Die anthropologischen Aspekte in den christlich-muslimischen Dialogen des Vatikan [1 ed.] 9783666540554, 9783525540558


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German Pages [672] Year 2018

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Die anthropologischen Aspekte in den christlich-muslimischen Dialogen des Vatikan [1 ed.]
 9783666540554, 9783525540558

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Jutta Sperber

Die anthropologischen Aspekte in den christlich-muslimischen Dialogen des Vatikan

Jutta Sperber

Die anthropologischen Aspekte in den christlich-muslimischen Dialogen des Vatikan

Vandenhoeck & Ruprecht

Zugleich Habilitationsschrift an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock Gutachter: Prof. Dr. Klaus Hock, Prof. Dr. Olaf Schumann, Prof. Dr. Roman A. Siebenrock Tag der Einreichung: 19.9.2014 Tag der Eröffnung des Verfahrens: 15.10.2014 Tag des Kolloquiums: 29.4.2015 Dr. theol. habil. Jutta Berta Sperber, geboren in Rückersdorf bei Nürnberg Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern 1992–1995 Promotion an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau in Religions-, Missionswissenschaft und Ökumenik mit Christians and Muslims, The Dialogue Activities of the World Council of Churches and their Theological Foundation (Berlin/New York 2000) 2003–2014 Habilitation an der Theologischen Fakultät der Universität Rostock in Interkultureller Theologie und Religionswissenschaft zu den anthropologischen Aspekten in den christlichmuslimischen Dialogen des Vatikan

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-54055-4

Gewidmet dem Andenken an Maurice Borrmans, ohne dessen Anregung und Unterstützung dieses Buch nicht zustandegekommen wäre.

Inhalt

Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Hilfen für den Leser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Die theologischen Grundlagen für den Dialog mit Muslimen – das Lehramt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Das Zweite Vatikanische Konzil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.1. Nostra Aetate – die Religionen erstmals im Blick . . . . . . . . . 26 1.2. Dignitatis Humanae – Religionsfreiheit im Namen der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.3. Weitere Konzilserklärungen – die Menschheit ist im Blick . . . . 31 2. Die offiziellen Stellungnahmen des Lehramts . . . . . . . . . . . . . . 32 2.1. Das Pontifikat Pauls VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.1.1. Paul VI und die Gründung des Sekretariats für die Nichtchristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.1.2. Ecclesiam Suam – ein erster Wegbereiter des interreligiösen Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.1.3. Weitere Enzykliken: Hilfe für die Menschen – innerlich und äußerlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2. Das Pontifikat Johannes Pauls II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.1. Die frühen Enzykliken – wenig Direktes zum Islam . . . 35 2.2.2. Redemptionis Anno – Jerusalem und das Heilige Land im Fokus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2.3. Der neue Katechismus – eine Zusammenfassung des Bisherigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.2.4. Weitere Schreiben: gemeinsame und spezielle Situationen und Aufgaben im Blick . . . . . . . 40

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Inhalt

3. Weitere lehramtliche Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.1. Das Lehramt Pauls VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.1.1. Für die Amtsträger des Dialogs viel Lob und Ermutigung 45 3.1.2. Vor den eigenen Gläubigen – vorsichtige Werbung für die neue Sicht . . . . . . . . . . 48 3.1.3. Im Gegenüber zu den Muslimen: viele Situationen im Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.2. Das Lehramt Johannes Pauls I – wenige Worte zu einem Dauerthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.3. Das Lehramt Johannes Pauls II – über 25 Jahre Einsatz für den Dialog mit Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.3.1. Casablanca 1985 – mehr als nur eine Rede vor muslimischen Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.3.2. Vor den Amtsträgern: Frieden, Religionsfreiheit – und Spiritualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.3.3. Der Nahe Osten – die Reden sind so konkret wie die Nöte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.3.4. Nordafrika – hier klingen dieselben Worte noch ganz anders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.3.5. Türkei – noch eine programmatische Rede . . . . . . . . 67 3.3.6. Und immer wieder: Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . 68 3.3.7. Südostasien: eine historische Bilanz . . . . . . . . . . . . 69 3.3.8. Schwarzafrika: Mali als positives Beispiel . . . . . . . . . 70 3.3.9. Europa: Ermutigung zum Dialog . . . . . . . . . . . . . . 74 3.3.10. Vor den Vereinten Nationen – wichtige Reflexionen . . . 76 3.3.11. Auf internationalem Parkett – allgemeine Werte und besonders Religionsfreiheit . . . . 80 3.3.12. Dialogteilnehmer als Hauptadressaten – immaterielle Werte als Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . 84 3.3.13. Direkt an die Muslime gewandt: Frieden ist ein großes Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.3.14. Pastoralreisen: Schwerpunkt Afrika . . . . . . . . . . . . 92 3.3.15. Vor den Diplomaten: Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . 96 4. Dokumente der Kurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.1. Das Sekretariat für die Nichtchristen – viel Rechtliches zwischen Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.2. Dominus Iesus: ja nicht mehr als menschlich gleichwertig . . . . 107 4.3. Und zum Abschluss wieder Menschenrechte . . . . . . . . . . . 108

Inhalt

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Die Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Die Anfänge der Arbeit des Sekretariats . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Publikationen der Commission pour les Relations Religieuses avec les Musulmans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2.1. Harmonie und Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2.1.1. Wahrheit und Gewalt im Islam . . . . . . . . . . . . . . . 121 2.1.2. Die Haltung der Franziskaner – ein Kontrastprogramm zu den Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2.1.3. Zwischen Harmonie und Konflikt: Klarheit als Ziel des Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.2. Ein Nachschlagewerk zum Islam – Information für Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2.2.1. Sonderfall Algerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.3. Gemeinsames Gebet – mit Einschränkungen . . . . . . . . . . . 142 2.4. Politik (und Recht): Einblicke in islamische Anthropologie . . . 143 2.4.1. Die politischen Grundsatzfragen im Islam . . . . . . . . . 144 2.4.2. Perspektiven des Journal of Muslim Minority Affairs . . 148 2.4.3. Islam regional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2.5. Dialogerfahrungen am Vorabend des dritten Jahrtausends . . . 168 2.5.1. Christliche Erfahrungen mit Dialog – die Hoffnung liegt bei der Jugend . . . . . . . . . . . . . . 168 2.5.2. Muslimische Erfahrungen mit Dialog – weitermachen trotz aller Hindernisse . . . . . . . . . . . 169 2.6. Religionsfreiheit als aktuelles Thema . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2.6.1. Der theoretische Unterbau der Religionsfreiheit . . . . . 171 2.6.2. Internationale Religionsfreiheit praktisch . . . . . . . . . 189 2.6.3. Überwachung von Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . 199 2.6.4. Religionsfreiheit aus religiöser Sicht . . . . . . . . . . . . 210 3. Einführungen in den Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3.1. Orientations pour un dialogue entre chrétiens et musulmans . . 217 3.1.1. Ein langer Weg von Kenntnis über Respekt zu Offenheit und Sympathie . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3.1.2. Der Mensch in der Gemeinschaft – eine mit Stolz und Überzeugung vertretene Sichtweise . . . . . . . . . . 220 3.1.3. Dialog als Kampf der Christen gegen sich selbst . . . . . 222 3.1.4. Anthropologische Kernaussagen . . . . . . . . . . . . . . 225 3.1.5. Christlich-muslimische Spiritualität – der Mensch auf seinem ‚erwachsenen‘ Platz . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.1.6. Keine Anthropologie, sondern die Entdeckung des Bruders 230

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Inhalt

3.2. Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims . . . . 230 3.2.1. Einleitung: eine gemeinsame Anthropologie von Christen und Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3.2.2. Überall spürbar: die bisherige Dialogerfahrung . . . . . . 232 3.2.3. Islam und Muslime – welche Veränderungen haben sich seither ergeben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3.2.4. Orte und Wege des Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.2.5. Muslimische Werte aus christlicher Sicht . . . . . . . . . 237 3.2.6. Hindernisse im Dialog: Vorwürfe in jede Richtung . . . . 239 3.2.7. Zusammenarbeit: Durch gemeinsames Dienen das geistliche Gespräch vertiefen? . . . . . . . . . . . . . . 243 3.2.8. Religiöse Übereinstimmung – ein weiterer Schritt auf dem eingeschlagenen Weg . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3.2.9. Die neuen Guidelines – praktischer und ‚abrahamitischer‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4. Religions – Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4.1. Einstieg über den ‚homo religiosus‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 4.1.1. Auseinandersetzung mit der Religionskritik . . . . . . . . 252 4.1.2. Die religiöse Dimension des Menschen – der Bezug zum Absoluten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4.1.3. Religiöses Leben als Erfahrung von Polarität . . . . . . . 254 4.1.4. Konstante Elemente in der Religiosität des Menschen – Gebete, Riten und noch mehr . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4.2. Das Heilsstreben des Menschen – Grundlage auch des interreligiösen Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.2.1. Heil im Christentum – auch für Menschen jenseits, aber nicht ohne die Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4.2.2. Heil im Islam – optimistische Sicht des Menschen . . . . 259 4.3. Der Mensch – offen für eine Beziehung zu Gott . . . . . . . . . . 261 4.3.1. Islam: der Mensch – Liebe zu Gott kann es eigentlich nicht geben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4.3.2. Christliche Anthropologie: Der wahre Mensch ist nur Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 4.4. Gut und Böse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4.4.1. Gut und Böse, Gott und Mensch – das islamische Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 4.4.2. In sich zerrissen – der Mensch in christlicher Sicht . . . . 267 4.4.3. Konkrete Moral auf christlicher Seite . . . . . . . . . . . . 269 4.4.4. Orthopraxie ist leichter als gemeinsame Dogmen . . . . . 270

Inhalt

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5. Religions in the World – eine Publikation für international arbeitende Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 6. Chiesa e islam – der frühe Johannes Paul II und seine Schwerpunktsetzung Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 7. Meeting in Friendship – die Ramadanbotschaften . . . . . . . . . . . . 275 7.1. Der Beginn unter Vater Joseph Cuoq (1967–1972) – von der Vergangenheit belastet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 7.2. Kardinal Sergio Pignedoli (1973–1979) – auf dem Hintergrund echter Begegnungen . . . . . . . . . . . . . 279 7.3. Erzbischof Jean Jadot (1980–1983) – Materialismus als gemeinsames Gegenbild? . . . . . . . . . . . . 280 7.4. Kardinal Francis Arinze und der große Einfluss von Papst Johannes Paul II (2000) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 7.5. Kardinal Francis Arinze (1984–2001): rund um menschenwürdiges Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 7.6. Erzbischof Michael Fitzgerald (2002–2005) – viele außergewöhnliche Anlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 8. Questionnaire on Man: zu schwierig, um ein Buch zu werden . . . . . 285 8.1. Die Bestimmung des Menschen: Diener Gottes – aber wie? . . . 286 8.2. Friede – in vieler Hinsicht schwierig . . . . . . . . . . . . . . . . 286 8.3. Soziale Ungleichheit – islamisch ein Übel . . . . . . . . . . . . . 288 8.4. Familienfragen: das umstrittene Problem der Geburtenkontrolle 289 8.5. Industrialisierung und die Streitfrage der Säkularisierung . . . . 289 8.6. Die menschliche Freiheit – unterschiedliche Schwerpunktsetzungen . . . . . . . . . . . . . . 291 8.7. Individuum und transzendenter Kollektivismus der islamischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 8.8. Alle Menschen sind Brüder – oder doch nicht ganz? . . . . . . . 293 8.9. Leben nach dem Tod: eine sichere Sache . . . . . . . . . . . . . . 294 9. Probleme nicht in der Anthropologie, aber in deren konkreten Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Die christlich-muslimischen Dialoge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 1. Anfänge und Grundstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 1.1. Rom 1972 – ein unbeabsichtigter Dialog . . . . . . . . . . . . . . 297

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Inhalt

1.2. Grottaferrata 1975: eine Schlüsselrolle für den Dialog mit dem Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1.2.1. Situationsanalysen aus verschiedenen Ländern . . . . . . 300 1.2.2. Grottaferrata und danach: viele verschiedene Fragen und Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 1.3. Herausforderungen des Dialogs und seiner Darstellung . . . . . 305 1.4. Nach einiger Zeit: Wünsche an die Muslime und leichte Schritte zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Kontakte nach Saudi-Arabien – Arbeitssitzungen zu Menschenrechten 313 3. Kontakte zur World Islamic Call Society, Tripolis, Libyen . . . . . . . 314 3.1. Der erste Dialog überhaupt: Tripolis 1976 . . . . . . . . . . . . . 314 3.1.1. Die Einladung zum Dialog mit Tripolis – etliche Ungereimtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3.1.2. Der Rahmen der Tagung – worum soll es gehen? . . . . . 316 3.1.3. Gegenüber von Religion und Ideologie: (ganz) schlechte Karten für die Ideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 3.1.4. Gemeinsamkeiten zwischen beiden – und ihr Untergang in muslimischer Polemik . . . . . . . 319 3.1.5. Glauben und Gerechtigkeit – ein sehr muslimisches Thema . . . . . . . . . . . . . . . . 320 3.1.6. Vorurteile und Missverständnisse: Themenwunsch der Christen und Fest für die Muslime . . 323 3.1.7. Die Abschlusserklärung: Chaos und ein nahostpolitischer Skandal . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3.1.8. Lehre aus Tripolis: Dialog ist nicht so einfach . . . . . . . 328 3.2. Neuanfang ab 1989: auch viele anthropologische Momente . . . 333 3.3 Malta 1990: die Wichtigkeit der Toleranz . . . . . . . . . . . . . . 333 3.3.1. Die Christen in der Kosmologie des Islam . . . . . . . . . 334 3.3.2. Toleranz – ein struktureller Problemfall . . . . . . . . . . 336 3.2.3. Toleranz in der praktischen Anwendung . . . . . . . . . . 338 3.3.4. Religiöse Toleranz in Libyen: Es hängt sehr am islamischen Recht . . . . . . . . . . . . 342 3.4. Tripolis 1993 – Religion und Massenmedien: ein gemeinsames Überwachungskomitee . . . . . . . . . . . . . 343 3.5. Fortsetzung in Wien 1994: noch mehr gemeinsamer Einsatz . . 344 3.6. Rom 1997: Das Thema Mission wirft viele Fragen auf . . . . . . 344 3.7. Tripolis 2002: Dialoge zwischen Auswertung und Zukunftskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 4. Muslime in Europa – bekannte Forderungen in schwieriger Situation 348

Inhalt

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5. Dialog zum Thema Frömmigkeit: der Durst nach Gott . . . . . . . . . 349 5.1. Heiligkeit in muslimischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . 350 5.1.1. Heiligkeit im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 5.1.2. Die besondere Stellung des Menschen nach dem Islam – spannungsgeladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 5.1.3. Heiligkeit im Islam: nicht ohne ganz konkrete Taten . . . 353 5.1.4. Unter den muslimischen Vorbildern: Mohammed mit Abstand am besten . . . . . . . . . . . . 355 5.2. Heiligkeit in christlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . 357 5.2.1. Inkarnation als Schlüsselwort . . . . . . . . . . . . . . . . 357 5.2.2. Christliche Vorbilder für Heiligkeit . . . . . . . . . . . . . 358 5.3. Die gegenseitige Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 5.3.1. Vonseiten der Christen: die unterschiedlichen Schwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 5.3.2. Vonseiten der Muslime: Heiligkeit muss Heiligung sein und bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 6. Beziehungen mit der Türkei – starke akademische Zusammenarbeit . . 363 7. Zusammenarbeit mit der Al Albait Foundation . . . . . . . . . . . . . 366 7.1. Start mit religiöser Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 7.1.2. Religiöse Erziehung zwischen Identität und Offenheit . . 367 7.1.3. Jugend, Naturwissenschaft und Glaube . . . . . . . . . . 377 7.1.4. Religiöse Erziehung an Universitäten . . . . . . . . . . . . 386 7.1.5. Erziehung der Zukunft: Spagat zwischen eigener Identität und gemeinsamen Werten . . . . . . . . . . . . 393 7.2. Amman 1990 zu Kinderrechten: von den Ungeborenen bis zu den Schulkindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 7.2.1. Die Rechte des Ungeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . 395 7.2.2. Die Rechte des Vorschulkindes . . . . . . . . . . . . . . . 401 7.2.3. Rechte und Erziehung des Schulkindes . . . . . . . . . . 409 7.2.4. Das Beste für Kinder: Frieden, Gerechtigkeit, Entwicklung und Gesundheitsfürsorge . . . . . . . . . . . 416 7.3. Rom 1992: Frauen in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 417 7.3.1. Eröffnungsansprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 7.3.2. Der Status der Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 7.3.3. Konkrete Probleme der Frauen . . . . . . . . . . . . . . . 427 7.3.4. Wie könnte es weitergehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 7.3.5. Eine elegant formulierte gemeinsame Erklärung . . . . . 439 7.4. Amman 1994: Nationalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 7.4.1. Die Begrüßungsansprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 7.4.2. Die historische(n) Perspektive(n) . . . . . . . . . . . . . . 442

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7.4.3. Nationalismus: aktuelle Probleme und Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 7.4.4. Die Rolle der Gläubigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 7.4.5. Die abschließenden Kommentare – in jeder Hinsicht unterschiedlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 7.4.6. Die abschließenden Worte – erstaunlich versöhnlich . . . 467 7.5. Rom 1996 – die Ressourcen der Erde richtig nutzen . . . . . . . 468 7.5.1. Aussagen zum Gebrauch der Ressourcen . . . . . . . . . 469 7.5.2. Schutz der Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 7.5.3. Die gerechte Verteilung der Ressourcen . . . . . . . . . . 485 7.5.4. Kronprinz Hassan von Jordanien: ein sehr ausgewogener Vortrag . . . . . . . . . . . . . . . 492 7.5.5. Am Ende: wenig Theologie, viele praktische Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 7.6. Die vorläufig letzte Dialogkonferenz – Amman 1997 . . . . . . . 494 7.6.1. Die Grußworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 7.6.2. Die Grundlinien der Menschenwürde . . . . . . . . . . . 498 7.6.3. Menschenrechte historisch konkret . . . . . . . . . . . . . 506 7.6.4. Herausforderungen für die Zukunft . . . . . . . . . . . . 516 7.6.5. Ein positives Resümee für alle Dialoge mit der Al Albeit Foundation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 8. Kontakte zum Sekretariat für Interreligiösen Dialog, Teheran . . . . . 525 8.1. Die Anfänge noch unter dem Schah . . . . . . . . . . . . . . . . 525 8.2. Ein Dialog zur theologischen Beurteilung der Moderne . . . . . 526 8.2.1. Die Entwicklung der Moderne im Westen . . . . . . . . . 528 8.2.2. Asien und die Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 8.3. Ein Dialog zur religiösen Pluralität – Fortsetzung nötig . . . . . 530 8.4. Ein Dialog zur Jugend und viele alte Fragen . . . . . . . . . . . . 531 9. Islamic-Catholic Liaison Committee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 9.1. Die Schaffung des Islamic-Catholic Liaison Committee . . . . . 532 9.2. Das erste Treffen in Kairo – Themen können nur angerissen werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 9.3. Das zweite Treffen in Rabat: viele heikle Punkte . . . . . . . . . . 534 9.4. Das dritte Treffen: sehr anthropologische Themen . . . . . . . . 534 9.5. Das vierte Treffen: die Dialogkultur und religiöse Werte . . . . . 535 9.6. Die Entwicklung: weniger Themen, mehr Diskussion . . . . . . 536 9.7. Erstaunliche Einigkeit zum Heiligen Land: Zwei-Staaten-Lösung 538 9.8. Menschenwürde und -rechte in bewaffneten Konflikten . . . . . 539

Inhalt

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10. Gemeinsames Dialogkomitee mit der Al-Azhar-Universität . . . . . . 540 10.1. Die ersten Kontakte zur Al-Azhar-Universität . . . . . . . . . . . 540 10.2. Das Gründungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 10.3. Die Entwicklung der Zusammenarbeit: trotz Schwierigkeiten immer besser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 10.4. Das Zeugnis der Al-Azhar beim Friedensgebet in Assisi 2002 . . 544 10.5. Treffen 2002 – ein Auftakt zum Einsatz gegen religiösen Extremismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 11. Regionale Dialoge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 11.1. Die regionalen Dialoge: von Anfang an eine Aktivität der gesamten Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 11.2. 1988 zu Nordafrika – auch mögliche Anstöße für andere . . . . 548 11.3. 1991 Westafrika – der entscheidende Punkt: Demokratie . . . . 550 11.3.1. Eine ganze Reihe von Empfehlungen . . . . . . . . . . . . 551 11.4. 1994 Südostasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 11.4.1. Eine sehr positive Würdigung von Kardinal Arinze . . . 551 11.4.2. Ein christliches Plädoyer für asiatische Werte . . . . . . . 553 11.4.3. Der Abschlussbericht: ein typisches Plädoyer für Solidarität 554 12. Ausblicke: schwierig, aber doch hoffnungsvoll . . . . . . . . . . . . . . 555 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 1. Die Stellungnahmen des Lehramts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 1.1. Das Zweite Vatikanische Konzil und seine Zeit . . . . . . . . . . 559 1.2. Die offiziellen Stellungnahmen des Lehramts . . . . . . . . . . . 560 1.3. Das Lehramt Pauls VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 1.4. Das Lehramt Johannes Paul II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 1.5. Dokumente der Kurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 2. Die eigenen Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 2.1. Die Ausgangsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 2.2. Publikationen der Commission pour les Relations Religieuses avec les Musulmans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 2.2.1. Harmonie und Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 2.2.2. Nachschlagewerk zum Islam – Sonderfall Algerien . . . . 570 2.2.3. Gemeinsames Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 2.2.4. Religion und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 2.2.5. Dialogerfahrungen am Vorabend des dritten Jahrtausends 576 2.2.6. Religionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577

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Inhalt

2.3. Weitere Publikationen des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 3. Die christlich-muslimischen Dialoge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 3.1. Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 3.2. Dialoge mit Libyen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 3.2.1. Der fulminante Auftakt 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . 590 3.2.2. Koexistenz und Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 3.2.3. Religion und Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . 595 3.2.4. Problemfall Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 3.2.5. Perspektiven dieses Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 3.3. Die europäische Situation im Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . 597 3.4. Dialog zu Heiligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 3.5. Dialoge mit der Royal Academy for Islamic Civilization Research, Jordanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 3.5.1. Religiöse Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 3.5.2. Erziehung und Kinderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 602 3.5.3. Frauen in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 3.5.4. Nationalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 3.5.5. Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 3.5.6. Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 3.6. Dialog mit dem Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 3.7. Islamic-Catholic Liaison Committee . . . . . . . . . . . . . . . . 627 3.8. Dialoge mit der Al-Azhar-Universität . . . . . . . . . . . . . . . 628 3.9. Regionale Dialoge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 3.9.1. Nordafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 3.9.2. Westafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 3.9.3. Südostasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 3.9.4. Ostafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 3.10. Nach 40 Jahren Dialog und dem 11. September . . . . . . . . . . 634 4. Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667

Danksagungen

Jedes Buch hat seine Geschichte und manche Bücher haben eine besonders vielfältige und lange Geschichte. Dieses hier gehört eindeutig in die letzte Kategorie. Innerhalb von Monaten nach der Publikation meiner Dissertation ­Christians and Muslims, The Dialogue Activities of the World Council of Churches and their Theological Foundation im Jahr 2000 erhielt ich einen Brief von Père Maurice Borrmans m.afr., den er in seiner Eigenschaft als Herausgeber von Islamochristiana, aber auch höchst spontan und persönlich geschrieben hatte. Er barg die Grundidee zu diesem Buch. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar, auch wenn wahrscheinlich keiner geahnt hat, was für ein langer und steiniger Weg damit für mich beginnen würde. Dafür, dass eine evangelisch-lutherische Pfarrerin über die christlich-muslimischen Dialoge des Vatikan schreibt, kann es durchaus gute Gründe geben, aber es gibt keine vorgebahnten Wege dafür. Hindernisse gab es­ genügend. Da sie in diesem glücklichen Augenblick alle überwunden sind, will ich sie in der Vergangenheit lassen und stattdessen denen danken, die bei ihrer Überwindung geholfen haben. Da wäre zunächst Maurice Borrmans, ohne den es dieses Buch überhaupt nicht gäbe. Leider kann ich ihm diesen Dank nicht mehr persönlich abstatten, sondern nur in Form einer Widmung, da er am vergange­nen Weihnachtsfest verstorben ist. Da ist aber auch S. E. Erzbischof Michael Louis Fitzgerald m.afr., der in seiner Eigenschaft als Präsident des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog die offizielle Genehmigung erteilte, dass ich überhaupt Zugang zu Materialien dieser Institution erhielt. Das Vertrauen dieser beiden Schlüsselfiguren des katholisch-muslimischen Dialogs ehrt mich unendlich. Mein Dank geht aber auch an die Archive des Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf und der Fondazione Piero Rossano in Vezza d’Alba und deren Verantwortliche, die mir großzügig ihr Material für eventuelle weitere Einsichten zur Verfügung gestellt haben. Nicht zuletzt geht mein Dank an Prof. Arij Roest C ­ rollius von der Pontificia Università Gregoriana in Rom, dessen unverblümte Worte in zwei denkwürdigen Gesprächen mir die schwierigen Anfänge der katholischmuslimischen Dialoge sehr nahe brachten. Aber das Buchprojekt hatte auch eine universitäre Seite und damit geht mein großer Dank an Prof. Dr. Klaus Hock, den Religionswissenschaftler der Theologischen Fakultät der Universität Rostock, der bereit war, sich auf dieses Unter­ nehmen als Habilitationsprojekt einzulassen. Er hat geholfen, das Schifflein dieses Forschungs- und Buchprojekts durch die Klippen von vatikanischen und deutschen Regelungen und Vorschriften, von Orginalversion und schon lang begonnener, aber noch nicht fertiggestellter englischer Übersetzung, von inhaltlichen und finanziellen Erfordernissen zu steuern. Er hatte Verständnis dafür, dass auch

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Danksagungen

andere Projekte und Notwendigkeiten gehörig an mir zerrten, und auch die Extraportion Geduld, die es dadurch brauchte. Wenn die Zusammenfassung nicht noch länger ausgefallen ist, so ist dies seinen unerbittlichen Mahnungen zu verdanken. Wer je versucht hat, sich selbst zu kürzen, weiß, wovon ich rede. Mein Dank geht auch an meine eigene Kirche, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern. Eine Beurlaubung und ein Habilitationsstipendium ermöglichten den großflächigen Einstieg in dieses Projekt, manch andere flexible Regelung dessen Fortführung und Vollendung. Möge das jetzt vorliegende Buch nicht nur ein hinreichender Dank, sondern auch eine ökumenische Hilfe sein und werden in diesen Zeiten, in denen die Herausforderungen christlich-muslimischer Begegnung in Deutschland aktueller sind denn je. In diesen Dank schließe ich auch die Harms-Stiftung mit ein, die auch ein beträchtliches Scherflein dazu beigetragen hat, dass dieses Forschungsprojekt weitergehen konnte. Ähnliches gilt von Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel, der mich ins Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Universität Münster geholt hat, obwohl ich mit einem anderen Kollegen institutionell verbandelt war. Dies hat mir manche wichtige kollegiale Begegnung ermöglicht, die es sonst nicht gegeben hätte. Darunter möchte ich eine völlig unerwartete besonders hervorheben – Monsignore Dr. Johannes Paffhausen von der Überwasserkirche in Münster, in deren Pfarrhaus ich ein Jahr lang Unterschlupf fand. Durch seine langjährige Arbeit im vatikanischen Staatssekretariat unter Papst Johannes Paul II war er mir ein hochwillkommener Gesprächspartner, mit dem ich mich völlig unkompliziert über Fragen und Ein­ drücke aus meinem Forschungsprojekt austauschen konnte. Leider kann ich ihm diesen Dank nicht nochmals persönlich aussprechen, da er 2015 verstorben ist. Ähnliches gilt auch für manche aus meinem persönlichen Freundes- und Familienkreis. Im Alleingang, ohne Familie und Freunde, wäre ein solches Projekt mit vielen Hindernissen und Durststrecken nicht zu bewältigen gewesen. Die privat Mitkämpfenden und Mitleidenden wissen das selbst am besten. So seien stellvertretend nur die hervorgehoben, die nun nicht mehr mitfeiern können: Barbara von Ihne, meine mütterliche Freundin und Anlaufstelle in Italien, und besonders meine Mutter selbst. Beide Frauen, die sich nie kennen gelernt haben, einte ihre Zähigkeit, von der sie auch mir eine gute Portion vermittelt haben. Was man begonnen hat, das bringt man zum Ende, war der eherne Grundsatz meiner Mutter. Auch dank der Beharrlichkeit und Flexibilität der Verantwortlichen des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht bin ich nun für die deutschsprachige Veröffentlichung an diesem Ende – und bin dafür sehr dankbar. Caldana, 27. März 2018

Dr. Jutta Sperber

Einleitung 1. Vorbemerkungen Diese Arbeit hat eine bezeichnende Vorgeschichte. Kaum war meine Dissertation Christians and Muslims, The Dialogue Activities of the World Council of Churches and their Theological Foundation1 erschienen, die die christlich-muslimischen Dialoge des Ökumenischen Rats der Kirchen von den Anfängen bis zum Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts thematisch aufarbeitete und auch die theologischen Auseinandersetzungen um die Begründung des interreligiösen Dialogs allgemein darstellte, so erhielt ich einen bemerkenswerten Brief aus Rom von Père Maurice Borrmans, damals verantwortlich für die Zeitschrift Islamochristiana. Er schrieb, that German girl möge doch nach Rom kommen, um dieselbe Arbeit auch für die christlich-muslimischen Dialoge des Vatikan zu machen. Es war ein sehr spontaner Brief, er konnte später nicht sagen, was genau ihn dazu trieb, so zu schreiben. Ich selbst, die ich mir drei Monate vorher noch geschworen hatte, mich nie wieder auf eine solche Materialschlacht einzulassen, war sofort hingerissen von dieser Vorstellung. Die Umsetzung dauerte allerdings, denn eine Protestantin zu finanzieren war schwieriger, als ihr Material anzuvertrauen. So konnte ich erst etliche Jahre später mit der Forschungsarbeit beginnen, unterstützt zunächst von meiner eigenen bayerischen Landeskirche, die mir dafür ein Habilitationsstipendium gab. Der Umfang der Arbeit wurde größtenteils durch die Absprache mit einem finnischen Kollegen bestimmt, Risto Jukko, der ebenfalls an diesen Dialogen interessiert war. Er übernahm den theologischen Part, während ich mich auf die anthropologischen Aspekte konzentrierte, die erwartungsgemäß sehr viel umfangreicher waren. Anthropologie im christlich-muslimischen Dialog muss eben auch den islamischen Ansatz berücksichtigen, der in viel stärkerem Maße rechtlich ist und dies auch mit größter Detailfülle. Der absolute Schwerpunkt der Dialoge lag bei solchen im weitesten Sinn anthropologischen T ­ hemen. Trotz wiederholter Anstrengungen vonseiten der Katholiken weigerte sich die muslimische Seite, sich auf theologische Fragestellungen einzulassen. Vor allem aus diesem Grund lag Risto Jukkos Arbeit Trinity in Unity in Christian-Muslim Relations2 1 Sperber, Jutta, Christians and Muslims, The Dialogue Activities of the World Council of Churches and their Theological Foundation, Theologische Bibliothek Töpelmann 107 (zugl. ev. theol. Diss. Neuendettelsau), Berlin/New York 2000. 2 Jukko, Risto, Trinity in Unity in Christian-Muslim Relations, The Work of the Pontifical Council for Interreligious Dialogue, History of Christian-Muslim Relations 7, Leiden/Boston 2007.

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Einleitung

deutlich vor der meinen vor. Der Titel ist Programm – es geht ihm um die theologische Perspektive der katholischen Kirche auf den Dialog, um Fragen wie Christologie, Pneumatologie und Reich-Gottes-Lehre in diesem Zusammenhang. Sofern Fragen der Anthropologie vorkommen, geht es um ihre christlich-theologische Einordnung in diesen Rahmen, die durchaus wichtig ist, aber es geht nicht um Details und nicht um praktische Konsequenzen jenseits des Dialogs.

2. Forschungslage Wie die spontane Anfrage von Maurice Borrmans beweist, gab (und gibt) es eine Arbeit dieser Art noch nicht, obwohl im Themenbereich schon Arbeiten vorhanden sind, auch solche von ihm selbst, um nur eine sehr aktuelle zu nennen: Dialoguer avec les Musulmans3. Aber die bereits vorliegenden Arbeiten haben andere, nämlich theologische Schwerpunktsetzungen. Erstes Charakteristikum meiner Arbeit ist der konsequente Ansatz bei der Anthropologie, nicht bei der sonst und eben auch bei Risto Jukko im Vordergrund stehenden Theologie, auch wenn es sich eindeutig um eine theologisch verankerte und begründete Anthropologie auf beiden Seiten handelt. Von daher spannt diese Arbeit den Bogen von der Theologie zur Praxis, von theologischen Aussagen über den Menschen zu der Frage, was der Mensch tun sollte, tun darf oder eben nicht. Sie ist daher nicht nur für Theologen interessant, sondern für alle, denen es um das konkrete und eben sehr menschliche Zusammenleben von Christen und Muslimen geht. Die Unterschiede im Gottesbild zwischen Christen und Muslimen dürften weithin bekannt sein, aber sind wirklich alle Probleme gelöst, wenn man die Theologie ausklammert? Oder anders gefragt: Warum gibt es jenseits der Theologie all diese Diskussionen um Islam und Muslime in Gesellschaft und Politik? Diese Fragen führen zur zentralen Fragestellung dieser Arbeit, der theologischen Anthropologie im Gegenüber von Christen und Muslimen. Konkreter Ausgangspunkt meiner Untersuchungen waren dabei die Dokumente der römisch-katholischen Kirche, um deren Aufarbeitung ich gebeten worden war. Meine Aufarbeitung wie auch die daraus entstehende Arbeit ging in aufeinanderfolgenden Schritten vor, man kann auch sagen, sie ging in konzentrischen Kreisen von außen nach innen, beginnend mit dem lehramtlichen Ansatz der katholischen Kirche in dieser Fragen und da wieder mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Dieser Ansatz wird im ersten der drei Hauptkapitel dargestellt, und zwar in hierarchischer und zeitlicher Ordnung, wie es sich für diese Art von Dokumenten nahelegt. Das zweite Hauptcharakteristikum dieser Arbeit ist, dass die Fragestellung über das eigentliche Lehramt hinaus noch konsequent ausge­ 3 Borrmans, Maurice, Dialoguer avec les Musulmans, Une cause perdue ou une cause à gagner?, Paris 2011.

Forschungslage

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zogen wird auf das damalige Sekretariat für die Nichtchristen, heute Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog, sprich, es werden zunächst auch die Publikationen des damaligen Sekretariats für die Nichtchristen mit Bezug zum I­ slam auf die Entfaltung dieser Fragestellung hin untersucht. Das war der zweite Schritt, der historisch gegangen wurde, und wurde so logischerweise zum zweiten Schritt meiner Aufarbeitung, dem auch das zweite Hauptkapitel gewidmet ist. Das dritte Hauptkapitel widmet sich konsequenterweise den christlich-muslimischen Dialogen selbst unter derselben Fragestellung. Dabei werden einerseits die Linien erkennbar, die sich durchziehen, hauptsächlich von katholischer Seite, aber dann eben auch islamischerseits. Es bleiben aber auch einzelne Publikationen, einzelne Dialogveranstaltungen in ihrem Verlauf präsent, denn es war ja gerade die Bitte an mich, Dinge zugänglich zu machen, die sonst einer breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und die auch die Arbeit Risto Jukkos durch ihre Fragestellung so nicht aufnimmt. (Diese Grundstruktur habe ich bewusst bis in die Auswertung hinein beibehalten, gerade da sie, im Gegensatz zur g­ esamten deutschsprachigen Ausarbeitung, in Übersetzung auch in Italien zugänglich sein soll.) Das dritte Hauptkapitel orientiert sich dabei an den unterschiedlichen Gesprächspartnern, die der Vatikan jeweils hatte. Das legte sich nahe, da es eine ganze Reihe von verschiedenen muslimischen Akteuren gab, mit denen man über längere Zeiträume hinweg Dialoge führte, in dem deutlichen, wenn auch in den verwendeten Dokumenten (s. u.) nie direkt ausgesprochenen Bestreben, eine möglichst große Repräsentativität der Dialogpartner auf muslimischer Seite zu gewährleisten. Diese Art der Untergliederung nach Dialogpartnern erlaubt es, auf einzelne Dialogstränge gezielt einzugehen. Gleichzeitig wird in der Summe und auf dem Hintergrund der beiden vorausgegangenen Kapitel sichtbar, wo die muslimischen Schwerpunkte in der anthropologischen Fragestellung liegen, inwieweit sie sich mit dem katholischen Ansatz decken und wo sie sich eben charakteristisch und über die Grenzen der einzelnen Gesprächspartner hinaus unterscheiden und mit welchen Konsequenzen. Schließlich verfolgt meine Arbeit ja das doppelte Ziel, vatikanisches Material zum christlich-muslimischen Dialog zugänglich zu machen und es unter dem Gesichtspunkt der Anthropologie und ihrer konkreten Ausformungen und Konsequenzen aufzuarbeiten. Das bedeutete auch, dass andere katholische Dialogakteure, also regionale Instanzen, Orden oder Universitäten, unberücksichtigt bleiben mussten, weil sie den Rahmen des in einer Arbeit Erfassbaren unweigerlich gesprengt hätten. Dies war eine leider notwendige Beschränkung, um das Thema bearbeitbar zu halten. Der interreligiöse Dialog der katholischen Kirche war natürlich noch umfassender, nicht nur was die katholischen Akteure weltweit angeht, sondern auch in Bezug auf den Dialog mit anderen Religionen als dem Islam. Das betrifft insbesondere die grundlegenden theologischen Entscheidungen, die am Anfang stehen, aber es war gerade nicht das Ziel dieser Arbeit, diese Stränge weiterzuverfolgen. Wer da­ ran interessiert ist, sei beispielsweise auf das von Ernst Fürlinger herausgegebene

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Einleitung

Buch Der Dialog muss weitergehen4 verwiesen, das für das lange Pontifikat von Johannes Paul II auch auf das Gespräch mit Judentum, Buddhismus, Hindu- und traditionellen Religionen eingeht, wobei schön deutlich wird, dass der absolute Schwerpunkt auf dem Islam liegt. Was die von mir aufgearbeiteten christlich-muslimischen Dialoge angeht, so ist spürbar, dass man sich vonseiten des Vatikan einerseits um eine gewisse Repräsentativität der Dialogpartner auf muslimischer Seite bemühte, also mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Repräsentanten sprach, sich andererseits immer bewusst war, dass die eigene Repräsentativität von keinem anderen Partner in irgendeinem interreligiösen Dialog erreicht wird. Wen man wirklich als Dialogpartner gewinnen konnte und über welche Themen wie intensiv gesprochen wurde und wie das dokumentiert ist oder auch nicht, das hängt zwangsläufig stark am Gesprächspartner. In der Praxis gibt es da, gerade am Anfang, auch etliche Zufälligkeiten, um es vorsichtig zu formulieren (s. Quellenlage). Außerdem war man bemüht, auf der eigenen Seite von Anfang an alles an Fachwissen heranzuziehen, das vorhanden war, und es durch das hauseigene Bulletin zu vernetzen, noch über den Dialog mit einer einzigen Religion hinaus, wenn auch die Sonderstellung des Islam als nachchristliche Religion immer wieder betont wird, die den Dialog mit den Muslimen besonders schwierig macht. (Der Dialog mit dem Judentum wird de facto als der christlichen Ökumene zugeordnet behandelt, kommt also in der Arbeit des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog von Anfang an nicht vor, wie immer man das beurteilen mag.) Als immer auch notwendigen zeitlichen Endpunkt der Ausarbeitung wählte ich das Ende des Pontifikats von Johannes Paul II. Das lag äußerlich daran, dass ich den größten Teil dieser Unterlagen noch bei meinem Forschungsaufenthalt in Rom selbst einsehen konnte. Es hat sich aber auch gezeigt, dass danach zumindest vorübergehend ein gewisser Richtungswechsel eingetreten ist mit Benedikt XVI. Somit bildet dieser Zeitraum auch eine inhaltliche Einheit. Die Quellenlage ist unterschiedlich, was sich auch in der Arbeit sichtbar niederschlägt. Zugänglich waren mir die sonst der Öffentlichkeit grundsätzlich verschlossene Bibliothek des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog. Ich versuchte, Zugang auch zu den Archiven zu erreichen, und argumentierte dabei, besonders nach dem 11. September sei es doch angezeigt, die Beziehungen zum Islam in allen positiven und negativen Aspekten offen zu legen, um eine solide Basis für weiteren vertrauensvollen Dialog zu bekommen. Doch mit dieser Argumentation kam ich nicht gegen die strengen Regelungen vatikanischer Archivpolitik an. Sogar die Veröffentlichung von Material aus einem inoffiziellem Handlungsleitfaden aus den Anfängen des Sekretariats, der sich in der hauseigenen Bibliothek befand und den ich auch einsehen konnte, wurde mir schluss 4 Fürlinger, Ernst (Hrsg.), Der Dialog muss weitergehen, Ausgewählte vatikanische Dokumente zum interreligiösen Dialog (1964–2008), Freiburg/Basel/Wien 2009.

Hilfen für den Leser

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endlich verboten, sodass diese Arbeit in der Schlussphase nochmals umgearbeitet werden musste. Die Darstellung der Arbeit des Sekretariats und besonders die Rekonstruktion von Dialogen, die in sehr unterschiedlichem Umfang publiziert wurden, wäre sehr erleichtert worden, hätte man mir den Zugriff und Verweis auf Archivalien gestattet. Das kann man nur bedauern, aber momentan nicht ändern. Ich habe versucht, diese Lücke in den Archiven des Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf und in der Fondazione Pietro Rossano in Vezza d’Alba im Piemont zu schließen, die das Erbe dieses für die Anfangsjahre des Sekretariats so wichtigen Mannes zu bewahren sucht. Dieses Material ist als Hintergrundinformation mit eingeflossen. Zu einem entscheidenden Punkt, dem ersten christlich-muslimischen Dialog des Vatikan überhaupt auf Einladung aus Libyen, hatte ich durch eines der Gespräche, die ich in Rom führte, einen ausführlichen Einblick aus der Perspektive eines Teilnehmers erhalten, musste mich aber verpflichten, nichts direkt zu zitieren. Mein Wissen ist lediglich in die Art der Darstellung eingeflossen, die dem Leser den einen oder anderen Schluss nahelegt, ohne ihn expressis verbis zu ziehen.

3. Hilfen für den Leser Was diese Arbeit angeht, so konnte ich weidlich auf Erfahrungen zurückgreifen, die ich bei meiner Doktorarbeit über die christlich-muslimischen Dialoge des Ökumenischen Rats der Kirchen und deren theologische Begründung schon gemacht hatte. Allerdings gibt es auch charakteristische Veränderungen. Da diese Arbeit sich von vorneherein auf anthropologische Fragestellungen konzentriert, schien mir eine weitere thematische Untergliederung nach angesprochenen Einzelthemen nicht sinnvoll. Dazu kommt, dass sich auf katholischer Seite viel mehr bewusst gewählte und durchgehende Linien aufweisen lassen, als dies beim Ökumenischen Rat der Kirchen der Fall war. Darauf immer wieder hinzuweisen, war mir ein Anliegen. Außerdem ist gerade im Bereich der Dialoge die Quellenlage so unterschiedlich, wie oben dargelegt, dass es einfach klarer ist, die einzelnen Stränge nebeneinanderzustellen. Eine sie übergreifende inhaltliche Zusammenfassung würde die Gewichte zwischen den unterschiedlichen Dialogen mit verschiedenen Gesprächspartnern verzerren. Es ist aber wieder, ähnlich wie bei der Dissertation, möglich, die einzelnen Kapitel, obwohl sie inhaltlich aufeinander Bezug nehmen, von den Anmerkungen her auch allein zu lesen. Das wird im Schriftbild der zu den jeweiligen Kapiteln gehörigen Anmerkungen sofort deutlich. Es ist ja auch durchaus verständlich, wenn ein Leser sich nur für die Dialoge oder auch nur für die sonst schwer zugänglichen Veröffentlichungen des Sekretariats interessiert, und er soll dies möglichst bequem tun können. Die Darstellungen brauchen folglich eine vom wörtlichen über das indirekte Zitat bis hin zur Zusammenfassung abgestufte, relativ große Nähe zu den Texten, über die

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Einleitung

sie einen Überblick verschaffen sollen. Das liegt in der Natur der Sache. Oft aber erschien es nötig, um Sachverhalte sichtbar und verständlich zu machen, die in einem größeren Kontext stehen, entsprechende Kommentare einzufügen. Diese sind entweder durch eine kurze Klammerbemerkung oder aber, sofern sie länger sind, durch Kursivschrift kenntlich gemacht. Diese Kommentare haben dann auch meistens Eingang in die Auswertung gefunden. Weiterhin habe ich, um die Arbeit zu entlasten, wieder auf das System der Sammelanmerkungen zurückgegriffen: Die Quellen wörtlicher Zitate werden grundsätzlich am Anfang genannt, weitere Quellen in der Reihe der Verwendung, sonstige Verweise eigens gekennzeichnet danach. Was die Umschrift arabischer Begriffe angeht, so habe ich mich, bis auf wenige Begriffe, die inzwischen als eingedeutscht gelten können, an die Vorgaben in den mir vorliegenden Texten gehalten. Da sie ja sozusagen aus einer einheitlichen Quelle stammen, erschien mir das gerechtfertigt. Der Kürze halber wird im Text das Wort katholisch verwendet, auch wenn man eigentlich genauer römisch-katholisch schreiben müsste. Ist allerdings von Ostkirchen die Rede, so sind damit nicht die unierten, sondern die orthodoxen Kirchen gemeint. Das ist aber nur in seltenen Fällen überhaupt der Fall. Abkürzungen im Literaturverzeichnis orientieren sich wieder an der Liste von Siegfried Schwertner in der Theologischen Realenzyklopädie. Im Literaturverzeichnis sind gleiche Texte in unterschiedlichen Ausgaben einander zugeordnet, desgleichen Autoren, auch wenn ihre Namen unterschiedlich geschrieben sind. Dazu musste ich teilweise auch zu größeren Ergänzungen an dieser Stelle greifen – ein Prinz fügt sich etwas schwer in normale Ordnungsschemata ein. Da Namen und Veranstaltungstitel vorkommen, gehe ich streng nach dem Alphabet vor, ohne irgendwelchen Artikeln eine Sonderrolle einzuräumen, außer der, dass sie konsequent hintereinanderstehen und Worte, die zufällig auch mit dem arabischen Al beginnen, erst danach angeführt werden.

