Die Aphorismen des Hippokrates: Teil 1 Die vier ersten Bücher und Bagliv's goldene Sprüche als Einleitung [Reprint 2022 ed.] 9783112639184


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Die Aphorismen des Hippokrates: Teil 1 Die vier ersten Bücher und Bagliv's goldene Sprüche als Einleitung [Reprint 2022 ed.]
 9783112639184

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D>Aphoriömen des HippokrareS, verteutscht und commentirt durch

Dr. I. tzs. Pitschaft, G. H. B. Hof- und Medieinalrath, mehrerer ge­ lehrten Gesellschaften Mitglied, praktischen Arzt zu Carlöruh.

Erster Theil, enthaltend die vier ersten Bücher und Bagliv's goldene Sprüche als Einleitung.

Berlin, 1825. Gedruckt und verlegt bet G. Reimer.

//Nur ein Theil der Kunst kann gelehrt werden, derKünstler braucht sie gan»." Göthe.

Seiner

Königlichen Hoheit

Ludewig, Großherzog von Baden, Herzog von Zäh­ ringen u. s. w.

allcrunterthänigst zugeekgnet.

Durchlauchtigster Großherzog!

Gnädigster Herzog und Herr!

Möchten Ew. Königliche Hoheit die Zueignung dieser Schrift als ein wohl schwaches Symbol unsichtbarer Em­ pfindungen allergnädigst anerkennen, und das innigste Dankgefühl und die lauterste Hochverehrung des Verfas­ sers als Bestimmungsgrund für ihn

zu dem Ende allergnädigst zu erken­

nen geruhen!

Ich verharre in tiefster Ehrfurcht Eiv. Königlichen Hoheit

allerunterthänigster

Pitschafr.

Vorwort. Favete, adelte aequo animo et rem cognoscite.

Ter ent. Hippokrates

Der Natur Vertrauter und Liebling, Mann von Beobachtungsgeist, von tiefdurch­ schauendem Blicke, Geleitet vom Gefühl der Wahrheit, daS ihn

nie verließ, Gründlich, obwohl kein zweckloser Forscher,

Aemsig

und unermüdet im Sammeln der

Zeichen, Ein glücklicher Seher der Zukunft, Hippokr. v. Pir schäft, I. Lft.

A

2 sondern natürlicher

Kein Schwärmer,

Folgen sorgsamer Beobachter, Verführerischer Unterschiede Feind,

Heilsam in allen Gebrechen des hinfälligen Leibes,

Den innern und äußern.

Ein wahrer Arzt,

Einfach wie die Natur, wirksam wie sie im

Handeln, Minder durch widrige Mittel, als schickliche Nahrung,

Stiftete er die Kunst,

die vor ihm nicht

Kunst war. Ward dann mißverstanden. Erhielt ein Ansehen, das er selbst verworfen

hätte, Dis endlich durch edlere Künstler die Kunst'

vom Joche des Anschns,

Der Demonstrirsucht, der Erfahrung ohne Erfahrung

Befreit, wieder Hippokratisch geworden,

«den. Za, den Geist der Aerzte immer Hippo­ kratischer zu machen, ist die Absicht, die ich'

stets nach

meinen Kräften

verfolge,

und

wenn ich durch die vorliegende Arbeit diesen

Geist bei jungen Männern erwecke, erfrische und recht lebendig mache, so finde ich darin

den schönsten Gcistesgcnuß,

und dieses in

einem um so höheren Grade als ich fühle,

daß ich keine andere Absicht beim Entwürfe dieses Buches chatte, als gerade diese.

Aber Freunde, -wollt ihr wissen, was Hippokratcs wußte, wollt ihr denken lernen,

wie er dachte, soll es Euch gelingen zu wir­ ken, wie er wirkte: so ist es eine unerläßli­

che Bedingung, daß ihr seid, was er war.

Er war wahr, edel, nüchtern, bescheiden, wohlwollend, im Geiste und der Wahrheit dem Göttlichen zugethan, sein Verstand war

großartig, sein Gemüth edle Einfalt. Es ist ewig wahr,

in der Heilkunst

kommt es nicht minder darauf an, was der

Mann ist, als was er weiß.

Wenn je­

der mit Ter en z wird sagen müssen: Homo

$um: human! nihil a me alienum puto; A 2

4

so wollen wir doch mit dem herrlichen Schil­ ler dieses Vorwort schließen „ Vor Unwürdigem kann dich der Wille, ter ernste, bewahren," „ Alles Höchste es kommt frei von den Göt­ tern herab." und die goldenen Sprüche deö großen Arz­ tes Baglio, eines wahrhaft Hippokratischen Geistes, als Einleitung zu den Aphorismen des Hippokratcs wäblcn.

Intel cuneta leges ■ st pcrcontabcre dcctos,

H o r a r.

Von der höchsten Nothwendigkeit der Deob/ achtung im Gebiete der Medizin. Der Ärzt, der Natur Diener und Mittler, kann nur in so weit die Natur beherrschen, als seine Denk- und Handlungsweise ihren Gesehn ent­

spricht.

Denn der Krankheiten Ursprung und ihre

eigentliche Ursache liegen im Grunde viel zu tief, als daß deS Menschen Scharfsinn bis dahin-drin­

gen könne; ja oft schafft die Natur ein neues Werk, wo unser Streben nichts mehr vermag. L^r mit dem Hülfsmittel vieljähriger Erfah­

rung ausgerüstete scharfsinnige Geist wird vorzüg­

lich die Gabe, Krankheiten zu heilen, erlangen; besonders wenn er das Studium der Bücher da­ mit verbindet.

Trifft er aber dabei keine sorg-

fällige Auswahl, fa ist zu befürchten, daß er da zu Irrungen verleitet werden dürfte, wo er neue

Hilfsquellen

für

die. Wissenschaft zu

entdecken

hoffte. Die Sprache der Natur, nicht die eines Men­ schen, redete Hippokrates der RomuluS der Aerzte.

In der alten. Welt glich ihm keiner in der Heil­ kunst,. und in der neuen wird ihm keiner gleichen,

wenn, die Aerzte nicht zur Erkenntniß kommen,

und gleichsam aus einem- tiefen Schlafe erwacht, nicht einsehen lernen, wie sehr die «^Thatsachen

sich fußende männliche Heilkunde der Griechen von der speculativen und schwankenden Lehre der Neuern

abweicht.

Nicht mehr dürfen sie Hirngespinsten

huldigen, sie müssen zu der Einsicht gelangen, daß man die Heilkunst nicht in die engen Grenzen un­ seres Verstandes einzwängen kann, sondern daß

man sie vielmehr aus dieser Eingeschlossenheit auf die Bühne der Natur hervortreten lassen muß. Was

die heutige Doctrin vor der Unvoll­

kommenheit der älteren auszeichnetdas verdan­ ken wir lediglich der Experimentalphilosophie un­

seres Zeitalters.

Iemehr aber die Arbeiten der

Einzelnen sich zur Gemeinnützigkeit erheben, um

so mehr muß nach besten Kräften unser Streben dahin gehen, eine möglichst vollendete Gewißheit

in der Heilkunst, denn daö ist ja doch der Kunst

7 höchstes Ziel, zu erreichen. 2suf diese Weise wird die Lehre nicht nur die schon so lang her eingemischten vorgefaßten Meinungen unseres Verstan­ des, die Urquelle aller unserer Irrthümer, able­ gen, sondern auch auS einem unmündigen und ro­ hen Zustande, endlich mündig und weise hervorrreten. Man muß die Neuern den Alten nicht ent­ gegensetzen, sondern in so weit es geschehen kann, mit ihnen in Uebereinkunft verbinden. Denn waS wäre ungereimter, als Schriftsteller, die in der Sache übereinstimmen, der Verschiedenheit der Ausdrücke wegen, der der Ansicht zu zeihen. Ge­ rade diese Sucht, neue Worte zu bilden, hemmt in seinen glückliche n Fortschritten den Anfänger, diese Zweideutigkeit macht ihn unsicher und mistrauisch, darum weiß er nicht, wo er halten, und ist in ewigem Zweifel, wohin er sich bei Behand­ lung der Krankheiten wenden soll, er stößt oft an, und nicht selten tauscht er sich oder wird betrogen durch den Schein des Wahren oder Wahrscheinli­ chen. Den Kranken selbst mag wohl wenig daran gelegen sein, ob ihr die Symptome der Krankhei­ ten und die Grundprincipien des belebten Orga­ nismus mit barbarisch klingenden Benennungen älterer Aerzte bezeichnet, wenn ihr nur die wahre Heilmethode kennet, wenn nur eure Worte in die

That übergehen,

und der Erfolg Len Vorhersa-

gungerr entspricht. Nichts zieht aber den Geist von der wahren

Kenntniß der Krankheiten mehr ab als das zü­

gellose Ausschweifen im Speculiren und Difputiren- worin sich die arabischen Aerzte, sogar in der praktischen Medicin, so sehr gefielen; ja auch die spateren Galenisten waren nicht besser, sie zogen

dem angenehmen und weiten Gebiete der Natur,

wo das Genie sich freier hätte entfalten können, Albernheiten und leere Spitzfindigkeiten der Dia-

lrctiker vor.

Hierin lange beschäftigt und befan­

gen hatten sie niemals den Muth auf neue Ent­ deckungen zu hoffen.

Die Medicin ist keine Ausgeburt des mensch­ lichen Verstandes, sondern eine Tochter der Zeit;

welche

durch

lange-.Erfahrung

entstanden

ist.

Man kann sie füglich mit einem- Manne vergleü chen, welcher die verschiedenen Arten der Krank­ heiten auö dem, was er lange Seit hindurch mit

Bezeichnung des Erfolgs beobachtet und wahrge­

nommen hat, erkennt, anschaut und erklärt; nicht nach plausibeln Hypothesen Mittel anwendet, son­ dern solche, die von der göttlichen Kunst als durch

lange Erfahrung erprobte,

und der nach

strebt.

einer

vorgeschrieben sind,

unvergänglichen

Heilkunst

Diese Heilwissenschaft mit dem Schimmer,

mit der vermeintlichen Pracht und'Hoheit der hy­ pothetischen verglichen, unansehnlich

dürfte vielleicht gering,

und verächtlich erscheinen. — Aber

in. jener ist kein Heit, kern Leben, nur eine au­ ßerordentliche Fülle von Aesten und-Blättern *),

vielleicht zum Ansehen

schön,

die

aber- sogleich

wieder verwelkt, wenn sie der Neuheit Reiz ver­

loren hat.

Diese hingegen,

so wie wir sie be­

schrieben haben, welche nicht auf Erdichtungen be­

ruht,-nicht prahlt, und nicht eitel ist, sondern nach einem wahren,

ernsten und dauerhaften Ruhme,

welcher aus-der Heilung der Kranken hervorgeht,

trachtet, die nicht da ist, um mit Blumen zu pran­

gen, sondern um die reichlichsten und angenehmsten

Früchte hervorzubringen, wächst von Lage Zu Lage

immer mehr, und tritt immer kräftiger-ins Leben. Zur Heilkunst gehört keineswegs' der Theil der Wissenschaft, welcher zuviel auf Speeul-aticn

baut; sie rechnet auf einsichtsvolle und bedächtige Manner.

Die Kunst besteht aus Gegenständen,

die man ganz durchschaut unb erkannt, hat; und

aus Vorschriften,

welche- mit der Willkühr der

Meinungen nichts gemein haben; sie stellt sichere

*) L l cht en ve ra fnjoit„ Die Gelehrsamkeit kann auch in'd Laub treiben, ohne Früchte zu tragen. Man sinder oft sehr seichte Köpfe, die zum Erstaunen viel wisst«

Gründe auf, die sich von selbst an einander rei­ hen *), **) welche vor Fehlgriffen im Handeln schü­ tzen: denn was ist ungewisser als Hypothesen, an denen man heutzutage so viel Geschmack findet? Haben sie wohl etwas Anders zum Gegenstände, als meistens bloße Muthmaßungen, wodurch wir der Ähnlichkeit wegen zu ganz von der Sache verschiedenartigen, ja nicht selten gerade entgegen­ gesetzten Schlüssen verleitet werden? Wahrlich die trefflichste Kunst, welche das. Werk fleißiger, ge­ nauer und scharfsinniger Wahrnehmung und For­ schung ist, gründet sich nicht auf menschlichen Witz; sie ist vielmehr eine aus den verschiedenen Wer­ ken der Gelehrten aller Zeiten erstandene Weis­ heit, der in ein Ganzes vereinigte Verstand vie­ ler Menschen, zu nennen Es w-üre langweilig und überflüßig hier zu berühren, wie viel und welch großes Unheil durch die heiße und brennende Sucht Hypothesen zu schmieden in die Medicin eingeführt worden ist: nur das will ich berühren, daß einige be­ rühmte Genies von jenen gelehrten und witzigen Erdichtungen gleichsam bezaubert, zu unpolirter und gemeiner Gelehrsamkeit ♦*), wie sie sich hier*) Mo einer aus dem andern nothwendig hervorgeht. **) Das verstanden unter craisa Minerva die Römer.

über auszudrücken belieben, das heißt zur Beob­ achtung der Beschaffenheit der Krankheiten, und zu der Untersuchung der Kräfte und Eigenschaf­ ten der Arzneien sich herabzulaffen nicht nur zu träge sind, sonder sich derselben wohl gar noch schämen- Dazu kommt noch, daß. der von diesen erdichteten,, und ersonnenem Sentenzen befangene Geist der Studierenden,, eben darum, weil sie sich einmal darauf verlegt, und dieselbe in. Anwen­ dung gebracht, haben, sich so sehr.- daran gewöhnt, daß solche hernach in der praktischen Medicin nicht nur nicht als wahrscheinlich erscheinen, sondern daß auch in der Anwendung' in: ihre Gewißheit kein es weg es Zweifel, gesetzt wird-

Wir habrN bisher mehr als zu- viel witzigen Hypothesen in der Physik, subtilen logischen Eintheilungen und Definitionen nachgehangen» DaS mag wohl der Kunst zum Schmuck dienen, — aber gefördert wird sie dadurch nicht. Die Natur ist, freywaltend, und dieß in viel weiterm und größerm Umfange, als dass wir ihr bestimmte Gren­ zen sitzen und sie in die engen Schranken des menschlichen- Verstandes vrrwrisim dürften, über

Horaz gebraucht diesen Ausdruck Sat, II, r. 3. Baglko bediente sich hier dieses Ausdrucks.

12 welche sie nicht Hittausschreiten könnte,

Die Kör­

perwelt wird nach einer wunderbaren, ewigen und unveränderlichen- Norm regiert

ES thut- daher

Noth, wenn wir die Menschen nicht mit Worten

allein beschwichtigen, sondern ihnen in der That helfen wollen, die Naturgesetze aufzufässen, darü­ ber nachzudenken,, sie zu beobachten,

sich treu

nach ihnen zu richten,, und im. Naturdienste zu

leben: Diejenigen, welche die Theorie mit der Er­

fahrung in Widerspruch erachten, die kommen mir in Wahrheit unsinnig vor, mögen sie nun Empi­

riker oder Theoretiker seyn.

Denn wie kann man

sagen, Alles gehöre in einer Doctrin,

die,

wie

jeder Vernünftige bekennen muß,, nur durch viel­

fache- Anwendung und Versuche erworben wird,

der Theorie an?' Oder man habe nur einzig die

Erfahrung in Betracht zu ziehen, und auf keine

Weise-einen Vernunftschluß gelten zu lassen; man verstehe aber unter dieser geistigen Facultat nicht

jene- Geisteskraft, welche das Verborgene der Na­

tur ergründen und entschleiern will, was eigent­ lich. in dar Gebiet der. höhern Physik gehört;- son­

dern jene über Alles herrschende Königin Vernunft,

durch welche der. Arzt das Folgende vorhersieht, ben- Grund und die Ursache der Krankheiten er­

kennt,, ihren Fortgang, und Erfolg, weissagt, und

13 aus dem Gegenwärtigen das Zukünftige erräth

und vorhersieht.

2.

Der Ursprung , die Fortschritte, und alles was in der Medicin auf sicherer Basis be, ruht, wurde größtentheils durch Beobach­ tung. begründet.. Das Bedürfniß hat die Medicin erfunden, die Erfahrung hat sie vervollkommnet.

Sie, die

in ihrer Kindheit roh und unwissend war, wurde

in der Zeitfolge durch neue Beobachtungen berei­

chert, welche sich gegenseitig beleuchteten und auf­ klärten, besonders durch das Alles leitende und ordnende Licht der Vernunft zu einer edcln Kunde

erhoben und von grober Empirie entbunden. Zwei Pole sind in der Medicin, die Vernunft

und die Beobachtung;

die Beobachtung aber ist

der Faden, nach welchem die Vernunftschlüffe des Arztes, sich richten müssen-

Jede Krankheit hat

ihre bestimmte nicht erdichtete, sondern ihre eigen­

thümliche Natur: eben so bestimmt und er'gonthümlich. ist ihr Ursprung, ihr Wachsthum, ihre- Höhe und ihre Abnahme.

Und so wie dieses alles ohne

Hülfe des Verstandes und außer allem Zusam­ menhänge mit. dem Verstände vor sich geht; eben

so hilft uns zur Erforschung der Natur und ihrer Geheimnisse keine Vernünftelei und subtile Dia­ lektik, sondern nur wiederholtes und fleißiges Be­ obachten desjenigen, was bei einzelnen Krankhei­ ten verfällt, und nicht minder jene geistige Fakul­ tät dem Geiste der Natur conform zu handeln ♦). Sehr häufig entspricht der Erfolg der Erwar­ tung der Merzte nicht, obgleich wohl dieselbe sich auf Vernunftschluß und Erfahrung stützte; und dieß nicht wegen mangelhafter Beschaffenheit der Regeln der vortrefflichen Kunst; sondern wegen einem vielfachen unerwarteten Zusammentreffen, sowohl von innern als äußern Verhältnissen oder gar wegen Vernachläßigung und Fehlern des Kranken, der Umstehenden und des Arztes bei Anordnung, und Bestimmung dessen, was zur Kur gehört.

Viele Aerzte trauen den Vernunftschlüssen zu viel, und nichts der Erfahrung zu, viele handeln wieder umgekehrt. Beide Theile 'fehlen auf glei­ che Weise; daher so viele Streitigkeiten unter

*) ES heißt im Texte: ncc non solertia mcntis naturae methodo conformis ac pedissequa. DaS wäre wohl jene facultas innata et inconimunicabilis von der Sillen in seiner Synopsis universae medicinao practicae spricht.

15 den Aerzten, daher so viele Widersprüche in der Theorie und Prärie. Jenes unendliche, feine, nicht allein den Sin­ nen sondern selbst dem Scharfsinn des menschlichen Geistes entzogene Gewebe *)**) der Bestandtheile des lebenden Organismus ist uns verhüllt, und wird es ewig bleiben. Auch eine der Leitung der Vernunft entzogene Erfahrung, ist nicht selten trüglichWenn sich daher nicht beide wechselseitig be­ leuchten, werden sie beide die Veranlassung zu Irrthümern abgeben. Obschon wir nicht wissen, worin eigentlich das Gebrechen eines leidenden Organs besteht und uns die eigentliche Wesenheit *♦) her Krankheit unbekannt ist:, so beobachten wir doch den jeder Krankheit eigenthümlichen Typus, ge­ wisse Gesetze ihrer Au- und Abnahme, oder ihre bestimmten und unwandelbaren Perioden. Daß sich die Sache also und genau so verhalte, geht klar hervor, wenn man die Natur ihrem Willen ge­ mäß handeln laßt und nicht durch ein unpassendes Heilverfahren stört. Verhält sich dieß anders, so *) Man vergesse hier nicht, die Etymologie dieses Aus­ drucks wohl tu erwägen.

**) Wir kennen eben das Wesen des Lebens überhaupt nicht.

liegt die Schuld an der Heilmethode.

Denn zwei

von ein und derselben Krankheitsform ergriffene Kranken von verschiedenen Aerzten nach verschie­ dener Methode behandelt, werden rvolch auch ver­

schiedene Symtome darbieten müffen.

Geht nun

in dem Heilverfahren ein Fehler vor,, so wird

wohl der Arzt nicht

der

Urheber vieler Symptome,

aber die Krankheit die

veranlaffende Ur­

sache seyn.

Vergleicht man die Aphorismen und die Dor­ hersagungen des Hippokrates mit- den -Beobacht Lungen der Spätern, so ergieüt sich, daß das W?

sen der Krankheiten noch dasselbe ist, und daß sie noch denselben Verlauf haben, als ehemals.

Aus

dem Allen kann man wohl mit allem Recht fol­

gern, daß die Medicin weder so ungewiß sey, noch auf so sichren Gründen, wie man gemeinhin da­ für Halt,

sondern auf bestimmten, durch lange

Erfahrung bewahrten Gesetzen beruhe.

Denn die

Beobachtungen, welche die Hauptsache der Kunst

sind, haben den menschlichen Körper zum Gegen­

stand, dessen sowohl normale als anomalische Be­ wegungen ihren unveränderlichen.Ursprung, regel­

mäßige und beständige Zeiträume haben.

Dem­

nach kann es nicht fehlen, daß die auf selche Deobachtungen gegründeten Lehrsätze gewiß und halt­

bar sind.

Da dieses Hippokrateö klar einsäh,

so ging

sein ganzes Streben dahin, daß er richtig und

fleißig Beobachtungen anstellte, vermöge welchen

er erkannte, daß die Krankheiten ihre besrändi-

gen und individuellen Symptome, aber auch ei­

nige sind,

accidentelle

und

solche die andern gemein

Die beständigen hängen nun von

haben.

der individuellen und constanten Natur der Krank­

heit ab.

Die hinzugekommenen zum Theil von

der verschiedenen Heilmethode, zum Theil von dem

vielfachen und verschiedenen Eonflikt von Veran­ lassungen.

Die erstem als Regeln in der Kunst

hat er in seine Aphorismen und Vorschriften aus­

genommen^ seine

Die andern,

Lehrsätze

hat

er sie

nicht ausgenommen,

doch nicht gemeint,

schon in

so war er

daß man sie vernachlässigen

solle, er hat sie den Kunsttalenten des klugen und

scharfsinnigen Arztes überlassen.

Diese unverän­

derlichen Krankheitäsymptome (welche man charak­

teristische Zeichen der Krankheiten nennen könnte)

sind zuweilen klar, und liegen offen vor unsern Sinnes, bisweilen sind sie dunkel, und ihr wahr­ scheinlicher Grund ist schwer herauszuheben.

Wel­

cher Art sie aber auch immerhin seyn mögen, so darf

sie der Arzt, doch nicht gering achten, sondern mit derselben Einfachheit in der sie erscheinen, aufzeich­

nen.

Denn gleichwie von den geringsten Umstän-

den Heilanzeigen abgeleitet werden, so muß man den kleinsten und halbdunklen Bewegungen der Krankheiten nachspüren, und sie beschreiben. Da­ durch wird nicht nur allein die Geschichte der Krankheiten vervollkommnet, sondern, woran noch mehr gelegen ist, die Heilmethode selbst. Ueber so etwas, wenn sie es hören, pflegen die neuern Aerzte zu lachen, sie übersehen es bei ihren Beobachtungen zum großen Nachtheil der Kran­ ken. Es giebt der Dinge viele, welche über un­ serm Horizont liegen; diese darf man nicht ge­ ring achten, es ist die Sache der Weisheit, da wo ihre wahre Natur durch Vernunftschlüffe nicht zu ergründen ist, die äußern Erscheinungen flei­ ßig zu bemerken, und daraus Vorschriften für die Praxis zu entlehnen.

Der menschliche Geist, wenn er verzweifelt oder nicht stark genug ist, vorliegende Schwierig­ keiten zu beseitigen, und den wahrscheinlichen Grund eines Dinges zu ergründen, pflegt sich gern selbst zu verzehren und sich gleichsam im Betrieb unnü­ tzer Gegenstände aufzureiben. So sagt Baco: „wenn die Menschen an dem Aufsinden der Wahr­ heit einmal verzweifeln, so entwickelt sich Alles weit träger, daher es denn geschieht, daß sie lie­ ber zu ergötzlicher Dialektik und zu flüchtigen

Durchwanderungen durch das Gebiete der Natur ihre Zuflucht nehmen, als auf dem Wege der strengen Forschung zu verharren." Wenn nun das geistige Aug- der Gegenstände Höhe nicht er­ schauen kann, so muß man die Beobachtungen, wie sie auch immerhin seyn mögen, aufzeichnen und nicht durch die Schminke der Speculation entstellt den Lesern vorlegen, so wie man ehemals von den Asklepiaden zu sagen pflegte, daß sie ohne Farben, fein gemalt haben. Aus dem Ge­ sagten erhellt: daß der Ursprung der Heilwissenschaft und alles Haltbaren in ihr von der Ersah, rung ausgegangen ist. Was aber die besondere Kur einer jeden Krankheit betrifft, so dürste diese wohl schwerlich gelingen, wenn sich die Vernunft nicht zur Erfahrung gesellte. Denn die tausend­ erlei Ursachen der Krankheit, die verschiedenen Temperamente der Kranken, Alter, Geschlecht, Le­ bensart, die klimatischen Verhältnisse, die ver­ schiedene Beschaffenheit der Jahre, endlich unzäh­ lige andere Dinge, die zur Erzeugung und Be­ günstigung der Krankheiten Zusammentreffen, ver­ wirren den Gang und das bestimmte Wesen der Krankheit und ihrer Erscheinungen bisweilen der­ gestalt, daß es schwer fällt das Wahre zu ent­ decken, wenn nicht Alles umsichtig erfaßt, mit Scharfsinn überdacht und beleuchtet wird.

3.

Von den Hindernissen, welche bis hieher die Aerzte In ihren Beobachtungen beschränkten. Wenn das bisher Gesagte zum wenigsten wahrscheinlich ist;

wahr oder doch

so bleibt nur

noch übrig, die Gründe aufzufinden,

wodurch es

geschah, daß'die praktische Medicin durch ein sol­

ches Studium der Beobachtungen m'cht sonderlich

gewinnen konnte Dahin rechnen wir; die Verhöhnung der alten Aerzte; falsche Götzen oder falsche vorgefaßte Meinungen der Aerzte, falsche Analo­

gien, verkehrtes Bücherlesen, unrichtige Auslegung

der Bücher,

und die üble Gewohnheit, Systeme

zu schmieden, das unterlassene Studium, die Krank­ heiten kurz und bündig abzuhandeln.

Außerdem

wäre noch vieles zir rügen und- zwar ganz insbe­ sondere der verkehrte-Unterricht der Lehrer.

Da

wir unsern von Dorurtheilen noch nicht befange­

nen Verstand fürs Erste ihnen unterwerfen müs­

sen,

so geschieht es denn,

daß wenn diese keine

Lehrmethode haben, oder von Irrthümern befan­

gen, oder mit wenig Scharfsinn begabt sind, die­ ses Alles auf uns übergetragen wird, und uns so

fest anhängt, daß es hernach kaum auszulöschen ist, wenn uns nicht bessere Lehre oder eigene Er­

fahrung auf den Weg der Wahrheit leiten und

21 somit die erste und hauptsächliche Quelle unsres

Irrthums verstopfen. Der stärkere Glaube an unnütze Hirngespinste,

als an die Winke der Natur hat unzähliae und schädliche Irrthümer hervorgebracht.

Man be­

herzige nur, daß die Natur frei handelt, daß sie

nicht unsern Einfällen unterworfen ist: daß

sie

ihre Verrichtungen so verborgen vo.rnimmt, daß sie auf keinem andern Wege erforscht werden kön­

nen,

als durch naturtreue Beobachtungen und

Dernunfrschlüfse.

Es ist wohl nicht zu verwun­

dern, daß Männer, welche mit erhitzter Phanta­ sie gleichsam nach Willkühr über sie aburtheilen,

falsche Schlüsse machen und auf diese gestützt bei

ihrem Heilverfahren keinen erwünschten Ausgang sehen.

Aber darüber muß man sich wundern, daß

sie die Ursachen der hieraus entspringenden Ir­

rungen leichtsinnig genug der Unhaltbarkeit und

Ungewißbeit

der Kunst,

nicht aber ihrer .ver­

kehrten Art Betrachtungen.anzustellen und Schlüsse

zu machen,

beimessen.

Aus diesen Ursachen ist's

heut zu Tage dahin gekommen, daß viele die Me­ dicin als ungewiß verschreien, daß andere über die

Lorhersagung spötteln, andere die Arzeneien tumultuarisch, ohne die Gesetze der Kochung und der

Krise zu würdigen, ohne Beherzigung des Zeit­ punkts der Krankheit, anwenhen; viele den Alten

nichts, den Neuern zu viel zutrauen, andere aber

gar keinem Theile Glauben beimessen. Da sie

nun

ihres

Geistes Niedrigkeit

der

Schlichtheit und Einfalt der Natur nicht unter­

werfen mögen, sondern mit der Arroganz ihrer Theorien über ihre Erscheinungen absprechen, und

anstatt sie treu nachzuahmen, sie nachäffen, so ist's kein Wunder,

daß sie *-ie über die Kurarten der

Krankheiten herrschenden Irrthümer nicht lösen, sondern nähren,

gegen andere eintauschen,

und

nicht auslöschen. 4,

Ueber Verspottung der alten Aerzte. So wie es unter der Würde eines Gelehrten

und eines Mannes von Ehre ist, der ausgezeich­ neten Arbeiten und Bemühungen anderer zur Be­

förderung der Wissenschaften zu spotten,

eben so

gereicht es auch dem allgemeinen Besten und dem glücklichen Fortschreiten Nachtheil.

Dieses

der Wissenschaften

bestätigt

sich

nirgends

zum

wo

mehr, als in der Medicin. Was nun vorzüglich die Alten angeht:

so

verdienen sie wohl eher Lob als Geringschätzung und Lästerung.

Abgesehen davon,

daß

sie den

Grundstein der erhabensten Kunst gelegt haben,

haben sie daS Wesen der einzelnen Krankheiten

so sorgfältig erwogen, und die reine practische Medicin, durch so reichhaltige Zusätze bereichert, daß uns nur eine geringe Hoffnung etwas Höhe­ res zu erreichen übrig bleibt. Die Neuern zu vergöttern und über Gebühr zu erheben, ziemt keinem vernünftigen Manne. Wir bitten demnach alle Aerzte, daß sie künftig­ hin sowohl die Neuern wie die Alten gleicherweise würdigen möchten, daß sie beim Lesen beider Theile nichts sorgfältiger alS bewahrte Vorschrif­ ten, Winke und Arzneymittel, welche von reellem Werthe, ewigem Nutzen und Wirksamkeit sind, suchen; alles übrige Unwesentliche, und waS nichts frommt, aber gänzlich übergehen möchten. 5.

Von den falschen vorgefaßten Meinungen der Aerzte. Diejenigen, welche dafür halten, sie würden die Krankheiten glücklich behandeln, weil sie die Theo, rie inne haben, irren sich. Ich sage, sie irren sich, weil der Arzt etwas Höheres im Auge haben muß, wenn er die schuldlose Kunst gegen Derläumdungen sicher stellen, und die Kranken aus dem leidigen Zustande der Krankheit in den be­ haglichen der Gesundheit versetzen will. Er muß

Leichenöffnungen der an Krankheiten Verstorbe­

nen vornehmen,

und der Hände Schmutz nicht

fürchten, um den Sitz der Krankheit und ihre Ur­ sache zu finden, und um den Erfolg aller Erschei­ nungen der vorhergegangenen Krankheit möglichst

-klarer einzusehen.

