfälle vor: Wird ein Arbeitnehmer „vorübergehend“ im Ausland tätig, gilt das Recht seines bisherigen gewöhnlichen Arbeitsorts weiter. Bestand also vor der Organstellung in der Tochtergesellschaft ein Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft, gilt das Recht des vorherigen gewöhnlichen Arbeitsorts bei der Muttergesellschaft fort. Für das Vorliegen einer „vorübergehenden“ Entsendung werden in der Rom I-VO feste zeitlichen Grenzen gesetzt. Jedoch stellt Erwägungsgrund Nr. 36 S. 1 der Verordnung darauf ab, dass von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er „nach seinem Arbeitseinsatz im Ausland seine Arbeit im Herkunftsstaat wieder aufnimmt“. Dadurch sind auch mehrjährige Auslandseinsätze erfasst, frühere Vorschläge für zeit-
919 Siehe auch zur Entsendung innerhalb eines Konzerns: Franzen, IPRax 2000, 506 (507); Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 212; Mauer, RIW 2007, 92 (100). Zu den engen Voraussetzungen eines einheitlichen Arbeitsvertrages: Cass. soc. v. 11.7.2000, Nr. 98-40.146; Pataut, Rev. dr. trav. 2011, 15 ff. 920 Vgl. 2. Kapitel § 3 B.III.2.
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liche Höchstgrenzen 921 greifen nicht mehr. 922 Allein der Wille zur Wiederaufnahme muss in dem Vertrag hervortreten. 923 Falls vor dem Beginn der Organstellung in der Tochtergesellschaft kein Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft bestand, der Arbeitnehmer später aber bei der Muttergesellschaft weiter beschäftigt werden soll und das Arbeitsverhältnis mithin mit einer vorübergehenden Entsendung beginnt, stellt sich die Frage, ob dennoch an einen Arbeitsort bei der Muttergesellschaft angeknüpft werden kann. Eine Entsendesituation ist zumindest dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer nur einmalig eingesetzt wird. 924 Dies ist also der Fall, wenn die Muttergesellschaft die Organmitglieder ihrer Tochtergesellschaften durch einen Arbeitsvertrag eng an sich binden möchte, ohne eine Beschäftigung nach der Organstellung vorzusehen. Ansonsten ist auch entscheidend, ob eine vorherige inländische Beschäftigung für das Vorliegen von Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO erforderlich ist. 925 Dies wird mit Hinweis auf den Wortlaut des Erwägungsgrunds Nr. 36 S. 1 Rom I-VO verneint, wonach erwartet wird, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit „wieder aufnimmt“. 926 Eine solch enge Wortlautauslegung wird als formalistisch 927 oder literalistisch 928 abgelehnt oder dadurch aufgelockert, dass der Erwägungsgrund Nr. 36 S. 1 Rom I-VO nur eine Regel aufstellt (als vorübergehend angesehen werden „sollte“), von der abgewichen werden kann. 929 Wichtiger scheinen in der Verordnung ohnehin der Rückkehrwille des Arbeitnehmers (animus revertendi) und der Rückholwille des Arbeitsgebers (animus retrahendi) 930 zu sein. Für einen Arbeitnehmer, der dem Willen der Parteien entsprechend auch nach Beendigung der Organstellung in der Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft selbst (weiter) beschäftigt werden soll, macht es keinen Unterschied, ob er dort bereits vorher beschäftigt war. Nichts anderes gilt auch, wenn eine Kettenentsendung vorgesehen ist und der Ar921
Bamberger/Roth/Spickhoff, BGB, 2. Aufl., Art. 30 EGBGB Rn. 20; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307 (333); Hansen, Eur. Bus. L. Rev. 19 (2008), 767 (769); Heilmann, Das Arbeitsvertragsstatut, S. 144; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 39; Staudinger/Magnus, BGB, 12. Aufl., Art. 30 EGBGB Rn. 111. 922 Winkler v. Mohrenfels/Block, EAS B 3000, Rn. 104. 923 Kritisch wegen des Arbeitnehmerschutzes Mauer/Sadtler, RIW 2008, 544 (546); dies., DB 2008, 1586 (1588). 924 BAG v. 21.10.1980, AP IPR-ArbR Nr. 17; MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn. 58. 925 MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn. 58. 926 Winkler v. Mohrenfels/Block, EAS B 3000, Rn. 106; Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (493). Zu Art. 30 EGBGB ebenso Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S. 182; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 39. 927 Mankowski, IPRax 2006, 101 (107). 928 Knöfel, RdA 2006, 269 (275). 929 Vgl. Wurmnest, EuZA 2 (2009), 481 (493). 930 Wurmnest EuZA 2 (2009), 481 (493).