Die theologischen Grundlagen für den Dialog mit Muslimen – das Lehramt

Die Arbeit einer vatikanischen Institution wie der des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog ist erwartungsgemäß in hohem Maß geprägt von den offiziellen Stellungnahmen des Lehramts der Kirche zu den Themenstellungen seiner Arbeit. Das zeigt sich am schönsten darin, dass dieser Rat selbst zum dreißigjährigen Jubiläum seines Bestehens einen Sammelband in italienischer Sprache in Auftrag gegeben hat, der in chronologischer Ordnung alle Stellungnahmen vereint, die seine Arbeit betreffen, und dass dieser Band in den folgenden Jahren auch, mit den jeweils aktuellen Ergänzungen, in englischer und französischer Sprache erschien. Die unmittelbare Zielsetzung war dabei eine doppelte: zum einen, den eigenen Gläubigen einen leichteren Zugang zu dem zu verschaffen, was ihre Kirche von den nichtchristlichen Religionen und dem interreligiösen Dialog denkt und sie damit gerade auf letzteren vorzubereiten, zum anderen, dieses Gedankengut in konzentrierter Form auch den Anhängern anderer Religionen sozusagen anzubieten – beides wiederum auf der Basis von einschlägigen Aussagen eben dieses Lehramts.1 1 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux (éd.), Le dialogue interreligieux dans l’enseignement officiel de l’église catholique (1963–1997), Documents rassemblés par Francesco Gioia, s.l. 1998, p. 3–5. Dabei werden auch die früheren Ausgaben in italienischer (Dokumente 1963–1993) bzw. englischer (Dokumente 1963–1995) Sprache erwähnt sowie der inhaltlich wichtige Umstand, dass der Dialog mit den Juden ausgeklammert bleibt, da dafür ja auch eine eigene Kommission, übrigens zur gleichen Zeit geschaffen wie die Kommission für den Islam, innerhalb des Sekretariats für die Nichtchristen, am 23.10.1974 (so Fitzgerald, M[ichael] L[ouis], The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, Islamochristiana 1 (1975), p. 87), zuständig ist und nicht der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog. (Zu diesen und anderen Details dieses Buches s. auch die Vorstellung des Autors selbst: Gioia, Francesco, Presentation of the Book Il diaolog inter-religioso nel magistero pontificio: Documenti 1963–1993, BPCDIR 87 (1994), p. 214 f.) Lehramtsentscheidungen werden im Folgenden nach diesem Sammelband zitiert, soweit möglich, und zwar nach der bei Beginn dieser Arbeit aktuellsten (französischen) Ausgabe, aber mit Angabe der internen Nummerierung (n.), die ein leichtes und schnelles Auffinden auch in den anderssprachigen Ausgaben ermöglicht. (2006 ist eine aktualisierte italienische Ausgabe erschienen, die die Texte bis 2005 aufarbeitet, doch konnte diese nicht mehr berücksichtigt werden und ist wohl auch nur für den katholischen Bereich interessant, in dem aus­reichende Italienischkenntnisse üblicher sind. Auf anderer Basis gibt es inzwischen auch einen deutschen Band, der noch bis in die Zeit Benedikts XVI. hineinreicht: CIBEDO e. V. (Hrsg.), Die offiziellen Dokumente der katholischen Kirche zum Dialog mit dem Islam, Regensburg 2009. Dieser Band kann hier nur empfohlen, aber nicht mehr eingearbeitet werden.) Auch bei den Konzilstexten und Enzykliken wurde auf das Latein verzichtet, da in der Folge des Konzils die Bedeutung dieser Sprache auch in der katholischen Kirche doch drastisch abgenommen

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Die theologischen Grundlagen für den Dialog mit Muslimen – das Lehramt 

1. Das Zweite Vatikanische Konzil 1.1. Nostra Aetate – die Religionen erstmals im Blick Der heutige Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog war als Sekretariat für die Nichtchristen ein Geschöpf des Zweiten Vatikanischen Konzils. Daher waren die neuen Entscheidungen dieses Konzils zum Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen und ihren Anhängern von ganz besonderer Bedeutung. In vielen Punkten sind sie allerdings noch ganz allgemeiner Art, es gibt nur wenige Passagen, die schon konkret auf bestimmte Religionen und deren Anhänger eingehen. Eine Ausnahme bildet Nostra Aetate (28.10.1965), das aber mit Blick auf den Islam v. a. auf inhaltliche Übereinstimmungen in der Lehre, angefangen mit dem Glauben an Gott, den Schöpfer, der auch anderweitig betont wird, abhebt. Erwähnung finden auch die Feindseligkeiten zwischen Christen und Muslimen sowie die Hochschätzung eines moralischen Lebens durch die Muslime. Der Absatz endet in einer Aufforderung, im Interesse aller Menschen gemeinsam die soziale Gerechtigkeit, die moralischen Werte, den Frieden und die Freiheit zu schützen und voranzubringen.2 hat und im interreligiösen Dialog praktisch nur die französische und die englische Sprache von größerer Bedeutung waren. Wer nur einen Kurzüberblick über die wichtigsten Entwicklungen bzgl. interreligiöser Dialog und katholische Kirche sucht, sei verwiesen auf Kroeger, James H., Milestones in Interreligious Dialogue, Studies in Interreligious Dialogue 7 (1997), p. ­232–239. Wer einen Kurzüberblick über Fragen und Entwicklungen des christlich-muslimischen Dialogs sucht, sei verwiesen auf Michel, Thomas, Islamo-Christian Dialogue: Reflections on the ­Recent Teachings of the Church, BSNC 59 (1985), p. 172–193, mit bemerkenswerten Ergebnissen, die auch heute noch (oder wieder) Gültigkeit haben: „Neither community can await an idealized partner for dialogue to begin. (…) [W]e cannot postpone our taking up the challenges (…) u ­ ntil the times change, for history shows us that the times will not change until we change them.“ (p. 192) Ebenfalls eine gute Zusammenfassung ist Zago, Marcello, Le Magistère sur le Dialogue Islamo-Chrétien, BSNC 62 (1986), p. 171–181. Die ersten Seiten geben eine gute Erklärung zu Charakter und Rolle des kirchlichen Lehramts überhaupt sowie zur Position, die demgegenüber das Sekretariat einnimmt: „D’une manière générale le Secrétariat sert de caisse de résonance pour le magistère papal, universel, régional, local. C’est aussi un centre de /p. 177 partage des réflexions et des expériences dialogiques d’hommes et de groupes du monde entier. Il veut en particulier animer et encourager le dialogue, qui doit être assumé comme une tâche surtout par les églises particulières pour engager tout le monde.“ (p. 176/177). 2 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 16–17, n. 7–8, vgl. auch Lumen Gentium, ib., p. 21, n. 23. Was die Einschätzung der Entstehung des Sekretariats für die Nichtchristen angeht, s. ib., p. 125, n. 196, wo Paul VI selbst sagt: „Il est bien certain que ce Secrétariat, étant donné sa destination précise, se situe hors du deuxième Concile du Vatican. Il est cependant né de l’atmosphère d’union et de bonne entente qui a nettement caractérisé le Concile.“ Johannes Paul II nennt es zum 25-jährigen Jubiläum „un des fruits les plus concrets et durables du Concile Vatican II“ (ib., p. 425, n. 584). Zur Enstehungsgeschichte von Nostra Aetate s. Henry, A[ntonin]-M[arie] (éd.), Les relations de l’église avec les religions non chrétiennes, Unam

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Sanctam 61, Paris 1966. Dort findet sich ein sehr aufschlussreicher Artikel von Robert Caspar (La religion musulmane, p. 201–236) sowie eine Chronologie der Ereignisse (p. 285–286) und ein synoptischer Überblick über die verschiedenen Textfassungen (Les formes successives de la déclaration, p. 287–305). Caspar betont p. 204–205 die Rolle Pauls VI beim Zustandekommen des Dokuments in dieser Form und urteilt insgesamt (p. 219), „l’intention du Concile était de rechercher les convergences doctrinales qui, en rendant justice à la grandeur et aux aspects de vérité de la foi musulmane, justifieraient un dialogue et une collaboration pratiques“ – andere Punkte wurden demgegenüber hintan gestellt. Das deckt sich mit der p. 207–208 von ihm deutlich herausgearbeiteten theologiegeschichtlichen Einmaligkeit dieser Entwicklung, mit der durchaus nicht alle Konzilsväter so einverstanden waren (s.p. 201–202.207.230). Des weiteren sei auf die Angaben Anm. 3 u. 20 verwiesen. Bühlmann, Walbert, Alle haben denselben Gott, Begegnung mit den Menschen und Religionen Asiens, Frankfurt/Main 1978, S.  26–39 bietet ebenfalls einen gut lesbaren Überblick über die Entwicklungen bzgl. der entscheidenden Konzilsartikel und des Sekretariats für die Nichtchristen. Für den interreligiösen Dialog und das Sekretariat für die Nichtchristen allgemein kann Nostra Aetate nicht hoch genug eingeschätzt werden, s. Borrmans, Maurice, L’esprit de la déclaration Nostra Aetate: Paul VI et Jean Paul II en dialogue avec les Musulmans, dans: Isizoh, Chidi Denis (ed.), Milestones in Interreligious Dialogue, A Reading of Selected Catholic Church Documents on Relations with People of Other Religions, Essays in Honour of Francis Cardinal Arinze, Rome/Lagos 2002, p.  47, wo gleich zu Anfang von der Carta des interreligiösen Dialogs und vom Gründungstext des Sekretariats die Rede ist. Jedoch wird gleich auf der nächsten Seite gesagt, dass es dem Artikel eben darum geht, zu zeigen, welchen Gebrauch Paul VI und Johannes Paul II von den knappen Aussagen zu Islam und Muslimen gemacht haben und wie sie sie weiter interpretiert haben. Gerade Johannes Paul II und sein Lehramt hätten sich hier als sehr wichtig, ja geradezu prophetisch erwiesen, so p. 56 f. Als ein besonderer Punkt, der Vertiefung benötigte, wird p. 60 die Frage einer ‚gemeinsamen‘ Ethik genannt, über die hinweg Nostra Aetate sehr schnell zur nötigen Zusammenarbeit übergegangen sei, und daraufhin (p. 61) das Engagement Johannes Pauls II für die Menschenrechte und besonders für die Religionsfreiheit gewürdigt, was ja auch am Ende dieser Ausführungen stehen wird. Umgekehrt hat auch Nostra Aetate in Theologie und Kirche eine Vorgeschichte, die nach Nordafrika weist, wie Henri Teissier sehr schön darlegt in seinem Artikel L’experience Missionaire de l’Eglise au Maghreb et la Mission du Conseil pontifical pour le Dialogue inter-religieux, BPCDIR 72 (1989), p. 323–333. Ebenfalls nicht unterbewertet werden darf die Rolle von Kardinal Agostino Bea bei der Erstellung des Textes von Nostra Aetate wie bei der Errichtung des Sekretariats für die Nichtchristen – ganz im Gegenteil kommt ihm dabei eine Schlüsselrolle zu, so Schmidt, Stjepan, Cardinal Bea and Interreligious Dialogue, BPCDIR 74 (1990), p. 143–149. Interessant ist auch, dass ib., p. 145 f gesagt wird, von der Planung her seien die drei Schlüsselideen gewesen, dass Gott der Vater aller Menschen sei, dass sie alle Seine Kinder seien und dass sie deshalb alle Brüder seien. Daraus ergebe sich automatisch, dass jede Form von Diskriminierung, Gewalt oder Verfolgung aus nationalistischen oder rassistischen Gründen zu verurteilen sei. Eine der schönsten Fromulierungen zur Entstehung des Sekretariats für die Nichtchristen aber findet sich zweifellos bei Zago, Marcello, The Life and Activity of the Pontifical Council for Inter-religious Dialogue, BPCDIR 74 (1990), p. 151: „One might say that the Secretariat had Paul VI as founder, the Secretariat for Unity as Godfather,and (sic!) the declaration ‚Nostra Aetate‘ as its charter, giving it both inspiration and identity.“ Ein anderer soll aber an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, den Fitzgerald, Michael L[ouis]/Borelli, John (edd.), Interfaith Dialogue, A Catholic View, London/Maryknoll 2006 als Propheten des Dialogs einordnet, was den Islam angeht: Louis Massignon (1883–1962). Von ihm heißt es (ab p. 229): „Maybe more than any other /p. 230 individual, he prepared the way for the new attitude of the Catholic church towards Islam expressed in the conciliar declaration Nostra Aetate.“

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Eine der Hauptintentionen von Nostra Aetate war ja, zu untersuchen, was die Menschen gemeinsam haben und was sie antreibt, gemeinsam ihre Bestimmung zu leben – also eine durchaus anthropologische Fragestellung. Darauf antwortet Nostra Aetate damit, dass alle Völker einen gemeinsamen Ursprung und ein gemeinsames Ziel haben, nämlich Gott, und von daher eine einzige Gemeinschaft bilden. Auf diesem Hintergrund ist auch keinerlei Diskriminierung von Menschen möglich. Von den verschiedenen Religionen erwarten die Menschen Antwort auf die verborgenen und zeitlosen Rätsel ihrer Existenz, so zum Beispiel: Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel seines Lebens? Was ist das Gute und was ist die Sünde? Was sind Ursache und Sinn des Leidens? Was ist der Tod? Was ist schließlich das letzte Geheimnis, das unsere Existenz umgibt?3

3 Zitiert nach Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 15, n. 3, s. auch n. 1–2 und p. 19, n. 17–19. Auch Gaudium et Spes betont dieses gemeinsame Ziel, s. ib., p. 38, n. 66 und v. a. p. 39/40, n. 71. Zu weiteren Hintergründen von Nostra Aetate s. Kaulig, Ludger, Ebenen des christlich-islamischen Dialogs, Beobachtungen und Analysen zu den Wegen einer Begegnung, Christentum und Islam im Dialog/Christian-Muslim Relations 3 (zugleich kath.theol. Diss. Bochum), Münster 2004, S. 7–12. Kaulig arbeitet heraus, dass der eigentliche Schwerpunkt des Entwurfs und der Diskussionen das Verhältnis zum Judentum war. Der Islam und die anderen Religionen wurden erst relativ kurzfristig und damit auch kurz aufgenommen. Ebenfalls lesenswert dazu ist der Artikel von Maurice Borrmans, Les évaluations en conflit autour de N ­ ostra ­Aetate, Communio 25/5 (2000), p. 96–123, der auch auf die politischen Konflikte rund um diese Konzilserklärung eingeht (vgl. a. Anm. 2). Gerade die Aussage zur Einheit aller Menschen, da sie ihre Existenz auf dieser Erde Gott verdankten und auch Gott als Ziel ihrer Existenz hätten, fand durchaus Widerhall bei den Muslimen, so beispielsweise Dr. H. Munawir Sjadzali, Minister for Religious Affairs in the Government of Indonesia, Received the Pope in the Name of All Religious Believers in Indonesia, with the Following Address, 10 October 1989, BPCDIR 73 (1990), p.  10. Im Nachhinein wurden diese Aussagen auch als Begründung für den interreligiösen Dialog genommen, so Rossano, Pietro, Le cheminemnt du dialogue interreligieux de ­„Nostra­ Aetate“ à nos jours, BPCDIR 74 (1990), p. 131–133.137, während man, wie das folgende Kapitel schön zeigt, allein dem Wort Dialog anfangs sehr skeptisch gegenüberstand. Später wurde er aber als Ernstnehmen des konkreten Gegenübers gesehen, der eben mehr ist als bloßes Objekt kirchlicher Mission, und als angemesssene Antwort auf das Konzept der Einheit aller Menschen, das von Gott ausgeht. Gerade NA 1a verweise nicht nur darauf, was die Menschen gemeinsam hätten, sondern „ce qu’ils sont en commun“ (ib., p. 132). Rossano sieht nicht nur die philosophisch-theologischen Wurzeln, auf die das Konzil zurückgreift (Dialogisches oder neues Denken, vorangetrieben von Männern wie Buber, Heidegger, Jaspers oder Guardini, um nur einige wenige zu nennen), sondern er erkennt auch, dass dies kirchengeschichtlich ein Dammbruch war, der (wohl nicht zufällig) zusammenfiel mit dem Ende des Eurozentrismus in Kirche und Gesellschaft. Wie sehr sich die neue Sicht durchgesetzt hat, zeigt sehr schön die Predigt von Kardinal Francis Arinze, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, anlässlich des Silberjubiläums, wo er (In Faith and Gratitude, BPCDIR 74 (1990), p. 117) sagte: „It is this ‚i. e. the catholic‘ Church which promotes and must promote both the encounter with all other believers and the proclamation of the Gospel to every man and woman.“

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1.2. Dignitatis Humanae – Religionsfreiheit im Namen der Menschenwürde Wie schon der Name verrät, geht Dignitatis Humanae (7.12.1965) in besonderer Weise auf den Menschen und die ihm gegebene Würde ein. Zur Würde der Person, die in Gottes Wort, aber auch in der Vernunft begründet ist und sich in Vernunft und freiem Willen und in der Folge auch persönlicher Verantwortlichkeit ausdrückt, gehört auch das Recht auf Religionsfreiheit. Seine Natur drängt den Menschen zur Wahrheitssuche, gerade im Bereich der Religion, und der Mensch hat von seiner göttlichen Disposition her auch Zugang zur Wahrheit – besonders hervorgehoben werden hier das Gewissen des Menschen und das göttliche Gesetz, das die Welt und damit auch die Menschen regiert. Daraus erwächst dem Menschen aber auch die Verpflichtung zur Wahrheitssuche. Die soziale Natur des Menschen (und der Religion) wiederum bewirkt, dass diese Religionsfreiheit nicht nur eine innere Freiheit des Gewissens sein kann, sondern eine Freiheit der Religionsausübung des Einzelnen in der Gemeinschaft sein muss. Dazu gehören dann auch Gottesdienst, Unterricht, religiöse Autoritäten, Aktivitäten karitativer oder kultureller Art, entsprechende Gebäude und nicht zuletzt Verkündigung auch außerhalb der eigenen Gemeinschaft – freilich alles mit Rücksicht auf die berechtigten Forderungen der öffentlichen Ordnung. Das Recht auf aktive Religionsfreiheit aber muss bürgerliches Recht werden, seine Verweigerung stellt eine Verletzung der menschlichen Person und der göttlichen Ordnung für die Menschen dar. Eine weltliche Macht soll das religiöse Leben der Bürger anerkennen und fördern, es aber lenken und hindern zu wollen, geht über ihre Kompetenzen hinaus. Es fällt auf, dass in den Fußnoten nicht nur ein Thomas von Aquin genannt ist, um zu zeigen, wie sehr dieses Bild des Menschen und seiner Fähigkeiten in der katholischen Tradition verwurzelt ist, sondern beispielsweise auch die Enzyklika Mit brennender Sorge von Pius XI, die auf die konkrete Bedrohung eben dieser Religionsfreiheit in der Zeit des Nationalsozialismus verweist.4 4 Nach Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 23–27, n. 29–40, die Anmerkungen sind 17 und 18 p. 25 bzw. 15 p. 24. Was das verwandte Thema des besonderen Schutzes von Minderheiten und ihren – auch religiösen – Rechten angeht, so wird es in Gaudium et Spes kurz angesprochen, s. ib., p. 41/42, n. 79. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Artikel von Onah, Godfrey I., Reflections on Dignitatis Humanae, 2–4, in: Isizoh, Chidi ­Denis (ed.), Milestones in Interreligious Dialogue, A Reading of Selected Church Documents on Relations with People of Other Religions, Essays in Honour of Francis Cardinal Arinze, Rome/ Lagos 2002, p. 83–110, dessen Unterüberschrift lautet: The Anthropological Basis for Interreligious Dialogue. Von daher ist der Artikel breiter angelegt als diese Darstellung, dafür umso grundsätzlicher. Er streicht zunächst Würde und Freiheit als die beiden Säulen der Anthropologie des Zweiten Vatikanums heraus und betont, dass sie erst im Laufe des 20.  Jahrhunderts für alle Menschen interessant und auch als charakteristisch für alle angesehen wurden. Er sieht Dignitatis Humanae stark in der Tradition der philosophischen Gottesebenbildlichkeit im

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Was keine Erwähnung findet, ist die Problematik einer weltlichen Macht, die sich gleichzeitig als religiös versteht und von daher eine etwas andere Vorstellung von Religionsfreiheit entwickelt hat, wie das eben beim Islam der Fall ist. Sinne von capax Dei und damit letztlich eben in den Kategorien der analogia entis des ja auch erwähnten Thomas von Aquin, wobei in dieser Frage wie auch in der Frage der Auswirkungen der Sünde auf die Gottesebenbildlichkeit des Menschen die abweichende Haltung der protestantischen Theologie durchaus erwähnt wird. Im Sinne dieses ontologischen capax Dei als Begründung der Menschenwürde wird die Anthropologie des Zweiten Vatikanums auch durchaus als eine restaurative gesehen gegenüber Ansätzen der existentialistischen Philosophie, aber auch gegenüber Descartes und Kant. Interessant ist auch, dass Joseph Ratzinger (jetzt Papst Benedikt XVI) in einem frühen Kommentar zum Konzil betonte, dieser Ansatz bei der in vieler Hinsicht gegenüber dem NT unklaren Gottesebenbildlichkeit des AT sei typisch für den Geist des Dialogs (p. 92 f). Es ist sicherlich, wie der Autor meint, weise, bei der menschlichen Vernunft zu beginnen, die zumindest potenziell allen Menschen gemeinsam ist, und dann erst zum Glauben zu gehen. Die Konfrontationsstellung gegenüber totalitären Staaten und Gesellschaften kommt nach Meinung von Onah besonders bei der Definition von Freiheit zum Tragen, die weitaus stärker als Freiheit von denn als Freiheit zu gesehen wird, und zwar in dem doppelten Sinn, dass der Mensch weder gezwungen werden dürfe, gegen sein Gewissen zu handeln noch abgehalten werden dürfe, nach seinem Gewissen zu handeln. Bezüglich der Erwähnung des öffentlichen Zeugnisses heißt es p. 100: „This was the nearest that the Council came to making a reference to the freedom of choice in religious freedom“ – was ja im Gegenüber zum Islam die heikelste aller Fragen ist. Wichtig sei auch die Feststellung, dass Freiheit, gerade die Religionsfreiheit zu den grundlegenden, den natürlichen Rechten des Menschen gehöre, weil sie eben in der Natur des Menschen, in seiner Gottesebenbildlichkeit verankert sei (der Mensch könne nicht offen für Gott sein, wenn er nicht frei sei, was aber nicht Beliebigkeit bedeute, denn das Gewissen dürfe sich nicht der Transzedenz verschließen, deren Stimme es sei). Damit sei die Freiheit wie die Gottesebenbildlichkeit letztlich unverlierbar. So kommt Onah zu einigen sehr prägnanten Formulierungen bzgl. Anthropologie gerade im Blick auf den (interreligiösen) Dialog: „The dignity of the human person, his freedom and his social nature – these are some of the anthropological factors that commend and even sometimes command dialogue as means of a healthy interaction between human beings. (…) Since religion has to do with man’s relation with God and every human being is naturally capable of this relation, does it then mean that man is naturally religious? Precisely! Every human being is naturally religious, even when he does not profess any formal religion.“ (p. 105) Und der vorletzte Satz lautet bezeichnenderweise (p. 110): „Human beings are likely to agree more easily about human nature than about the nature of God.“ Das dürfte, auch wenn das nicht expressis verbis an dieser Stelle gesagt wird, doch damit zusammenhängen, dass die logische und die phänomenologische Ebene für den Menschen doch leichter zugänglich sind als die beschworene ontologische Ebene. An dieser Stelle sei aber auch darauf hingewiesen, dass dieses wichtige Konzilsdokument bis zu seiner schließlichen Annahme auch heftig diskutiert und angefochten wurde und in seiner jetzigen Formulierung kaum ahnen lässt, dass die Kirche dieser Haltung keineswegs immer treu gewesen ist, ja dass sie sie noch 100 Jahre vorher schärfstens verurteilt und bekämpft hat und noch Pius XII für das Ideal des Katholizismus als Staatsreligion eingetreten war, während hier erstmals ein anderes Ideal ins Spiel kommt: das der Unabhängigkeit von Kirche und Staat bei gleichzeitiger Zusammenarbeit für das Gemeinwohl (was, wie gerade dieses Kapitel zeigen wird, später immer mehr betont wird, gerade auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit fehlender Religionsfreiheit im islamischen Bereich). Dazu relativ ausführlich: Caspar, Robert, Pour une théologie chrétienne du monde sécularisé: quelques perspectives récentes, dans: Groupe de recherches islamo-chrétien (éd.), Pluralisme et laicité, Chrétiens et musulmans proposent, Paris 1996,

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1.3. Weitere Konzilserklärungen – die Menschheit ist im Blick In den übrigen Verlautbarungen des Konzils sind die anthropologischen Verweise im zumindest interreligiösen Rahmen nicht so deutlich. Lumen Gentium (21.11.1964) streicht die Kirche auch als Zeichen und Mittel der Einheit des Menschengeschlechts heraus, betont aber gleichzeitig, dass auch in Herz und Denken der Menschen, in ihren Riten und Kulturen Spuren des Guten vorhanden sind, welche die Kirche aufnimmt, reinigt und zur Vollendung bringt.5 Ad ­Gentes (7.12.1965) vertieft das mit Blick auf die Verkündigung: Alle Christen, besonders aber Priester und Missionare müssen die Kultur der Landes kennen (lernen, u. a. vor Ort), in dem sie leben und wirken, um so eben diese Spuren erkennen und aufnehmen zu können. Immigranten werden in diesem missionarischen Zusammenhang durchaus positiv gesehen. Grundsätzlich ist Christus und mit ihm die Kirche, die von ihm Zeugnis gibt, nirgendwo fremd, denn Christus ist das Modell der erneuerten Menschheit, das ja die Christen in der auch religiösen Kultur des jeweiligen Landes leben sollen. Somit hat die Mission ausdrücklich eine enge Verbindung zur menschlichen Natur. Rein menschlich betrachtet, auch das wird erwähnt, war das Evangelium das Ferment für Freiheit und Fortschritt und ist das Ferment für Brüderlichkeit, Einheit und Frieden.6 Gaudium et Spes (7.12.1965) betont zum einen nochmals die Menschlichkeit Jesu, zum anderen auch die mögliche Funktion der Kirche als Verbindungsglied zwischen verschiedenen menschlichen Gemeinschaften und Nationen. Ausdrücklich erkennt die Kirche alles an, was die Einheit der Menschheit fördert, unter den erwähnten Verdiensten der Moderne ist hier wohl der Wille, bessere Lebensbedingungen für alle zu schaffen, besonders hervorzuheben. Die Verlautbarung schließt mit einem Satz, der sicher besonders für die Muslime gilt, mit denen wir, wie an anderer, ähnlicher Stelle erwähnt, zwar nicht den Glauben, aber viele Werte teilen: „Et puisque nous sommes destinés à une seule et même vocation divine, nous pouvons aussi et nous devons coopérer, sans violence et sans arrière-pensée, à la construction du monde dans une paix véritable.“7 p. 188–191, der dazu p. 190 ausdrücklich schreibt: „Exactement un siècle plus tard, Vatican II reprend à son compte la proposition condamnée. Réjouissons-nous, mais ayons un peu de mémoire!“ Das gilt vielleicht gerade und besonders im Gegenüber zu den Muslimen und der islamischen Welt. 5 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 19, n. 20 und p. 22, n. 24. 6 S. p. 27–37, n. 41–62, besonders p. 28/29, n. 43. In diesem Zusammenhang ist auch Dei Verbum zu erwähnen, das spezielle Bibelausgaben für Nichtchristen nahe legt, s. ib., p. 23, n. 27. 7 Ib., p. 42, n. 82, vgl. a. p. 37–42, n. 63–81 (besonders p. 37, n. 63, p. 38/39, n. 67–69, p. 40, n. 74) und Apostolicam Actuositatem, ib. p. 23, n. 28. Kaulig betont S. 36 bzgl. Gaudium et Spes, dass es die Menschenwürde an die Berufung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott koppelt, eine Verbindung, die durchaus geläufig wird. Insgesamt werden die anthropologischen Aussagen des Zweiten Vatikanums als theologisches Kodifizierung des homo religiosus gewertet, ein

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2. Die offiziellen Stellungnahmen des Lehramts 2.1. Das Pontifikat Pauls VI 2.1.1. Paul VI und die Gründung des Sekretariats für die Nichtchristen Die zunächst für das Sekretariat für die Nichtchristen wichtigsten Dokumente waren sicherlich die beiden, die seine Gründung und Zielsetzung festlegten, Progrediente Concilio (19.5.1964) und Regimini Ecclesiae Universae. Im ersten Dokument wird ausdrücklich betont, dass dieser Schritt sowohl auf dem Fortgang des Zweiten Vatikanischen Konzils als auch auf persönlichen Erwägungen Papst Pauls VI beruht. Als Präsident des neu errichteten Sekretariats wird Kardinal Paul Marella benannt, wegen seiner Klugheit/Vorsicht und seiner Kenntnis der Religionen – in dieser Reihenfolge. Das zweite Dokument vom 15.8.1967 ist detaillierter, was organisatorische Regelungen betrifft. Es stellt fest, dass dem Präsidenten ein Sekretär und ein Untersekretär zuarbeiten. Die Mitglieder des Sekretariats werden, außer dem Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, vom Papst ausgewählt, sei es aus den Reihen des Kardinalskollegiums, sei es auf Vorschlag der Bischofskonferenzen in Missionsländern oder anderen Ländern mit einem hohen Anteil von Nichtchristen. Das Sekretariat wird von einer Gruppe von vom Papst genehmigten Experten beraten. Dem Sekretariat angebunden ist ein Büro für die Beziehungen zu den Muslimen (gegründet 1.3.1965), das einzige in seiner Art, was deutlich die Bedeutung zeigt, die man den Muslimen zumisst. Die Ziele sind dagegen wesentlich offener formuliert: Das Sekretariat soll – ausdrücklich ohne die Kongregation für die Evange­ lisierung der Völker in ihren Zuständigkeiten zu beschneiden – nicht nur Studien zum Thema voranbringen, sondern auch Kontakte zu den Nichtchristen unterhalten, damit so die gegenseitige Wertschätzung wachsen kann. Auf diesen menschlichen Aspekt wird besonderer Wert gelegt. Dem Sekretariat obliegt es, die Wege dahin zu finden und auch der Ansprechpartner bzw. die zuständige Instanz für Initiativen und Ausbildung im Bereich Dialog zu sein.8 Konzept, das für die Arbeit des Sekretariats für die Nichtchristen zentral wird, so z. B. Rossano, P[ietro], Contents of Dialogue with Non-Christians, BSNC 26 (1974), p. 143–144 und ders., Le cheminement du dialogue interreligieux de „Nostra Aetate“ à nos jours, BPCDIR 74 (1990), p. 134, wo er außerdem davon spricht, dass damit der anthropologische Pessimismus in der katholischen Mission überwunden wurde. Interessant dürfte ferner die Aussage von Fitzgerald/ Borelli, p. 136 sein: „Since the Vatican Council there has been little development in the official teaching of the Church about Islam“. 8 Nach Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux., p.  45/46, n.  84 und p.  66, n. 139–140, außerdem s. Anm. 2. Auch die Aussagen einer Ansprache des Papstes zum Pfingstfest 1964 gehen in diese Richtung, betonen aber auch den inneren Zusammenhang mit diesem Fest, was wohl als Anspielung auf die Einbindung des Sekretariats in den missionarischen Auftrag der Kirche gewertet werden muss (ib., p. 124, n. 194). In einer Rede vom 23.6.1964 an

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2.1.2. Ecclesiam Suam – ein erster Wegbereiter des interreligiösen Dialogs Auch in diesem Bereich des Dialogs gibt es Vorgaben, die wohl sogar die Konzilstexte entscheidend inspiriert haben, zu finden v. a. in der Enzyklika Ecclesiam Suam (6.8.1964), der es eigentlich um die Haltungen geht, welche die katholische Kirche in der Welt von heute einzunehmen habe. Dazu gehört die Aufgabe der Verkündigung, der Mission. Für deren innere Triebfeder, die Nächstenliebe, wird dieses damals neu gebräuchlich gewordene Wort Dialog benutzt. Die weiteren Ausführungen machen deutlich, wie das gedacht werden kann. Die gesamte Offenbarung Gottes könne als Dialog verstanden werden. Gott bietet der Kirche durch Jesus Christus im Heiligen Geist eine dialogische Beziehung an und die Kirche wiederum sollte eine solche Beziehung zur Menschheit herstellen. Der Dialog wird aber, mehr anthropologisch gedacht, gerade in seiner Variabilität auch als die beste Form der Beziehung zu den Menschen der modernen Welt bezeichnet. Das Ziel der Bekehrung wird dabei nicht aus den Augen verloren, doch bevor man einen Menschen bekehren kann, ja um ihn bekehren zu können, muss man erst einmal auf ihn zugehen und mit ihm reden. Der Dialog ist also auch ein Mittel der Mission. Die Bedas Kardinalskollegium betont Paul VI dagegen, dass er mit diesem Sekretariat ein klare Demonstration der katholischen Dimension der Kirche zu geben denke, so zitiert bei Borrmans,­ Maurice, Le pape Paul VI et les musulmans, Islamochristiana 4 (1978), p. 4. Dies spiegelt sich im Selbstverständnis des Sekretariats, so Rossano, Pietro, The Secretariat for Non-Christian Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems, BSNC 41/42 (1979), p. 89: „[W]e represent the external sign of the interest of the Church for the immense multitude of the followers of religious traditions in the world.“ Gerade dieser Artikel aber zeigt sehr ehrlich auf, dass zwischen Anspruch und konkreter Wirklichkeit bisweilen ein recht großer Unterschied bestand, so z. B. p. 100: „Coresponsible with the Secretariat are the Members with whom we would like to work more closely. We also have, on paper, a distinguished group of Consultors. As I have said, we would like to call on them more than we have done in the past.“ Sehr umfassende und detaillierte Informationen liefert auch Fitzgerald, p. 87: Von der Struktur eines typischen Kurienorgans mit (in der Regel) einem Kardinal als Präsidenten, einem Sekretär und einem Untersekretär, Kardinälen und Bischöfen als Mitglieder bis hin zu elf Beratern, die auf Islam spezialisiert sind, von den Korrespondenten einmal ganz abgesehen. Zum Subsekretariat für Islam s. Caspar, p. 204. Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass die Gründung des Sekretariats zeitlich noch vor den Konzilsdokumenten Lumen Gentium (21.11.1964) und Nostra Aetate (28.10.1965) und sogar vor der Magna Carta des Dialogs, Ecclesiam Suam (6.8.1964) liegt. Aus einem Brief Pauls VI geht hervor, dass er den Plan zur Gründung des Sekretariats bereits bei der Eröffnung der zweiten Session des Konzils hatte, so Arinze, Francis, Reflections on the Silver Jubilee of the Pontifical Council for Inter-religious Dialogue, BPCDIR 72 (1989), p. 313–318. Die Sonderrolle der Islamkommission dagegen beschreibt der erste Sekretär des­ Sekretariats, Pierre Humbertclaude, im Aufsatz „Clarification of the Nature and Role of the Secretariat for non-Christians“, BSNC 11 (1969), p. 87 folgendermaßen: „Even before the Secretariat was set up, there already existed a Commission on Islam which had a life of its own and continued to operate on these lines after the official creation of the Secretariat, to which it was united only a year later. As it was already constituted with its own head and its own records, it remained distinct from the Secretariat while at the same time being united with it.“

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kehrung ist aber nicht unmittelbar im Blickfeld, um die Freiheit und Würde des Gegenübers zu respektieren, im Blick ist der Vorteil des Gegenübers (man darf sich zwar nicht als Zivilisation, wohl aber als deren Urheber verstehen) und eine umfassendere Gemeinschaft von Gefühlen und Überzeugungen. Der Dialog ist also auch eine Kunst der geistlichen Gemeinschaft, nicht einfach Konversation. Als solcher sollte er klar sein, d. h., Dialog setzt voraus, ja erfordert, dass man sich versteht. Er sollte milde sein, nicht hochmütig oder verletzend oder polemisch. Er sollte von Vertrauen geprägt sein, denn das ist die Voraussetzung für Freundschaft. Und er sollte (pädagogisch) klug sein und die psychologischen und moralischen Voraussetzungen, die Empfindlichkeiten des Zuhörers berücksichtigen. Im recht verstandenen Dialog gibt es keine Vorverurteilung, sondern es verbinden sich Wahrheit und Barmherzigkeit, Intelligenz und Liebe. Das Klima des Dialogs ist die Freundschaft, ja der Dienst am anderen. Ein solcher Dialog ist schon in sich eine Erklärung für einen ehrlichen Frieden in Freiheit. Das Gegenüber dieses Dialogs kommt auch konkreter ins Blickfeld, wobei betont wird, dass die Botschaft der Kirche allen Menschen gilt, besonders aber den Armen. Die Muslime werden als Anbeter des einen Gottes zum inneren Kreis gezählt und damit besonders hervorgehoben. Sie verdienen Bewunderung für das, was an Wahrem und Gutem in ihrer Verehrung Gottes vorhanden ist. Zu den ganz allgemein aufgeführten geistlichen und moralischen Werten, welche die Kirche mit den Religionen gemeinsam voranbringen und verteidigen kann, werden (wieder) Religionsfreiheit, die Brüderlichkeit aller Menschen, eine gesunde Kultur, soziales Wohlergehen und eine bürgerliche Ordnung genannt. Theologisch und anthropologisch besonders bemerkenswert als Begründung für den Dialog ist aber ein anderer Satz: „S’il existe dans l’homme une âme naturellement chrétienne, nous voulons lui rendre hommage de notre estime et de notre conversation.“9 9 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 59, n. 123, s. auch p. 46.48–51.53– 54.58.62–63, n. 85.91.95.97–98.104.106–108.121.124.132–134. Willi Henkel spricht von d ­ ieser Enzyklika in seinem Aufsatz Directions in Vatican Documents on Interreligious Dialogue, erschienen in Daneel, Inus/Van Engen, Charles/Vroom, Hendrik (edd.), Fullness of Life for All, Challenges for Mission in Early 21st Century, Amsterdam/New York 2003, p. 236 mit Recht als „‚Magna Charta‘ of dialogue“. Denselben Ausdruck gebrauchte Johannes Paul II fast 20 Jahre früher in einer Rede an das Sekretariat für die Nichtchristen (Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  294, n.  418, vgl. auch eine Rede an Bischöfe aus dem Iran, p.  618, n. 817*). Borrmans, Le Pape Paul VI et les Musulmans, p. 5–6 spricht ausdrücklich von der frappanten Ähnlichkeit zu den späteren Konzilstexten (die Caspar, p. 213 als gegeben voraussetzt, vgl. a. Anm. 19) und deren Grundhaltung und stellt die These auf, Paul VI habe damit das Programm seines Pontifikats aufgestellt (es ist seine erste Enzyklika, worauf auch Johannes Paul II verweist, s. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 503, n. 686), das er dann trotz aller Schwierigkeiten auch umzusetzen versucht habe. Er erwähnt auch gleich zu Beginn seines Artikels p. 1, dass der spätere Papst durch eine langjährige und tiefe Freundschaft mit Louis Massignon verbunden war. Caspar wiederum erwähnt p. 212, an. 25, Ecclesiam Suam sei das erste päpstliche Dokument, das positiv vom Islam spreche.

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2.1.3. Weitere Enzykliken: Hilfe für die Menschen – innerlich und äußerlich Evangelii Nuntiandi (8.12.1975) stellt noch einmal ausdrücklich klar, dass die Neuentwicklungen des Zweiten Vatikanischen Konzils keinesfalls als Begründung für eine Abkehr von der Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen genommen werden dürfen. Diese dürfe nur nicht mit Mitteln wie Gewissenszwang oder Überredung arbeiten. An sich sei die Verkündigung des Evangeliums aber kein Angriff auf die Religionsfreiheit, sondern eine Hommage an diese, da sie ja erst eine Wahlmöglichkeit schaffe. Ja, es gebe sogar ein Menschenrecht auf die Gute Botschaft. Schließlich, das ist der Ausgangspunkt, sind die Religionen zwar der lebendige Ausdruck der Seele vieler Menschen und tragen in sich den Wiederhall von Jahrtausenden von aufrichtiger und redlicher Gottessuche – an dieser Stelle wird das Gebet, an anderer die Buße genannt – aber eben einer Suche, die nicht an ihr Ziel gelangt sei. Daher bräuchten die Menschen – und ihre Kultur(en) – das Evangelium.10 Dabei geht es, das betont schon Populorum Progressio (26.3.1967), nicht nur um eine wirtschaftliche, sondern eben vordringlich um eine menschliche Entwicklung, die auch moralische und geistliche Aspekte hat, die das eigentliche Ziel darstellen. Im Mittelpunkt des Dialogs sollen nicht Waren oder Techniken stehen, sondern der Mensch. Das ist letztendlich auch die dauerhaftere Entwicklungshilfe, womit wieder deutlich wird, wie eng die grundsätzlichen Entscheidungen und Zielsetzungen dann doch mit ganz konkreten Auswirkungen verbunden sein können: „Entre les civilisations comme entre les personnes, un dialogue sincère est en effet créateur de fraternité. (…) Passée l’assistance, les relations ainsi établies dureront. Qui ne voit de quel poids elles seront pour la paix du monde?“11

2.2. Das Pontifikat Johannes Pauls II 2.2.1. Die frühen Enzykliken – wenig Direktes zum Islam Papst Johannes Paul II führte die Linie fort, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil und seinem Vorgänger vorgegeben worden war. Auf den Islam selbst wird, v. a. unter anthropologischen Gesichtspunkten, kaum eingegangen. Verschiedentlich wird die Würde des Menschen betont, der Respekt auch vor dem Andersgläubigen, zum Beispiel in Familiaris Consortio (22.11.1981) in Verbindung mit inter 10 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 67–68.71–72, n. 141–143.148–149, zu Buße s. Paenitemini, ib., p. 64, n. 136. 11 Ib., p. 65, n. 137.

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religiösen Mischehen. In diesem Zusammenhang wird noch einmal betont, dass die Nächstenliebe in jedem Menschen den Bruder sieht, besonders dann, wenn dieser arm und schwach ist, leidet und ungerecht behandelt wird – eine Aussage, die in praktischen Zusammenhängen von großer Bedeutung sein kann. Trotz des Wissens um die Sünde(n) der Menschen steht, so Sollicitudo Rei Socialis (30.12.1987), das Vertrauen in den Menschen und seine Fähigkeiten, begründet in der Gottesebenbildlichkeit, im Vordergrund. Es gebe keinen Grund für Pessimismus, Passivität und Hoffnungslosigkeit, man könne sich mit so etwas genauso versündigen wie mit Egoismus oder Machtstreben. Praktisch interessant ist auch die Aufzählung von verschiedenen Formen des Dialogs in Redemptoris Missio (7.12.1990): Vom Austausch zwischen religiösen Experten oder offiziellen Repräsentanten bis zur Zusammenarbeit für eine ganzheitliche Entwicklung und den Schutz religiöser Werte, vom gegenseitigen Austausch geistlicher Erfahrungen bis zum Dialog des Lebens, wo man sich im Alltag gegenseitig Zeugnis gibt von den jeweiligen menschlichen und geistlichen Werten und sich gegenseitig hilft, eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft aufzubauen. Dominum et Vivificantem (18.5.1986) dagegen argumentiert mehr religionstheologisch und nennt die Tatsache, dass die letzte Berufung des Menschen eine einzige sei, als eine der theologischen Begründungen für die Annahme, der Heilige Geist biete allen Menschen, auf eine Weise, die nur Gott allein kenne, die Teilhabe am Paschamysterium. Am persönlichsten aber wird die Argumentation dort, wo der Papst (wiederholt) auf das von ihm ins Leben gerufene Gebet der Religionen für den Frieden in Assisi eingeht: Der Frieden und seine Voraussetzung, die Entwicklung des Menschen als Einzelperson und als Gemeinschaft, seien eben auch eine religiöse Frage und, so seine mehrfach geäußerte persönliche Überzeugung, jedes echte Gebet sei durch den Heiligen Geist hervorgebracht, der auf geheimnisvolle Weise im Herzen eines jeden Menschen gegenwärtig sei.12 12 Zur Würde des Menschen s. z. B. Redemptor Hominis, ib., p. 75, n. 153–154, im Zusammenhang mit Mischehen ib., p. 78/79, n. 161, zur Nächstenliebe ib., p. 76, n. 157, zur Einschätzung des Menschen ib., p. 85/86, n. 171, zu den Formen des Dialogs ib., p. 93, n. 180, zur Theologie der Religionen ib., p. 85, n. 170. zu Assisi s. Sollicitudo Rei Socialis, ib., p. 87/88, n. 174 und Redemptoris Missio, ib. p. 89/90, n. 177, des Weiteren ist BSNC 64 (1987) praktisch insgesamt diesem Anlass gewidmet. Interessant ist die Gesamteinschätzung Johannes Pauls II in Rossano, Le cheminement du dialogue interreligieux de „Nostra Aetate“ à nos jours, p. 136: „Jean Paul ii a par suite confirmé le cheminement du dialogue par le puissant charisme de sa personnalité. Dès sa première encyclique Redemptor Hominis et dès son premier pèlerinage à Yasna Gora, la rencontre avec les religions non-chrétiennes apparaît comme l’une des priorités de son ministère universal. Ayant attentivement suivi de Rome les efforts de dialogue interreligieux, de ses origines à nos jours, je pense pouvoir affirmer que celui-ci se serait arrêté, qu’il se serait égaré et perdu dans les péripéties de mille et une discussions s’il n’y avait pas eu la main sûr des Papes pour en ouvrir et en soutenir le cheminement. C’est de cette impulsion et de ces directives du Pape qu’ont bénéficié les épiscopats et les Eglises catholiques d’Amérique, d’Asie et d’Afrique, et mêmes les communautés chrétiennes qui adhèrent au Conseil OEcuménique des Eglises.“

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2.2.2. Redemptionis Anno – Jerusalem und das Heilige Land im Fokus Eine Sonderstellung nimmt sicherlich die Enzyklika Redemptionis Anno ein, veröffentlicht aus gegebenem Anlass am Karfreitag, dem 20.4.1984. Eine Pilgerreise des Papstes ins Heilige Land wie 20 Jahre vorher durch Paul VI war leider nicht möglich gewesen. Doch sagt und zeigt die Enzyklika, dass die Probleme des Heiligen Landes und seiner Bewohner dem Papst sehr wohl bekannt sind. An kaum einer anderen Stelle, die der Dialog zwischen Christen und Muslimen berührt, ist menschliches Leid so unmittelbar und scheint so tragisch unentrinnbar. Was im Abstand von ungefähr einem Vierteljahrhundert bei der Lektüre dieses Textes am meisten berührt, ist seine erschreckende Aktualität. Nach wie vor erheben zwei Völker und drei Religionen, alle mit guten, religiös und historisch untermauerten Gründen, Anspruch auf dieses Land und besonders auf Jerusalem als heilige Stadt. Vom Anspruch her ist Jerusalem eine Stadt des Friedens für die ganze Menschheit und besonders für die, die den einen Gott anbeten. In der Wirklichkeit ist Jerusalem die Ursache für ständige Rivalitäten, für Gewalt und für Sonderforderungen – ein Problem, das nicht nur die betrifft, die dort leben, sondern alle, die dort Glaubensbrüder haben. Sie sollten sich für den Erhalt des einzigartigen Charakters dieser Stadt einsetzen. Die Jerusalemfrage sei entscheidend für die Aufrichtung eines gerechten Friedens im Nahen Osten. Man müsse eine konkrete und gerechte Lösung finden, die dauerhaft die verschiedenen Interessen und Hoffnungen wahrt und ausgleicht. Dies müsste in der Form eines speziellen Statuts geschehen, das vom internationalen Recht und der Übereinkunft der Länder so abgesichert ist, dass keine Seite es wieder infrage stellen kann. Nach Überzeugung des Papstes können der religiöse Charakter der Stadt und v. a. die Ausübung eines gemeinsamen monotheistischen Glaubens dazu verhelfen. Andererseits erwähnt er damals schon pauschal die Anstrengungen v. a. der Päpste des 20. Jahrhunderts in dieser Sache und spricht von diesem Frieden als einem ganz persönlichen Traum. Was Israelis und Palästinenser angeht, so kann auch er nur von einem Antagonismus reden, mit dem nichts fertig zu werden scheint. Es bleibt das Gebet: „Et puisque le fruit de la rédemption est la réconciliation de l’homme avec Dieu et de chaque homme avec ses frères, il nous faut donc prier pour que, à Jérusalem aussi, dans la Terre Sainte de Jésus, ceux qui croient en Dieu, après tant de divisions et de désaccords douloureux, trouvent la réconciliation et la paix.“13 13 Conseil Ponrifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 83, n. 168, s.a. p. 79–82, n. 162–167, zum Hintergrund und zur genaueren Einordnung s. Kreutz, Andrej, The Vatican and the Palestinians: A Historical Overview, Islamochristiana 18 (1992), p. 109–125. Der Autor, ein durch eine Reihe von Publikationen ausgewiesener Spezialist für die Beziehungen des Vatikans zum Nahen Osten, arbeitet deutlich die Akzentsetzungen und Entwicklungen in verschiedenen Phasen heraus. So stand bis zum Ende des Ersten Weltkriegs eindeutig die Sorge um die heiligen Stätten des Christentums im Vordergrund. Erst parallel zu den Entwicklungen danach wandte sich der Vatikan auch verstärkt den arabischen Christen und ihren Problemen und damit auch

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2.2.3. Der neue Katechismus – eine Zusammenfassung des Bisherigen Ebenfalls eine Sonderstellung, wenn auch anderer Art, hat der neue Katechismus, der am 11.10.1992 veröffentlicht wurde. Wie auch von verschiedenen Kommenta­ den muslimischen Palästinensern zu, die man vorher entweder völlig ignoriert oder denen man Furcht und Misstrauen entgegengebracht hatte. Das Zweite Vatikanische Konzil stärkte sowohl das Verständnis der jüdischen als auch der palästinensischen Seite, wobei bei letzterem sowohl der beginnende Dialog mit dem Islam als auch Aspekte, die generell der Dritte-Welt-Problematik zugeordnet werden können, eine Rolle spielten. So spiegelt die oben genannte Sicht Jerusalems sowie der Rechte aller Seiten auch eine vatikanische Entwicklung wider, und die Tendenz, ja nicht zu konkret zu werden in den Vorschlägen, sondern es lieber bei allgemein gültigen Aufrufen zu belassen, die auch niemandem zu nahe treten können, hat gerade in dieser Frage, wie der Autor nachweist, eine längere Tradition. Der Artikel schießt (p.  123–125) mit Auszügen einer Presseerklärung des Heiligen Stuhls vom 25.1.1991 zu den Beziehungen zum Staat Israel. Diplomatische Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel wurden ja erst 1994 aufgenommen und der erste Botschafter Israels beim Heiligen Stuhl wurde erst im Frühjahr 1997 akkreditiert, so ISRAEL, The New Ambassador to the Holy See Is Received by the Pope (10 April 1997), Islamochristiana 23 (1997), p. 199–200. Kurz darauf, im Juni 1997, wandte sich Johannes Paul II in einem Friedensappell sowohl an Benjamin Netanjahu als auch an Jassir Arafat, so The Holy Father Appeals for Middle-East Peace (16 June 1997), Islamochristiana 23 (1997), p. 252–253. Noch mehr auf Jerusalem zugeschnitten ist Farhat, Edmond (ed.), Gerusalemme nei documenti pontifici, Città del Vaticano 1987, besprochen von Silvio Ferrari in Islamochristiana 14 (1988), p. 362–364. Bethlehem: 22 March 2000, To the Chairman, Palestine Autonomous Territory, and Palestinian Friends, BPCDIR 104/105 (2000), p.  171 betont im Rückgriff auf Redemptionis Anno, der Heilige Stuhl habe immer anerkannt, „that the Palestinian people have a natural right to a homeland“. Zugleich sucht Johannes Paul II aber die Rechte der religiösen Minderheiten, sprich v. a. der palästinensischen Christen zu wahren, und nimmt klar gegen den Terrorismus Stellung (Vatican City: 10 November 2003, To a Delegation of the Organisation for the Liberation of Palestine (Extract), BPCDIR 115 (2004), p. 14. Verschiedene Reden kommen immer wieder auf die Nahostproblematik zurück und betonen die Wichtigkeit einer gerechten, friedlichen Lösung, so z. B. Damascus, Syria: 5th May 2001, Discourse upon­ Arrival at the International Airport (Excerpt), BPCDIR 107 (2001), p. 167–168 und Damascus Syria: 8th May 2001, Discourse of Farewell at the International Airport, BPCDIR 107 (2001), p. 175–176, und gehen mehr oder weniger differenziert auf die Problematik der Situation ein, so beispielsweise Cité du Vatican: 18 mai 2001, Aux nouveaux Ambassadeurs de Népal, Tunisie, Éstonie, Zambie, Guinée, Sri Lanka, Mongolie, Afrique du Sud et Gambie (Extrait), BPCDIR 107 (2001), p. 189, Cité du Vatican: 17 Mai 2002, Au nouvel Ambassadeur de la Jordanie près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 110 (2002), p. 183–184. Besonders gut formuliert ist Cité du Vatican: 12 décembre 2003, A l’Ambassadeur du Qatar près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 115 (2004), p. 22: „En effet, il n’y aura de paix véritable dans cette région que moyennant le renoncement aux violence réciproques et le recours à un dialogue courageux qui puisse aboutir à la reconnaissance du droit de chacun à vivre librement sur sa terre, dans le respect de la justice et de la sécurité pour tous, particulièrement autour des Lieux saints.“ Doch diese schönen und einleuchtenden Argumentationen stehen nicht allein, sie haben eben auch die drängende, fast verzweifelte Seite der Wahrnehmung, wie weit all das von der konkreten Realität weg ist und wie nötig, ja geradezu eine Pflicht es ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass Frieden überhaupt noch möglich ist (so Vatican City, 20 January 2004, To the Participants in the Christian-Muslim Dialogue which Was Organized by the Islamic-Catholic Liaison Committee in Rome, BPCDIR 115 (2004), p. 32 in Rückgriff auf die Botschaft zum Weltfriedenstag 2004).