Er muß den Koth und den

Harn, die Zunge und die Augen, den Puls und

das Gesicht des Kranken genau betrachten, seine

Leidenschaften, seine ganze Lebensart, seine Feh­ ler, und vieles andere,

was denselben angeht,

wohl erwägen, auf daß er zur wahren Erkennt­ niß und Vorhersagung gelange, und die wahren

Heilanzeigen erkenne.

Das bloße Glänzen auf

Academien oder Besuchen der Bibliotheken, der

Reichthum von Büchern, ohne daß man dieselben liest, Mitglied gelehrter Gesellschaften zu sein, in allen Zeitschriften zu prangen, wird zur Linde­

rung ter Schmerzen der Kranken micht im ge­

ringsten etwas beitragen.

Aber wohl, wenn man

an die schmutzigen Betten der Kranken tritt, die

öffentlichen Krankenhäuser fleißig besucht,

und

mit strenger, unerschütterlicher Beharrlichkeit alles, was sich Gutes oder Schlimmes in den einzelnen

Stadien der Krankheiten zugctragen hat,

auf­

zeichnet, welchen Verlauf die Symptome gehabt haben, welche Veränderungen nach

der Anwen­

dung

düng von Arzneien eittgetreten sind: ob die ge­ genwärtige Krankheit die Form einer andern er­

leidet, inwiefern sie selbst gutartig, bösartig, hef­ tig, oder im Zeitverhaltniß zu ihren Symptomen es ist; welche Heilmethode für jede Krankheit un­

veränderlich haltbar befunden wurde, welches das Bild der Krankheit und ihrer Symptome gewe­

sen, welchen Ausgang fie genommen, was ausge­ stoßen oder was zurückgeblieben sey.

So steht

noch gar manches mit der Natur der Krankheit

in naher Beziehung, was wohl aufgefaßt und nicht übersehen werden darf. Die eitle Ruhm-Begierde, hat zu allen Zei,

ten die Aerzte genarrt, und sie verleitet Parteyen

zu bilden, anstatt daß fie einzig und allein hätten

darauf denken sollen, neue Erscheinungen zu ent­

decken, welche die Geschichte der Krankheiten auf­ klären und bestätigen.

Da sie sich aber das We/

sen der Krankheiten nach Willkühr dachten, und nach ihren Träumereyen verkehrt darstellten; so

ists kein Wunder, daß sie Grund und Eigenthum

der Medicin beeinträchtigten, und daß ihr blühen­ der Zustand durch die Menge unnützer Bücher ge* trübt werden mußte.

Aber die Anhänger dersel­

ben wollen sich lieber aus eitler Achtung für jene

Träumereyen, oder aus Trägheit von ernster For, Llpvokr. v. Pitschafr, I. £().

B

schimg abgeschreckt

den Ruf eines scharfsinnigen

Auslegers, eines starken Gegners oder eines ge­ drängten Methodikers erwerben, als durch eigene Beobachtungen die Diagnose, Prognose, und die Heilmethode bestimmen; oder daß ich eS noch deut­ licher sage, sie spielen die Rollen des Meisters —

des Docenten (des Lesers)*), nicht aber die des Erfinders, und dessen, der zu dem schon Erfunde­

nen Beiträge liefert.

Einige, Sätze

auS

verschiedenen

Ca-

p i te ln. Sm Grunde ist daS wahre Fortschreiten der

Medicin nur dann zu erwarten, wenn Alle zu ei­

nem allgemeinen Einverständniß hinstreben. Die Art, durch Vergleichungen zu schließen, ist zur Vervollkommnung der Kunstzweige, welche der Naturwissenschaft angehören, und besonders

der Medicin,

allen übrigen Schlußweisen vorzw

ziehen; theils, weil sie der Natur folgt, und so zu sagen, gemeinschaftliche Sache mit ihr macht;

*) Es heißt im £ in otio occupatus, multo agendo nihil rationale agene gemacht hat, erholen, ist eine bekannte Sache. Daß man hierin nichts übertreiben darf, ist wohl natürlich. DaS meint auch Hippokrates, da er dem Vorder» fatze gegenüber „schnell" sagt. Id arbitror Adprime in vita ess» utile* ut ne q^uid nimis. Ter e nu

8. Wenn Jemand nach erstandener Krankheit beim- Genuß von Speisen nicht an Kräften zu­ nimmt, so ist's ein Zeichen, daß er sich zu reichlich nähre. Nimmt er hingegen keine Nahrung, und dieß wiederfahrt ihm, so wisse man, daß ihm ein» Ausleerung Noth thut.

Wenn Jemand nach vollkommener Solution der Krankheit beim Genusse der Speisen nicht an Kräften zunimmt, sa hält Hippokrates dafür, daß er sich zu stark, nähre. Es ist dieses sehr na­ türlich. Wenn mehr Nährstoff den VerdauuygS, Werkzeugen übergeben wird, als sie vertragen,

verarbeiten können; so muß natürlich das Verdauungsgeschäst alienirt, demnach kein guter Chy-

lus bereitet, und die Zunahme an Kräften ver­

eitelt werden.

Dieser Satz ist also gleichsam ein

Commentar zu dem vorausgesandten.

Dadurch

wird der Sinn, in dem derselbe zu verstehen sei, auch sicherer gestellt. Fehlt aber nach einer Krankheit die Eßlust, und der Kranke kommt nicht zu Kräften,

so ist

die Krise nicht vollkommen vor sich gegangen, er ist noch etwas Dom Caput mortuum zurück: und das muß natürlich auf schicklichen Wegen entfernt werden.

Jeder erfahrene Arzt hat täglich Gelegenheit, zu beobachten, daß nach acuten Fiebern, nament­

lich ist dieses bei exanthematischen der Fall,

die

Reconvaleöcenten trotz aller sogenannten Roborantien nicht zum

vollkommenen Gesundheitsgefühl

gelangen, ja daß sie nicht selten an allerlei Nach­ wehen kränkeln,, bis sie

mit Weglassung- aller

vermeinten Stärkungsmittel durch ein Abführungs­

mittel, und durch Mittel, welche die freie Diaphoresis bewerkstelligen, wie durch einen Zauber­ schlag zur vollkommenen Gesundheit plötzlich gelan­

gen.

Cachectrscher Zustand, Leucophlegmatie der

Haut, gestörte Nierenfuncti'on, Taubheit werden

nach Masern und Scharlach durch laue,, erwei-

chende Bäder, und durch cfn. antiphlogistisches Abführungsmittel, oft weggezaubert..

9; Will man purgieren,, so muß man daS AuSruführende zum Abflusse gangbar, machen..

ES ist eine'bewährte Regel,, die alle großen Aerzte beobachten, daß man die Krankheitsmaterle erst beweglich- machen müsse;- daS geschieht durch solche Mittel, welche die alten. Aerzte sehr schicklich Resolventia nannten,, eine Benennung,, die hin und wieder verrufen ist. Es wäre sehr ungeschickt,, gleich mit. starken Abführungsmitteln, darein zu- fahren». Wir haben auch am unserem jetzigem antiphlo«gistischen, auflösenden und abführenden. Mitteln,, welche diese Eigenschaften mit einander, verbinden,, einen großen Vortheil gegen, die früheren- Aerzte der alten- Welt. HippokraleS kannte $u: seiner Zeit hauptsächlich nur stark, abführende. Mittel.. ES that also um so mehr Noth,, auf daS Deweglichmachen der/ Stoffe durch anfeuchtende- Mittet recht aufmerksam zu machen- Unsere vortreffli­ chen Salze und Muße/ unser herrlicher Tartarus

87

emeticus u. s. w. standen Hlppokrates noch nicht zu Gebote.

So ist es z. B. gefährlich,

Leute, die an

Obstructiones viscerum, an Stagnationes humorum in diesen Theilen leiden, mit starken Ab-

führungsmitteln mit

zu

resolvirenden.

thun.

behandeln.. gelinden-

Man

muß es

Abführungsmitteln

So bekommen Leutewelche lange an or,

ganischen. Fehlern des Herzens, und. der Respira­ tionsorgane laboriren, eine vorstehende Contrac-

tilitätsschwache im. ganzem Darmkanal, sie leiden sehr häufig an KothanhäufunA im. C'oecum, wozu

sich abwechselnd nicht» selten, ein Durchfall gesellt,

der aber, allemal mit Abgang dieser Kothverhar-

tungen aufhort;

diese Zustände wiederholen sich

oft, die dabei, statt findenden. Kolikschmerzen ha,

ben Ähnlichkeit.

mit denen bei.

der Bleikolik.

Solche Individuen mit starken, heftigen,, schnell

wirkenden Laxantien zu: behandeln- wäre sehr ver­ derblich;' man würde Contractilitätsschwäche, die

Anhäufung von Saburra für die Folge nur ver­

mehren.

Dahingegen man. sie zu ihrer. Wohlfahrt

mit gelinden, auflösenden,, seisenhaltigen, bitter­ stoffreichen Mitteln,., und- mit. Neutralsalzen be­

handeln wnd, denen man auch zeitlich solche Mit­ tel, welche den Ton der Faser heben

ken, beizufügen bedacht sein muß.

und stär­

SS 10.

Je mehr man unreine Körper nähren wird, je mehr wird man ihnen schaden.

So richtig und klar dieser Lehrsatz ist, so

giebt es doch noch leider Aerzte, welche die ver­ meinte Schwäche in Fiebern mit kräftigen Brü­ hen und Suppen zu heben bemüht sind.

Man

kann diesem Unwesen , das auch von vielen Laien in den Häusern der Reichen, so wie auch der nie­

dern Classen getrieben wird, nug. Einhalt thun.

nicht, sorgfältig ge­

Die kräftigen Brühen und

Sulzen, die oft hinter dem Arzte gereicht wer,

ben, vereiteln oft den ganzen. Curplan..

tt. Man erquickt sie leichter mit Trinkenals mit Essen. Die Natur ist hier selbst Fingerzeig.

Diese

Individuen sehnen sich nach Flüssigkeiten, welche denn auch sehr geeignet sind, das Rohe zu lösen,

aufzulockern, und beweglich zu machen.

12.

Ueberbleibsel »ach der Krise verursachen Rück fälle. ES ist wohl sehr natürlich, daß, wenn die die Krankheit bedingende Ursache nicht ganz ge, hoben, wenn der Krankheitsstoff nicht ganz aus­ geschieden, demnach im Grunde die Krise keine vollkommene war, Rückfälle zu befürchtn sind. Zeichen hievon sind, wenn der Urin, nachdem er sich zwar schon einmal gebrochen hat, wieder roh wird, wenn bei Frösteln der Schweiß klebricht wird; auch pflegen die Kranken über Hitze in den in, nern, Schauder in den äuffern Theilen zu klagen, wenn die Zunge und die Rachenhöhle wieder trocken werden, die Lippen spröde sind, wenn man eine begrenzte Nöthe, einen rothen Flecken auf einer Wange, selten auf beiden wahrnimmt, wenn sich die Augenlieder verkleben, die Nase kei­ nen Schleim absondert, wenn die gewöhnliche Phy­ siognomie sich nicht wieder einstellen will, der Kranke über Verschlagenheit der Glieder, über unruhigen Schlaf, über vermeintlichen Hunger ohne wahre Eßlust klagt *)♦ *) Diese Rückfälle, so wie die jetzt häufiger alS ehedem vorkommende Meraüasen suchen sehr häufig ihren Grund

In diesem Falle' hat man Ursache, auf der

Hut zu sein; der Rückfall wird nicht ausbleiben, und ist nicht selten, schlimmer, wenigstens langer

dauernd, als die vorhergegangene Krankheit.

Das

Heilgeschäst wird hier nothwendig, dem vorliegen­

den Falle entsprechend,. wieder begonnen, werden müssen.

DaS Wort Krise kann, in diesem Lehr­

sätze nicht streng genommen werden.

Die Krank­

heit scheint nur ihre Endschaft erreicht zu haben.

Coluber latet herba. —

13.

Diejenigen, welchen die Krise bevorsteht, brin­ gen vor dem Paroxysmus eine schwere Nacht zu:

die folgende ist. dagegen, meistens besser. Bevor die Krise tintritt", hat die Krankheit

ihre Höhe erreicht,, und die Natur ist im heftig­

sten Kampfe mit. der- Krankheit begriffen. ist eine ausgemachte. Beobachtung.

Da­

Merkwürdig

ist es: daß, der Sieg,, wie die Niederlage der Le­ benskraft fast immer in die Nacht fällt; es ist

also natürlich, daß in diesem Kampfe gerade diese

in einem tumuttnarisch eingelöteten, reihenden Heil, verfahren; eben so kann sie ein zu weit getriebenes an­ tiphlogistisches Heilverfahren herbeiführen.

Nacht die härteste ist. Tritt die Krise ein, ebnet sich das schäumende Meer-, nun so wird der Kahn beim freundlichen. Tageslicht ruhig, dahin schwim­ men. Die folgende Nacht wird erquicklich sein. Dieser Zeitpunkt ist für den Heilkünstler wich­ tig. Man wird denr Kranken Ruhe,., kühle Luft, leichte Bedeckung empfehlen, sehr sparsame Nah/ rung, fleißiges Trinken auflösender Getränke, Zuckerwasser, leichte Ptisane verschreiben. Man wird bei zu heftigem Congestionen nach, dem Ge­ hirn kalte Umschläge, bei sehr heißer Haut kalte Waschungen vornehmen lassen, bis die kritischen Erscheinungen eintreten. Ja, man wird bei star­ ker Plethora, bei zu heftiger Aufwallung des Blutes sogar einen Aderlaß zu ungemeiner Er/ lcichteruna des Krankem vornehmen lassen. So sagt Selle in der Abhandlung der Febris continens putrida sehr richtig: Quodsi ergo simul virium ratio in censum trahatur, venae sec. tio omnino et in. Ins febribus. praecipue ver­ sus crisin, ubi ejus motus saepe abundantia humorum impediuntur, utilitatem praestare potest. Pyretologia p. 192.

Dagegen wird man auch bei kleinem sinken­ dem, zitterndem Pulse das Gefäßsystem unter­ stützen, das aufgeregte Nervensystem beschwichti-

gen mässen.

In solchen Fällen muß der Kranke

häufiger besucht werden.

Der Arzt muß gleich­

sam auf der Lauer stehen.

gehen.

Er muß ab- und zu­

Der gereifte Arzt weiß aber: baß er hier

am besten thut,

wenn es nur immerhin möglich

ist, mehr den Zuschauer zn machen; mehr defensiv als offensiv

zu Werke zu gehen.

Wir können

hier nicht ausführlicher sein; verweisen aber noch

auf den rosten Aphor. des 2. B.

14. Bei Bauchflüssen sind Veränderungen/ welche in den Excrementen vorgehen, wenn sie anders nicht in's Schlimmere gehen, heilsam.

HippokrateS macht nun hier auf ein wichti­

ges Zeichen einer bevorstehenden guten Entschei­

dung aufmerksam. Werden nach

Schleiminfarcten

Ausleerungen und

gallichter

von

Saburra,

Materie

die

Stuhlgänge kothig, nun so ist das natürlich ein

sehr gutes Zeichen; es zeigt dieses Wiederherstel­

lung der alienirt und alterirt gewesenen Verdau­ ungsorgane an.

Ganz dasselbe finden wir in der

Ruhr, in der Lienterie,

im Bauchfluß, in dem

Morbus niger Hipp, und in der Gelbsucht. Wer-

den.dag.egen die Ausleerungen immer colliquati-

ver, stinkender, gehen die Speisen unverändert

nun so deutet das natürlich die größte Zer­

ab:

rüttung der Verdauungswerkzeuge und Auflösung des Körpers an.

15. Sft die Rachenhöhle ergriffen,

oder kommen

Geschwülste auf dem Körper zum Vorschein,

gebe man auf die Ausleerungen Acht.

so

Denn ge­

setzt,

sie wären gallicht, so ist der Körper mit

krank.

Hingegen darf man getrost Nahrung rei­

chen, wenn dieselben den gesunden gleichen.

Daß die Angina faucium gastrica nicht sel­ ten vorkommt, ist eben so bekannt, als die Beob, achtung, daß mancherlei Hautgeschwülste, Dlutge« schwüre, Mitesser, Nesselsucht, und so mancherlei

kleine Hautverschwärungen, u. s. w. von gastri­ schen

und

gallichten

Unreinigkeiten

herrühren.

HippokrateS sagt daher, wenn man nun bei frag­

lichen Affectionen gallichte Ausscheidungen

wahr,

nimmt, so ist anzunehmen: daß der ganze Orga­ nismus in Mitleidenschaft gezogen, und das Lei­

den nicht alö ein topisches zu betrachten ist.

Dem­

nach kann mah die Nahrungsmittel in fraglichen

Affettionen nur dann getrost reichen, wenn die Ausleerungen den gesunden gleichen. Ich wüßte meinerseits diesem Aphorismus keinen andern Sinn abzugewinnen. 16.

Beim Fasten erschöpfe man sich durch Arbei/ ken nicht.

Der Sinn dieses Aphorismus ist sehr klar. ES wäre Gesundheit untergrabend, wenn mau beim Fasten sich durch Arbeiten erschöpfen wollte; das Leben würde alsbald unterliegen. 17.

Wird eine reichlichere Nahrung, alS es der Natur entspricht, genossen, so entsteht Krankheit. DaS Heilverfahren selbst weis't daS aus. Die Erfahrung hat das so sattsam ausgewicsen, und die Sache ist auch so einleuchtend, daß wir sie nicht mit langer Rede begleiten wol­ len. Wenn ein Reconvalescent zu viel Nahrung, mehr als er vertragen kann, zu sich nimmt, so wirb ein Rückfall nicht ausbleiben, oder auch der

Stoff für eine künftige Krankheit dadurch abger geben werden. „Das Heilverfahren selbst weis'L das ans." Wenn der Reconvalescent sich einen Rückfall durch Ueberladung mit Speisen zuzieht; nun so werden AbführungLmittel die Gesundheit wieder herstellen. 13. Die, welche sich reichlich und schnell nähren, haben auch schnelle Abgänge.

Sehr einfach; wer reichliche Nahrung und oft zu sich nimmt, der muß auch geschwinde Ab­ gänge haben.

Jeder aufmerksame Beobachter kann bei ®e/ vesenden wahrnehmen, daß sie, wenn sie auf frag­ liche Weise sich nähren, sehr häufige Excretionen haben; das geschieht nun bei einer mäßigeren und seltner genommenen Kost nicht, welche letztere den Genesenden nur zusagt, nur verdaut, asstmilirt und animalisirt werden kann. Wa- auch physiologisch sehr einleuchtend ist.

19.

Zn HLtzlgen Krankheiten sind die Vorher-» sagungen, sowohl die des TodeS als die der Ge­ nesung, keinesweges zuverläßig.

Jeder erfahrene Arzt weiß: daß in acuten Fiebern die Prognostik schwierig, daß sie aber in Beziehung auf den Ausgang durchaus nicht zuverlüßig ist. Bei einem oft dem Scheine nach ganz guten Verlaufe stirbt der Kranke; und von den verwickelteste» bösartigsten Fiebern steht der Leidende wieder auf. Diese Tücke haben Vorzüge lich die gastrisch-nervösen und die Schleimsieber en sich; das muß sich der junge Arzt fein mer­ ken. Vorzüglich mag er sich merken: daß wenn in solchen Fiebern die Symptome sich widerspre­ chen, die zuverläßige Prognose eine sehr mißliche Sachs ist. 20.

Leute, welche in der Zugend weichleibig wa­ ren, werden im Alter hartleibig sein. Dagegen werden die, welche in der Jugend trockene Stuhl­ gänge haben, im Alter flüssige haben.

Die

Die Weichleibigkeit an und für sich ist dem jugendlichen 2slter angemessen, wir werden später im 5Zsten Aphorismus auf den Gegenstand zu­

rückkommen.

Es ist also dieses nur der Fall bei

solchen Individuen, welche in der Jugend an ab­ normer Weichleibigkeit von allzugroßer Reizbar­

keit des Darmkanals leiden.

Diese Neigung zu

Durchfällen wird im jugendlichen Alter durch Ver­

stimmung des ganzen Darmkanals bedingt; das kann nun geschehen durch Saburra, Wurmstoffe, Würmer, durch zu große Reizbarkeit der Gallen­

organe, durch allzu große Reizbarkeit der Nerven des Unterleibs, durch Erschlaffung der Häute des Darmkanals, Contractilitäts-Schwäche und krank­ hafte Stimmung der Drüsen des Unterleibs. Diese

Ueberreizung und krankhaft gesteigerte Funktion des Darmkanals geht im voranschreitenden Alter

in Stumpfheit und Lahmheit über.

Es ist con-

stante Erfahrung: daß anhaltende abnorme Reiz­ barkeit und Ueberreizung des Organs in Stumpf­ heit und Lahmheit übergehen. So geht z. B. all­

zugroße Reizbarkeit der Geschlechtsorgane in Im­ potenz über,

durch hitzige Nahrungsmittel und

Getränke allgewaltig aufgeregte Thätigkeit des

Gehirns endigt mit Stumpfsinn, u. s. w.

Hippokr. v. Pitschafr, I. Ty.

E

21. Der Genuß des Weins mildert den Hunger.

Hippokrates

hat

hier

in wenigen Worten

eine gemachte Erfahrung niedergeschrieben.

Der

Wein vermindert die Sensibilität der Organe, na­

mentlich die der ganzen Bauchhöhle. bekannte Erfahrung,

Es ist eine

daß Weintrinker

weniger

Appetit haben, als Wassertrinker; und daß man

daä

Gefühl

des Hungers

Wein auf einige

durch

einige Gläser

Zeit verscheuchen kann.

Der

Wein hat das mit den Narcoticis gemein.

Der Genuß macht muthig, weil er die Sen­

sibilität vermindert.

Der

im Anfänge der Be­

rauschung mit Unempfindlichkeit gegen Beschwer­

den und Schmerzen physischer und psychischer Art vergesellschaftete, in Uebermuth und Tollkühnheit übergehende Muth ist eben nicht ein Seichen ei­ ner erhöhten Thätigkeit des Nervensystems, son­

dern ist vielmehr die Folge aufgehobener Aengstlichkeit und Vorsicht, welche beide Eigenschaften mit der Sensibilitätsgröße des Nervensystems im

Verhältniß stehen.

So vermindert auch der Wein­

genuß die Sensibilität der Geschlechtsorgane. Die Nachwirkung ist freilich wieder anders.

Wein

Denn der

t-vhN't das Leben im Blutsystem,

sonach

99 vermehrt er die Secretion der absondernden Or­ gane u. s. w.

22. Durch Ueberfüllung entstandene Krankheiten heilt eine Ausleerung; so wie die von einer Aus,

leerung Anfüllung heilt; und so auch bei-den übrü

gen immtr das Gegentheil.

Hippokrates spricht hier mit schlichten und einfachen Worten die Grundregel der Kunst im Allgemeinen auß, welche sogar die Laien erfaßt

und sich angeeignet haben.

Freilich ist hier der

specifischen Mittel-noch nicht gedacht, welche der wichtigste Gegenstand der Kunst sind.

Immerhin wird es aber wahr bleiben: daß

Ueberfüllung Anfüllung, — Entleerung Entziehung

erheischt.

Was auch in umgekehrten Verhältnis­

sen richtig ist.

Die vorangeschrittene Kunst hat

diese Absicht, welche immerhin dieselbe bleibt, auf

verschiedene Weise zu erreichen gelernt. fcinev klar:

Es ist

daß Hippokrates hier die acuten

Krankheiten vorzugsweise im Auge hat.

E >

23,

Die acuten Krankheiten entscheiden sich in­ nerhalb i4 Tagen. Dieser Aphorismus, eine reine Beobachtung von Hippokrütes selbst, oder doch wenigstens eine Bemerkung der koischen Aerzte durch ihn bestätigt, steht als Norm da. Die hitzigen Krankheiten ent­ scheiden sich im Durchschnitte, wenn nicht in sel­ teneren Fällen schon am 7ten Tage, am i^ten Tage. Dieses ist um so mehr der Fall, wenn die hitzigen Krankheiten einfach, nicht mit allzu großer Geschäftigkeit, und im Anfänge antlphlc/ gisiisch behandelt werden. Hippokratcs sagt: „entscheiden sich." Nämlich der 14.fc Tag ist im Allgemeinen der Entscheidungstag, der Tag der Krisen in hitzigen Fiebern. Wenn auch die Krise nicht ihre Endschast ganz erreicht hat, so deutet doch die ganze Haltung der Krankheit an diesem Tage den Aus­ gang der Krankheit an. Wenn es auch Ausnah­ men giebt, so ist doch dieses im Allgemeinen ein richtiger Erfahrungssatz. Gewiß ist es, daß die spätere Entscheidung fast immer einer unrichtigen Behandlung zugeschrieben werden dürfte. Manche sporadische Nerverrsieber machen aber auch hierin

eine Ausnahme. Der nachfolgende Lehrsatz zeigt deutlich, daß Hippokrates mit dem vorangehen­ den nicht sagen will, daß die acuten Fieber am i4ten Tage beendigt wären: sondern vielmehr, wie schon gesagt, daß dieser Tag der entscheü dende ist.

24. Der vierte ist von sieben Tagen der anzei­ gende. Mit dem achten beginnt die andere Woche. Der eilste ist demnach der zu bemerkende, denn dieser ist in der zweiten Woche der vierte. Wie­ derum ist der siebenzehnte der zu bemerkende, denn dieser ist der vierte vom vierzehnten Tage an ge­ zählt, demnach der siebente vom eilften Tage an gerechnet.

Diese Aeußerung des Hippokrates gründet sich zuverlaßig auf lange Beobachtung. Es kann hierzu nichts gesagt werden. Es versuche jeder, ob er dieses dem Urvater nachbeobachten kann. —

25.

Die Quartanfieber sind im Sommer meistens kurz; die im Herbste aber langwierig, und vorab die, welche den Winter erreichen.

Eine reine Beobachtung, eine vielfältig be­ stätigte Erfahrung. Die Hunderte von Hypo­ thesen über das Wechselsieber hier nachzuschlagen und zu wiederholen, wäre eine sehr undankbare und unnütze Arbeit. — Ich bin dazu um so we­ niger geeignet, als ich alle dergleichen Spielereien in der Medicin für unnützen Kram halte. — So viel ist aber gewiß: daß das Wechselsieber und namentlich die Quartana den ganzen Verdauungs­ kanal, das Gallen/, das Pfortadersystem, und das Solarsystem in besondere Mitleidenschaft zieht. Eß ist schon im Commentar zum i8- Aphor. des i. B. gesagt worden: warum der Herbst fragli­ chen Organen und ihren Functionen eine feindse­ lige Jahreszeit ist; ich verweise demnach dahin. Hippokrates ist nicht gemeint zu sagen: daß die Wechselsieber im Winter vorzüglich langwierig waren, sondern vorab die, welche in den herbst­ lichsten, also in den spateren Lagen des Herbstes entstanden sind, also den Winter erreichen, es sind. Der Winter ist nun nicht die Jahreszeit, in welcher eine lange Zeit hindurch alienirt gewe­ sene Hautfunction leicht wieder hergestellt wird. Wie wichtig aber die freie Diaphorests bei der Cur der Wechselsieber ist, ist jedem erfahrenen Arzte bekannt. Im Winter selbst aber sind die Wechselsieber gerade nicht häufig.

26.

Es ist besser, das Fieber kommt zum Krampfe hinzu, als der Krampf zum Fieber.

Es ist eine bekannte Sache: daß chronische Krämpfe, an denen Weiber, und auch nicht selten Hypochondrien leiden, nicht gefährlich sind.

Die«

selben können von verschiedenen Ursachen herrüh­ ren, von erhöhter Sensibilität des Nervensystems

und

geschwächtem

Wirkungsvermögen

desselben,

welcher Zustand aber von verschiedenen Ursachen bedingt werden kann.

In den Organen des Un­

terleibs ist gewöhnlich der Grund, wovon sie aus­

gehen.

Stagnationen im Gefäßsystem, vorab in

den Venen des Unterleibs,

erzeugung im

anomalische Schleime

Verdauungskanal,

Würmererzeu­

gung, Säure in den ersten Wegen,

gehindert-

Zirkulation des BlutS in den Geschlechtsorganen,

erhöhte Vegetation in diesen Organen,

nament­

lich erhöhtes Leben in den Eierstöcken (so häufig

die Ursache der Catalepsis Lysterica) muß der Arzt bei solchen Krämpfen immer im Auge ha­ ben.

Jeder erfahrene Arzt weiß, wie oft mit den

sogenannten Nervinis hier Mißbrauch

wird.

getrieben

Daß die Resolventia der Alten, der Ge­

nuß des Wassers, Bewegung, edle Beschäftigung

des Geistes und Reinerhaltung des GemüthrS oft mehr wirken, als alle hochgepriesene Nervina, besonders als jene, welche zu den reizenden ge­ hören. Die Erfahrung hat gelehrt: daß eS nicht nur nicht gefährlich ist, wenn zu solchen Leiden Fieber hinzutreten, sondern daß das Fieber selbst dieselben heilt. Dasselbe enthält in sich den Reiuigungöact der fremdartigen Stoffe im Organis­ mus, und ist der von der Natur eingeschlagene Weg, die Integrität der Systeme wiederherzu­ stellen. Daß ist ein Zirkel, wirb man sagen. Ich weiß es wohl. Aber Alles in der Welt erscheint uns in diesem Zirkel. Weiter reichen wir nicht! — In'S innere Heiligthum der Natur dringt kein erschaffener Geist *) Wir sind glücklich, wenn wir sehen, was von geht, wenn wir aus dieser Erkenntniß die Norm zum Handeln abstrahiren **).

*) Non potcst aliud, nlio magis minusve comprehendi, quoniam omniuin re rum uiia est defini» tio comprchendcndi. Cic. quacst. acad. L. 4. **) In hoc sumus sapientcs, quod naturam, optimam duccm, tamquam Deum, sequimur eique, paremus.

C i ce ro.

Wie es vorgeht, das wissen wir nicht. — Ich

schreibe in diesem Buche für die Praxis.

Wer

anderen Glaubens ist, der lege das Buch aus den Händen; vielleicht thut es Einer oder der Andere

mit mitleidigem Blicke auf den Verfasser. — Nun so etwas, ich bekenne es ehrlich, incommodirt mich

nicht. — „Mit Worten laßt sich trefflich streiten.

Mit Worten ein System bereiten,

An Worte läßt sich trefflich glauben,

Don einem Wort laßt sich kein Iota rauben!"

Göthe. Wenn der Krampf sich zu dem Fieber gesellt, so ist das nach den Beobachtungen des Hippokra,

tes eben nicht gut.

Auch dieses ist eine bestä­

Wenn sich zu Fiebern con-

tigte Beobachtung.

vulsivische Bewegungen in den Muskeln, Krampf

in

dem

Schlunde,

Sehnenhüpfen,

oder

solche

Krampfe, die zur Gattung Tetanus gehören, ge­ sellen: so ist das bekanntlich ein sehr schlimmes

Zeichen.

Es deutet ein bedeutendes Ergriffensein

des Sensorrums, des Nervensystems, des ganzen

Rückenmarks an.

Diese Affeclionen können nun

bei entzündlichen oder nervösen Fiebern vorkom­

men.