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beitnehmer in jeweils unterschiedlichen Tochtergesellschaften als „Organmitglied“ einspringt, ohne jemals in der Muttergesellschaft zu arbeiten. Ferner ist auch die Regelung des Erwägungsgrunds Nr. 36 S. 2 Rom I-VO für Arbeitnehmer relevant, die in einer Tochtergesellschaft als Organmitglied eingesetzt werden. Danach soll der Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Arbeitgeber, der zur selben Unternehmensgruppe wie der ursprüngliche Arbeitgeber gehört, nicht ausschließen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit bei dem neuen Arbeitgeber nur vorübergehend verrichtet. Selbst wenn mit der Tochtergesellschaft also ein eigenständiger Anstellungsvertrag abgeschlossen wird, ändert dies daher nichts an der vorübergehenden Entsendung, so dass auch in diesem Fall der vorherige gewöhnliche Arbeitsort für die Anknüpfung maßgeblich ist. 2. Die Relevanz des Gesellschaftsstatuts der Tochtergesellschaft für die Frage nach dem Bestehen einer engeren Verbindung Für das auf die Organstellung gerichtete Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft, die das Organmitglied bestellt hat, wurde oben eine akzessorische Anknüpfung gemäß Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO an das Bestellungsverhältnis für den Regelfall befürwortet. 931 Im Unterschied zu der bereits behandelten Konstellation besteht bei einem Arbeitsvertrag mit der Muttergesellschaft aber ein von dem Bestellungsverhältnis abweichender Vertragspartner. Grundsätzlich wird zu Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO vertreten, dass ein Vertragsverhältnis mit einem Dritten zu dessen Lasten regelmäßig nicht akzessorisch an einen anderen Vertrag angeknüpft werden soll, dessen Vertragspartner er nicht ist. 932 Grund hierfür ist unter anderem, dass das anwendbare Recht für alle Beteiligten ex ante hinreichend erkennbar gewesen sein muss. 933 Obwohl die Formulierung des Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO weiter gefasst ist als Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO, 934 gilt dieser Grundsatz auch für Arbeitsverträge, da dem Arbeitgeber der Vertragsschluss mit einem Dritten nicht zugerechnet werden soll. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber diesen Vertragsschluss, wie hier, durch die Entsendung veranlasst hat und das anwendbare Recht ex ante erkennbar war. Notwendig ist eine solche akzessorische Anknüpfung ohnehin nicht, da das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Muttergesellschaft für das Organverhältnis zur Tochtergesellschaft unerheblich ist. Dennoch ist eine engere Verknüpfung zum Gesellschaftsstatut denkbar, wenn die Gesamtheit der Umstände ein Abweichen von der Regelanknüpfung 931
2. Kapitel § 3 B.III.2. MünchKomm-BGB/Martiny, Art. 4 Rom I-VO Rn. 255; Soergel/v. Hoffmann, BGB, Art. 28 EGBGB Rn. 116. 933 Mankowski, IPRax 2003, 464 (471). 934 2. Kapitel § 2 D.II.2.a). 932
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verlangt. 935 In Ausnahme zu Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO ist ein Statutenwechsel also möglich. Allerdings kommen als Umstände, die eine Anknüpfung nach der engeren Verbindung rechtfertigen, nur solche in Betracht, die sich nicht auf die Entsendung selbst beziehen, da ansonsten die Regelanknüpfung des Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO missachtet würde. Eine generelle Regel, nach der die Arbeitnehmer der Muttergesellschaft bei einer Entsendung als Organmitglieder in Tochtergesellschaften eine engere Verbindung zu dem Gesellschaftsstatut der Tochtergesellschaft aufweisen, kann daher nicht aufgestellt werden. Eine von der Regelanknüpfung abweichende engere Verbindung bleibt dem Einzelfall vorbehalten.