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toren betont wurde, enthält er, was Muslime, Islam oder auch generell Menschen anderer Religionen angeht, nicht viel und v. a. eigentlich nichts Neues, was aber von der Intention eines Katechismus her auch nicht unbedingt zu erwarten war. Der Islam wird, wie schon in Lumen Gentium, auf der theologischen, nicht auf der anthropologischen Ebene erwähnt. Allgemein wird betont, dass die Beziehung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (anthropologisch) darauf beruht, dass Ursprung (s. z. B. Schöpfungsmythen) und Ziel aller Menschen gleich sind und sie daher auch die Sehnsucht nach Gott in ihrem Herzen tragen, die ihren Ausdruck v. a. im Gebet, aber auch in Opfer, Kult oder Meditation findet. Diese Ausdrucksformen seien so universell, dass man den Menschen getrost als religiöses Wesen bezeichnen könne. Es wird ausdrücklich betont, dass die Kirche die Fähigkeit der menschlichen Vernunft, Gott zu erkennen, verteidigt – dies ist ja auch die Grundlage des Dialogs mit Menschen anderer Religionen. Die Stellung und der Auftrag der (katholischen) Kirche bleiben davon unberührt, erwähnt wird mit einem Zitat aus Lumen Gentium lediglich die Möglichkeit des Heils für die Nichtchristen, die ohne ihr Verschulden Christus und die Kirche nicht kennen und ihrem Gewissen folgen – ohne das allerdings in Einzelheiten auszuführen. Aufnahme findet auch die Gewissens- und damit Religionsfreiheit als Teil der Menschenwürde. Zu den Details gehören die Tatsache, dass der Bund Gottes mit Noah (und damit mit allen Menschen) im Katechismus erwähnt wird und anscheinend als noch gültig betrachtet wird, wie auch die Erwähnung von interreligiösen Mischehen mit der besonderen Problematik der Erziehung der Kinder, die sich dadurch stellt. Sehr interessant ist auch die Aufforderung, reiche Länder sollten, so weit es ihnen möglich ist, Fremde willkommen heißen, die Sicherheit und lebensnotwendiges materielles Wohlergehen brauchen. Umgekehrt sollten Immigranten in Dankbarkeit das materielle und geistliche Erbe der Gastländer respektieren. Dies ist einer der vielen Punkte, wo Angehörige anderer Religionen oder gar Muslime nicht ausdrücklich erwähnt werden, aber mit gedacht werden können, wie es Bischof Michael Fitzgerald, damals Sekretär des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, in seinem Kommentar zum Katechismus verschiedentlich herausstreicht. Auch seinem abschließenden Urteil über die Frage nach anderen Religionen in diesem Katechismus wird man sich nur anschließen können: „It may well be that a later catechism will have more to say about the relations of the Church with other religions.“14 14 Fitzgerald, Michael L[ouis], Other Religions in the Catechism of the Catholic Church, Islamochristiana 19 (1993), p. 41, s. a. p. 29–30.32–40 (p. 35 geht er darauf ein, dass der Katechismus sich klar von Offenbarungen distanziert, die über die Offenbarung in Christus hinausgehen oder diese korrigieren wollen – der Islam wird hier zwar nicht eigens genannt, ist aber offensichtlich auch gemeint) und Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 92–97, n.  181–184. (Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, p.  91 erwähnt übrigens, dass die Berater des Sekretariats gefordert hatten, dass die Beziehungen zu Muslimen in den Katechismen positiv dargestellt werden sollten.) Direkt an den Artikel von Michael­

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2.2.4. Weitere Schreiben: gemeinsame und spezielle Situationen und Aufgaben im Blick So benennt auch Tertio Millennio Adveniente (10.11.1994) zwei für die Kirche unerlässliche Arbeitsfelder: die Konfrontation mit dem Säkularismus und den Fitzgerald zum Katechismus schließt sich ein anderer Artikel über den Katechismus an, der unbedingte Erwähnung verdient: Arkoun, Mohammed, Réflexions d’un musulman sur le „nouveau catéchisme“, Islamochristiana 19 (1993), p. 43–54. Der Artikel war ursprünglich im April 1993 in der Revue des deux mondes erschienen und wurde für den Nachdruck auf Wunsch des Autors mit einem Postskriptum versehen, das dem Text etwas von seiner Schärfe nimmt. Der Autor ist Algerier und Franzose und war lange Zeit Professor an der Sorbonne und Direktor des Institut d’Études Arabes et Islamiques de Paris III sowie Mitglied der Groupe de Recherches Islamo-Chrétien. Seine Kritik am ‚neuen‘ Katechismus ist eine sehr grundsätzliche. Er hält dieses Dokument, das auch außerhalb der katholischen Kirche aufmerksam wahrgenommen wird, für absolut kontraproduktiv, was den Dialog mit den Muslimen und überhaupt mit anderen Religionen oder der Moderne angeht. Es sei Zeugnis einer in sich geschlossenen Glaubens- und Offenbarungswelt und werde, gerade auf muslimischer Seite, eine vergleichbare Haltung des sich Abschließens in der Welt der eigenen Offenbarung und ihrer traditionellen Auslegung nur befördern – gerade das, wogegen der Autor jahrzehntelang gearbeitet hat und noch arbeitet: „Les discours pour la paix par les religions, sur la tolérance, les secours humanitaires, la justice et la liberté pour tous les peuples fleuriront d’autant plus que les clôtures dogmatiques seront officiellement verrouillées et gardées pour chaque religion.“ (p. 46) Er sieht auf christlich-westlicher Seite ein System in Funktion, das die Verbindungen zwischen Religion und Politik ausblendet und sich so über die eigene Rolle in der Gesellschaft und der Welt hinwegtäuscht. Er sieht dabei die (auch typisch französisch) säkulare, wissenschaftlich geprägte Welt der Moderne in ihrer Geschlossenheit, Machtposition und damit Opposition zu den anderen, weniger so entwickelten Welten durchaus parallel zur geistig geschlossenen Welt des Katechismus, nur dass der säkulare Katechismus Menschenrechte heißt und die humanitäre Haltung nicht Dogmen, sondern die eigene, zuerst direkt koloniale, jetzt wirtschaftliche Vormachtstellung verschleiert, die nun Menschen bei Problemen hilft, die sie selbst erst geschaffen hat. Auch und gerade auf dem Gebiet der Wissenschaft(en) sieht er diese unhinterfragte Definitionsmacht am Werk – nur das Judentum hat noch solche Denker aufzubieten, alle anderen Religionen „sont livrées au regard froid, distant, pas toujours désinteressé d’observateurs plus ou moins libérés d’une grille de perception et d’interprétation élaborée par la raison scientifique hégémonique.“ (p. 51) Was den Islam angeht, so sind seiner Meinung nach die Folgen dieser überwältigenden Vormachtstellung auf allen Gebieten besonders drastisch: reihenweise Fehleinschätzungen v. a. des modernen ‚Islam‘ und das Verhindern einer innerislamischen Neudefinition, ja überhaupt Diskussion des Verhältnisses von religiös zu politisch. Ihm schwebt ein offener, nicht normativer Diskurs aller über die Offenbarungstexte der verschiedenen Religionen vor, der z. B. auch die religiösen Paradigmen des Christentums für die säkularisierten Menschen des Westens wieder erschließen kann. Im Postskriptum betont er noch einmal, dass es ihm eigentlich nicht um Wertungen ging, sondern um eine ganz andere Sache, nämlich die religiöse Anthropologie, die er allerdings für in diesem Bereich noch äußerst ausbaubedürftig hält: „[I]l me semble possible et nécessaire de défendre, d’expliquer, de fonder intellectuellement le principe d’une recherche et d’un enseignement portant sur l’anthropologie religieuse, indissociable de l’anthropologie sociale et culturelle. Je m’efforce de faire découvrir aux musulmans cette discipline qu’ils ignorent encore dans leur écrasante majorité; mais je maintiens aussi que la pratique actuelle de l’anthropologie reste éloignée des problèmes soulevés justement par le type de regard intellectuel qui commande le discours du Nouveau Catéchisme.“ (p. 53).

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Dialog mit den großen Religionen  – schon an sich eine sprechende Formulierung. Innerhalb dieses interreligiösen Dialogs wiederum müssten der Dialog mit den Juden und der mit den Muslimen einen besonderen Platz haben. Der Papst drückte hier den Wunsch aus, Gott möge es schenken, dass solche Treffen auch an den besonders symbolträchtigen Orten stattfinden könnten, und wurde dann mit Blick auf Bethlehem, Jerusalem und den Berg Sinai auch gleich konkreter.15 Einen besonderen Platz nimmt Vita Consecrata (25.3.1986) ein, das auf die Rolle der Orden u. a. im interreligiösen Dialog eingeht, auch wenn der Islam dabei nicht genannt wird. Wenn aber z. B. betont wird, die Präsenz kontemplativen Lebens sei besonders da wichtig, wo andere Religionen verbreiteter seien als das Christentum, so lässt sich dabei unschwer an islamische Länder denken. Wo es um interreligiösen Dialog zwischen verschiedenen Formen des Mönchstums geht, ist der Islam dagegen verhältnismäßig uninteressant. Die Präsenz von Orden, so heißt es allgemein, werde den interreligiösen Dialog befördern – in dem Sinn, dass im Rahmen des Evangelisierungsauftrags nun auch der interreligiöse Dialog zu einer Aufgabe wird, der sich die Orden nicht entziehen können, angefangen bei der Ausbildung ihrer Mitglieder. Die ihnen charakteristische Geistesfreiheit werde besonders den Dialog des Lebens fördern. Es geht aber auch um ein physisches und spirituelles Mitleiden und um gemeinsames Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die aktiven Orden könnten einen Dialog der Werke aufbauen, und der Beitrag von Nonnen wäre besonders wichtig, wenn es um die Förderung der Würde der Frau und um die Gleichheit und rechtverstandene Gegenseitigkeit der Geschlechter gehe.16 Es gab aber auf diesem Niveau auch Stellungnahmen zur Lage in bestimmten Regionen, beispielsweise Afrika. In Ecclesia in Africa (14.9.1995) werden die Christen nochmals ermahnt, nicht zu vergessen, dass die Muslime den Glauben Abrahams nachahmen und nach den Forderungen des Dekalogs leben wollten. Es sei Gottes Wille, dass wir, in Respekt gegenüber den je eigenen Werten und religiösen Traditionen, von ihm Zeugnis ablegten. Gott will aber nicht derjenige sein, in dessen Namen man andere Menschen tötet. Es wird besonders über die Religionsfreiheit zu wachen sein, die äußerlichen, öffentlichen Manifestationen des Glaubens (die für den Islam ja ein besonderes Problem darstellen) ausdrücklich eingeschlossen. Die abschließenden Worte zum Dialog mit den Muslimen in Afrika könnten eigentlich überall gelten: „Chrétiens et musulmans sont appelés à promouvoir un dialogue exempt de tous les dangers qu’entraînent un irénisme de mauvais aloi ou un fondamentalisme militant, et à s’élever contre des politiques déloyales, ainsi que contre tout manque de réciprocité en matière de liberté religieuse.“17 15 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.102–103, n. 190*. 16 S. ib., p. 106.110–111, n. 194*.198*. 17 Ib., p. 105, n.192*.

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Eine weitere solche Stellungnahme war die Exhortation Post-Synodale pour le­ Liban vom Mai 1997. Sie dankte den muslimischen und drusischen Delegierten für ihre Präsenz bei der Synode und für ihre aktive Teilnahme am Dialog und strich allgemein die lange Tradition von Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in diesem Land heraus. Gerade jetzt im Wiederaufbau spiele der Dialog, dem es immer um moralische Werte, soziale Gerechtigkeit, Friede und Freiheit, aber auch um den Schutz des Lebens und der Familie gehen muss, neben der konkreten Zusammenarbeit eine wichtige Rolle, um das gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen. Religiöser Dialog sei dafür unerlässlich, aber Dialog sei nicht nur ein Dialog der Intellektuellen, sondern ein Dialog im ganz alltäglichen Leben und zur Förderung dieses Zusammenlebens mit seinen vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen. Wichtig sei (gerade im Libanon) der Einsatz für das Gemeinwohl, nicht das Schielen auf Partikularinteressen, seien sie die einer bestimmten Person oder einer bestimmten Gruppe. Die katholische Kirche signalisiert ausdrücklich ihre Offenheit für Dialog und Zusammenarbeit auch mit anderen arabischen Ländern. Die libanesischen Christen werden, zusammen mit den Christen anderer arabischer Länder, wegen ihrer Zugehörigkeit zum arabischen Kulturraum als besonders privilegiert eingestuft, um einen authentischen, tiefgründigen Dialog zu führen. Speziell dem Libanon wird in Dialog und Zusammenarbeit eine Vorreiterrolle zugedacht, doch auch im Zusammenhang dieses Textes gibt es wieder Aussagen, die über das Land, ja sogar noch über den angesprochenen christlich-muslimischen Dialog weit hinausgehen: „Pour des hommes de bonne volonté, il est impensable que des membres d’une même communauté humaine, vivant sur la même terre, en viennent à se méfier les uns des autres, à s’opposer et à s’exclure au nom de leurs religions respectives.“18

Die spätere Apostolic Exhortation: Ecclesia in Asia (6.11.1999) geht selbstverständlich nicht in dieser Ausschließlichkeit auf den Islam ein, sondern spricht oft von den Religionen und Kulturen Asiens sowie deren Traditionen und Werten, ja Spiritualität ganz allgemein. Wo der Islam ausdrücklich genannt wird, geht es oft um die eher problematischen Situationen: schwieriges Zusammenleben in einigen überwiegend muslimischen Staaten und besonders die Lage im Heiligen

18 Ib., p. 113, n. 200*, s.a. p. 112.114–115, n. 199*.201*, außerdem Akasheh, Khaled, Une­ espérance nouvelle pour le Liban, Lecture de l’exhortation apostolique post-synodale à la lumière des relations islamo-chrétiennes, dans: Isizoh, Chidi Denis (ed.), Milestones in Inter­religious Dialogue, A Reading of Selected Catholic Church Documents on Relations with People of­ Other Religions, Essays in Honour of Francis Cardinal Arinze, Rome/Lagos 2002, p. 248, wo er betont, dass die Teilnahme von offiziellen muslimischen Repräsentanten des Libanon an der libane­sischen Bischofssynode ein historisches Ereignis bleibe, und zwar für den christlich-­ muslimischen Dialog überall. Die drei Muslime waren vom Papst sogar zum Essen empfangen worden und somit die ersten Muslime überhaupt, die an seinen Tisch gebeten wurden.

Die offiziellen Stellungnahmen des Lehramts

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Land und besonders in Jerusalem, die Anlass zu einem neuen päpstlichen ­Appell gibt, den Frieden und die Einheit der Stadt zu wahren. Auch die wertvollen Erfahrungen der katholischen Kirchen des Ostens im Dialog besonders mit dem Islam werden genannt und die große Chance, welche die bevorstehende Jahrtausendwende für den interreligiösen Dialog allgemein und für Treffen mit den Führern der großen Weltreligionen im Besonderen bietet. Auch ungenannt ist der Islam als Hintergrund deutlich zu erkennen, wenn es darum geht, dass in verschiedenen Ländern die Religionsfreiheit systematisch eingeschränkt bzw. überhaupt nicht gewährt wird. Hier fällt ein Stichwort wie Theokratie, aber es geht auch um Verkündigungsverbot, das nur noch ein stilles Zeugnis des Lebens (v. a. der Orden) zulässt, oder Diskriminierung wegen Übertritts zum Christentum. Es gibt sogar zwei ausdrückliche Appelle, das Recht auf Gewissensund Religionsfreiheit und andere grundlegende Menschenrechte anzuerkennen. Daneben werden auch schon erfolgte positive Erfahrungen genannt, z. B. mit katholischen Schulen, die interreligiöses Verständnis fördern, mit interreligiösem Dialog auf Expertenebene, gemeinsamen Aktionen für ganzheitliche menschliche Entwicklung und die Verteidigung menschlicher und religiöser Werte (besonders der Bereich der Massenmedien wird hier noch als wichtiges zukünftiges Aufgabengebiet genannt) und das interreligiöse Gebetstreffen am 7.10.1986 in Assisi – Gebet und Kontemplation im interreligiösen Dialog sind dem Papst besonders wichtig, der Dialog ja eben nicht nur einfach eine Strategie für ein friedlicheres Zusammenleben der Völker. Die Kirche sieht sich in noch viel tieferem Sinn als Sakrament der Einheit der gesamten Menschheit, dazu gehört aber auch Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung auf internationaler und interreligiöser Ebene, und zwar mit ganz klar ausgedrückten Grundsätzen: „She ‚i. e. the Church‘ continues to insist on the negotiated and non-military reso­ lution of conflicts, and she looks to the day when nations will abandon war as a way of vindicating claims or means of resolving differences. She is convinced that war creates more problems than it ever solves, that dialogue is the only just and noble path to agreement and reconciliation, and that the patient and wise art of peacemaking is especially blessed by God.“19

19 New Delhi, India: 6 November 1999, Apostolic Exhortation: Ecclesia in Asia (Extract), BPCDIR 103 (2000), p. 45, s. a. p. 28–30.32.37.40–46. Der Text zeichnet sich auch noch durch viel mehr Anknüpfungen aus, auf p. 41 z. B. bezeichnet er Nostra Aetate als Magna Carta des interreligiösen Dialogs für unsere Zeit (vgl. a. Anm. 9), p. 41/42 zitiert die Enzyklika Redemptoris Missio zu Zielen und Wegen bzw. Irrwegen des interreligiösen Dialogs und p. 34 schließlich zitiert eine am 5.2.1986 in Madras vor nichtchristlichen Repräsentanten gehaltene Ansprache, welche die christliche Haltung des Respekts gegenüber anderen Religionen anthropologisch begründet, zum einen mit dem Respekt vor dem Menschen in seiner Suche nach Antworten auf die tiefsten Fragen seines Lebens, zum anderen mit dem Respekt vor dem Handeln des Heiligen Geistes im Menschen.

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Novo Millennio Ineunte schließlich charakterisiert das neue Jahrtausend wieder­ holt durch das Gemisch verschiedener Religionen und Kulturen auch in ursprünglich christlichen Ländern und benennt als die Herausforderungen dieses Jahrtausends die ökologische Krise, die Probleme mit dem Frieden, die Verachtung für die grundlegenden Menschenrechte vieler Menschen (gefolgt von einem Exkurs zur Ehrfurcht vor dem Leben, besonders an dessen Anfang und Ende, und angesichts der Möglichkeiten der Gentechnologie, der nachdrücklich betont, dass es hier nicht darum geht, Ungläubigen eine auf dem Glauben basierende Sichtweise aufzuzwingen, sondern darum, Werte zu interpretieren und zu verteidigen, die in der Natur des Menschen selbst liegen) und als große Herausforderung den interreligiösen Dialog.20 Abschließend ist noch zu nennen Exhortation apostolique post-synodale „Ecclesia in Europa“ (28.6.2003). Unter der Überschrift des Dialogs mit den anderen Religionen streicht sie die überragende Wichtigkeit des Dialogs mit dem Judentum, dann aber auch mit dem Islam heraus, wobei bei letzterem das Stichwort des „juste rapport“21 fällt, was, so legen die folgenden Abschnitte nahe, sich hauptsächlich auf die Gegenseitigkeit in Fragen der Religionsfreiheit bezieht, zu deren Anwalt sich die Kirche macht – im Sinne ihres bisherigen Engagements in dieser Frage, aber auch, weil diese Gegenseitigkeit bisher nicht gegeben ist, sondern gerade Europa in diesem Punkt bisher einseitige Vorleistungen erbracht hat. Es fallen durchaus kritische Sätze, kritisch auch im ursprünglichen Wortsinn des Unterscheidens, die einen ganz neuen Ton anschlagen und wohl zumindest teilweise auch im Zusammenhang der Debatte in der Europäischen Union zu verstehen 20 S. Vatican City: 6 January 2001, Apostolic Letter, Novo Millennio Ineunte (Excerpts), BPCDIR 106 (2001), p. 43–46. Eine ausführliche Diskussion der Hintergründe und Folgen der Konzilstexte zum Thema Islam oder richtiger zum islamischen Glauben mit ausführlichen Litera­turangaben findet sich bei Renz, Andreas, Der Mensch unter dem An-Spruch Gottes, Offenbarungsverständnis und Menschenbild des Islam im Urteil gegenwärtiger christlicher Theologie, Christentum und Islam: Anthropologische Grundlagen und Entwicklungen 1, Würzburg 2002, S. 27–33. Renz arbeitet die theologische Perspektive der Konzilsväter als „betont theozentrisch“ (S. 29) heraus und unterstreicht auch, dass man wegen der Problemfelder Polygamie, Scheidungsrecht und Verhältnis von Staat und Religion doch auf eine Erwähnung der islamischen Familien- und Sozialethik verzichtete (S. 31). Was die nachkonziliaren lehramtlichen Dokumente angeht, so betont Renz, dass der Islam direkt praktisch nicht erwähnt wird (S. 37). So darf es nicht wundern, dass der Blickwinkel hier etwas erweitert werden musste und muss, um auch das einzuschließen, was dann im Blick auf den Menschen, seine Existenz und seine Probleme in den konkreten christlich-muslimischen Dialogen relevant sein kann. Diese Ausführlichkeit kann aber nicht für alle Äußerungen des Lehramts beibehalten werden, da besonders Johannes Paul II in seinem langen Pontifikat großen Wert auf interreligiösen Dialog legte und legt, und die Fülle seiner Äußerungen leicht den Rahmen jeder Arbeit sprengt (so schon Kaulig, S. 38, Anm. 111), besonders aber einer Arbeit, die den christlich-muslimischen Dialog selbst zu Wort kommen lassen will. 21 Cité du Vatican: 28 juin 2003, Exhortation apostolique post-synodale, „Ecclesia in Europa“ (Extrait), BPCDIR 118 (2005), p. 10.

Weitere lehramtliche Aussagen

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sind, sei es in der Frage des Gottesbezugs in der Verfassung, sei es in der Frage nach der potenziellen Mitgliedschaft der Türkei – beides eben auch Fragen nach der Identität Europas. Man müsse sich bewusst sein, so heißt es, „de la divergence notable entre la culture européenne, qui a de profondes racines chrétiennes, et la pensée musulmane.“22

3. Weitere lehramtliche Aussagen 3.1. Das Lehramt Pauls VI Die Stellungnahmen Pauls VI (und erst recht die Johannes Pauls II), die als in irgendeiner Weise als relevant für den Bereich der Anthropologie im christlichmuslimischen Dialog betrachtet werden können, sind so zahlreich, dass sie einer nicht nur chronologischen Ordnung bedürfen, will man sie in sinnvoller Weise in den Blick bekommen. Es bietet sich an, nach den Adressaten zu unterscheiden: Welche Äußerungen sind (mehr) nach innen gerichtet, zunächst an das Sekretariat für die Nichtchristen selbst, aber auch an einen weiteren Kreis von kirchlichen Würdenträgern und Gläubigen? Hier sind andere Schwerpunktsetzungen, andere Klärungen zu erwarten als bei Aussagen, die mehr oder weniger direkt an Muslime selbst gerichtet sind. Die Darstellung der lehramtlichen Stellungnahmen Pauls VI folgt diesem Kreis von innen nach außen in ziemlicher Ausführlichkeit. Beides entspricht sicherlich dem Weg und der Wichtigkeit dieser Anfangsphase.

3.1.1. Für die Amtsträger des Dialogs viel Lob und Ermutigung Am 25.9.1968, also knapp fünf Jahre nach der Gründung, empfängt Paul VI die Mitglieder und Berater des Sekretariats für die Nichtchristen. In seiner Ansprache lobt er zunächst deren Kompetenz, Erfahrung  – und Vorsicht. Er wiederholt nochmals, dass es bei der Arbeit des Sekretariats um Kenntnis und Verständnis der sowie Dialog und Zusammenarbeit mit den Religionen gehe. Durch Respekt und Wertschätzung für deren moralische und spirituelle Werte werde die Brüderlichkeit der Menschheitsfamilie immer mehr wachsen und das Ideal der Einheit aller Menschen im Licht Gottes wirkmächtig werden. Es geht – und hier werden sowohl Thomas von Aquin als auch Nostra Aetate ausdrücklich genannt – um den homo religiosus. Nach einem weiteren, bezeichnenden Lob sowohl für die Zusammenarbeit mit anderen Dikasterien der römischen Kurie als auch für die notwendige Eigenständigkeit des Sekretariats betont er, das Sekretariat müsse sich innerhalb der Kirche bestätigen als ein sichtbares und institu 22 Ib.

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tionelles Zeichen des Dialogs mit den Nichtchristen, einem delikaten Terrain, in dem verschiedene Gefahren lauern. Es ist ziemlich deutlich, dass es bei der gesamten Ansprache nicht um neue Erkenntnisse, sondern um Bestätigung auf und Ermutigung für den eingeschlagenen Weg des Dialogs geht. Der abschließende Wunsch des Papstes, so bestätigen es viele Betroffene, ist nicht nur eine bloße Floskel, sondern war so ernst gemeint wie er nötig war: „Que l’assurance de ­Notre estime et de Notre intérêt vous encourage!“23 Auch die nächste solche Ansprache, gehalten vier Jahre später aus Anlass eines Kongresses des Sekretariats, nennt die Arbeit des Sekretariats eine edle und anspruchsvolle, die viele Barrieren überwinden muss. Zugleich aber gibt es ein dickes Lob: Das Sekretariat habe viel zu einem neuen Klima zwischen der katholischen Kirche und den großen Religionen (also auch dem Islam) beigetragen. Aber auch der Mensch in diesen Religionen kommt in den Blick, wenn Paul VI z. B. betont, Kenntnis der Religionen (bekanntlich ein Ziel des Sekretariats) habe wiederum als Ziel Liebe, Dialog und ernsthafte und brüderliche Zusammenarbeit. Die Religionen tragen selbstverständlich zu Frieden, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit bei, inspirieren die Moral und wecken Hoffnung, auch soziale Kontakt werden ohne Religion schwierig. Jeder Mensch habe Teil am unergründlichen Geheimnis Gottes, denn als dessen Geschöpf habe er Gottesebenbildlichkeit und repräsentiere die Menschheit Christi.24 Die beiden letzteren Begründungen, die über den Menschen als Geschöpf Gottes in eindeutig christlicher Prägung weit hinausgehen, wären so Muslimen nicht vermittelbar und zeigen auf andere Weise, dass auch dies ein rein interner Text ist. Die Ansprache zum zehnjährigen Jubiläum erwähnt die sichtbaren Fortschritte (Organisation von Treffen, Verbindung zu ca. 25 Dialogkommissionen innerhalb aller Bischofskonferenzen), betont aber nochmals, dass der Treffpunkt mit der Menschheit genau die Suche nach der Gottebenbildlichkeit ist, die ihre Spuren an allen Menschen hinterlassen hat und die auch zur Einheit aller hindrängt. Mit vielen Zitaten und starken Worten wird unterstrichen, was für ein Meilenstein in dieser Hinsicht das Konzil war, so z. B.: „En fait, les Pères Conci 23 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 170, n. 256, aber auch p. 168–169, n. 253–255: In diese Richtung der Unterstützung deutet bereits eine Rede des Papstes an die Konzilsväter: „Nous avons le ferme propos de conduire à bon terme les conséquences qui découlent de la célébration du Concile oecuménique et de poursuivre les activités auxquelles il a donné naissance, comme celles des trois secrétariats qui déploient déjà une très heureuse activité“ (ib., p. 147, n. 224). Ähnlich auch in einer Rede an das Kardinalskollegium vom 23.6.1970 (s. ib., p. 183, n. 273). Was den homo religiosus angeht, so existiert eine schöne Definition in einem Buch von Kardinal Paul Poupard: „un homme qui croit à l’origine sacrée de la vie et au sens de l’existence humaine comme participation à une Réalité qui va au-delà de cette existence“ (Les Religions, p. 27, zitiert nach Goncalves, Teresa, Card. PAUL POUPARD, Le Religioni nel Mondo, I Edizione Italiana, Edizioni Piemme, 1990, pp. 122, BPCDIR 74 (1990), p. 205). 24 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 199–201, n. 295–297. Zu der Begründungsproblematik s.a. Kaulig, S. 31–32.41–43.

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liaires ont vu dans ces Confessions une expression très significative – même si elle est incomplète – du génie religieux de l’humanité“.25 In noch unmittelbarerem Zusammenhang mit der päpstlichen Förderung des christlich-muslimischen Dialogs steht der Transfer des Instituts für arabische Studien (Afrikamissionare) nach Rom als Pontificio Istituto di Studi Arabi e d’Islamistica. Der mehrfach erwähnte Gedanke dahinter ist es, über den Zugang zur Sprache auch den Zugang generell zu erleichtern und u. a. damit wiederum ein besseres Zusammenleben und Zusammenarbeiten zu erreichen und der oft beschworenen gerechteren, friedlicheren und brüderlicheren Welt näher zu kommen. Besonders betont wird dies auch vor den orientalischen Patriarchen, die dort leben, wo die Religionen, Kulturen und Völker konkret zusammenstoßen und die Schwierigkeiten nicht zu leugnen und Friedensbemühungen besonders nötig sind. Die päpstliche Rede bietet einige interessante Anregungen: Kulturelle Unterschiede werden als göttliche Vorsehung angesehen, die der Ergänzung und Bereicherung dienen sollen und nicht zu Gegnerschaft und einem Denken in Sieger – Besiegter führen sollen, wobei die westliche Kultur der arabischen Kultur viel verdanke. Angesichts der Flüchtlingsproblematik kommt die Anregung, sich doch um Entwicklung, besonders um Bildung zu kümmern, dieses Engagement werde letztlich auch zur Freiheit führen.26 Eher speziellen Charakter hat auch die Rede an das Kardinalskollegium vom 22.12.1967, also ein halbes Jahr nach dem 6-Tage-Krieg. In ihr geht es besonders um Jerusalem und die heiligen Stätten von Judentum, Christentum und Islam. Betont wird, in Einklang mit früheren und späteren päpstlichen Aussagen, die Freiheit des Gottesdienstes, der Respekt, die Erhaltung und der Zugang zu den heiligen Stätten, die garantiert und (letztere) durch besondere Vorrechte geschützt werden müssten vermittels eines besonderen Statuts, das durch eine internationale Organisation garantiert werden sollte. Es ist aber auch von der freien Ausübung der legitimen religiösen und bürgerlichen Rechte aller Personen, Orte und Aktivitäten aller Gemeinschaften auf palästinensischem Territorium die Rede.27 Interessant ist der indirekte, kircheninterne Charakter dieser Stellungnahme, die man eher in einem anderen Rahmen, vor einer anderen Zuhörerschaft hätte erwarten können.

25 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 214, n. 313, aber auch der gesamte Text p. 213–215, n. 313–315. 26 S. ib., p. 158, n. 237 und besonders p. 136–137, n. 208–210. Diese positive Sicht der kulturellen Unterschiede lässt etwas an den Ausspruch des Propheten Mohammed denken, nach dem die rechtliche Uneinigkeit der Muslime sogar eine göttliche Gunst darstellt. Von der Hoffnung auf bessere Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Islam ist auch bei der Ansprache anlässlich der Heiligsprechung des Nicolas Tavelic und seiner Begleiter die Rede (s. p. 182–183, n. 272 mit der Unterüberschrift „L’amour des martyrs pour les musulmans“). 27 S. ib., p. 161, n. 244 und als größeren Rahmen dazu auch Anm. 13.

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3.1.2. Vor den eigenen Gläubigen – vorsichtige Werbung für die neue Sicht Bezeichnenderweise sind die deutlichsten Aussagen zur Anthropologie im interreligiösen (wenn schon nicht christlich-muslimischen) Rahmen in Zusammenhängen gemacht worden, die mit institutionalisiertem Dialog oder auch dem Nahen Osten direkt nichts zu tun hatten. Meist wenden sie sich, bei einer Generalaudienz oder einer anderen Gelegenheit, schlicht an die versammelten Gläubigen, und betonen, teilweise fast entschuldigend, dass auch die anderen moralische und religiöse Werte hätten, dass sie besser seien, als sie erschienen, und diesen Bodensatz an Gutheit gelte es zu wecken, zuvorderst mit dem Dialog – oder aber (später), das sei inzwischen schon geschehen. Sehr neutral und sehr schön ist hingegen die Aussage, dass „l’homme qui pense, qui agit, qui commande, qui souffre, qui s’exprime artistiquement, saisit quelque chose de Dieu“.28 Das Pendant zu den entschuldigenden, werbenden Tönen sind starke Worte, die deutlich machen, dass man daraus keine falschen Schlüsse ziehen darf. Der Einheit der Menschheit entspricht die Einheit der Wahrheit, also der Religion, die die Menschen mit Gott verbindet, der subjektiven Religiosität des Menschen entspricht eine positive, objektive Religion. Das ist nicht nur eine Tatsache, das ist ein Muss. Noch deutlicher wird Paul VI gegenüber einer Generalversammlung der Bischofssynode, die das Problem Dialog – Mission zu erörtern hat, wenn er vom „Pasteur suprême successeur de Pierre, principe perpétuel et visible et fondement de l’unité“29 spricht. Das ist überaus deutlich und bestätigend an ein katholisches Publikum gewandt, schon Vertreter anderer christlicher Konfessionen könnten eine solche Theologie/Anthropologie nicht teilen, von Muslimen ganz zu schweigen.

3.1.3. Im Gegenüber zu den Muslimen: viele Situationen im Blick Ähnliche Aussagen, wenn auch in abgeschwächter Form, wurden nur gegenüber dem diplomatischen Corps gemacht, das sich ja sowohl aus Christen wie auch aus Vertretern nichtchristlicher Religionen zusammensetzt. Da war die Rede davon, dass die katholische Kirche dem einzelnen Menschen, aber auch der Nation oder Zivilisation das geben kann, was zur Perfektion noch fehlt, oder, weniger anthropologisch, sondern mehr theologisch gedacht, dass es eine Steigerung 28 Ib., p. 171, n. 257, s.a. p. 134, n. 206, p. 167, n. 252, p. 206, n. 303. 29 Ib., p. 218, n. 318, s.a. p. 194–195, n. 290. Kaulig beschäftigt sich mit diesem Phänomen noch umfassender und grundsätzlicher auf nicht primär anthropologischer, sondern theologischer Ebene (die Frage nach der wahren Religion und den Religionen) und kommt zu dem Schluss, dass eine solche Bekräftigung als gezielt positionierter Gegenpol verstanden werden könnte, der diesbezüglichen Verunsicherungen im Volk vorbeugen bzw. sie bekämpfen solle (nach S. 61). Auch die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen deutlich in diese Richtung.

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gibt bzgl. des Lichts, das uns leitet, von der natürlichen Vernunft über die religiösen Traditionen (was an Wahrem und Gutem in ihnen ist) bis hin zum Christentum.30 Doch die Rede an die Delegationen der Nationen beim Konzil erwähnt nichts dergleichen. Da ist die Rede vom moralischen Gesetz im Herz der Menschen, und, perspektivisch, von den positiven Auswirkungen, die die Deklaration über die nichtchristlichen Religionen auf die Katholiken und damit indirekt auf den Frieden haben wird. Außerdem wird die Deklaration über die Reli­ gionsfreiheit angesprochen dahin gehend, dass sie theoretisch meistens anerkannt wird, praktisch aber weniger. Mit der Religions- und oft noch präziser mit der Verkündigungsfreiheit für Minderheiten ist ein Thema angesprochen, das Paul VI schon vorher an prominenter Stelle zur Sprache gebracht hatte und das zu einer Art Dauerthema wird, meistens in erinnernd-mahnender Art, ob das Gegenüber nun das ugandische Parlament ist, der tunesische oder der iranische Botschafter (dessen Rekurs auf den altpersischen König Cyrus einen hervorragenden Anknüpfungspunkt in Sachen Minderheiten bietet). Zu den lobenden Erwähnungen in diesem Zusammenhang gehört die bewusst theologisch, aber auch neutral gehaltene Verfassung Indonesiens und die Religionspolitik Pakistans seit der Republikgründung.31 Überhaupt sind viele der päpstlichen Stellungnahmen gegenüber konkreten Muslimen auch recht konkret situationsgeprägt und wenig abstrakt, erwähnen lobend friedliches christlich-muslimisches Zusammenleben, wo es dieses gibt, wie z. B. im Senegal, oder aber drücken Besorgnis um dieses brüderliche Zusammenleben aus, wie angesichts des Bürgerkriegs im Libanon. Ein Friedensvorstoß für Palästina bekommt päpstliche Unterstützung und es geht wieder einmal um den Status der heiligen Stätten und Jerusalems und dass die Religionen in diesen Fragen einigend, nicht trennend wirken sollten. Nur ein 30 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 164, n. 247, p. 181, n. 271. 31 S. ib., p. 148, n. 225, p. 120, n. 187, p. 139, n. 213, p. 176, n. 264, p. 196, n. 292, p. 190–191, n. 284, p. 189, n. 280–281, p. 198, n. 294. Borrmans, Le Pape Paul VI et les Musulmans, erwähnt auch, dass es Paul VI immer am Herzen lag, diplomatische Beziehungen zu Ländern mit dem Islam als Staatsreligion bzw. mit einem mehr oder weniger bedeutenden Anteil an muslimischer Bevölkerung herzustellen, und gibt eine genaue Liste mit Namen und Datum (p. 9–10, an. 19). Auch für Johannes Paul II sind solche Beziehungen wichtig, so die Erwähnung der erstmaligen Präsenz des palästinensischen Vertreters beim traditionellen Neujahrsempfang, Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 655, n. 846*. Ganz generell hat wohl das Zugehen von Papst Paul VI auf die Nichtchristen bei konkreten Begegnungen mehr zu den anfänglichen Grundsatzentscheidungen des Sekretariats für die Nichtchristen beigetragen als etwaige theologische Überlegungen, wie die konkret doch recht offenen Konzilstexte nun genau zu interpretieren seien, s. Rossano, Pietro, The Secretariat for Non-Christian Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems, p. 92: „We must acknowledge that the way forward was shown less by questions and reflections around a table than by the Pope himself in his journeys to India and Palestine. The Pope spoke of other religions with theological esteem; he spoke to their adherents, calling them brothers. He underlined common spiritual and ethical values, and he expressed a desire to know them better and work with them“.

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mal wird dieses Bemühen der Kirche um Gerechtigkeit und Frieden gegenüber einem Muslim, dem Botschafter Pakistans, ausdrücklich damit begründet, dass beide gemeinsam den Gott anbeten, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird. Sonst ist nur einfach von gemeinsamem Glauben als Begründung die Rede, oder vor allgemeinerem Publikum wird es als Ziel der Zivilisation heute genannt, die Solidarität unter den Menschen so zu organisieren, dass keiner des Brots und der Würde beraubt wird.32 Einige Aussagen und Anlässe fallen auch vergleichsweise aus dem Rahmen, so die Pilgerreise des Papstes nach Uganda, wo er katholische, anglikanische, aber ausdrücklich auch muslimische Märtyrer feiert. Sehr weit geht auch eine Ansprache auf den Philippinen, in der er sich an die Völker Asiens wendet, auf die spirituelle Vision aus deren eigener Tradition verweist, durch die sie imstande seien, sich dem Materialismus entgegenzustellen bis dahin, auch der westlichen Zivilisation gegen die Gefahren zu helfen, die der an sich positiv gesehene Fortschritt einschließt. Im Abstand von fast 35 Jahren ist es aber eine andere, anthropologische oder einfach menschliche Frage, die immer noch zum Nachdenken anregt: „Si la conscience de la fraternité universelle arrive à pénétrer vraiment le coeur des hommes, auront-ils encore besoin de s’armer au point de devenir assassins aveugles et fanatiques de leurs propres frères, innocents en soi (…)?“33

3.2. Das Lehramt Johannes Pauls I – wenige Worte zu einem Dauerthema Eine wenn auch nur angedeutete, nicht ausgeführte Antwort hat Papst Johannes Paul I in seinem kurzen Pontifikat gegeben, als er in einer Rede vor einer Versammlung der World Conference on Religion and Peace sagte: „Pour que la paix, en effet, se réalise, sa nécessité doit être profondément ressentie par la conscience, car elle naît d’une conception fondamentalement spirituelle de l’humanité. Cet

32 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  157, n.  236, p.  223, n.  324, p. ­180–181, n. 270 (an den König von Marokko), p. 180, n. 269 (an den pakistanischen Botschafter), p. 158, n. 238, p. 175, n. 263, p. 139, n. 213 (Weihnachtsbotschaft 1964). In gewissem Sinn gehört auch hierher, wenn die Muslime einfach Brüder im Glauben an den einen Gott genannt werden (so p.223, n. 325), wenn die Gemeinsamkeiten als Basis für den Dialog bezeichnet werden (so p. 160, n. 241) oder wenn die Botschaft anlässlich der Unabhängigkeit von Mauritius zu einem Appell für den Dialog benutzt wird (so p. 166, n. 250). Borrmans, Le Pape Paul VI et les Musulmans, p. 10 erwähnt als quasi letzte Worte Pauls VI zum Thema Muslime eine Ansprache vom 13.2.1978 anlässlich des Empfangs des ägyptischen Präsidenten Anwar el-Sadat, die inhaltlich praktisch alles noch einmal anspricht, was in Richtung Frieden in Nahost vorher schon gesagt wurde. 33 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  221, n.  321, s.a. p.  175, n.  263, p. 186, n. 276.

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aspect religieux pousse non seulement au pardon et à la réconcilition mais aussi à l’engagement pour favoriser l’amitié et la collaboration entre les individus et les peuples.“34 Was nicht im Blick ist, ist, inwiefern andere Religionen und von unserer Fragestellung her speziell der Islam diese wie gesagt nur angedeutete spirituelle Konzeption der Menschheit und damit eine vergleichbare Überzeugung von der Notwendigkeit des Friedens teilen. Die Tatsache, dass diese Frage gerade mit Blick auf den Islam und seine Einflusssphäre aktueller ist denn je, könnte darauf hindeuten, dass es an diesem Punkt doch größere Differenzen gibt, als es der pauschale Verweis auf Gott den Schöpfer und Richter und eine ebenso pauschale Nennung gemeinsamer Werte vermuten lassen.

3.3. Das Lehramt Johannes Pauls II – über 25 Jahre Einsatz für den Dialog mit Muslimen Über mehr als 25 Jahre hinweg hat Johannes Paul II kontinuierlich in öffentlichen Ansprachen für den interreligiösen Dialog allgemein und auch für den christlich-muslimischen Dialog speziell Stellung genommen. Allein diese außerordentliche zeitliche Kontinuität, die an die 15 Jahre ähnlichen Wirkens von Paul VI fast direkt anschließt, ist in ihrer Wirkung nach innen und außen nicht zu unterschätzen. Allein diese Tatsache ist schon von großem Gewicht, gerade in der islamischen Welt, was wiederum nichts darüber aussagt, wie breit Details gerade in schriftlichen Stellungnahmen wahrgenommen werden. Angesichts der Menge von päpstlichen Stellungnahmen vonseiten Johannes Pauls II soll hier unter Beibehaltung der sonstigen Reihenfolge strikter auf die Themenbezüge christlichmuslimischer Dialog und darin wiederum die anthropologischen Aspekte eingegangen werden als bisher.

3.3.1. Casablanca 1985 – mehr als nur eine Rede vor muslimischen Jugendlichen Die Rede an muslimische Jugendliche in Casablanca vom 19.8.1985 soll dabei aber eine Sonderstellung bekommen, da sie innerkatholisch de facto fast den gleichen Rang einnimmt wie Nostra Aetate.35 Sie zeichnet sich auch wirklich 34 Ib., p. 230, n. 330. 35 So die Auskunft von Dr. Tarek Mitri, verantwortlich für das Dialogprogramm des Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf und als solcher in ständigem und engem Kontakt mit den katholischen Kollegen und ihrer Arbeit. Eine Formulierung bei Kaulig, S. 311 bestätigt diese Haltung in ganz frappanter Weise: „So fordert er [Claude Geffré] für den Islam einen zwar nicht mit dem jüdischen identischen, aber doch analogen Status ein: einen Platz (…) in der speziellen

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durch große Grundsätzlichkeit und Ausführlichkeit aus und versucht darüber hinaus von der Formulierung her Muslimen und vom Denkansatz her Jugendlichen entgegenzukommen (wie noch genauer zu zeigen sein wird). Das prädestiniert sie geradezu für eine dergestalt tragende theologiegeschichtliche Rolle. Der äußere Anlass für diese Rede war ein doppelter: eine Gegeneinladung durch den marokkanischen König, die zeitlich in das Jahr der Jugend fiel. Beides zusammengenommen führte, wie der Papst selbst am Anfang der Rede ausdrück-

und nicht nur allgemeinen Heilsgeschichte, der über die Positionen von NA [Nostra Aetate] 3 und selbst der Ansprache Papst Johannes Pauls II vom 19.08.85 (…) hinausgeht.“ Eine Gleichordnung beider findet sich auch bei Lanfry, Jacques, A la mémoire du P. Joseph Cuoq, premier responsable pour l’Islam (1964–1974), BPCDIR 72 (1989), p. 384. Auch Kroeger zitiert bei seinem Überblick über die Meilensteine des interreligiösen Dialogs bzgl. Dialog mit Muslimen nur diese Papstrede (p. 238), ganz ähnlich Pontificial Council for Interreligious Dialogue/ Maurice Borrmans, Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims, Interreligious Documents 1, New York/Mahwah 1990, p. 118, das unter der Reihe der Dialogveranstaltungen auch eine einzige Papstrede aufführt, nämlich diese. Der Band Recognize the Spiritual Bonds which Unite Us, 16 Years of Christian-Muslim Dialogue, herausgegeben vom Pontificial Council for Interreligious Dialogue (Vatican City 1994) widmet dem Kurzbesuch (weniger als sieben Stunden) ein gesamtes Kapitel, überschrieben „KING and POPE in Casablanca“ (p. 62), davon gleich zwei Seiten (p. 64–65) mit Auszügen aus der Rede an die muslimischen Jugendlichen, und stellt ihn damit auf die gleiche Stufe wie die gesamten eigenen Dialogaktivitäten. Auch Kardinal Francis Arinze als Präsident des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog erwähnte diese Rede gleichrangig mit, wenn nicht sogar vor dem Friedensgebet von Assisi, um das Enga­ gement Johannes Pauls II für den interreligiösen Dialog zu belegen, so Cardinal Arinze Visits Pakistan, India, Malaysia, Libya, BPCDIR 71 (1989), p. 286. Ein weiterer Hinweis liegt in dem, was Michael Louis Fitzgerald in seiner Buchbesprechung zu Seminarium, Joannes Paulus II e Islamismus, Januario-Martio 1986, Città del Vaticano, 240 pp., veröffentlicht in Islamochristiana 13 (1987), schreibt (p. 275): „Conversation turned to Pope John Paul II’s visit to Morocco, its importance for Christian-Muslim relations, and the lessons that can be drawn from it. Why not have an issue of Seminarium, the Congregation’s journal, dedicated to Islam? The idea clicked, and immediately a plan was drawn up. The result is no mere coffee-table book, but a collection of serious studies.“ Die ersten drei Artikel des Bandes sind allein dieser Rede und ihrer Bedeutung gewidmet! Thomas Michel, zuständig für das Islamressort im Sekretariat für die Nichtchristen, bezeichnet diese Rede in Christlich-islamischer Dialog: Gedanken zu neueren Verlautbarungen der Kirche (Fortsetzung), CIBEDO Dokumentation 2 (1988), p.  60, als die Zusammenfassung aller bisherigen Ansprachen vor Muslimen, die er davor angeführt und erläutert hatte. Diese Rede, die eine volle Stunde gedauert habe, sei die umfassendste Darlegung seiner Dialogkonzeption. Eckstein seines Zugangs zu den Muslimen sei, dass beide in ihrem Glauben an den einen Gott die geistliche Abstammung von Abraham beanspruchten und überhaupt vieles gemeinsam hätten, weshalb sie sich auch viel zu sagen hätten; ähnlich auch id., Pope John Paul II’s Teaching about Islam in His Addresses to Muslims, BSNC 62 (1985), p. 191. Ferner zitiert Ellul, Joseph, A Christian Understanding of Islam, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 12–15 neben Konzilstexten und Ecclesiam Suam nur diese Rede. Auch bei den Muslimen fällt die Bedeutung auf, die dieser Rede von der anderen Seite zugemessen wird, was wiederum dazu beiträgt, sie zumindest zu übersetzen und zu veröffentlichen, so Bayraktar, Mehmet, Le Pape Jean Paul II et la politique islamique de la papauté.