Wir wollen hier noch einige Krankheiten

namentlich anführen, wo dieses der Fall ist. —

Gehirnentzündung ,

Nückenmarkentzündung,

Febris nervosa versatilis, Febiis nervosa hy-

das sogenannte Todtensieber mit

drocephalica,

dem Typus der Febris quotidiana.

27.

Auf erleichternde Ereignisse,' welche der be­

stehenden Regel

nicht entsprechen, verlasse man

sich eben nicht.

Dagegen fürchte man sich auch

nicht vor eintretenden Uebeln,

die mit dem Her­

gänge der Krankheit nichts gemein haben: denn viele von ihnen sind folgelos,

sie pflegen weder

anzuhalten, noch sich in die Länge zu ziehen.

Auf Begebenheiten, die zwar dem Kranken Erleichterung

verschaffen,

aber nicht zum Her­

gänge, in dem sich die Krisis manifestirt, gehö­ ren, — jede Krankheit hat in dieser Hinsicht ihre bestimmte qualitative Haltung, — hat man nicht

Ursache, großen Werth zu legen, oder ihnen gar zu trauen.

Verliert ein Kranker in der Pleure,

sie seine Schmerzen plötzlich, ohne die charakteri­ stische Krisis, ohne Expectoration,

u. f. w., so

hat man Ursache, auf der Hut zu sein;

eö wer,

den sich Desorganisationen, Lungensucht oder Brust,

Wassersucht entwickeln wollen.

Verschwinden beim

hitzigen Rheumatismus ohne kritische Zeichen die Schmerzen schnell,

so wird

das Rheuma über

kurz oder lang seine Rolle in einem andern wich­ tigern Organ spielen; eben so verhalt es sich in der Gicht.

£)ie verlarvte Gicht wird sich als­

bald als Störung in den Funktionen des Gal­

len-,

des Pfortadersystems, des Verdauungsge-

schäfts, der Ehylisication manifestiren; und von

diesen Organen aus wird das Material zur Stein-

bildung in den Nieren abgegeben werd-n, u. s. w.

Verschwindet ein hitziges Exanthem ohne die

Zeichen der Krisis, so ist das nicht minder ver­ dächtig;

es werden Wassersüchten,

Herzens und seiner großen Gefäße,

Leiden

des

asthmatische

Beschwerden, scrophulöse Affectionen u. s. w. zum

Vorschein kommen.

Dem ruhigen,

nüchternen,

nicht durch Schulwitz befangenen Arzte wird das

Axiom: Dies criticos religiöse observate! eben durch sorgfältige Beobachtung immer fester bocu;

mentirt werden.

Neble Zufälle, die den Kranken

belästigen, die aber mit der Krankheit nicht we­

sentlich Zusammenhängen, sind

nicht hoch anzu­

schlagen.

Jedem Beobachter werden dergleichen Zufälle oft vorkommen.

28. Bleiben stark ergriffene Fieberkranke, wie sie

find, verlieren sie nichts an ihrer Masse,

oder

zehren sie mehr ab, als es der Natur der Sache

nach geschehen dürfte,

so ist es böse.

Denn je-

nes deutet auf Dauer der Krankheit, dieses auf Schwache.

Eine wichtige und sehr richtige Erfahrung,

welche sich der junge Arzt fein merken muß. Jedes

Fieber

muß

seiner Wesenheit

nach als erhöhte Thätigkeit des Blutsystems an­ gesehen werden.

Das Fieber ist ein organischer

Fcrmentationsprozeß, der wie in der sogenannten

todten Natur verschiedene Grade hat; so ist z. V. Fäulniß der letzte Grad der Fermentation.

Das

Fieber ist 'eine krankhafte Störung der vegetati­ ven Thätigkeit im Organismus, und das repro­

duktive System leidet ursprünglich. — Es muß

also hier Konsumtion der Materie, Stoffenver­

brauch eintreten.

Die äußere Peripherie, wie die

innere der Materie muß einsinken.

Geschieht die­

ses nicht; so zeigt dieses auf Effervescenz der Saftmasse, auf große Auflockerung der Materie,

auf Ultraanimalisation, auf Fäulniß des organi­ schen Materials, auf innere Spaltung der näch-

sten Bestandtheile der den Organismus eonstrui-

renden Theile. lumen.

Es entsteht die Plethora ad. Vo­

Ein so dem höheren organischen Wir­

kungskreise entrücktes Leben kann sich nur lang­

sam und mühsam wieder restauriren,

materiell

und organisch ergänzen.

Kraft und Materie bleibt mir in der Physik

ein ewiger Zirkel.

werden.

sie setzen will.

hohlen.

Immerhin muß etwas gesetzt

Wir überlassen e§ der Metaphysik, was Wir wollen hier nicht weiter aus­

Dem Physiologen wird es einleuchtend

sein: daß in fraglichem Falle die Krankheit' von

langer Dauer ist.

Diese Erfahrung ist hinläng­

lich bestätigt.

Zehren die Kranken aber ungewöhnlich ab,

so kann es wohl nicht fehlen:

daß ein außeror­

dentlicher Verbrauch von Stoff, ein außerordent­

licher Kraftaufwand

den Zustand

hervorbringt,

welchen wir mit Hippokrates Schwäche nennen.

29.

Bei angehenden Krankheiten bringe man das,

was bewegt zu werden nöthig scheint, in Bewe­ gung.

Es ist nämlich besser, daß die Kranken

zur Zeit der Höhe Ruhe haben.

Wenn im Anfänge' der Krankheit ein Krankheitsstoff turgescirt,

leere man ihn auf dem

so

von der Natur angewiesenen Wege aus.

In der

Atme des Fiebers geht das nicht an. — Es ist

dieses die Vorbereitung

zur Krisis.

Hier darf

die Natur in ihrem geheimnißvollen Wirken nicht durch Ausleerungen unterbrochen werden.

Wir verweisen hier auf den ^ftcn Aphor» auch auf den 22sten des lfrcn B.

30. Beim Anfang und Ende ist Alles am schwäch­ sten, zur Zeit der Höhe am heftigsten.

Eine reine Beobachtung, die keinem entgehen

wird.

Alle Ereignisse sind zu Anfänge der Krank­

heit, und eben so auch gegen das Ende dem Grade nach am schwächsten.

In der Akme des Fiebers

wie natürlich am heftigsten.

31. Ist Einer nach einer Krankheit ganz ordent­

lich, und nimmt am Leibe nicht zu, so ist's böse.

Ein sehr einleuchtender Satz.

Wenn Jemand

nach einer Krankheit mit Eßlust Speisen genießt,

und nimmt am Leibe nicht zu, heitsursache

nicht gehoben.

so findet keine

Es ist die Krank­

vollkommene Genesung statt.

Der Arzt hat also

auf der Hut zu sein,! und derselben nachzuspüren.

32. Gemeinlich verlieren die, welche sich sehr übel

doch im Anfänge Speise zu sich

befinden,

und

nehmen,

ohne sich dabei zu erholen, diese Eßlust

gegen das Ende der Krankheit wieder.

Diejeni­

gen aber, welche im Anfänge keine Eßlust, nach­ her aber dieselbe haben, befinden sich besser.

Wenn ein Mensch

sich übel

befindet,

und

doch Eßlust hat, ohne sich dadurch zu erho­

len, so ist das ein Appetitus spurius, der von einer krankhaften Stimmung

von abnorm

der Magennerven,

erhöhter Sensibilität des Organs,

von alienirtem Magensaft, von Säuren in den ersten Wegen, u. s. w. herrührt.

tion,

Die Chylisica-

die Animalisation und Assimilation gehen

nicht vor sich.

Das Speisenehmen ist zwecklos,

ja eö wirkt nachtheilig.

Erreicht nun die Krankheit ihre Endschaft, so verliert sich auch dieser Appetitus

spurius

wieder.

Diejenigen dagegen befinden sich besser, wel­ che Anfangs der Krankheit kerne Eßlust fühlen,

sie aber,

wenn dieselbe ihre Endschaft erreicht,

wieder erhalten.

Man sieht aus dem Ganzen,

daß Hippokrates hier vorzüglich Auge hat.

die Fieber im

Die Krisis in den Fiebern wird durch

Speikegenuß gestört, verschoben,

die Speise, die

nicht verdaut wird, ist für den Organismus ein

fremder Körper; sie ist dem Verdauungsapparat zur Last: sie wird ein neuer Krankheitsreitz.

Es

ist also ersichtlich, daß diejenigen sich besser befin­ den, die im Anfänge des Fiebers ohne Eßlust sind. Kehren sämmtliche Organe zur wechselseitigen Har­

monie zurück, so stellt sich auch die Eßlust wie­ der ein u. s. w.

Wir haben schon oben an meh­

reren Stellen diesen Gegenstand besprochen.

33. Ist der Kranke in ungetrübtem Besitz seines Geistes, befindet er sich auf daß, was man ihm

darreicht, behaglich, so ist das in jeder Krankheit ein gutes Zeichen; das Gegentheil ein böses.

Dieser Satz' ist so einfach und klar, daß er

einer weitläufigen Erörterung nicht bedarf.

Störungen in dem Geiste, Delirien, zeigen große Abweichungen von dem normalen organi­

schen Leben an.

Wenn ein Kranker sich auf Al­

les, was ihm selbst mit der größten Umsicht von dem erfahrungsreichsten Geiste gereicht wird, übel

und unbehaglich fühlt, und man ihm auf keine

Weise beikommen kann, so zeigt das eine tiefe

Disharmonie der Systeme, eine wahrhafte Ent­ zweiung des organischen Lebens mit der Außen­ welt an.

Jeder erfahrene Praktiker macht solche

Erfahrungen. Mit Schmerzgefühl muß

man nur zu oft

ausrufen r

Non est in medico semper releretur ut eeger Interdum doeta plus valet arte malum. O vi d. 34. Diejenigen sind

in Krankheiten weniger in

Gefahr, die vermöge ihrer Natur, Alter, Consti­ tution, und vermöge der Jahreszeit zur Krank­

heit in einer gewissen Causalbeziehung stehen, als die, bei denen dieß nicht der Fall ist.

Wir wollen diesen Satz, um ihn desto deut­

licher zu machen, mit Beispielen belegen:

Ein kräftiger, energischer, athletisch gebauter Jüngling wird bei zweckmäßiger Behandlung eine

Pleuresie,

eine Lungenentzündung

weit leichter

ohne Nachkrankheit überstehen, als ein schwächli­

cher, hagerer, erschöpfter, entnervter, weibischer

Jüngling. — Alle exanthematische Fieber verlau­ fen in der Regel im Kindeöalter leichter als im

vorangeschrittenen. Kindesaltcr,

Entwickeln sich Skropheln im

nun so wird sie die Zeit und guter

Heilplan aufheben,

entwickeln sie sich aber erst

im Mannesalter, waö zwar selten der Fall ist, so sind sie nicht selten sehr gefährlich.

Es wal­

tet hier gewöhnlich eine außerordentliche Störung im reproductiven System — eine große Dyscrasie

der Saftmasse ob.

Oie Gicht im Mannesalter

wird nicht sehr befremden, aber in seltnern Fäl­ len, im Jünglingsalter, wird sie es.

Im letzte­

ren Falle wird es an einem durch Schwelgerei und Ueppigkeit gänzlich destruirten Unterleib nicht feh­

len.

Die Verdauung,

so wie die Harnseeretiou

wird in größter Deroute seyn. Catarrhalfieber wird an den

Ein epidemisches Jünglingen leicht

vorübergehen, dagegen hohe Greise daniederstrek>

ken. — Quartanfieber werden im Herbste nicht auffallen; wird Jemand aber in den freundlichsten

Sommertagen von ihm lange heimgesucht; so wird es an Stockungen im Pfortadersystem, in der Le­ ber, in der Milz nicht fehlen. Rheumatische Fie­ ber sind in den kalten Wintertagen nichts selte­ nes. Ein solches in den schönsten Tagen des Sommers wird aber auf große Zerrüttung der Hautfunction und Harnabsonderung deuten u. s. w. Doch auch hier, in Beziehung auf den gan­ zen Satz, wie überall: nulla re^ula sine exccptione.

Alles dieses mit weitläufigem physiologisch-pa­ thologischem Raisonnement zu begleiten, wäre über­ flüssig, und für den gebildeten Arzt als Wieder­ holung des Bekannten lästig. Wir haben nur die Absicht, die goldenen Satze des Hippokrates als gefälliges Vademecum zunächst für junge Aerzte, denen die Cardinalbüdung ruht gebricht, zu bearbeiten. Finem omnium rerum specta, et supervacua devites. Seneca.

35.

Es ist in allen Krankheiten sehr gut, wenn die Nabel- und Schamgegend eine gewisse Vollheit hat; böse hingegen, wenn sie mager und ab-

gezehrt ist. Dieser Umstand ist auch nach dem Gebrauch der PurgiermitLel gefährlich.

Es ist dieses ein sehr merkwürdiges diagno­ stisches Kennzeichen, auf welches viel zu halten ist. Besonders wird es über die Gefahr bei entzünd­ lichen Affectionen des Unterleibö, bei Coliken, bei Atrophie der Kinder großen Aufschluß geben. Bei Coliken ist es ein sehr böses Zeichen, wenn der Unterleib eingezogen und eingefallen ist; na­ mentlich gilt dieses bei der Bleikolik; eben so ist es sehr bedenklich, wenn bei Atrophie, bei Drüsenverhärtungeu der Kinder dieses der Fall ist; bei weitem ist mehr Hoffnung zur Genesung, wenn diese Regionen sich etwas voll zeigen. Ich habe diese Beobachtung sehr häufig gemacht. — Es ist wohl sehr einleuchtend, daß wenn der Tungor vitalis, der jedem lebenden Organe ei­ gen ist, verschwindet, wenn das Lichte der Kanäle auf das Minimum reducirt wird, die Thatkraft deS Lebens im Organe ihre Endschast erreichen dürste.

Eben so ist es auch sehr kunstwidrig, Leute, die lange an chronischer Leibesverstopfung gelitten haben, wobei immer der Ton der Gedärme her­ abgestimmt, die Contrattilität der Wände des

Darmkanals sehr vermindert ist, wo der Kanal

stellenweise krampfhaft

zusammengeschnürt,

und

wieder in größeren Strecken ungemein ausgedehnt und gelähmt ist, plötzlich mit heftig einwirkenden

Laxiermitteln, mit Drastica zu behandeln, dadurch plötzlich Lähmung entstehen kann.

weil

Solche

Kranke müssen mit resolvirenden Mitteln, zweck­ mäßigen Disceralklystieren, mit welchen man von Zeit zu Zeit gelinde tonfördernde Mittel verbin­

den muß, behandelt werden. — So hebt Opium und Alaun die Verstopfung bei der Bleikolik.

36.

Völlig gesunde Körper werden durch den Ge­ brauch heftig eingreifender Ausleerungsmittel, so

wie durch den Genuß schlechter Speisen herabge­

stimmt und aufgelös't.

Ueber diesen Lehrsatz ist sehr gelehrt schola-

sticirt worden.

Nach meinem Dafürhalten ist er

aber ganz klar.

Alle heroische und heftig eingrei­

fende Arzneikörper

müssen

doch wohl für einen

gesunden Körper krankmachende

Potenzen

sein,

denn sonst waren sie ja in extremis morbis keine

Arzneyen. zu spielen.

Mit Arzneyen ist ja überhaupt nicht

Der Arzneygebrauch, wenn er auch

ganz indicirt ist, bringt ja so zu sagen, eine an­

dere Krankheit hervor. Hier muß man nicht übersehen, daß sich Hippokrates aufgefordert fühlte, vor unzeitigem Ge­

brauch starker Arzneymittel sehr zu warnen.

Die

knidischen Priester hatten mit ihren Drastica, und

mit ihrer übertriebenen, auflösenden Diät großen Auch in unserer Zeit giebt es

Schaden gestiftet.

Arzte, leider noch viele, die sich gar glücklich und gelehrt fühlen, wenn sie ein Rezept um's Andere

verordnen können; die täglich das Heiligthum der Rauir verletzen,

und des großen Boerhave's

Wahlspruch „simplex sigillum veriu nicht zu würdigen verstehen.

Jedes Arzneymittel, zur Unzeit gereicht, ist ein Vcrkürzungsmittel des Lebens,

daher

sagt

Hippokrates:

37.

Alle Gesunde befinden sich auf den Gebrauch von Arzneymitteln übel.

38.

Man

wähle

lieber Speisen und Getränke,

wären sie gleichwohl weniger zuträglich, die dem

Kranken angenehmer sind, als solche die ihm un­ angenehm sind.

Man sieht aus diesem Lehrsatz,

krates nicht gemeint ist,

daß Hippo-

mit allzugroßer Aengst-

lichkeit bei der Auswahl der Diät zu Werke zu gehen, wir haben weiter oben schon darüber ge­

sprochen; sondern daß man eher an und für sich weniger zuträgliche Speisen und Getränke geben könne, als daß man dem Kranken solche, die ihm

widrig sind, aufnöthige.

Es ist für den Arzt

Pflicht, und ist auch in Beziehung auf den Heil­ plan selbst beherzigungSwerth, das; man die Diät

und die Bereitung der Arzncymitte! selbst, so viel

cs

ohne Beeinträchtigung

des

zu

Zweckes geschehen kann, so einrichte,

erreichenden

daß sie dec

Kranke con amore nehme.

Es ist wohl natürlich: daß der Genuß frag­ licher Stosse, wenn sie mit gefällig gestimmten

Nerven, mit Behaglichkeit der Sinne genommen werden, in den meisten Fällen mehr zusagen wer­ den, als wenn das Gegentheil der Fall ist.

ES

ist nicht zu übersehen, daß Hippokrates hier nicht

von

raffinirtcr Kochkunst und

hitzigen Geträn­

ken spricht.

ES ist überhaupt beherzigungswerth für den Arzt, die Sinnenwelt des Kranken in der gefäl-

ligsten Stimmung zu erhalten. Es ist in dieser Beziehung auf Krankenpflege noch vieles zu wünscheu. Es giebt gar viele Dinge, ich möchte sa­ gen, medicinische Vortheile, die man zum Vor/ theil und Frommen des Leidenden anwenden kann, so etwas läßt sich nun so eigentlich nicht lehren; dem geistreichen und edelwüthigen Arzte ergeben sie sich von selbst. — Ich erlaube mir ein kurzes Wort, weil ich aller Breite feind bin, welches ich in Hufeland's Journal nicderschrieb, zu wie­ derholen : „Hysterische Weiber und gewisse Hypochondrie sten, welche an einer ewigen PusillaniMitat lei­ den, muß man mit einer ernsten Miene und mit einem imponirenden Blicke, aber ja Theilnahme zeigend, ansprechen. Man muß nicht zu viel Worte mit ihnen machen, aber bestimmt und klar mit ihnen sprechen. Ja nie über sie spötteln. Oft ist's nöthig, daß man ihnen die Gesundheit gleichsam in die Seele rede. Lustigkeit ist ihnen schädlich, Heiterkeit Heilmittel. Ihre geistigen Arbeiten müssen sich theilen in solche, welche die Phantasie, und solche, welche die höheren Geistes­ kräfte in Anspruch nehmen. Einsamkeit, so wie bunte Gesellschaft ist ihnen nachtheilig. Müßig­ gang eben so schädlich, als Erschöpfung. Heitere Musik wirkt gewöhnlich sehr heilsam auf sie. Ge-

Gegen Melancholische muß man sich hinge­ bend verhalten,

sie gleichsam an

das Herz

zie,

den, ihnen Aufmerksamkeit und Theilnahme im

ganzen Benehmen zeigen, aber doch nicht lange

Rede,

wenn es den Gegenstand des Schmerze­

betrifft, mit ihnen wechseln^

Glaube und Wille

müssen bei ihnen recht kräftig angesprochen wer­ den. — Scharfes Denken ist ihnen äußerst zuträg­

lich.

Schon der berühmte arabische Arzt vulgo

Rhazes genannt, empfiehlt zur Kur der Melan­

cholie das Schachspiel.

Man rege sie zu geistigen

Arbeiten durch irgend eine ihnen eigene Leiden­

schaft,^ z. B. dnrch Ehrgeiz an.

Daß körperliche

Arbeiten diesen so eben besprochenen Leidenden un­ umgänglich nothwendig sind, ist eine bekannte und

anerkannte Sache.

Bei der Febris nervosa stupid«, beim Ty­ phus mit Torpor, sollte man die Kranken einer belebenden ergreifenden Musik, Hellem Lichte, er­

freulichem Farbenspiele und erweckenden Gerüchen

aussetzen.

Man

dürste sie mit Blumentöpfen,

die Wohlgeruch und Augenlust gewahren, umge­ ben.

Dieselbe Umgebung sollten Lebensmüde ha­

ben, auch die Ansicht einiger munterer Vögel mit

lieblichem Gesang würde hier wohlthätig wirken.

Bei Nervenfieber mit erhöhter Sensibilität wird ein sanftes Adagio, ein rührendes Gemälde,

Hippok. v. Pitschaft, I. Th.

F

Zwielicht, sanftes Grün, Mondschein, ungeheuer wirken. Anhaltender Schlaflosigkeit wird der langweilige lästige Gang einer Pendeluhr zu Hülfe kommen. Bei Abneigung gegen Speisen, wenn sie zunächst in einer fixen Idee beruht, setze man dem Kranken scheinbar absichtslos eine gefällige Speise, etwa lachende Obstfrüchte vor. Das thut nicht selten Wunder. Bei anhaltenden Wechselfie­ bern, welche gleichsam ohne materielle Ursache ha­ bituell geworden sind, sind in den fieberfreien Stunden leichte Affecte heilsam. Etwa bei einem Kunstfreunde lebhafter Redewechsel über solche Ge­ genstände vor der Ankunft des Paroxysmus; den politischen Kannengießer dürfte man in Harnisch versetzen u. s. w. Einem schmerzleidenden gebildeten tapfern Manne suche unvermerkt fein leise Bilder wie Muciu s S cäv o la vor die Seele zu bringen. Dem Bilde einer schönen Seele, wir denken hier an Göthe's Meister, wird man leicht ihren Hei­ land zuführen können u. s. w. Wer diesen Theil der Heilkunst recht versteht, es ist freilich gerade der, welcher eigentlich nicht gelehrt werden kann, der ist ceteris paribu» gewiß der wahre Arzt der leidenden Menschheit. Die Hauptsache bleibt immer die: daß der Kranke es seinem Arzte an­ sehen muß, daß er ihm von ganzer Seele hel-

fen will.

Das ist wohl der feinste Magnetismus,

-------- Freilich muß da der Hofrath u. s. w. ab­

gelegt werden.

„Der Mensch bedarf des Men­

schen sehr," sagt der herrliche Schiller.

Lich­

tenberg sagt daher gar sachbezeichnend von dem

Könkgl.

Wundarzte

Hawkins:

Eintritt in die Stube war es,

„Bei seinem

als gingen Zu­

trauen und Hülfe vor ihm her, mit so liebreichem

Ernste nahete er sich mir.

Er sahe mir lange in

das Auge, aber ohne Kopfschütteln, gab mir als­ dann die Hand,

und sagte mit unbeschreiblich

sanftem Ton, den ich noch immer höre: „Sein

Sie ganz ohne Sorgen, fürchten u. s. w."

Sie haben nichts zu be/

Ders. über einige Pflichten

gegen die Augen, Zter B. p. 43,

Die Frucht des

Geistes ist Liebe, Geduld, Freundlichkeit, Gütig­ keit, Glaube, Sanftmuth u. s. w., sagt der Apo­

stel Paulus. Es giebt auch eine gewaltige Willenskraft, welche einigen der Himmel verliehen hat.

Die

solches Pfund haben, werden es nicht vergraben. Gewiß sind die Apollonius alter und jüngerer Zeit seltner, als man jetzt anzunehmen geneigt ist.

39.

Insgemein erkranken alte Leute weniger, als Fs

junge, stoßen ihnen aber langwierige Krankheiten

zu, so pflegen sie meistens an denselben zu sterben.

Diese Erfahrung ist von allen Aerzten bestä­

tigt, und sie bestätigt sich besonders zur Zeit epi­ demischer Krankheiten auffallend.

Es ist sehr na­

türlich, daß da, wo die Lebenskraft abvimmt, wo die Funktionen aller Systeme träger und küm­ merlicher von Statten gehen, auch die Empfäng­

lichkeit für alle Potenzen der Aussenwelt vermin­ dert wird.

Das Leben im Blute nimmt nament­

lich bei Greisen ab; es ist also sehr natürlich, daß

sie von Fiebern nicht so

leicht ergriffen werden.

Denn jedes Fieber ist an und für sich seiner We­ senheit

systemS.

nach eine erhöhte Thätigkeit des Blut-

Im Alter nehmen die Leidenschaften ab,

welche die Duelle so vieler Krankheiten sind.

Der

Alte geht schonender mit seinem Leben umy giebt

also auch von der Seite weniger Veranlassung zum Krankwerden.

Das Greisenalter ist einiger­

maßen schon als eine Kränklichkeit anzusehen, und Kränklichkeit schützt wirklich vor 'vielen entzündli­ chen Affectionen, und solchen Fiebern.

bezeichnet diesen Zustand sehr richtig, tranquil. animi,

Seneca

Lib. de

„In statu ut non pessimo

ita maxime querulo positui 8um, nec aegroto

ncc valeo. “

Cicero sagt sehr schön: „Habet natura ut

aliarum omnium rerum sic vivendi modum,

senectus autem peraetio aetatis est tamquam .fabulae/1 Es must sich in einem solchen Abschnitte

des Lebens die Geringschätzung

des Eiteln

von

selbst ergeben, und das psychische Leben religiöser

werden.

Daß ein solcher Seelenzustand vor vie­

len Krankheiten schützt, leuchtet jedem geistreichen Arzte ein.

Leider giebts auch Ausnahmen

Daß aber dir gebrechlichere organische Ma­

schine, wenn sie von langwierigen Krankheiten er­

griffen wird, leicht aufgerieben wird, ist dem Phyfiologen so einleuchtend, daß wir hier nicht zum

Ueberfluß das sehr Bekannte wiederholen möchten.

40.

Bei der Heiserkeit und dem Schnupfen der

Greise findet keine Kochung statt.

Hippokrates theilt hier eine Beobachtung mit,

die Keinem entgehen wird.

Alte Leute pflegen

gemeiniglich an habitueller Verschleimung ter RespirationSorgane und der Rachenhöhle zu leiden.

Es bildet sich

dabei keine Krise,

Die Respira-

tionsorgane gehören zu den Werkzeugen, im

höheren Alter

welche

an Lebenskraft am frühesten

abnehmen; die absondernden Organe daselbst, die Schleimhäute,

wie die Drüsen,

schleimigte Flüssigkeiten ab,

sondern mehr

die im jugendlichen

Alter dunstartiger und feinerer Natur sind.

Die

aufsaugenden Gefäße verlieren an ihrer That­

kraft im Alter.

Die Lebenskraft der Nerven der

Respirationsorgane nimmt in dem höheren Alter,

vor der aller anderen Nerven, die zum automa­ tischen Leben gehören,

ab.

sterben an Lungenlähmung.

Die meisten Greise Es ist eine bekannte

Erfahrung, wir gefährlich Alten Lungencatarrhe

sind.

Der junge Arzt muß sich sehr hüten, hier

zu antiphlogistisch zu verfahren.

Die Senega,

die Arnica und die Flores benzoes sind hier herrliche Mittel.

Greise sterben oft an solchen

Catarrhen, ehe man sich's versieht, bei dem schein­

bar gutartigsten Charakter des Fiebers.

41.

Diejenigen, welche oft und starke Ohnmach­ ten ohne augenscheinliche Veranlassung bekommen,

sterben plötzlich.

Hippokrates theilt hier eine gemachte Erfah­ rung mit, welche jeder beschäftigte Practiker zu

machen Gelegenheit haben wird.

Diese fraglichen

Ohnmachten werden von organischen Fehlern des Herzens bedingt. geschwülste,

Herzhöhlen des Herzens.

Gewöhnlich sind es Pulsader­

aneurysmatische Erweiterungen und

der

Verknöcherungen

der

Gefäße

Am häufigsten kommt dieser schnelle

Tod bei der Angina pectoris, Syncope cordis

vor.

Es ist wohl einleuchtend, daß solche, wenn

auch oft sehr langsam zunehmende organische Feh,

ler schnell den Lod herbeiführen.

42. Einen starken Schlagfluß jif heilen, ist un­ möglich, einen schwachen — schwer.,

Ein durch die Erfahrung aller Aerzte leider

nur zu bestätigter Satz Krankheit und

Hier die Aetiologre der

ihre verschiedenen Einteilungen

zu wiederholen, wäre überflüssig.

Der junge Arzt

hüte sich nur,- zn weit in dem antiphlogistischen

Heilverfahren zu gehen.

der Aderlaß allerdings

Bei Vollblütrgkeit ist

angezeigt;

wo aber die

InLication zweifelhaft ist, begnüge er sich mit der

Anwendung örtlicher Blutentziehung.

Jedenfalls

muß man alsbald zum innerlichen..Gebrauch der.

Arnica (sie ist da» souverainste Mittel), zu kalten Fomentationen und zu starker Anwendung

der

Rubefacientien und selbst zu d-er des Glüheisens

und der Moxa schreiten.

Unter die schwachen Schlagflüsse gehören na­ mentlich die consensuellen,

die von Ueberladung

des Magens, Ueberfüllung des Derdauungskanals

und Plethora der Gefäße des Magens, der Milz und der Leber herrühren.

Der Arzt übersehe eS

nie, beim Schlagfluß den Unterleib genau zu un­ tersuchen.

Ein mäßiger Aderlaß,

Emeticum und oft Wunder.

wegen

ein kräftiges

ausleerende Klystiere

thun hier

Die Terpentinklystiere stehen hier

ihrer schnellen

Wirkung

oben an.

Für

Leute, welche die Disposition und die Architectura zu

fraglichem Uebel haben,

ist ein Haarseil im

Nacken unstreitig das erste Prophylacticum. bitte junge Aerzte,

sehen.

Ich

diesen Wink nicht zu über­

Diesen will ich auch noch bemerken,

daß

sie bei Hemiplegien die Tinct. semin. colchici

und

das Extractum nucis vomicae

und des

Rhois. radicantis et Toxicodendri nicht ver­ gessen mögen.

43.

Unter den Erstickten und Ertrunkenen, aber noch nicht Todten, kommen die nicht wieder in’5

Leben, welche Schaum vor dem Munde haben.

Dieser Aphorismus leidet in neuerer Zeit,

wo das Rettungsverfahren bei Scheintodten das der Alten bei weitem übertrifft, eine große Ein­

schränkung.

Allerdings werden auch solche, bene»

Schaum vor dem Munde stehet, noch gerettet.

44. Von Natur sehr fette Leute sterben eher als magere.

Eine Beobachtung, die jeder beschäftigte Arzt machen wird.

Fette Leute sterben namentlich an-

acuten Krankheiten eher, als magere.

Wenn die

thierische Masse in einem- Organismus überwie­

gend ist, so tritt bei allen entzündlichen Krankheü ten leicht Ultraanimalisation ober, mit den Alten

zu reden, Fäulniß ein.

Je größer die Masse, je

intensiver die Fermentation,

Bei fetten Leuten

gehen die Funktionen, welche die Ausscheidung

der unbrauchbaren und verdorbenen Stoffe beab* sichtigen, träger von Statten,

Es ist also auch

in Krankheiten die Krisis an die.sen Gang gebunden, und die Ausscheidung des Caput mortuum

schwer. Auch das Nervenleben geht bei Fetten träger von Statten^ dieses System hat nicht den Ton

und die ausdauernde Thätigkeit wie bei magere;

ren Leuten.