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Vgl. 2. Kapitel § 2 D.II.2.b).
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Das Entstehen der arbeitsrechtlichen Stellung eines Organmitglieds wird durch die gesellschaftsrechtliche Beziehung zwischen Organmitglied und bestellender Gesellschaft maßgeblich beeinflusst. Eine arbeitsrechtliche Stellung ist nur soweit möglich, wie sie nicht gegen gesellschaftsrechtliche Normen oder Prinzipien der Gesellschaft verstößt, zu deren Organmitglied eine Person bestellt wurde. Dies gilt sowohl im Verhältnis zu der Gesellschaft selbst als auch zu anderen, etwa konzernverbundenen Gesellschaften. Beschränkungen für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses können sich zum einen dadurch ergeben, dass bereits das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gegen gesellschaftsrechtliche Prinzipien, wie in Frankreich die freie Abberufbarkeit von Organmitgliedern, verstößt. Zum anderen kann auch aufgrund des Gesetzes oder der Satzung das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses von vornherein ausgeschlossen sein. Liegt kein Arbeitsverhältnis vor, werden jedoch teilweise arbeitsrechtliche Vorschriften analog angewendet. Wird neben der Organstellung eine weitere Tätigkeit in der Gesellschaft in einem Unterordnungsverhältnis wahrgenommen, ist der durch die gesellschaftsrechtliche Stellung entstehende Einfluss des Gesellschaftsrechts geringer und ein Arbeitsverhältnis insofern leichter möglich. Für das auf die Organstellung in der Tochtergesellschaft gerichtete Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft sind gesellschaftsrechtliche Vorgaben der Tochtergesellschaft, wie die Weisungsfreiheit, ebenfalls zu beachten, jedoch schließt dies nicht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses aus, da insoweit die Vereinbarungen mit der Muttergesellschaft entscheidend sind, welche etwa ein Direktionsrecht zur Wahrnehmung von Aufgaben auch in anderen Gesellschaften vorsehen können. Im Internationalen Privatrecht kann eine vom Gesellschaftsstatut getrennte arbeitsrechtliche Anknüpfung nur erfolgen, wenn ein von dem durch die Bestellung entstehenden gesellschaftsrechtlichen Verhältnis getrenntes vertragliches Schuldverhältnis besteht, welches keine Frage des Gesellschaftsrechts nach Art. 1 Abs. 2 lit. f) Rom I-VO betrifft. We-
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sentlich für die Frage der Anwendbarkeit der Rom I-VO auf Organmitglieder ist dabei das Bestehen eines gesonderten Schuldverhältnisses. Sofern neben der Bestellung keine weiteren anstellungsrelevanten Abreden getroffen wurden, liegt ein rein gesellschaftsrechtliches Rechtsverhältnis vor. Dass hierauf im Sachrecht gegebenenfalls punktuell Arbeitsrecht angewendet werden kann, wie in der Rechtssache Danosa, ändert nichts am gesellschaftsrechtlichen Charakter der Rechtsbeziehungen in der Rom I-VO, da das Verhältnis gesellschaftsrechtliche Fragen betrifft. Vereinbart das Organmitglied jedoch mit der Gesellschaft gesonderte Anstellungsbedingungen, ist die Rom I-VO grundsätzlich anwendbar. Wenn sich die vereinbarte Tätigkeit auf von der Organstellung getrennte Aufgaben bezieht oder mit einer Gesellschaft die Wahrnehmung der Organstellung in einer Tochtergesellschaft vereinbart wird, ist die Anwendbarkeit der Rom I-VO in der Regel unproblematisch. Die arbeitsrechtliche Qualifikation nach Art. 8 Rom I-VO setzt das Bestehen eines Individualarbeitsvertrags voraus. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, ist autonom zu bestimmen. In Anlehnung an die vom EuGH entwickelte Definition zur Arbeitnehmerfreizügigkeit liegt ein Individualarbeitsvertrag vor, wenn vereinbart wurde, dass für eine bestimmte Zeit Leistungen für einen anderen nach dessen Weisung erbracht werden sollen, für die als Gegenleistung eine Vergütung gezahlt wird. Wie im Sachrecht ist das charakteristische Abgrenzungsmerkmal zum Dienstvertrag das Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses zur Gesellschaft. Die vom EuGH in der Rechtssache Danosa entwickelten Kriterien zum Unterordnungsverhältnis eines Organmitglieds sind nur für das auf die Organstellung gerichtete Anstellungsverhältnis und auch hierfür nur bedingt zu übertragen, da der Arbeitsvertragsbegriff ansonsten uferlos würde. So sind die Bestellungs- und Abberufungsbedingungen zwar im Rahmen der Qualifikation zu berücksichtigen, eine allgemeine Rechenschaftspflicht als hinreichendes Kriterium für einen Arbeitsvertrag ist aber abzulehnen. Als arbeitsrechtlich relevante Weisungen gelten im Gegensatz zum deutschen Sachrecht auch die gesellschaftsrechtlichen Weisungen. Im Rahmen der Qualifikation sind demnach sowohl die Vertragsvereinbarungen als auch – mittels Qualifikationsverweisung – die Bestimmungen des Gesellschaftsstatuts heranzuziehen. Letztere sind jedoch hauptsächlich für das auf die Organstellung gerichtete Anstellungsverhältnis von Bedeutung. Ein im nationalen Recht bestehendes Arbeitsverhältnis eines Organmitglieds ist in der Regel auch in der Rom I-VO als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO zu qualifizieren. Eine Ausnahme bildet das im englischen Recht bestehende Arbeitsverhältnis eines Mehrheits- bzw. Alleingeschäftsführers, dessen Anstellungsvertrag mangels Weisungsunterworfenheit im Kollisionsrecht nicht als Individualarbeits-
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vertrag zu qualifizieren ist. Da die gesellschaftsrechtlichen Weisungen im Rahmen der Qualifikation berücksichtigt werden, erfasst der Anwendungsbereich des Art. 8 Rom I-VO aber auch Anstellungsverhältnisse, die im Sachrecht nicht unter den Arbeitsvertragsbegriff fallen würden. Beispielsweise ist der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers einer deutschen GmbH wegen der Weisungsgebundenheit nach § 37 GmbHG als Individualarbeitsvertrag i.S.d. Art. 8 Rom I-VO einzuordnen, auch wenn dieser nach deutschem Sachrecht als Dienstvertrag angesehen wird. Ein Unterordnungsverhältnis liegt bei einem mit der Gesellschaft geschlossenen Vertrag über von der Organstellung getrennte Aufgaben und einem mit der Konzernmutter geschlossenen Anstellungsvertrag über die Organstellung in der Tochtergesellschaft grundsätzlich vor. Im ersten Fall ist allerdings zu beachten, inwieweit das Organmitglied an der Gesellschaft beteiligt ist und ob das Organmitglied bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben tatsächlich jemand anderem als sich selbst untergeordnet ist. Für das Rechtsverhältnis zur Muttergesellschaft ist nur die Beteiligung an der Muttergesellschaft selbst relevant. Aufgrund der eigenständigen Qualifikation nach Art. 8 Rom I-VO können sich die Rechtsordnungen des Arbeitsvertragsstatuts und des Gesellschaftsstatuts unterscheiden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Arbeitsort des Organmitglieds (Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO) in einem anderen Land als der Gründungsort der Gesellschaft liegt. Trotz des Ineinandergreifens von Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht im Sachrecht liegt nicht automatisch auch eine engere Verbindung des Individualarbeitsvertrags nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO zu dem Staat vor, dessen Recht auf die Gesellschaft anwendbar ist. Ein Gleichlauf von Bestellung und Anstellung ist also nicht selbstverständlich. Wegen des Charakters als Ausnahmeklausel ist für eine engere Verbindung nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO das zusätzliche Vorliegen weiterer persönlicher, räumlicher oder vertragsbezogener Kriterien erforderlich. Allein für den auf die Organstellung gerichteten Individualarbeitsvertrag zwischen Organmitglied und der bestellenden Gesellschaft ist eine akzessorische Anknüpfung des Vertrags