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lich erwähnt, zum ersten Zusammentreffen Johannes Pauls II mit muslimischen Jugendlichen. Der Papst beginnt mit den Gemeinsamkeiten: Vom Leben in derselben Welt mit ihren Hoffnungen und Ängsten über Abraham als Vorbild im Glauben an Gott und im Vertrauen auf seine Güte und – hier ist eine Angleichung an mus­ limische Formulierungen spürbar  – in der Unterwerfung unter Gottes Willen. Erst danach wird der Glaube an einen Gott erwähnt, der die Welten erschaffen hat. Dann gibt er programmatisch den kommenden Inhalt seiner Rede an: Er will zuvorderst von Gott reden und dann auch von den menschlichen Werten, die in Gott ihre Begründung haben und die gerade für junge Menschen, die vor Lebensentscheidungen stehen, von Wichtigkeit sind. Dann stellt der Papst sich, genauer sein Amt, seine Funktion vor, schließt aber damit, dass er als Glaubender kommt und ein Glaubenszeugnis geben möchte über das, was seiner Erfahrung nach allen nützlich ist, wobei er von den Menschen generell als von seinen Brüdern redet. Im nächsten Abschnitt soll es zwar laut Unterüberschrift um den Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes gehen (von Formulierung und Stellung her vielleicht auch ein bewusstes Entgegenkommen an die Adresse der Muslime), zunächst aber wird fast die Schöpfungsgeschichte nacherzählt. Dies dient als Begründung dafür, dass wir Menschen Gott gehören und sein heiliges Gesetz unseren Weg leitet (eine Formulierung, die deutlich an Scharia und Rechtleitung als urislamische Größen denken lässt) und schließlich auch vor ihm als unserem Richter verantwortlich sind, der aber barmherzig (wieder auch ein fast standardmäßig gebrauchtes islamisches Attribut Gottes) ist, wenn ein Mensch umkehrt. Auch der Respekt vor jedem anderen menschlichen Wesen ist im Willen ­Gottes und in der Schöpfung begründet. Dann kommt er davon, dass Gott die Menschen geschaffen hat und erwartet, weil er sie versammeln wird (eine hörbare Anspielung an islamische Rede vom Jüngsten Gericht), zu der Frage, ob die Menschen und Völker, die eine Gemeinschaft (auch das ein Wort mit islamischem Hintergrund)  bilden, nicht Freundschaft und Einheit zwischen eben diesen bevorzugen sollten. Erst dann zitiert er kurz einige dahin gehende Aussagen von Nostra Aetate, in die auch die von der besonderen Aufmerksamkeit der Kirche für die Muslime eingeflochten ist. Nach einigen Sätzen über die Notwendigkeit und Begründung des christlich-muslimischen Dialogs im Glauben und noch ausführlicher über die Notwendigkeit des Gebets gelangt er dahin, dass der Glaube sich im Respekt für andere religiöse Überzeugungen bezeugt, und zwar mit einer anthropologischen Begründung: Jeder Mensch erwartet, für das respektiert zu werden, was er ist und was er in seinem Gewissen glaubt. Hier kommt wieder die Gewissens- und Religionsfreiheit ins Spiel  – äußerer Druck in diesen Dingen sei der freiwilligen Huldigung von Verstand und Herz, die eben die Würde des Menschen ausmacht, nicht würdig. Das wiederum sei der wahre Sinn der Religionsfreiheit, die Gott und Mensch gleichzeitig respektiert. Diese Aus-

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sagen sind ein deutlicher Versuch, Muslimen eine Brücke zu unserem Verständnis von Religions­freiheit zu bauen, wobei die Anspielung, die Muslime betonten einseitig die Würde Gottes und verlören die des Menschen etwas aus dem Blick, für den Kenner der Sachlage hörbar bleibt. Auch der nächste Abschnitt betont, wenn auch auf andere Weise, diese Reziprozität, indem er Nostra Aetate dahin gehend zitiert, wir könnten Gott nicht anrufen, wenn wir uns nicht brüderlich gegenüber den Menschen verhielten (mit Begründung in der Gottebenbildlichkeit des Menschen). Diese Begründung wird aufgegriffen, aber abgeschwächt: Die Begründung für Respekt, Liebe und Hilfe gegenüber jedem menschlichen Wesen liegt darin, dass es Gottes Geschöpf ist, und „dans un certain sense, son image et son représentant“36 Hier sind deutlich die christliche wie die muslimische Auffassung nebeneinandergestellt, wobei beide vorweg als interpretierbar dargestellt werden – wieder eine Verständnisbrücke, die allerdings nicht genau ausgeführt wird, ausgeführt werden kann. Stattdessen kehrt die Argumentation zunächst zu den Menschenrechten zurück und betont nochmals, sie seien Ausdruck des Willens Gottes und Erfordernis der menschlichen Natur, wie Gott sie geschaffen habe. Dann aber geht es in einem weiteren Abschnitt darum, dass die Menschen allgemein und die jungen Menschen im Besonderen etwas tun sollten. (Man müsse die Welt bauen und sie sich nicht nur erträumen.) Arbeit wird dabei als Dienst am Nächsten gesehen, der nebenbei auch Bande der Solidarität knüpft und eine reinigende menschliche Erfahrung werden kann. Die Würde und Freiheit jedes Menschen bleibt wieder ständig präsent. In einem nächsten Schritt weitet sich der Blick zur Weltgemeinschaft, in der es, auch wenn dies von Gott her nicht so sein sollte (die Menschheit, die Welt wird mit einem Körper verglichen, indem alles seine Funktion hat – ein neutestamentliches Bild der Gemeinde, das hier verallgemeinert wird), Kulturen und Rassen gibt, die nicht respektiert werden. Hier appelliert der Papst direkt an die Jugend, dies im Interesse des Friedens auf der Welt zu überwinden, und lobt die gelebte Toleranz Marokkos besonders gegenüber den Juden. Es ist deutlich zu hören und zu spüren, dass der Papst die Jugendlichen, auch generell, als Verbündete im Kampf für den Frieden, aber auch im Kampf für eine gerechtere Welt sieht. Für Letzteres wird als theologisch-anthropologische Begründung angegeben, Gott habe die Erde der Gesamtheit des Menschengeschlechts gegeben, damit sie in Solidarität ihren Unterhalt daraus beziehen. Doch mit dieser materiellen Seite ist es nicht genug, der Mensch, so die neutestamentliche Anspielung, lebe nicht vom Brot allein. Bevor allerdings die im christlich-muslimischen Zusammenhang schwierige Aussage vom Wort Gottes kommt, bricht das (als solches nicht ausgewiesene Zitat) ab und wird durch die Notwendigkeit eines intellektuellen und spirituellen Le 36 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 335, n. 469, zur vorausgehenden Argumentation s. p. 332–335, n. 465–468.

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bens ersetzt. Der Mensch müsse seinen Geist und sein Gewissen entwickeln. Genau diese innere Sinngebung und Orientierung fehle heute häufig, auch im Einsatz für Entwicklung, also für die Mitmenschen. Auch hier werden wieder lobend arabische Traditionen erwähnt, was zur gegenseitigen Anerkennung religiöser Werte überleitet. Genannt werden hier ausdrücklich die Wichtigkeit von Gebet, Fasten, Almosen, Buße und Vergebung, der Glaube an einen barmherzigen Richter und die Auferstehungshoffnung. Auch die theologischen Unterschiede werden genannt und nicht verkleinert, sie können jedoch, so die in dieser Rede geäußerte Überzeugung, mit Demut und Respekt in gegenseitiger Toleranz angenommen werden. Christen und Muslime hätten sich generell schlecht verstanden, sich gegeneinander gestellt bis hin zur Erschöpfung in Polemik und Kriegen. Er (persönlich) glaube, dass Gott uns einlade, unsere alten Gewohnheiten zu ändern, uns zu respektieren und uns zu guten Werken auf dem Weg Gottes anzustacheln. Dann folgen Dankadressen, besonders an Gott, der in unsere Herzen die Gefühle von Barmherzigkeit und Verständnis, von Vergebung und Versöhnung im Dienst der Zusammenarbeit gegeben habe, und noch ein Wort über seine persönliche Überzeugung, dass auf dem aufgezeigten Weg eine Welt entstehen könne, in der Männer und Frauen lebendigen Glaubens versuchen, eine menschliche Gesellschaft nach dem Willen Gottes zu bauen. Die Rede schließt mit einem Gebet, das wiederum christliche und muslimische Anklänge in sich vereint. Die Grundhaltung gegenüber den angesprochenen muslimischen Jugendlichen und der eigene Anspruch des Redners ist sehr schön zusammengefasst im letzten Absatz vor dem Schlussteil: „Je souhaite, chers jeunes, que vous puissiez contribuer à construire ainsi un monde où Dieu ait la première place pour aider et sauver l’homme. Sur ce chemin, vous êtes assurés de l’estime et de la collaboration de vos frères et soeurs catholiques que je représente parmi vous ce soir.“37 37 Ib., p. 340, n. 474, s.a. p. 337–341, n. 471–475; Borrmans, L’esprit de la déclaration ­Nostra Aetate: Paul VI et Jean Paul II en dialogue avec les Musulmans, betont p. 57, note 63 als Lektion Johannes Pauls II im Blick auf die Pädagogik des Dialogs, dass seine Sprache in dieser Rede eine biblische sei, ohne dass er dabei Bibel oder Koran ausdrücklich zitiere. Ich möchte auf Grund obiger Analyse ergänzen, dass seine Sprache genauso bemüht war, koranisch zu sein, ohne den Koran wörtlich zu zitieren, und dies als notwendige Ergänzung für Dialog (und Pädagogik des Dialogs) sehen. Sehr interessant ist auch der Hinweis p. 59, note 66, dass Johannes Paul II das abschließende Gebet mit geringfügigen Änderungen nochmals im Februar 1992 bei der Begegnung mit senegalesischen Muslimen verwendet habe. Der noch ausführlichere Artikel von Borrmans, Le discours de Jean-Paul II aux jeunes de Casablanca geht übrigens auch auf die koranischen und sonstigen islamischen Anspielungen ein und darauf, dass so insgesamt das Problem geschickt gelöst wird, dass direkte Zitate aus den jeweiligen Heiligen Schriften im Dialogkontext der Rede gerade kontraproduktiv wären, so besonders p. 57 f, notes 22 et 23. Sehr interessant und sehr treffend ist p. 48 f der Vergleich nach Aufbau und Inhalt mit einem paulinischen Brief sowie der Hinweis am Ende (p. 69 f), der sich u. a. Henri Teissier verdankt (p. 70, note 33), dass von der Zuspitzung auf die Praxis in dieser Rede – aber eben

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3.3.2. Vor den Amtsträgern: Frieden, Religionsfreiheit – und Spiritualität Auch Johannes Paul II wandte sich verschiedene Male mehr oder weniger direkt an das Sekretariat für die Nichtchristen, zum ersten Mal relativ kurz nach seiner Wahl am 27.4.1979 anlässlich der ersten Vollversammlung des Sekretariats kurz bevor sich die feierliche Ankündigung der Gründung dieses Sekretariats, in der Peterskirche zum fünfzehnten Mal jährte. Diese Rede steht im Zeichen bewusster Anknüpfung an Paul VI, der den interreligiösen Dialog ja, wie gezeigt, sehr gefördert hatte. Gleichzeitig spiegelt diese Rede, wie ähnliche auch, die Fortschritte, die inzwischen gemacht wurden, in diesem Fall das Netz lokaler Organisationen, das eine tatsächlich weltweite Arbeit erlaubt, die den einzelnen Gruppen gut angepassten Formen des Dialogs und die Zusammenarbeit z. B. mit dem Ökumenischen Rat. Programmatisch bezeichnete er das Sekretariat als den Ausdruck des Willens der Kirche, mit den vielen in Kontakt zu treten, die in den nichtchristlichen Religionen nach etwas suchen, um ihrem Leben Sinn und Orientierung zu geben. Wichtig seien für den Dialog u. a. Respekt und Wertschätzung des anderen und eine Kenntnis von ihm, die man nicht nur aus Büchern schöpfen könne. Die einzig wirklich perfekte Sprache sei die der Liebe. Der Wunsch des Papstes war, der Dialog möge sich auch dort entwickeln, wo das Christentum in der Mehrheit sei.38 Die nächste ähnliche Rede wurde bei der nächsten Vollversammlung fünf Jahre später gehalten und erwähnt z. B., die Teilkirchen hätten ernsthafte und konstruktive Beziehungen mit den Gläubigen anderer Religionen in ihrem Kulturbereich angeknüpft. Das Sekretariat für die Nichtchristen sei der Anstoß dazu gewesen, nun müsste dies noch vertieft und präzisiert werden, vorzugsweise durch Ideenaustausch und Nachdenken und mit einer speziellen Kommission in jeder Bischofskonferenz. Auch auf die Anwesenheit des Direktors der parallelen Untereinheit beim Ökumenischen Rat der Kirchen wurde positiv eingegangen, speziell auf Muslime aber nicht. Bei einigen Äußerungen kann man auch sonst – als Charta des christlich-muslimischen Dialogs eigentlich nicht Nostra Aetate genannt werden müsste, sondern Gaudium et Spes, wo es ja um die Kirche in der heutigen Welt geht (s. dazu auch Anm.  7). Als letzter, gerade anthropologisch besonders interessanter Gedanke sei p. 53 genannt, dass jedem authentischen Monotheismus ein Personalismus eigen sei, wobei Borrmans hier für die muslimische Seite auf den modernen Philosophen Muhammad Azîz Lahbabi zurückgreift. An anderer Stelle (Les évaluations en conflit autour de Nostra Aetate, p. 120) bezeichnet Borrmans diese Rede als Kommentar zur entsprechenden Passage der Konzilserklärung, geht aber vorher (p. 113) ausdrücklich darauf ein, dass man bei der Erstellung der Konzilserklärung das Wort persönlich bewusst vermieden habe, da es nicht ins Arabische übersetzbar sei. Dies lässt aufleuchten, dass die anthropologische Frage des Personenkonzepts im Islam noch weit von einer Klärung entfernt ist und man sehr vorsichtig sein muss, die Bedeutung Lahbabis in dieser Hinsicht nicht zu überschätzen. 38 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 234–237, n. 332–335. Johannes Paul II fordert auch im Rahmen von Generalaudienzen zu Fürbitte und Mitarbeit bzgl. der Anliegen des Sekretariats auf, so p. 321, n. 449.

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sie im Hintergrund vermuten, wenn es beispielsweise um Schäden geht, die Gemeinschaften im Verlauf der Jahrhunderte erlitten haben, wenn es generell um an spezielle Situationen angepasstes Verhalten geht (hier wird sogar ausdrücklich auf Charles de Foucauld verwiesen) oder auch, wenn, ganz anthropologisch, als Ziel des Dialogs aller Religionen und aller Gläubigen genannt wird, „que chaque homme puisse atteindre son but transcendant et réaliser sa croissance authentique“39. Ab und an werden auch die Repräsentanten des Ökumenischen Rats, die sich jährlich mit ihren Kollegen vom Sekretariat für die Nichtchristen treffen, um Fragen des Dialogs zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und die zukünftigen Aktivitäten zu koordinieren, vom Papst empfangen. Bei einer solchen ­Audienz im April 1986 betonte er einerseits, der gute Wille Einzelner genüge nicht, sondern die große Zahl der normalen Gläubigen müsse Menschen anderen Glaubens verstehen und als Brüder und Schwestern annehmen, mit denen man sein Leben friedlich teilen könne, weshalb man sie zu gegenseitigem Respekt, Wertschätzung und Zusammenarbeit in der Gesellschaft ermutigen solle. Andererseits geht er schon auf das geplante multireligiöse Gebetstreffen in Assisi ein und betont das Gebet als bestes Mittel, um die Menschheit zu einigen, denn es verändere auch die Beziehungen derer, die miteinander beten: Sie entdecken, dass sie Pilger sind, die dasselbe Ziel suchen, Brüder und Schwestern, die Verantwortung für die Menschheit teilen, Kinder des gleichen Gottes und Vaters sind.40 Er selbst sieht seine Rolle darin, den festen, unabänderlichen Willen der Kirche zum Dialog zu unterstreichen, der Dialog dürfe selbst da nicht vergessen werden, wo die Verkündigung der Kirche erfolgreich sei. Er benennt aber, zumindest vor so einer Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtchristen, ganz offen Fragen, die seiner Meinung nach noch zu klären seien, z. B. die, wie Gott im Leben von Völkern unterschiedlicher Religionen wirke. Mit Pastor Bonus greift er aber auch juristisch ein: Aus dem Sekretariat für die Nichtchristen wird der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog. Außer dem Namen aber ändert sich nicht viel: Als Ziel wird Förderung von Menschenwürde sowie spirituellen und moralischen Werten vorgeschrieben. Wenn erforderlich bzw. notwendig, solle der neu geschaffene päpstliche Rat mit der Glaubenskongregation bzw. mit den Kongregationen für orientalische Kirchen und die Evangelisierung der Völker gleichberechtigt zusammenarbeiten. Die Muslime behalten ihre Sonderstellung: „Auprès du Conseil est constituée une Commission 39 Ib., p. 296, n. 419, s.a. p. 297–299, n. 420–422. 40 S. ib., p. 372, n. 515, p. 373–374, n. 517, wie es ja auch Fitzgerald/Borelli, p. 167 schön auf den Punkt bringt bzgl. der monotheistischen Religionen: „From human responsibility it is an easy step to the idea of service to humanity.“ Johannes Paul II drückte es gegenüber Teilnehmern an einem ‚Jubiläumsdialog‘ in Assisi einmal so aus (Jean Paul II recoit les participants de la rencontre d’Assise, Islamochristiana 15 (1989), p. 246): „My intention in inviting leaders from various world religions to come to that small town (…) to pray for peace in the world, was that we may be present in our common humanity before God“.

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pour la promotion des relations avec les musulmans du point de vue religieux, sous la direction du président du Conseil.“41 Andere Aussagen sind nicht so konkret auf Muslime gemünzt, doch die aufgegriffenen bzw. vom Papst direkt geforderten Prioritäten (Studien und Begegnung) und Themen (Medien, Weitergabe menschlicher und geistlicher Werte an neue Generationen, Menschenrechte und -pflichten, Bewahrung der Schöpfung, Aufruf zur Gerechtigkeit, Hilfe für Arme, Hungrige, Kranke und Obdachlose in ihrem Kampf um ein menschenwürdiges Leben) sind durchaus auch in diesem Zusammenhang wichtig und tauchen als Themen von Dialogen wieder auf. Vorrang aber hat eindeutig die Friedensproblematik: Früher hätten sich die Völker überhaupt nicht kennen gelernt, jetzt müssten sie lernen, in pluralistischen Gesellschaften harmonisch und friedlich miteinander zu leben. Das ist aber ausdrücklich keine einseitige Sache: „Non seulement les chrétiens mais les peuples de toutes religions doivent faire face au défi d’apprendre à comprendre les autres croyances et pratiques religieuses, à­ résoudre les conflits dans la paix, à développer l’estime et le respect entre ceux dont les voies et les valeurs sont différentes.“42 Eine Ansprache in zeitlicher Nähe 41 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  857, § 162, n.  1035 s.a. n.  1034, §§ 159.161und p. 425, n. 584, p. 426, n. 585, p. 427, n. 589. Verkündet wurde dies am 28.6.1988, in Kraft trat es am 1.3.1989, so Pontificial Council for Interreligious Dialogue/Maurice Borrmans, p. 120/121, note 2; ib., p. 115 hatte die Bildung einer Commission for Islam am 22.10.1974 erwähnt. Auch vor den Muslimen selbst bestätigt Johannes Paul II den Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog in seiner Rolle und streicht dessen Verdienste heraus (Damascus S­ yria: 6th May 2001, Discourse during the Visit to the Umayyad Mosque, BPCDIR 107 (2001), p.  171/172): „At the highest level, the Pontifical Council for Interreligious Dialogue represents the Catholic Church in this task ‚to advance interreligious dialogue between the Catholic Church and Islam‘. For more than thirty years the Council has sent a message to Muslims on the occasion of Îd al-Fitr at the close of Ramadan, and I /172 am very happy that this gesture has been welcomed by many Muslims as a sign of growing friendship between us. In recent ­years the Council has established a liaison committee with international Islamic Organizations, and also with al-Azhar in Egypt, whch I had the pleasure of visiting last year.“ Die Namensänderung weg von einer negativen Bezeichnung (Nicht-Christen) war schon von Kardinal Pignedoli 1974 gewünscht worden, doch hatte man offensichtlich lange keine befriedigende Lösung gefunden, da die Bezeichnung der entsprechenden Organisation beim Ökumenischen Rat der Kirchen, Working Unit for Dialogue with People of Living Faiths and Ideologies wohl mit Recht als schwerfällig empfunden wurde, so Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten ­Years Old, p. 88, note 1. Derselbe, Twenty-five Years of Dialogue, ThePontifical Council for Inter-Religious Dialogue, Islamochristiana 15 (1989), p. 109, wertet die Namensänderung positiv: „The new title moreover is positive, rather than apparently discriminatory, and in fact corresponds much better to the role of the department.“ Gleichzeitig wertet er sie, im Anschluss an seinen Vorgesetzten, Kardinal Francis Arinze, als Zeichen für die Dauerhaftigkeit dieser Institution, die nun nicht mehr als vorübergehendes Experiment gewertet werden dürfe. Er schließt den Artikel p. 120 auch mit den Worten: „There is no reason why the Council should not pursue for many years its task of conscientizing, encouraging and guiding. There is still much to do.“ 42 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 493, n. 672, s.a. p. 494, n. 673–674, p. 495, n. 675, wo er allerdings auch sagt: „Le dialogue n’est pas surtout une idée à ètudier mais il est une manière de vivre en relations avec les autres.“

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zum Golfkrieg zeigt deutlichere Spuren unseres Themas, wenn davon die Rede ist, dass der Dialog von Juden, Christen und Muslimen uns an den gemeinsamen Schöpfergott erinnert, der uns seinen Willen kundgetan hat und uns zum ewigen Heil ruft. Der Untergrund dieses Dialogs sei der gegenseitige Respekt, der zur Religionsfreiheit führe. Letzteres ist ein Dauerthema, ebenso wie das Gebet für den Frieden es für Johannes Paul II ist. Bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog 1992 ging der Papst auf eine Umfrage selbigen Rats ein, die sowohl innerkirchlich als auch bei Angehörigen anderer Religionen nach den Reaktionen auf die kirchlichen Dialogdokumente gefragt hatte. Seine Reaktion und Vorgabe war eindeutig: „En réaffirmant la valeur de ces enseignements du Magistère, je vous encourage à faire connaître le message qu’ils contiennent“43. Zum 30-jährigen Jubiläum werden, in sprachlich veränderter Form, die oben zitierten Fragen aus Nostra Aetate wiederholt. Sehr deutlich aber ist folgende Aussage: „[L]a recherche de perfection, de purification et de conformité à la volonté divine n’est pas limitée aux chrétiens. Elle interpelle chaque être humain. Il n’est donc guère étonnant de trouver dans les traditions religieuses de l’humanité une conscience claire de l’appel aux plus hautes valeurs.“44 Außerdem wird wiederholt deutlich, dass Johannes Paul II großen Wert auf spirituellen Austausch legt, um dem Dialog Tiefe und Qualität zu geben und ihn vor der Gefahr des einfachen Aktivismus zu bewahren.45 43 Ib., p. 578, n. 780, s.a. p. 576, n. 779, p. 579–580, n. 783 und vorher p. 527, n. 714. Manche Phänomene aus dem islamischen Bereich könnten auch hinter folgender Äußerung stehen, explizit genannt werden Muslime allerdings nicht (n. 780, p. 577/578): „Nous ne pouvons qu’être profondément peinés et attristés par l’apparition ou par la résurgence de préjugés et d’attitudes agressives qui sont parfois encouragées au nom de Dieu mais /p. 578 qui ne trouvent aucune base dans la foi au Dieu Créateur tout-puissant et miséricordieux.“ Die klare Haltung Johannes Pauls II gegen den Golfkrieg stieß auf große Gegenliebe: „on behalf of all Arabs and Muslims, our sincerest thanks and appreciation for his noble stands, and to convey also our hearty congratulations and felicitations to His Holiness on the anniversary of his accession to the ­papal throne as well as our best wishes for a happy Christmas and a prosperous New Year“ (El-Assad, Nassir El-Din, Inaugural Address, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 10). 44 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 652, n. 843*, s.a. p. 650/651, n. 842*. 45 S. ib., p. 652/653, n. 844*, aber auch p. 691/692, n. 884*. Ferner fällt im Vergleich auf, dass kein Vertreter des Ökumenischen Rats mehr erwähnt wird, dafür aber beim Schlusssegen die Fürsprache Marias angerufen wird (p. 653, n. 844*), so auch Pope’s Address to the Participants in the Plenary Assembly 1998, BPCDIR 101 (1999), p. 192 und Vatican City: 9th November 2001, To the Participants in the Plenary Assembly of the Pontifical Council for Inter­ religious Dialogue, BPCDIR 109 (2002), p.  12, während bei der Gedenkveranstaltung für Bischof ­Rossano die Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Rat lobend erwähnt wird: „This is a significant collaboration, which Bishop Rossano started and encouraged. I would also like to pay him a tribute for this.“ – und der Segen anders ausfällt (Vatican City: 16 June 2001, To the Participants in the „Study and Reflection Days“ on the Occasion of the Tenth Anniversary of the Death of H. E. Mgr. Piero Rossano, BPCDIR 108 (2001), p. 293).

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Doch gerade im christlich-muslimischen Dialog stehen andere Fragen und Bereiche im Vordergrund, besonders nach dem 11.  September 2001. Johannes Paul II spricht so deutlich aus wie nie, dass Frieden etwas ist, das trotz aller notwendigen eigenen Anstrengungen letztlich die Menschen nicht erreichen, sondern nur demütigen Herzens als Geschenk Gottes empfangen können. Zwei Aussagen aus seiner Rede vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog sind besonders charakteristisch: „It has been suggested that we are witnessing a veritable clash of religions. But, as I have already said on numerous occasions, this would be to falsify religion itself. Believers know that, far from doing evil, they are obliged to do good, to work to alleviate human suffering, to build together a just and harmonious world.“46 „Misunderstandings arise, prejudice can stand in the way of common accord, and the hand offered in friendship may even be refused. A true spirituality of dialogue has to take such situations into account and provide the motivation for persevering, even in the face of opposition or when the results appear to be meagre.“47

Auch das Pontificio Istituto per i Studi Arabi e d’Islamistica wird für seinen Beitrag zu den christlich-muslimischen Beziehungen gelobt und die weitere Bedeutung seiner Arbeit unterstrichen, allerdings in sehr allgemeiner Weise. Anthropologisch aussagekräftiger ist da eine andere Aussage, die sich eigentlich an die Missionare des Ordens wendet: „Celui qui propose la Bonne Nouvelle invite les religions non chrétiennes à découvrir le Christ, mais il est aussi appelé, par les signes de la présence de Dieu dans ces religions, à recevoir des éclairages nouveaux sur des facons différentes de vivre en homme, et donc avec Dieu.“48

46 Vatican City: 9th November 2001, To the Participants in the Plenary Assembly of the Pontifical Council for Interreligious Dialogue, p. 10, vgl. a. Cité du Vatican: 18 novembre 2004, Aux Chefs religieux d’Azerbaidjan, BPCDIR 118 (2005), p. 36: „Personne n’a le droit de présenter ou d’utiliser les religions comme instrument d’intolérance, comme un moyen d’agression, de violence et de mort.“ 47 Vatican City: 9th November 2001, To the Participants in the Plenary Assembly of the Pontifical Council for Interreligious Dialogue, p. 11. 48 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 464, n. 636, s.a. p. 560–561, n. 759. Johannes Paul II fordert aber auch die Missionare ausdrücklich zum interreligiösen Dialog auf, dem die Kirche im neuen Jahr mehr Aufmerksamkeit widmen müsse, so Vatican City: 19th May 2001, To the Participants in the General Chapter of the Society of the African Missions (Excerpt), BPCDIR 107 (2001), p. 192. Ein inhaltlich mehr allgemeines Dokument, wenn auch vom Kreis der Adressaten her vergleichbar, ist Vatican City: 26 May 2001, Letter to Bishop Francois Blondel of Viviers on the Occasion of the Centenary of the Ordination to the Priesthood of Charles de Foucauld in 1901 (Extract), BPCDIR 108 (2001), p. 289–290. Hinzuweisen ist auch auf die Arbeit, die das Institut im Rahmen der Journées Romaines tut, eine Arbeit, die generell von Johannes Paul II sehr gewürdigt wird, s. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 474–476, n. 648–650, wobei er in dieser Ansprache eher das Zeugnis betont und nicht ausgesprochen auf anthropologische Fragestellungen eingeht.

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Besonderes Interesse zeigt Johannes Paul II auch an der Arbeit der Franziskaner im Bereich des Dialogs mit Muslimen, deren Tradition ja auf den Ordensgründer selbst zurückgeht. Zusammen mit Mitgliedern anderer Orden und Spezialisten hatten sie sich im August 1995 zu einem Kongress über Formen von Fundamentalismus in Islam und Christentum getroffen. Der Papst betont ihnen gegenüber, sie hätten durch ihre regionale Arbeit direkte Erfahrungen mit den Auswirkungen des muslimischen Fundamentalismus, wie er sich besonders seit einigen Jahren zeige. Um eine wirklich dauerhafte Antwort auf dieses Phänomen geben zu können, müsse man allerdings auch auf die ungelösten Probleme eingehen, die es hervorgebracht hätten und am Leben hielten. Bei genauerer Untersuchung sei es nämlich kein rein religiöses Phänomen, sondern in vielen Fällen werde die Religion für politische Ziele ausgenutzt oder um von sozialen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten abzulenken. Ausdrücklich differenziert der Papst zwischen der Verurteilung des Phänomens als solchem und seiner Auswirkungen und den Personen, die es vertreten: „Si l’on doit condamner l’intolérance et la violence suscitées parl’intégrisme (sic!), il importe au plus haut point de poser un regard de foi et d’amour sur les personnes qui prennent de telles attitudes et qui en souffrent fréquemment.“49

3.3.3. Der Nahe Osten – die Reden sind so konkret wie die Nöte Durch seine Pastoral- und Pilgerreisen, noch mehr aber durch die obligatorischen Besuche der Bischöfe im Vatikan stand Johannes Paul II auch in direktem Kontakt mit Christen, die christlich-muslimischen Dialog mehr oder weniger alltäglich erleben. Das lässt geographisch zunächst an den Nahen Osten und Nordafrika denken, schließt aber auch weiter östlich oder südlich gelegene Staaten Asiens und Afrikas ein. Im Gegenteil, Arabien direkt ist bei den päpstlichen Reden, die das Thema Muslime ansprechen, eher schwach vertreten. Einmal in all den Jahren sind als Gegenüber pauschal die Bischöfe der arabischen Region genannt, ohne dabei allerdings ins Detail zu gehen, was Staaten angeht. Das könnte eventuell eine Vorsichtsmaßnahme sein, denn prompt erhalten die Grenzen des Dialogs, sprich die Ablehnung vonseiten des muslimischen Gegenübers und noch mehr das Problem nötiger, aber mangelnder Religionsfreiheit (was dann zu Diskriminierung und dem Leben als eingeschränkter Minderheit führt) einen prominenten Platz in der päpstlichen Ansprache. Auf anthropologischer Ebene wird als Grundlage des Dialogs genannt, dass Gott der gemeinsame Vater der ganzen menschlichen Familie ist und dass es nur darum gehe, die Entwicklung der menschlichen Person nach dem Plan Gottes zu fördern. In zwei weiteren Ansprachen wird nach lateinischem bzw. orientalischem Ritus getrennt. Auch in der Rede an die Bischöfe lateinischen Ritus schimmert die schwierige gesellschaft 49 Ib., p. 643, n. 836*, s.a. p. 642.

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liche Situation der Christen in diesen Ländern durch, es werden Gewaltopfer angesprochen und es geht um den Frieden im Nahen Osten. Johannes Paul II betont sehr stark, dass im Zentrum von Friedensverhandlungen die Sorge um Respekt und Würde jedes Menschen stehen müsste, der das Recht habe, auf seinem Land in Frieden und Sicherheit zu leben und dass es deshalb nötiger denn je sei, zu Dialog, zu Treffen und zur Liebe aufzurufen, die jeder für seine Brüder und für jeden Menschen empfindet. Abgesehen von der Würdigung dessen, was schon erreicht worden sei, vornehmlich auf der Ebene des Dialogs des Lebens (Schule/ Erziehung, Gesundheit/soziale Dienste), sei das Streben nach echtem, vertrauensvollem Dialog mit Islam und auch Judentum eines der großen Erfordernisse, denen die Kirche sich nicht entziehen könne und auch ein Beitrag zu der schon oft genannten wirklichen Religionsfreiheit (keine Diskriminierung oder Marginalisierung wegen des Glaubens, der spezielle Status einer Religion darf anderen Religionen nicht zum Nachteil oder Schaden gereichen). Hier schließt sich wieder der Kreis, der grundsätzliche Aussagen zu Status und Rechten des Menschen mit der speziellen Problemsituation verbindet. Die Ansprache an die chaldäischen Bischöfe, also die Bischöfe der mit Rom unierten nestorianischen Kirchen im Irak, Iran, Libanon, in Ägypten, Syrien, der Türkei und den Vereinigten Staaten ist demgegenüber rein pragmatisch ausgerichtet – es geht um die Irakkrise, um das Embargo, die guten Beziehungen zu den religiösen Autoritäten und um päpstliche Initiativen wie einen Fastentag und eine neuerliche Einladung nach Assisi, alles im Blick auf Solidarität und Frieden in der Welt. Hier ist man sozusagen auf der Stufe der (fast reinen) Umsetzung angelangt, die Grundlagen müssen nicht unbedingt und nicht immer beschworen werden, können es aber. Eine Zusammenfassung von quasi allem, was in diesem Zusammenhang und für die Region wichtig ist und auch sonst früher oder später gesagt wurde, bieten die beiden Ansprachen des Papstes zum Beginn und zum Ende der Anfang März 1991 (also unmittelbar nach dem zweiten Golfkrieg) vom Papst einberufenen Versammlung der Patriarchen und Bischöfe des Nahen und Mittleren Ostens, sowie die stark von diesen beeinflusste abschließende Stellungnahme des Treffens, in dem es um Bestandsaufnahme, Perspektiven und Maßnahmen für die Region ging. Die herausgehobene Bedeutung, die diesem Ereignis vom Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog beigemessen wurde, zeigt sich in einer eigenen kleinen Veröffentlichung aller Dokumente in französischer, englischer und arabischer Sprache. Tatsächlich sind alle Krisenherde der Region mit Detailkenntnis und Ausgewogenheit angesprochen sowie auch die Problematik, dass sie oft vereinfacht oder gar vorurteilsbeladen dargestellt werden oder gar der Golfkrieg als Religionskrieg verzeichnet wird. Es wird sehr nachdrücklich jeglicher vorgeblich ‚heilige‘ Krieg abgelehnt und für einen gerechten Frieden plädiert, da Armut (aber auch Gewissenszwang) Hauptursachen für Krieg seien. Auch die Rückbindung an das erste Friedensgebet in Assisi fehlt nicht, ebensowenig wie der Hinweis auf die Minderheitensituation der katholischen Christen vor Ort, die deren

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Wirkmöglichkeiten bezüglich des als nötig gesehenen Dialogs und anderer, konkreterer Maßnahmen einschränken, besonders wenn sie mit Beschränkungen der Religionsfreiheit verbunden bzw. diese gar nicht vorhanden ist, wobei Saudi Arabien direkt angesprochen wird. Zwei Einzelaussagen zur Anthropologie stechen wegen ihrer Grundsätzlichkeit und auch wegen ihres positiven Charakters besonders hervor: „With humble means, in conformity with her spiritual nature, the Church tries to evoke or arouse the sense of truth, justice and fraternity which the Creator placed in the heart of each individual, of each person always considered in his or her transcendent and social dimension. These basic considerations motivated my many recent interventions when the peace in the Gulf and, in a certain sense, the peace of the world were threatened. It seemed necessary to me, indeed, to recall the great principles of a morality and law which challenge in a like manner the conscience of every person and which are to be applied everywhere and are applicable to each of the members of the international community.“50 „It will be necessary to overcome the rancour and cultural divisions and especially those which have been created between diverse religious worlds. It is a hope which finds its deepest foundation in the common faith of these peoples in God the C ­ reator and in trust in mankind, God’s creature, called by him to preserve the world and improve it.“51 50 Opening Discourse, in: Rencontre de S. S. le Pape Jean-Paul II avec les patriarches des églises orientales et les évêqes des pays impliqués dans la guerre du golfe, Meeting of H. H. Pope John Paul II with the Patriarchs of the Oriental Churches and Bishops of Countries Involved in the Gulf War, 4–6 March 1991, s.l.s.a., p. 20, ferner p. 19.21, zur Bedeutung s. p. 5 das Vorwort von Kardinal Francis Arinze. Die Ansprache findet sich auch als Message de Jean Paul II aux Patriarches et aux Evêques sur le Moyen-Orient (4 mars 1991), Islamochristiana 17 (1991), p. 287–289. Außerdem Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 451–453, n. 618– 621, Cité du Vatican: 17 mars 2001, Aux Evêques du Rite Latin de la Région Arabe (C. E. L. R.A.) (Extraits), BPCDIR 107 (2001), p. 162–164, Cité du Vatican: 11 décembre 2001, Aux évêques de l’Eglise chaldéenne (d’Iraq, l’Iran, du Liban, d’Egypt, du Syrie, de la Turquie e (sic!) des Etats Unis d’Amérique) en visite „ad limina“ (extrait), BPCDIR 109 (2002), p. 30 und Citè du Vatican: 1 août 2004, À Sa Béatitude Emmanuel III Delly, Patriarche de Babylone des Chaldéens, BPCDIR 118 (2005), p. 25. In diesem Zusammenhang ist auch eine gemeinsame Erklärung mit seiner Heiligkeit Aram I Keshishian zu erwähnen (Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 702, p. 896*), die hauptsächlich auf die Situation der armenischen Kirche eingeht, aber auch generell darauf, wieviel die Christen und die Muslime des Nahen Ostens gemeinsam haben an Geschichte, sozio-ökonomischen Problemen und politischem Schicksal. Der Jemen taucht, von rein diplomatischen Anlässen abgesehen, nur in einer Ansprache beim Besuch des Staatspräsidenten im Vatikan auf, die aber relativ allgemein bleibt (Cité du Vatican: 26 novembre 2004, Au Président, S. E. Ali Abdullah Saleh, de la République du Yémen, BPCDIR 118 (2005), p. 38–39). 51 Solemn Closing, in: Rencontre de S. S. le Pape Jean-Paul II avec les patriarches des ­églises orientales et les évêqes des pays impliqués dans la guerre du golfe, Meeting of H. H. Pope John Paul II with the Patriarchs of the Oriental Churches and Bishops of Countries Involved in the Gulf War, 4–6 March 1991, s.l.s.a., p. 23, ferner p. 24–25. Dieser Gedanke wird auch aufgenommen

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Deutlicher dagegen zeigt sich die Tendenz zu fast ausschließlich konkreter Redeweise, wenn der Papst in der Region selbst spricht oder zu deren einzelnen Problemen gezielt Stellung nimmt. Relativ grundsätzlich argumentiert er noch bei einer Predigt in Damaskus, wo er zwar auch das heilige Land anspricht und Rechte und Frieden für alle Völker dort, aber auch noch grundlegender vom Aufbau einer brüderlichen, gerechten und solidarischen Gesellschaft spricht, in der jeder in seiner Menschenwürde und in seinen grundlegenden Rechten voll anerkannt ist. Noch allgemeiner ist bei einem Treffen mit Patriarchen und Bischöfen von den positiven Auswirkungen von Dialog und Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen die Rede, bis hin zu einem gemeinsamen Zeugnis für die volle Anerkennung der Würde des Menschen, wie immer das konkret gedacht sein mag. Bei den Ansprachen in Bethlehem und Jerusalem ist die Wortwahl dagegen mehr der besonderen Feierlichkeit dieser Pilgerreise angepasst. Konkreter wird Johannes Paul II aber wieder in einer Botschaft an den lateinischen Patriarchen von Jerusalem, wo es um das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern geht und dass dies friedlich und dauerhaft nur möglich sei, wenn es Grundrechte für jeden gebe, also das Recht, bei sich in Würde und Sicherheit zu leben für beide Völker. Es schließt sich in diesem Fall noch ein Appell an die geistlichen Füher beider Religionen an, aus ihrem Glauben alle für inneren und äußeren Frieden nötigen Kräfte zu schöpfen, denn das wolle das Volk in Wirklichkeit.52 Es geht, das ist relativ deutlich und auch durchaus einleuchtend, weniger um ausgeführte theologische Argumentation als darum, einige ‚einfache‘, grundlegende Dinge mit allem persönlichen und institutionellen Gewicht des Sprechers in die Waagschale zu werfen, um vielleicht in einer ziemlich verfahrenen politischen Situation etwas bewegen zu können.

in: The Patriarchs of the Catholic Churches of the Middle East and the Presidents of the Bishops’ Conferences of the Countris More Directly Involved in the Gulf War, in: Rencontre de S. S. le Pape Jean-Paul II avec les patriarches des églises orientales et les évêqes des pays impliqués dans la guerre du golfe, Meeting of H. H. Pope John Paul II with the Patriarchs of the Oriental Churches and Bishops of Countries Involved in the Gulf War, 4–6 March 1991, s. l. s. a., p. 28: „Together with all believers, we are persuaded that with faith in God and trust in man, God’s creature, the face of the world can indeed be changed.“ 52 S. Damas Syrie: 6 mai 2001, Homilie au Stade Abbassyne, BPCDIR 107 (2001), p. 169, Damas Syrie: 6 mai 2001, Rencontre avec les Patriarches et les évêques au Patriarcat grecmelkite, BPCDIR 107 (2001), p. 170, Bethlehem: 22 March 2000, Homily (Extract), BPCDIR 104/105 (2000), p.  172, Jerusalem: 25 March 2000, To the Participants and Representatives of the Christian Churches and Confessions Present in the Holy Land (Extract), BPCDIR 104/105, p. 179, Cité du Vatican: 6 novembre 2000, Message à Sa Béatitude Michel Sabbah, BPCDIR 106 (2001), p. 18–19.

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3.3.4. Nordafrika – hier klingen dieselben Worte noch ganz anders Sehr viel Raum nimmt in den Ansprachen Johannes Paul II die Situation zwischen Christen und Muslimen in Nordafrika ein, wobei die meisten dieser Ansprachen, seien sie im Vatikan gehalten oder vor Ort, die Bischöfe als Ansprechpartner und überwiegend einen seelsorgerlichen Grundton haben, nicht zuletzt aufgrund der wirklich schwierigen Lage besonders in Algerien, wo bei muslimischen Übergriffen, wie direkt und noch öfter indirekt erwähnt wird, 19 Mönche und Nonnen getötet wurden, darunter der Bischof von Oran und die sieben Trappistenmönche von Notre-Dame de l’Atlas. Zunächst war noch ganz allgemein davon die Rede, dass Dialog letztendlich eine Sache der Freundschaft sei, die Zeit brauche, eine geregelte Annäherung, Unterscheidung und Diskretion, um auf eine zögerliche Mentalität Rücksicht zu nehmen. Es wurde von der unvermeidlichen Spannung zwischen dem Respekt vor Person und Überzeugungen des Dialogpartners und den eigenen Glaubensüberzeugungen gesprochen und sogar gesagt, für viele Muslime seien die Nonnen die Kirche und die Muslime seien glücklich darüber. Diese Aussagen bekommen im Blick auf die tragische spätere Entwicklung noch ein ganz anderes Gesicht. Es scheint auf, wie tief die Unterschiede, die Spannungen tatsächlich sein können und dass manches auch noch anders ist, als es sich zunächst darstellt. Die Grenzen des Dialogs sind eben erreicht, wenn ein Gesprächspartner nicht mehr bereit ist, die andere Religion so wahrzunehmen, wie sie tatsächlich ist, sondern sich von Vorurteilen beeinflussen lässt, die von den Medien verbreitet werden und die die Realität deformieren. Es hat schon ein besonderes Gewicht, wenn in dieser Situation zu Offenheit und guter Nachbarschaft aufgerufen wird, die Freud und Leid teilt, zu Zusammenarbeit und Werken der Barmherzigkeit für die ganzheitliche Entwicklung und völlige Befreiung des Menschen. Es wird auch deutlicher, warum es Johannes Paul II so wichtig ist, die Jugend für den Dialog zu gewinnen: Hier liegen die langfristigen und dauerhaften, aber eben auch nötigen Entwicklungen. Die Rede von der Verletzlichkeit der kleinen Schar im Blick auf die Muslime, das neue Kapitel von Dialog und Zusammenarbeit zwischen Gläubigen verschiedener Religionen in der Geschichte der Kirche – all das hat einen noch konkreteren Sinn als sonst. Auch eine Aussage, dass Gott ein Gott des Lebens ist und das Leben der Menschen und nicht ihren Tod möchte, heißt unter diesen Umständen ganz konkret, dass niemand im Namen Gottes töten, seinem Bruder den Tod geben kann. Selbst wenn aus anderem Zusammenhang (Rede vor der UNO 1995) zitiert wird, dass der Respekt der Kirche vor der Kultur auf dem Respekt vor der Suche nach Antworten auf das Problem des menschlichen Lebens beruht, so hat es in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, ebenso, wenn der gute Wille der bürgerlichen Autoritäten erwähnt wird oder auch Sätze fallen, dass inoffizielle und offizielle Dialoge helfen, falsche Medienbilder zu überwinden. Selbst relativ häufige Aussagen wie die zur Wichtigkeit von gegenseitigem Respekt und

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Wertschätzung der Religionsfreiheit oder die Behauptung, Werte seien in der Natur des Menschen verwurzelt und daher gebe es in allen Kulturen gemeinsame Werte, verlieren in diesem Kontext alles Floskelhafte und werden in ihrer vollen Größe, mit ihrem ganzen Gewicht sichtbar. Für Frieden und interreligiösen Dialog, für das Überwinden von gegenseitigem Misstrauen, um überhaupt lernen zu können, dem Gemeinwohl der Menschheit zu dienen, braucht man Geduld und Entschlossenheit gleichzeitig – und zwar nicht zu wenig. Was – und das ist außergewöhnlich – in den päpstlichen Ansprachen an die nordafrikanischen Bischöfe gleich mehrmals erwähnt wird, sind die Ehen, bei denen christliche Frauen mit muslimischen Männern verheiratet sind und im Schoß einer muslimischen Familie, in einer völlig islamisch geprägten Umwelt leben. Oft stelle sich eine innere Wende ein, wenn es um die Frage der Kindererziehung gehe, und der Wunsch, dieser Lebensweise zuvorzukommen, die völlig von islamischen religiösen Gebräuchen durchtränkt sei. Sakramente seien in dieser Situation ein Problem, doch seien die Organe der Kurie dazu da, kompetent zu helfen und die Fürsorge der Kirche und die Fürbitte des Papstes den Frauen sicher. Die Bischöfe selbst sehen die Mischehen als konkreten Ort des Dialogs, wobei es der Wunsch des Papstes ist, dies möchte sich dahin gehend entwickeln, dass ein immer größerer Respekt vor der Gewissensfreiheit jedes Menschen entsteht, und generell möchten Eltern den Kindern helfen, die Wahrheit zu suchen und danach zu leben, das Gute zu suchen und zu fördern.53 Die Ansprachen, die sich an Bischöfe oder Gläubige einzelner Länder richten, unterscheiden sich nicht signifikant vom Gesamttenor mit seiner Betonung der Religionsfreiheit und der Würde des Menschen im Hintergrund und der Betonung dessen, was gerade die christliche Diakonie für die Entwicklung des/r Menschen tut bis hin zu Förderung der Frauen. Interessanter ist, dass in den letzten Jahren auf dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse die exemplarische Wichtigkeit des Dialogs mit dem Islam betont wird: Er ist „particulièrement requis après les événements tragiques liés au terrorisme qui ont marqués le debut du ­troisième millénaire et que l’opinion peut être tentée d’imputer à des causes d’origine religieuse.“54

53 S. in der Reihenfolge der Nennung: Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 736, n. 927*, p. 270, n. 382, p. 271, n. 385, p. 538–539, n. 727, p. 666–668, n. 861*–863*, Cité du Vatican: 22 février 2003, Aux évêques de la Région du Nord de l’Afrique pendant leur ­visite „ad limina“ (Extrait), BPCDIR 114 (2003), p.  314–316, Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 271, n. 384, p. 539, n. 728. 54 Castel Gandolfo: 30 aôut 2003, Aux évêques de l’Eglise Catholique copte d’Egypte à l’occasion de leur visite „ad limina“ (Extrait), BPCDIR 114 (2003), p. 344, s.a. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 729, n. 920*, p. 662, n. 857*.

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3.3.5. Türkei – noch eine programmatische Rede Was die Türkei angeht, so bewegen sich die Ansprachen gerade an die Bischöfe wieder überwiegend im Rahmen der Betonung der Bedeutung der Religionsfreiheit und des Einsatzes dafür sowie im Eingehen auf Möglichkeiten des alltäglichen neben dem institutionellen Dialog. Besonders eingegangen wird lediglich auf die Beziehungen zwischen der Universität Ankara und der Gregoriana. Aus diesem Rahmen fällt die Rede an die katholische Gemeinde Ankara, die im Verhältnis als programmatisch gelten kann und gilt: Zunächst betont sie, durchaus mit Blick auf die gesamte islamische Welt, die Wertschätzung der Kirche für die religiösen Werte der Muslime, die als geistliches Erbe einen Wert für Mensch und Gesellschaft haben und besonders jungen Menschen Orientierung für ihr Leben geben und die Leere ausfüllen können, die der Materialismus offen lässt. Sie seien außerdem ein sicheres Fundament für die soziale und rechtliche Organisation – eine Aussage, die in einem Land, in dem islamisches Recht nicht Staatsrecht ist, sicher nicht überbewertet werden darf, aber trotzdem außerordentlich ist. J­ ohannes Paul II betont auch hier, für Christen und Muslime habe ein neues Zeitalter begonnen, in dem Sinn, dass man die geistlichen Bande erkennen und entwickeln müsste, die beide verbinden, zum Schutz und zur Entwicklung für alle Menschen, wobei konkret an soziale Gerechtigkeit, moralische Werte, Friede und Freiheit gedacht ist. Ernsthaft gelebter abrahamitischer Glaube – gedacht ist hier an einen Glauben, der das Leben durchdringt – sei ein sicheres Fundament für Würde, Brüderlichkeit und Freiheit des Menschen, wobei hier ausdrücklich auf den Schöpfungsglauben verwiesen wird, nach dem dieser Mensch an der Spitze der Schöpfung steht. Als Geschöpf Gottes hat der Mensch unverletzliche Rechte, ist aber auch gebunden an das Gesetz von Gut und Böse, das in der göttlichen Ordnung ihren Ursprung hat. Aus all diesen Gemeinsamkeiten soll das Prinzip einer Zusammenarbeit für den Fortschritt des Menschen, für den Wettstreit im Guten, für die Ausbreitung von Frieden und Brüderlichkeit werden, selbstverständlich immer in der freien Verkündigung des Glaubens. Alles schließt mit einem ermunternden „Ayez aussi le sentiment d’être en communion avec l’Église universelle que le Pape représente devant vous, dans son humble personne.“55

55 Ib., p. 241, n. 341, s.a. p. 239–240, n. 338–339: Laut Dr. Tarek Mitri, verantwortlich für die Dialogabteilung des Ökumenischen Rates der Kirchen, hat diese Rede, gehalten bereits am 29.11.1979 in Ankara, zwar nicht den fast kanonischen Rang der Casablanca-Rede, nimmt aber doch eine hervorgehobene Stellung ein und wird innerkatholisch öfter zitiert. Die Ansprachen an die Bischöfe finden sich ib. p. 454, n. 622, p. 608–610, n. 810* und Vatican City: 19th February 2001, To the Bishops of Turkey, Ad Limina Apostolorum (Excerpts), BPCDIR 107 (2001), p. 161–162.

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3.3.6. Und immer wieder: Religionsfreiheit Doch generell steht schon die Religionsfreiheit in ihrer grundsätzlichen Bedeutung für den Menschen und damit für den Staat im Vordergrund, mit noch einmal besonderer Betonung in den Staaten, die vor 1989 mehr oder weniger fest in der Hand der Kommunisten waren. Hier betont Johannes Paul II besonders die Verbindung von Religionsfreiheit und Demokratie. Die Bischöfe von B ­ osnienHerzegowina beispielsweise fordert er außerdem noch ausdrücklich zur Nächstenliebe und später auch zum Dialog mit der islamischen Gemeinschaft auf, während er in der Ukraine und in Kasachstan mehr in Details geht, z. B. bezüglich der Deportation der (muslimischen) Tartaren von der Krim in die asiatischen Sowjet­republiken und deren Rückkehrwunsch. Johannes Paul II geht auch wieder auf die Jugend ein und sieht besonders die gemeinsame Front gegen Materialismus, Kommunismus, Atheismus, Konsumismus, Hedonismus. Was auch auffällt, ist, dass er in der Angelus-Botschaft in Kasachstan alle Maria anvertraut – weil ihr Sohn der Erlöser aller ist, sei sie die Mutter aller. Es fallen aber noch weitere, sehr einprägsame anthropologische Aussagen, so bei einer Messe dort: „Dearly b ­ eloved, humanity’s homeland is the Kingdom of heaven!“56 In der Ukraine hatte es dagegen geheißen: „If God is removed from the world, nothing human remains.(…) At the root of ­every authentic humanism there is always the humble and trusting acknowledgement of the primacy of God.“57

Die oben genannte Frage der Religionsfreiheit ist es auch, die sich hinüberzieht nach Pakistan und Bangladesch oder vielmehr zu den Ansprachen an die Adresse der Bischöfe dieser Länder. Es ist offensichtlich, dass hier noch Überzeugungs- und Dialogarbeit zu leisten ist. Die Fragen, die in der Beziehung zu den Muslimen der Klärung durch einen ernsthaften und auch aufgeklärten Dialog bedürften, werden leider im Einzelnen nicht genannt, dafür stehen Felder für potenzielle Zusammenarbeit im Vordergrund: soziale Gerechtigkeit, mora 56 Astana, Kazakhstan: 23 September 2001, Homily at the Holy Mass, BPCDIR 108 (2001), p. 309, s.a. p. 310–311. Offensichtlich waren bei dieser Messe Vertreter anderer Religionen anwesend, denn sie werden ausdrücklich gegrüßt (p. 308). Des weiteren s. Astana, Kazakhstan: 23 September 2001, Angelus Message, BPCDIR 108 (2001), p. 311, Astana. Kazakhstan: 23 September 2001, To the Ordinaries of Central Asia (Extract), BPCDIR 108 (2001), p. 313, Kiev, Ukraine: 24 June 2001, To the Illustrious Representatives of the All-Ukrainian Council of Churches and Religious Organizations (Extract), BPCDIR 108 (2001), p.  293.295, Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 714, n. 908* (zur generellen Lage in Bosnien-Herzegowina s. p. 715, n. 909*), Cité du Vatican: 15 Janvier 1999, Discours du Pape aux évêques de la Conférence épiscopale de la Bosnie-Herzégovine à l’occasion de leur visite „ad limina“ (extrait) BPCDIR 102 (1999), p. 289. 57 Kiev, Ukraine: 24 June 2001, To the Illustrious Representatives of the All-Ukrainian Council of Churches and Religious Organizations (Extract), p. 295.