Je größer die vegetative Thätigkeit

tm Organismus wird, um so mehr tritt das HL, Here animalische Leben zurück.

Daher sagt @eU

suö Lib. L. C. i. Obesi plerumque acutis morbis et difficil!täte spirandi strangulantur,

subitoque saepe moriuntur, quod in corpore

tenuiore vix evenit. Die nämliche Beobachtung macht der Thier­

arzt auch bei Epizotien.

Die fettesten Thiere

werden am leichtesten dahingestreckt.

45.

Die Veränderung des Alters, des Clima's, des Wohnortes, und der Lebensart befreiet junge

Fallsüchtige noch am ehesten von ihrer Krankheit.

Daß die Heilung der Fallsucht das schwerste Problem ist, ist eine nur zu

bekannte Sache.

Daß wir ihre Wesenheit nicht kennen, ist eben so bekannt.

Daß wir nur gegen die

entfernteren

wahrscheinlichen Ursachen kämpfen können,

daß

wir vorzüglich die Momente, unter welchen sie

begann, auffassen müssen, um zu Erkenntniß des etwa gekrankten Systems zu gelangen, darüber ist wohl jeder hippokratische Arzt im Reinen.

Daß

der Uebergang vom Jünglingsalter in’5 männliche, und die fraglichen' Veränderungen der Lebensver-

hältniffe oft mehr leisten , als die bis hierher be­

rühmtesten Arzneimittel, gegen

dieselben^

wird

wohl kein nüchterner, besonnener Arzt in Abrede

stellen»

Das- Cuprum ammoniatum , das Ar­

gentum nitiicum,

die Flores zinci, bie Va­

leriana, die Asa foetida und manche andere Mit­

tel haben sich in einzelnen Fällen Nus erworben:

aber immer noch gehört die habituelle Fallsucht zu den Scandala medicorunu

Schließlich wollen

wir noch bemerken, daß

über manchen schönen Monographien dieser Krank­

heit junge Aerzte

dir zwar rhapsodischen aber

acht hippokratischen Bemerkungen von

über fragliche Krankheit

Lent in

nicht vergessen mögen.

Dessen Beitrage zur Arzneywissenschaft, Ster B.

Man vergleiche Aphorism. 7. 5. V.

46.

Von zwei Schmerzen, die zugleich an ver­ schiedenen Stellen sind, verdunkelt der heftigere

den andere

Ein allgemeines Gesetz in der thierischen Haus­

haltung.

Der geringere Schmerz tritt in Hin-

tergründ,

sobald das Empfindungsvermögen von

einer stärkern Potenz angeregt wird.

Es ist die­

ses im physischen, wie im psychischen Leben; dem

gemeinen Menschenverstand ist daS einleuchtend;

man weiß Vieles, ohne es so eigentlich erklären zu können.

Da Hören, Sehen, Fühlen, ein Ge­

heimniß, ein Wunder ist, wo ist eine befriedigende

Erklärung? So wollen wir diesen Satz nicht mit

gelehrtem und breitem Schulwitz begleiten. kennen nur

das Geschichtliche;

Wir

die Welt­

seele, wir kennen sie nicht; und den Gott suche Keiner in den Regionen des speculativeu Ver­ standes! —

47. Während

der

Eitererzeugung

findet» sich

mehr Schmerz und Fieber e.in, als nach seiner Erzeugung.

Ganz

einfach und natürlich;

ein Prodnct der Kochung;

der Eiter ist

und die Fieberbewe­

gungen bewerkstelligen diese.

48. Nach jeder Bewegung des Körpers, sobald

Ermüdung eintritt, ist Ruhe das Mittel, welches die Mattigkeit hebt.

Bei diesem Aphorismus ist nichts zu bemer­ ken , als daß er schicklicher in der Diätetik vor­

käme.

49. Leute, sind sie auch schwach und alt, erstehen

Arbeiten, die sie gewohnt sind, leichter, als selbst kräftige und junge Leute, welche dieselben nicht

gewohnt sind. Eine Erfahrung, die man alle Tage machen

kann.

Consuetiido est altera natural

Es ist

erstaunlich, wie weit es der Mensch durch Uebung

in der Anwendung seiner Organe bringen kann; Beweise geben uns die Läufer, die Tänzer, die Fechter, die Bereiter.

Ein Schmidt, mit den Muskeln eines Laokoon, würde unterliegen,

wenn er mit einem

schnellfüßigen Läufer gleichen Schritt halten sollte,

und dieser würde alsbald

vor dem

gewaltigen

Ambos in die Knie sinken, wenn er mit dem Mei­ ster gleiche Hammerschläge thun müßte.

Diese

Eigenschaft des thierischen Organismus muß der

Arzt zu benutzen wissen.

Was der durch festen

Willen erzwungene, anhaltende Gebrauch tief ge­

kränkter Organe zur Veredlung und Brauchbar­

keit ebenderselben beiträgt, übersteigt oft alle Er-

Wartung. Gicht,

Wr'r wissen, was Bewegung bei der

bei Rheumatalgren, Eontracturen, Ver­

kürzungen der Glieder ir. s. w. vermag. — Ja, aus einem Stotterer wird- ein Redner, und der

Veteran mit dem hölzernen Bein wird ein tüch­ tiger Bote in der Gemeinde.

Baco sagt mit allem Rechte, Lib. IV. de augment, scient. — ,,Vix aliquam in morbum inclinationem invenui,

quae non exercita-

tione quadam propria corrigi possit..“ sehr beherzigungswerthe Regel für den Arzt.

versteht sich wohl von selbst,

Eine

Es

daß man bei Dis­

position zu Entzündungen, bei großer Vollblütig­

keit cum grano salis zu Werke gehen muß, und die hippokratische Warnung nicht übersehen darf: „ ut graciles iter faeturi, lentis passibus in-

cedant.“

Wie viel eine' allmahlig vorgenommene

Ausdehnung der Lungen, lautes Lesen und Spre­ chen, oft den schwächsten Lungen nützt, ist bekannt. Die Aerzte der alten Welt empfahlen den

Gebrauch der Stimme gegen Magenschwäche und schlechte Verdauung.

Wir finden diese Vorschrif­

ten beim Hippo k rat es, Cel su K und Aetius. Ja Plutarch sagt-in seinen diätetischen Vor, schritten r „Die Stimme, als eine Bewegung des

Odems, die ihre Kraft nicht auf die Oberfläche, sondern in den edleren Eingeweiden, wie in ihrer

Quelle, äußert, vermehrt die Wärme, verdünnt das Blut, reiniget alle Adern, öffnet die Arterien und verhindert, daß die überflüssigen Feuchtigkei­ ten sich nicht in den, zur Ausnehmung und Ver­ dauung der Speisen bestimmten Gefäßen sammlen: und wie ein Bodensatz verdichten." Diese Vorschriften der Alten sind in Bezie­ hung auf den merkwürdigen Einfluß, den die Stimmnerve auf die Verdauung hat, sehr in­ teressant. 50.

So man etwas gewohnt ist, sei es gleichwohl schlechter, als etwas, was man nicht gewohnt ist, so wird es doch weniger beschwerlich fallen. Man halte sich dennoch an'L Gewohnte.

Dieser Aphorismus ist eine unmittelbare Fort­ setzung des vorangegangenen. Der Sinn ist plan und einfach. Dieser Satz macht den Uebergang zum folgenden:

51.

Es ist überhaupt gefährlich, plötzlich auszu­ leeren oder anzufüllen, zu erwärmen oder zu kuh-

len,

oder auf irgend eine andere 2frt den Kör­

per anzuregen, denn Alles, was zu viel ist, wirkt

auf die Ncnur feindselig. ’ Ein allmähliger Ueber-

gang ist immerhin sicher, handelt eS sich darum, von Einem zum Andern überzuschreiten»

Es ist wohl sehr natürlich, der überall die betrachtet,

Natur

als

daß ein Mann,

seine

Lehrmeisterin

solche Vorschriften giebt; die Natur

macht in der Regel im gewöhnlichsten Hergänge keine Sprünge.

Entwickelung

Es geht alles in

Eines

aus

dem

Eines bedingt daZ Andere.

allmähliger

Andern

Anfang

hervor;

und Ende

liegen ausser dem Fassungsvermögen des menschli­

chen Geistes.

Nur

das Dasein

des Gegebenen,

das Begebniß vermögen wir zu erkennen. heimnißvoll ist der Wandel der Natur.

Ge-

Glück­

lich, daß sie dem nüchternen Auge ihre Spuren,

ihre Fusitapfen zurückläßt. in dieselben.

Treten wir immerhin

Alle Kunst ist Reflex der Natur.

Daß HippokrateS kein Freund von einem he­

roischen Verfahren war,

geht aus

allen seinen

Vorschriften hervor; vorzüglich ist er aber allem

tumultuarischen Verfahren am Krankenbette feind gewesen.

Alle großen Aerzte, die wir in der Ge­

schichte als

glückliche Praktiker

hegten dieselben Grundsätze.

kennen lernen,

Fragliche Aerzte haben sich immer durch ein

einfaches

schlichtes

Heilverfahren

ausgezeichnet.

Wir machen Im*er junge Leser auf einen interes­

santen Aufsatz über die Heilkraft der Natur von Dr. Günther^ (Hufel. I. 1823,(Sept, S.Zg.) aufmerksam.

52. Wer vernunftgemäß

zu

Werke geht,

der

schreite, entspräche der Erfolg auch nicht der Re­ gel, nicht sogleich zu anderweitigem Verfahren, wenn der Zustand bcr bleibt, so wie er von An­

beginn das Ansehen hatte.

Ein tiefer Sinn liegt in diesem Satze,

den

freilich nur der ächte, mit der Meisteranlage ver­ sehene Künstler lebendig aufzufassen vermag. Ein, dem besonnenen, festen, gründlich gelehrten Arzte

großer bewährter Grundsatz.

und auch überflüssig,

Es ist unmöglich

diesen Lehrsatz mit langer

und breiter Rede zu beleuchten.

Solche Ursätze

der Kunst sind nur dem wahren Kunsttalente licht und vernehmlich.

Wehe dem Kranken, dessen Arzt

am Morgen weiß und am Abend schwarz verord­ net, der am Krankenbette stets irrlichterliert, in dessen Schädel alles in Scherben unter einander

geht.

Wer nicht fest ist, dem gebricht's an Klar­

heit^ wer nicht frei ist, der ist noch weit hinter

der Wahrheit. sequenz.

Nur wo Kraft ist,

da ist Con-

Es ist das Schwerste im thatenvollen

Denn nach dem Gedachten handeln ist

Leben. schwer.

Nur der ächte Schüler, der den Keim zum

Meister in sich trägt, versteht den Meister ganz.

Denn „des

achten Künstlers Lehre schließt den

Sinn auf!" (Göthe.)

53.

Weichleibige, wenn sie noch jung sind, befin­ den sich besser, als wenn sie hartleibig sind; im Alter hingegen befinden sich jene schlechter,' denn

in der Regel müssen alte Leute hartleibig sein,

Zm jugendlichen Leben ist die Vegetation am stärksten.

Es wird viel Stoff ausgenommen, viel

reproducirt. den.

Die Saftmasse ist in Fülle vorhan­

Die Vis vltalis im Blute ist groß.

Es

muß das Material zur Ausbildung und Vollen­

dung des Organismus abgeben.

Alle Secretions-

organe sind demnach thätiger, als im spateren Lebensabschnitt.

Das

Abgesonderte ist

feiner,

fluchtiger, und plastischer.

Das Leben des ganz

zen Verdauungskanals, der Heerd, wo die Nah* rungsmittel den ersten Grad der Animalisation

erhalten, steht auf seiner Höhe.

Es ist also sehr

einleuchtend, daß Weichleibigkeit ein Zeichen eines

guten Befindens ist.

Hartleibigkeit im jugendli­

chen Alter zeigt Trockenheit, Rigidität, herabge,

stimmtes

Wirkungsvermägen

des

Ueberreitzung des Solarsystems,

Darmkanals,

Stockungen in

dem Drüsen-, im Pfortadersystem, und alicnirte

Gallenabsonderung an.

Dadurch wird die Erzeu­

gung von Saburra aller Art, Schleim, Würmern und Säure bedingt.

flüssige bleibt zurück. überdieß gelehrt,

Das Unbrauchbare, UeberDie Erfahrung hat uns

daß fast in allen Krankheiten

der Lugend ausleerende Mittel heilsam wirken.

Alten Leuten sagt eine mäßige Hartleibigkeit zu. Alle copiosen Ausleerungen sind dem Alter nach»

(heilig; die Entziehung zu vieler Flüssigkeiten thut dem Organismus des Alten, der zur Trockenheit,

Rigidität, zur Erstarrung hinneigt, und immer terrestrischer wird, weh.

Sn der Flüssigkeit be­

ruht das Leben zunächst im

Blute.

nisi sunt Haida, non agunt.

Neigung ZU Durch/

Corpora,

fällen zeigt an, daß der Ton der Faser erlischt, und der Turgor vitalis einsinkt.

den 20. Aphorismus.

Man vergleiche

Ich bemerke hier abermals:

daß Jpippirttateä seine Erfahrungen überall nur

rhapsodisch hinwirst.

Seine Lehrsätze waren treue

Begleiter für die Schüler, für die Jünger, die nicht bloß in der Schule vom Lehrstuhle herab, sondern am Krankenbette selbst gebildet wurden.

Eelsus hat diesen hippokratischen Satz ebenfalls ausgenommen.

Er sagt: Mellor est fusa alvus

in juvene, sicca in sene.

54.

Eine große Natur giebt dem Jüngling An­ sehen und wüthiges Aussehen.

ist sie unbequem,

und

Im Alter aber

weniger zuträglich,

als

eine kleine.

Hippokrates hat nämlich,

ken kann, beobachtet,

was feder bemer­

daß sehr große alte Leute

schwerfälliger ihre Verrichtungen thun,

Einsinken des ganzen Baues wie natürlich, kleine;

daß beim

eine große Natur,

unbequemer sein müsse, als eine

daß Leute von mittlerer Statur mehr

Ausdauer,

mehr Ton

Regel haben,

und Lebenskraft in der

und gewöhnlich ein höheres Le­

bensalter erreichen, als sehr große.

det dieß große Ausnahmen.

Freilich lei­

Es hängt das Alles

141 von der ganzen Architectur und Constitution ab. Wir sind nicht gemeint, uns lange bei diesem Satze aufhalten zu müssen. Arte opus est: autem sollers quoque periioit usus, Perficit ars quid quid repperit ingenium. Jo via. Pontan.

Drittes Buch der

Aphorismen des Hippokrates. Grau, Freund, »st alle Theorie, Doch ßtiin des Lebens goldner Daum, Göthe

1. Die Veränderungen der Jahreszeiten,

und

eben so große Abwechselung von Kälte und Wärme in denselben bringen vornehmlich Krankheiten her­ vor; dasselbe gilt auch in eben diesem Verhält­ niß von andern Dingen.

Der große Einfluß, den die Veränderung der

Jahreszeiten auf die Krankheitsconstitution aus­ übt, ist durch die Erfahrungen der besten Aerzte

hinlänglich bestätigt,

und eben so allgemein an­

erkannt.

Junge Aerzte dürfen es nicht übersehen, daß

der herrschende Orundcharacter einer etwa vor-

handenen Epidemie beim Wechsel der Jahreszei­ ten immer mehr oder weniger modisicirt wird;

so wird z. B. die nervös gastrische Constitution im Herbste beim Eintritt des Winters mehr ent­

zündlich - nervös werden u. s. w. Solche Erfahrungssätze sind sehr wichtig, weil

sich nach ihnen Las Heilverfahren richten muß.

Je rapider der Wechsel der Jahreszeiten ist, um so größere Berücksichtigung ist auch natürlich nö­

thig.

Eß ist dasselbe bei Abwechselung von Kälte

und Warme in den Jahreszeiten selbst der Fall. So wird z. B. plötzlich eintretender Ost- und

Nord-Wind ein gutartiges epidemisches Catarrh-

sieber durch den höheren entzündlichen Charakter bedenklich machen u. s. w. thig,

Wir haben nicht nö­

unß länger bei diesem.Aphorismus aufzu­

halten, da wir schon Gelegenheit gehabt haben,

über diese Erfahrungen ausführlicher zu handeln.

2 Diesen Naturen sagt der Sommer, jenen der

Winter, im Verhältniß zu ihrer Constitution, gut oder schlecht zu.

ES konnte wohl dem Hippokrates fragliche Beobachtung nicht entgehen.

CS machen sie die

gemeinsten Leute

an sich selbst.

Wie oft hört

man nicht sagen: meiner Natur sagt der Winter,

meiner der Sommer zu. —- Solche Beobachtun­

gen, so alltäglich sie auch sind, sind für den Arzt sehr beherzigungswerth, weil sie in Beziehung auf Constitution, Temperament Aufschluß geben. Erfahrung hat gelehrt,

Die

daß die melancholischen

Temperamente sich im Herbste schlecht, dagegen im Frühlinge behaglicher,

daß sich rein sanguinische

im Herbste besser als im Frühling, die phlegmati­

schen im Winter und

Frühling besser

als

im

Sommer und Herbste befinden; ferner, daß den

Menschen mit phthisischer Constitution und Archi­ tektur der Winter eine feindselige,

dagegen der

Sommer eine freundliche Jahreszeit ist; trägen, schlaffen, zu Cachexien geneigten Organismen sagt

der Winter zu, der Herbst ist ihnen zuwider; so­

genannte atrabilarische und gallichte Constitutio­ nen befinden sich dagegen im Winter und Früh­

ling besser, als im Herbste und im Sommer^

Alle diese Beobachtungen sind dem Arzte sehr

bshülflich zum richtigen Entwürfe prophylaktischer Curpläne, und eben so auch bei dem Heilverfah­

ren.

Herrscht z. B. ein rein entzündliches Fieber,

so wird das phlegmatische Temperament ein we­

niger streng

antiphlogistisches

Verfahren -erhei­

schen, als das sanguinische, wenn auch die Epidesmie

mie ihrem Grundcharacter nach rem entzündlich ist.

Die feineren Nüancirungen im Heilverfah­

ren sind freilich die schwersten.

So etwas kann

eigentlich nicht im Buche gelehrt werden. — Die

breitste Rebe macht es nicht deutlich.

Der mit

dem Kunsttalente ausgerüstete Jünger lernt das

am schnellsten an der Hand des ächten Meisters.

Practica est multiplex. Hufe land:

Ueberaus richtig sagt

„Jede wahre Cur muß in jeder

neuen Epidemie, so wie in jedem Individuum, und aus ihr heraus, von neuem erfunden werden."

3.

So stehen auch einige Krankheiten zu dieser oder jener Jahreszeit in einem günstigeren oder

ungünstigern Verhältniß, und nicht minder manche

Lebensalter zu den Jahreszeiten, zum Klima und zu Lebensweisen.

Der aufmerksame Leser wird den Zusammen­ hang dieser Aphorismen nicht übersehen, es wird

ihm nicht entgehen, daß HippokrateS das ganze

Leben in seinen mannigfaltigsten Verhältnissen, in seiner vielseitigen

Beziehung

zur

Innenwelt beobachtete und würdigte.

Aussen - und

Man könnte

diesen Satz mit einer Menge von Beispielen be-

Lwvokr. v. Pitschaft, I. Th.

G

legen. Allen Leiben der Brust ist der Winter unhold, der Sommer zuträglich. Eine stille, ru­ hige, abgemessene, höchst nüchterne Lebensweise nur kann bei Brustleiden, die in Phthisis überzuge­ hen drohen, das Grab entfernt halten. Ja der höchste Pedantismus in der Lebensweise, die strengste Zurückgezogenheit von allen sinnlichen Ergötzlichkeiten ist hier das einzige wahrhafte Prophylacticum, ohne welches auch die außerdem bewährtesten Arzneimittel wenig oder gar nichts fruchten; nicht minder ist das Lebensalter zu be­ rücksichtigen; hat der sogenannte Phthisiker ein­ mal das Jünglingsalter und die erste Hälfte des Manneealters zurückgelegt, so eröffnet sich ihm die Aussicht zu einem längeren und behaglicheren Leben weit zuversichtlicher, versteht sich mit Bei­ behaltung fraglicher Lebensweise. Kann er nun gar den Winter in südlichen Ländern, etwa in Rom, Pisa, Neapel zubringen, so ist er um so mehr geborgen. Ausserdem muß er den Winter durch zu Haus verweilen. Nach James Clarks merkwürdigen Erfahrungen soll weder Nizza noch Hiäres noch eine andere Seestadt des südlichen Frankreich zuträglich sein; ob man gleichwohl bis hierher jährlich eine Menge Kranke aus an­ dern Ländern, besonders aus England dahin schickte. Rom soll ganz vorzüglich sein.

Wir verweisen auf das Werk des Verfassers,

auf die Recension in der Hu fe landschen Biblio­ thek, Maystück 1821; auf Fro r i eps

Notizen

für Natur- und Heilkunde 1. B. S. 41 und auf

Hu^elandS Journal, Aprilstück 1815. S. 115;

wo sich ein interessanter Auszug über die Süd­ lufthäuser für Schwindsüchtige vorfindet;

ferner

auf Hufelands Abhandlung über Ems, dessen

praktische Uebersicht der Heilquellen Teutschlands S. 176., und auf das Maystück 1816. S. 70, von dessen Journal.

Noch mehr Belege zu diesem Satze anzufüh­

ren, würde uns zu weit führen, wir müßten bei­ nahe die ganze Therapie und Makrobiotik abhan­ deln.

daß

Der junge Arzt lasse sich's nur gesagt sein: er

seine

Kunst nicht

im Receptschreiben

suche; die ganze Natur, die ganze physische und psychische Welt ist der Arzneischatz für den den­

kenden Arzt.

Mir sagte einmal ein großer viel­

seitig und tiefgebildcter Arzt *), als ich noch sein Schüler war: ,,Ich kann die Zahl aller Arzney/

körper, die meinem Heilverfahren nöthig gewor­

den sind, auf ein Kartenblatt schreiben." lich er hatte Recht.

Wahr­

Dieser Mann war noch Lber-

dieß ein großer Wundarzt und Geburtshelfer; er

) Es war ver seelige Weidmünrr.

zeigte Mir seinen herrlichen Instrumentenapparat; er sah dem Schüler das Vergnügen über die Schönheit dieser Instrumente, aber auch die Angst, die er wegen der Menge derselben fühlte, an, und sagte zu mir: „Ich habe nur sehr wenige von diesen Sächelchen in meinem Leben gebraucht." So sprach der Mann, der tausende von Operationen mit gekröntem Erfolge verrichtete, zu mir; und ich ging sehr beruhigt nach Hause. In trän dum est in rerum naturam, et penitus quid ea postulat pervidendunv Cicero de finib. V. 16.

4. Wechselt in einzelnen Jahreszeiten an einem Tage bald Hitze bald Kälte, so hat man HerbstKrankheiten zu erwarten. Es ist wohl sehr natürlich: daß, wenn die Jahreszeit einen herbstlichen Charakter hat, es an Krankheiten, wie sie im Herbste vorzukommen pflegen, nicht fehlen wird. Eine Beobachtung, die keinem Arzte entgehen wird.

5.

Die Südwinde bringen schweres Gehör, Dun­ kelheit des Gesichts, Schwere des Kopfs, heit und Schlaffheit hervor.

stehenden Witterungskonstitution Uebel in den Krankheiten vor.

Träg­

Bei dieser in Rede kommen solche

Herrscht der Nord­

wind, so giebt es Husten, Halsweh, Verstopfungen, Harnstrenge, Fieber mit Schauder, Seitenweh und

Brustbeschwerden. Bei diesem Windstande hat man solche Zufälle in Krankheiten zu erwarten.

Dem erfahrenen Arzte wird die Nichtigkeit dieses Erfahrungssatzes sich vielseitig aufgedrun­

gen haben.

Der junge Arzt, der ein genauer und

sorgfältiger Beobachter ist,

wird dieses alsbald

unserm Hippokrates nachbeobachten. Der Einfluß,

den der herrschende Wind auf

Menschen, Thiere und Pflanzen ausübt, waltig.

ist ge­

Wir erinnern junge Aerzte an die ver­

heerende Gewalt des SamielS,

der stoßweise in

den Wüsten Arabiens weht, und einen eigsnthümlichen Geruch mit sich führt.

Dieser Wind er­

streckt sich bis nach Dalmatien und Italien, wo er aber von seiner Gewalt, nachdem er über Meer,

Berge und Klüfte gezogen,

hat.

schon viel eingebüßt

Er trägt allda den Namen Sirocco.

Auch

wollen wir zu dem Ende der Influenza der Jahre

1782 und 1800 gedenken.

Wir können bei dieser

Gelegenheit nicht unterlassen,

bitten,

Hufelands

treffliche

junge Aerzte zu

Abhandlungen:

„die Atmosphäre in ihren Beziehungen

auf den

Organismus" dessen Journal Novemberstück 1310. Juliheft 1820. und „atmosphärische Krankheiten"

Julistück 1Q23, ja nicht ungelesen zu Lassen.

6. Gleicht der Sommer dem Frühjahr, so er­

warte man in den Fiebern häufige Schweiße.

Dieser Aphorismus mag sich nur auf Grie­ chenlands Localbeschaffenheit und auf die climatische Beschaffenheit des Frühlings in diesem Lande

fußen.

Allgemein kann er -wohl nicht angenom­

men werden.

7.

Bei trockener Luft giebt es hitzige Fieber; ist nun die Jahreszeit zum größern Theil so geeigenschaftet, so wird man wohl auch solche Krank­

heiten erwarten dürfen.

ES ist eine bekannte Erfahrung, daß trockene Luft, die sehr reich an Sauerstoffgas ist, wobei fast immer Ostwind weht, die Entstehung der hitzlzen Fieber begünstigt. Eine Luft, welche das Geschäft des Athemholens steigert, die den Kreislauf sehr vermehrt, welche eben dadurch alle Secretionen vermehrt, alen Muskeln, allen Fasern mehr Elasticität und Ton giebt, muß wohl die entzündliche Constitu­ tion bedingen. Trockene heiße Luft bringt acute, feuchte kalte Lust chronische Krankheiten hervor. 6. Wei beständiger Jahreszeit, und wenn die -Witterungen zeitgemäß eintreffen, haben die Krank­ heiten in ihrem Verlaufe ihren Bestand und bre­ chen sich gut. Wei unregelmäßigem Wetterstand ist das nicht der Fall, sie brechen sich schwer.

Dieser Aphorismus stimmt wohl mit der Er­ fahrung aller Menschen überein. Denn wer hatte wohl noch nicht beobachtet, daß beständiger Wech­ sel von Warme und Kalte, von Trockenheit und Feuchtigkeit, von Sonnenlicht und trübem Him­ mel, bald herrschender Ost-, bald herrschender Süd­ wind den nachtheiligsten Einfluß auf die Gesund-

heit Hatz um wie viel mehr muß der kranke Or­ ganismus davon alienirt werden. Vorzüglich ist aber rapider Wechsel der Temperatur dem chierischen Organismus sehr nachtheilig.

9.

Im Herbste sind die Krankheiten am hefticsten und auch am tödtlichsten. Der Frühling ist am gesundesten, und gering ist die Sterblichkeit in dieser Jahreszeit. Dieser Aphorismus läßt sich nicht ganz auf das Continent anwenden. Es mag dieses der Fall bei den Bewohnern der Inseln des ägäischen Meeres gewesen sein. Denn unstreitig ist bei uns die Sterblichkeit im Winter größer, als im Herbste; nach diesem kommt der Herbst, dann der Frühling, was diesen Gegenstand betrifft. Wer die Beschaffenheit dieser Jahreszeiten, namentlich in Teutschland, vor Augen hat, den wird das auch gar nicht befremden. Aus dem nachfolgenden Aphorismus geht deutlich hervor, daß im Ganzen der Herbst in Griechenland eine feindseligere Jah­ reszeit war, als er es bei uns ist.

10.

Den

Schwindsüchtigen

ist

der Herbst

ge­

fährlich.

Der Herbst ist allerdings allen Schwindsüch­

tigen eine feindselige Jahreszeit.

Wir haben schon

weiter oben angeführt, warum diese Jahreszeit die Hautfunction so sehr beeinträchtigt;

ein Um­

stand, der Schwindsüchtigen sehr nachtheilig sein

muß; unter solchen Umständen wird die Ausscheü düng durch die Lungen alkalischer.

Ueberwiegende

Alkaliscenz im thierischen Organismus führt zur Auflösung. Auf dem Continente ist aber unstreitig der

Frühling

den Schwindsüchtigen die feindseligste

Jahreszeit, der Winter ist eS aber nicht weniger. Daß im Winter weniger Schwindsüchtige sterben,

mag wohl seinen Grund darin haben, weil die Leute fein in den Zimmern bleiben.

Wie wech­

selnd die Temperatur in unsern Frühlingstagen ist,-Leigt das so häufige Verunglücken der Blüte

unserer Obstbäume.

Heute lachen uns noch Blü­

ten aller Art an, morgen hat der unheilbringende Boreas alles zernichtet.

Eine Jahreszeit, wo

Wärme oft in Kälte urplötzlich übergeht,

muß

dem Schwindsüchtigen die feindseligste sein; vor-

züglich ist es der trockene Ost- und Nordostwind des Märzes, und der unbeständige April.

An ab

len Sprichwörtern des Volkes ist viel Wahres: „Was der März nicht will, nimmt der April."

Im Frühling ist die Luft reich an Sauerstoff, an

Electricität, die Lichtcntwickelung ist groß. ter Eigenschaften,

Lau­

welche dem Schwindsüchtigen

nicht zusagen, und nur den Lcbensprozeß beschleu­

nigen müssen.

1L Was

nun die Jahreszeiten anbelangt,

so

werden im Sommer, wenn der Winter bei herr­

schender Nordluft trocken, das Frühjahr aber bei

Südluft regnerisch gewesen ist, hitzige Fieber, Augenentzündungen, Rühren, und das am meisten

bei Frauen, und Männern von feuchter Natur, vorkommen.

Solche Satze, welche Hippokrates auch nur im Allgemeinen aufstellt, welche jihre großen Aus­

nahmen leiden, durch Localität, Lebensart modisicirt werden, können im Grunde nicht commen-

tirt werden.

Wir müssen hier doch bemerken, daß Hippo­ krates, wenn er auf Luft, Wasser und Klima zu

sprechen kommt, etwas mehr speculativ, als an­

derswo zu Werke geht, und daß die Dialectik der

Schule des Naturphilosophen Empedokles nicht ganz zu verkennen ist.

2sm besten wird sich der

Leser im Buche von der Lust, maten,

Wasser und Klü

welches sehr viel Schönes enthält, aber

nicht frei von Spekulationen im Gebiete der Phy­

sik und von Theorieen der fraglichen. Schule ist, davon

überzeugen.

Wir

lesen

im

angeführten

Buche dieselbe Stelle: ,,War der Winter trocken

und Ult, der Frühling hingegen feucht und warm, so werden im Sommer Fieber und Augenentzün-

dungen Vorkommen;

vorab, wenn in demselben

plötzlich Hitze eintritt, denn, indem die Erde von

dem feuchten Südwinde des Frühlings noch feucht

ist, so wird die Hitze sich verdoppeln, zum Theil wegen der erhitzten feuchten Erde, zum Theil we­ gen der erhitzenden Sonne selbst.