an das Bestellungsverhältnis im Regelfall gegeben, so dass ein Gleichlauf besteht. Aus der Divergenz der Rechtsordnungen des Arbeitsvertragsstatuts und des Gesellschaftsstatuts ergeben sich im Sachrecht keine unbilligen Ergebnisse dadurch, dass aus Sicht des Gesellschaftsstatuts fremdes Gesellschaftsrecht auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden kann. Es werden durch die kollisionsrechtliche Verweisung des Art. 8 Rom I-VO zwar teilweise auch gesellschaftsrechtliche Normen des Arbeitsvertragsstatuts zur Anwendung berufen. Bei der Anwendung dieser Normen auf das Arbeitsverhältnis bleiben im Sachrecht aber solche Normen außer Betracht, welche nur die Rechtsbeziehungen von Organmitgliedern zu
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inländischen Gesellschaften regeln wollen. Dass die gesellschaftsrechtlichen Normen grundsätzlich nicht auch das Verhältnis von Organmitgliedern einer ausländischen Gesellschaft erfassen wollen, ergibt sich aus Sinn und Zweck der fraglichen Normen. Ein aus Sicht des Gesellschaftsstatuts fremdes Gesellschaftsrecht findet auf den Individualarbeitsvertrag des Organmitglieds daher nur sehr eingeschränkt Anwendung. Stattdessen sind die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des Gesellschaftsstatuts bei der Auslegung des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts zugrunde zu legen. Normen des Gesellschaftsstatuts können damit bei der Untersuchung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden, selbst wenn sie keine Eingriffsnormen darstellen. Hierdurch wird dem sachrechtlich engen Verhältnis von Gesellschafts- und Arbeitsrecht bei Organmitgliedern Rechnung getragen.
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Sachverzeichnis Abhängigkeit – persönliche 15 ff., 27, 33 – wirtschaftliche 52 ff., 82 Abhängigkeitsverhältnis, siehe Unterordnungsverhältnis Adaption des Sachrechts 102 akzessorische Anknüpfung – an das Bestellungsverhältnis oder den Gesellschaftsvertrag, siehe Ausweichklausel – Ziel der akzessorischen Anknüpfung 139 analytische Methode des IPR 101 Anstellungsverhältnis der Organmitglieder in der Rom I-VO – Trennung von ~ und Bestellungsverhältnis 106 ff. – Unterscheidung von ~ und Bestellungsverhältnis 108 Anstellungsverhältnis der Organmitglieder in Deutschland – Begriff und Entstehen 8 ff. – Unterscheidung und Verhältnis von ~ und Bestellungsverhältnis 10 ff. Anstellungsverhältnis der Organmitglieder in England – Begriff und Entstehen 40 – Unterscheidung und Verhältnis von ~ und Bestellungsverhältnis 41 – Wirksamkeit des Anstellungsverhältnisses 43 Anstellungsverhältnis der Organmitglieder in Frankreich – Unzulässigkeit des auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses 72 – Zulässigkeit des nicht auf die Organstellung gerichteten Anstellungsverhältnisses, siehe cumul
Arbeitgeberfunktion und Arbeitsverhältnis 12 f. Arbeitnehmerbegriff – im europäischen Primär- und Sekundärrecht 119 – in der Rechtsprechung des EuGH 121 – in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten 15 ff., 47 ff., 79 ff., 128 Arbeitnehmerfreizügigkeit 122 ff., 129, 163 Arbeitnehmerschützende Vorschriften – analoge Anwendung auf Organmitglieder 24 – unmittelbare Anwendung auf Organmitglieder 75 Arbeitsort, siehe gewöhnlicher Arbeitsort Arbeitsvertragsbegriff – Deutschland 15 ff. – England 47 ff. – Frankreich 79 ff.. – Unionsrecht 113 ff Arbeitsvertragsstatut 135, 141, 144, 146, 150, 152 ff., 168 – Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung 144 ff. – Verhältnis zum Gesellschaftsstatut 133 ff., 137 ff. Aufspaltung des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Organmitglied in der Rom I-VO 110 außervertragliches Schuldverhältnis 114 Auslegung lege causae 102, 116, 118 Auslegung lege fori 102 Ausweichklausel – Ausnahmecharakter 137 – Kriterien 138 f. – Relevanz des Gesellschaftsstatuts für die ~ 138 f.