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lische Werte, Frieden, Entwicklung, Freiheit bzw. Würde der Person, Rolle der Familie in der Gesellschaft, Förderung des Gemeinwohls. Auch auf die Basis solcher Zusammenarbeit wird eingegangen, vom eher vordergründigen Platz Gottes in der Öffentlichkeit in diesen Ländern bis zu dem universalen und unwandelbaren moralischen Normen, die auf die Schöpfungsordnung zurückgehen und in das menschliche Herz geschrieben sind und so zum gemeinsamen Schatz der Menschheit und zum eigentlichen Treffpunkt zwischen Menschen verschiedener religiöser Traditionen werden.58

3.3.7. Südostasien: eine historische Bilanz Auch angesichts der Situation in Südostasien kommt wieder die Aussage, der Glaube an Gott den Schöpfer sei solider Grund für gegenseitiges Verstehen und friedlichen Dialog. Ja, gegenüber Gläubigen in Indonesien führt Johannes Paul II sogar weiter aus, dass die Frage des reichen Jünglings, also die Frage nach dem ewigen Leben, nach der Zukunft des Menschen nach dem Tod, von Menschen aller Generationen, Nationen, Kulturen und Sprachen gestellt wird. Männer und Frauen aller Zeiten und aller Orte, also auch die Muslime, würden erkennen, dass ihre Zukunft nach dem Tod von ihrem irdischen Leben abhängen würde. Generell (die Ansprache wurde in Sumatra gehalten) sei die Hoffnung auf das ewige Leben hier überall groß, und diesen religiösen Charakter des Lebens, diese Offenheit auf transzendente Werte hin, diese Gesellschaft, die vom Respekt vor Gott und dessen Geboten gekennzeichnet ist, gelte es zu erhalten für künftige Generationen. Angesichts der Probleme in einigen Teilen der Philippinen und in ­Malaysia steht allerdings wieder die Religionsfreiheit im Vordergrund, wobei Johannes Paul II zunächst noch betont, religiöse Unterschiede würden das gemeinsame Leben nicht notwendig behindern, beide, Christen und Muslime, könnten Partner sein dabei, eine Gesellschaft nach den Werten zu bauen, die Gott lehrt. Toleranz, Friede und Sorge für die Ärmeren und Schwächeren seien dabei die Aufgabe und das Ziel. Die Parallelen zur Rede in Indonesien sind unübersehbar. Mit dem Eskalieren der Gewalt in Mindanao ändert sich der Ton, es geht nun um eine Kampagne gegen Terrorismus und Gewalt und die entscheidende Rolle der religiösen Führer dabei. Die Religionen (und Konfessionen) müssten zusammenarbeiten, um die sozialen und kulturellen Ursachen des Terrorismus zu eliminieren. Wieder (Johannes Paul II zitiert sich selbst) geht es um die Größe und Würde des Menschen und um die Einheit der menschlichen 58 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 468, n. 641, Vatican City: 15th May 2001, To the Bishops of Bangladesh, BPCDIR 107 (2001), p. 176, Vatican City: 19th May 2001, To the Bishops of Pakistan (Excerpts), BPCDIR 107 (2001), p. 190–191.Vielfältig interessant in diesem Zusammenhang ist auch The Pope Receives the Bihops of Pakistan on the Occasion of Their „ad limina“ Visit (21 October 1994), Islamochristiana 21 (1995), p. 198.

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Familie, die dazu noch deutlicher hervortreten müssten. Noch deutlicher aber wird der Papst angesichts der zunehmenden Islamisierung des sozialen und zivilen Lebens in Malaysia, wo die Glaubensfreiheit mitunter nur noch auf dem Papier zu stehen scheine. Es fallen deutliche Worte: Ohne ehrliche Auseinandersetzungen gebe es weder Frieden noch Fortschritt und man könne auch Religion und Moral nicht trennen und die Moral in den Privatbereich verbannen. Dann zieht Johannes Paul II fast eine Bilanz, was die weltweite Entwicklung bzgl. Menschenrechte angeht: „Par bonheur, il y a maintenant à travers le monde un conscience croissante de l’importance des droits fondamentaux pour édifier des /501 sociétés justes et stables, capables de traduire les aspirations des peuples pour vivre dans la dignité et la liberté. De plus, les citoyens qui redoutent les réactions adverses quand ils expriment leurs convictions ne peuvent prendre part pleinement à la construction de la société dans laquelle ils vivent.“59

3.3.8. Schwarzafrika: Mali als positives Beispiel Besonders vielfältig ist die Situation in Afrika (das kulturell völlig anders geprägte Nordafrika einmal ausgenommen). Die afrikanische Bischofssynode hat den Muslimen generell Zusammenarbeit für Frieden und Gerechtigkeit in gegenseitigem Respekt vor der Religionsfreiheit des Einzelnen und der Gemeinschaft angeboten, weil Gott das so wolle – ein Gott übrigens, der auch kein Götze sein wolle, in dessen Namen man andere Menschen töte. Welche Formen eine solche Zusammenarbeit aber wo konkret annehmen könnte oder sollte, bleibt offen.60 Eine besondere Stellung bei den Ansprachen Johannes Pauls II nimmt Mali ein, was doch erstaunlich ist, ist doch die Zahl der Katholiken in diesem Land, dessen nördlicher Teil noch in der Sahara liegt, verschwindend gering. Die Zahl der Muslime ist dafür umso größer. Es schimmert durch die päpstlichen Ansprachen hindurch, dass die Verhältnisse zumindest nicht immer problemlos waren, sich aber im Lauf der Jahre (zwischen 1981, 1990 und 1996) gebessert zu haben scheinen. In sehr offener Form wird dabei wieder von Gewissens- und Gottesdienstfreiheit gesprochen. Ansonsten ist von den Muslimen als Trägern authentischer religiöser Werte die Rede, die die Christen erkennen und respektieren sollten, und von den vielfachen Dimensionen dieses Islams, der tiefe Wurzeln bei vielen afrikanischen Völkern habe. Der Dialog sei generell nicht immer leicht, 59 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 500/501, n. 683, s.a. n. 682, p. 465, n. 638, p. 485, n. 660–661, p. 510, n. 696, Castel Gandolfo: 25 September 2003, To the Bishops from the Philippines (Ecclesiastical Provinces of Cagayan de Oro, Cotabato, Davao, Lipa, Ozamis and Zamboanga) on the Occasion of their „ad limina“ Visit (Extract), BPCDIR 114 (2003), p. 347–348, wo der Papst auch ein Forum von Bischöfen und Ulama auf lokaler Ebene vorschlägt. 60 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 606/607, n. 808*.

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werde nicht von allen gewünscht, es sei manchmal schwierig, eine gemeinsame Sprache und repräsentative Gesprächspartner zu finden. Die Christen müssten da realistisch und großzügig gleichzeitig sein, wobei Johannes Paul II die Initiative gegenüber den Muslimen klar auf Seiten der katholischen Kirche sieht. Die angestrebte Solidarität sei wesentlich mehr als unbestimmte Toleranz, also einfaches Akzeptieren des anderen, sie führe zu einer Gemeinschaft von Brüdern, die sich schätzten und liebten.61 Unter dem Gesichtspunkt der Anthropologie besonders interessant ist eine Rede vor 1.500 christlichen und muslimischen Jugendlichen im Kulturpalast von Bamako anlässlich des Pastoralbesuchs im Januar 1990, die fast etwas an die berühmte Casablanca-Rede erinnert, die ja auch an Jugendliche gerichtet war. Der päpstliche Besucher setzt ein mit der Feststellung, dass alle Mitglieder der einen menschlichen Familie seien. An die Rede von der Schöpfung schließt er den Gedanken der einzigartigen Würde und des überlegenen Wertes des Menschen an. Daraus, aus dem Geschaffensein des Menschen durch Gott, folgt auch, dass man jeden Menschen respektieren, lieben und ihm helfen müsse. Ob man den Menschen als Abbild Gottes oder als dessen Stellvertreter bezeichne (also eine christliche bzw. muslimische Sichtweise einnehme), in jedem Fall sei der Mensch ein Zeichen, das auf Gott verweise. Auch seine Rechte (also die Menschenrechte) seien Ausdruck des Willens Gottes und der Existenz der menschlichen Natur, so wie sie Gott geschaffen habe. Umgekehrt sei der Mensch als Geschöpf Gottes auch durch eine Abhängigkeit gekennzeichnet (deren Radikalität man in deutschen theologisch-philosophischen Termini wohl als schlechthinnig bezeichnen müsste), die vielleicht seinen Stolz tötet, aber, sofern er sie freiwillig anerkennt und annimmt, seinem Leben einen Sinn und eine grenzenlose Weite gibt. Dies, so setzt Johannes Paul II bei seiner Rede quasi voraus, ist Christen und Muslimen gemeinsam, denn er fährt dann fort, dass beide durchaus verschiedene Motive und Mittel haben, um dieses Ideal zu realisieren – die einen müssten ein perfekter Stellvertreter Gottes auf Erden werden und Zeugnis ablegen für die guten Eigenschaften Gottes, wie sie in den schönen Namen Gottes ausgedrückt sind, die anderen sollen wirkliche Kinder Gottes werden nach dem Vorbild Christi. Diese Art von menschlicher Würde wird in jedem Fall im Gegensatz gesehen zu Ideologien und vergänglichem Glück. Sie verbindet sich 61 S. ib., p. 272/273, n. 386, p. 488, n. 665, p. 489, n. 666, p. 490, n. 668, p. 661, n. 856*. Die Auskünfte zur besonderen Stellung Malis und der Situation dort stammen von Prof.em. Maurice Borrmans, ehemals Pontificio Istituto per i Studi Arabi e d’Islamistica, Rom. Die Antwort Johannes Pauls II auf die Begrüßung durch den Staatspräsidenten von Mali bestätigt das. Er spricht vom bevorstehenden Treffen mit Gläubigen verschiedener Religionen „me réjouissant des rapports harmonieux qui existent ici entre les religions africaines traditionnelles, les communautés musulmanes et les communautés chrétiennes. Je vois dans cette attitude positive une garantie du respect de la dignité et du bien-être de chacun. La foi religieuse, en effet, doit rapprocher les hommes et les conduire à une solidarité plus profonde dans la recherche commune de tout ce qui est noble et bon.“ (La visite pastorale de Jean Paul II au Mali (28–29 janvier 1990), Islamochristiana 16 (1990), p. 255).

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mit einer gehobenen Moral und sucht nicht nur materielles Wohlergehen. Neben einer Aufforderung zur Solidarität auch im Bereich der Arbeit kommt er hier auf die Notwendigkeit eines geistlichen Lebens zu sprechen, weil der Mensch eben nicht vom Brot allein lebe. Erst dieses geistliche Leben gebe der Entwicklung Sinn, gebe Orientierung hin auf das Wohl des Menschen und zwar des ganzen Menschen und aller Menschen.62 Es scheint, dass Johannes Paul II seine anthropologisch grundsätzlichsten und am deutlichsten ausformulierten Reden im Zusammenhang mit Muslimen vor Jugendlichen gehalten hat, vielleicht im Blick darauf, dass junge Menschen noch am meisten Orientierung brauchen, wer sie selbst und die anderen Menschen überhaupt sind, wo sie im Leben stehen und was sie mit diesem Leben anfangen sollen, wie sie es richtig anpacken sollen. Die päpstliche Antwort darauf ist einfach, klar, nach beiden Seiten verständlich und begründet, ohne darüber viele Worte zu verlieren. Umgekehrt zeigt es auch ein großes vertrauensvolles Entgegenkommen vonseiten des Gastgebers Mali, dass man den Papst eine solche Rede vor auch muslimischen Jugendlichen halten lässt, wo doch junge Menschen generell und auch speziell bei Muslimen als besonders beeinflussbar gelten. Dies verweist wieder darauf, das Mali und die christlich-muslimischen Beziehungen dort einen besonderen Status haben, nämlich einen besonders harmonischen. Am Golf von Guinea ist der Anteil der Muslime gegebenüber den Christen teilweise sehr hoch, so wundert es grundsätzlich nicht, dass Religionsfreiheit wieder ein Thema ist, erklärtermaßen im Interesse der gesamten Nation. Besondere, neue Begründungen oder besonders griffige Formulierungen fallen dagegen in diesen Ansprachen nicht auf, abgesehen von einer Definition der öfter beschworenen gemeinsamen Werte, als da seien Friede, Solidarität, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit, Freiheit.63 Auch die auf gleicher Höhe liegenden Nachbarstaaten be 62 Nach La visite pastorale de Jean Paul II au Mali (28–29 janvier 1990), p. 256–258. Ähnlich grundsätzlich wird Johannes Paul II beispielsweise, als er vor katholischen Jugendlichen im Senegal über christlich-muslimische Beziehungen spricht, so Les rencontres de Jean Paul II avec les divers groupes de catholiques sénégalais, Islamochristiana 18 (1992), p. 290: „Bref, que Chrétiens et Musulmans collaborent dans ce qui fait grandir la communauté humaine! Vous, les jeunes, bien que vous ne soyez pas unis dans vos croyances, apprenez à vous respecter et à vous tolérer. En effet, la Bible nous montre que l’être humain possède une dignité unique: il est une créature de Dieu et il a donc une relation priviligée avec Celui qui lui a tout donné. L’homme est invité à devenir vraiment fils de Dieu dans un partage de vie et d’amour: il a une valeur souveraine. Pour les Musulmans, l’homme est appelé à être un parfait resprésentant de Dieu sur la terre, en y témoignant, pour le service de tous, de ce que signifient ces Très Beaux Noms: miséricorde et compréhension, pardon et réconciliation. Chers amis, grande est la dignité de l’homme! Il est une route qui mène au Segneur, un ‚signe‘ qui révèle Dieu.“ 63 S. Cité du Vatican: 28 août 1999, Aux évêques du Côte d’Ivoire à l’occasion de leur visite „Ad limina“ (Extrait), BPCDIR 103 (2000), p. 17, Vatican City: 15 February 2003, To the Bishops of the Gambia, Liberia and Sierra Leone during their „ad limina“ Visit (Extract), BPCDIR 114 (2003), p. 308, Cité du Vatican: 15 février 2003, Aux évêques de la Guinée Conakry à l’occasion de leur visite „ad limina“ (Extrait), BPCDIR 114 (2003), p. 310.

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kommen päpstliche Aufmerksamkeit. Auch sie sind ja mehr oder weniger stark vom Islam geprägt. Die Ansprachen enthalten wenig inhaltlich Neues, es geht um Anstrengungen zu gegenseitigem Kennenlernen, zu Respekt und Religionsfreiheit und für das Gemeinwohl. Noch relativ grundlegend ist die Aussage, die Furcht vor dem anderen käme oft „de la méconnaissance profonde des valeurs religieuses qui l’animent“.64 Unter den Staaten am Golf von Guinea bekommt Nigeria besondere Aufmerksamkeit, leider als ein Land, in dem es immer wieder zu auch blutigen Auseinandersetzungen kommt, unter anderem, weil Teile der Muslime immer militanter werden, bis dahin, dass sie ihr Verständnis von islamischem Recht auch Andersgläubigen aufdrängen wollen. Dass hier wieder die Frage der Religionsfreiheit ins Spiel kommt, ist selbstverständlich. Eindringlich wiederholt Johannes Paul II einen Aufruf sowohl vor den Bischöfen als auch vor den muslimischen Führern des Landes: „The Creator of the one great human family to which we all belong desires that we bear witness to the divine image in every human being by respecting each person with his or her values and religious traditions, and by working together for human progress and development at all levels.“65 Besondere, neue Begründungen oder besonders griffige Formulierungen fallen dagegen in diesen Ansprachen nicht auf, abgesehen von einer Definition der öfter beschworenen gemeinsamen Werte, als da seien Friede, Solidarität, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit, Freiheit. Auch die Gespräche mit den Bischöfen anderer afrikanischer Länder laufen in durchaus vergleichbaren Bahnen. Wo Muslime in der Mehrheit sind oder es Schwierigkeiten gibt, läuft es doch meist auf die Wichtigkeit der Religionsfreiheit als Herz und Grund aller Menschenrechte und damit als Grundlage für die Entwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft hinaus. Andererseits ist auch klar, dass die katholische Kirche auf den Dialog mit den Muslimen zugeht (ohne dabei ihre missionarische Dimension aufzugeben) und gemeinsame Werte ausdrücklich anerkennt, auch wenn gemeinsame Dialogkonzepte mitunter fehlen.66 64 Cité du Vatican: 17 juin 2003, Aux évêques du Burkina Faso et du Niger à l’occasion de leur visite „ad limina“ (Extrait), BPCDIR 114 (2003), p. 338, s.a. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 254, n. 358, p. 274/275, n. 388, p. 694, n. 887*. In diese Schiene passt auch eine Ansprache an die Bischöfe des Tschad bei deren obligatorischen Besuch im Vatikan, s. A Rome (Vatican), le Pape recoit les Evêques du Tchad en visite „ad limina“ (27 juin 1994), Islamochristiana 20 (1994), p. 270 f. 65 Abuja  – Nigeria: 23 March 1998, Discourse of the Pope at Meeting with the Episcopal Conference of Nigeria in the Apostolic Nunciature (Excerpt), BPCDIR 99 (1998), p. 278, s.a. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 428, n. 590, Cairo, Egypt: 25 February 2000, A la fin de la Sainte Messe, BPCDIR 104/105 (2000), p. 166, Vatican City: 20th April 2002, To the Bishops of Nigeria on the Occasion of their Visit „ad Limina“ (Extract), BPCDIR 110 (2002), p. 177–178, Vatican City: 27 May 2004, To the New Ambassador of Nigeria to the Holy See (Extract), p. 18. 66 S. Cité du Vatican: 28 août 1999, Aux évêques du Côte d’Ivoire à l’occasion de leur visite „Ad limina“ (Extrait), BPCDIR 103 (2000), p. 17, Vatican City: 15 February 2003, To the Bishops of the Gambia, Liberia and Sierra Leone during their „ad limina“ Visit (Extract), BPCDIR 114 (2003), p.  308, Cité du Vatican: 15 février 2003, Aux évêques de la Guinée Conakry à

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3.3.9. Europa: Ermutigung zum Dialog Muslime können in einer Gesellschaft auch zum Thema werden, wie das Beispiel der päpstlichen Ansprachen an die Bischöfe Nordfrankreichs zeigt. Hier ist es die hohe Zahl von Muslimen unter den Immigranten, die Ängste auslöst. Johannes Paul II verweist auf die Möglichkeit, mit den gläubigen Muslimen zusammen essentielle Werte zu verteidigen und ermahnt die Bischöfe deutlich dazu, weiterhin zum Dialog mit Muslimen zu ermutigen. Wieder geht er besonders auf die Jugendlichen ein, die lernen müssten, freundschaftlich zusammenzuleben – und auf die Menschenrechte, aber dieses Mal als Schutzrechte für die Fremden, die man nicht auf einmal vergessen dürfe, weil die wirtschaftliche Situation sich verschlechtert habe. Diese Ansprache ist also sehr konkret, während eine andere an die Kurie demgegenüber praktisch nur Nostra Aetate zitiert, das im Licht von Lumen Gentium zu lesen sei, und beide wiederum würden den Verständnishorizont für das Friedensgebet von Assisi abgeben. Eine ganz ähnliche Zitatensammlung ist die erste Ansprache bei einer Generalaudienz, bei der auf Muslime eingegangen wird, abgesehen von einem Aufruf zu Fürbitte und Mitarbeit im Bereich des interreligiösen Dialogs.67 Fast 15 Jahre später klingt es bei einer General­ l’occasion de leur visite „ad limina“ (Extrait), BPCDIR 114 (2003), p. 310, Cité du Vatican: 9 Septembre 1999, Aux évêques du Tchad à l’occasion de leur visite „Ad limina“ (Extrait), BPCDIR 103 (2000), p. 21, Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 595, n. 796, Cité du Vatican: 27 Septembre 1999, Aux évêques de la République Centrafricaine en visite „Ad limina“ (Extrait), BPCDIR 103 (2000), p. 24, Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 437, n. 599, p. 595, n. 796, Vatican City: 3 September 1999, To the Bishops of Zambia on the Occasion of their „Ad limina“ Visit (Extract), BPCDIR 103 (2000), p. 19, Vatican City: 6 September 1999, To the Bishops of Malawi on the Occasion of their „Ad limina“ Visit (Extract), BPCDIR 103 (2000), p. 20. 67 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  547, n.  738–739, p.  413/414, n. 569, p. 320–321, n. 448–449. Letztere Ansprache zeichnet sich leider durch zwei Fehler aus: Zum einen wird behauptet (p. 320, n. 449), das Sekretariat für die Nichtchristen sei erst nach dem Zweiten Vatikanum eingerichtet worden, wo doch die Errichtung des Sekretariats am 19.5.1964 sogar noch vor den beiden entscheidenden Konzilsdokumenten Lumen Gentium und Nostra Aetate liegt (21.11.1964 respektive 28.10.1965). (Ein ähnlicher Fehler kommt in einer anderen Ansprache p. 503, n. 686 vor, wo der Eindruck erweckt wird, das Konzil habe die Dialogstrukturen, sprich das oben genannte Seketariat geschaffen.) Geradezu peinlich falsch aber ist die Aussage p. 320, n. 448 „les disciples de Mahomet honorent aussi Jésus comme Dieu“, wo es in Nostra Aetate (p. 17, n. 7) doch korrekt geheißen hatte: „Bien qu’ils ne reconnaissent pas Jésus comme Dieu“. Da es in der Ansprache um theologische Übereinstimmungen geht, könnte man sich sogar die Frage stellen, ob nicht der Wunsch Vater des Gedankens war, doch eine andere Veröffentlichung derselben Ansprache in englischer Sprache beweist, dass es sich einfach um einen Fehler handelt, denn dort wird korrekt folgendermaßen zitiert: „Though the do not acknowledge Jesus as God“ (General Audience of 5 June 1985: Relations with NonChristian Religions, BSNC 60 (1985), p. 229). Die vorher zitierte Ansprache an die Kurie im Dezember 1986, sozusagen als Erklärung zu Assisi, hatte weitreichende Nachwirkungen, wie man z. B. schön sieht in Message aux chrétiens du Maghreb de la Conférence des Evêques de

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audienz schon ganz anders. Da wird ausführlicher auf die Haltung der Muslime gegenüber Gott eingegangen (Fügsamkeit und Offenheit für Gottes Willen), die den existentiellen Zustand jedes Menschen vor Gott ausdrücke. Weiter heißt es, die Christen seien froh über gemeinsame Werte, man sei angesichts der gottvergessenen Welt in einem Geist der Liebe dazu aufgerufen, menschliche Würde, moralische Werte und Freiheit zu verteidigen. Johannes Paul II spricht sogar von einem gemeinsamen Pilgerweg zur Ewigkeit, der sich in Gebet, Fasten und Wohltätigkeit, aber auch in gemeinsamen Anstrengungen für Frieden und Gerechtigkeit, für menschlichen Fortschritt und Umweltschutz ausdrückt. Es ist ferner von Verzicht auf jegliche Form von Gewalt in demütiger Unterwerfung unter Gottes Willen die Rede, wobei Gott als Schöpfer und Leiter der menschlichen Familie angesprochen ist. Summa summarum: „The Church has a high regard for them ‚i. e. the Muslims‘, convinced that their faith in the transcendent God contributes to building a new human family based on the highest aspirations of the human heart.“68 Manchmal geht Johannes Paul II bei Generalaudienzen auch auf Erfahrungen ein, die er auf seinen Pastoral- und Pilgerreisen gemacht hat, unter anderem auch mit Muslimen. So lässt er sich einmal länger über die Situation des Libanon aus, der eigentlich durch ein jahrhundertelanges harmonisches Zusammenleben verschiedenster christlicher und muslimischer Gruppen geprägt sei, eine offene Gesellschaft ohne jeglichen Extremismus, der anderswo oft das politische und soziale Leben präge, mit nicht gerechtfertigtem Rückbezug auf die Religion. In den Augen des Papstes hat der Libanon in der Region eine Friedensmission, sofern man ihn von außen darin unterstützt (und nicht umgekehrt wie während des Bürgerkriegs). Ein anderes Mal spricht er zunächst davon, dass der Dialog mit dem Islam am Anfang des dritten Jahrtausends immer wichtiger und nötiger werde, und dann, dass der herzliche Empfang durch den Großmufti von Syrien und dessen Begleitung beim Besuch der großen Omajjadenmoschee in Damaskus (zugleich ein von Christen wie Muslimen verehrtes Heiligtum Johannes des Täufers) ihn ermutigt hätten – nicht hohe Theologie, aber eine wichtige menschliche Geste. Besonders außergewöhnlich ist die Botschaft zum weltweiten Tag des Kranken (11.2.1997): Johannes Paul II nimmt die Möglichkeit wahr, auf die Pilgerfahrt der Versöhnung nach Hebron hinzuweisen und auf seinen la Region Nord de l’Afrique (C. E. R. N.A.), Alger, le 8 juin 1990, BPCDIR 74 (1990), p. 162: „Le Pape Jean Paul II a pris des initiatives historiques, en particulier en suscitant la prière pour la Paix à Assise (1986). Dans son discours à la curie romaine à Noel 1986 il a signalé les fondements théologiques de cette attitude. Tous les hommes ont la même origine. Ils sont tous créés à l’image de Dieu. Ils sont tous habités par l’Esprit de Dieu qui les conduit, de l’intérieur même de leurs traditions religieuses et de leurs idéologies, vers leur vocation commune. Les collaborations entre croyants de traditions religieuses différentes, ou entre hommes de références diverses, se fondent sur cette unité, plus profonde que leur divergence.“ 68 Vatican City, 5th May 1999, General Audience: Religious Dialogue with Islam, p. 303, s.a. p. 304–305.

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Wunsch, Jerusalem und Rom möchten Eckpunkte für eine Pilgerfahrt des weltweiten Friedens werden. Dafür bittet er die Kranken um ihre Fürbitte, die er als durch das Opfer ihres Leidens verstärkt sieht.69

3.3.10. Vor den Vereinten Nationen – wichtige Reflexionen Wegen ihrer anthroplogischen Grundsätzlichkeit und wegen der Bedeutung, die ihr der Anlass und der Kreis der Zuhörer verleiht, ist die Rede Johannes Pauls II am 5.10.1995 in New York anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Vereinten Nationen besonders hervorzuheben, auch wenn Muslime darin nicht eigens erwähnt werden, sondern nur die grundsätzliche Problematik der Verschiedenheit der Menschen. Diese, so sein Einstieg in das Thema, habe er bei seinen Pastoralreisen im Verlauf von 17 Jahren selbst erleben können, wobei er gleich eine Situationsanalyse anfügt: „Malheureusement, il faut encore que le monde apprenne à vivre dans la diversité, ainsi que l’ont douloureusement rappelé les événements récents des Balkans et d’Afrique centrale. La realité de la ‚difference‘ et la particularité de l’‚autre‘ peuvent parfois être ressenties comme un poids, ou même comme une menace. Amplifiée par des ressentiments d’origine historique et exacerbée par les manipulations de personnages sans scrupules, la peur de la ‚différence‘ peut conduire à nier ­l’humanité même de l’‚autre‘“70 69 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 703, n. 898*, p. 724, n. 916*, Cité du Vatican: 16 mai 2001, L’Audience générale (Extraits), BPCDIR 107 (2001), p. 177. 70 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 647, n. 840*; im Zusammenhang mit der Nahostproblematik hatte Johannes Paul II schon früher (1991) einen Brief an den UN-Generalsekretär gerichtet, s. p. 518, n. 705. Auch sonst gibt es Stellungnahmen vor ähnlichen internationalen Institutionen, so z. B. der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, wo Menschenwürde und Menschenrechte eine große Rolle spielen, aber auch Worte fallen, die sehr direkt an die nicht immer einfache Situation in Frankreich denken lassen, wie etwa (Cité du Vatican: 10 octobre 2003, Aux participants à l’Assemblée parlementaire de l’Organisation pour la Sécurté et la Coopération en Europe (O. S. C. E.), BPCDIR 115 (2004), p. 9): „Lorsque les Etats sont disciplinés et équilibrés dans l’expression de leur nature séculière (…)“, oder erstaunlich weit gehen, was die konkrete juristische Seite der Religionsfreiheit angeht (p. 10): „La promotion de la liberté religieuse peut également avoir lieu à travers des dispositions prises pour les différentes disciplines juridiques des diverses religions, à condition que l’identité et la liberté de chaque religion soient garanties.“ In ganz ähnliche Richtung geht Vatican City: 31 October 2003, To the Ministers for the Interior of the European Union, BPCDIR 115 (2004), p. 13: „The recognition of the specific religious patrimony of a society demands the recognition of the symbols that qualify it. If, in the name of an erroneous interpretation of the principle of equality, one gives up expressing such religious traditions and connected cultural values, the fragmentation of today’s multiethnic and multicultural societies could easily transform itself into a factor of instability and, thus, of conflict. Social cohesion and peace cannot be built by eliminating the religious features of every People: otherwise, such a proposition would result in less democracy, because it would be contrary to the spirit of nations and the sentiments of the majority of their peoples.“ Interessant und nicht ganz leicht einzuordnen

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– was zu einer endlosen Spirale der Gewalt führt. Dann wird die Argumentation noch eine Stufe grundsätzlicher: Trotz aller Unterschiede gebe es zwischen den Einzelnen wie Völkern auch grundsätzliche Ähnlichkeiten, weil Kulturen in Wirklichkeit nur verschiedene Weisen seien, die Frage nach dem Sinn der persönlichen Existenz zu erörtern, oder, anders ausgedrückt, verschiedene Wege, die transzendente Dimension des menschlichen Lebens auszudrücken. Dies wiederum führt zum Respekt vor den Kulturen und damit sozusagen logischerweise zum Respekt vor der Religionsfreiheit: „Dans cette perspective, il nous est possible de reconnaître l’importance de préserver le droit fondamental à la liberté de religion et à la liberté de conscience, colonnes essentielles sur lesquelles repose la structure des droits humains et fondement de toute /648 société réellement libre. Il n’est permis à personne d’annihiler ces droits en faisant usage de coercition pour imposer une réponse au mystère de l’homme.“71 Es wird nicht weiter ausgeführt, an welche Religion, an welches System eventuell gedacht ist, sondern der Gedanke in anderer Richtung vertieft: Ein Abstrahieren oder gar Abschaffen der Unterschiede beraube einen der Tiefe des Geheimnisses des menschlichen Lebens. Dabei wird schon daran festgehalten, dass es die unveränderliche Wahrheit über den Menschen gibt, aber sie ist so komplex, dass jede Kultur vermittels des respektvollen Dialogs etwas über die eine oder andere Dimension dieser ist die An­sprache anlässlich der Akkreditierung des neuen US-Botschafters gerade einmal zwei Tage nach dem Attentat auf Pentagon und World Trade Center. Es ist in diesem Zusammenhang nicht vom Islam die Rede, nicht von Religion und nicht von Gott, sondern nur von einem „inhuman act“, von der „human family“ und von den „highest ideals of solidarity, justice and peace“ (Castel Gandolfo: 13 September 2001, To the New Ambassador of the United States of America to the Holy See (Extract), BPCDIR 108 (2001), p. 302). Beim nächsten Neujahrsempfang für das diplomatische Corps wird Johannes Paul II da schon etwas deutlicher, wenn er spricht von (Cité du Vatican: 10 janvier 2002, Discours du Saint-Père aux Membres du Corps Diplomatique accrédité près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 109 (2002), p. 40): „frères et soeurs, fidèles de l’Islam authentique, religion de paix et d’amour du prochain“ (ib. p. 40/41 übrigens eine interessante Auflistung der weltweit noch anstehenden Aufgaben). Auch ein Jahr später geht er bei diesem Anlass nochmals auf das Thema ein (Cité du Vatican: 13 janvier 2003, Au Corps Diplomatique accrédité près le Saint Siège à l’occasion de l’èchange des Voeux du Nouvel An (Extrait), BPCDIR 112 (2003), p. 20): „Le dialogue oecuménique entre chrétiens et les contacts respectueux avec les autres religions, en particulier avec l’Islam, sont le meilleur antidote aux dérives sectaires, au fanatisme ou au terrorisme religieux.“ Gegenüber der Botschafterin Syriens wird der Terrorismus sogar ausdrücklich charakterisiert als ein Phänomen (Cité du Vatican: 15 may (sic!) 2003, Au nouvel Ambassadeur de Syrie près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 114 (2003), p. 329), „qui met en danger de manière insupportable le bien commun de la paix, de la dignité des personnes et des peuples.“ Wohl auch mit Blick auf das Attentat von Bali heißt es Vatican City: 10 January 2004, To the Ambassador of the Republic of Indonesia to the Holy See (Extract), BPCDIR 115 (2004), p. 25: „I am convinced, moreover, that Islamic, Christian and Jewish religious leaders must be at the forefront in condemning terrorism and denying terrorists any form of religious or moral legitimacy.“ 71 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 647/648, n. 840*, die restliche Zusammenfassung findet sich p. 648, n. 840*.

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Wahrheit lehren kann.72 Hier sind in der Tat Gedankengänge, die seit dem Zweiten Vati­kanum immer wieder begegnen, exemplarisch zusammengefasst und noch weitergeführt. Gerade der letzte Gedanke der Komplexität der Wahrheit ist wohl ein Schritt in eine bereits eingeschlagene Richtung (man denke auch an die Rede vom gemeinsamen Pilgerweg), aber eben doch ein neuer Schritt, der hier fast nebenbei getan wird. Die Rede selbst wechselt danach nämlich auf die konkrete Ebene von Nationalismus, der als andere verachtend abgelehnt wird, auch wenn er sich religiös begründet (was dann Fundamentalismus sei), bzw. Patriotismus, der als Liebe zur Heimat legitim sei, und kommt damit nach einem grundsätzlichen anthropologischen Diskurs sozusagen wieder beim Alltagsgeschäft der Vereinten Nationen als der zu würdigenden Institution an. Interessant wäre sicherlich, ob in Bezug auf die islamische Kultur (denn von Kulturen ist hier ausdrücklich die Rede, die Religionen im Hintergrund muss man sich fast zwangsweise dazu denken, sie werden aber bezeichnenderweise nicht einmal pauschal genannt) an anderer Stelle oder auch in Zukunft konkreter gesagt wird, welche Dimension der so komplexen Wahrheit über den Menschen sie die christliche Kultur lehren könnte. In diesem Zusammenhang ist auch die Botschaft zum Welttag des Friedens 1999 zu erwähnen, die – am 7. Januar gehalten – sich noch einmal zurückbezieht auf das 50-jährige Jubiläum der Annahme der universellen Erklärung der Menschenrechte. Die Würde des Menschen wird darin als transzendenter Wert ge­ sehen, der sich zurückbezieht auf die Schöpfung und den Menschen mit seinem Schöpfer, aber auch mit allen Mitgeschöpfen verbindet. Ausdrücklich wird die Menschenrechtserklärung darin bestätigt, dass sie die Rechte der Menschen nur proklamiert und nicht die Instanz ist, die diese Rechte den Menschen zuerkennt, da diese Rechte in der menschlichen Person, in der menschlichen Würde selbst liegen. Weiter erwähnt die Rede auch die traditionelle Unterteilung der Menschenrechte in bürgerliche und politische Rechte einer-, und wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte andererseits, betont aber, dass alle Menschenrechte gefährdet sind, wenn eines übertreten wird. Der Islam und Konvergenzen bzw. Divergenzen bezüglich der Menschenrechte werden nicht eigens erwähnt, was angesichts der weltweit zu denkenden Zuhörerschaft verständlich ist, können aber an verschiedenen Punkten mitgedacht werden. Eher zu den Konvergenzen gehört die Ablehnung verschiedener Ideologien, die in ihren Auswirkungen auch die Menschenrechte gefährdet hätten: Neben Marxismus, Rassismus und Nationalismus wird unter anderem auch ein materialistischer Konsumismus ge 72 S. dazu auch Kaulig, der S. 75 über die theologische Entwicklung bei Johannes Paul II schreibt: „‚Jene, die die Wahrheit besitzen‘ und ‚jene, die sie nicht gefunden haben‘ sind längst nicht mehr so eindeutig Christen und Andersgläubigen zuzuordnen, wie es Paul VI. nahelegt (sic!), so daß (sic!) das päpstliche Lehramt nun intensiver das Potential ausschöpft, das z. B. In (sic!) DH ‚i. e. Dignitatis Humanae‘ 3 vorgelegt ist.“

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nannt, bei dem das Individuum und dessen Wünsche zum letzten Ziel werden und dem die negativen Auswirkungen dieser Haltung auf andere als irrelevant gelten. Anklang bei Muslimen findet sicher auch die Aussage, dass die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte legitime kulturelle und politische Unterschiede nicht ausschließe  – leider gibt es hier nur klangvolle Sätze, aber keine genaueren Angaben, wie weit soche Unterschiede gehen dürfen. Schon bei der Frage, wie weit das Individuum betont werden darf und wie sich Rechte und Pflichte des Menschen genauer zueinander verhalten, kann es zu Divergenzen kommen – auch dies ein Problem, das wohlformuliert angesprochen, aber eben letztlich doch in der Schwebe gehalten wird. Deutlicher wird die Rede, wo es um einzelne besonders gefährdete Menschenrechte geht. Darunter werden das Recht auf Leben und das Recht auf Religionsfreiheit eingestuft. Zu Ersterem ist zu sagen, dass die Gefährdung des Lebens durchaus nicht nur in der Anfangsund Endphase gesehen wird, sondern durch jede Art von Gewalt gegen das Leben, ausdrücklich auch der Gewalt, die in Armut und Hunger, bewaffneten Konflikten, illegalem Drogen- und Waffenhandel und achtloser Zerstörung der natürlichen Umwelt verborgen sind. Dass Glaube und Gewalt nichts miteinander zu tun haben, wird geradezu beschworen, wo es um die Gefährdung der Religionsfreiheit geht. Hier sind die Anspielungen auf Divergenzen mit dem Islam sehr deutlich, wenn das Recht auf Religionswechsel, auf öffentliche Religions­ ausübung und die Abschaffung der Diskriminierung religiöser Minderheiten gefordert wird. Hier liegen, das wird auch ohne direkte Nennung sofort deutlich, große Differenzen. Mehr Einigkeit ist dagegen sicher in einem Punkt zu erzielen, der sozusagen im Ausblick auf die Zukunft angesprochen wird: die ambivalente Rolle der Massenmedien zwischen Gewaltverherrlichung und der Förderung von gegenseitigem Verstehen und Frieden.73

73 S. Message of His Holiness Pope John Paul II for the Celebration of the World Day of Peace (7 January 1999), Islamochristiana 25 (1999), p. 240–242. Im Text wurde besonders auf folgende, sehr geschickte Formulierungen angespielt: „To promote the good of the individual is thus to serve the common good, which is that point where rights and duties converge and reinforce one another.“ „To affirm the universality and indivisibility of rights is not to exclude legitimate cultural and political differences in the exercise of individual rights, provided that in every case the levels set for the whole of humanity by the Universal Declaration are respected.“ (beide p. 240) „Only when a culture of human rights which respects different traditions becomes an integral part of humanity’s moral patrimony shall we be able to look to the future with serene confidence“ (p. 242).

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3.3.11. Auf internationalem Parkett – allgemeine Werte und besonders Religionsfreiheit Sonst aber ist das Publikum Johannes Pauls II eher religiös orientiert und auch nicht so international wie besonders bei dem Auftritt vor den Vereinten Natio­ nen. Die Aussagen nehmen folglich wieder mehr Rücksicht auf spezielle Situationen, gerade auch auf spezielle Situationen des Dialogs und des Zusammenlebens. Auch diese spannen, was Christen und Muslime angeht, einen weiten Bogen, angefangen bei einer Zuhörerschaft, die von einer dritten Religion dominiert ist. Dies führt häufig zu einer explizit oder implizit eher marginalen Erwähnung der Muslime und ihrer Religion. Als Johannes Paul II sich beispielsweise an die Gläubigen Indiens wendet und auf die typisch indische spirituelle Sicht des Menschen und ihre Bedeutung für die gesamte Menschheit eingeht, lässt sich unschwer der Hinduismus im Hinter­ grund erkennen. Alle (Hindus, Muslime, Sikhs, Buddhisten, Jainas, Parsen und Christen) werden nur einmal ausdrücklich erwähnt, wo es um die Ähnlichkeit aller in der brüderlichen Liebe geht. Auch wird als quasi gemeinsame Wahrheit proklamiert, dass das Streben des Menschen nach materiellem und sozialem Wohlergehen und seiner vollen Würde in Beziehung stehe zu den tiefsten Bedürfnissen seiner spirituellen Natur. Die Argumentation landet etwas unvermittelt bei der gemeinsamen Arbeit für die Menschenrechte, sprich besonders bei der Religionsfreiheit im Sinn von Gewissens- und Verkündigungsfreiheit und in einem nächsten Schritt beim Kampf gegen Hunger, Armut, Unwissenheit, Verfolgung, Diskriminierung und jede Form der Versklavung des menschlichen Geistes. Ohne die Religion und die spirituelle Sicht des Menschen sei das nicht zu machen. Auch die explizite Erwähnung der Muslime in der Botschaft an die Völker Asiens ist marginal. Interessanter ist, dass diese relativ frühe Rede (21.2.1981), die noch ausdrücklich auf Paul VI Bezug nimmt und ähnlich ausdrücklich von Wahrheit redet, anthropologisch nicht bei der Schöpfung, sondern bei der Christologie ansetzt: Jeder Einzelne und jedes Volk seien durch Kreuz und Auferstehung Christi zu Kindern Gottes geworden, teilhaftig der göttlichen Natur und Erben des ewigen Lebens. Jeder Mensch erhalte in Christus das volle Maß seiner Würde und seiner letzten Bestimmung. Allen Männern und Frauen guten Willens, die an diese unschätzbare Würde jeder menschlichen Person glauben, reichten die Christen die Hand. Als besonders verbindend zwischen allen Religionen, und auch das ist noch außergewöhnlich in dieser Botschaft, wird noch genannt „une reconnaissance du besoin de prière, en tant qu’expression de la spiritualité de l’homme orientée vers un Absolu.“74 74 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  262, n.  371, s.a. p.  261, n.  369, p. 262, n. 370, p. 263, n. 372, zur entsprechenden Ansprache in Indien s. p. 352, n. 489, p. 356, n 495–496. Markant ist auch folgender allgemeine Satz p. 354, n. 492: „La culture n’est pas seule­

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Auch noch sehr im Allgemeinen bleibt eine Rede an die Repräsentanten der verschiedenen Religionen Indonesiens, obwohl Indonesien doch überwiegend muslimisch ist. So nennt sie als solide Basis für gegenseitiges Verständnis und friedlichen Austausch nicht gleich den Glauben an Gott den Schöpfer, sondern zunächst die Vorstellung vom Universum als einem organischen Ganzen. Allein das schon führe zur Sensibilität in menschlichen Beziehungen, zu einer großen Wertschätzung für Liebe und Zusammenarbeit innerhalb der Familie und zu einem sehr starken Sinn für Gerechtigkeit und die Anerkennung der Rechte jedes Menschen. Letzteres spielte wieder eine wichtige Rolle, mit deutlichen Hinweisen darauf, dass nach katholischer Lehre das Recht auf Religionsfreiheit in der Würde der von Gott geschaffenen Person verwurzelt ist und dass ganz allgemein Religionsfreiheit besonders für Minderheiten nötig ist. Die Wahrheitsfrage steht der gegenseitigen Offenheit nicht im Wege, denn gerade ein Gläubiger kann von einem anderen Gläubigen nicht erwarten, dass der gegen seine eigenes Gewissen handelt. Diese sehr allgemeinen Formulierungen sind aber durchaus nicht nur Anpassung an Zuhörer, die von ihren religiösen Vorstellungen her dem Christentum ferner stehen als Muslime, denn bei einer Rede vor hinduistischen und muslimischen Repräsentanten in Kenia sagt Johannes Paul II ausdrücklich, dass das, was er vor knapp fünf Jahren nur zu den Hindus des Landes gesagt habe, für die Beziehungen zu den Muslimen gleichfalls gelte: Es geht um menschliche Bedürfnisse auf verschiedenen Ebenen (spirituell, materiell, sozial) und man trifft sich in der Anbetung Gottes und den spirituellen Werten: „Dieu veut que tous ceux qui l’adorent, même s’ils ne sont pas unis par le même culte, soient néanmoins unis dans la fraternité et dans le service commun pour le bien de tous.“75 An anderer Stelle werden die Muslime aber wohl hervorgehoben, wie z. B. in Tansania und im Sudan. Besonders erstere Ansprache an religiöse Repräsentanment une expression de la vie temporelle de l’homme mais une aide pour atteindre sa vie eternelle.“ Die Muslime werden auch erwähnt in einer Ansprache in Benin (p. 591, n. 791), die sich eigentlich an Repräsentanten des Voodoo richtet, der ja in dieser Gegend seine afrikanischen Wurzeln hat (vgl. Bellinger, Gerhard J., Knaurs großer Religionsführer, 670 Religionen, Kirchen und Kulte, weltanschaulich-religiöse Bewegungen und Gesellschaften sowie religionsphilo­ sophische Schulen, Augsburg 1999, S. 414). 75 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  331, n.  463, s.a. p.  329, n.  461, p. 481–482, n. 657–658, p. 484, n. 659. Vergleichbar ist auch die Ansprache in Sri Lanka, wo ­Johannes Paul II Buddhisten, Hindus, Muslime und Christen in einem Atemzug nennt und fortfährt (p.621, n. 820*): „Les croyances religieuses inspirent des valeurs communes telles que l’acceptation de l’autre, le dialogue, la compréhension dans la recherche de la vérité.“ Vergleichbar ist Vatican City: 22 January 2001, To the New Ambassador of the Islamic Republic of Iran to the Holy See (Excerpt), BPCDIR 106 (2001), p. 49: „In the dialogue of cultures, people of good will come to see that there are values which are common to all cultures because they are rooted in the very nature of the human person. These are values which express humanity’s most authentic distinctive features: the value of solidarity and peace; the value of education; the value of forgiveness and reconciliation; the value of life itself.“

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ten ist durchaus interessant, zeigt sie doch, dass einerseits die Muslime schon eine Sonderstellung gegenüber Hindus und Buddhisten haben, der Dialog zwischen Christen und Muslimen werde in der heutigen Welt immer wichtiger, so Johannes Paul II, andererseits scheint das aber auf der anthropologischen Ebene keinen großen Unterschied zu machen. Auf der allgemeinen Ebene wird die These aufgestellt, interreligiöser Dialog führe zu besserem gegenseitigen Verständnis und damit zur Förderung gemeinsamer Ideale im Bereich von Religionsfreiheit, menschlicher Brüderlichkeit und sozialem Fortschritt. Im Hintergrund wird eine bestimmte Sicht von und Erwartungshaltung an Religion in der Welt vorausgesetzt, dass nämlich Religion Harmonie und Frieden fördern sollte. Der Teil, der sich besonders an die Muslime wendet, zählt einerseits die von Gott gelehrten Werte von Toleranz, Gerechtigkeit, Frieden sowie Sorge um Schwächere und Ärmere auf und hebt die allgemeine Erfahrung hervor, dass religiöse Unterschiede allein nicht notwendigerweise das gemeinsame Leben zerbrächen. Andererseits betont er, noch in Zuspitzung zu Dignitatis Humanae, ganz stark die Religionsfreiheit als Basis von gegenseitigem Respekt und Zusammenarbeit und wird in diesem Punkt sehr deutlich: „C’est la reconnaissance que chaque personne a un /p. 506 droit inaliénable et un droit solennel de suivre sa conscience en cherchant la vérité et en lui obéissant. Le Seigneur du ciel et de la terre ne peut aimer une observance religieuse imposée de l’extérieur. Que deviendraient alors les merveilleux dons de la raison et de la liberté qui donnent aux individus le privilège de prendre leurs responsabilités personnelles et qui constituent la valeur et la gloire des fils et des filles aimés du Créateur (…)?“76 Hier wird vom Bild eines vernünftigen, freien und damit verantwortlich geschaffenen Menschen aus für Religionsfreiheit, eines der heikelsten Themen im Bereich Islam, argumentiert, wobei im Hintergrund wohl schon steht, dass die Vernunft im Islam sehr hoch angesiedelt ist. Ob allerdings der islamischen Auffassung, ein wirklich vernünftiger Mensch könne eigentlich nur Muslim werden, dabei gebührend Rechnung getragen wird, kann bezweifelt werden. Allein die Tatsache, dass dieses Thema zwischen Christen und Muslimen kontinuierlich ein so gewichtiges Thema ist, verweist doch darauf, dass hier grundsätzliche Probleme liegen, die nicht ganz so deutlich zur Sprache kommen, wenn nur eine Seite ihre Ansicht darstellt und versucht, das Gegenüber zu überzeugen. Die Schwierigkeiten, gleich welcher Art, werden umso deutlicher, je direkter und besonders je feindlicher man sich gegenübersteht. Auch solche Situationen, das ist bereits deutlich geworden, gab es zur Genüge, und es gab auch hin und wieder direkte Stellungnahmen von Johannes Paul II zur Situation. Dort, wo es ganz gut klappt und es schon viel Zusammenarbeit auf den unter­ schiedlichsten Ebenen gibt, wie z. B. in Tunesien, gehören Aussagen über den 76 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 505/506, n. 689, s.a. p. 503, n. 686, p. 506, n. 690, p. 591–592, n. 792.