Dadurch nun

werden Fieber, zumal bei Frauen und Menschen von feuchter Natur, hervorgebracht werden."

Prüfet alles und das Beste behaltet.

12. Wenn der Winter bei herrschendem Südwinde

beständig naß und gelind, der Frühling aber bei herrschendem Nordwinde trocken ist,

so sind

die

Frauen,

welche im Frühling

ihrer Niederkunft

entgegensetzen, auch bei geringfügigen Veranlas­

sungen zum Abortiren geneigt. Kommen sie glück­ lich nieder, so bringen sie schwächliche und kränk­ liche Kinder zur Welt, welche entweder bald ster­ ben, oder elend und kränklich leben.

Andere Leute

bekommen Rühren , und trockene Augenentzündun­ gen, und die Greise Katarrhe, die sie in Kurzem

todten. Wenn

auch

es

keinem

Zweifel unterliegt,

daß der in Rede stehende Witterungsstand nach­ theilig auf die Gesundheit der Menschen wirkt,

daß er zu

den angeführten Leiden disponirt:

gilt doch für diesen Lehrsatz die

wir dem

vorangehenden

so

dieselbe Randglosse, angehängt

haben.

Nach unserm Dafürhalten ist er unstreitig zu apo­ diktisch gegeben.

Die Angabe von dem Abortiren

der Frauen, so wie die Sterblichkeit der Kinder, muß nothwendig eine große Beschränkung erlei­ den.

Daß aber Greise bei solchem Witterungs-

zustande gern an Katarrhen sterben, ist eine be­ kannte Erfahrung;

wir haben weiter oben schon

darüber gesprochen. Ueberhaupt ist es

eine ausgemachte Erfah­

rung: daß auf das Leben nichts nachtheiliger ein­ wirkt, als schneller Wechsel der Temperatur, so-

wohl der Uebergang von der Kälte zur Wärme,

als auch der im umgekehrten Verhältnisse.

Jede

andere auch sonst nachtheilige Witterung bringt

weniger Krankheiten

hervor.

Wir wollen als

Belege nur die Lahre 1816 und 1817 anführen.

WaS aber alles

in dem unendlichen Zeughaus

vorgehen, was Zusammentreffen muß, um dieses oder jenes Miasma zu erzeugen, darüber wissen

wir im Grunde so wenig Zuverlässiges, als über

die Erzeugung manches Contagiums.

Wie ge­

lehrt die Schule nicht AllsS zu deduciren ver­ steht, das haben wir noch unlängst an dem Pro­

duct eines prophetischen Arztes,

dem es nicht

an Kenntnissen, aber auch nicht an Schulwitz ge­ bricht, gesehen.

13. Wenn der Sommer bei herrschendem Nord/

winde trocken,

der Herbst aber bei anhaltendem

Südwind naß ist, so stellen sich im Winter Kopf­

schmerzen, Husten, Heiserkeit, Schnupfen und bei Einigen auch Schwindsucht ein.

14. Wenn der Herbst bei herrschendem Nordwind trocken ist, so bekommt er Männern von feuchter

Natur und Frauen wohl.

Im Uebrigen werden

trockene Augenentzündungen,

hitzige und lang­

wierige Fieber, und hin und wieder auch Melan­

cholie vorkommen.

15. In Ansehung des Wetterstandes deS Jahres ist im Ganzen Trockenheit gesunder als anhal­

tender -Regen,

und die Sterblichkeit in solchem

Jahre geringer.

16. Bei feuchter Witterung kommen die meisten Krankheiten, als langwierige Fieber, Bauchflüsse,

faulichte Krankheiten,

Fallsuchten,

Schlagflüsse

und Bräunen vor: bei trockener aber Schwind­ süchten, Augenentzündungen, Gicht, Harnstrenge

und Rühren.

17. Was nun die täglichen Wetterstände anbelangt: so macht die Nordluft die Körper dicht, kräftig, gewandt, sie verleiht frische Farbe, scharfes Ge­

hör, verursacht Verstopfung, Brennen in den Au­ gen, und vergrößert die etwa vorhandenen Brust,

leiden.

Die Südluft hingegen erschlafft den Kör-

per und feuchtet ihn an; sie stumpft das Gehör ab, verursacht Schwere tm Kopfe und Schwindel vor den Augen, vermindert die Beweglichkeit des Körpers und macht weichleibig. 18.

Was nun die Jahreszeiten anbelangt > so be­ finden sich im Frühling und im beginnenden Som­ mer Kinder und junge Leute am besten, und sind in dieser Jahreszeit am wohlsten; im Sommer und zum Theil im Herbste die Greise; im übri­ gen Theil des Herbstes und im Winter die von einem mittleren Alter. Hippokrates theilt in diesen Aphorismen das allgemeine Resultat seiner Erfahrungen mit, und nachdem er den folgenden Lehrsatz nothwen­ dig eingeschaltet hat, fährt er weiter in eben die­ ser Mittheilung fort. 19.

Krankheiten aller Art stellen sich aber zu je­ der Jahreszeit ein: inzwischen entstehen und ver­ mehren sich einige zu dieser oder jener Jahreszeit.

20. So kommen Lm Frühling Wahnwitz, Schwer-

muth, Fallsuchten, Blutflüsse, Bräunen, Schnup­ fen, Stockflüsse, Aussatz, Husten, Flechten, Haut­

geschwüre, Geschwülste und Gliederschmerzen am

häufigsten vor.

21. Im Sommer zwar auch einige von diesen,

ferner anhaltende Fieber, als hitzige Fieber, die meisten dreitägigen, Erbrechen,

Durchfalle, Au-

genentzündungen, Ohrenweh, Mundgeschwüre, faulichte Geschwüre an

den Geschlechtstheilen

und

Hitzblattern. 22. Sm Herbste kommen auch Scmmerkrankhei-

ten 'vor, überdieß viertägige und unregelmäßige Wechselsieber, Milzsuchten, Wassersüchten, Schwind­ süchten, Harnstrenge, Lienterie, Rühren, Hüftweh,

Bräunen, Asthma, Darmgicht, Fallsuchten, Rase­ rei und Melancholie. 23.

Im Winter endlich Seitenstechen, Lungenent­ zündungen, Schnupfen, Heiserkeit, Husten, Brust-

schmerzen, Seiten - und Hüftweh, Kopfschmerzen,

Schwindel und Schlagflüffe.

Wie schon gesagt, Hippokrates theilt in die­

sen Aphorismen das Resultat vielfältiger Erfah­ rung und Beobachtung, so wie es sich schon im

Allgemeinen

darstellte,

mit.

Daß es hier

Ausnahmen giebt, wird keinem genauen Beobach­ ter entgehen; denn solche Ergebnisse müssen noth­ wendig durch Ortsverschiedenheit, climatische Ver­ hältnisse, nach den Grenzen der Meere, der Flüsse,

Berge, Wälder, durch die ganze Lebensart bedingt

und modificirt werden.

Es wird sich aber der

fleißige, scharfe Beobachter mit den Jahren über­ zeugen, daß Hippokrates im Ganzen sehr rich­

tig beobachtet hat.

Allgemeine Sätze der Art,

wie sie Hippokrates hier aufstellte, sind das Re­ sultat der Vergleichung

lang und vielfältig ge­

machter Beobachtungen.

So wenig Zuverlässiges

wir auch über das Leben der Atmosphäre wissen, so wird nicht leicht Jemand die Herrschaft, welche

sie auf die Thier-

übersehen.

und

Pflanzenwelt

ausübt,

Sehr schön und wahr sagt unser Hu­

feland Journ. 1820. Iuliheft Seite 29: „So

gut wie wir im Wasser, besonders in den Mine­ ralwassern, ein inneres Leben, eine eigene Art der

Verbindung und

Darstellung jener Grundstoffe,

und ein darauf gegründetes eigenes Dasein und Wirken annehmen müssen, woraus allein ihre so mannigfaltigen und eigenthümlichen Wirkungen auf das animalische Leben sich erklären lassen, eben so auch in der Luft. Für und durch dieses Leben können innere geheime Veränderungen in den feinsten Verhältnissen der Atmosphäre mög­ lich werden, welche sich freilich nicht durch die ge­ wöhnlichen physischen und chemischen nicht belebten Prüfungsmittel darstellen lassen, welche aber das feinere Prüfungsmittel, ein anderes Leben der organischen Körper, gar wohl empfindet, und welche ich mir daher schon früher einmal die Frei­ heit genommen habe, als Lebensveränderungen Krankheiten der Atmosphäre zu nennen. Die täg­ liche Erfahrung und die ganze Geschichte der Me­ dicin ist voll von Beweisen darüber. Das ganze Oeheimniß der großen Lehre von der herrschenden Constitution und von dem epidemischen Einflüsse beruht darauf. Hier wird Medicin und medicinische Beob­ achtung ein wesentlicher Theil der Naturkunde, und so wenig der Arzt den Physiker entbehren kann zur Erkenntniß der physisch-chemischen Ei­ genschaften der Atmosphäre, eben so wenig kann der Naturforscher den Arzt entbehren, um diese höhere und gewiß noch wichtigere Seite der At-

mosphäre, ihre organisch-vitalen Beziehungen kennen zu lernen. Beides vereinigt, giebt erst ein vollkommenes Ganzes, eine vollkommene Me­ teorologie oder vielmehr 2Nmosphärologie. Denn das ist der Gegenstand der Untersu­ chung; das, was die Erde umgiebt, jenes geheim­ nißvolle Meer, in dem sich Licht, Wärme, Schall, elektrische und magnetische Kraft unaufhörlich durchkreuzen, und ein wunderbares neues Leben erzeugen, die Wohnung des LebensathemS, noch jetzt des Geistes, der über dem Wasser schwebt, die Werkstatt unaufhörlicher Metamorphosen und neuer Schöpfungen, vom Thautropfen an, bis zum Blitze und Meteorsteine, einer beständigen Wechselwirkung und Circulation zwischen ihr,und dem Erdkörper nebst seinen Bewohnern, des gro­ ßen Kreislaufs zwischen Thier - und Pflanzen­ reich, zwischen Wasser und Erde, eine Fortsetzung der Erde in Dunstgestalt, und der Behälter aller sich von ihr entwickelnden und verflüchtigenden Stoffe, selbst feste Körper und Metalle nicht aus­ genommen, die ihr in tausendfacher Gestalt von djr wiedergegeben werden, und auf sie und ihre Bewohner zurückwirken. — Und dieses Reich glau­ ben wir ergründet zu haben, wenn wir sagen, es besteht aus Sauerstoff, Kohlenstoff und Stick­ stoff? -

Hier nur Einiges, um das Dasein und die Wichtigkeit dieser innern atmosphärischen.Verhält­ nisse und die Nothwendigkeit der Beachtung ihrer einzigen Erkenntniß-Quelle, der Reaction des or­ ganischen Lebens, zu beweisen. Das erste ist die stehende oder stationaire Gesundheitsconstitution. Offenbar ist manche Zeiten hindurch die Le, Lensenergie in einem mehr erhöhten, dann wieder in einem mehr herabgestimmten Zustand, in gan, zen Gegenden und Massen von Menschen, ohne daß wir eine sinnlich wahrnehmbare Ursache in den äußern allgemeinen Eigenschaften weder der Atmosphäre noch anderer Lebensbedr'ngungen ent­ decken können. Selbst 'der Wechsel der JahresZeiten macht keinen Unterschied. Hier scheint das elektrische Verhältniß der Atmosphäre von vor­ züglichem Einfluß zu sein, vielleicht auch das mag­ netische. Zuweilen äußert sich dieser allgemeine Ein­ fluß mehr in der Lscalität, in dem Vorherrschen einzelner Systeme des Organismus. Manche Zei­ ten ist das Blutsystem das vorherrschende und der entzündliche Charakter allgemein, zu andern das gastrische und Gallensystem, und der gastrische und gallichte Charakter allgemein, zu andern daS System der Schleimhäute und der schleimichte

Charakter allgemein,

zu andern das Nervensy­

stem und der nervöse Charakter allgemein, eben

so das Lymphsystem und so ferner. Ja was noch merkwürdiger ist, selbst ganz-

bestimmte einzelne Organe des Körpers können Gegenstände si-rses atmosphärischen Einflusses wer­

den.

Wir sehen zu einer Zeit das Gehirn, zur

andern Zeit die Lungen, zur andern die Leber, zu noch anderer die Haut, zur andern die Halsdrü-

sen (Angina parotidea epidemica), ja zu man­ chen Zeiten die Fingerspitzen (panaritia epide­

mica) allgemein ergreifen.

Noch wichtiger ist die Erscheinung, wenn sich

in der Atmosphäre ganz neue Krankheiten von bestimmter Form und Charakter (wirkliche Epi-

demieen) auebilden, die eine Menge Menschen zu--

gleich befallen, ja selbst neue Miasmen, die sich in und durch die Atmosphäre fortpflanzen, und gleich­ sam eine ansteckende Wirkung auf sie ausüben.

Zuweilen ist es schwer, den ersten Ursprung, sol­

cher Miasmen zu entdecken, ob sie nämlich in der organischen oder atmosphärischen Sphäre sich ent­

wickelt haben.

Aber auch im erstern Fall, wenn

sie offenbar organischen Ursprungs sind, zeigt sich

unS oft ein höchst merkwürdiger atmosphärischer Einfluß in so fern, daß sie zu manchen Zeiten sich

schnell und allgemein verbreiten, zu manchen nicht

16(5 und isoll'rt bleiben, woraus deutlich erhellt, daß

dennoch in der Atmosphäre die geheimen Bedin­ gungen verborgen liegen muffen, wenn auch nicht

ihres

ersten Daseins,

und Fortpflanzung.

doch

ihrer Entwickelung

Die Pocken, Masern, Rö-

theln, Scharlachsieber, geben uns die deutlichsten Beweise.

Sie können zuweilen lange Zeit spora­

disch und selten existiren, und dann plötzlich eine

allgemein herrschende Krankheit werden.

Hier kommen nun wieder zwei höchst merk/ würdige Umstände in Betracht, eines Theils die

Begrenzung, andern Theils die Richtung solcher Miasmen.

giebt

Von der Begrenzung

Fieber den besten Beweis.

und

das gelbe

Das Daseyn dieses

Miasma und seine Reproduction ist offenbar auf eine Gegend beschränkt, die nicht über 3o Meilen vom Seeufer entfernt ist,

und die

den 4östen

Grad der Breite nicht übersteigt.

Von der Richtung und Fortpflanzung, die

ein solches miasmatisches Erzeugniß durch die At­ mosphäre erhalten kann,

gab uns die Influenza

des Jahres 1782 den besten Beweis.

Sie kam

aus Nordwesten, und pflanzte sich immer in der

Richtung nach Westen fort»

Immer bekam sie der

westlich liegende Ort später als der östliche, und

so pflanzte sie sich durch ganz Leutschland bis nach Frankreich und Amerika fort. Es war of< fcnbar eine atmosphärische Epidemie, ein atmo­ sphärisches Miasma. Doch dieses sei für jetzt ge­ nug über diesen wichtigen Gegenstand. Ich wollte nur aufmerksam machen auf die Wichtigkeit der medicinischen Seite der Atmosphärologie, und die Winke meines geehrten Freundes, Herrn Geh. Rath Hermbstäd t, bestätigen. Nur erlaube man mir noch zu bemerken, wie sehr hieraus die Wich­ tigkeit vergleichender Beobachtungen, eb'n so wie über die meteorologischen Veränderungen, also auch über die gleichzeitigen Veränderungen der Gesundheitsconstitution, epidemischer Krankheiten und ihre Richtung erhellt, wohin selbst ähnliche Erscheinungen im Pflanzenreiche, z. E. die soge­ nannten Mehlthaue und andere epidemisch erzeugte Krankheiten der Gewächse, desgleichen die oft so plötzlich und allgemein sich bildende Erzeugung von Insecten, die so viel Analoges mit der Er­ zeugung epidemischer Krankheiten hat, zu rechnen sind, und daß nur dadurch und durch vergleichende Zusammenstellung beider befriedigendere Resultate für das Ganze zu erwarten sind." Ferner sagt er 1823. Juliheft, Beite 39: „ 1. Die Atmosphäre kann, als Disposition, den allgemeinen Krankheitskarakter bestimmen: sie

kann aber auch den Grund oder Lebenskeim einer

bestimmten Krankheit erzeugen und mkttheilen. 2.

Jedes Contagium ist ein solcher Lebens­

keim, ein Same, der seines Gleichen hervorbringen kann.

Z.

Das Contagium

kann

erzeugt werden,

sowohl in der Atmosphäre (atmosphärisches Con­ tagium), als auf der Erde (terrestrisches Contagium), und da sowohl im Todten als im Leben­

digen.

Es kann sich sowohl von der Atmosphäre

der Erde, als von der Erde der Atmosphäre mit­

theilen. 4.

Das atmosphärische Contagium kann ent­

weder atmosphärisch bleiben (einfache Epidemie),

oder sich in den ergriffenen Individuen reproduciren, und dann von Individuum zu Individuum übertragen (contagiöse Epidemie, Contagion). 5.

Das terrestrische Contagium kann eben

so entweder terrestrisch bleiben, das heißt, sich nur von Individuum zu Individuum mittheilen (In-

fection, individuelle Ansteckung), oder es theilt sich auch der Atmosphäre mit, und erzeugt eine con­

tagiöse Epidemie (Contagion).

6.

Dies hängt ab theils von der Luftre-

ceptivität, theils von der Auflöslichkeit und Lust­ verwandtschaft des Contagiums.

Ist es bloß che­

mische Aufnahme oder Auflösung des Contagiums in

in der Atmosphäre, so entsteht contagiöseAtmosphäre nur in der Nähe des Contagiums.

Ist es aber

wirkliche NeproducLion und Fortleben desselben in der Atmosphäre selbst, dann Contagion. 7-

Das atmosphärische Contagium kann die

Atmosphäre selbst anstecken, wodurch allein die alt mosphärisch begrenzten und atmosphärisch verbrei­

teten Krankheiten zu erklären sind.

8-

Einfache Znfection wird also entstehen,

wenn entweder das Eontagium gar nicht in der Luft auflöslich ist oder, wenn es das auch ist, di-e

zu seiner NeproducLion in der Atmosphäre nöthü

gen Bedingungen wenn

das

fehlen.

Contagium

Contagion

hingegen,

entweder atmosparischen

Ursprungs, oder aber, wenn auch terrestrischen Ur­ sprungs, dennoch in der Atmosphäre auflöslich ist,

aber auch dann nur, wenn zugleich die seine Reproduction in der Atmosphäre begünstigende Be-

dingungen vorhanden sind.

£).

Dieses auf das gelbe Fieber angewendet,

ergiebt sich, daß dasselbe eine atmosphärische, zu­ gleich aber auch — obwohl nur unter begünstigen­

den atmosphärischen Verhältnissen — contagiöse Krankheit ist,

daß man es folglich sowohl durch

die Atmosphäre — was

man

gewöhnlich,

aber

fälschlich, nennt „ohne Ansteckung" — als durch den ContacL mit schon angesteckten Körpern erHi-vokr. y. Pirschaft/ I. Th.

*&

halten sann, und daß es folglich in den nördli­ chen Gegenden, jenseits des Soften Grades, zwar wohl 'einzelne Infektion aber keine Contagion er­ zeugen kann, wozu die klimatischen Bedingungen fehlen." 24.

Dem Alter nach stellen sich nun die Krank­ heiten folgender Weise ein. Bei ganz kleinen und neugeborenen Kindern Mundschwamme, Er­ brechen, Husten, Schlaflosigkeit, Zusammenfah­ ren, Entzündung des Nabels und Ausfließen der Ohren. 25. Wei den im Zahnen begriffenen, Jucken und Stechen im Zahnfleisch, Fieber, Zucken, Bauch­ flüsse, vor allem in dem Zeitpunkt, in welchem die Augenzahne sich entwickeln, und wenn die Kinder fett und zu Verstopfungen geneigt sind. So das Schicksal des Menschen. Kaum ist er auf der Erde angekommen, so droht auch schon das schwarze Heer der bösen Dämonen über ihn her zufallen. Die Krankheit wie die Sünde um­ stricken ihn. Die heilige Schrift sagt: „Er wird

:n Sünden geboren. "

Eine füfe dem Verstände

zwar unergründliche Wahrheit!

Leben hindurch sicht ihn

das

aber sein ganzes geistige Auge im

Schweben zwischen Tag und Nacht, zwischen Him­ mel und Erden.

In allen Mythen ist die Rede

vom Abfall des Menschen,

von seiner göttlichen

Natur, vom Sturze der Engel.

Es ist auch ganz

medicinisch genommen wahr: durch die Sünde ist der Tod in die Wett gekommen.

Merken wir

Aerzte uns das recht: nur der Medicophitanthrop

ist der Arzt, der an der Verbesserung des phy­ sisch-psychischen und des psychisch-physischen Ver­

falls des ganzen Geschlechts zu arbeiten vermag. Seien wir eingedenk des tiefgefühlten Spruches des bescheidenen, ich sage des bescheidenen Hippo-

krates: „Göttergleich ist ein weiser Arzt." Hal­ tet es nicht für Schwärmerei, oder vielleicht gar für Frömmelei, wenn ich Euch bemerke, daß Chri­

stus ein Arzt war —daß er der Heiland der Wett

ist: und daß ich zum Schluffe dieser Episode sage: fiat applicatio. —

TertUlliaN sagt: „Bona jam nee nasci licet, ita corrupta sunt semina. “

In der Kin­

derwelt ist die Sterblichkeit am größten.

In die

ersten Entwickelungsperioden des Menschen fallen

eine Menge

Krankheiten.

Ich kann mir nicht

versagen, hier zum Theil zu wiederholen, waS ich H 2

172 schon früher in Hufelands Journal äußerte: Je höher

mehr

die Stufe der

Krankheit,

ist

eine

Animalitat,

desto

bekannte Erfahrung;

je größer die Welt ist,, in der das Individuum

lebt,

mehr Ecncurrcnz

je

Einflüssen.

maler

von

krankmachenden

Je reiner der Naturzustand, je nor­

die Entwickelungsperiode,

weil sie durch

einwirkende Schädlichkeiten von außen nicht ge­

stört wird.

Je mehr das Thier seiner ihm ei­

gentlichen Welt, seiner seinem Organismus ent­ sprechenden Lebensweise entrückt wird, um so mehr Krankheiten ist es unterworfen, denen es in sei­ nem freien ungebundenen Leben nicht unterworfen

ist.

Die Zahl der Krankheiten unserer Pferde ist

sehr groß; aber auch kein Thier wird in seiner ganzen Lebensweise,

sowohl durch Unwissenheit,

als auch durch Rohheit, manchmal auch durch Noth­

wendigkeit, wie z. B. im Kriege, krankt,

als das edle Pferd.

so sehr ge­

Darum fallen auch

schon in ihre Aahnentwickelungsperiode, besonder-

der Augenzähne, mehr Krankheiten, als bei an­

dern Thieren,

und

dioser: Periode

schenkt

der

Pferdekenner besondere Aufmerksamkeit.

Der Mensch, dessen Bestimmung es ist, auch in der Welt der Geister zu leben, konnte dies nur mit Hintansetzung mancher, ja vieler körperlichen

Vortheile, er mußte die Verhältnisse eines mecha-

4 *v*)

1/u

ru'schen, einfältigen Lebens durchbrechen, um jene Höhe zu erreichen auf der er steht. Hat er auf der einen Seite eingebüßt, so hat

er auf der andern unendlich gewonnen.

Gleichgewicht wird dadurch

Und das

um so mehr herge­

stellt, als ihm eben seine Geistescultur auch die Waffen in die Hande giebt, die schädlichen Dämo­

nen, die er sich zum Theil durch das angeeignete Leben hervorgcrufen hat, abzuhalten, und so viel

wie möglich unkräftig zu machen.

Es ist also

natürlich, daß, je weniger Thier, Mensch er ist, um so mehr muß er Krankheiten überhaupt, wie

auch in seinen Entwickelungsperioden unterworfen sein, denn er lebt ja in einer Welt, steht mit ei­

ner Tm Verkehr, dl? eine ganz andere ist, als die

enge Thierwelt, die ganz andere Anforderungen an ihn macht, als diese.

dieses Opfer,

Er bringt auch gern

Wenn man aber überdies noch be­

denkt, daß er die, durch die ihm nun einmal an­ gewiesene und sich durch eignes Streben cmgeeig,

nete Sphäre

nothwendig

geschmälerte physische

Kraft noch dadurch verringert, daß er oft muthwillig ,

wie auch nothgedrungen ein Leben lebt,

welches dieses sein wirkliches Sein gar nicht be­ dingt: so ist es mir sehr natürlich, daß alle seine

Entwickelungsperioden — also auch die der Zähne — mehr gefährdet werden muffen, als in der Thier-

welt, dieses immer in dem steigenden Verhältniß zu den angegebenen Bedingungen. Das Zahngeschäft fallt übrigens bei dem Menschen gerade noch v> eine Periode, wo im Gehirn des Menschen gewiß große Ereignisse vor/ gehen; seine Sinne setzen sich in das Verhältniß zu ihrer Welt. Es übt sich sein Auge, berichtiget durch das Gefühl; es scharst sich sein Ohr, er faßt die Töne auf; und ehe er sprechen lernt, versteht er andere; sein Auge, die Geberden seiner Hand, seine ganz eignen Töne zeigen deutlich, daß sein Inneres spricht, daß die Sprache vor der Loquela da ist, auf einmal lernt er reden. Sein innerer Sprachsinn verhält sich zu den Sprachorganen, wie der Tonsinn zu dem Instru­ ment- die Symphonie muß im Innern aufgenom, men, vernommen sein, ehe sie die Saite wiedergiebt. Welch ein merkwürdiger Zustand! Auf einmal wird ihm die Welt eine anderer denn jezt sangt sie an, sich immer mehr in ihm zu ge­ stalten. Sein Nervenleben beginnt und die Alu ßcnwelt äußert ihre wohlthätigen und nachtheilü gen Einflüsse jetzt erst recht auf ihn. Sollte diese Entwickelung nicht eine weit wichtigere sein, als die der Zähne, die beide Zusammentreffen und Zu­ sammentreffen müssen weil das ganze Leben ein Eausalzirkel ist. Allein sie geht in der Blüte

175 seines Menschenlebens in der WerkstäLte des Den» kens im Gehirn vor.

Die Sprachorgane nehmen

nur in so fern Antheil daran, als sie nun auch zu

anderm Zwecke gebraucht werden,

denn sie sind

vorher schon fertig, eingerichtet zu diesem Zwecke gewesen.

In

diesem

Gesichtpunkte

ist

mir die

Cutwickelungsperiode der Zähne ein wichtiger Ge­ genstand für die Pathologie; allein ich kann mich

durchaus nicht überzeugen,

daß

die Kinder am

Zahngeschäfte als solchem, wohl aber im Zahngeschafte und in dieser wichtigen, oben angeführten Entwickelungsperiode,

welche mit der der Zähne

in eine Zeit fällt, häufiger sterben als zu ande­ rer Zeit.

Das Blühen des Baumes ist für den Baum

eine so natürliche Sache, als das Zahnen für das

Er wird von einem kalten Nebel,

Thier.

von

einem schädlichen Thau in der Blütezeit krank, die

ihn

Eben

so

außer

derselben

nicht

afsicirt

hätten.

ist die Reccptivität des Thieres und

mehr noch die.des Menschen in seinen Entwicke­ lungsperioden eine andere als

zu anderer Zeit.

Wie viele Mädchen erkranken in der Periode der

Pubertät, aber dieselbe ist doch nicht eine Krank­

heit selbst, sondern das was krank macht, stört auch das Geschäft, das in den Serval-Organen

176 vergeht: daß diese Mißstimmung wieder zurück­

wirken kann, versteht sich von selbst. Wenn der Organismus in

einem wichtigen

Geschäfte für seine ihm eigenthümliche Haushal­ tung oder gar in einer weitern Bildung seines Selbst begriffen ist;

wie leicht können ihn dann

Dinge krank machen, die ihm vielleicht ausserdem

nur eine kaum fühlbare,

vorübergehende Unpäß­

lichkeit zugezogen hätten!

Ein Mädchen tanzte

schon drei Jahre vor ihrer Menstruation,

und

das Tanzen that ihr nichts, ob sie sich gleichwohl

nicht schonte und

öfters am Catarrhsieber litt.

Ein Ball fällt in den Moment, wo zum ersten­

mal die Menstruation eintreten will, sie erhitzt sich übermäßig, trotz ihres Eatarrhcs, der ihr bisher nicht geschadet; sie erkaltet sich, die Men­

struation kommt nicht zu Stande, die Circulation des Blutes wird innormal, sie bekommt ein star­ kes Blutspeien und stirbt.

Sie starb doch wie

natürlich, nicht an, sondern in dieser Entwicke­

lungsperiode.

Wie sollte auch an einer Entwi-

ckelungsperiode ein Thier erkranken; wir können ja übrigens gar nicht bestimmen, wann diese an­

gefangen hat! ich möchte sagen, sie fängt gar nicht an, denn im ganzen Leben ist von Anfang bis zu

Ende ein Streben, ein geschlossenes Ganzes zu werden.

Ich muß gestehen, daß mir die Worte: Zahn­

ruhr, Zahneonvulsionen oder gar Zahnausschlag

unverständliche Laute sind.

Ich

sehe

gar nicht

ein, wie der Durchbruch der Zähne, einen soge­ nannten Nervenreitz, der pathologisch zu betrach­

ten wäre, der als solcher ein für diesen zeitlichen Zustand

des

krankmachender Reitz

Organismus

werden dürste, abgeben sollte; als wenn die Na­

tur nicht, gleich einer weisen Hausfrau, alle Vor­

richtungen zu ollem,

was in ihrer Haushaltung

nah oder fern vorgehen muß, getroffen und auf das Ganze berechnet hätte.

sehr gut ein,

Aber das sehe ich

daß der Organismus im Verhält­

niß zu den wichtigeren Abschnitten seines Lebens eine qualitative Receptivität für die Aussenwelt hat, und vermöge dieser zu diesen Zeiten anders

ergriffen wird von Einflüssen, die zu anderer Zeit unbeschadet an ihm vorübergegangcn wären, denn

darin beruhet ja gerade sowohl die absolute als relative Möglichkeit des Krankwerdens. Der Zahnreitz verhalt sich zu diesem. Lebens­

abschnitte, mung

wie z. B. die ganz besondere Stim­

des Nervensystems

bei

der bestimmteren

Geschlechtsentwickelung und Vollendung ihrigen,

beide

bedingen

einander

zu. dem

wechselseitig.

Wie denn auch alles im Leben der großen und

kleinen Welt ein Zirkel und nur eben dadurch ist.

Ich bin von des großen Wichmanns Ansichten

nur mit einer kleinen Modisicirung in Auffassung

der Sache immer noch überzeugt; ich glaube da­

her, daß man in Beziehung auf das Zahngeschäft noch gar zu oft in den Trugschluß verfällt: „Ba-

culus stat in angulo, ergo pluit! “

Wie oft

mag ein Kind an Krankheiten des Gehirns, vieler anderer gar nicht zu gedenken, in dieser merkwür­

digen Entwickelungsperiode, z. B. an jenem spe­

ciellen acuten Nervenleiden, das wir Gehirnwas­ sersucht nennen,, oder an einer Entzündung der Ge­ hirnhäute gestorben sein, das'nun einmal den Zahn-

convulsionen unterliegen, mußte.