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Sachverzeichnis
– Relevanz des Bestellungsverhältnisses / Gesellschaftsvertrags für die ~ 139 autonome Auslegung der Rom I-VO 102 Berücksichtigung des Auslandsbezugs bei der Auslegung inländischen Arbeitsrechts 156 Beteiligung am Geschäftsrisiko als Ausschluss für die Arbeitnehmereigenschaft 127 Bestellungsverhältnis – Entstehen 5, 38, 66, 139 – Deutschland 5 – England 38 f. – Frankreich 66 f. – Unterscheidung von ~ und Anstellungsverhältnis 8 ff., 41 ff., 68 ff., 143 ff. Bündelungsmodell 148 continuity of employment 58 control test 47 ff., 56 cumul – Anwendung auf die Organmitglieder 85 ff., 90 – Hintergrund 76 – Kritik am Konzept 77 – Relevanz 78 – Voraussetzungen 79 dépeҫage 110 Dienstleistungsfreiheit 164 Divergenz von Arbeitsvertrags- und Gesellschaftsstatut 143, 183 doppelfunktionale Sachnormen 147 Drittanstellungsverträge 31 f., 143, 153 economic reality test 52, 57 Eingliederung des Organmitglieds in den Betrieb – Deutschland 22 f. – England, siehe integration test – Frankreich 82 Eingriffsnormen 105, 146 ff., 153 f., 157 einheitliches Arbeitsverhältnis mit mehreren Arbeitgebern 35 f., 63
engere Verbindung zum Gesellschaftsstatut, zum Bestellungsverhältnis, zum Gesellschaftsvertrag, siehe Ausweichklausel Entsendung von Arbeitnehmern, siehe Regelanknüpfung Gesellschaftereigenschaft und Arbeitnehmereigenschaft 126 Gesellschaftsstatut – Bedeutung für die Qualifikation des Arbeitsvertrags 104, 133 – Ermittlung des Gesellschaftsstatuts 143 – Einfluss auf die Anwendbarkeit der Rom I-VO 104 gesetzliche Vorgaben hinsichtlich einer arbeitsrechtlichen Stellung 12, 133 gewöhnlicher Arbeitsort 137 f., 167, 176 ff. gewöhnlicher Aufenthalt 129 Günstigkeitsprinzip 135 f., 166 Gründungstheorie 143 Grundsatz der freien Abberufbarkeit 70, 125, 142, 151 f., 155 f. Individualarbeitsvertrag – Auslegung 113 ff. – Begriff 113, 119, 121 – Rechtsquellen 119 ff. innere Verfassung einer Gesellschaft nach der Rom I-VO 102 f. integration test 51 kanalisierte Verweisung 148 Kettenentsendung 177 Konzernsachverhalte – Arten der Arbeitsverhältnisse 33 ff., 61 ff., 91 ff. – Bestimmung des richtigen Arbeitgebers 61, 90, 172 – Deutschland 30 ff. – England 60 ff. – Frankreich 90 ff. – in der Rom I-VO 134, 172 ff. Kopp(e)lungsklauseln 10 Lokalanstellungsvertrag 174
Sachverzeichnis Mehrpersonen-Geschäftsführung – Weisungsgebundenheit bei ~ 20 multifactorial approach, siehe multiple factor test multiple factor test 54 f., 57 mutuality of obligation test 53 f. nicht zur Organstellung gehörende Tätigkeiten – Deutschland 25 ff. – England 58 ff. – Frankreich 76 ff. – Relevanz 25, 58, 78 Normmangel 147
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– an den Arbeitsort 137 – an den Ort der einstellenden Niederlassung 137, 167 – bei vorübergehender Entsendung 176 Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung – Ausnahmen von der ~, siehe Ausweichklausel Relevanz des Auslandsbezugs bei Auslegung des Sachrechts 153 Rom I-VO – Anwendbarkeit 102 – Auslegung 102 ff. Rumpfarbeitsvertrag 63, 174 f.