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Glauben an den Schöpfer als Begründung für die Anerkennung der Würde des Geschöpfs sozusagen zu den Selbstverständlichkeiten und man kann zu anderen Fragen übergehen wie beispielsweise der, wofür man sich in der Gesellschaft verantwortlich zeichnet und wofür nicht. Laut Aussage des Papstes nicht für die technischen Probleme der modernen Wirtschaft oder der internationalen Zusammenarbeit, wohl aber für das soziale Leben im Sinn eines Gewissens der Gesellschaft, das an die ethischen Prinzipien erinnert, die man bei konkreten Entscheidungen berücksichtigen sollte (z. B. Respekt vor dem Leben, Würde der Person, Anständigkeit). Weiterhin können die bestehenden Unterschiede durchaus positiv gesehen werden als wenn nicht schon von Gott direkt gewollt, so doch immerhin von ihm zugelassen: „L’ouverture à l’autre est, en quelque sorte, une réponse à Dieu qui permet nos différences et qui veut que nous nous connais­ sions plus profondément.“77 Doch diese Situationen scheinen im direkten Gegenüber eher selten zu sein. Bei einer Ansprache in Bangladesch erwähnt Johannes Paul II sogar ausdrücklich und generell, dass als Ergebnis einer Vergangenheit von Unverständnis und Konflikten Christen und Muslime sich manchmal voreinander fürchten und sich gegenseitig umbringen. In Bosnien-Herzegowina ist die Lage eindeutig bereits kriegerisch eskaliert, nun bleibt die große Aufgabe, zu einer Gesellschaft zurückzufinden, in der Vielfalt positiv, ja möglicherweise sogar vorbildhaft sein kann. Dafür sind menschliche Werte grundlegend wichtig: „Il ne s’agit pas seulement de la reconstruction matérielle; il est tout d’abord nécessaire de pourvoir à la ré­ édification spirituelle des âmes dans lesquelles la fureur dévastatrice de la guerre a souvent ébranlé, voire même compromis, les valeurs sur lesquelles se fonde toute coexistence civile. C’est précisément à partir de là, des fondements spirituels de la coexistence humaine, qu’il faut recommencer.“78 Absolut verfahren erscheint die Lage im Heiligen Land, der Ton der päpstlichen Ansprache an die zuständigen Autoritäten kann als flehentlich bis verzweifelt bezeichnet werden. Angesichts der für die betroffenen Menschen erdrückenden Lage ist kein Raum für anthropologische Analysen, nur für Friedensappelle, an deren Wirkung jedoch selbst der Appellant hörbar zweifelt.79

77 Ib., p. 671, n. 865*, s.a. p. 670 u. p. 669, n. 864*. 78 Ib., p. 707, n. 903*, s.a. p. 708, p. 404, n. 558. 79 S. Vatican City: 13th December 2001, To the Authorities Concerned about Crisis in Holy Land (Extract), BPCDIR 109 (2002), p. 31–32; p. 32: „How we wished that this message would be heard and promptly put into practice! How pleased we would have been not to have to repeat it!“

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3.3.12. Dialogteilnehmer als Hauptadressaten – immaterielle Werte als Gemeinsamkeiten Einfacher und angenehmer ist die Situation, wenn die Religionsvertreter sich immerhin schon zu Dialogen zusammengefunden haben, in welchem Rahmen auch immer. Johannes Paul II hat selbst zu solchen Treffen weniger des Dialogs, aber des Gebetes für den Frieden nach Assisi eingeladen. Die Muslime spielten zahlenmäßig, von der Repräsentanz und inhaltlich erst ab dem zweiten Treffen eine wirkliche Rolle, das sich auf die alteingesessenen Religionen Europas, sprich Judentum, Christentum und Islam, beschränkte, weil es um Gebet und Fasten für den Frieden in Europa, d. h. genauer auf dem Balkan, ging. Im Rückblick auf Assisi und im Vorblick auf ein Treffen zum Dialog zwischen Religionen und Kulturen sagte Johannes Paul II über die religiösen Führer, die in Assisi zusammengekommen waren: „They wished to show that genuine religious belief is an inexhaustible wellspring of mutual respect and harmony among peoples; indeed it is the chief antidote to violence and conflict.“80 Das wird auch 80 Vatican City: 6th March 2002, To The Most Reverend Pietro Sambi Apostolic Nuncio to Cyprus, BPCDIR 110 (2002), p. 173. Diese Aussage bezieht sich konkret auf das Treffen vom 24.1.2002. Das europäische Treffen fand am 9.1.1993 statt, s. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 583, n. 785, das erste Treffen am 27.10.1986, s. ib., p. 388–340, n. 534–538, für die sehr bemerkenswerte allgemeine Einschätzung vonseiten Johannes Pauls II s. p. 409–417, n. 562–573: Laut der Aussagen des Zweiten Vatikanums sei die katholische Kirche das Sakrament der Einheit der Menschheit, die ja durch Schöpfung und Erlösung in Jesus Christus ge­ geben, aber normalerweise noch nicht sichtbar ist. Trotz aller noch weiterhin bestehenden, als überwiegend menschlichen, nicht göttlichen Ursprungs eingeschätzten Unterschiede sei in­ Assisi diese Einheit sichtbar und damit die katholische Kirche ihrer Aufgabe laut Konzil gerecht geworden. Ausdrücklich heißt es p. 415, n. 570: „En présentant l’Église catholique lui tient par la main ses frères chrétiens et ceux-ci tous ensemble qui donnent la main aux frères des autres religions, la Journèe d’Assise a été comme une expression visible de ces affirmations du Concile Vatican II. Avec elle et par elle, nous avons reussi, grâce à Dieu, à mettre en pratique, sans aucune ombre de confusion ni de syncrétisme, cette conviction qui est la nôtre, inculquée par le Concile, sur l’unité de principe et de fin de la famille humaine et sur le sens et la valeur des religions non chrétiennes.“ Diese Einschätzung wird auch von Dokumenten der Kurie aufgenommen, so ib. p. 799, n. 929 u. p. 809, n. 952. Mit der ersten Einladung nach Assisi hat Johannes Paul II einen Anstoß gegeben, der von anderen innerhalb der katholischen Kirche aufgenommen wurde und so Kreise gezogen hat, auch bei den Muslimen. Es ist schier unmöglich und auch nicht Aufgabe dieser Darstellung, diese nachzuzeichnen, doch sei hier sozusagen stellvertretend verwiesen auf Landousies, J., Algérie: Rapport sur le dialogue islamo-chrétien, BPCDIR 73 (1990), p. 99 f. Ausschnitte aus dem christlichen Friedensgebet von Assisi verweisen schon darauf (Christian Prayer for Peace, BSNC 64 (1987), p. 123): „Thus, peace is not only the absence of war but the state of fraternal concord and realized unity of the human family. (…) The Spirit of God, which we believe is God himself, is the Spirit which brings ‚unity to all, through the bond of peace‘ (cf. Eph 4:3) because peace is one of his gifts (cf. Gal 5:22). (…) Our religious commitment to peace implies a simultaneous commitment to justice, namely not only in respect for but also in the promotion of the true dignity of all men and women, created ‚in the image of God‘ (cf. Gen 1:26).“ Zum muslimischen Beitrag beim ersten Friedensgebet s.­

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Demeerseman, Gérard, Journée de prière pour la paix à Assise, Islamochristiana 13 (1987), p. 200–204. Was das Anliegen des Friedens für den Balkan angeht, so verfolgte Johannes Paul II es weiter, sozusagen getrieben vom Geist der Brüderslichkeit gegen die, die sich an der Menschlichkeit vergingen, s. Holy Father’s New Appeal for Peace: „We Beg again, End this Terrible Slaughter!“ (19 February 1994), Islamochristiana 20 (1994), p. 216–217. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Reden, die er für die Pastoralreise nach Sarajewo, die dann abgesagt wurde, vorbereitet hatte, wo er u. a. erläuterte, wie aus dem Friedenswillen nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs die Menschenrechtserklärung erwachsen sei und dass Frieden möglich sei, weil die Menschen Gewissen und Herz hätten, so The Speeches Pope John Paul Prepared for His Pastoral Visit to Sarajewo (8 September 1994), Islamochristiana 21 (1995), p. 147. Auch im sonstigen innerökumenischen Kontext spielte der Islam eine besondere Rolle, so Vatican City: 1 July 2004, Common Declaration Signed together with Ecumenical Patriarch Bartholomew I of Constantinople (Extract), BPCDIR 118 (2005), p. 25, wo unter den Herausforderungen der Gegenwart u. a. genannt werden: „to restore to the European Continent the awareness of its Christian roots; to build true dialogue with Islam, since indifference and reciprocal ignorance can only give rise to diffidence and even hatred; to nourish an awareness of the sacred nature of human life; to work to ensure that science does not deny the divine spark that every human being receives with the gift of life“. Die Einschätzung zur konkreten Präsenz muslimischer Teilnehmer in Assisi wurde dagegen von Thomas Michel SJ geäußert, selbst langer Mitarbeiter des jetzigen Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog und als solcher zuständig für den Bereich Islam. Im Einklang damit spricht Fitzgerald, Michael L[ouis]/Borelli, John (edd.), Interfaith Dialogue, A Catholic View, London/Maryknoll 2006, p. 85 von einer „rather timid Muslim presence“ bei diesem ersten Treffen. Auch Johannes Paul II selbst hebt in seinem Gespräch mit dem Journalisten Vittorio Messori bzgl. des Islam v. a. das zweite Gebetstreffen 1993 für den Frieden in Bosnien hervor, so Johannes Paul II, S. 121. Es ist ersichtlich, dass das Vertrauen der Muslime nicht einfach gegeben war, sondern erst gewonnen werden musste. Dagegen war die Liste der Muslime beim zweiten Treffen beeindruckend lang, über dreißig Personen, darunter so prominente Namen wie Smail Balic und Dalil Boubakeur. Es wird auch eine anthropologische Begründung für die gesamte Veranstaltung gegeben: „Since all human beings have been created by God, and all are members of the one human family, we have a duty to come to the aid of all.“ (Religious Leaders Gather anew in Assisi (Italy) to Fast and Pray for Peace in Balkans and Europe (9–10 January 1993), Islamochristiana 19 (1993), p. 251, s.a. p. 252) An dieser Stelle soll auch ein Friedensgebet des Papstes aus speziell christlich-muslimischem Kontext zitiert werden, das ausdrücklich Menschenwürde und Menschenrechte in ihrer Ableitung von Gott dem Schöpfer einschließt (Qunaytra, Syria: 7th May 2001, Prayer for Peace, BPCDIR 107 (2001), p. 173): „Inspire them ‚i. e. the civil leaders of this region‘ to work generously for the common good, to respect the inalienable dignity of every person and the fundamental rights which have their origin in the image and likeness of the Creator impressed upon each and every human being.“ Zu Assisi 2001 s. die beeindruckend lange Liste muslimischer Teilnehmer unter den Begrüßten (Assisi: 24th January 2002, Greetings on the Occasion of the Day of Prayer for Peace, BPCDIR 109 (2002), p. 44) – der Schwerpunkt lag ja aus der Situation heraus auf Christen und Muslimen und es waren auch 30 Muslime gekommen, mehr als aus jeder anderen der eingeladenen Religionen, so DAY OF PRAYER FOR PEACE IN ASSISI (24th January 2002), BPCDIR 109 (2002), p. 135 – und die Ansprache Assisi: 24th January 2002, Address on the­ Occasion of the Day of Prayer of Peace, BPCDIR 109 (2002), p. 45–48, die kluge Worte zum Zusammenhang zwischen Menschenwürde und Terrorismus findet (p. 46): „Justice, first of all, because there can be no true peace without respect for the dignity of persons and peoples, respect for the rights and duties of each person and respect for an equal distribution of benefits and burdens between individuals and in society as a whole. It can never be forgotten that situations

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beim Assisi-Treffen im Januar 2002 betont, bei dem der Islam indirekt noch mehr im Mittelpunkt stand. An dieser Stelle soll auch einmal die jährliche päpstliche Ansprache zum Welttag des Friedens (1. Januar) zitiert werden. Diese Ansprachen erwähnen Muslime praktisch nie direkt, denn sie wenden sich nicht ausschließlich an Muslime oder Situationen christlich-muslimischen Zusammentreffens. Von daher sind sie für diese Untersuchung nur dann von Bedeutung, wenn sie in den hier untersuchten Zusammenhängen zitiert werden, was durchaus öfter der Fall ist. Eine Ausnahme der schier übergroßen ‚Durchsichtigkeit‘ trotz Nichterwähnung einer konkreten Religion bietet die Ansprache zu Neujahr 2002, nur wenige Monate nach den Anschlägen des 11.  September. Die Worte sind geradezu programmatisch: „Instead, even when the truth has been reached  – and this can happen only in a ­limited and imperfect way – it can never be imposed. Respect for a person’s conscience, where the image of God himself is reflected (cf. Gen 1:26–27), means that we can only propose the truth to others, who are then responsible for accepting it. To try to impose on others by violent means what we consider to be the truth is an offence against human dignity, and ultimately an offence against God whose image that person bears. For this reason, what is usually referred to as fundamentalism is an attitude radically opposed to belief in God. Terrorism exploits not just people, it exploits God: it ends by making him an idol to be used for one’s own purposes.“81 of oppression and exclusion are often at the source of violence and terrorism.“ Es gibt auch ein Commitment to Peace, das der Papst als Décalogue d’Assise pour la Paix selbst den Staatsoberhäuptern und Regierungschefs vorstellt und in dem Menschenwürde und Menschenrechte eine wichtige Rolle spielen, so beispielsweise Concluding Ceremony, BPCDIR 109 (2002), p. 153): „4. We commit ourselves to defending the right of everyone to live a decent life in accordance with their own cultural identity, and to form freely a family of their own.“ Der französische Text und eine Einleitung des Papstes, die nochmals die eine menschliche Familie und die unveräußerlichen Menschenrechte betont, findet sich Cité du Vatican: 24 Février 2002, Aux Chefs d’Etat ou de Gouvernement, BPCDIR 110 (2002), p. 171–172. Interessant ist auch ein Grußwort an ein von der Gemeinschaft von Sant’Egidio organisiertes Folgetreffen, wo es u. a. heißt (Castel Gandolfo: 3 Septembr 2004, To the Reverend Brother Cardinal WALTER KASPER, President of the Pontifical Council for Promoting Christian Unity, BPCDIR 118 (2005), p.  29): „Dialogue releases the courage for a new spiritual humanism, because it requires trust in men and women.“ Nicht unerwähnt soll hier Vatican City: 17 January 2004, On the Occasion of the Concert of Reconciliation, BPCDIR 115 (2004) bleiben, ein von den Päpstlichen Räten gesponsertes Konzert zum Thema Versöhnung zwischen Juden, Christen und Muslimen, wo Johannes Paul II in seiner Ansprache, die sich an der Musikauswahl orientiert, p. 31 als trotz aller Unterschiede verbindend die Auferstehung von den Toten herausstreicht. 81 Vatican City: 1st January 2002, Message for the Celebration of the World Day of Peace (Extract), BPCDIR 109 (2002), p. 37; gleichzeitig ist dies ein schönes Beispiel für die Veränderungen, die Lucie Pruvost bei Johannes Paul II feststellt, nämlich u. a. eine Abkehr von triumphalistischer Sprache im ansonsten gleich gebliebenen Ausdruck der eigenen Position, s. Pruvost, Lucie, From Tolerance to Spiritual Emulation, Islamochristiana 6 (1980), p.  6–7. Diese Problematik Religion und Terrorisms wird auch aufgegriffen in Cité du Vatican: 10 janvier 2002, Discours du Saint-Père aux Membres du Corps Diplomatique accrédité près le SaintSiège (Extrait), p. 40, während Vatican City: 6th December 2001, To the New Ambassador of

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Bangladesh to the Holy See (Extract), BPCDIR 109 (2002), p. 20 die gemeinsamen Werte betont, die der Natur des Menschen entspringen, ähnlich wie, wenn auch mit Rückgriff auf die Ansprache des Jahres 2001 Vatican City: 11th April 2002, To the New Ambassador of Yugoslavia to the Holy See (Extract), BPCDIR 110 (2002), p. 176, wobei hier aus der Ansprache von 2002 die Gedanken zur Wichtigkeit von Vergebung aufgegriffen werden. Auf die Werte hebt auch im Rückgriff auf die Ansprache von 2001 Cité du Vatican: 12 décembre 2003, A l’Ambassadeur du Qatar près le Saint-Siège (Extrait), p. 21 ab, wobei da noch betont wird, dass die Menschheit durch diese Werte ihre wahrsten und charakteristischsten Züge ausdrückt. Inhaltlich noch deutlicher in Richtung Islam dagegen war eine weiter zurückliegende Ansprache gegangen, s. Vatican City: 1st January 1999, Message of His Holiness Pope John Paul II for the Celebration of the World Day of Peace (Excerpt), BPCDIR 102 (1999), p. 281: „Religious freedom therefore constitutes the very heart of human rights. Its inviolability is such that individuals must be recognized as having the right even to change their religion, if their conscience so demands. (…) The Universal Declaration of Human Rights recognizes that the right to religious freedom includes the right to manifest personal beliefs, whether individually or with others, in public or in private. In spite of this, there still exist today places where the right to gather for worship is either not recognized or is limited to the members of one religion alone.“ Zwar wird diese Rede öfter zitiert, sogar mit Blickrichtung Gefährdung der Menschenrechte (Vatican City: 11th January 1999, Holy Father’s Address to the Diplomatic Corps: The Time Has Come to Ensure that Everywhere in the World Effective Freedom of Religion Is Guaranteed“. (Excerpt), BPCDIR 102 (1999), p. 284), doch nie in dieser Zuspitzung. Interessant ist aber, dass die Würde des Menschen als ein transzendenter Wert bezeichnet wird, der auch immer als solcher erkannt werde von denen, die ernsthaft die Wahrheit suchten (Vatican City: 16 December 1999, To the New Ambassador of the Islamic Republic of Pakistan to the Holy See (Extract), BPCDIR 103 (2000), p. 57). Noch ausdrücklicher als die Ansprache von 1999 ist Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, wo auf die schweren Strafen verwiesen wird, mit denen beispielsweise der nicht ausdrücklich erwähnte Islam solches belegt, und auch generell darauf, dass eine Identifikation von religiösem und bürgerliche Recht nicht nur die Religionsfreiheit ersticken, sondern auch die übrigen Menschenrechte einschränken oder gar ganz außer Kraft setzen kann (s. p.  513–514, n.  699–700). Sogar eine Anspielung auf den typisch islamischen Schutzbefohlenenstatus ist erkennbar (p. 514, n. 701): „Pour éliminer les effets de l’intolérance, il ne suffit pas de ‚protéger‘ les minorités ethniques ou religieuses, en les réduisant à la catégorie de mineurs civils ou d’individus sous tutelle de l’État.“ Verschiedene dieser Botschaften werden immer wieder zitiert, wobei die Häufigkeit dieser Zitate in einschlägigen Kontexten generell zunimmt – vielleicht, weil der Frieden ein immer drängenderes Thema wird. Dafür spricht auch, dass die obige, thematisch eingeschränkte Auswahl auch in dem Sinn repräsentativ ist, dass sich – immer im christlich-muslimischen Kontext – die entsprechenden Ansprachen der letzten fünf Jahre fast ausschließlich an Diplomaten richten, wobei die islamische Welt sehr gut vertreten ist  – eine sehr deutliche Parallele zu den Ansprachen an Diplomaten überwiegend muslimischer Länder, auf die weiter unten noch eingegangen wird. Außerdem greift Johannes Paul II selbst meist die aktuellste Ansprache auf, ein Indiz für die Situationsgebundenheit dieser Reden, auch wenn manche Themen wiederkehren. Hier noch eine Auswahl der für die Anthropologie wichtigsten Belegstellen, soweit sie noch nicht genannt wurden: Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 448, n. 613 (1988, positive Auswirkungen von Religion auf das Zusammenleben der Menschen), p. 526, n. 713 (1991, sehr positives Menschenbild), p. 555, n. 751 (große Bedeutung des Friedens in den heiligen Schriften und Religionen; das Zitat geht über in den Wunsch: „Que la conscience de chacun soit pleinement respectée, afin que l’image de Dieu en chacun puisse resplendir et produire d’abondants fruits de justice de (sic!) paix et d’amour.“ Diese Ansprache wird häufig zitiert: ib., p. 580, n. 783, p. 588, n. 787, p. 604, n. 806*, p. 688, n. 881*.

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Die theologischen Grundlagen für den Dialog mit Muslimen – das Lehramt 

Ergiebiger im Hinblick auf anthropologische Reflexionen ist die Ansprache, die bei der Audienz für die Teilnehmer einer christlich-muslimischen Tagung über religiöse Erziehung in der modernen Gesellschaft (veranstaltet unter anderem vom Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog) gehalten wurde. Das Thema wurde von Johannes Paul II ausdrücklich begrüßt, war ja, wie erwähnt, auch eines seiner Wunschthemen, wie überhaupt die Jugend für ihn eine wichtige Rolle spielt. Die Jugend müsse, das sagt er am Ende dieser Rede, zwischen Fortschritt und Fortschritt unterscheiden lernen, die soziale Natur des menschlichen Lebens wiederentdecken, also die unveräußerlichen Rechte und Verantwortlichkeiten des Menschen. Es geht ihm um die bessere Vermittlung von religiösen Werten, allen voran Respekt vor den anderen und Offenheit gegenüber allen als Kindern Gottes, unabhängig von Rasse, Religion, wirtschaftlichem Status, Geschlecht, Sprache und ethnischer Gruppe. Hintergrund ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Fortschritt in den verschiedensten Bereichen, besonders aber mit dem modernen Wohlstand, der die Gefahr mit sich bringe, den transzendenten und spirituellen Aspekt der Person vor Gott zu vergessen oder zu ignorieren, indem er zu übertriebenem Individualismus, Vergnügungssucht, einem Gefühl der Vereinsamung, zu Gewalt und Selbstzerstörung führe und damit eben implizit zu der Weigerung, Gott als Schöpfer und Gesetzgeber (!) anzuerkennen, dessen Willen der Mensch als Mensch respektieren und befolgen muss. Nur der Wille Gottes sei der Schlüssel zum wahren menschlichen Glück. Dabei wird Fortschritt aber nicht rundweg abgelehnt, und zwar aus Überlegungen heraus, die in der christlichen Schöpfungstheologie begründet sind: „D’un autre côté, ce ne serait pas réaliste de retourner en arrière en rejetant le progrès et ce serait faire montre de manque de confiance dans les puissances intellectuelles dont Dieu a doté l’humanité. Cela équivaudrait à abdiquer la vocation que Dieu a donnée à l’homme – la vocation de collaborer avec lui dans le travail de la création.“82 Auch interessant ist die Ansprache, die Johannes Paul II gegenüber den Teilnehmern eines Dialogs hielt, der sich mit der Stellung der Frau befasste. Auch dieses Thema bot sich für grundsätzliche Ausführungen geradezu an, in diesem Fall, dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen habe, weshalb allen Menschen gleiche Würde zukomme. Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern dürften nicht dazu benutzt werden, die einen zu unterdrücken und zu diskriminieren und die Überlegenheit der anderen zu erklären, was aber in der Praxis häufig vorkomme und wogegen beide, Christen und Muslime, gemeinsam vorgehen sollten, um die Achtung vor der richtigen Rolle und Freiheit für Frauen zu fördern. Auch biblische Gestalten werden erwähnt, von den starken Frauen

82 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  487, n.  663, s.a. p.  486, n.  662, p. 487–488, n. 664.

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des Alten Testaments bis zu den Frauen der Evangelien, allen voran Maria sowie die Haltung von Achtung und Wertschätzung, die Jesus selbst Frauen entgegenbrachte. Dass hier zwischen Christen und Muslimen noch einiges an Klärungsbedarf bestehen könnte, steht allenfalls zwischen den Zeilen.83 Demgegenüber sind vergleichbare Ansprachen anlässlich eines christlichmuslimischen Dialogs über Heiligkeit in den beiden Religionen bzw. eines Kolloquiums über Versöhnung zwischen denen, die an einen Gott glauben, unergiebig für die Anthropologie, ähnlich wie eine Botschaft anlässlich eines Kolloquiums über Religion und die Ressourcen der Erde, in dem nur ganz kurz von den Verpflichtungen gegenüber künftigen Generationen und der moralischen Verpflichtung zur Solidarität die Rede ist. Eine in Lissabon anlässlich eines ökumenischen Treffens, an dem aber offensichtlich auch Juden und Muslime teilnahmen, gehaltene Ansprache ist da schon wieder interessanter. Es ist (inzwischen fast Standard) von dem spirituellen Wert des Menschen, von seiner unantastbaren Würde und folglich seinen unveräußerlichen Rechten (im Gegensatz zum nur praktischen Nutzen) und von der menschlichen Solidarität auch über die Grenzen von Religionen hinweg die Rede. Die religiöse Dimension des Menschen wird auf Gebet, Gehorsam und Gerechtigkeit bezogen. Sie äußert sich beispielsweise in so unterschiedlichen Dingen wie persönlicher Ehrenhaftigkeit, Disziplin der­ Sitten im öffentlichen und privaten Leben (hier ist sogar davon die Rede, der Erschlaffung der Prinzipien von Moral und Gerechtigkeit und der Pest der ethischen Permissivität Trotz zu bieten), Achtung vor dem Leben, vor der Familie und ihren Werten, weiser und mutiger sozialer und politischer Teilnahme, großzügiger Arbeit. Es ist von der Leere eines rein anthropozentrischen Humanismus die Rede, offensichtlich ist wieder die eher materielle Orientierung des modernen Menschen ein gemeinsames Gegenbild: „Sans dimension religieuse l’homme

83 So Pope John Paul’s Address to the Participants in this Colloquium during the Audience of Friday 26 June 1992:, Islamochristiana 18 (1992), p. 320–321, auch als H. H. Pope John Paul II Address of H. H. Pope John Paul II to Participants in the Colloquium „Women in Society­ According to Islam and Cristianity“, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 123–124. Zum Thema Frauen und grundsätzliche anthropologische Erwägungen ist auch erwähnenswert A Letter Sent by the Holy Father to Archbishop Vinko Puljic of Sarajewo „Change Violence into Acceptance“ (2 February 1993), p. 212: „Even in such a tragic situation they must be helped to distinguish between the act of deplorable violence which they have suffered from men who have lost all reason and conscience, and the reality of these new human beings who have been given life. As the image of God, these new creatures should be respected and loved no differently than any other member of the human family. In every case it should be emphasized most clearly that since the unborn child is in no way responsible for the disgraceful acts accomplished, he or she is innocent and therefore cannot be treated as the aggressor.“

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se trouve appauvri, car frustré d’un de ses droits fondamentaux. Et nous désirons tous éviter cet appauvrissement de l’homme.“84

3.3.13. Direkt an die Muslime gewandt: Frieden ist ein großes Thema Es bleibt nun noch – mit Ausnahme der schon besprochenen Casablanca-Rede – der weite Bereich der Reden, die Johannes Paul II, soweit dies zu erkennen ist, direkt an Muslime gerichtet hat und in denen er auch direkt auf Islam und Muslime als solche eingegangen ist. In besonders enger Beziehung zur Arbeit des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog stehen dabei drei Ansprachen, die an Professoren der Universität Ankara, die an eine Delegation der World Islamic Call Society und die an eine Delegation der Al-Azhar. Alle drei Treffen mit dem Papst fanden nach Veranstaltungen statt, an denen der Päpstliche Rat zumindest mitbeteiligt war. So wurde im Rahmen eines Kolloquiums über theologische Erziehung (religiöse Werte an die Jugend von heute weitergeben) der Vertrag zur Zusammenarbeit (d. h. gegenseitige Besuche, Austausch von Professoren) zwischen den Universitäten Ankara und Gregoriana erneuert. Johannes Paul II nennt als Grundbedingung für diese Zusammenarbeit die Gewissens- und Religionsfreiheit, gleichzeitigt benennt er die Mittel zu deren Förderung als wichtigen Teil eben dieser Zusammenarbeit im Dialog und in der Forschung. Werte wie die Würde der menschlichen Person und die Gleichheit aller Menschen lägen unter den heute allgemein als drängend erachteten Fragen und Problemen. Auch zur Selbsterkenntnis in einer sich ständig verändernden Welt müsse der Mensch seinen Geist und sein Gewissen entwickeln. Die Aussagen gegenüber den Angehörigen einer Delegation der World Islamic Call Society (die eigentlich an einem Dialog zum Thema Mission teilgenommen hatten) waren durchaus ähnlich. Auch in diesem Zusammenhang sei der Respekt vor der unveräußerlichen Würde und Freiheit des von Gott geschaffenen und geliebten Menschen wichtig, beide Seiten sollten für Freiheit von Glauben und Religionsausübung kämpfen. Eine gemeinsame Front gegen den modernen Atheismus ist dabei durch 84 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  282, n.  402, s. a. p.  281–282, n. 400–401, p. 283, n. 402, p. 314–315, n. 442–443, p. 371, n. 514; in dieses Bild passen auch die Aussagen gegenüber Teilnehmern an einem interreligiösen Kolloquium zu Fragen von Ehe und Familie p. 613–614, n. 813*; His Holiness Pope John Paul II, To Cardinal Francis Arinze President Pontifical Council for Interreligious Dialogue, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 179. Ein anderer Anlass, bei dem Johannes Paul II Christen, Juden und Muslime ansprach, war sein Besuch in Jerusalem. Es wurde aber keine spezielle abrahamitische Anthropologie entwickelt, vielleicht abgesehen davon, dass die goldene Regel bei allen dreien mehr oder weniger gleich sei. Allerdings ist es auffällig, wie sehr die religiösen Führer auf gleicher Ebene der Aufgaben angesprochen werden (Jerusalem: 23 March 2000, To the Christian, Jewish and Muslim Leaders, BPCDIR 104/105 (2000), p. 175–177).

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aus im Blick und zwar in der Aussage, dass auch die moderne Gesellschaft ohne einen Verweis auf Gott den Menschen nicht zu dem Ziel führen kann, für das er geschaffen ist. Auch die Ansprache an die Delegation der Al-Azhar am Tag nach der Schaffung eines Joint Committee for Dialogue zwischen dem Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog und dem Permanent Committee of Al-Azhar for Dialogue between the Monotheistic Religions enthält wieder einen Hinweis auf Respekt, Wissen und Akzeptanz, die gegenseitig sein müssten, um den Dialog glaubwürdig zu machen. Das nicht leicht zu erreichende Endziel, so scheint es durch, ist der Frieden.85 Um diesen geht es oft, wenn der Papst über die üblichen Begegnungen bei Reisen und bei der Akkreditierung von Diplomaten hinaus Muslime anspricht. So ist er auch das eigentliche Anliegen bei der Botschaft an alle Muslime zugunsten des Libanon am 7.9.1989, also nach mehr als 14 Jahren Bürgerkrieg. Es fällt auf, dass gegen die Gleichgültigkeit der Menschen angesichts dieser Tragödie ganz stark Gott als Richter der Menschen betont wird. Es ist nicht ins Belieben der Menschen gestellt, zu handeln oder auch nicht, sondern „[i]l s’agit d’un devoir de solidarité humaine que votre conscience d’homme et votre appar/478 tenance à la grande famille des croyants imposent à chacun de vous.“86 Wieder ist es eine besondere Situation von Krieg und Konflikt, die Johannes Paul II dazu bringt, die Botschaft zum Fastenbrechen am Ende des Ramadan selbst zu formulieren und nicht dem Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog zu überlassen. Sehr interessant ist, dass in diesem Zusammenhang die sonst eher übliche Reihenfolge von Kenntnis, Dialog und Zusammenarbeit umgekehrt wird: Die Hilfe für die Kriegsopfer (und für den dauerhaften Frieden im Nahen Osten) soll die konkrete Basis für einen ernsthaften, tiefgründigen und dauerhaften Dialog zwischen Katholiken und Muslimen sein, woraus sich wiederum größere gegenseitige Kenntnis, Vertrauen und Religionsfreiheit ergeben. Es macht den Eindruck, dies alles gehöre irgendwie zusammen, ohne dass sich zwingend eine bestimmte Reihenfolge festlegen ließe. Diese ergibt sich vielleicht aus der konkreten Situation, vielleicht können oder müssen manche Prozesse auch gleichzeitig ablaufen. Doch darauf wird in der Botschaft konkret nicht reflektiert. Es wird rekurriert auf die 85 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 462–463, n. 633–634, p. 491–492, n, 670, Vatican City: 29 May 1998, Pope’s Discourse to the Members of the Delegation from Al-Azhar, BPCDIR 99 (1998), p. 281, vgl. a. Pope John Paul’s Address to the Delegation of the World Islamic League during the Audience of Thursday 28 January 1993, Islamochristiana 19 (1993), p. 316, wo die gemeinsamen Überzeugungen von der Würde des Menschen als Argument gegen den Missbrauch von Religion angeführt werden. 86 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 477, n. 653, s.a. n. 651, vgl. a. eine allgemeine Botschaft an den Libanon, p.  301–304, n.  425–428, die unmittelbaren Folgen in: Une délégation parlementaire intercommunautaire du Liban en visite à Rome, Islamochristiana 11 (1985), p.  226–227 und auch noch eine spätere Rede beim Antrittsbesuch eines libanesischen Botschafters, Vatican City: 2 April 2004, To the New Ambassador of Lebanon (Extract), BPCDIR 118 (2005), p. 13 f.

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gemeinsamen Werte der beiden Religionen, die sich als Alternative zur Anziehungskraft von Macht, Geld und materiellen Vergnügungen anböten. Explizit anthropologisch wird es da, wo es um den inneren Frieden des Menschen geht, der zusammenhänge mit dem Wissen, woher man komme, weshalb man auf der Erde sei und zu wem man eines Tages zurückkehren werde. Anderes hängt dagegen zu konkret und ausschließlich an einem bestimmten Anlass, um unter anthropologischem Gesichtspunkt interessant zu sein.87

3.3.14. Pastoralreisen: Schwerpunkt Afrika So betreten wir das weite Feld der Begegnungen Johannes Pauls II mit Muslimen bei seinen Pastoralreisen, die er öfter als ohne diese (von ihm ausdrücklich gewünschten) Begegnungen unvollständig bezeichnet. Betrachtet man die Adressaten, so wird klar, warum die Casablanca-Rede schon von der Situation her so außergewöhnlich war: Afrika ist sehr stark vertreten, Europa sowie der amerikanische Doppelkontinent fallen dahinter weit zurück, Asien ebenfalls. Was, eben mit Ausnahme von Casablanca, vor der Pilgerreise des Jubiläumsjahrs vollständig fehlt, sind die ‚Stammlande‘ des arabischen Islam. So wird noch einmal klar, warum diese Begegnung für Johannes Paul II solche Bedeutung hatte und warum diese Rede solch kanonische Bedeutung erlangen konnte.88 Die übrigen Schwerpunktsetzungen auf dem afrikanischen Kontinent entspre­ chen ungefähr denen der Begegnung mit den katholischen Bischöfen und kon 87 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 519–520, n. 706–708. Interessant ist auch, dass Johannes Paul II im Blick auf die Todesopfer, die der Konflikt bereits gefordert hat, vom gleichen Glauben spricht „qu’ils sont confiés au jugement miséricordieux de Dieu“ (p. 519, n. 706); p. 727, n. 919* geht es am Rande um den israelisch-palästinensischen Konflikt, beim Beileidstelegramm zum Tod von Hassan II von Marokko geht es neben der persönlichen Begegnung in Casablanca auch um dessen Engagement für Jerusalem, s. Cité du Vatican: 25 juillet 1999, Télégramme du Pape à l’occasion du décès de Sa Majesté, Hassan II, Roi du Maroc, BPCDIR 102 (1999), p. 312 und in der Rede anlässlich der Akkreditierung eines neuen tunesischen Botschafters, dessen Land eine Tradition der Toleranz hat, nimmt die von Gewalt in jeder Gestalt geprägte und verbildete Situation des Nahen Ostens und seiner Menschen einen breiten Raum ein, so Cité du Vatican: 27 mai 2004, Au nouvel Ambassadeur de Tunisie près le SaintSiège (Extrait), BPCDIR 118 (2005), p. 16. 88 Die Ansprache anlässlich des Besuchs der Omayyadenmoschee in Damaskus beispielsweise geht mehr auf den konkreten Anlass ein und hat nur einen Abschnitt, der als anthro­ pologisch relevant bezeichnet werden könnte – und der geht bezeichnenderweise wieder auf die Jugend ein (Damascus Syria 6th May 2001, Discourse during the Visit to the Umayyad M ­ osque, p. 171): „It is crucial for the young to be taught the ways of respect and understanding, so that they will not be led to misuse religion itself to promote or justify hatred and violence. Violence destroys the image of the Creator in his creatures, and should never be considered as the fruit of religious conviction.“ Die Pilgerreise zum Jubiläumsjahr hatte aber offensichtlich Auswirkungen für den Dialog vor Ort, so Johannes Paul II gegenüber der neuen jordanischen Botschafterin Cité du Vatican: 17 Mai 2002, Au nouvel Ambassadeur de la Jordanie près le Saint-Siège (Extrait), p. 184.

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zentrieren sich hauptsächlich um Staaten am Golf von Guinea. Menschliche Würde und Menschenrechte sind von Anfang an in diesen Reden Johannes Pauls II an die Muslime ein Hauptthema, durchaus schon in Anknüpfung an Paul VI, wie eine relativ frühe Rede in Ghana belegt. Im überwiegend mus­ limischen Senegal betont Johannes Paul II den Dialog des Lebens generell: gegenseitige Annahme, gegenseitiger Respekt der Gewissens- und Kultusfreiheit, Teilen und Zusammenarbeit. Der Dialog wird dabei als Möglichkeit gesehen, die moderne Gesellschaft menschlicher zu machen, gerechter, respektvoller bezüglich Freiheit, Rechte und Würde des Einzelnen. Indirekt, als unverzichtbares Umfeld, wird dabei auch auf wirtschaftliche Probleme wie Armut und gerechte Zusammenarbeit eingegangen, auf die Frage von Chancengleichheit in den Bereichen Erziehung und Gesundheit, und darauf, dass wirklich alle ein gesundes und würdiges Familienleben haben können. Fast nebenbei wird erwähnt, dass auch die modernen Menschen einen Glauben suchen würden, der ihrem Leben Sinn und Richtung geben kann. Gegenüber den muslimischen Repräsentanten Guineas wird unter den Gemeinsamkeiten, die sich vom Glauben herleiten, auch der Sinn für die menschliche Würde genannt, die sich an der Basis der grundlegenden Menschenrechte befindet. Sehr interessant ist, dass im Zusammenhang des interreligiösen Dialogs auch das Gebet genannt wird. Es bereite auf die Begegnung mit dem Nächsten vor und verhelfe zu Beziehungen des Respekts, des Verständnisses, der Wertschätzung und der Liebe ohne jede Diskriminierung. Eine Rede an muslimische Repräsentanten in Benin vertieft das noch einmal: Es ist „le sens de la dignité de la personne humaine ouverte à la transcendence“89 ebenso wie die Wertschätzung der Moral, die beiden Religionen gemeinsam ist und die auch einige der Quellen der Menschenrechte darstellen. Die Aussagen zum Gebet sind praktisch mit den schon genannten identisch, wobei auch darauf eingegangen wird, dass Respekt und Brüderlichkeit zur Abschaffung der Armut motivieren sollten. Neu ist hingegen, wie ausführlich auf die Rolle der Familie bei der Ausbildung des Gewissens eingegangen wird: Eltern bereiten ihre Kinder darauf vor, Gewissens- und Kultusfreiheit zu praktizieren und dies wiederum ist essentielle Vorbedingung für das gemeinsame Leben der Nation. Sonst war die Bedeutung der Religionsfreiheit in der Kindererziehung eher so interpretiert 89 Conseil Pontifical pour le Dailogue Interreligieux, p.  586, n.  787, zum nachfolgenden Text s. a. p. 587, n. 787, zu Ghana s. p. 250, n. 353, zum Senegal s. p. 551–552, n. 744–745, p. 553, n. 748, zu Guinea s. p. 556, n. 752, p. 558, n. 755. Eine spätere Rede in Nigeria betont zum einen Kardinal Francis Arinze, den Präsidenten des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, in seiner Rolle als lebendiger Verbindung zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem Land Nigeria, zum anderen betont sie sehr den Wert des menschlichen Lebens und der Familie für Muslime wie Christen. Daneben ging es auch um Religionsfreiheit, um Religion und Gewalt und um Korruption, die Gottes Wünschen für die menschliche Familie zuwiderlaufe, so Abuja – Nigeria: 22 March 1998, Meeting with Muslim Leaders at the Apostolic Nunciature on the Occasion of the Pope’s Second Pastoral Visit to Nigeria to Beatify Fr Cyprian Michael Iwene Tansi, BPCDIR 99 (1998), p. 276–278.

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worden, dass es ein Recht auf religiöse Kindererziehung gebe und diese besonders bedeutsam sei in einer Welt, die tendenziell den spirituellen Aspekt des Menschen vergesse oder zerstöre, wie in einer Rede an die Oberhäupter der Muslime in Ghana. Hier ist auch die Rede vom geheiligten Respekt für die Würde des Menschen als Diener Gottes und dass beide die vollständige Unterordnung unter Gott (was für Christen eine eher muslimisch klingende Formulierung ist) bekennen würden, was auch der eigentliche Sinn von Brüdern und Schwestern im Glauben sei. Relativ genau wird ausgeführt, was Christen und Muslime in der Gesellschaft miteinander bewegen können: „Nous pouvons promouvoir plus d’honnêteté et de discipline dans la vie publique et privée, plus de courage et de sagesse en politique, l’élimination des antagonismes poli/277tiques, l’élimination de toute discrimination à cause de la race, de la couleur, de l’origine ethnique, de la religion ou du sexe.“90 Sicherlich dürfen viele dieser Aussagen nicht als einander ausschließend betrachtet werden, so begründet derselbe Johannes Paul II in einer Ansprache an muslimische Repräsentanten Kameruns die Anrede als Brüder schlicht mit der Schöpfung und geht dann mehr in die Tiefe bezüglich der christlichen Rede vom Menschen als Repräsentanten Gottes im Verhältnis zur muslimischen Rede von Gott, der den Menschen als seinen Delegierten geschaffen habe. Auch hier geht es um die daraus herrührende Würde des Menschen, darüber hinaus aber wird diese Würde zum Kriterium dafür, was von gegenwärtiger Technologie und Wissenschaft in die Gesellschaft integriert werden sollte. In dieser Rede geht Johannes Paul II aber auch darauf ein, dass nicht alle Menschen das so sehen. Eine der größten Herausforderungen heute sei es, friedlich und konstruktiv zusammenzuleben. Nicht alle religiösen (und anderen) Gruppen erkennen die Rechte der anderen an. Sie verweigern sich den Vorschlägen zur Zusammenarbeit und menschlichen Brüderlichkeit. Der katholische Weg dagegen sei der Dialog, was auch Toleranz gegenüber Unterschieden bedeute. Umgekehrt, so eine Rede an die muslimische Führer­ Kenias, zwinge der Wunsch nach echtem Dienst an der Menschheit Christen und Muslime dazu, ihre Anstrengungen zu vereinigen.

90 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 276/277, n. 392, s.a. p. 276, n. 390. Außerdem ist p. 276, n. 393 vom gemeinsamen Glauben an Gott als Quelle aller Rechte und Werte der Menschheit die Rede. Manches Mal werden auch innerhalb einer allgemeineren Rede die Muslime nochmals eigens angesprochen, so z. B. Astana International Airport, Kazakhstan: 22 September 2001, Response to the Welcome of the President, BPCDIR 108 (2001), p. 306. Insgesamt versucht Johannes Paul II jeweils sehr, auf die gegebene Situation positiv einzugehen und Anknüpfungspunkte zu finden, so z. B. Astana, Kazakhstan: 25 September 2001, On the Occasion of the Parting Ceremony, BPCDIR 108 (2001), p. 317, wo er in Anlehnung an den muslimischen Nationaldichter das Motto seines Besuchs so (und damit in besonderer Weise anthropologisch) umformuliert: „[C]an a human being fail to love?“

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Besonders nachdrücklich, was Menschenrechte, Religionsfreiheit und rechtliche Gleichstellung aller anging war  – nicht ohne Grund  – eine Rede an den Präsidenten des Sudan anlässlich einer Pastoralreise. Herausgehoben aber ist die Argumentation, die vom Menschen als rationalem Wesen spricht, das zu jeder Konfliktlösung fähig sei, wenn denn der Wille dafür vorhanden sei. Dies ist geradezu eine geschickt positiv verpackte schöpfungstheologische Ohrfeige an viele Adressen, die ihresgleichen sucht. Andererseits verwendete Johannes Paul II auch gegenüber den Muslimen der Philippinen aus schöpfungstheologischen Gründen die im sonstigen interreligiösen Gebrauch eher den Christen vorbehaltene Anrede Brüder, mit der Erweiterung, dass die Anstrengungen der Menschen auf Gott und auf die Wahrheit, die von ihm komme, ziele, ob sie sich dessen bewusst seien oder nicht.91 Alle anderen Reden Johannes Pauls II waren an in westlichen Ländern lebende Muslime gerichtet. Der gemeinsame Rückbezug auf Gott als Schöpfer ist unbestreitbare Basis, aber schon von Menschenrechten ist nicht mehr die Rede, da sie in diesen Ländern schon anerkannt sind, auch wenn es fraglos Integrationsschwierigkeiten gibt. Die wichtigsten Aussagen sind sicherlich die im Zusammenhang mit dem Balkan, sei es die im Zusammenhang mit dem zweiten Gebetstreffen in Assisi speziell für den Frieden in dieser Region: „Puisque tous les êtres humains ont été créés par Dieu et sont tous membres de l’unique famille humaine, nous avons le devoir d’apporter notre aide à tous“92, sei 91 S. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  322–324, n.  451–452 (Kamerun), p. 247, n. 350 (Kenia), p. 257, n. 363 (Philippinen), vgl. zu letzterem auch p. 260, n. 367 „C’est seulement dans le cadre de la religion et des promesses de foi qu’elle partage que l’on peut vraiment parler de respect mutuel, d’ouverture et de collaboration entre les chrétiens et les musul­mans.“ In Pakistan verweist Johannes Paul II auf die Schöpfung (p. 257, n. 362), vorher (p. 256–257, n. 361) aber auf die gemeinsamen Anliegen. Die im Sudan gebrauchte Formulierung lautet wörtlich (The Holy Father’s Address to the President of the Sudan, Islamochristiana 19 (1993), p. 281): „Man is a rational being endowed with intelligence and will, and therefore he is capable of finding just solutions to situations of conflict, no matter how long they have been going on and no matter how intricate the motives which caused them. Efforts to restore harmony depend on the parties involved being willing and determined to implement the conditions required for peace. But where constructive action does not follow declarations of principle, violence can become uncontrollable.“ 92 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  585, n.  786, zu den Grundlagen s. p. 433, n. 596 (USA), p. 315–316, n. 444 (Belgien), sehr grundsätzlich im Sinn von NA 3 ist p. 498, n. 680 (Malta), p. 255, n. 360 (Frankreich) geht auf die ungelösten Probleme zwischen Christen und Muslime ein. Ferner ist noch Argentinien zu erwähnen, p. 424, n. 582 und ein Ausspruch besonders hervorzuheben (p. 316, n. 244): „Il ne nous est pas donné de former une communité unique; c’est là une épreuve qui nous est imposée.“ Was die Ansprache in Paris angeht, so hebt Fitzgerald/Borelli, p. 120 hervor, dass der Papst die Muslime als Brüder (im Glauben an den einen Gott) anredet: „This may not seem significant until we remember that traditionally the term ‚brother‘ was reserved for fellow Christians. The World Council of ­Churches, in its documents, prefers to speak about ‚neighbours of other faiths‘. The use of the term ‚brother‘ by

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es beim Zusammentreffen mit muslimischen Repräsentanten in Sarajewo selbst: „Dieu a placé tous les êtres humains sur la terre afin qu’ils parcourent un pèlerinage de paix chacun dans la situation et la culture qui sont les siennes.“93

3.3.15. Vor den Diplomaten: Religionsfreiheit Wiederum ein völlig anderer Bereich sind die Ansprachen vor Botschaftern anlässlich von deren Akkreditierung oder auch des traditionellen Neujahrsempfangs. Hier bewegt man sich, wenn dabei ausdrücklich auf muslimische Belange eingegangen wird, noch deutlicher im Bereich von Ländern mit hohem bis höchstem muslimischen Bevölkerungsanteil. Was praktisch immer angesprochen wird, wenn auch in unterschiedlicher Vollständigkeit, ist die inzwischen sattsam bekannte Ableitungsachse: Glaube an Gott den Schöpfer  – Würde des Menschen als Geschöpf, das von Gott herkommt und zu ihm hingeht  – Menschenrechte, allen voran passive und aktive Religionsfreiheit – Auswirkungen auf der Ebene des Zusammenlebens und des gemeinsamen Handelns (Gerechtigkeit und Solidarität, aber auch Frieden). Die gottgegebene Würde des Menschen ist nach eigener deutlicher Aussage der Dreh- und Angelpunkt: „Indeed, the Holy See’s activity in the international forum stems from this specific vision of the human person, and from the conviction that when it is undermined or abandoned the very foundation of human society is threatened. This perspective of development calls for the advancement of freedom through the political recognition of the duty to guarantee human rights. Not least of these rights are: the freedom of authentic religious practice; the entitlement to build and maintain places of worship, including those for religious minorities; active participation of all citizens in democratic civic life; and access to education.“94

Außergewöhnlich deutlich, was Menschenrechte und Religionsfreiheit angeht, wird Johannes Paul II bei der Ansprache anlässlich des Neujahrsempfangs 1990, the popes can be seen as a sign of openness and friendship.“ Zusammenfassend kann nochmals Johannes Paul II zitiert werden nach Le nouvel ambassadeur de Tunisie près le Saint-Siège est reçu par le Pape, Islamochristiana 15 (1989), p. 236: „[I]l m’arrive souvent de tenir, notamment au cours de mes voyages apostoliques, à savoir que le respect de toute personne humaine et de ses droits inaliénables découle de sa création à l’image de Dieu et de son destin transcendant“. 93 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 712, n. 907*. 94 Vatican City: 27 May 2004, To the New Ambassador of Yemen to the Holy See (Extract), BPCDIR 118 (2005), p. 22. Besonders um den Frieden geht es dagegen in TUNISIE Le ­nouvel ambassadeur près le Saint-Siège est reçu par le Pape (19 novembre 1994), Islamochristiana 21 (1995), p. 212: „Pour les Livres sacrés des différentes religions, l’aspiration à la paix et sa réalisation occupent une place considérable dans la vie de l’homme et dans ses rapports avec Dieu. On peut même dire qu’une vie religieuse authentiquement vécue produit des fruits de fraternité et de paix, car il est dans la nature de la religion de favoriser des relations toujours plus solidaires entre les homes, précisément par des liens toujours plus étroits avec la divinité.“

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also kurz nach den spektakulären Umwälzungen in den Ländern des Ostblocks. Er spricht von den positiven Auswirkungen des Pancasila-Prinzips in Indonesien auf das Verhältnis des Islam zu den anderen Religionen und für die Gesellschaft allgemein. Das sei aber nicht in allen Ländern mit muslimischer Mehrheit so. Im Gegenteil, die Christen dort fühlten sich als Bürger zweiter Klasse, ständig unter Verdacht, ohne Kirchen und daran gehindert, eine religiöse Erziehung und karitative Aktivitäten zu organisieren. Seine Reaktion ist ein Musterstück an Diplomatie: Anerkennung, aus der heraus deutlich wird, dass das doch wohl nicht islamisch sein könne, verstärkt durch den (ja häufig geforderten) Hinweis auf die nötige Gegenseitigkeit und auch auf die konkrete Ausgestaltung von Religionsfreiheit: „Je suis persuadé que les grandes traditions de l’Islam, telles que l’accueil de l’étranger, la fidélité en amitié, la patience en face de l’adversité, l’importance accordée à la foi en Dieu sont autant de principes qui devraient permettre de dépasser des attitudes sectaires inadmissibles. Je souhaite vivement que, si les fidèles musulmans trouvent justement aujourd’hui dans les pays de tradition chrétienne les facilités essentielles pour satisfaire les exigences de leur religion, les chrétiens puissent de même bénéficier d’un traitement comparable dans tous les pays de tradition islamique. La liberté religieuse ne saurait être limitée à une simple tolérance. Elle est une réalité civile et sociale, assortie de droits précis permettant aux croyants et à leurs communautés de témoigner sans crainte de leur foi en Dieu et d’en vivre toutes les exigences.“95

Wo diese Religionsfreiheit kein großes Problem ist, fallen diese Bemerkungen entsprechend knapp aus. Häufig sind sie verknüpft mit einem Verweis auf die Schutzfunktion der katholischen Kirche gegenüber ihren Mitgliedern beziehungsweise als Quasi-Schutzmacht für die Rechte von Einzelnen sowie Gruppen oder sie fordern ausdrücklich, was staatliche Gesetze zwar garantieren, was aber 95 Extraits du discours du Saint-Père au Corps diplomatique (13 janvier 1990), Islamochristiana 16 (1990), p. 294, s.a. p. 293. Auch im darauffolgenden Jahr fasste er nochmals nach, wenn auch nicht mehr ganz so grundsätzlich, s. The Holy Father’s Address to the Diplomatic Corps Accredited to the Holy See (12 January 1991), Islamochristiana 17 (1991), p. 277. Noch ein Jahr später geht er sehr kritisch auf den Golfkrieg ein, aber eben auch auf die Situation von Christen in mehrheitlich muslimischen Ländern im Nahen Osten und in Afrika: „Il est des pays, par exemple, où la religion musulmane est majoritaire et où les chrétiens, aujourd’hui encore, n’ont même pas la possibilité d’avoir un seul lieu de culte à leur disposition. Dans d’autres cas, il ne leur est pas possible de participer à la vie politique du pays comme des citoyens à part entière. Dans d’autres cas encore, on leur conseille tout simplement de partir.“ (Le discours du SaintPère aux membres du Corps Diplomatique accrédité près le Saint-Siège (11 janvier 1992), Islamochristiana 18 (1992), p. 318, s.a. p. 317). Eine schöne Erklärung zu Pancasila gibt Johannes Paul II in INDONESIA The New Ambassador to the Holy See Is Received by the Pope (19 June 1995), Islamochristiana 21 (1995), p. 170: „the national philosophy which calls for belief in God, national unity, social justice, profound respect for human life, dignity and rights, and which insists on that freedom by which citizens determine their destiny as a people. Essential among these prinicples are religious freedom and interreligious tolerance“.