Wenn wir nun

gar einen Blick werfen auf die Ereignisse, welche

im ersten Lebensjahr in dem arteriellen System, im Herzen selbst, im Pfortadersystem, in der Leber,

im ganzen Gallensystem vorgehen, und auf die,

welche früher im Intestinum coecum vorgegan« gen sind und in einem oder dem andern Falle noch

nachwirken, worüber uns zwar die Anatomie be­

lehrt,. aber noch nicht so voll,bändig belehrt hat, daß uns der physiologische Theil klar vor Augen

läge-—so. wird es mit der sogenannten Zahnruhr,

bei welcher, oft wirkliche Häute abgehen,

eine

ganz eigene Bewandtniß haben. „Veniet tempus quo posteri nostri tarn

operta nos nescisse niirentur/' sagt SeNeka.

Ein jeder thue was an ihm ist,

auf daß diese

Zeit sich nahe! Daß sich bei zahnenden Kindern

Jucken,

leichte Stiche im Zahnfleisch einstellen,

ist dasselbe Phänomen, welches wir bei Entwicke­

lungen anderer Organe

auch wahrnehmen.

In

einem Organe, das in seinem Wachsthum, in seiner Vollendung, begriffen ist, das sich zu einer neuen

Function, ja zu einem neuen Leben erhebt, wird

sich die Vis vitalis auf alle Weise durch Turgor und erhöhte Sensibilität manifestiren.

Wenn ein

Mädchen zur Jungfrau heranreift, so stellt sich erhöhte Warme, Jucken und- leichte Stiche in den

Brüsten ein, ähnliche Ereignisse kommen in den eigentlichen Geschlechtstheilen vor, es sondert die

Scheide etwas Schleim ab u. s. w.

sehnliche

Erscheinungen stellen sich beim mannbar werden, den Jüngling

ein.

Er bekommt häufigere (Srec,

tionen, mitunter Samenergießungen u. s. w. Bei

dicken vollsaftigen,. zahnenden Kindern bewerkstel­ ligt die Natur einen gelinden Durchfall, wie Hip-

pokrates sehr richtig bemerkt, um bei der erhöh­ ten Plastik des Gefäßsystems,

zunächst der der

Haargefäße, das Ebenmaß in der Saftmasse zu

erhalten, um schädliche Ueberfüllung zu verhüten.

Ueberall erblicken wir die Weisheit der Natur, sie thut überall das Rechte. — Wir erblicken uns

ewig auf Irrwegen,

wenn wir von der Dahn

abweichen, die sie so unverkennbar verzeichnet. —

Wir müssen an sie glauben, ohne sie eigentlich be­ greifen zu können.

Der Naturforscher, der Phi­

losoph, der Theosoph, kommen alle zu demselben Postulat, soll anders Wohlgestaltheit

Denkweise sein.

in

ihrer

Der größte Denker hat, sobald

er auf daö verborgene Erkenntnißvermögen des

Urgeistes von Ewigkeit kommt, unentwickelte Begriffe, und vernehmen,

aber

gleichfalls nur

die sich wohl empfinden nicht beschreiben

lassen.

„Tilgt Gott aus der Brust *), so ist alles, was

über und hinter der Erde liegt,, nur eine wieder­ derselben,"

holende

Vergrößerung

Paul.

Ich habe nirgendwo einen großem, einen

sagt Jean

zurechtweisenderen **) Gedanken ausgesprochen ge>

funden.

Mit wenig Worten ist die Nichtigkeit,

das Unbefriedigende des gewöhnlichen und unge­ wöhnlichen Philosophirens damit herausgehoben.— Vielleicht findet ein oder der andere Leser

meine Raisonnements gerade in diesem Buche nicht schulgerecht.

Nun ich lasse mir's gefallen.

Ich halte mich selbst nicht für einen Gelehrten

von Profession.

Ich schmeichle mir doch hin und

wieder meinen Leser zu finden. —

*) Aus dem All. **) Man erlaube den ungrammatiralischen Comparativ; den ich nicht vermeiden mochte.

26. Der zunehnemendem Alter finden fich Ent­

zündungen der Mandeln,

Einwartsbeugung

der

Halswirbel dicht hinter dem Hinterhauptsbein,

Engbrüstigkeit, SLeinbeschwerden, Spulwürmer, Askariden,

Ohrengeschwülste,

Warzen,

Kröpfe

und andere Geschwülste vor.

Die Richtigkeit aller dieser Angaben in diesen

Lehrsätzen wird die eigne Erfahrung jedem prak­

tischen Arzte bestätigen.

Wir enthalten uns, die

einzelnen Angaben von Krankheiten zu commen-

tiren; denn alles dieses ist in den guten Lehrbü­ chern der Pathologie hinreichend auseinander ge­

setzt.

Lesen wir diese Aphorismen aufmerksam, so

müssen wir erstaunen,

wie richtig ein einzelner

Mann ohne erhebliche Vorarbeiten so ungemein

sorgfältig und richtig beobachtete. Merkwürdig ist eS, daß Hippokrates schon der freiwilligen Erarticularion

der

Halswirbel

gedenkt, offenbar meint er hier die des Atlas mit dem Epistropheus.

Welche, wie Herr Rust in

seiner vortrefflichen Schrift über die Verrenkun­ gen durch innere Bedingungen bemerkt, von den

neuern Aerzten gänzlich übersehen wurde, welche

aber

Galenus,

Aetius und Paul Aegi-

neta schon beschrieben haben.

27, Bei denen, die im Alter noch mehr vorange­ schritten sind, und sich der Mannbarkeit nähern, kommen viele von den vorigen Krankheiten, wie

auch langwierige Fieber und Nasenbluten vor.

28, Die

meisten

Kinderkrankheiten

haben

ihre

Entscheidung, und zwar einige in vierzig Tagen,

andere in sieben Monaten, noch andere in sieben

Jahren und einige halten bis zur Mannbarkeit

an.

DLe> welche bei den Knaben fortoauern und

sich beim Eintritt der Mannbarkeit,, oder bei den Mädchen mit der sich einstellenden Menstruation nicht entscheiden,

pflegen sich in die Länge zu

ziehen. Kein nüchterner Beobachter wird den sieben­ tägigen Typus für eine CHLmere halten.

sich die

acuten Krankheiten

um den

Daß

siebenten,

vierzehnten,, ein und zwanzigsten, und in seltenen Fällen um den acht und zwanzigsten entscheiden,

ist gewiß.

Diesen Typus wird man sogar in chronischen

Krankheiten, besonders wenn Fieber und Conge­

stionen damit verbunden sind, wahrnehmen. Eben so richtig ist es: daß Kinderkrankheiten,

welche

sich nicht nach zurückgelegtcm siebentem

Jahre entscheiden,, gewöhnlich bis zum Mannbar­ werden dauern.

Vorzüglich gilt das vom Grinde,

Scropheln, Krämpfen und nicht minder von epi­ leptischen Zufällen.

Entscheiden sich die Krank­

heiten auch dann nicht,

so werden sie habituell.

Der Zeitpunkt zwischen dem sechsten und siebenten

Jahre ist

ein sehr merkwürdiger Abschnitt im

Menschenleben.

In ihm erwacht das höhere ani­

malische Leben, die Knochen, die Muskeln,

Sehnen bilden sich

mehr aus,

die

der Zahnwechsel

geht vor, die Sinne schärfen sich, die Geistesan­

lagen treten mehr bezeichnet hervor, die Leiden­

schaften erwachen, das Kind fängt an allmählig eine Physiognomonie zu erhalten. anatomischen Untersuchungen

Ist es nach

gleichwohl

keinem

Zweifel unterworfen, daß das Gehirn des Fötus

während den Monaten der Schwangerschaft nach

Graden seine Hauptbildungsstufen durchlauft,

so

findet die vollendete Ausbildung des Gehirns doch

in diesem Zeitpunkte statt. Dieses ist die Meinung von Sömmering, Caruß, Bartels und Emmert.

Die große physische und psychische Metamor­

phose, die mit dem mannbarwerdenden Menschen vorgeht, entgeht keinem denkenden Menschen, es ist

dieser Gegenstand in den guten Werken der Anthro­ pologie, der Physiologie und Pathologie von allen Seiten beleuchtet.

Da in diesem Zeitabschnitt der

Mensch das vollendetere Gepräge des Geschlechts

erhält, da dieses der Zeitpunkt seiner individuel­ len Menschenbildung des

speciellen Menschenty-

pus ist, so ist es wohl sehr einleuchtend,

daß

Krankheiten, die hier noch fortdauern, sich in die

Länge ziehen; sie sind aufs innigste mit der Ar­ chitektur und Constitution verwebt, durch diesel­

ben bedingt. —- Dieser Zeitpunkt ist also für den Arzt ungemein wichtig. lauern,

Man muß sorgfältig auf­

welche Organe die Natur zu ihren Aus­

gleichungspunkten erwählt

hat,

genaue Umsicht

haben, welchen in der Anlage des Organismus verkürzten Organen man zu Hülfe kommen muß

29.

Iünglmge bekommen Blutspeien, Schwind­ sucht, hitzige Fieber, Epilepsien und andere Krank­

heiten, besonders aber die angeführten.

30.

Die, welche über dieses Alter hinaus sind, sind der Engbrüstigkeit,

dem Seitenstiche,

Lun­

genentzündungen, Schlafsüchten, Fieberwahnsinn,

Brennsiebern, langwierigen Durchfällen, der Cho­ lera, Rühren, der Lienterie und Hämorrhoiden unterworfen.

31.

Bei alten Leuten hingegen kommen Engbrü­ stigkeit, Catarrhalhusten, Harnstrenge, Harnbren­

nen, Gliederschmerzen, Nierenentzündung, Schwin­ del, Schlagfluß, Cachexien, Jucken über den gan­

zen Körper, Schlaflosigkeit, Bauchflüsse, Rinnen der Augen und der Nase, Abnahme des Gesichts,

grauer Staar und schweres Gehör vor.

Multa eenem circumyeniunt incommoda. Horat. Wir haben es nicht für nöthig erachtet, diese

reinen Erfahrungssätze, die jeder gute Arzt nach/ beobachten wird, weitläufig zu commentiren. So wichtig diese von Hippokrates gemachten

Erfahrungen sind: so schließen wir doch absicht-

186 lich mit folgender Stelle aus Baglio, die wir

zwar schon einmal angeführt haben:

Natura sui juris est, ac longius latiusque patet quam ut certos ei fines angustosque humani ingenii terminos constituamus, extra quos egredi non possit.

Viertes Buch der

Aphorismen des Hippokrates. Ter varios usus artem cxperientia fecit, Exemplo monstrantc viam», Marc. Manil, I. 61.

Schwangere purgiere man, nämlich, wenn ein Krankheitestoff turgescirr,

vom vierten Monate

bis gegen den siebenten hin; die in letzterm aber schon weniger.

In dem Zustande der Schwan­

gerschaft, wo der Fötus jünger und in dem, wo

er schon älter als ein siebenmonatlicher ist*), mag man sich immer vor dielen Mitteln hüten.

Jeder erfahrene Arzt, jeder gute Beobachter weiß: daß in der Regel dec Abortus zwischen dem

*) Ich mußte den letzten Satz der Deutlichkeit wegen etwas freier üdersetzcn.

188 zten und 4ten Monat vorkommt, und die Früh­ Die Rede

geburten am häufigsten im 7Len Monat.

ist, wie sich von selbst versteht, von Mondsmona­

Man muß- sich in fraglichen Monaten bei

ten.

Schwängern sehr vor Abführungsmitteln in Acht nehmen.

Sind sie durchaus angezeigt, so bewerk­

stellige mau dieses

durch Clystiere^

Getränke und anfeuchtende Diät,

erweichende

dasselbe gilt in

den ersten Monaten nach der Empfängniß, wo ein ganz neues Leben in der Höhle der Gebärmutter

und in ihrer Substanz selbst beginnt.

Man ver.

gesse nicht, daß die Gebärmutter sich noch nicht

frei über das Becken erhoben hat, daß sie in den ersten Monaten noch im Becken ruht.

lich

Bekannt­

hebt sich die größer werdende Gebärmutter

erst im 3Len wieder aus dem Becken.

Man be­

denke aber, daß der Mastbarm ihr nächster Nach­

bar ist; daß eine erhöhte Thätigkeit desselben dies

geheimnißvolle neue Leben des Uterus, an dem er

unmittelbar anliegt, alienieren muß.

Mit einem

Worte, die Erfahrung hat den Nachtheil des Ge­ brauchs der Laxirmittel in diesem Zeitpunkt ge­

zeigt.

Ich weiß wohl, daß es auch sehr oft schein­

bar unbeschadet abgeht.

Die drastischen Mittel,

die schlechte Dirnen brauchen, geben dazu Belege. Ueberhaupt must man Schwangere nicht mit eigentlichen

Abführungsmitteln

behandeln.

Es

giebt deren viele, bi-c an beständiger Verstopfung leiden, welche ebenfalls Mißfälle erzeugt und den

Gebäract

sehr

beeinträchtigt,

das

Wochenbett

stört und die in vielen Monaten angehäufre Sa-

burra giebt den Stoff zu den gastrischen, gallich­

ten und Kindbetterinnenstebern ab.

Diesen Zu­

stand hebt der Arzt durch den Gebrauch von Extracten aus Löwenzahn, Triticum repens, Och­

sengalle, ganz kleinen Gaben Ipecacuanha, schick­ liche Diät und Getränke und durch mäßig ange-

wendete Bewegung.

Morgens eine Stunde nach

dem Frühstück ein Glas Selterser oder ein ähn­ liches Waffer mit etwas Tartarus tartarisatus

mit etwas Zucker thut die herrlichsten Dienste.

Nur

aber keine

eigentlichen Abführungsmittel,

nach deren Wirkung

die Verstopfung nur ver­

mehrt wird.

Was nun den Gebrauch der Abführungsmit-

tel betrifft, so leere man nur das aus, was mit Nutzen

abgeht,

es

wenn

(durch die Naturkraft) verhindere rungen.

aber

die

von

freien

Stücken

ausgeleert wird.

Man

nicht zuträglichen Auslee­

rau Eine Wiederholung früherer Lehrsätze. berall die Natur als Lehrmeisterin,

Ue-

Immer nur

dem Geiste der Natur conform.

3.

Wenn das ausgeleert wird, was ausgeleert werden soll, so b-kommt es gut und die Kran­

ken ertragen es leicht: das Gegentheil aber übel.

Dieser Lehrsatz

ersten Buches.

erinnert an den

aten des

Wiewohl dort eigentlich mehr von

den freiwilligen Ausleerungen, welche der sorgfäl­ tige Beobachter aber als Norm für sein Heilver/ fahren nehmen muß, hier aber zunächst von den künstlichen die Rede ist.

Aber beide führen zu

denselben Reflexionen.

4. Im Sommer mag man mehr nach oben, im

Winter mehr nach unten aloes, aconiti, mit tar-

tanis tartarisatus,

mit terra fol. tartari und

kleinen Gaben Ipecacuanha oben ansteht.

Unter

diesen Mitteln wird der anhaltende Gebrauch des Brunnen zu Marienbad, zu Karlsbad, zu Pfef­

fers, zu Kanstatt einen ausgezeichneten Rang btHäupten. Junge Aerzte werden über diesen Ge­

genstand in Hufeland's vorzüglichsten Heilquel­ len Teutschlands die herrlichsten praktischen Vor­

schriften finden.

Hippokrates erklärt

es für ein sehr böses

Zeichen, wenn auch andere übele Farben an die­

sen Abgängen wahrgenommen werden, wenn sie lauchgrün, bläulich, grau, schmutzigschillernd u. s.

w. sind.

Damit stimmt die Erfahrung aller er­

fahrenen Aerzte überein. ♦) Wiewohl der Verf., was die Begriffe von Entzün­ dung betrifft, ein Ultra ist! Seine Eintheilnng in die verschiedenen Entzündungen ist sehr vag und willkührllch.

Besser ist es, sagt HippokrateS, wenn diese Abgänge durch Arzneimittel abgetrieben werden.

Nun das ist sehr einfach;

nämlich wird das Lei­

den zur rechten Zeit erkannt, gehön'g behandelt, und dieselben erfolgen, so ist eS ein Zeichen, daß

die Vis medicatri^ der Natur nach zur rechten Zeit von der Heilkunst angesprochen wurde.

Ist

einmal ein bedeutender cachectischer Zustand aus diesen atrabilarischen Leiden hervorgegangen,

so

endet fast immer das Leben beim Eintritt fragli­

cher Abgänge, und nicht selten treten auch noch Hämorrhoiden zwar zu augenblicklicher Erleichte­

rung des Kranken,

der aber bald sein Auge für

diese Welt schließt, ein.

22.

Wenn mit dem Beginnen

einer Krankheit

schwarze Galle nach oben oder unten abgeht, so

ist's tödtlich.

Wenn beim Ausbruche einer Krankheit, be­ vor die Kochung statt gefunden

hat,

schwarze

Galle ausgeleert wird; so ist das ein Zeichen ei­

ner höchst verdorbenen Beschaffenheit des BlutcS, es deutet auf große Anomalie in den Functionen

der Leber und Milz,

und auf eine überwiegende

Kohlenbildung

im venösen

Blute,

wovon

der

Heerd namentlich im Pfortadersystem ist; es ist ein

damit

allgemein

cachectischer

Zustand

ver­

bunden. 23.

Die durch acute oder chronische Krankheiten, durch Wunden, oder auf irgend eine andere Art

wenn

abgemergelten Kranken sterben,

schwarze

Galle oder etwas, schwarzem Blute ähnliches von ihnen geht, den folgenden Tag darauf.

Man vergleiche hiermit den 2istcn Aphoris­

mus und den Commentar dazu.

Es ist sehr ein­

leuchtend, daß dieses den höchsten Grad organi­

scher Zerstörung und Zersetzung des Blutes an­ zeigt.

Dieser Aphorismus ist

fahrung belehrt:

hat.

daß er seine

volle Richtigkeit

ES wird Interesse gewahren, daS 8te Ca­

pitel des sten BucheS Aphorismen

21.

22.

des

CelsuS

die Zeichen

welche entweder Hoffnung

anzeigen.

mit

23. zu vergleichen.

fraglichen Capitel werden

delt,

in prognostischer Mich hat die Er­

Beziehung sehr merkwürdig.

den Im

abgehan-

oder Gefahr

24. Die Ruhr, wenn sie von schwarzer Galle ih­ ren Ursprung nimmt, ist tödtlich.

Dieser Satz hängt mit den vorhergehenden zu­

sammen. Man übersehe hier nicht r daß die Ruhr eine entzündliche Affection des Pfortader- und hypo­

gastrischen Systems ist, sie ist in den meisten Fäl­ len ein Rheumatismus der arteriellen Gefäße die­

ses Systems, welche an den Endpunkten desselben in dem Haargefaßsystcm

die vermehrte Lymph-

Schleim - und im höheren Grade Blutauösouderung zur Folge hat.

Sie hat,

was diesen Caulalnexus

betrifft,

große Aehnltchkeit mit den Mulimi^a Ilaemur-

rlioidnnu

Die Sache ist wahrlich nicht abge­

than, wenn man die Ruhr als Catanhus iates-

tinorum,

der sich vorzüglich im untern Theile

derselben manifcstire, schlechtweg bezeichnet.

Möge

der hier gegebene Wmk nicht übersehen werden. 25.

Wird Blut, habe,

welche Beschaffenheit eS auch

nach oben aukgeleert, so ist es böse, und

gut, wenn es unterwärts abgeht.

Wenn man die vorhergehenden Aphorismen im Auge hat, und daß man von jeher unter Aus

leerungen nach oben die durch den Mund,

und

unter Ausleerungen nach unten die durch den Af­ ter verstand,

daß hier von

so ist es wohl klar,

den fraglichen die Rede ist, und daß Hippokrates wahrscheinlich nicht das gemeinhin unschuldige

Nasenbluten darunter gezählt haben wird.

Bluthusten ist immer ein bedenklicher Um­

stand, er geht von Verletzung des Venen - oder

arteriellen Systems

der Lungen

aus.

Bedeu,

tende Verletzungen der Gefäße eines nie ruhenden Organs, das immer im Eontact mit der Lebens­

lust ist, heilen schwer,

gehen leicht in Eiterung

über, und^ bilden, wenn sie heilen,

adhäsive

Entzündungen

an

nachtheilige

benachbarten

Thei­

Doch sehen und bewundern wir auch hier

len.

nicht selten die Allmacht der Natur. Blutbrechen wird durch Ergießungen aus der

Vena

coeliaca

zunächst aus ihren Milz- und

Magenzweigen bedingt.

Es setzt immer bedeu­

tende Zerrüttung in der Milz,

Pfortadersystem voraus.

der Leber,

im

In seltenen Fällen geht

es auch von den Zweigen der Arteiia coeliaca

aus.

Die Ausleerungen durch den untern Theil

des Darmkanals zeigen nun ebenfalls auf diese

Leiden; die Rede ist hier von der Melaena. Wenn

sie

aber durch den Magen geschehen,

daß

dies,

derselbe

in

bedeutende

so zeigt

Mitleiden­

schaft gezogen ist; derselbe ist aber ein weit ed­

leres Organ, kanals.

als

der untere Theil des Darm­

Die Erfahrung hat gelehrt, daß Stag­

nationen im Denensystem des Unterleibs um so gefährlicher sind, als sie mehr nach oben sich bil­

den, und die ediern Organe in ihrer Integrität beeinträchtigen. Wie oft die Natur Hämorrhoiden veranstal­

tet, um diesen Stagnationen in

edlern Einge­

weiden abzuhelfen, ist eine bekannte Sache.

Die­

selben können eben so gut primär als secundär

sein»

Daraus ersieht man schon, wie gefährlich

es ist, die Hämorrhoiden äußerlich mit kalten und adstringirenden Fomentationen zu behandeln.

Den­

selben Fehler sieht man nicht feken beim Nasen­

bluten junger vollblütiger Leute (um so gefährli­

cher, wenn sie eine Constitutio und Archivec. tura phthisica haben) begehen.

26. Wenn Ruhrkranke fleischartige Gebilde oder

schwarze Abgänge ausleeren, so ist's tödtlich.

Es setzt dieses voraus, daß der Entzündungs­ zustand der Gedärme

einen hohen Grad erreicht

hatte, oder der Kranke vorher an Jnfarcten, an Verhärtung, Vergrößerung der Milz und Leber,

an bedeutenden Stagnationen im Pfortadersystem gelitten hatte.

Es ist wohl sehr einleuchtend, daß

bei einer solchen

krankhaften Beschaffenheit

deS

die immerhin eine bedeu­

Unterleibs die Ruhr,

tende Krankheit ist, um so mehr, wenn die Epi­

demie sich zu dem typhösen Charakter hinneigt, leicht tödtlich wird.

Doch hat man auch einzelne

Fälle, wo das Leben trotz dieses Ereignisses noch gerettet wurde.

mieen,

Die Ruhr gehört zu den Epide-

die manchmal sehr bösartig sind,

oft sehr mannigfaltig complicirt.

sie ist

Alle Fieber,

wo solche Afterbildungen organischer Massen vor

sich gehen, sind gefährlich. gung befriedigend zu leichtes Problem sein.

schon über

Die Art ihrer Erzeu­

erklären,

wird wohl kein

Wir haben

weiter oben

solchen Gegenstand gesprochen,

auf mehrere Schriften hingewiesen.

und

Wir wollen

hier mehrere Alten anführen, welche dieses Um­

stands bei der Ruhr gedenken.

Caelius Au-

relianus Lib. 4. Morb. chronic. c. 6. Alex­

ander von Tralles Lib. 8. c. F, wo aber

mehr von der dabei stattsindenden Vereiterung der Gedärme

die Rede ist.

Man vergleiche damit

Arefaeus Lib. 2. c. g. Lib. i. c. iZ. Ac­ tins Serm. g. c. 4r. Serapion Tract. ter-

lins de ulceribus intestinorum seu de dysen-

teria c. 26. Rhazes Lib. 9. c. 72. Avicen-

na Canon. I. III. Fen. XVI. und viele andere Stellen in denselben.

Die bessern Ausgaben ha­

ben alle ausführliche Register.

Man findet noch

in mehreren Alten diese Ruhrarten erwähnt.

27, Diejenigen, welchen während den Fiebern vier

Blut, woher es auch sei, abgeht, bekommen wäh­ rend der Genesung flüssige Stuhlgänge.

Bedeutender Abgang von Blut

vermindert

die Muskelkraft, bringt Contractilitätsschwäche

hervor, das Material, was namentlich den Orga­

nen das verleiht, was wir Ton nennen, wird vorzüglich durch Blutverlust eben so, wie durch zu

häufige Samenergießungen, sehr geschmälert.

Re-

laration der Muskulatur de§ Darmkanals dispo-

nirt zu Durchfällen.

SWit der Abnahme des Blu­

tes wird auch die thierische Wärme vermindert; gebricht diese Wärme dem VerdauungsproceH, so

wird kein zur Plastik geeigneter EhyluS gebil­ det , er geht als solcher wieder ckb; die Saure

prädominier in diesem organischen FermentationSproze-, eS mangelt der sattsame Zutritt der Galle,

sie wird in zu geringem Maße abgesondert; dün­ nes flüssiges Blut giebt dem Pfortadersystem nicht

den nothwendigen Kohlen- und Stickstoff ab. —

Uebrigens leidet dieser Lehrsatz auch seine Aus­ nahme.

Er ist unserm Dafürhalten nach doch et­

was zu allgemein, zu unbedingt gesetzt.

Wir wollen aber hier noch erinnern, daß zu großer Blutverlust die Krisis stört, verzögert, sie

sehr häufig in Lysis verwandelt, welche sich dann nicht selten in Ausleerungen mancherlei Art,

als

vermehrte Speichelabsonderung, Durchfälle, ver,

mehrte Urinabsonderung u. s. w.

erkennen giebt.

Eine beherzigungswerthe Wahrheit in unsern blut­

dürstigen Zeiten. —

28.

Bei denen, welche an gallichten Bauchflüffen leiden, hören sie auf, wenn sich Taubheit einstellt; und mit dem Entstehen gallichter Bauchflüffe hört

die vorangegangene Taubheit auf.

HippokrateS

Auge war der mächtige Rap­

port, welcher zwischen dem Gallensystem und dem

Gehörorgan statt hat, nicht entgangen.

fig Gehörleiden mit

Leberleiden

Wie häu­

vergesellschaftet

find, wie in solchen Fällen bei vermehrten gallich-

ten Stuhlgängen sich das Gehör verbessert, das Sausen abnimmt, bei eintretender Verstopfung aber die Taubheit wieder zunimmt,

kannte Sache.

ist eine be­

Bei gallichten Fiebern verschwin­

det mit dem Eintritt der kritischen Ausleerungen das Ohrenklingen und die Stumpfheit dieses Sin­

nes alsbald.

Wir kennen bei habituellen Leber­

leiden, womit Verminderung des Gehörs verbun­

den ist, die wohlthätige Wirkung.der Aloe.

erinnern hier

an den Aufsatz

W5r

in Hufelands

Journal, 1822. Febr. S. 66., empfehlen aber vor­ züglich jungem Aerzten den schönen Aufsatz über

Schwerhörigkeit von Hufe land selbst verfaßt I. 182T. December, S. 92. Ich erlaube mir, die­

sen Eommentar mit dem, was ich Huf. Iourn.

.18^4. Novemberheft S. 106 sagte, zu schließen. „Ich habe schon mehrmals beobachtet, und gewiß

theile ich diese Beobachtung mit vielen Aerzten, daß anhaltendes Ohrensausen sehr oft mit Sto­ ckungen im Pfortadersystem und Schwerhörigkeit,

mit Atonie, Verhärtung und Infarkten der Leber zusammenhängt.

Aloetische Mittel, denen ich häu­

fig kleine Gaben Balsam, peruv. zusetze, in klei­

nen Gaben anhaltend gebraucht, womit nach Um­ standen auch Aderläße verbunden sind, nützen hier

viel.

In dieser Beziehung sind die Beobachtun­

gen, die Hr. Krimer über das Wechselverhält«

niß der Leber zum Gehörorgan

mittheilt,

sehr

merkwürdig (S. dessen physiologische Untersuchn« gen 1820.).

Ja L Jakobson will sogar ein

neues Nervenganglion im Ohre, welches vom fünf­ ten Paare, dem Nervus glossopharyngeus und bem Sympathicus maximus gebildet wird, ge, funden haben.

In fünf von Hrn. Krimer an­

geführten Fallen traf Leiden des Gehörs mit Feh, lern der Leber zusammen.

Der Verfasser macht

hier auf den herumschweifenden Nerven, dessen

Ursprung beinahe mit dem des Gehörnerven zu« sammensüllt, Dnd dessen Bauchtheil die Leber größ-

tentheils versieht, aufmerksam.

Für diese Mei­

nung sprechen dem Verfasser noch

folgende Um­

stände: Daß bei Irren, deren Gehörsinn in Sin­

nestäuschungen befangen ist,

sehr oft Fehler der

Leber vorkommen, und bei Gallenkrankheiten sel­

ten Sausen und Klingen der Ohren fehlen.

Daß

eben so umgekehrt Leiden des Gehörorgans Ver­ stimmungen des Vagus nicht selten bedingen.

Der

Verf. hält dafür: daß Taube aus diesem Grunde so leicht mißtrauisch und ärgerlich gestimmt seyen.

Er hat nach Petit beobachtet: daß Durchschnei«

düng des Vaguspaars die Thiere um das Gehör bringe.

Ja, noch eine höchst wichtige Beobach­

tung will der Verf. gemacht haben: daß Hunde

«nd Kaninchen nach weggenommevemKopfe, wenn

nur

nur tie Verblutung verhindert, und für Fortse­ tzung des Athmens eine Zeitlang gesorgt wird, durch einen in ihrer Nähe angebrachten Schall gleichsam erschrocken zusammenfahren. Hier wird vielleicht Manchem das Hören mit der Regio epigastrica bei dem freiwilligen und durch Magne­ tismus veranlaßten Somnambulismus einfallen. Eine Stelle aus Platons Limäos, wo der­ selbe schon des Wechselverhaltnisses der Leber zum Gehörorgan gedenkt/ regte den Verf. zu diesen Versuchen an. Ich schmeichle mir, daß solche Zu­ sammenstellungen nicht von dem Leser als bloß sehr willkührliche Zusammenstellungen, wie diese meine Arbeiten ein Recensent zu benennen beliebt, angesehen werden dürften. Hier dürste man vielleicht nicht übersehen, daß das Ohr mehr die Pforte für die Genüsse des Gemüths, das Auge mehr die für die des Geistes abaicbt. — ES ist etwas ganz anderes um eine schöne Musik, als um den Anblick eines herrlichen Kunstgegenstandes. Der Genuß der Freude in beiden Fallen ist qualitativ verschie­ den. Auch in therapeutischer Beziehung, wann die Musik als Arzneimittel anzkrwenden sey, beherzigungswerth."

Ltppokr. v. Pttscdafr, I. ta.

K

29.

Wenn in Fiebern am sechsten Tage sich Starr­ frost einstellt, so entscheiden sich die Fieber schwer.