Qualifikation – Bedeutung 163 ff. – Bedeutung des Gesellschaftsstatuts für die ~ 132, 170 – ~sverweisung auf die lex causae 131 f., 134, 170 – Verhältnis zur Auslegung 131 ff. – ~ zweiten Grades 146
sachrechtliche Berücksichtigung des gesellschaftsrechtlichen Auslandsbezugs 153 ff. Schutz des Schwächeren 105, 116, 136 Sitztheorie 143 société à responsabilité limité – Arbeitnehmerstellung des gérant 89 société anonyme – Arbeitnehmerstellung der Verwaltungsratsmitglieder im monistischen System 86 f. – Arbeitnehmerstellung des Generaldirektors im monistischen System 87 f. – Arbeitnehmerstellung der Vorstandsmitglieder im dualistischen System 88 f. – Systeme: dualistisches System, monistisches System 68 ff. Sonderanknüpfung nach Art. 9 Rom IVO 105, 141, 146 ff., 152 Sonderprivatrecht 136 soziale Schutzwürdigkeit 12, 14 Statutenwechsel 118, 132, 171, 179 subjektive Anknüpfung, siehe Rechtswahl
Rechtsformzwang – Auswirkungen nationalen Rechtsformzwangs auf die Qualifikation 132 ff. Rechtswahl – Korrektur der ~ 116, 135 – ~ und das Günstigkeitsprinzip 135 Regelanknüpfung
Tätigkeitsort 129, 137, 144 Tests zur Bestimmung der Arbeitnehmerstellung – Bewertung der Tests 56 – siehe auch control test, economic reality test, integration test, multiple factor test und mutuality of obligation test
Prinzip der freien Abberufbarkeit, siehe Grundsatz der freien Abberufbarkeit private company limited by shares – Arbeitnehmerstellung der Direktoren 57 f. public company limited by shares – Arbeitnehmerstellung der Direktoren 57 f. objektive Anknüpfung – für den Individualarbeitsvertrag 116, 137 ff. – für das Gesellschaftsrecht 143 objektives Vertragsstatut 135, 166 Ort der einstellenden Niederlassung 167, 170 f., 176 f.
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Sachverzeichnis
Theorie der Stufenqualifikation 145 Treuepflichten der Organmitglieder 5 ff., 26, 40 f., 61, 72 f. typengemischte Verträge 112 Über-/Unterordnungsverhältnis, siehe Unterordnungsverhältnis Umfang des Vertragsstatuts 145 Umfang der kollisionsrechtlichen Verweisung, siehe Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisung Unternehmerrisiko des Organmitglieds – Auswirkungen der Übernahme des Unternehmerrisikos auf die Arbeitnehmerstellung 17 ff., siehe auch economic reality test Unterordnungsverhältnis – in der Rechtsprechung des EuGH 123 ff. unterschiedliche Einordnung auf Kollisions- und Sachrechtsebene 115 ff. Verbrauchereigenschaft des Organmitglieds 24 Vereinbarkeit von arbeitsrechtlicher Stellung und Organstellung – Deutschland 11 ff. – England 43 ff. – Frankreich 72 ff. – im Internationalen Privatrecht 141 ff.
vertikale Spaltung eines Schuldverhältnisses, siehe Aufspaltung des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Organmitglied vertragliches Schuldverhältnis nach der Rom I-VO 130, 150 f., 168 Vorstandsmitglied – Arbeitnehmerstellung des ~s 23 Vorstandsdoppelmandat 27 Weisungsgebundenheit – arbeitsrechtliche ~ 34, 164 – gesellschaftsrechtliche ~ 10, 17, 164, 170 – organisatorische ~ 23 – unternehmerische ~ 17, 33, 126, 173 – Verhältnis von gesellschaftsrechtlicher und arbeitsrechtlicher ~ 19 Wettbewerbsverbot 26 f., 72 f.