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praktisch offensichtlich nicht immer umgesetzt wird. Häufig wird diese Forderung verknüpft mit einem Verweis auf die Situation muslimischer Minderheiten in mehrheitlich christlichen Ländern und dasselbe für die christlichen Gemeinschaften in Ländern mit muslimischer Mehrheit eingefordert. Die ‚Einordnung‘ einzelner Länder kann dabei im Lauf der Jahre variieren. Auch die Argumentation im Detail ist variabel, wobei auffällt, dass in den allerletzten Ansprachen die Wichtigkeit und der Nutzen der Trennung von Staat und Religion für die Religionsfreiheit, aber auch für religiöse und staatliche Institutionen und für die Gesellschaft allgemein betont wird. Besonders gegenüber dem neuen Botschafter Bangladeschs, der das Thema Religionsfreiheit selbst angeschnitten hatte, wird Johannes Paul II etwas ausführlicher, betont, dass Glaube generell Menschen aufmerksamer, verantwortungsvoller und großzügiger im Einsatz für das Gemeinwohl macht, da sie im anderen den Bruder sehen, und verknüpft die Religionsfreiheit mit dem Ergehen der Gesellschaft: „[L]a garantie assurée à chaque individu de la liberté pour professer sa religion renforce l’intégrité morale d’un peuple et donc favorise une société plus juste au service du bien commun.“96 96 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 448, n. 613, für durchaus positive Verhältnisse s. p. 546, n. 737 (Tunesien), p. 735, n. 926* (Marokko), p. 698, n. 891* (Mali), Vatican City: 25th May 2000, To the Ambassador of Kuwait to the Holy See, BPCDIR 104/105 (2000), p. 182, Cité du Vatican: 3 Mai 2002, Au nouvel Ambassadeur du Maroc près le SaintSiège (Extrait), BPCDIR 110 (2002), p. 182–183, Cité du Vatican: 12 décembre 2003, A l’Ambassadeur du Qatar près le Saint-Siège (Extrait), p. 21, für Rekurse auf Rechte der Minderheiten s. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 740, n. 930* (Türkei), Cité du Vatican: 17 Mai 2002, Au nouvel Ambassadeur du Soudan près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 110 (2002), p. 185–186, für Rekurse auf Rechte der Christen s. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 294, n. 415, p. 536, n. 724 (beides Algerien), p. 720, n. 913* (Iran) und, vor etwas anderem Publikum, Vatican City: 18 October 2001, Message on the Occasion of the 88th World Day of Migrants and Refugees, 2002, BPCDIR 108 (2001), p. 322 (und u. a. umgekehrt s. Vatican City: 20 November 2003, To the Participants in the V World Congress of the Pastoral Care of Migrants and Refugees (Extract), BPCDIR 115 (2004), p. 18, für Rechte von Minderheiten allgemein und von Christen speziell s. Vatican City: 15 May 2003, To the New­ Ambassador of the Islamic Republic of Pakistan to the Holy See (Extract), BPCDIR 114 (2003), p. 333: „Not least of these ‚fundamental human‘ rights are: unprejudiced access to the employment market, full participation in democratic civic life, and freedom of authentic religious practice. (…) For this reason I have said on numerous occasions that corruption, whether it be on the part of politicians, judiciary officials or administrators and bureaucrats (…), is a scourge which affronts the inviolable dignity of every human person and which paralyzes a nation’s social economic and cultural advancement.“ Für allgemeine Rekurse auf die Menschenrechte s. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  447, n.  611 (Nigeria), p.  549, n. 741 (Senegal), p. 640, n. 834* (Türkei), p. 649, n. 841*, p. 700–701, n. 895* (Pakistan), Cité du Vatican: 17 Mai 2002, Au nouvel Ambassadeur du Bélarus près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 110 (2002), p. 188, für die positiven Auswirkungen der Menschenrechte s. a. Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  687–688, n.  881* (Ägypten), p.  716, n.  910*­ (Syrien) bis hin zum Frieden allgemein, so Cité du Vatican: 18 mai 2001, Au nouvel Ambassa-

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deur de Tunisie près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 107 (2001), p. 188 (mit Betonung der Friedenserziehung und im Übrigen an eine Botschafterin gerichtet), Cité du Vatican: 6 décembre 2001, Au nouvel Ambassadeur du Mali près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 109 (2002), p. 28 (wieder mit starker Betonung der Erziehung und damit der Familie), und im Nahen Osten im Besonderen (Vatican City: 19th February 1999, Greetings of th Holy Father to a Delegation from the „International Forum Bethlehem 2000“, BPCDIR 102 (1999), p. 291): „In particular, we must be confident that it is possible to build peace in the Middle East. The promise of peace made at Bethlehem will become a reality when the dignity and the rights of human beings made in the image of God (cf. Gen. 1:26) are acknowledged and respected“; vgl. dazu auch die Äußerung vor den libanesischen Bischöfen, der Libanon habe gezeigt, dass man das Recht jedes Menschen auf Religionsfreiheit respektieren könne (Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 723, n. 914*). 2000 betont Johannes Paul II im Zusammenhang mit den Menschenrechten dort auch, es sei besonders vordringlich, „de permettre à chacun d’avoir des conditions de vie décentes et dignes“ (Cité du Vatican: 26 Octobre 2000, Au nouvel Ambassadeur du Liban près le Saint Siège (Extrait), BPCDIR 106 (2001), 16). Eine ähnliche Verbindung stellt die Ansprache an den Botschafter von Gambia her (Vatican City: 18th May 2001, To the New Ambassador of Gambia to the Holy See (Excerpt), BPCDIR 107 (2001), p. 185): „ It is in fact a sad commentary that at the dawn of this new millenium serious forms of social and economic injustice, and of political domination, are still affecting entire peoples and nations in different parts of the world, on your own continent of Africa and elswhere. There is growing indignation on the part of countless men and women whose fundamental rights continue to be trampled upon and held in contempt.“ Auch gegenüber dem irakischen Botschafter greift Johannes Paul II zwar 2001 ebenfalls das Thema der Religionsfreiheit auf, der Schwerpunkt liegt aber auf den Folgen des Embargos und darauf, dass – in Anlehnung an Gaudium et Spes – nichts und niemand ein Recht hat, die Menschen darauf zu reduzieren, was sie tun oder herstellen können (Vatican City: 28th April 2001, To the New Ambassador of Iraq to the Holy See, BPCDIR 107 (2001), p. 165–166). Gegenüber dem indonesischen Botschafter, in dessen Land es ja auch den einen oder anderen Konflikt gibt, formuliert er (Vatican City: 12 June 2000, To the New Ambassador of the Republic of Indonesia, BPCDIR 104/105 (2000), p. 191): „Authentic democracy is based on recognition of the inalienable dignity of every human person, from which human rights and duties flow. Failure to respect this dignity leads to the various and often tragic forms of discrimination, exploitation, social unrest and national and international conflict with which the world is unfortunately too familiar. Only when the dignity of the person is safeguarded can there be genuine development and lasting peace.“ Sehr grundsätzlich drückt sich Johannes Paul II gegenüber dem Botschafter des Iran aus (Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 525, n. 713): „C’est la défense et la promotion de la dignité humaine que le Saint-Siège poursuit par sa présence au sein de la communauté internationale et par ses relations diplomatiques bilatérales avec de nombreux pays. Cette activité qui n’a pas d’autre but que d’être au service du bien de la famille humaine, est charactérisée par un intérêt prédominant pour les aspects éthiques, moraux et humanitaires des relations entre les peuples du monde“, vergleichbar auch Cité du Vatican: 6 december (sic!) 2001, Aux nouveaux Ambassadeurs (Extrait), BPCDIR 109 (2002), p. 29. Recht deutlich wird dies auch in: Jerusalem: 25 March 2000, To the Consul Generals of Jerusalem, BPCDIR 104/105 (2000), p.  179 und in Vatican City: 14 December 2000, To the New­ Ambassador of Eritrea to the Holy See (Excerpt), BPCDIR 106 (2001), p. 31: „Deeply concerned about the social dimension of human life, the Church contributes to the political order by teaching the inalienable dignity of the human person.“ Die aufgezeigte Linie kann heute als eine der grundlegendsten der katholischen Lehre überhaupt gelten (Cité du Vatican: 12 novembre 2001, Aux membres de l’„International Catholic Migration Commission“ et de la Fondation „Migrantes“ (extrait), BPCDIR 109 (2002), p.  15): „L’âme de votre oeuvre est une vision de la dignité humaine fondée sur la vérité de la personne humaine créée à l’image de Dieu

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(cf. Gn 1,26), une vérité qui illumine toute la doctrine sociale de l’Eglise. De cette version découle des droits inaliénables, qu’aucune puissance humaine ne peut accorder ou dénier, car il s’agit de droits qui ont leur source en Dieu. Il s’agit d’une vision profondément religieuse, qui est partagée non seulement par d’autres chrétiens, mais aussi par de nombreux disciples des autres grandes religions du monde.“ Besonders gilt das für die Schwächsten einer Gesellschaft, beispielsweise die Kinder, so z. B. Cité du Vatican: 27 mai 2004, Au nouvel Ambassadeur de Mali près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 118 (2005), p. 19. Es gibt auch die Verbindung zu universellen Werten und Normen, so Vatican City: 18th May 2001, To the New Ambassador of Gambia to the Holy See, p. 185: „The Catholic Church will always be a staunch and tireless defender of universal, unchanging moral norms, a role she exercises for no other purpose than to serve men’s true freedom. (…) There exist, then, fundamental moral rules of social life entailing specific demands with which both public authorities and private citizens must comply, and which the international community too is required to respect. This underlying morality must guide all aspects of social and political life.“ Auch in der Ansprache an den jugoslawischen Botschafter ist die Rede von „those universal values which are rooted in the nature of the person and ultimately in God (Vatican City: 11th April 2002, To the New Ambassador of Yugoslavia to the Holy See (Extract), p. 176), wobei v. a. Solidarität, Friede, Leben und Erziehung gemeint sind. Relativ deutlich ist anlässlich des Neujahrsempfangs für Diplomaten 1996 beim Thema Reli­ gionsfreiheit die Anspielung auf Saudi-Arabien (Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 658, n. 851*): „D’autres cependant continuent à pratiquer une discrimination à l’égard des juifs, des chrétiens et d’autres familles religieuses, alant jusqu’à refuser le droit de se réunir en privé pour prier. On ne le dira jamais assez: il s’agit là d’une violation intolérable et injustifiable non seulement de toutes les normes internationales en vigueur, mais de la liberté humaine la plus fondamentale, celle de manifester sa foi, qui est pour l’être humain sa raison de vivre“, noch deutlicher beim gleichen Anlass 1999 (Vatican City: 11th January 1999, Holy Father’s Address to the Diplomatic Corps: The Time Has Come to Ensure that Everywhere in the World Effective Freedom of Religion Is Guaranteed“ (Excerpt), p. 284/285): „In other regions, where Islam is the majority religion, one still has to deplore the grave forms of discrimination of which the followers of other religions are victims. There is even one country where Christian worship is totally forbidden and where possession of a Bible is /285 a crime punishable by law“, etwas allgemeiner 2001 (Cité du Vatican: 13 janvier 2001, Au Corps Diplomatique accrédité près le Saint Siège à l’occasion de l’échange des voeux du Nouvel An (Extrait), BPCDIR 106 (2001), p. 52): „Je voudrais ici vous redire et redire par votre intermédiaire aux gouvermants qui vous ont accrédités auprès du Saint-Siège, la détermination de l’Église catholique à défendre l’homme, sa dignité, ses droits et sa dimension transcendante. (…) Le drame vécu par la communauté­ chrétienne en Indonésie ou les discriminations patentes dont sont victimes aujourd’hui encore d’autres communautés de croyants, chrétiens ou non, dans certains pays d’obédience marxiste ou islamiste, appellent à une vigilance et à une solidarité sans faille.“ Gerade die Neujahrsansprachen zum Empfang des diplomatischen Corps sind immer Rundumschläge – ein besonders schönes Beispiel ist Cité du Vatican: 12 janvier 2004, Aux membres du Corps diplomatique accrédités près le Saint-Siège, à l’occasion de l’èchange des voeux du nouvel an, BPCDIR 115 (2004), p. 26–31: Von den Konflikten im Irak und in Palästina bis hin zur Grundsatzdiskussion um die Identität und den Charakter Europas, Menschenrechte ausdrücklich eingeschlossen. Es gibt aber auch, gegenüber dem türkischen Botschafter (Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  559, n.  757) und anlässlich eines einschlägigen Konzerts (ib., p.  531, n. 718) Verweise auf die Bruderliebe beim türkischen Mystiker Yunus Emre. Die spätere Ansprache an einen Nachfolger geht da schon mehr auf die spezielle Situation der laizistischen Türkei ein, schafft es aber auch hier wieder, den typischen Bogen von Schöpfung zu Menschenrechten zu schlagen (Vatican City: 7th December 2001, To the New Ambassador of Turkey to the Holy See (Extract), BPCDIR 109 (2002), p. 34): „For a secular State, the challenge is to be

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genuinely open to transcendence: that is, to base itself upon  a vision of the human person­ created in the image of God and possessed therefore of inalienable and universal rights. There are in fact certain rights which are universal because they are rooted in the nature of the human person rather than in the particularities of any culture.“ Eine interessante Begründung für den Vorrang der Religionsfreiheit findet sich in Pope’s Address to the Diplomatic Corps Accredited to the Holy See, Islamochristiana 15 (1989), p. 252: „The religious aspect, in fact, has two specific dimensions which show its originality in relation to the other activities of the spirit, notably those of conscience, thought or conviction. On the one hand, faith recognizes the reality of the Transcendence which gives meaning to the whole of existence and which is the basis of the values which behaviour takes as its guidelines. On the other hand, religious commitment implies membership of a community of persons. Religious freedom goes hand in hand with the freedom of the community of believers to live according to the teachings of its Founder.“ Besonders interessant ist auch die Verbindung von Unterhalt von diplomatischen Beziehungen zum Apostolischen Stuhl und Religionsfreiheit, wie sie sich findet in Le nouvel ambassadeur de­ Turquie près le St-Siège est recu par le Pape, Islamochristiana 14 (1988), p. 308: „Tout Etat, et plus encore lorsqu’il a pris l’initiative de nouer des relations diplomatiques avec la Siège Apostolique de Rome, se distingue hautement en montrant une claire attitude d’équité à l’égard des croyants qui ont légitimement fait le choix de leur religion.“ Eine gute Ergänzung dazu ist ein Ausschnitt aus der Rede anlässlich der Akkreditierung eines neuen syrischen Botschafters,­ SYRIA The New Ambassador to the Holy See Received by the Pope, Islamochristiana 15 (1989), p. 234/235: „The diplomatic relations which the Holy See maintains with numerous nations,­ diverse in culture and in their role on the international scene, have a special nature, as you know. Their principal inspiration is the promotion of the basic ideals which protect and enhance the human person, assuring respect for his or her dignity, striving against difficulties to promote a civilization of toler-/p. 235 ance, mutual help and fraternal love.“ Eine Variante zur üblichen Vorrangstellung der Religionsfreiheit innerhalb der Menschenrechte bietet Vatican City: 16 December 1999, To the New Ambassador of the Islamic Republic of Pakistan to the Holy See (Extract), p.  57 mit „the fundamental and inalienable rights of the human person, the most­ basic of which are the right to life, the right to freedom (including freedom of thought, conscience and religion) and the right to participate fully in society. From these basic rights which are essen­tial to the well-being of individuals and societies.“ Vatican City: 27 May 2004, To the New Ambassador of Sri Lanka to the Holy See (Extract), BPCDIR 118 (2005), p. 20 verbindet diese Betonung der Religionsfreiheit mit einer ebenso klaren Absage an jegliche Form von Proselytismus. Ganz neu (und vielleicht, wie ähnlich oben schon einmal angemerkt, mit den jüngsten Entwicklungen in der Europäischen Union zusammenhängend) ist die Betonung der Trennung von Religion und Staat als wichtig im Zusammenhang mit der Gewissensfreiheit: „[L]a claire distinction entre la sphère civile et la sphère religieuse permet à chacun de ces secteurs d’exercer ses propres responsabilités (…) dans le respect mutuel et dans la liberté de conscience.“ (Cité du Vatican: 21 février 2004, Au nouvel Ambassadeur de Turquie près le SaintSiège (Extrait), BPCDIR 118 (2005), p. 11, wo auch wieder angesprochen wird (schon in Anlehnung an Pacem in terris von Johannes XXIII), dass Friede nicht von der Würde und den Rechten des Menschen zu trennen sei und auf den vier Säulen von Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit ruhe.) Ähnlich auch Cité du Vatican: 15 novembre 2004, Au nouvel Ambasadeur de la République d’Irak près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 118 (2005), p. 34, wo zusätzlich noch die Autorität des Gesetzes als Bedingung für die Wahrung der Menschenwürde hervorgehoben wird. Auch die letzte Neujahrsansprache Johannes Pauls II an ein diplomatisches Corps, die man in gewissem Sinn als Rundumschlag in Sachen Mensch und dessen Existenz (von vor der Geburt über Familie, soziale Gerechtigkeit (Hunger!), Frieden und schließlich wieder Freiheit) bezeichnen könnte, betont wieder sehr die Trennung von Religion und Staat und deren Nutzen für beide Seiten und außerdem und ergänzend die Tatsache, dass die Freiheitsrechte des

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Und ausgerechnet gegenüber dem Botschafter der Republik Iran baut Johannes Paul II quasi eine gemeinsame Front auf gegen den modernen Menschen, die moderne Gesellschaft und ihre spirituelle Krise. Die Welt brauche das gemeinsame Zeugnis über die Würde des Menschen. Grundlage ist der Glaube, trotz aller Schwäche sei der Mensch imstande, das Gute zu suchen und zu erkennen und das Böse davon zu unterscheiden und zurückzuweisen. So kommen solche Sätze über Gewissens-, Religionsfreiheit und Frieden zu Stande: „[E]n suivant la loi de la conscience et les préceptes de leur propre religion, les croyants, bien qu’ayant des points de vue différents sur maint sujet, seront capables de travailler ensemble pour affronter les problémes urgents que rencontre la famille humaine.“97 Später Menschen v. a. Rechte des Individuums sind – ein Aspekt, der gerade im Gegenüber zum Islam sehr wichtig ist, da dieser dazu neigt, die Rechte der Gemeinschaft zu betonen und ihnen die des Individuums und der Minderheiten unterzuordnen, gerade weil auch die Trennung von Religion und Staat in der Regel als unislamisch, ja als Bedrohung für den Islam gesehen wird (Citè du Vatican: 10 janvier 2005), Au Corps diplomatique accredité près le Saint-Siège (Extrait), BPCDIR 118 (2005), p. 44–47). Bei dem großen Interview, das Johannes Paul II dem Journalisten Vittorio Messori gewährte und das in Buchform vröffentlicht wurde, handelt es sich zwar nicht um eine Ansprache an Diplomaten, ja überhaupt nicht um einen Text aus offiziellem Anlass wie die sonst hier zitierten, doch sind die mitgedachten Leser sicherlich auch als sehr international anzusehen und die abschließenden Worte im Kapitel zu Islam sehr klar und deutlich gerade in Richtung Religionsfreiheit: „In den Ländern, wo fundamentalistische Strömungen an die Macht kommen, werden die Menschenrechte und das Prinzip der religiösen Freiheit leider sehr einseitig ausgelegt: Die Religionsfreiheit wird als Freiheit verstanden, allen Einwohnern die ‚wahre Religion‘ aufzuerlegen. Die Lage der Christen ist in diesen Ländern nicht selten sogar als bedrohlich zu bezeichnen. Solcherart fundamentalistische Einstellungen gestalten die gegenseitigen Kontakte außerordentlich schwierig. Dennoch bleibt die Kirche unverändert offen für den Dialog und die Zusammenarbeit.“ (Johannes Paul II, S. 122) In eine ähnliche Richtung geht auch ­BANGLADESH The New Ambassador to the Holy See Is Received by the Pope (10 January 1992), Islamochristiana 18 (1992), p.  245: „Without good interreligious relations there is  a danger that religion could be degraded into a weapon of hostility“. 97 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p. 526, n. 713, s.a. schon p. 525, vgl. Vatican City: 7 September 2000, To the New Ambassador of the Arab Republic of Egypt to the Holy See (Excerpt), BPCDIR 106 (2001), p. 7: „the gift of the Law which God wrote long ago on tablets of stone and which he continues to write in every age on the human heart“ und ergänzend die ganz späte Ansprache Johannes Pauls II an eine Gruppe spanischer Bischöfe, in der er den Säkularismus als Angriff auf die Religionsfreiheit von anderer Seite und auf andere Weise geißelt ( Vatican City: 24th January 2005, To the Bishops from Spain (1st Group) on the Occasion of their „Ad Limina“ Visit (Extract), BPCDIR 118 (2005), p. 49): „This idelogy leads gradually, more or less consciously, to the restricition of religious freedom to the point that it advocates contempt for, or ignorance of, the religious environment, relegating faith to the private sphere and opposing its public expression.“ Auch eine andere Ansprache anlässlich der Akkreditierung eines neuen Botschafters aus Bangladesch ist erstaunlich inhaltsreich. Wieder ist Gott der Schöpfer der Ausgangspunkt, von dem aus ein direkter Schritt zur menschlichen Solidarität gemacht wird, mit deutlichen Worten: „It ‚i. e. human solidarity‘ is not a matter of dispensing favours but of recognizing the basic human right to a just share of resources“ (Vatican City: 6th December 2001, To the New Ambassador of Bangladesh to the Holy See (Extract), p. 21). Für die Werte gibt es einen Rückverweis auf die Rede vor den Vereinten Nationen, was aber

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gibt es allerdings auch Aussagen, die diese Sicht des Gewissens etwas relativieren, wenn Johannnes Paul II angesichts der ständigen Menschenrechtsverletzungen überall sagt: „I appeal today to the consciences of our contemporaries. Indeed the human conscience must be educated“98. Sonst aber wurde (beispielsweise gegenüber dem pakistanischen Botschafter) der Bogen von Intelligenz und freiem Willen als Gabe des Schöpfers und Teil der menschlichen Natur zum Recht auf Religionsfreiheit geschlagen. Darüber hinaus aber gibt es wenig in diesen Ansprachen, das über dieses quasi Normalthema Menschenrechte oder noch grundsätzlicher Menschenwürde hinausgeht. Dazu gehört die lobende Erwähnung des Engagements des jordanischen Königshauses im Bereich des Dialogs zwischen den monotheistischen Religionen, aber noch viel mehr eine positive Aussage über die Unterschiede der Menschen, die eher muslimisch als christlich anmutet: also quasi offensichtlich eingestuft wird, ist das Verlangen aller Völker nach Frieden. Insgesamt werden die Übereinstimmungen zwischen Christen und Muslimen direkt und indirekt als groß eingestuft (ib.): „They ‚i. e. Muslims and Christians‘ agree further that the Creator has also revealed a way of life, based upon what you rightly call ‚fundamental human values and norms‘ which have their origin in God himself. (…) For Islam and Christianity, human life is a sacred and inviolable reality, since it has its origin and destiny in God himself. Therefore, it is never possible to invoke peace and despise life, a contradiction found all too often within human societies and human hearts.“ An dieser Stelle sei auch auf zwei interessante Zusammenfassungen päpstlicher Stellungnahmen hingewiesen, die, obwohl älteren Datums, eigentlich schon alles angelegt zeigen. Aus der Perspektive der Reden, die sich an Katholiken wenden, ist dies Kayitakibga, Médard, Chrétiens et Musulmans aujourd’hui face à face, BSNC62 (1985), p. 192–204. Deutlich wird hier der große Optimismus des Papstes, der die Kritik selbst ernannter Realisten herausfordert, die die Intoleranz und Aggressivität des Islam zu betonen pflegen. Dem hält der Schreiber entgegen (p.204): „Le Pape est mieux placé que quiconque pour savoir tout ce que les catholiques souffrent dans certains pays à cause de l’Islam. Il se place dans son rôle de pasteur qui, à temps et à contre temps, anonce l’Evangile“. Das Gegenstück dazu, Michel, Pope John Paul II’s Teaching about Islam in His Addresses to Muslims, betont ergänzend, wie wichtig ihm gerade auch das Gebet für und mit den Muslimen ist und dass er sich, egal wen er vor sich hat, in seinen Aussagen immer gleich bleibt: „He does not have one message for Muslims and a contradictory teaching for Christians.“ (p. 184) Interessant ist auch St. Egidio Community, Rome – Italy: The Visit of the Grand Mufti of Syria to Rome (December 1985), BSNC 62 (1986), p, 218. Dort wird erwähnt, Johannes Paul II habe am Ende des Gespräches zu dem Gast gesagt: „I also read a passage of the Qu’ran every evening.“ 98 Vatican City: 27 May 2004, To the New Ambassadors (Suriname, Sri Lanka, Mali,­ Yemen, Zambia, Nigeria and Tunisia) to the Holy See (Extract), BPCDIR 118 (2005), p. 15; The New Ambassador of Pakistan Received by the Pope, Islamochristiana 11 (1985), p. 232–233 ist ein gutes Beispiel dafür, dass durchaus wahrgenommen wird, was der Papst bei solchen diplomatischen Gelegenheiten wie den traditionellen Neujahrsempfängen sagt, andererseits auch ein weiteres und frühes Beispiel dafür, wie sich Johannes Paul II gerade für die Religionsfreiheit und für die Unterscheidung des politischen und des religiösen Bereichs einsetzte, vergleichbar im Einsatz für die Menschenrechte auch Bangladesh, The New Ambassador to the Holy See Received by John Paul II, Islamochristiana 12(1986), p. 196. Manchmal nimmt dieser Einsatz auch die Form der Forderung nach rechtlicher Gleichberechtigung aller unabhängig von ihrer Religion an, so Iraq, New Ambassador to the Holy See Presents Credentials, Islamochristiana 12 (1986), p. 209.

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„Les differences (…) manifestent au contraire la richesse et la grandeur de la nature humaine, créée par Dieu de telle sorte que tous ceux qui en participent forment une unique famille humaine.“99

Wo alle akkreditierten Diplomaten angesprochen sind, gibt Johannes Paul II auch einmal einen Einblick, wie wichtig in diesen auch anthropologischen Denk- und Argumentationszusammenhängen grundsätzliche naturrechtliche Vorstellungen sind: „Pour éviter de tomber dans le chaos deux exigences me semblent s’imposer. D’abord retrouver au sein des États et entre les États la valeur primordiale de la loi naturelle, qui a inspiré jadis le droit des gens et les premiers penseurs du droit international. Même si certains remettent aujourd’hui en question sa validité, je suis convaincu que ses principes généraux et universels sont toujours capables de faire mieux percevoir l’unité du genre humain et de favoriser le perfectionnement de la conscience des gouvernants comme des gouvernés. Ensuite l’action persévérante d’hommes d’États probes et désintéressés.“100 99 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  717, n.  911* (Sudan, wo es seit langem blutige Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen gibt), zu Pakistan s. p. 701, n. 895*, zu Jordanien s. p. 674, n. 868*, aber auch International Airport, Amman, Jordan: 20th March 2000, BPCDIR 104/105 (2000), p.  169 mit einem besonderen Lob für Royal Interfaith Institute und generell für die monotheistischen Religionen: „The three historical monotheistic religions count peace, goodness and respect for the human person among their­ highest values“ (s. beispielsweise Sua Altezza Reale Principe di Giordania El Hassan bin Talal/Elkann, Alain, Essere Musulmano, Milano 2001, sowie Wadi Al-Kharror, Jordan: 21 March 2000, To the People of Jordan, BPCDIR 104/105 (2000), p.  170 mit besonderen Grüßen an Prinz Mohammed). 100 Cité du Vatican: 13 janvier 2003, Au Corps Diplomatique accrédité près le Saint Siège à l’occasion de l’échange des Voeux du Nouvel An (Extrait), p. 19, vgl. a. Cité du Vatican: 7 octobre 2004, Aux Membres de la Commission théologique pontificale internationale (Extrait), BPCDIR 118 (2005), p. 30: „La conviction de l’Église a toujours été que Dieu a donné à l’homme la capacité de parvenir par la lumière de sa raison à la connaissance de vérités fondamentales sur sa vie et sur son destin, et de manière concrète, sur les normes d’une facon juste d’agir. Souligner devant nos contemporains cette possibilité est d’une grande importance pour le dialogue avec tous les hommes de bonne volonté et pour la coexistence aux niveaux les plus divers sur une base éthique commune.“ An dieser Stelle, die den Abschluss der Ausführungen zum Lehramt Johannes Pauls II bildet, sei ein letzter Hinweis zu dem Kapitel „Mohammed?“ in dem schon mehrfach erwähnten Buch „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“ erlaubt. Im Rahmen von positiven Rückbezügen auf Konzilstexte und eigene Erfahrungen betont Johannes Paul II doch sehr, der Islam sei eben im Gegensatz zum Christentum keine Erlösungsreligion, und das habe seine Auswirkungen: „Daher ist nicht nur die Theologie, sondern auch die Anthropologie des Islam sehr weit entfernt von der christlichen.“ (Johannes Paul II, S. 120) Das ist insofern erwähnenswert, als sonst in den ‚offiziellen‘ Aussagen die Konvergenzen und nicht die Divergenzen dominieren. Für die Rolle nicht nur von einzelnen Reden, sondern vom Wirken Johannes Pauls II insgesamt s. Akasheh, Khaled, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), BPCDIR 116/117 (2004), p. 198 f, der die Reisen des Papstes herausstreicht, die beiden Gebetstreffen in Assisi, die hier weniger berücksichtigt werden, weil sie multireligiös waren, und schließlich die Ablehnung des Papstes gegenüber dem Golfkrieg von

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4. Dokumente der Kurie 4.1. Das Sekretariat für die Nichtchristen – viel Rechtliches zwischen Menschen Unter den Dokumenten der Kurie ist zunächst dasjenige zur Haltung der katholischen Kirche gegenüber den Gläubigen anderer Religionen interessant, das noch vom damaligen Sekretariat für die Nichtchristen herausgegeben wurde (3.11.1988). Sein Schwerpunkt ist allerdings das Verhältnis von Dialog und Mission, von daher sind die konkreten Aussagen zu Muslimen sehr knapp und gehen über diejenigen des Konzils eigentlich nicht hinaus. Dafür ist das Kapitel zu Rassismus sehr deutlich oder zumindest durchsichtig. Da ist die Rede von diskriminierender Gesetzgebung gegenüber religiösen Minderheiten, sprich Einschränkung der bürgerlichen und religiösen Rechte  – ausdrücklich auch, wenn zwar Gastrecht, aber nicht Staatsbürgerschaft gewährt wird oder man bei einem Übertritt zum Christentum die Staatsbürgerschaft verliert – und von Bürgern zweiter Klasse in Bezug auf beispielsweise Arbeit im öffentlichen Dienst. Wörtlich heißt es unter der Unterüberschrift aktuelle Formen des Rassismus am Ende:

2003, die den Krieg selbst zwar nicht verhindern konnte, aber immerhin dessen Einschätzung als Religionskrieg. Interessant sind auch zwei muslimische Einschätzungen zu den Äußerungen von Papst Johannes Paul II, nämlich Ayoub, p. 169–184 und Abu-Rabi, Ibrahim M., John Paul II and Islam, in: Sharwin, Byron L./Kasimow, Harold (edd.), John Paul II and Interreligious Dialoguel Maryknoll 1999, p.185–204. Die beiden Einschätzungen weisen gleichzeitig große Übereinstimmungen und große Unterschiede auf: Die Dokumente und Reden, die zitiert werden, sind über weite Strecken dieselben, wie eben am Ende auch das oben genannte Buch mit seinen Einschätzungen, das beide als die eigentliche, persönliche Meinung des Papstes zum Thema nehmen. Es zeigt sich dabei, dass die vorherigen Einschätzungen, was Dialog sein sollte, wovon er ausgehen, wie er ablaufen und wohin er führen sollte, in hohem Maß beeinflussen, wie positiv oder negativ das Engagement des Papstes eingeschätzt wird.Während Abu-Rabi durchgängig versucht, die auch im Charakter durchaus verschiedenen Aussagen den verschiedenen Kontexten zuzuordnen und dabei großes Verständnis für Johannes Paul II als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zeigt, das eben trotzdem auch versucht, positiv auf die Muslime zuzugehen, ist bei Ayoub deutlich zu spüren, dass für ihn (wie übrigens für viele Muslime) Dialog Anerkennung als gleichwertiger Heilsweg (oder lieber noch als der bessere…) bedeutet. Auf diesem Hintergrund ist Johannes Paul II verständlicherweise noch viel zu katholisch, v. a. wenn er zu Katholiken in muslimischen Ländern spricht. Die beiden Beiträge im gleichen Buch können fast als Musterbeispiel dienen, wie groß das Einordnungs- und Bewertungssprektrum ist, je nach eingenommenem Standpunkt. Das Buch selbst bietet in seinem ersten Teil einen guten Überblick über Aussagen von Johannes Paul II nicht nur zum christlich-muslimischen Dialog, sondern überhaupt zum interreligiösen Dialog und seinen Feldern, ein Überblick, der zwar längst nicht so umfassend ist wie der hier herangezogene, dafür leichter zugänglich (da thematisch und nicht chronologisch geordnet) für den, der sich einfach einen grundsätzlichen Überblick verschaffen möchte.

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Die theologischen Grundlagen für den Dialog mit Muslimen – das Lehramt 

„Dans ce contexte il faut aussi mentionner les situations dans lesquelles on impose à d’autres communautés, à l’intérieur d’un même pays, la propre loi religieuse avec ses conséquences pour la vie quotidienne, comme par exemple la sharia dans quelques Ètats à prédominance musulmane.“101

Erst nach diesem Einstieg erfolgt die anthropologische Rückbindung. Sie ist sehr grundsätzlicher Art, stellt also zunächst einmal fest, dass die christliche Lehre vom Menschen im Rückgriff auf und im Licht der biblischen Offenbarung entwickelt wurde, aber auch im ständigen Gegenüber zu den Hoffnungen und Erfahrungen der Völker. Es folgen die sattsam bekannten Aussagen über die durch Herkunft und Zukunft bedingte Gleichheit aller Menschen, aber auch immerhin die Feststellung, dass durchaus Unterschiede in den physischen, intellektuellen und sogar moralischen Fähigkeiten bestehen. Auch die anderen großen Religionen würden das so sehen. Dabei greift man auf Paul VI zurück, der behauptet hat, die Väterlichkeit Gottes habe die Brüderlichkeit der Menschen zur Folge. An anderer Stelle wird aber schon gesagt, dass nicht alle konkreten kulturellen und religiösen Werte immer in Übereinklang zu bringen sind. Aber auf der ganz grundlegenden Ebene wird auch eine weitgehende Übereinstimmung mit den Naturwissenschaften beschworen, jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich beide auf verschiedenen Ebenen mit dem Menschen befassen und die Naturwissenschaften gerade zur Bestimmung des Menschen oder zu moralischen Regeln nichts sagen können. Insgesamt wird die Übereinstimmung als so groß gesehen, dass man gemeinsam Deklarationen, Konventionen und internationale Verträge beispielsweise zum Schutz der Menschenrechte ausarbeiten könne. Es wird ein zweigleisiges Vorgehen vorgeschlagen: sowohl auf der Ebene des Herzens, also der inneren Überzeugungen, als auch auf der Ebene der Gesetze. Ziel ist es, auf demokratischem Weg zur Übereinstimmung von Recht und moralischem Gesetz zu kommen, wobei in einem Staat unbedingt gleiches Recht für alle gelten sollte und religiöse Minderheiten ihre religiösen Eigenheiten wahren können sollten. An anderer Stelle wird auch die Wichtigkeit des interreligiösen Dialogs für das Erreichen dieses Ziels genannt, und dass die lokalen Kirchen sich auch dann für die Rechte von Minderheiten einsetzen sollten, wenn sie nicht selbst betroffen seien. Der Respekt vor den Menschen wird ausdrücklich als Respekt vor deren Grundrechten, Würde und grundsätzlicher Gleichheit gesehen. 101 Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux, p.  769, n.  876, zur weiteren Argumentation s. p.  768–772, n.  874–879, p.  810, n.  955, p.  815–816, n.  968–970, zu den Muslimen explizit s. ib., p. 757, n. 839. Interessant sind auch eine Liste der Hindernisse des Dialogs p. ­818–819, n. 975–976 (angefangen damit, dass Dialog schon allein auf zwischenmensclicher Ebene nicht einfach ist), die Ausssagen zur ökumenischen Zusammenarbeit im interreligiösen Dialog p. 838–839, n. 1016 und die Aussagen zur ökumenischen und interreligiösen Zusammenarbeit im Bereich der Massenmedien p. 773–777, n. 880–893. Von ähnlich eher konkretem denn grundsätzlich anthropologischen Interesse sind die juristischen Abestimmungen für Mischehen s. ib. p. 854–856, n. 1033 und p. 858–861, n. 1039.

Dokumente der Kurie

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4.2. Dominus Iesus: ja nicht mehr als menschlich gleichwertig Erwähnt werden soll hier auch Dominus Iesus, das als Dokument der Glaubenskongregation seinen Schwerpunkt allerdings im Bereich der Theologie der Religionen hat und die Anthropologie nur streift. Von Adressat und Gedankenführung ist es eher ein Dokument von – je nach Standpunkt – Rückbesinnung auf den eigenen Standpunkt oder der Abgrenzung von anderen und damit und von Diktion und Stil her deutlich undialogisch und somit im Bruch mit den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils, auch wenn diese inhaltlich korrekt und beständig zitiert werden. Es kritisiert z. B. auch, dass im interreligiösen Dialog so oft einseitig dem Thema der Schöpfung der Vorzug gegeben werde gegenüber dem christologischen Thema der Erlösung – Ersteres ist eben viel eher konsensfähig, während bei Letzterem das spezifisch christliche Zeugnis zum Tragen kommt, um das es dem Dokument in aller Deutlichkeit geht. Der Gesamteindruck ist gerade nicht mehr der eines allgemein klaren eigenen Standpunktes, von dem man souverän und offen auf andere zugehen und Gemeinsamkeiten suchen kann, wie dies die neue Bewegung des Zweiten Vatikanums gewesen war, sondern dieselben Aussagen und Standpunkte erscheinen als unsicher geworden, umkämpft durch die Entwicklung, die sie ausgelöst, die sie genommen haben. Von Vorreiterpositionen scheinen sie zu Verteidigungsbastionen geworden zu sein und dies ist die eigentlich negative Konnotation für den interreligiösen (wie übrigens auch innerökumenischen) Dialog. Wenn auch vergleichsweise abgeschwächt ist diese Tendenz, dass an und für sich Positives oder Selbstverständliches eine negative, abwehrende Konnotation bekommt, auch in dem konkretesten Satz zur Anthropologie im interreligiösen Dialog zu spüren: „Die Parität, die Voraussetzung für den Dialog ist, bezieht sich auf die gleiche personale Würde der Partner, nicht auf die Lehrinhalte und noch weniger auf Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes, im Vergleich zu den Gründern anderer Religionen.“102 102 Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Dominus Iesus, Über die Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, hrsg. v. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 148, Bonn 2000, S. 31, s.a. S. 26 f, in: KonradAdenauer-Stiftung e. V. (Hrsg.), Vatikan und Ökumene, Die Debatte über die vatikanische Erklärung „Dominus Iesus“, Sankt Augustin 2000. Diese Dokumentation bietet den Wortlaut der Erklärung, aber eben auch einen Überblick über Stellungnahmen und Kommentare dazu, so zitiert sie eine interessante Äußerung von Kardinal Franz König, dies sei eines der Dokumente „von Theologen für Theologen“ (König: Streit um Vatikandokument ein „Sprachproblem“, http://www.kna.de/kna/dienste/bsptxt/7tdw.h), eine faktische Distanzierung von Bischof Karl Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, was christlich-muslimischen Dialog und Evangelisierungsbestrebungen angeht und eine interessante indirekte Frage von seiner Seite: „So muss man sich fragen, wie weit die Glaubenskongregation in Rom bei der For-

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Die theologischen Grundlagen für den Dialog mit Muslimen – das Lehramt 

4.3. Und zum Abschluss wieder Menschenrechte Als ein sehr wichtiges Dokument der Kurie speziell im Blick auf die Muslime und den christlich-muslimischen Dialog gilt dagegen Erga Migrantes Caritas Christi, das ein eigenes Kapitel zu muslimischen Migranten hat. Unter gemeinsamen, verbindenden Werten ist allen voran der Glaube an einen Schöpfer zu verbuchen, ebenso gemeinsame religiöse Praktiken oder der Einsatz für gemeinsame Ziele. Dann jedoch kommt das große Aber der Menschenrechte im Gegenüber zu islamischen Rechtsvorstellungen, die, und das wird später ausgeführt, öfter kollidieren. „Beside these points of agreement there are, however, also divergences, some of which have to do with legitimate acquisitions of modern life and thought. Thinking in particular of human rights, we hope that there will be, on the part of our Muslim brothers and sisters, a growing awareness that fundamental liberties, the inviolable rights of the person, the equal dignity of man and woman, the democratic principle of goverment and the healthy lay character of the State are principles that cannot be surrendered. It will likewise be necessary to reach harmony between the vision of faith and the just autonomy of creation.“103 mulierung des Dokuments mit dem Rat für das Gespräch mit den nichtchristlichen Religionen oder dem päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen mit Bischof ­Walter Kasper zusammengearbeitet hat“ (Höher, Sabine/Siebenmorgen, Peter, Wem gehört Jesus, ­Bischof Lehmann?, Welt am Sonntag (10.9.2000)) oder einen Verweis auf den konträren Standpunkt von Perry Schmidt-Leukel (Geyer, Christian, Ringparabel, Frankfurter Allgemeine Zeitung (6.9.2000)). 103 Vatican Coucil for the Pastoral Care of Migrants and Itinerant People, Instruction Erga Migrantes Caritas Christi (The Love of Christ towards Migrants), Vatican City 2004, p. 44, s. a. p. 45. Ebenfalls interessant sind die Ausführungen zu Migranten und Religion generell p. 41–42, die beispielsweise betonen, Christen sollten Hilfestellungen leisten, eine transzendente Sicht des Menschen zu bewahren. Die Ausführungen zu interreligiösem Dialog als solchem p. 45–46 sind in ihrer Ausrichtung (gerade nicht Einverständnis und ‚Frieden‘ um jeden Preis) interessant, während p. 42–43, direkt vor den Ausführungen zu den Muslimen, vier grundsätzlich wichtige Punkte benennt: Soziale Einrichtungen soll man teilen, gottesdienstliche Stätten gerade nicht, um Missverständnissen vorzubeugen. In katholischen Schulen sollte, wenn gewünscht, Rücksicht auf äußere Regelungen (z. B. Speisegebote) genommen werden und kein Zwang ausgeübt werden, an religiösen Handlungen teilzunehmen, nicht jedoch auf den Religionsunterricht und die generelle Ausrichtung verzichtet werden. Von interreligiösen Ehen sollte, wenn auch je nach Religion in unterschiedlichem Maße (dies wird leider nicht genau ausgeführt, doch geben die im Text zitierten Aussagen der nächsten Seiten zu denken), generell abgeraten werden. Der letzte Punkt ist der der Gegenseitigkeit, gerade was die Haltung Minderheiten gegenüber angeht und der Gerechtigkeit in juristischen und religiösen Angelegenheiten, ja überhaupt des gegenseitigen Respekts: „Reciprocity is also an attitude of heart and spirit that enables us to live together everywhere with equal rights and duties.“ (p. 43) Sehr deutlich wird dieser Aspekt der Gegenseitigkeit auch, als Johannes Paul II im Rahmen einer Generalaudienz den Muslimen zur Einweihung der Moschee in Rom gratuliert: „This event is an eloquent sign of the religious freedom recognized here for every believer. And it is significant that in Rome, the centre of

Dokumente der Kurie

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Unmittelbar danach werden die bitteren Erfahrungen mit christlich-muslimi­ schen Mischehen angesprochen, bei denen häufig ehe schwächsten Mitglieder einer muslimischen Familie, die Ehefrauen, noch um die Rechte gebracht werden, die sie haben – ganz zu schweigen von denen, die sie gewohnt sind – bis hin zum unwissentlichen Unterschreiben oder Aussprechen des islamischen Glaubensbekenntnisses. Das nächste Problem sei die Taufe der Kinder, da auch da beide Religionen in diametralem Gegensatz zueinander stehen. Analoges gilt für Taufe und Übertritt von erwachsenen Muslimen. Diese Problematik war, wie sich gezeigt hat, schon wiederholt angesprochen worden, nur nie so deutlich und mit solcher Breitenwirkung wie in diesem Dokument und das nach Jahrzehnten intensiver Dialogbemühungen. Insgesamt schält sich heraus, dass Christen wie Muslime betonen, dass der Mensch von Gott geschaffen ist und dereinst von diesem Gott auferweckt und gerichtet werden wird und dass Gott damit für das Leben des Menschen und dessen Ausrichtung die entscheidende Rolle spielt. Was dies aber im Einzelnen für den Menschen als Mann und Frau und in den sonstigen Details seines Lebens bedeutet, wie genau die Würde und die Rechte des Menschen beziehungsweise die Ansprüche an ihn aussehen, darin gibt es offensichtlich zwischen Christen und Muslimen Differenzen, die nicht zu unterschätzen sind und über ihre Spiegelung in kirchlichen Dokumenten hinaus genauerer Untersuchung bedürfen, die sich auf das konkrete Gegenüber der Dialoge bezieht, die vielleicht im Detail auch noch andere Schwerpunkte setzen als den der Menschenrechte, der sich am Ende dieses Grundlagenkapitels unweigerlich aufdrängt.

Christianity and the See of Peter’s Successor, Muslims should have their own place of worship with full respect for their freedom of conscience. On a significant occasion like this, it is un­ fortunately necessary to point out that in some Islamic countries similar signs of the recognition of religious freedom are lacking. And yet the world, on the threshold of the third millenium, is waiting for these signs!“ (The Inauguration of the Mosque in Rome (21 June 1995), Islamochristiana 21 (1995), p. 177).