In den hitzigen Fiebern ttnb namentlich in

den Entzündungen ist der Zeitraum zwischen dem 6ten und yten Lage der, wo sich die Natur zur

Krisis anschickt. Metastase

Eintretender Frost

oder einen

zeigt eine

Metaschematismus

an.

Das Caput mortuum wird also nicht ausgeschie-

den.

Der Fermentationsproceß beginnt aufs neue.

Die Krisis wird Lysis.

Wir wissen, wie schwer

sich Fieber entscheiden, wo keine regelmäßige Ko­ chung statt hat.

Fehlerhafte Behandlung, ver­

wegene Afterkunsteingriffe, sowohl zu weit getrie­ benes antiphlogistisches als reitzendeö Verfahren

bringen dieses Ereigniß sehr häufig hervor.

Die­

ses um so leichter, wenn irgend ein Organ im

Organismus für Las jeweilige in den Fiebern ob­

waltende Krankheitsprincip

eine besondere

Em­

pfänglichkeit hat. —

30. Wenn der Paroxysmus den folgenden Tag in derselben Stunde, wo er den Lag vorher nach-

219 gelassen hat, wiederkommt, so brechen sich die

Krankheiten schwer.

Eine Erfahrung, die durch die Beobachtung

aller Aerzte bestätigt ist.

Jeder Paroxysmus

kann so zu sagen als ein neues für sich bestehen­

des Fieber betrachtet werden.

Man kann das,

sit venia verbo, als eine Recidive im Fieber selbst ansehen.

ES zeigt dies deutlich und offen­

bar auf ein tief eingedrungenes Krankheitsprin-

cip, die Vis naturae medicatrix fühlt sich zu außerordentlichen, gewaltigen Anstrengungen auf­

gefordert.

nach

Mir Lst's gleichviel, ob das Einer

den Grundsätzen

der Humoratpathologen

oder der Dynamiker am herrlichsten darzustellen vermag.

Zch muß ehrlich bekennen, daß ich bei

Erklärungen *ber Art immer in der Einfalt mei­

nes Geistes in einen Zirkel gerathe.

leicht zu überreden.

Ich bin nicht

Ich habe auch nicht das Ta­

lent mich selbst zu überreden.

Gerade meine ewige

Skepsis hat mich gelehrt, wqs ich nothwendig setzen, ja was ich glauben — muß.

Mir ist'S

dennoch in mancher Beziehung, nämlich wenn^s an die technische Anwendung kommt, einerlei, wie die Leute das Gesetzte zu nennen belieben. — Was

-:ft Kraft, was ist Materie,

wo ist Anfang und

K 1

Ende?

Welches Schauspiel zwischen diesen beiden

Punkten,

die der

hülfbedürftige

sich

Verstand

nothwendig aufstellt! — „Wo faß' ich dich un­

endliche

Natur?"

Uebermüthige

spitzfindige Dialektik,

fein

Spekulation,

geglättete Scholastik

kann keiner in meinen Schriften lernen.

„Und sehe, daß wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen."

Göthe. Ich tröste mich mit dem Gedanken, und er­

fülle damit auch meine Pflicht, daß ich mich als ein kleines

Pünktlein

des

großen

Naturgeistes

nothwendig auch ansehe und ansehen muß; und so

schaffe ich denn auch in aller Demuth, so gut'S meine Kräfte gestatten, und so viel als eben gött­

liches in meinem, Willen ist, am sausenden Web­ stuhl der Zeit, und helfe wirken der Gottheit le­

bendiges Kleid. Wenn Jemanden solche Reflexionen in solchem Luche,

ich muß cS nochmals wiederholen,

nicht

anstehen, der lege es eben ohne Groll aus den Händen *).

Man muß das ja bei so manchem

Buche.

♦) ES Hegt nun einmal in meiner psychischen Natnr, daß ich eine Sache nicht lange ifclirt betrachten kann — ich kann dem Einzelnen gar keine Seite abge,

31. Diejenigen, welche während dem Fieber gro­ ßes Mattigkeitsgefühl haben, erleiden leicht Ver­ setzungen auf die Glieder und die Kinnbacken.

DaS Gefühl von Verschlagenheit und großer Abgespannthnt geht in den Gliedern und Theilen vorher," worin die Natur die Vorbereitung zur Absceßbildung einleitet. Daher sagt van Smie­ ten in seinen Commentariis in Herrmaiini Boerliaav e Aphorismos T. II. §. 75g. pag. 451. Quan do homines post nimios motus et inprimis non consuctos, toto corpore dolent, ac si contusi fuissent, et simul prae nixnia defatigatione languent, summa lassitudo adesse dicitur. Ubi autem in febribus similis molestiae sensus adest, notat, rapidissimo motu Humores agitari, vel etiam inflammatoria densitate immeabilem redditum sanguincm difliculter - per ultimas arteriarum angustias transire uti in Commentariis §. 754* dictum fuit. Verum ex ante dictis patet, tawinnen — toehn ich eS nicht alSbald zu Allem >ux rückführe. Das ist nun einmal die Bahn meiner Syl, logistik. Es ist mir gar nicht möglich anders -11 Werke gehen.

lia in febre ardente obtinere, und« et Hip­ po crates summam lassitudinem inter febris ardentis symptomata numeravit, quam ooieoxoäof vocavit, quando ad ossa usque corpus quasi conquassatum dolet. Ubi ergo talis molestae lassitudinis sensus in febre ardente est jam ab inilio, et diu perstat, novimus, inflammatoriam sanguinis spissitudinem adesse z quae diu perseveran», et per morbum aucta quotidie, postea difsieillime resolvi poterit, sed, si aegri ab bis morbis evaserint, mutatio illius spissi in pus, ejusdemque metastasis ad varia corporis loca exspectanda sunt. Ob hanc causam forte dixit Hippocrates: Lassitudine per febres laborantibus ad ar tr­ eulos ac maxime circa maxillas abscessus oriuntur. Patebit autem postea §. 741 in febribus ardenübus neu raro parotidei nasci. 32.

SDujenigen, welche nach irgend einer erstan­ denen Krankheit an irgend einem Theile ihres Leibes von Schmerzes heimgesucht werden, be­ kommen daselbst Zlbscesse. Solche Schmerzen zeigen, daß der Krank­ heitsstoff nicht ganz aus dem Körper getilgt ist,

und er sich eine Stelle noch zum Aufenthalt er­ wählt hat.

Zn solchen Fällen bilden

sich nun

Doch dünkt uns dieser

nicht selten Versetzungen.

Satz zu apodictisch ausgesprochen, wenn wir streng

den BegriffAbsceß damit verbinden wollen.

Neh­

men wir aber das Wort Versetzung in der wei­

tern Bedeutung des Worts, so ist das allerdings wichtig.

Nämlich der Krankheitsstoff hat sich auf

diese Theile geworfen,

und kann in mancherlei

siguriren,

Krankheitsform

Arthritis, Flechten,

z. B. als Rheuma,

Phlegmatia und auch als

wirklicher Absceffus, 33.

Wenn aber auch schon vor der Krankheit ein

Theil des Körpers gelitten hatte,

so wirft sich

die Krankheit leicht dahin. Ein sehr

einfacher Satz, den man täglich

beobachten kann.

Deswegen wird der Arzt bei

Krankheiten den geschwächten Organen immer vor­ zügliches Augenmerk schenken.

34.

Wenn einen Fieberkranken, ohne daß er eine Geschwulst im Halse hat, plötzlich eine Erstickung

befällt, so Lst's tödtlich.

Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß die­ ses ein sehr böses Zeichen ist.- Es kann dieser

Zustand von verschiedenen Ursachen bedingt wer­ den.

Von organischen Difformitäten und Fehlern

des Herzens, seiner großen und kleinen Gefäße,

der Lungen, von plötzlicher Lähmung der Nerven, der Respirationsorgane.

Hippokrates spricht hier

nicht von hypochondrischen und hysterischen Reängstigungen.

Wir müssen aber doch bekennen,

daß dieser Lehrsatz etwas zu allgemein und zu unbedingt gegeben ist.

hitzigen Fiebern

Sind

gleichwohl

solche Zufälle

sehr

in

bedenklich und

Gefahr verkündend, so wird doch nicht selten durch

einen zeitig angewandten Aderlaß bei Plethora, durch ein großes Blasenpflaster auf die Brust,

durch den Gebrauch der Arnika, der Flores Ben­ zoes in Verbindung

Kranke gerettet.

mit Campher u. s. w. der

So wirkt die Aqua Lauroce-

rasi in der Angina pectoris, wenn die Kranken von einem heftigen Fieber ergriffen sind, nicht sel­

ten als ein wahrhaft göttliches Mittel.

Wenn einem Fieberkranken der Hals seit­

wärts verzogen wird und er kaum schlucken kann,

ohne daß fine Geschwulst vorhanden ist, so ist'S rödtlich.

Diese Zufälle

von

gehören

und

Tetanus

Welche Art von

unter

die Categorie

Hydrophobia

ein

Zufällen

spontanea.

Höchsts ergriffenes

Nervensystem anzeigen; welche von verschiedenen

Ursachen herrühren können.

Wir müssen hier an

die Lehre von Tetanus erinnern, der rein entzünd­

lich, nervös entzündlich, peracut wie sudacut vor­ kommen kann; zündung

des

dem gar nicht selten eine Ent­

Rückenmarks

Diese Zufälle können

zum

auch

Grunde liegt.

von einer Luxatio

spontanea der Halswirbel herrühren,

der aber

immer schleichende Entzündung dieser Knochen vor­ ausgeht.

Hippokrates hat aber hier schwerlich

dieselbe im Auge gehabt.

Auch hier müssen wir

bemerken, daß diese Zufälle, so gefährlich sie im­

merhin sind,

nicht immer

den Tod zur Folge

haben. 36. Heilsam sind die Schweiße der Fieberkranken,

wenn sie sich den dritten, den fünften, den sieben­

ten, den neunten, den eilften, den vierzehnten, den siebzehnten, den ein und zwanzigsten,

sieben und zwanzigsten,

den ein

dreißigsten Tag' einstellen:

brechen die Krankheit. ders

ereignen,

den

und vier und

denn diese

Schweiße

Die aber, welche sich an­

verkündigen entweder den

Tod

oder Schmerzen,

Langwierigkeit der Krankheit

oder auch Rückfalle.

Wir sehen überall, wie genau HippokrateS die kritischen Tage beobachtete, wie viel er auf

dieselben hielt.

Wer mit jenem Fleiße, mit die­

ser beharrlichen Auf- und Umsicht am Kranken­

bett, wie er, beobachtet, der wird sich überzeugen,

daß er Recht hat.

Uebrigens zeigt die anderwei­

tige Qualität der Schweiße, so wie die anderen coincidirenden Symptome, von denen er ebenfalls

spricht, die critische heilverkündende Natur dersel­ ben unverkennbar an.

Vorzüglich muß der Arzt,

um daü Aufschlußgebende der Schweiße recht wahr­ nehmen zu können, sorgfältig die critischen Er­

scheinungen des Urins damit Zusammenhalten und vergleichen.

37.

Kalte Schweiße verkündigen in einem sehr hitzigen Fieber den Tod, in einem gelindern aber eine langwierige Krankheit.

Entstehen in einem Fieber, das peracut verlief, plötzlich kalte Schweiße,, so zeigt das deut­

lich

eine

ganz gesunkene Lebenskraft,

eine ge-

hemmte Entwickelung der thierischen Warme an. Der Fermentationsproceß hat den raschesten Gang

gehalten,

es ist Gangräna, Ultraanimalisation,

schlechtweg gesagt Fäulniß eingetreten.

Es kann

nun dieser Zustand von dem Tode eines zum Le­

ben wesentlichen Organs, z. D. von Gangräna der Lungen, oder mehrerer Systeme zugleich oder

auch von vollkommener Zersetzung des Blutes aus­ gehen.

Im Blute ist das Leben, und Wärme ist

das unumgängliche Attribut des Lebens ; fehlt, ist der Tod.

wo sie

Kalte klebrichte Schweiße in

gelinderen Fiebern, die zu. den schleichenden Fie-

bern gehören, die mit sehr niederer Temperatur beginnen und verlaufen, verkünden einen langwie­

rigen Gang der Krankheit, eS entstehen leicht hectische Fieber.

Sie rühren nicht selten von wirkli­

cher Armuth

an Lebenskraft und

her.

Ledenswärme

Am meisten hängen sie aber mit hypochon­

drischen, hysterischen Beschwerden, mit Unreinig­ keiten in

den ersten Wegen und

Saburra zusammen.

atrabilarischer

Diese mit krankhaft gestei­

gerter Sensibilität des Solarsystems vergesellschaf­ teten Unterleibsbeschwerden sind immer mit ver­

minderter Hautthätigkeit gepaart.

Eben darum

wirkt auch das Muzelsche Mittet,

eine Verbin­

dung des Tartarus solubilis mit Tartarus emeticus, in fraglichen Leiden so wohlthätig, weil eö

den beiden Indikationen

sehr' entspricht. —

so

Wir verweisen hier auf das,

was wir zu dem

dieses Buches

vierten Aphorismus

sagten.

dieser Beziehung wird der junge Arzt in

In von

Wedekind' s Aufsätzen über verschiedene wich­ tige Gegenstände

der Arzneiwissenschaft

S. 29.

und in Lentin's Beiträgen zur ausübenden Arz­ neiwissenschaft

I. Theil,

S. 248.

interessante

Winke finden.

23. Der Theil des Körpers, wo der Schweiß hervorbricht, zeigt den Sitz der Krankheit an.

Wo der Ausbruch des Schweißes ist, da ist die Stelle, welche vorzüglich in Mitleidenschaft

gezogen ist, und wo sich häufig der Krankheltsstoss ablagert.

Gicht,

Wir sehen das bei der chronischen

bei Rheumatalgien,

bei der Migraine,

welche letztere den folgenden Tag nach ihrer Ent­

stehung gegen Abend nach vollendeter Verdauung mit

dem

Stirne,

Ausbruche

namentlich

eines

Schweißes

eines Schweißes

auf der auf einer

Seite des Gesichts, welcher sich dann allmählig über die übrigen Theile deS Körpers verbreitet,

aufzuhören pflegt.

Rheumatismus des Magens,

zurückgehaltene Ausdünstungsmaterie,

welche so

ist in unendlich

häufig Saureerzeugung bedingt,

vielen Fällen die Ursache dieser Migraine.

39.

An dem Theile des Körpers, wo sich Hitze oder Kalte äußert, ist der Sitz der Krankheit.

Muß in derselben Beziehung,

wie der vor­

hergehende Aphorismus, verstanden werden.

Er

leidet aber große Ausnahme, und ist zu apodic-

ausgesprochen.

tisch

Bei schlechter

Verdauung

entsteht Hitze im Kopf und Gesichte, bei Stockun­ gen im Unterleib kommen kalte Füße und bren­

nende Hände im hectischen Fieber vor, kalte ge­ sellen sich zur Gangräne des Unterleibs, die soge­

nannten Kirchhofrosen auf den Wangen bei der

Lungensucht sind bekannt genug u. s. w.

Hippo-

krates scheint vorzüglich die topischen Entzündun­ gen im Auge gehabt zu haben.

40. ES

wenn

zeigt

die

eine

langwierige

Abwechselungen sich

Körper ereignen,

Krankheit drocephalica

der Tempera-

turwechsel, so wie das bald Roth - bald Dlaßwerden, ein Hauptzeichen der Diagnostik.

4L Häufiger Schweiß im Schlaf ohne offenbare Ursache zeigt an, daß der Körper zu viel Nah-

rung erhalte: trägt sich dieses aber bei einem Kranken, der nicht speist, zu, so zeigt dieses an, daß er einer Ausleerung bedarf. Eine überaus richtige Beobachtung von Hippokrates. Eine zu reichliche Ernährung vermehrt die Absonderungen im Haargefäßsystem, es wird dem Blut zu viel Material zugeführt, mehr als zur Restauration der abgehenden Partikeln nöthig ist, die Natur entledigt sich des Ueberflusses ver­ mittelst der aushauchenden und aussondernden Organe. Wir haben schon oben gesagt, daß diese hier angegebenen Acte am leichtesten im Schlafe vor sich gehen. Wenn Jemand im Schlafe viel schwitzt ohne äußere Veranlassung, und er über­ haupt kränkelt, so kann man sicher auf Saburra und atrabilarische Unreinigkeiten schließen. Der Rapport, in dem das Malpighische Netz mit dem Verdauungökanal steht, ist bekannt. Bei Hypo/ chondristen hebt sich die krankhafte Reizbarkeit, die überaus große Sensibilität der Nerven des Unterleibs, welche so oft periodisch bei ihnen vor­ kommt, gewöhnlich mit vermehrter Hautausdün­ stung. Diese Ausdünstung ist ein wahrer Entla­ dungsact des Krankheitsstoffs, der als schädlicher Reitz auf das Solarsystem wirkt. Mir ist gleich­ viel, ob das einer nach dem System der Humo-

ralpathologen oder nach dem der Dynamiker er­

klären y)ill.

So ist's.

Genug, der feindselige

Dämon, der im Unterleib spukt, ist Saburra und atrabilarische Unreinigkeit.

Soll der Kranke ge­

nesen, so muß er ausgetrieöen werden.

Thut der

Verdauungskanal seine Schuldigkeit nicht,

geht

die Scheidung des Unbrauchbaren im Verdauungs-

kanal nicht vor sich, so werden verdorbene und fremdartige Stoffe in die zweiten Wege ausge­ nommen, es wird durch das Hautorqan und die

Nieren ausgestoßen.

gehen

vom

Wie viele Hautkrankheiten

verstimmten

Unterleib

aus.

Die

Schlacke wirft sich auf die Haut, und bildet man­

cherlei Afterorganisationen auf derselben.

Geden­

ken wir nur der Flechten, das NeffelauZschlages, kleiner

Hautgcschwüre

in

hunderterlei Formen

und Gestalten (die ein Gallier allzu gelehrt in

Gattungen, Arten und Spielarten

einzutheilen

verstanden hat; für mich, ich sage nur, für mich,

haben solche Gelehrtheiten gar keinen Werth), der

Rose u. s. w., welche immer mit Leberleiden, Ver­ dauungsbeschwerden, mit Saburra und mit Wurm, stoss zusammenhangen. —Wir verweisen auch hier

auf das, was wir Ne. 4. und 37. in diesem Buche gesagt haben.

42.

Ein häufiger bald warmer bald kalter bestän­ dig triefender Schweiß zeigt Krankheit an, der kalte eine bedeutendere, der warme eine leichtere.

Dieser Aphorismus hängt mit dem vorher­ gehenden zusammen. Er ist schon durch die Be­ merkungen bei dem vorhergehenden gehörig commentirt. 43.

Fieber, die am dritten Tage nicht Nachlassen und sich an demselben verstärken, sind schon ge­ fährlicher: treten aber fieberfreie Zwischenräume irgend einer Art ein, so ist das ein sehr beruhi­ gendes Zeichen.

Es ist wohl sehr einleuchtend, daß Fieber, welche nicht nachlassen (nicht selten bemerkt man dieses am dritten Tage *)), ja sogar sich an die­ sem Tage verstärken, anzeigen, daß ihnen ein Krankheitöstoff zu Grunde liegt, der gewaltig *) Hipp, sagt Aph. 24. r. V. Don sieben Tagen ist der vierte der anzeigende. Zeigt sich an demselben einiger Nachlaß, so isi's ein günstiges Zeichen.

ins Leben eingreift,

sonst hätte er nicht eine so

heftige Effervescenz zur Folge: fieberfreie Zwi­ schenzeiten verkündigen aber ein gutartiges, mil­

des Fieber.

Die Natur äußert weniger außeror­

dentliche Anstrengung, denn der Feind, den sie zu

bekämpfen hat, ist weniger stark und bösartig.

44. Gei denjenigen, welche an langwierigen Fie­ bern leiden, entstehen Absceffe und Schmerzen an

den Gelenken.

Wo wenig Thatkraft von Seiten der Natur statt hat,

erscheint die Krisis immer mehr oder

weniger als Lysis.

Es entstehen Metastasen, das

rückständige Caput mortuum

muß

auf andere

Weise ausgeschieden werden, es geschah nicht voll­

kommen durch die Fieberbewegungen, woraus her/ v-rgrht, daß es um die Integrität der Aussonde­ rungsorgane nicht sehr erfreulich aussieht z

oder

daß die Bösartigkeit des Krankheitsstoffes' sie zu allgewaltiger Reaktion aufforderte,

und sie sich

dabei so abgemüht haben, daß sie längerer Zeit bedürfen, um wieder zum normalen Lebensverhält­

niß zurückzukommen.

Füllen

Es bleibt aber in solchen

noch Krankheitsstoff zurück,

die

Natur

wirft ihn auf die äußern Theile,

dann Schmerzen verursacht. sches,

in welchen er

— Ein tumultuari-

sowohl reitzendes als zu weit getriebenes

antiphlogistisches Verfahren, vorab wenn dieses in

den Zeitpunkt der Kochung fällt, hat solche Er­

eignisse

nur zu häufig zur Folge.

Man schlage

hier den 20. Aph. des ersten Buches nach.

Die­

ses pflegt nun auch durch Ueberfüllung mit Nah­ rungsmitteln zu geschehen,

diese Beobachtung ist

unserm Hippokrateö nicht entgangen; daher sagt er:

45.

Die,

welche nach langwierigen Fiebern Abs-

cesse oder Schmerzen an den Gelenken bekommen, nehmen zu reichliche Nahrungsmittel zu sich.

Junge Aerzte mögen das fein merken,

auf

daß sie ja nicht während der Kochung oder bei

dem Bruche der Krankheit,

wo der Absatz ge­

schieht, der vermeinten Schwäche des Kranken mit

kräftigen Brühen, concentrirten Suppen oder gar

mit altem Weine zu Hülfe eilen.

Ein Fehler,

in welchen leider noch viele Aerzte und überaus oft die gar zu geschäftigen Hausmütterchen aus lauter Herzenßgüte

verfallen.

So etwas kann

wirklich den übrigens ganz gut angelegten Heil-

Man sieht also, wie nothwendig

plan vereiteln.

der Arzr alleö im Auge haben müsse.

im

ersten Buche schon

über

Wir haben

diesen Gegenstand

gesprochen.

Stultum Consilium non modo efEectu caret, Sed ad pemiciem quoque mortales devocat* Pliaedrus Lib. I. Fabul. 20. 46. Wenn

einem

in

anhaltenden

Fieber

einen

schon erschöpften Kranken Starrfrost befällt, so ist's tödtlich.

Cs zeigt dieses,

daß die Bemühungen der

Natur, die Krise zu bewerkstelligen, fruchtlos wa­ ren, daß entweder die beste Kunsthulfe die Na­

tur

zu

Ende

dem

zu

veranlassen,

nicht

im

Stande war, oder daß ihr Zuwiderhandelnde Af­

terkunst die Sache verdarb;

sonach das Fieber

mit neuer Heftigkeit beginnt; oder daß Versetzun­

gen nach edlen Organen sich ereignet haben, und

Vereiterungen, wo dann der Starrfrost in gro^ steln, das langer noch fortwährt, übergeht, oder

gar Gangräna, frost

bleibt,

wo es denn nur bei dem Starr­

begonnen haben.

Solche Scenen

endigen, es giebt kaum eine Ausnahme, nvZ dem Tode.

47. Bleifarbige, blutige, übelriechende, gallichte Außwürfe sind in anhaltenden Fiebern alle bös;

gehen sie aber gut und in Ordnung ab, so ist das heilsam:

verhält eS

so

sich auch mit den

Darmausleerungen und mit dem Harn.

Wenn

aber auf diesen Wegen nichts, was erleichtert,

ausgeworfen wird, so ist das bös.

Ze mehr die Auswürfe und Excremente von

ihrer Farbe, Beschaffenheit und ihrem Gerüche, die sie im gesunden Zustande des Organismus ha­

ben, abweichen, um so mehr muß wohl daS Or­ gan, das sie ab - und aussondert, krankhaft affi-

cirt sein.

Das ist wohl alles so einleuchtend, daß

wir nicht lange Zusätze machen wollen,

um so

mehr als diese Sachkenntniß dem Einzelnen nach in den besondern Krankheiten dem Arzte bekannt sein muß.

48. W?rrn

in

anhaltenden Fiebern die

äußern

Theile kalt sind, der Kranke aber in den innern

Hitze und brennenden Durst fühlt, Gefahr drohend.

so ist diefts

Dieser Zustand zeigt,

daß die Eirculation

des Blutes unregelmäßig vor sich geht,

daß es

sich in den Gefäßen der innern Organe anhäust, daß es von seiner normalen Mischung abgewichen ist, daß eine Zersetzung, ein rascher EombustionS-

proceß in ihm vorgegangen ist, daß Ultraanimalisation, schlechtweg Fäulniß sich in den Säften

entspinnt.

geht immer

Diesem hohen Grade von Verderbniß

brennende Hitze

Durst im Innern vorher.

und unersättlicher

Der höchste Grad des

Typhus, so wie die Pest, sind dazu Belege.

49.

Wenn in anhaltenden Fiebern

die Lippen,

das Auge, die Nase verdreht (verzerrt) sind, wenn

der schon matte Kranke das Gesicht, das Gehör verliert, wenn sich überhaupt Dinge der Art ein­ stellen, so verkündet das den nahen Tod.

Wenn die Harmonie der edelsten Theile all-

mählig zerfließt, wenn das Ebenmaß der daß Ge­ sicht, den Reflex der Psyche, constituirenden Theile

den Gesetzen der

sogenannten todten Natur

anheim fällt, so zeigt das deutlich, daß der ge^ heimnrßvolle

Zirkel

dynamisch - materieller und

materiell-dynamischer Potenzen,

der Inbegriff

dieser unerklärbaren Formation, durch die dieses

zeitliche

Seyn

in

eigenthümlicher

individueller

Haltung vermittelt wird, auseinander weicht, je/

ner Zustand, den wir im Gegensatze Tod nennen,

nahe ist *). — Daß diese Zeichen sehr richtig an­

gegeben sind, wird auch der oberflächlichsten Beob­ achtung nicht entgehen.

50, Wenn in anhaltenden Fiebern beschwerliches Athmen mit Delirium eintritt,

so Lst's ein tddt-

licheS Zeichen.

ES giebt sehr viele Fieber, wo Delirien ein­ treten, die darum nicht tödtlich sind, eben das gilt

vom beschwerlichen Athmen; aber wenn sehr er­ schwertes Athmen mit Delirium eintritt, so ist

dieses wirklich eines der gefahrdrohendsten Zei­ chen.

Die Kranken pflegen gewöhnlich zu sterben.

Ich habe immer bemerkt,

daß eS ein Delirium

•) „Wie arm, wie reich, wie g-ring, wie yerrlich, wie künstlich zusammengewebt ist der Mensch! Und wie weit ist derjenige über alle Verwunderung erha« den, der ihn so machte, der in unserm Wesen solche fremde und ferne Grenzen in einem Mittelpunkte ver­ einigte !" Voung'S Nachtgedanken i. D.

tacitiirnum ist, mit welchem sich denn dieses er­ schwerte Athmen zugleich einstellt.

ES ist nicht

selten der letzte Act von Lungenentzündungen, die

in Brand oder Lähmung übergehen; sehr häufig

trifft man auch diesen Zustand

bei Apoplexia

Sanguinea und nervosa an^ wenn sie Menschen,

die noch im kräftigen Alter sind, befällt.

51.

Absätze in Fiebern, wenn sie sich in den er­ sten Zeiträumen des Bruches der Krankheit nicht

lösen, zeigen Langwierigkeit der Krankheit an.

Wenn diese Absätze an den Entscheidungsta­ gen nicht zur Solution oder zu gutartiger Eite­ rung gelangen, so ist dieses wohl ein Zeichen von

sehr gehemmter und alienirter Thatkraft der Na­ tur,

und eS ist denn wohl ein langsamer Gang

der Krankheit zu erwarten.

irgendwo

abgelagerte

Wird aber daS schon

Caput mortuum wieder

aufgesogen; oder kommt eS vielleicht in einem ed­ leren Organe wieder zu Tage,

so

beginnt die

Krankheit auf'S Neue, wohl auch in anderer Form. Man hat eS dann in den meisten Fällen mit infidiofen und hartnäckigen Uebeln zu thun.

52 Wenn in Fiebern oder andern Krankheiten die Kranken mit Wissen Thränen vergießen, so hat das nichts auf sich.

Ereignet sich dieses aber

ohne Bewußtsein und so zu sagen ohne Willkühr des Kranken, so ist's gefährlicher.

Das erste

beobachtet man

sehr häufig bei

Hypochondrien, hysterischen Weibern,

bei sehr

reitzbaren Subjecten, bei sehr weichen Gemüthern;

dieses zeigt nun gar keine Gefahr an, im Gegen­

theil ist eine ihnen sonst ungewöhnliche Gleichgül­

tigkeit ein schlimmes Zeichen.

Eben so ist ein sich

einstellendes Weinen mit Empfindung

bei sonst

starkmuthigen Menschen in schweren Krankheiten ein sehr gutes Zeichen.

Ein gewaltiger Aufruhr,

ein brausender Sturm im Physischen wie im Psy­

chischen läßt keine Thränen zu, sie stellen sich erst ein, wenn die lodernde Gluth zu verlöschen be­

ginnt.

Man kann Thränen mit einem wahren

Entladungsakt vergleichen. gen, die

Das Herz will sprin­

beklimmene Brust will dem eisernen

Drucke unterliegen; es Ließen Thränen und siehe

da, schon erblickt die hoffende Seele hinter grauem

Nebel die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, die wieder einen freundlichen Tag verspricht. — Hippokr. v. Pitschaft, I. LH.

b

DaS Vermögen zu weinen ist ein merkwürdiges

Vorrecht der menschlichen Natur.

die größten Helden,

Die Welt hat

einen Alexander,

einen

Scipio, einen Friedrich, einen Adolph wei­ nen sehen.

Virgil läßt seinen Aeneaö Thrä­

nen vergießen.

Sic fatur lacrymans classique

immittit habenas, et tandem Euboicis Cuma* rum allabitur oris.

Lib. 6.

Das Thränen der Augen ohne Bewußtsein, was eigentlich kein Weinen ist,

nur ein Auge thränt,

besonders wenn

wobei zugleich die Augen

trüb, schmutzig, klebricht, erstorben sind, ist ein

sehr schlimmes Zeichen.

53.

Die Fieber nehmen an Heftigkeiten,

wenn

sich Kleber an die Zähne ansetzt.

2emehr die Absonderungen von dem Zustande in gesunden Tagen abweichen, je dichter, zäher sie werden, um so mehr deutet das auf Heftigkeit der Fieberbewegungen.

Dieser Zustand findet sich

mehr oder weniger fast in allen Fiebern vor.

Je-

mehr er hervorsticht, um so mehr sind die Ver­

dauungsorgane ergriffen.

Dazu gesellen sich die

bekannten Zeichen der belegten Zunge, Den schwär-

zen Kleber, der aussieht als wäre er ein Coagu-

lum von verdorbenem, schwarzem Blute,

Wir im Typhus

Und in

der Febris

finden

continua

putrida, den gelbbraunen in gallichten Fiebern,

den schleimichten in gastrischen und in Schleimfie­ bern;

den blutartigen bei Milzleiden, einen Kle­

ber, der die Zähne wie man zu sagen pflegt, gleich Säuren stumpf macht,

Lei Säureerzeugung im

Magen, und nicht selten bei gichtischen Leiden. 54.

Diejenigen, welche in hitzigen Fiebern an ei­ nem trockenen Husten, der mit einem schwachen

Reitze verbunden ist, leiden, find nicht sehr durstig. Ich muß bekennen, daß ich so etwas nie be­

obachtet, auch diese Beobachtung nirgendswo sonst

gefunden habe.

Aufrichtig gesagt, ich weiß nicht,

was ich so eigentlich aus diesem Aphorismus ma­

chen soll, weil in der Regel das Gegentheil be­ obachtet wird.

Mag sich vielleicht dieser Satz auf

eine Beobachtung eiyer so geeigenschafteten Crpu

demie fußen. — 55.

Fieber mit entzündeten Beulen sind insge­

sammt bös, ausgenommen die eintägigen.

r 2

Wenn die Natur solche Krise veranstaltet, so

zeigt das immer auf ein sehr Lnsicirtes Blut, das Krankheitsmaterial hat die Saftmasse so durch, drungen, es hat sich das aufgenommene Conta-

gium so stark reproducr'rt,

daß es auf den ge­

wöhnlichen Wegen der Secretionsorgane aus dem Körper nicht kann geschafft werden.

Belege hierzu

geben die pestartigen Krankheiten,

die Lyphus-

epidemieen mit Antrax und Bubonen.

Merkwür­

dig ist es, daß in der Pest nur die genesen, de­

ren Bubonen in Eiterung übergehen;

und für

uns interessant, daß Celsus rathet, man soll die

Pestbeulen gleich brennen, wodurch also Eiterung

erzeugt wird. D. 5.

Man sehe das interessante C. 28.

sehnliches bemerken wir bei der Paroti­

tis in einigen Lyphuseprdemieen.

Die Parotitis

und andere leichte Drüsenentzündungen,

gewöhnlich

einen rheumatischen,

oder auch erysipelatosen Charakter haben,

men in sehr

welche

katarrhalischen

kom­

vielen Fällen als Ephemera vor.

Solche leichte Entzündungen sind gewöhnlich nicht gefährlich,

56.

Bricht bei einem Fieberkranken Schweiß aus, und das Fieber läßt nicht nach, so ist's bös: es

245 iityt sich die Krankheit in die Länge,

und ver­

räth Ueberfluß an Feuchtigkeit.

Dieses zeigt auf sehr beeinträchtigte Natur,

fräste, dieselben vermögen nicht den Krankheits­

stoff durch kritische Bewegungen aus dem Körper zu schaffen, entweder weil der Krankheitsstoff zu tief seiner Qualität oder Quantität nach in den

Organismus eingegriffen hat,

oder weil es um

die Wohlgestaltheit und Beschaffenheit der zu dem Ende thätigen Organe nicht zum besten steht, —

das Conamen naturae ist da, sie kann aber die

Absicht nicht erreichen. Daß durch diese Zustände sich die Krankheit in die Länge ziehen muß, ist wohl sehr einleuchtend. Hippokrates sagt: eS verräth Ueberfluß an Feuchtigkeit. Da, wo die

Vis plastica im organischen Leben vermißt wird, da muß rrwhl die Saftmasse und vorab das Blut,

woraus die Säfte abgesondert werden, worin das Leben zunächst besteht, aufgelös't, seine Bestand­

theile müssen zur Zerrinnung, zum Auseinander­

weichen geneigt sein. — Allen Absonderungen ge­ bricht es am Gepräge des Organischen. —

57. Kommt ein Fieber zu Convulsionen und zu

dem Starrkrampf hinzu, so hebt es die Krankheit.

Man sieht wohl hier sogleich: daß dieser Lehrsatz zu allgemein hingeworfen ist, daß er sich die größte Einschränkung muß gefallen lassen. Das Fieber selbst muß freilich, als die von der Natur veranstaltete Abhülfe, als das von ihr eingeleitete Geschäft das Fremdartige, Feindselige aus dem Organismus zu entfernen, angesehen werden. — Aber es folgt nicht immer Friede nach dieser Revolution, sondern sehr oft gänzliche Auflösung, Tod. Diesem Satze gereicht auch eine pathologische Jncorrectheit zum Dorwurf: denn der Te­ tanus selbst gehört zur Gattung Fieber. — 58. Ein zu einem hitzigen Fieber Hinzukommen­ oer Starrfrost'hebt dasselbe. Aufrichtig gesagt: diesen Satz müssen wir fallen lassen, wir wissen nichts anzuführen, was ihn auch nur zum Theil aufrecht erhalten dürfte. Unsere eigene, wie die angeeignete Erfahrung will nicht zu seinen Gunsten wissen. — 59.

Das ächte dreitägige Fieber entscheidet sich auf's längste in sieben Umläufen.

Ob sich dieses

bei einem ächten sich selbst

überlassenen, nicht kunstwidrig behandelten dreitä­ gigen Fieber so ergebe,

stellt sein

lassen.

das müssen wir dahinge­

Wir haben

gehabt, so etwas zu beobachten.

nie Gelegenheit Daß aber die

siebentägigen Umläufe sowohl in langdauernden

Fiebern, als auch selbst in chronischen Krankheiten,

die Zeitabschnitte sind,

in welche die Genesung

fallt, finden wir unserer sorgfältigen Beobachtung ganz conform. Die langwierigen kalten Fieber suchen ihren Grund nur zu häufig in unrichtiger Anwendung

der Fieberrinde, und zwar gewöhnlich in ihrer zu

starken Anwendung.

Wir machen junge Aerzte

auf das aufmerksam, was über den Gebrauch klei­ ner Gaben der China in Wechselsiebern Thues-

finf in feinen

und Nasse darüber,

erschienenen Wäarnemlngem

nach ihm Hufeland's

Iourn. i8i4, Zannerheft S. 78. sagt.

Cul,

len, Home, Selle, Sydenham, Hahne­

mann, Mursinna, Friedrich Hoffmann haben dieselbe Ansicht.

Letzterer sagt sehr wahr:

nNec enim sunt intermittentium sanationes jam temporis difficiles invento usu chinae,

modo quis rite procedat cum ipsa in applicatione.

Tenendae autem circa ejus exhibi-

tionem sequentes sunt regulae:

1) ut pa-

lato consulatur, optime sumitur in forma pilulari, ei nempe cum mucilagine tragacanthi ex iolo pulvere fiant pilulae. s) Longe eHicacior ejus effectus percipitur in substantia, quam in essentiis, decoctis et elixiriis. 3) Offerri debet saepius repetita, parca tarnen dosi, et numquam ante paroxysmum vel in ipso paroxyemo, sed semper diebus intermissionis, incipiendo etatim post febrilis paroxysmi declinadonem» 4) Numquam china danda est, nisi prius detersis purgante primis viis, soluta pletliora, obetructionibus expeditis et transpiratione liberiori. 5) In exliibitione chinae alous non movenda, nulla sudorifera calida, purgantia, vomitoria, turbantia, vel in usu vel post ejus usum exbibontra, alias raCÜlime febris recidiyat/* Lr» merken wollen wir noch: daß zur Heilung der Febris intermittens apoplectica die Verbin­ dung des Opiums mit der China unumgänglich nothwendig ist. Welche Verbindung auch in ha­ bituell gewordenen Welchselsiebern, wenn alle Sa, burra entfernt ist, das zuverlaßigste Heilmittel ist. Daß wir an dem Chinum suJphuricum nun ein sehr herrliches Mittel haben, ist wohl hinreichend bekannt. Auch wollen wir jungen Aerzten noch bemerken, daß die Wechselsieber oft

mit rheumatischer Verwickelung vorkommen;

in

denselben zeigt sich die Verbindung kleiner Gaben Brechweinstein mit der China ungemein wirksam.

Haben sich schon sogenannte Fieberkuchen, Obstructionen in der Milz und Leber gebildet, so steht die Verbindung mit der Aqua laurocerasi oben an.

60. Die, welche in Fiebern Taubheit befällt, be­

freit entweder Nasenbluten oder Durchfall

von

ihrer Krankheit.

Diese Taubheit steht fast immer mit gallichtgastrischer Unreinigkeit und mit Anhäufung von

Blut in dem Pfortadersystem und den Gefäßen der Milz in Verbindung*)

Solche Leiden verur­

sachen immer Congestionen nach dem Kopf,

und

verursachen namentlich Ohrensausen und Taubheit;

welcher Zustand durch Nasenbluten und Durchfall gehoben wird.

Habituelles Nasenbluten kommt,

wie bekannt, sehr häufig bei Stagnationen der Denen des Unterleibs vor. In gallichten, gastri­

schen Fiebern, wie in der Febris continens pu♦) Die chronische Taubheit har bekanntlich sehr häufig einen katarrhalisch, rheumatischen Characrrr.

trlda, im Typhus ist Taubheit nichts seltnes. Auch gehört sie unter die häufigen Nachkrankheiten des Scharlachs. Das Scharlachsieber ist ein consensuell-gastrisches entzündliches Fieber. Der Rap­ port, im welchem das Gehörorgan mit dem gan­ zen Lebersystem steht, ist überhaupt sehr merk­ würdig. Man vergleiche Aphorism. 23. und den Commentar. 61.

Das Fieber pflegt gern wieder zu kommen, wenn es sich nicht an einem kritischen Tage ent­ schieden hat.

Wir wissen, wie viel HippokrateS auf dik kritischen Tage der bekannten Zahl nach hält. Er hält dieses für ein wahres Urgesetz im Naturleben. Lch bin der Meinung, daß er Recht hat. Vielleicht entscheidet sich eine Krankheit gar nicht anders, als nach diesem Zahlentypus. Aber ich bezweifle sehr, daß man immer genau bestimmen kann, wenn eine Krankheit begonnen hat. Es muß also sehr oft eine mißliche Sache sein, die Berechnung der kritischen Tage auf Tag und Stunde hin anzustellen.

62. Wenn sich zu Fiebern vor dem siebenten Tage Gelbsucht gesellt, so Lst'S bös.

Wenn sich vor dem Entscheidungstage die Gelbsucht, welche ein bedeutendes Leiden des Gal­ lensystems anzeigt, zu Fiebern gesellt, so ist daS ein übles Zeichen. Es tritt vor dem Zeitpunkt, in welchem das Fieber sich zur Entscheidung hin­ neigt, bevor der wirkliche Bruch der Krankheit statt hat, eine neue Krankheit hinzu, es ist dieses aber gar keine unbedeutende Krankheit. Solche Complication kann also nicht anders, als schlimm sein. Man hat im Grunde, so zu sagen, mit zwei Krankheiten zu kämpfen. Bedeutende Leiden der Leber sind in Fiebern immer sehr mißlich. Man vergesse hier nicht zu erwägen, daß die Le­ ber nicht bloß ein absonderndes, sondern auch ein reinigendes Organ ist, das wirklich Terrestrisches, den Kohlenstoff, aus. dem Organismus schafft, — 63. Wenn in Fiebern täglich neuer Frost ent­ steht, so werden diese Fieber auch täglich ent­ schieden.

Solche Fieber haben den Typus des Wech­

selsiebers, ja sie sind im Grunde mit diesem Na­ men zu belegen.

Die Anfälle gehen aber bei kaum

wahrnehmbarer Apyrexie in einander über.

So

etwas darf der Behandlung wegen nicht überse­

hen werden.

64. Wenn sich in Fiebern am siebenten oder neun­ ten oder vierzehnten Tage eine Gelbsucht zeigt, es sei denn, daß die Lebergegend verhärtet wäre,

so ist's gut: wenn das aber nicht so ist, so ist es bös.,

Nämlich, wenn es sich wie Nr. 62. verhielte. Man sieht also daß das „gut" vergleichungs­ weise mit fraglicher Beobachtung zu nehmen ist.

Denn immerhin ist es besser, wenn sich ein Fieber

ohne Metaschematismus nach den einfachen, schlich­

ten, gewöhnlichen Gesetzen entscheidet.

Die Gelb­

sucht ist kein seltener Metaschematismus der Fie­

ber, nachdem eben mehr oder weniger das Gallen­

system in Mitleidenschaft gezogen war.

sucht, wenn nicht Verhärtung,

Die Gelb­

große organische

Fehler der Leber und Milz obwalten, ist aber eine

Krankheit, die der Kunst weicht.

65.

In hitzigen Fiebern ist heftiges Brennen im Unterleib, und brennender Schmerz in der Ma­

gengegend bös. Wir rkissen, daß diese Schmerzen im Bauche

und in der Regio epigastrica ein Hauptzeichen

des Typhus, der Febris continens putrida sind. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß das auf­

genommene Contagium alsbald in der Schleim­ haut der ganzen Rachenhöhle, des ganzen Schlun­ des, des Magens seine feindseligen Wirkungen äu­

ßert, und daselbst eine subacut entzündliche Affection,

alienirte Absonderung hervorbringt, diese

Subinflammation hat

eine

gung, in den Zustand,

hervorstechende Nei

welchen man nervös ent­

zündlich zu nennen pflegt, überzugehen, und nicht selten

und

zwar sehr rasch mit einem wahren

Sphacelirungsproceß dieser Theile zu enden, dar­ um wirken auch die Brechmittel in diesen Leiden so heilsam.

Das ist es, was wahres an Brous-

eais Gastroenteritis ist.

Hr. Broussais hat

aber uns teutschen Aerzten nichts neues gesagt.

Im Verlaufe der Fieber zeigen fragliche Symp­ tome bedeutende Versetzungen nach den Eingewei­

den, und Neigung zu Gangrän an.

66. In hitzigen Fiebern sind Konvulsionen und heftige Schmerzen in den Eingeweiden ein gefähr­

liches Zeichen.

Dieser Aphorismus ist eine unmittelbare Fort/ setzung des vorhergehenden.

Wir haben nicht nö­

thig uns länger bei demselben aufzuhalten.

67. Auffahren und Zuckungen im Schlafe sind in Fiebern bös.

Schreckliche Traumbilder, stete Unterbrechung des Schlafes, der sich als wahrer Vermittler zwi­

schen das Leben und seine vielen physischen, und psychischen Feinde stellt,

hängen fast immer mit

bedeutenden Kränkungen des Solarsystems, mit großen Abweichungen des Gallen - und Pfortadersystemö vom naturgemäßen Zustande! und

ausgebreiteten

Esse

einer

von Krankheitsmaterial in

den Unterleibsorganen

zusammen.

Auch wollen

wir nicht unterlassen zu bemerken, daß Delirien in

sehr vielen Fällen mit Leiden der Urinblase Zu­

sammenhängen.

Diese Unruhe, diese Delirien im

Schlafe werden sehr oft in hitzigen Fiebern, weit

der Kranke bei voller Harnblase den Urin nicht lassen kann,

erst dann gehoben, wenn man des

Kranken Willen durch öfteres Auffordern zu dem

Ende aufregt, oder wenn eS sein muß, durch die Application des

Catheterö die Blase entleert.

Ein Wink für junge Aerzte.

Daß diese Symp­

tome sich zu topischen Leiden des Gehirns und sei­

ner Häute gesellen, ist hinreichend bekannt. Wenn die müde Natur, das tiefgekränkte Le­

ben sich immer sehnsuchtsvoll nach dem eigentli­ chen Erholungs- und Erfrischungsakt der Lebens­

kräfte und Säfte hinneigt,

und nicht dazu ge­

langen kann, immer wieder aufgescheucht wird, so ist dieses wohl das böse Zeichen eines gewaltigen

Aufruhrs im organischen Leben, einer großen Ent­ zweiung der Systeme. „Der müden Natur süßes Labsal, balsami­ scher Schlaf! er besucht gleich der Welt nur die­

jenigen gern, denen das Glück zulächelt; die Elen­ den verläßt er, fliegt auf seinen weichen Fittigen

schnell vom Jammer hinweg, und senkt sich auf Augenlieder, die keine Thräne benetzt." Voung's Klagen i. Th.

68. In Fiebern ist ein schluchzender anstoßender Athem schlimm: es zeigt Krampf an.

Je mehr das Athemholen in den Fiebern be­ einträchtigt ist, um so heftiger pflegt dasselbe zu

sein, und namentlich deutet dieses auf entzündli­ chen Zustand der Respirationsorgane und der gro­

Auch kann es von gro­

ßen Gefäße des Herzens.

ßer Reitzbarkeit dieser Organe herrühren.

Nicht

selten findet auch Torpor der Lungennerven statt. Man unterscheide ja immer sorgfältig Peripneumonia inflammatoria von Pneumonia notha.

69.

der sparsame Abgang eines

Sn Fiebern ist

Diesen, trüben Urins, wenn eine Menge dünner

hinten herfolgt, heilsam.

Von dieser Beschaffen­

heit zeigt er sich vorzüglich dann,

wann gleich

anfangs oder kurz darauf der Harn einen Boden­ satz bekommt.

Eine Beobachtung die ganz streng genommen

werden muß.

Es zeigt dieses auf wichtigen Ver­

lauf der Fieber. Zeit vor sich.

.Die Kochung geht zur rechten

Ist dicker trüber Urin abgegangen,

und es folgt dann viel dünner Urin von norma­ ler Beschaffenheit:

so

zeigt das vollkommenen

Bruch deS Fiebers an.

Die^

70.

Diejenigen aber, welche in Fiebern einen dikken dem des Rindviehes ähnlichen Urin lassen, haben Kopfschmerzen oder, bekommen sie. Dieser fragliche Urin findet sich immer vor, wenn das Fieber noch im Stadium der Rohheit, besonders wenn das gastrische und gallichte Sy­ stem sehr alienirt ist. Diese letzteren Zustände bringen immer Kopfschmerzen hervor. In den meisten Fällen sind die phrenitischen Affectionen consensuell gastrisch entzündlich. —

71.

Wenn sich das Fieber.am siebenten Tage ent­ scheidet, so bildet der Urin am vierten Tage eine rothe Molke; und die übrigen kritischen Umstände stimmen damit überein. Dieses ist das Bild eines sehr regelmäßigen, sehr günstig verlaufenden Fiebers. 72.

Weißer durchsichtiger Urin ist böS: vorab in phrenitischen Affectionen. Lwvokr. v. Pitfchaft, I. £6.

M

2Ö8 Wenn die Kochung nicht erfolgen will, so ist dieses natürlich

ein Zeichen eines sehr heftigen

Fiebers, eines Krankeitsstoffes, der sich in den Organen und Systemen hartnäckig fest gesetzt hat, der den größten Anstrengungen der Vis medica-

trix naturae nicht weichen will, und sie demnach

zu

der

außerordentlichsten

Reaction

auffordert.

Man kann das nach Belieben, auch nach den Prin­ cipien der Dynamiker erklären.

Tritt keine Ko­

chung ein, so muß das wohl zu dem Schluffe füh­

ren, daß die Natur den Sieg nicht erringen dürste.

73. Diejenigen, denen die Hypochondrien aufgetrieben sind, und welchen es in dieser Gegend des Leibes kollert, sobald sich Lendenschmerz, einstellt,

bekommen den Durchfall: es sei denn, es gingen Winde oder eine Menge Urin ab.

Diese Zufälle

ereignen sich in Fiebern.

Es handelt sich hier von der Art und Weise, auf welche sich die kritischen Durchfälle ereignen.

Es gehen der Turgescenz nach unten aufgctriebener Unterleib und Lendenschmerzen vorher.

Die­

ses findet man aber auch bei großer Luftentwick-

lung im Darmkanal.

Dieselben Zustände gehen

2d9 auch vorher,

wenn

eine Lange Zeit wenig Urin,

welches in den Tagen der Rohheit der Krankheit der Fall ist, abgegangen ist z mit reichlicher Ab -

und Aussonderung desselben hebt sich diese Affection.

Vor der kritischen Urinabsonderung findet

man die Hypochondrien gespannt.

In den La­

gen der Rohheit ist das Lichte aller Gefäße stär­

ker, in den Fiebern ist Effervescenz im Blute un­ verkennbar.

Wird der Leib weich, und bekommen

die Kranken ein behagliches Gefühl in demselben, so gehört das mit zu den Zeichen, welche für gute

Kochung der Absonderungen sprechen. 74.

Wenn ein Absatz nach den Gelenken, nämlich der Natur der Krankheit nach,

zu erwarten ist,

so verhütet der häufige Abgang eines dicken und weißen Urins, so wie er sich in manchen Fiebern

mit Mattigkeitsgefühl am vierten Tage zu zeigen

anfängt,

diese Versetzungen.

Gesellt

sich auch

Nasenbluten hinzu, so lös't sich die Krankheit um

so bälder. Wohl sehr einfach;

die kritischen Ausleerun­

gen sind es ja eben, welche den Organismus von

dem Krankheitsferment,

befreien.

vom Caput mortuum

75. Geht Blut oder Eiter mit dem Harne ab, so zeigt es eine Verschwärung der Nieren oder der Blase an.

76. Wenn mit dickem Urine kleine Fleischfasern wie Haare *) abgehen, so werden sie- aus- den Nieren abgeschieden.

77. Gehen mit dickem Urine kleyenahnliche Kör/ perchen ab, so ist die Urinblase räudig.

Man findet dieses jezuweilen in exanthematischen Fiebern, nicht selten entstehen sie in der Gicht, in Rheumatalgien, in Flechtenausschlagen, Versetzungen nach den innern Häuten der Harn­ blase.

78. Entsteht von freien Stücken Dlutharnen, so zeigt dieses das Bersten eines Blutgefäßes der Nieren an. *) Wohl von der Stärke, von dem Umfang eines Haa/ res, sie seyen aus wie cylinderförmige Gefäßlein.

Dieses Blutharnen kommt bei Nierenentzün­ dung, bei sehr heftigen Fiebern, bei den Pocken,

auch hin und wieder bei dem Scharlach und auch

bei den Masern vor.

Bei heftigen Beleidigungen

von Außen ereignet es sich ost.

79. Bildet der Harn einen sandigen Niederschlag, so leidet der Kranke am Blasen, oder Nierenstein.

Hier muß bemerkt werden, daß Nieren- und Blasensteine vorhanden sein können, ohne daß sich dieser sandige Niederschlag zeigt.

Geht aber GrieS

o6> so hat entweder die Steinbildung schon be­ gonnen, oder man. sieht ihrer Bildung entgegen. Vermehrt sich in diesem Falle wahrend des Heil­

verfahrens dieser Griesabgang, so Lst's natürlich gut,

es spricht für die Zweckmäßigkeit des Heil­

plans. — Es kann also der eigentlichen Steinbildung durch gehörige Diät und Kunsthülfe entge-

gengearbeitet werden.

80.

Harnt Jemand Blut und Blutklümper mit Harnstrenge und hat

er dabei Schmerz im

Unterleibe, an der Gefäßnarh und dem Perinäum,

so leiden die zur Harnblase gehörigen Theile.

Dieses kann herrühren von Blasenhämorrhoi-

den, Blasensteinen, Blasengeschwüren, Blasenent­ zündung, von allzuheftiger Anstrengung beim Uri-

niren,

bei Verhärtung, Verschwärung der Pro­

stata, bei fleischichten Aftergebilden in der Harn­

röhre, und ihrer Verengerung.

Die anderweiti­

gen Zeichen dieser Leiden sind ein Gegenstand der

Semiotik. 81. Harnt jemand Blut, Eiter und Schorfe, und

der Urin verbreitet Gestank, so ist dieses ein Zei­ chen einer Verschwärung der Blase.

82.

Bilden sich in der Harnröhre Tuberkeln, so werden die Zufälle gehoben, wenn sie in Eiterge­ schwüre, die sich eröffnen, übergehen.

83. Abgang von vielem Harn des NachtS zeigt

wenig Kothabgang an.

Aufrichtig gesagt,

ich kann zu diesem mir

sonderbar lautenden Aphorismus nichts sagen, ich

habe so Etwas nie beobachtet.

Vielleicht könnte

es daher rühren, daß große Thätigkeit der Nie­ ren die des VerdauungskanalS vermindern.

Wir

wissen, daß Magen und Nieren in auffallendem

Rapport mit einander stehen.

So stellt sich bei

gehinderter Nierenabsonderung, z. B. beim Nie­

rensteine leicht Würgen und Erbrechen mit Ma­

genkrampf ein.

Freilich muß man hier nicht ver­

gessen, daß schlechte Verdauung, Säureerzeugung der Gicht und

der Steinbildung

vorausgehcn.

Vielleicht nützt diese Andeutung doch zu Etwas.

Der Urin, der Schweiß sowohl ihrer quanti­

tativen als qualitativen Beschaffenheit nach ge­ hören zu den Zeichen, welche über die Natur und

den Stand der Krankheiten ungemein viel Auf­

schluß Aerzte,

geben.

Demnach

ermahnen wir

junge

ja fleißig diesen Theil der Semiotik zu

studieren, und selbst sorgfältig zu beobachten. Wir theilen zu dem Ende unsere Beobach­

tungen, welche wir mit gewissenhafter Aufmerk­

samkeit am Krankenbett angestellt, und im Hu, selandschen Journal September-Heft 1819. S. 19. niedergeschrieben haben, hier mit: Die Besichtigung des Harns ist sowohl in acu­

ten als chronischen Krankheiten für den Arzt ein diagnostisches Hülfsmittel.

nachlässigt werden.

Sie sollte nicht ver,

Dies Zeichen hat mit allen

übrigen diagnostischen das gemein, daß eS für sich

allein nicht ein bestimmtsprechendes, sondern nur in der Zusammenstellung mit andern ein sehr viel

Aufschluß gebendes wird.

Viele Aerzte schenken

ihm zu wenig Aufmerksamkeit.

Wenn der Harn

in hitzigen Fiebern, seine Natur nicht ändert, so

ist es ein übeles Zeichen, so wie es auch eines ist, wenn gleich beim Beginnen des Fiebers derselbe dick ist und es den Verlauf des Fiebers hindurch

bleibt.

Scheidet er sich, und es fallt eine einer

röthlichen Sandstaubwolke ähnliche Masse zu Bo­ den,, so ist dies schon ein günstiges;, schwimmt

dagegen eine sogenannte Wasserwolke in der Mitte der Flüssigkeit, so ist dies ein sehr gutes Zeichen.

Bleibt der Urin hochroth,

geht wenig ab,, und

will er sich lange nicht scheiden,, so deutet das in acuten wie in chronischen Krankheiten auf Ver­

letzung der Eingeweide.

Man muß den Urin nach

der Kochung, nach der Exacerbation betrachten; bald nach dem Genuß von Speisen gelassen- bleibt

er oft auch in chronischen Uebeln wie in gesunden

Tagen wasserhell.

Gefräßige Menschen haben ge,

wohnlich einen etwas trüben Urin.

Dies ist bei

überfütterten Kindern, die dabei schlecht verdauen, häufig der Fall.

Leute, die schlecht verdauen und

an Unreinigkeiten in den ersten Wegen leiden, ha­ ben gewöhnlich einen dicken weniger durchsichtigen

Harn.

Die Gelbsüchtigen

lassen

einen

dicken,

braungelben, die Leinwand färbenden Harn.

Die

so am Verhärtung, Physconia der Leber leiden,

lassen einen dunkelrothen Urin, der alsbald einen ziegelmehlartigen Bodensatz bildet, der wie feiner rother Sand, dem ähnlich, dessen man sich zu den Sanduhren bedient, an den Wänden des Gefäßes

gerne hängen bleibt, und die Leinwand gern braun­ gelb fÜM." Häufiger Abgang

eines wässerichten,

oft honigartigen, die Menge der genossenen Flüs­

sigkeiten übersteigenden Harnes ist dem Diabetes mellitus eigen.

Schwimmt eine fett- oder ölar­

tige Masse auf dem Harn, so deutet das auf eine

bedeutende Verletzung eines Eingeweides und Zer­

rüttung dessen Parenchymas — (Diabetes

tor-

pidus.) Ein sehr dünner

wäfferichter Harn in Fie­

bern zeigt ost Hartnäckigkeit und lange Dauer

desselben an. chen lassen Harn.

Bleichsüchtige und hysterische Mäd­ sehr

ost

einen

dünnen

wasserhellen

Wenn den Wassersüchtigen viel wässerich-

ter Harn abgeht, so ist dieses natürlich ein gutes

Zeichen; müssen sie aber oft harnen, geht nur we­ nig heißer, rother Harn ab, und dies gar noch mit

Schmerzen,

so ist dieses in der Wassersucht und

namentlich in der Brustwassersucht ein sehr böses Zeichen.

Es deutet auf schlechten Zustand der

Eingeweide.

Ist nur der Urin nicht dunkelroth,

sondern hellgelb, geht auch gleich sehr wenig ab,

so wird eine adäquate Behandlung die Wasser­ sucht heben. Nephritis.

Ein blutiger Urin gesellt sich zur

Das Blut, das aus den Nieren kommt,

ist innig mit dem Harn gemischt, und die Blu­

tung aus den Nieren ist stärker, als die aus der Blase. Das Blut, das aus der Blase kommt, z. B. bei Hämorrhoiden der Urinblase, fällt sehr schnell zu Boden und scheidet sich sehr schnell vom (Die beiden Uebel unterscheiden sich ohne­

Harne.

hin sehr deutlich von einander.)

Blutiger Harn

bei acuten Ausschlägen ist ein sehr schlimmes Zei­ Ein milchartigcr, dem der pflanzenfressenden

chen.

Thiere, namentlich dem der Pferde ähnlicher Harn, der einen weißen Niederschlag bildet, gesellt sich

zu den Würmern.

Der Blasencatarrh verkündet

sich durch einen zähen, alsbald

solches

schlekmichten Harn,

Sediment

der

Niederschlag

bildet.

von Eiter, der sich nie in Menge vorsindet, deu­

tet auf ein Geschwür der Blase.

Stinkt er, so

kommt er aus einem lang geschloffen gewesenen

Absceß der Blase. Unterdrückte

Menstruation wird

von einem trüben Harn begleitet. Crocus-,

gelb.

gewöhnlich

Rhabarber/,

Curcuma-Gebrauch färbt den Harn

Terpentingebrauch macht ihn nach Veilchen

riechen; Genuß der Spargel aber stinken. Stahlr arzneien machen ihn schwärzlich. Auch hat man bei Melancholischen einen schwarzen Harn bemerkt. Die so oft an rheumatischen Entzündungen lei­ den, lassen einen Harn, der gewöhnlich stark nach Harnstoff riecht. Hört das auf — so erneut sich gewöhnlich der Rheumatismus. — Während der Höhe des Uebels riecht man das nicht — u. s. w. Etiamsi omnia a veteribus inventa sunt, hoc semper novum erit, usus tt invenlorum ab aliis scientia et dispositio. Sen e ca.

Verbesserungen i m ersten Theile.

Aeberall statt BaglLo Bagliv. S. 51, nur DOT LLtlbriNgend. — 52. — 4. statt wachen l. wachsen. — ^5. — 5. st. vermischet l. vermischest. —- 87- — 10. st. vorstehende l. vorstechende. — 110. — 17. st. Ist l. Ißt. — in. — 7. st. gemeinlrch I. gemeiniglich. — 140. — 9. st. Natur l. Statur. — 15Z. — 10. st. AlkaliScenz l. Alkalescenz. — 172. — 6. st. je normaler l. um so normaler. — 203. — 12. st. wäre l. hätte. — 223. — 8. st. wichtig 1. nichtig. — 236. — 22. st. haben l. hat. — 256. — 17. st. wichtigen l. richtigen. — 257. — i2. st. Molke l. Wolke. Einigemal kommt statt atrabilarische Consti­ tution atrabilarischeS Temperament vor. — Klei­ nere Versehen ergehen sich von selbst.