Die Veröffentlichungen

Das Sekretariat für die Nichtchristen trat zunächst öffentlich v. a. durch die Publikation diverser Schriften auf, die unter anderem auch den Islam betrafen.1 1 S. Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Recognize the Spiritual Bonds which Unite Us, 16 Years of Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 1994, p. 48–54, dem Kapitel „PCID and Dialogue“, das einen Kurzüberblick über die Arbeit des Sekretariats gibt, aufgeteilt nach den jeweiligen Präsidenten (mit einem Unterkapitel zu regionalen Dialogen), wobei der Abschnitt „Letters for Id al-Fitr“ am Ende fast genau so viel Platz einnimmt wie die gesamte Geschichte des Sekretariats bzw. Päpstlichen Rats. Nimmt man hinzu, dass die Jahre unter der Leitung von Kardinal Marella (1965–1973), also knapp das erste Jahrzehnt der Existenz des Sekretariats, nur dieser schriftlichen Arbeit gewidmet waren, so erkennt man schon allein daraus eine sehr deutliche Schwerpunktsetzung, die eine bewusste Entscheidung war, die unter dem Beraterstab auch Gegner hatte (so Rossano, Pietro, The Secretariat for Non-Christian­ Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems, BSNC 41/42 (1979), p. 92 f, wo er von dem Treffen der Berater am 28.–30.4.1965 berichtet) und die das vatikanische Sekretariat für die Nichtchristen von den entsprechenden Strukturen des Ökumenischen Rats der Kirchen, bei dem solche Grundlagendokumente wenn überhaupt dann Produkte nach dem eigentlichen Dialog waren, unterscheidet, s. Sperber, Jutta, Christians and Muslims, The Dialogue Activities of the World Council of Churches and their Theological Foundation, Berlin/New York 2000 (Theological Dissertation Augustana- Hochschule Neuendettelsau 1996), p. 73–74. Diese Publikation des Sekretariats selbst hat historisch und ökumenisch gesehen umfassenden, aber auch populären Charakter, der sich durch eine Mischung aus informativem fortlaufendem Text, eingestreuten Originalzitaten und vielen Bildern auszeichnet. Letztere sind in gewissem Sinn das Charakteristikum dieses Heftes, der Teil der Dokumentation, der in dieser eindrucksvollen Fülle nicht anderswo ausführlicher oder genauer zu finden ist. Die Bilder sprechen sicherlich eine ganz eigene und sehr bedeutsame Sprache und erinnern nachdrücklich daran, dass vieles, was hier in dieser Studie vom Wort her aufgearbeitet wird, auch und vielleicht oft zuerst ganz handgreifliche menschliche Begegnung war. Auch die Ebene des Bildes ist eine wichtige anthropologische Ebene und Dimension, doch eine, die den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, weshalb dieser Band hier zwar textlich herangezogen wird, wo er andere Quellen sinnvoll ergänzt, aber nicht selbst zum (Unter)Thema wird. Bezeichnenderweise wird er auch in einer Publikationsliste, die sich ausdrücklich an Fachpublikum wendet wie die Vollversammlung des Rats nicht genannt, obwohl er doch noch sehr aktuell ist und gerne weitergegeben wird, s. Akasheh, Khaled, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), BPCDIR 116/117 (2004), p.  203–204. Die Idee dazu war offensichtlich bei der Vollversammlung entstanden, so zunächst Michel, Thomas, P. C. I. D. Dialogue with Muslims since the Last Plenary, BPCDIR 82 (1993), p. 45: „It was felt that a timely project might be the preparation of a book on the efforts at dialogue between the Catholic Church and Muslims in the past 15–20 years.“ Im Schlussbericht zur Diskussion F[itzgerald], M[ichael] L[ouis], Final Discussion of the Plenary Assembly, BPCDIR 82 (1993), p. 89 liest sich das so: „It would be useful to have a book on the dialogue which has been carried out by the Catholic Church with Muslims during the last fifteen years. This could be an illustrated volume, with some of the most significant texts.“ Anders und doch ähnlich verhält es sich mit dem Band Fitzgerald, Michael L[ouis]/Borelli, John (edd.), Interfaith Dialogue, A Catholic View, London/Maryknoll

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Die Veröffentlichungen

Dies war ein bewusster Schritt vor jeglichem Dialog und verdient als solcher auch eine eigenständige Würdigung, sprich ein eigenes Kapitel. Dieses Kapitel wird eine Bewegung von innen nach außen verfolgen, was die Präsentation dieser Schriften angeht. Dies bezieht sich vor allem auf den Kreis, für den diese Schriften bestimmt waren. Zunächst möchte ich kurz auf diese Vorgehensweise an sich eingehen und darauf, wie sie reflektiert wurde. Den engsten Kreis bilden die Publikationen der Commission pour les Relations Religieuses avec les Musulmans. Diese Kommission wurde 1974 von Papst Paul VI zur Unterstützung des Sekretariats ins Leben gerufen. Ihr gehören, für einen Zeitraum von jeweils fünf Jahren, Berater aus allen fünf Kontinenten an, die bald die Aufgabe zugewiesen bekamen, bestimmte Themen zu erarbeiten, die gerade als wichtig erschienen. Diese Ausarbeitungen wurden auch publiziert, allerdings auf völlig unterschiedliche Weise. Wenn sich eine eigene Publikation nicht lohnte, wurden sie im hauseigenen Bulle­tin veröffentlicht, sonst als Buch oder eher noch als eine Art von Broschüren, die eindeutig in den Bereich der ‚grauen‘ Literatur fallen. Diese Veröffentlichungen nehmen hier den zweiten Platz ein, weil sie sich insgesamt mehr oder weniger deutlich an ein internes Publikum von kirchlichen Entscheidungsträgern wenden und nicht an die große Öffentlichkeit. Da ihre Themen häufig nach wie vor sehr aktuell sind (beispielsweise Gewalt, Politik oder Religionsfreiheit) und mit großer Sorgfalt und Internationalität behandelt werden, nehmen sie auch hier den Löwenanteil der Darstellung ein. An ein größeres katholisches Publikum wenden sich die Einführungen in den christlich-muslimischen Dialog, zunächst die französischen Orientations pour un dialogue entre chrétiens et musulmans, die sehr schnell vergriffen waren, nach zehn Jahren und auch etlicher praktischer Dialogerfahrung die englische Überarbeitung, Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims. In eine ähnliche Richtung geht der Band Religions  – Thémes fondamentaux pour une connaissance dialogique, allerdings ist der Islam 2006. Auch wenn Erzbischof Kevin McDonald in seinem Vorwort (p. vii) betont: „What Arch­ bishop Michael offers is an authoritative voice in an area that is crucially important but also sensitive and delicate“, so ist der Band aber trotzdem keine offizielle Veröffentlichung des Sekretariats und wird deshalb hier nicht in seiner Gesamtheit berücksichtigt, sondern nur, insoweit er an bestimmten Stellen als Ergänzung und Bestätigung relevant ist. Als sehr umfassender, dabei nicht überladener, gut verständlicher und sehr ausgewogener Überblick kann er zur Lektüre nur empfohlen werden. Besonders hilfreich ist der Anhang The PCID: A Vatican Structure for Dialogue (p. 239–241), der auch kurz und inhaltsreich auf die Arbeit der Commission for Religious Relations with Muslims eingeht. Erwähnt werden soll hier auch, dass es schon weitere wichtige Publikationen des Sekretariats gibt, die aber nicht auf den Islam zugeschnitten sind und deshalb hier trotz ihrer allgemeinen Wichtigkeit keine Aufnahme gefunden haben, z. B. das Dokument zum Verhältnis von Dialog und Mission (deutscher Titel: Die Haltung der Kirche gegenüber den Anhängern anderer Religionen), obwohl diesem Thema die Bulletin-Ausgabe BSNC 56 (1984) gewidmet ist mit dem Dokument in insgesamt sechs Sprachen, darunter auch arabisch. Dies hatte seinen Grund vermutlich darin, dass Mission eines der Reizthemen im Bezug auf Islam ist, was aber von islamischer Seite eine theologische und nicht eigentlich anthropologische Begründung hat.

Die Anfänge der Arbeit des Sekretariats

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darin nur ein Teilbereich. Dieser Band ging auf Anregungen von außen zurück und sollte als wissenschaftlicher Schlüssel für Stellungnahmen zum Dialog und zu einzelnen Religionen dienen und ist besonders interessant für unser Thema, weil er eine ausgesprochen anthropologische Einleitung hat. Auch das Büchlein­ Religions in the World geht auf Anregungen von außen zurück und besitzt nur ein Islamkapitel. Seine Besonderheit ist, dass es von international arbeitenden Organsiationen gewünscht worden war, die eher populäre Informationen über die Weltreligionen haben wollten. Somit richtet es sich an einen außerkirchlichen Leserkreis. Das Büchlein Chiesa e islam dagegen wurde zu Beginn des Pontifikates von Johannes Paul II veröffentlicht und soll, da seine durchgängigste Sprache Arabisch ist, offensichtlich Muslimen die bis dahin wegweisenden Texte aus dem Bereich der katholischen Kirche zum Islam darlegen. Auch an die Muslime wendet sich ­Meeting in Friendship (hier in der erweiterten und aktualisierten Version von 2002 zitiert), denn es ist schlicht eine Anthologie sämtlicher bis dahin versandter Ramadanbotschaften. Den Abschluss dieses Kapitels bildet schließlich ein Frage­bogen zum Thema Mensch oder vielmehr die Antworten aus unterschiedlichen Reli­gionen, die zwar nicht als eigenes Buch, wohl aber als Band des hauseigenen Bulle­tins veröffentlicht wurden und sozusagen der christlichen Fortbildung dienen sollten. Zwei Antworten kamen auch aus dem muslimischen Bereich und sind für eine anthropologische Fragestellung sehr interessant.

1. Die Anfänge der Arbeit des Sekretariats Die Publikationen über die Anfänge der Arbeit des Sekretariats sind leider nicht allzu aussagekräftig.2 Man nahm, so im Rückblick ein späterer Sekretär, Pietro Rossano, Bezug auf die schon vorhandenen Konzilsdokumente und päpstlichen 2 Es existiert in der nicht öffentlich zugänglichen Bibliothek des heutigen Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog ein Dokument „Notes sur l’organisation et les règles d’action du Secrétariat“, das aber ausdrücklich als für den internen Gebrauch bestimmt gekennzeichnet ist. So kann ich mich in der folgenden Darstellung nur auf die oben schon genannte Darstellung von Rossano aus dem Jahr 1979 beziehen (p. 88–109), die ursprünglich auch für eine interne Veranstaltung geschrieben war, aber eben später publiziert wurde. Ergänzend sei noch hingewiesen auf den Nachruf auf den ersten Sekretär, P. Pierre Humbertclaude, und damit die ersten zehn Jahre des Sekretariats, s. Pedretti, G., À la mémoire du P. Pierre Humbertclaude. S. M. (1899–1984), BSNC 55 (1984), p. 114–115. Eine leicht anderes Bild gibt der spätere Sekretär und Präsident, Erzbischof Michael Fitzgerald, so Fitzgerald, M[ichael] L[ouis], The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, Islamochristiana 1 (1975), p. 91: „1974 saw a change in policy, perhaps inspired by the new President, Cardinal Pignedoli, but also determined by the development of new structures of dialogue. In the last ten years 25 Commissions for Dialogue have arisen in all the Episcopal Conferences of the world. Rather than hold a general assembly of its consultors the Secretariat decided to go out into the field.“ Auf p. 90 schreibt er über die Anfänge: „It was felt that, before enganging directly in dialogue with Muslims, there was a need to help Christians to reflect on the documents of the Vatican Council and upon their im-

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Die Veröffentlichungen

Stellungnahmen, wobei die Linie im Rückblick bereits bis zur Enzyklika Redemptor Hominis von Johannes Paul II ausgezogen wird mit ihrer Ansicht, Bekehrung würde die persönliche Identität nur vertiefen und nichts zerstören. Das allein zeigt schon, dass es sich nicht um eine wirklich authentische Stimme aus den ersten Anfängen handelt. Nach der Präsentation Rossanos versteht sich das Sekretariat als das äußere Zeichen für das Interesse der Kirche an den Anhängern anderer religiöser Tradi­ tionen. Das wird konkret in drei Bereichen: dem von freundlichen Beziehungen, Kommunikation und Dialog nach außen, nach innen in der Aufgabe, in der Kirche Interesse dafür zu wecken, Wissen zu vermitteln3 und Kommunikation und Dialoge anzustoßen. Dieser Punkt ist insoweit wichtig, als er die Autorität der Ortskirchen4 respektiert und auch die ökumenische Zusammenarbeit fördern will. Der letzte Bereich ist die Frage nach der Inkulturation. Konkret wurde das zunächst durch die Wahl von Beratern und ein erstes Zusammentreffen mit ihnen während ihrer Anwesenheit in Rom für die dritte Sitzungsperiode des Konzils. Daraus kann man schließen, dass es sich um Bischöfe handelte. Offensichtlich herrschte großer Enthusiasmus, aber auch große Unklarheit. Schon der Dialog und besonders sein (möglichst für Nichtchristen akzeptables) Ziel waren unklar. Man hatte die neue Anthropologie und Ekklesiologie des Konzils, auch den klaren Willen von Papst Paul VI, aber auch nicht mehr. In dieser Situation machte Kardinal Marella den Konzilsvätern den Vorschlag von Kontakten auf der menschlichen Ebene. Intern war man sehr vorsichtig, was besonders die Kongregation de Propaganda Fidei betraf. Man wolle tätig werden, wo deren Aufgabe juristisch oder faktisch nicht zu erfüllen sei, was wieder deutlich machte, wie wenig Dialog noch definiert bzw. abgegrenzt ist, ganz im Gegenteil. Was haben Christen plications. A new spirit was to be created which could have practical consequences, for instance in the way in which Islam is described in books written by Christians. Thus, while encouraging contacts at local level, the Secretariat did not feel called to organize official meetings b ­ etween Christians and Muslims. It preferred to concentrate more on sensitizing Christians to the need for dialogue and the ways in which it could be prepared.“ Was die grundsätzliche Methode angeht, sich sozusagen an der Basis rückzuversichern, so wird sie auch später noch gehandhabt, auch wenn ihre Ergebnisse nicht mehr so greifbar werden, s. dazu Arinze, Francis A., Prospects of Evangelization, with Reference to the Areas of the non Christian Religions, Twenty ­Years after Vatican II, BSNC 59 (1985), p. 138–140. Ansonsten ist es interessant, dass er von großen Schwierigkeiten auf dem Weg zum interreligiösen Dialog (allein das schon bezeichnend!) spricht. 3 Man machte sich auch später noch ganz konkret Gedanken, wer wie welche Leute für den Dialog vorbereiten sollte, gerade für den zwischen Christen und Muslimen, so ein Vortrag beim großen Treffen des Sekretariats vom 26.–28.9.1971 in Paris mit Beratern und Fachleuten: Gelot J[oseph], Education des chrétiens en vue du dialogue, BSNC 20 (1972), p. 63–68. 4 Die Vorstellung hinter dieser Betonung der Bischöfe ist offensichtlich, dass nur die perfekte Disziplin die Einheit aller in der Kirche garantiert, und diese sei gerade gegenüber den Nichtchristen nötig, was man ja im Blick z. B. auf die koranische Polemik gegenüber den Christen, die allerdings nicht genannt wird, verstehen könnte, auch wenn das Problem der verschiedenen Konfessionen mit der internen Disziplin längst nicht gelöst ist.

Die Anfänge der Arbeit des Sekretariats

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und Nichtchristen gemeinsam, was können die Christen von den anderen lernen? Hier kommt schon die universale menschliche Brüderlichkeit als Basis des Dialogs ins Spiel, der gemeinsame Zweck, den Schöpfer zu lieben und ihm zu dienen, außerdem Naturrecht, Spuren einer primitiven Offenbarung und die Gnade Gottes, die Gott Menschen guten Willens nicht versagt.5 Eigene Mitglieder braucht man nicht, denn die Bischöfe der Missionsländer sind sozusagen geborene Mitglieder. Großes Vorbild ist der Papst, also zunächst Paul VI, der auf die gemeinsamen geistlichen und ethischen Werte hinweist und zu mehr Zusammenarbeit auffordert. Obwohl es aus dem Kreis der Berater6 offensichtlich auch 5 Es ist sowohl ein Einfluss genereller katholischer Naturrechtsvorstellungen als auch konkreter religionstheologischer Konzepte spürbar, So meinte Pietro Rossano beispielsweise: „some consider the religions (…) as the natural expression of the genius of the peoples­ (Daniélou)“ (Exposition from the Catholic Point of View, BSNC 17 (1971), p. 105). Immer wieder kommt das Stufenmodell durch, das die katholische Kirche und ihre Lehre sozusagen an der Spitze von Wahrheit und Vollkommenheit sieht, die für den Menschen erreichbar und damit erstrebenswert sind. Der auch missionarische Impetus bezieht daher seine innere Logik. 6 Was die tatsächliche Rolle der Berater angeht, so ist sie, wie an verschiedenen anderen Stellen ausgeführt, in verschiedenen Arbeitsphasen durchaus unterschiedlich, die Aufgabe als solche und die Kontakte werden aber in jedem Fall ernst genommen, so beispielsweise M ­ achado, Felix [Anthony], Bangalore – India: Report: Asian Consultors and/or Secretaries of the National Episcopal Dialogue Commissions from Asia, 5–8 July 1998, BPCDIR 99 (1998), p. 345/6: „It is the practice of the PCID to meet with its Consultors on the continental level, at least once in their five-year mandate, to reflect on the theme of /p. 346 interreligious dialogue, taking into account the specific concerns relevant to each particular situation.“ Noch grundlegender und gewichtiger ist die Einschätzung von Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, p. 91: „The Secretariat has always held regular meetings of its consultors. These have enabled study to be made of fundamental points concerning dialogue, and also have provided the Secretariat with information on the way dialogue is progressing in various parts of the world. The consultors also made practical recommendations to the Secretariat. For instance, at the Paris meeting of September 1971, the section on Islam recommended that greater efforts be made to make Christians aware of the need for dialogue. It expressed the wish that each episcopal conference would appoint a bishop to take charge of dialogue. It insisted that care should be taken in catechisms to explain relations with Muslims in a positive manner. It hoped that more people would be prepared for a dialogue with Muslims and that there would be greater colla­ boration in this line with other Churches and Christian confessions.“ In eine ähnliche Richtung geht auch Fitzgerald, Michael L[ouis], Report on the Activities of the PCID: November 1998–October 2001, BPCDIR 109 (2002), p. 73, die noch dazu darauf eingeht, dass man versucht, auch eine gewisse Repräsentanz zu wahren, was Religionen angeht, aber auch Geographie und Positionen von mehr akademischen bis zu sehr praktischen, und dass man darauf achtet, immer auch einige der Berater zur Hand, will sagen, vor Ort in Rom zu haben. Auch geht er p. 92–95 sehr ausführlich auf die Publikationen ein, bis in Details zum Aufbau des hauseigenen Bulletins: Ausschnitte aus päpstlichen Reden und Stellungnahmen, Artikel in der Regel von Mitarbeitern und Beratern, substantiell, ohne zu spezialisiert zu sein, darunter normalerweise alle Vorträge, die bei Treffen mit den Beratern gehalten werden, Berichte von verschiedensten Dialogen weltweit und schließlich bibliographische Informationen. In einem noch etwas späteren Text bedankt Fitzgerald sich bei der Päpstlichen Gregoriana-Universität für die gute Zusammenarbeit und Beratung im Bereich des interreligiösen Dialogs durch die Dozenten,

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andere Forderungen gibt, will man nicht gleich eine interreligiöse Tagung zu den Themen Gerechtigkeit und Wahrheit, Freiheit und Frieden organisieren und sich einerseits mehr für die Umstände und besonders die Anfragen der Bischöfe offen halten, andererseits die eigene ideologische Basis ausbauen, sprich auf der Basis von Bibel, Kirchenvätern und Konzil die Stellung der Nichtchristen vor Gott klären. 1967 gab es eine eigens für Islam7 zuständige Person, Vater Cuoq, der auch so Fitzgerald, Michael L[ouis], The Pontifical Gregorian University and Interreligious Dialogue, BPCDIR 107 (2001), p. 247. 7 Für den Dialog mit Muslimen v. a. im Maghreb findet sich Aufschlussreiches bei Gelot, J[oseph], Education des chrétiens en vue du dialogue, BSNC 20 (1972), p. 63–68. Der Vortrag war anlässlich der Tagung des Sekretariats in Paris (26.–28.9.1971) mit Beratern und weiteren Spezialisten gehalten worden. Es wird deutlich, auch deutlich gesagt, dass der sogenannte professionnelle religiöse Dialog mit den Muslimen zumindest einen beträchtlichen Teil der Lebenszeit erfordert. Dann geht der Vortrag sehr kritisch auf die Rolle kirchlicher Instiutionen in ehemaligen Kolonien ein, die sich auf das nun fast rein muslimische Umfeld eben nicht eingestellt hätten, sondern ihre Dienste wie bisher anböten, sei es – implizit – einem kleineren Kreis, was die Gottesdienste betrifft, sei es – explizit – einer neuen, muslimischen Klientel, was beispielsweise Ausbildung und Schulen angeht. Sich mit dem Islam zu beschäftigen oder auch nicht bleibe praktisch der Anstrengung des Einzelnen überlassen. Besonders wichtig erscheint dem Autor die Vertrautheit sowohl mit dem religiös relevanten Hocharabischen als auch mit dem lokalen Dialekt, wofür er sogar einen relativ genauen Lehrplan vorlegt. Trotz alledem sei es aber sehr wichtig, die christliche Identität nicht zu verlieren: „Plus qu’on n’est parfois porté à le penser, les musulmans veulent avoir affaire à des gens qui craient à ce qu’ils sont.“ (p. 68) Was die Ausbildung weiterhin angeht, so sei z. B. auf einen Workshop zu interreligiösem Dialog und Konfliktlösung verwiesen, den der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog vom 24– 31.7.1999 für Teilnehmer aus verschiedenen afrikanischen Ländern in Nairobi organisierte. Es ging dabei auch um den Islam und christlich-muslimische Beziehungen in Afrika und es ging auch konkret darum, wie das Interreligious Dialogue Council zwischen Christen und Muslimen im Konflikt in Sierra Leone vermitteln konnte. Was die Breitenwirkung angeht, so sollten die Teilnehmer die Berichte über diesen Workshop an ihre Diözesen senden, gleichzeitig aber wurde auch betont, dass interreligiöser Dialog und Inkulturation unbedingt in die Seminarausbildung aufgenommen werden sollten – in dieser Hinsicht scheint sich also in über 30 Jahren noch nicht genug getan zu haben, gerade an Orten, wo es besonders nötig wäre. Interessant ist auch die Anmerkung zur Notwendigkeit, im Dialog mit den Muslimen die (ja wohl gemeinsame?) afrikanische Kultur zu berücksichtigen, was darauf schließen lässt, dass diese in einem gewissen Sinn doch noch prägender sein könnte als die religiöse Zugehörigkeit, wofür es ja auch sonst in hier genannten Dokumenten über Afrika, aber auch darüber hinaus Hinweise gibt; s. Nairobi, Kenya: Interreligious Dialogue Workshop Session, 24–31 July 1999, BPCDIR 102 (1999), p. 346–348. Der Bericht über einen anderen Workshop macht deutlich, dass die multikulturelle und multireligiöse Situation in Afrika auch nicht leicht ist und der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog weiterhin gefordert, was Hilfen für Aus- und Fortbildung angeht. Was den Islam angeht, so müssten außerdem noch Dialog des Lebens und Zusammenarbeit gefördert werden. Interessant ist ferner die Beobachtung, dass der Islam in Afrika die christliche Mission mit ihren Schulen, Krankenhäusern und anderen Wohlfahrtseinrichtungen nachahmt, während er dort, wo er in der Mehrheit ist (genannt werden als Beispiele Tschad und Senegal) mitunter Angst vor einer Ausbreitung des Christentums hat, so Isizoh, Chidi Denis, Yaoundé, Cameroon: Workshop on the „Challenges of Interreligious Dialogue in Sub-­Saharan Africa“, 20–25 March 2001, BPCDIR 107 (2001), p. 254 f. Auch in diese Richtung geht ein Projekt zum

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Reisen in muslimische Länder unternahm, und ab da gab es auch die jährlichen Ramadanbotschaften. Es ging aber klar darum, die Kirche den Nichtchristen bekannt zu machen. Richtige Treffen mit Nichtchristen gab es nicht oder nur in ersten Ansätzen. Das änderte sich unter der Präsidentschaft von Kardinal Pignedoli. Er drängte die Bischofskonferenzen, Dialogkommissionen oder zumindest -beauftragte zu ernennen und arbeitete ein eigenes Dialogprogramm aus: Die Überlegungen und Studien sollten fortgesetzt werden (de facto hörten die Publikationen aber auf), man sollte aber nicht nur das Wissen über die Nichtchristen vermehren, sondern auch die freundschaftlichen Beziehungen zu ihnen und die Gastfreundschaft für sie. Der Schwerpunkt des Dialogs soll aber lokal sein. Die ökumenische Zusammenarbeit war sehr gut und sehr groß, aber beim Dialog mit den Nichtchristen gab es doch ein Ungleichgewicht, was die Repräsentativität der Religionen und auch ihren Gegenwartsbezug betraf. Beides fehlte und spielte der katholischen Kirche nach eigener Überzeugung eine Vorreiterrolle im Dialog zu. In dieser Zeit wird auch Dialog genauer umrissen: Die Beteiligten sollten sich ihrer Identität bewusst und solide in ihr verankert sein. Es braucht umfassenden und ehrlichen Respekt vor dem anderen und seiner religiösen Identität. Es braucht Gegenseitigkeit und man muss sich der gemeinsamen Elemente bewusst sein, also der teilweisen Solidarität in der spirituellen Suche8 und in den religiösen Werten, und Beitrag Afrikas zum religiösen Erbe der Menschheit, ein gemeinsames Unternehmen des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog und des Ökumenischen Rats der Kirchen. Muslimische Erfahrungen kamen dabei auch vor, wenn allerdings mehr am Rande, und es wurde ausdrücklich gesagt, dass solche Workshops und Dialoge auch anderswo sinnvoll wären, was sicherlich richtig ist, wenn man sich allein auf anthropologischer Ebene Sachverhalte und Fragen wie diese vor Augen führt, mit den jeweils nötigen Abwandlungen: „Each person is in the ‚we are‘ kinship of biological, anthropological, sociological, psychological and historical realities. (…) What does it mean to be a human being in spiritual terms of humanity, in biological and anthropological terms, a citizen of any country or nationality?“ (Mbiti, John, Enugu, Nigeria: The Contributions of Africa to the Religious Heritage of the World; 8–13 January 2001, BPCDIR 107 (2001), p. 257, s.a. p. 255 f.259) – von so konkreten Fragen wie afrikanischen Sklaven in einigen Ländern der arabischen Welt einmal ganz abgesehen, die sowohl zu Nachfragen als auch zu konkretem Handeln herausfordern. Das Buch von Michael Louis Fitzgerald und John Borelli, Interfaith Dialogue, A Catholic View, London/Maryknoll 2006 bietet in seiner Einleitung mit den Rückblicken der beiden Protagonisten auf ihre jeweiligen Lebenswege im Bereich des interreligiösen Dialogs (p. 1–12 bzw. p. 13–24) zwei interessante und v. a. durchaus unterschiedliche Beispiele dafür, wie das konkret wurde, worüber sonst mehr allgemein und theoretisch geschrieben wurde. Ausbildung und Dialog werden auch als Weg gegen Angst um die eigene Identität und Fundamentalismus gesehen, so Machado, A Summary of Reports by the Members: Interreligious Dialogue Promoted by the Church, p.127. 8 Die Wichtigkeit des Gebets (in Kombination mit religionsübergreifender Arbeit für das Wohlergehen der Menschen und für Frieden und Harmonie in der Gesellschaft) wird später an prominenter Stelle genannt, gerade wieder nach dem 11. September, so Machado, Felix A[nthony], A Summary of Reports by the Members: Interreligious Dialogue Promoted by the Church, Pro Dialog 109 (2002), p. 126 f.

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man muss davon überzeugt sein (als Christ), dass der andere menschliche und religiöse Vollkommenheit nicht erreicht und das Evangelium seiner Suche entspricht. Man braucht Geduld für kleine Schritte (Auftauen, gegen­seitiges Wissen, Suche nach Gemeinsamkeiten, Mitteilen der eigenen Überzeugungen) und man muss sich des Unterschieds zwischen dem Evangelium selbst und seinem kulturellen Rahmen bewusst sein. Man darf nicht vergessen, dass das Evangelium selbst dialogisch ist, weil Christus es war. Und, last but not least, bedeutet Dialog, dass man nicht nur über religiöse Dinge spricht, sondern über das, woran die Menschen interessiert sind, aber in einem religiösen Licht. Davon kann man auch leichter zur konkreten Zusammenarbeit beispielsweise für Gerechtigkeit, Moralität und Frieden übergehen. So werden die Nichtchristen in ihren geistlichen Werten wachsen und die Christen ihre Grenzen, aber auch die Möglichkeiten ihres Glaubens kennenlernen. In einem Satz zusammengefasst: Dialog ist „a meeting with non-Christians motivated by love and by a spirit of service, sustained by  a sense of respect and solidarity, with the purpose both of listening to the other, understanding him in his spiritual journey, in his hopes and in his problems, and of helping him to know, appreciate and desire the message of Christ and to wish to share it in some way, and at the same time of broadening our own understanding of the message of Christ, and our way of accepting this message existentially so as to be able to express it in a better way.“9 Dialog ist also eine sehr persönliche Angelegenheit, eine Angelegenheit von Personen mit ihren gelebten Überzeugungen. Für die Christen ist, und hier wird es noch anthropologischer, der Dialog die Frucht einer Anthropologie, bei der der Mensch als Ebenbild Gottes und Gegenstand seiner Liebe im Mittelpunkt steht. Der Mensch braucht eine persönliche Beziehung zu Gott und zum Mitmenschen, um in vollkommener Weise Mensch zu sein. Über diese Anthropologie wird gesagt: „It is an anthropology in which the poles of man and revelation, reason and faith, religion and gospel, eros and agape are not resolved in antithesis nor in indifference or isolation, nor in equivalence and equality but in a profound and reciprocal relationship that finds its archetype in the perfective relationship existing between creation and redemption.“10 Oder, beides zusammengefasst, wenn auch in einem anderen Vortrag desselben Autors: „Dialogue is born from the conviction of the value of the subject as being essentially in relationship to God and to the other, as the depository of values and of experiences which can enrich me, as the object of a history of salvation and of a general revelation, as being gifted with an in­ alienable freedom which prevents me from considering him simply as the ‚object of mission‘.“11 Das Verhältnis von Schöpfung und Erlösung ist also entscheidend 9 Rossano, p. 102. 10 Ib., p. 103. 11 Rossano, Piero, Exposition from the Catholic Point of View, p. 104 (anlässlich des Treffens der Joint Working Group, 7.–12.6.1971). Nirgends sonst ist so knapp und präzise und da-

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wichtig für den Dialog. Weil der Mensch von Natur aus ein Hörer des Wortes sei (nach Rahner), macht dieser Dialog Sinn. Diese Grundstruktur und überhaupt seine Natur und auch spezielle Kultur machen den besonderen Wert jedes Menschen aus. Das Hauptproblem ist die Spannung zwischen Identität und Offenheit, zwischen Festigkeit und Flexibilität, zwischen einem universalistischen Sehnen und der göttlichen Bedeutung des Anderen. Der Christ sollte sich bewusst sein, dass er nicht alles weiß von den Wegen des Menschen zu Gott und von Gottes Umgangsweisen mit dem Menschen. Hierin ist er nicht vollkommen und kann sich vervollkommnen, was das Wissen und die Anwendung seines Glaubens angeht, von dem er nicht alle Facetten und Werte kennt. Schrift und Tradition hätten immer von einer Ökonomie der Weisheit und des Heils auch außerhalb Israels und der Kirche gesprochen. Allerdings distanziert man sich auch deutlich von einer pluralistischen Religionstheologie. Da dieser Aufsatz ein späteres Dokument ist, spricht er auch schon erste Phänomene der Desillusionierung an. Besonders schwierig ist der christlich-muslimische Dialog, bedingt durch vier Dinge: durch den juristischen Charakter des Islam, durch den auch bei sozialen Fragen immer gleich der status confessionis gegeben ist, durch die Ablehnung der historisch-kritischen Methode, durch die Überzeugung, von den Christen sowieso nichts lernen zu können, weil man sie kennt und besser ist, und durch den Mangel an Unterscheidung wischen geistlich und zeitlich, religiös und politisch. Hinzu kommt, dass Dialog zwar für die Christen die Akeptanz des Anderen und seiner Rechte einschließt, nicht aber für den Islam. Kann man Gegenseitigkeit fordern oder widerspricht das dem Evangelium? Wie sollte man auf islamische und andere Mission in christlichen Gebie­ ten reagieren?12 Neben diesen Fragen wurde auch die Möglichkeit angesprochen, bei doch umfassend die Anthropologie zusammengefasst, die dem Dialog mit Menschen anderen Glaubens auf Seiten der katholischen Kirche zugrundeliegt. Alle weiteren Aussagen können demgegenüber nur noch Konkretisierungen und Präzisierungen auf eine bestimmte Situation hin sein. Was diese Konkretisierungen angeht, so findet sich eine knappe und gute Zusammenfassung bei Duval, Léon-Etienne, Brève réflexion sur le dialogue, BPCDIR 72 (1989), p. 319–322. Sie sind auch wichtig für den christlich-muslimischen Dialog, s. Sabanegh, E[douard] S[ami] Martin, Les Chrétiens d’Europe face aux travailleurs musulmans immigrés, BSNC 57 (1984), p. 312: „Qu’il suffise de signaler que dans les années à venir, il faudrait attacher plus d’importance à la recherche anthropologique afin d’asseoir les bases d’un vrai dialogue pour l’ensemble de l’Église.“ Diese Dinge sind aber, zumindest wenn man interne Einschätzungen ansieht, so Machado, Felix [Anthony], Interreligious Dialogue in the Various Regions of the World, BPCDIR 92 (1996), p.268 f, in der Praxis eher auf ‚politische‘ Fragen (Muslime mit fundamentalistischen Tendenzen, die frustrierende Lage in Ländern mit muslimischer Mehrheit) beschränkt. Das mag bis zu einem gewissen Grad und Umfang Zufall sein, aber es zeigt auch eine grundsätzliche Tendenz bzw. Gefahr gerade des christlich-muslimischen Dialogs. 12 Überlegungen gerade zum Islam hatte es schon beim Pariser Treffen des Sekretariats mit Beratern und Experten (27.–29.9.1971) gegeben, so Forward, BSNC 18 (1971), p. 135. Die Islamsektion empfahl, den lokalen Hierarchien, also den Bischofskonferenzen, die Vorteile des Dialogs noch mehr zu Bewusstsein zu bringen. Besondere Anliegen – außer mehr finanzielle

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in Zukunft bilaterale Kommissionen mit Anhängern je einer anderen Religion zu vertiefen. Was sich selbst in diesem viele Punkte nur andeutungsweise berührenden Dokument zeigt, ist die Wichtigkeit des Neuansatzes in der Anthropologie im Zweiten Vatikanum. Diese ermöglicht erst das neue Zugehen auf Menschen anderer Religionen, eben den Dialog. Ohne die neue Betonung, dass alle Menschen schon in einer Verbindung zu Gott stehen, Werte haben, die sie mit den Christen teilen, und sich noch nach mehr sehnen, wäre Dialog sinnlos und besonders die Christen könnten sich nichts davon erwarten. Auf der Basis der neuen Anthropologie ist der Dialog aber auch ein theologisches Lernfeld für Christen. Im Interesse einer bruchlosen Anknüpfung werden Naturrecht und natürliche Theologie sehr betont, die nur noch durch das Evangelium positiv überhöht werden müssen. Wichtig ist auch, dass der Dialog sich nicht primär auf religiöse Themen beziehen muss und soll, sondern dass es mehr darum geht, auf die Fragen, die den Menschen wichtig sind, ein religiöses Licht zu werfen. Auch die weitere Ausgestaltung der Vorgaben von Konzil und Papst durch das Sekretariat stehen also sehr im Zeichen des Menschen und damit der Anthropologie.

und personelle Ressourcen – sind dabei die Ausbildung der Leute (so auch, noch allgemeiner, Fitzgerald, Report on the Activities of the PCID: November 1998–October 2001, p. 75 f, die verschiedenen lokalen Katechismen und ihre positive Darstellung des Islam, der praktische Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, die Situation in Indien und die Sorge um unauthorisierte Äußerungen und Aktionen v. a. was den Nahostkonflikt angeht: „What it has particularly in mind is the making of certain declarations in favour of Israel which offend Arab opinion.“ (Recommandations of the Four Section (sic!) Addressed to the Secretariat, BSNC 18 (1971), p. 214, s.a. p.213.215) Kardinal Arinze führte (Prospects of Evangelization, with Reference to the Areas of the non Christian Religions, Twenty Years after Vatican II, p. 133) zum Thema Islam aus, dass religiöse und politische Führer weniger dialogbereit seien als auch hochgestellte Einzelpersonen, dass die Religionsfreiheit für Christen in islamischen Ländern alles andere als gesichert sei, obwohl viele einzelne Muslime freundlich und moderat seien und dass viele Muslime eben keinen Unterschied zwischen Religion und Politik machten. Umgekehrt gebe es auch Christen, die Dialog mit Muslimen für Zeitverschwendung hielten. Außerdem gebe es gerade in Asien viele Vorurteile der beiden Gemeinschaften gegeneinander: Die Muslime werfen den Christen Verwestlichung und Allianz mit dem Westen in verschiedenster Form vor, umgekehrt werfen die Christen den Muslimen vor, sie persönlich und strukturell nicht als gleichberechtigte Bürger ernst zu nehmen (Ablehnung eines religiös pluralistischen Staates, islamisches Recht). Er meint aber generell, dass „after the dialogue euphoria following on the Second Vatican Council it is no surprise that these difficulties show up themselves more and more.“ (p.131) Was die konkrete Lage in einzelnen Ländern angeht, sei es allgemein, sei es den Dialog betreffend, so sind die Berichte im hauseigenen Bulletin interessanter, v. a. die auf der Plenumssitzung des Sekretariats gehaltenen Vorträge, die in BSNC 57 (1984) veröffentlicht sind, so z. B. Michel, Tom, Islam in Asia Today, p. 318–327, oder, vielleicht nicht ganz so herausragend, Kayitakibga, Médard, Chrétiens et musulmans en Afrique sub-Saharienne, p. 328–338.

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2. Publikationen der Commission pour les Relations Religieuses avec les Musulmans Gerade im Bereich der gründlichen Vorbereitung und Durchführung der gestellten Aufgabe wird auch eine Reihe von Publikationen der Commission pour les Relations Religieuses avec les Musulmans (C. C. R. M.) wichtig. Diese Kommission, zusammen mit der Commission for Religious Relations with Jews am 22.10.1974 von Papst Paul VI ins Leben gerufen, ist selbstverständlich Teil des damaligen Sekretariats für die Nichtchristen, des späteren Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, was sich schon in den personellen Strukturen niederschlägt: Präsident und Sekretär des Sekretariats sind Präsident und Vizepräsident der Kommission, Sekretär ist der Chef der Islamabteilung. Außerdem gibt es eine Gruppe von sieben, später acht Beratern, die für eine Periode von jeweils fünf Jahren ernannt werden und möglichst aus allen fünf Kontinenten stammen sollten, zusätzlich zu den Beratern, die der Institution als ganzer zur Verfügung stehen, unter ihnen selbstverständlich auch Islamspezialisten. Die Berater der Kommission traten etwas mehr in die Öffentlichkeit, als sie die Aufgabe zugewiesen bekamen, gewisse Themen zu erarbeiten.13 Dies waren zum einen Studien über aktuelle Trends im Islam, woraus eine ganze Reihe von Veröffentlichungen wurde, auf die weiter unten in aller Ausführlichkeit eingegangen werden soll. Zum anderen waren es Annäherungen an das Thema Harmonie und Konflikt. Diese wurden in einer Nummer des hauseigenen Bulletins veröffentlicht und sollen zunächst genauer untersucht werden. Sie sind, was den Herausgebern durchaus bewusst war, völlig unterschiedlich in ihrem literarischen Charakter und daher schwer auf einen Nenner zu bringen, obwohl sie sich mit demselben Thema beschäftigen und alle ihre Wichtigkeit haben. Sie sollen daher auch jeweils für sich zur Wirkung kommen mit besonderem Blick darauf, was und wie sie vom Menschen und seiner Existenz sprechen.

2.1. Harmonie und Konflikt 2.1.1. Wahrheit und Gewalt im Islam Den Anfang macht  – und nimmt damit bezeichnenderweise auch gleich den meisten Raum ein  – eine Textstudie von Michel Legarde zum Verhältnis von Wahrheit und Gewalt im Islam. Ein entsprechendes Pendant, das den Blick auf 13 Michael Fitzgerald spricht in seinem Editorial, BPCDIR 81(1992), p.  265 davon, dass man die Berater benutzt habe „as a ‚think tank‘, a reflection group to study certain themes.“ Zu späteren Entwicklungen s. Akasheh, Khaled, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, BPCDIR 109 (2002), p. 98.

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die christliche Seite richten würde, fehlt  – leider, denn allzu leicht könnte der Eindruck entstehen, Gewaltanwendung im Namen der Wahrheit sei ausschließlich ein Problem der Muslime.14 Aber immerhin befasst sich der vorhandene Aufsatz sehr fundiert und differenziert mit der islamischen Seite des Problems und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer Diskussion, die seither noch erheblich zugenommen hat. 2.1.1.1. Muslimisches Verständnis des Koran: ein längerer Weg vom Frieden zur Gewalt Die Ausgangsfrage lässt, philosophisch gesehen, verschiedene Antworten zu: Gewalt und Wahrheit haben nichts miteinander zu tun, Gewalt könnte die Wahrheit schwächen, und Gewalt könnte der Wahrheit dienen und die Wahrheit könnte Gewalt legitimieren und ausüben. Legarde untersuchte unter dieser Fragestellung Koran, zwei Hadith-Sammlungen, bestimmte Korankommentare, einige Abhandlungen zum Heiligen Krieg sowie mehrere Werke moderner Autoren. Entscheidend ist dabei, dass dieses geistige Erbe dazu beigetragen hat, die Mentalität der muslimischen Gemeinschaft in dieser Fragestellung zu prägen. Ausgangspunkt ist dabei der Koran in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, die es aber braucht, um der menschlichen Wirklichkeit gerecht zu werden, so Legarde. Dementsprechend geht das Spektrum der Aussagen von der Gewalt bis zur Toleranz, die muslimische Haltung in dieser Frage war also offensichtlich zu koranischen Zeiten noch nicht genau definiert. Da es um die muslimische Haltung heute geht, die im Koran die unveränderliche und ewige göttliche Wahrheit sieht, ist nur wichtig, dass die muslimische Tradition selbst davon ausgeht, dass die mehr pazifistischen Traditionen überwiegend mekkanisch sind und es vor Medina keinen klaren Auftrag zum jihad gab, wobei die Fragestellung nicht auf diesen verengt werden soll. Das Bewusstsein einer ganz neuen Beziehung zu Gott rief eine Haltung des Sich-Absonderns von denen hervor, die diese Beziehung nicht wollten. Mit der Zeit und in Stufen ging diese Haltung in Gewalt über. Erste Stufe: eschatologische und innerweltliche Trennung Die koranischen Fachbegriffe für diese Haltung drücken alle Trennung, Distanz und Verweigerung aus.15 Diese Trennung bezieht sich zunächst eschatologisch auf den Tag des Gerichts, der auch Tag der Trennung genannt wird. Diese Trennungen werden auch in konkrete Handlungen in der Gegenwart umgesetzt: Die 14 S. ib. Der Aufsatz selbst ist Legarde, Michel, Violence et verité, BPCDIR 81 (1992), p. 282–327. 15 Ib., p. 284–287 gibt die Details bzgl. Begriffen und Belegstellen für diese erste Stufe des Verhältnisses von Wahrheit und Gewalt in der koranischen Tradition. Auch die Argumentation zu den anderen Stufen (p. 287–294) ist nach Schlüsselbegriffen aus der koranischen Tradition aufgebaut. Die Verweise auf die eschatologischen Konnotationen in den von Legarde genannten Korantexten stammen von mir.

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Gläubigen sollen sich die Ungläubigen nicht als Freunde nehmen und Bündnisse und Geschäfte mit ihnen meiden. Noch viel mehr sollen Muslime deutlich vermeiden, den Ungläubigen zu gehorchen. Aus diesen Trennungen entsteht nachkoranisch auch die Vorstellung, die Muslime lebten im Haus des Friedens und alle anderen im Haus des Krieges. Immerhin bleiben Asyl und Gastfreundschaft ausdrücklich bestehen. Zweite Stufe: Nichtmuslime sind eigentlich schon ‚religiös überholt‘ In der zweiten Phase werden die anderen, im religiösen Sinn vorausgegangenen Gemeinschaften der Juden und Christen zur Nichtexistenz im geistlichen Sinn verurteilt: Sie sind überholt. Der Islam ist die wahre Religion, die einzige, die vor Gottes Augen als Religion betrachtet wird. Diese Gemeinschaft wird ewig bleiben und hat damit analog Anteil am Attribut der Subsistenz Gottes selbst. Aber es gibt auch einen innerweltlichen Platz für die, die anders sind. Dritte Stufe: das koranische Ideal der Herrschaft der Gläubigen als Gottes Herrschaft Logisch schließt die Trennung den Exklusivismus ein und dieser wiederum drängt zur Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren. Der koranische Text beschwört das Ideal einer Herrschaft der Gläubigen herauf. Die Muslime sind allen überlegen, denn Gott ist mit ihnen. Nach den klassischen Korankommentaren ist das auch in physischem Sinn gemeint, so sehr deutlich Sure 47,35, wo den Muslimen ein Friedensschluss verboten wird, wenn sie in der stärkeren Position sind. Gott ist der oberste Richter, der den wahrhaft Gläubigen abgibt von den Attributen seiner Souveränität. Dies ist auch verbunden mit zeitweiliger Geduld, denn in einer vorübergehenden Position der Schwäche sollte man unterstützen, was die Ungläubigen sagen. Vierte Stufe: gewaltsame Unterwerfung Doch diese Zeit der Geduld geht vorüber und wenn die Zeit dafür günstig ist, muss der Gläubige auch mit und durch Gewalt zeigen, dass er Recht hat. Ist dann die normale Ordnung der Unterwerfung hergestellt, dann kann er auch Proben seiner Großzügigkeit geben. Hintergrund ist, dass Gottes Großzügigkeit nicht etwa zum Besten der Ungläubigen ist, sondern im Gegenteil nur ihre Sünden vergrößern wird. Deshalb müssen auch die Gläubigen den Ungläubigen gegenüber fest bleiben, selbst wenn diese die Stärkeren sind (so die Suren 9,73.123; 48,29; 66,9). Doch sollte man mit den Völkern des Buches auf die bestmögliche Weise umgehen, man sollte v. a. nicht mit ihnen disputieren. Allgemeine Aufforderungen zur Höflichkeit werden allerdings von den späteren juristischen Kommentaren eingeschränkt. Die berühmteste und meistzitierte Belegstelle für islamische Toleranz aber ist Sure 2,256, die besagt, es gebe keinen Zwang in der Religion – und der rechte Weg unterscheide sich vom Irrtum. Dies wird von den Kommen-

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tatoren dahin gehend interpretiert, dass die Wahrheit in sich selbst zwingend ist und keinen äußeren Zwang braucht, was Legarde zu dem Kommentar veranlasst: „Ce qui fait que le ‚libéralisme‘ religieux coranique se trouve sensiblement tempéré.“16 Fünfte Stufe: nicht nur Härte in Beziehungen, sondern körperliche Gewalt Von Härte in sozialen Beziehungen bis zu verschiedenen Formen körperlicher Gewalt ist es nur ein Schritt und der Koran gibt ihn frei, wobei man im Auge behalten muss, dass dies nicht immer ohne Grund ist – es ist ja durchaus legitim, sich zu verteidigen. Den berühmten Begriff jihad umschreibt Legarde als permanenten Mobilisierungszustand von Körper und Besitztümern des Gläubigen gegen die Ungläubigen. Dies mache gerade den wahren Gläubigen aus und sei durch nichts zu ersetzen und geradezu nötig für Gottes Schutz und Belohnung. Der genannte physische und moralische Druck auf die Ungläubigen kann in einen bewaffneten Konflikt übergehen, wenn der Feind die Gläubigen vom rechten Weg abbringt und vom Gebet in der Moschee, wenn er sie verfolgt, sie aus ihren Häusern vertreibt und von ihren Kindern trennt. Solange der Feind kämpft, sollen auch die Muslime kämpfen. Wenn er sich zurückzieht, Friedensangebote macht und die Waffen niederlegt, soll man Frieden mit ihm schließen. Bei Sure 9,5.29, die willkürliche Gewalt gegen Ungläubige rechtfertigen würde, entscheidet die Mehrheit der Kommentatoren für die uneingeschränkte Gültigkeit dieser Stellen, doch gibt es Zweifel, ob sie nicht doch an Bedingungen gebunden sind. Der bewaffnete Konflikt ist noch steigerbar zu organisierten militärischen Kampagnen größeren Stils. Mit dem Koran wird dies eines der Mittel, offensiv gegen einen ungläubigen und heuchlerischen Gegner vorzugehen, der keine Ruhe gibt, und es scheint, als sei das auch ein Mittel, um die eigene Gemeinschaft zu festigen. Koran: reiches Material für Überlegenheitsgefühl der Muslime Schon allein Legardes Systematisierung der koranischen Aussagen ist sehr verdienstvoll und neutraler gehalten (ein gutes Beispiel dafür sind die Ausführungen zu jihad p. 292), als es in der von mir gegebenen Kurzzusammenfassung erscheinen mag. Wertvoll ist, dass er sich, wie im Folgenden dann noch mehr, die Mühe macht, nicht nur die Texte selbst zu sichten, sondern auch zu fragen, wie die traditionelle Auslegung sie versteht. Deutlich wird aber bereits, dass der Offenbarungstext reiches Material für ein Überlegenheitsgefühl der Muslime gegenüber allen anderen bietet, das, wenn auch mit (gerade im Kontext der Erstehungszeit) durchaus bemerkenswerten Abmilderungen, einen gewissen Drang aufweist hin zu sozialen bis zu militärischen Konsequenzen. Aus anderer Perspektive (die Legarde nicht eigens ausweist) könnte man auch davon sprechen, 16 Ib., p. 291.

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dass ursprünglich endzeitliche Visionen immer mehr ins Diesseits, in die Gesellschaft und Politik hineingeholt werden. Es wäre wirklich interessant, wenn es allein auf dieser Ebene der heiligen Schriften einen Vergleich mit der christlichen Tradition gäbe. 2.1.1.2. Sunna: Vorliebe für weniger tolerante Traditionen Die zweite Ebene, die Legarde untersucht, ist die der Hadithe, wobei er sich auf die Sammlungen von Buchari und Muslim beschränkt, die bekanntermaßen als autoritativ gelten und daher im Unterricht und im allgemeinen Leben am meisten benutzt werden. Deswegen hatten sie eben die Möglichkeit, die allgemeine Mentalität zu formen und so etwas wie eine allgemeine Meinung zu vielen Sachverhalten zu schaffen, also auch zu jihad und Gewalt. Was aber wird heute von wem zitiert? Generell erfahren die Traditionen, die die Standhaftigkeit der Muslime betonen, bei klassischen wie modernen Autoren eine Würdigung, die in keinster Weise ihrer eigentlichen Stellung entspricht. Auch sonst werden oft Traditionen zitiert, die eher weniger tolerant sind, beispielsweise die Hadith qudsi, dass die Erde den Muslimen als Moschee diene, während die Ungläubigen eine Unreinheit darstellten und eben diese Moschee von jeder Unreinheit gereinigt werden müsse. Praktischere Auswirkungen haben da die ebenfalls gern zitierten Traditionen, dass es keine zwei Religionen auf der arabischen Halbinsel geben dürfe und dass die Angehörigen zweier verschiedener Religionen nicht voneinander erben dürften.17 Muslim: Hommage an das Heldentum Mohammeds Blickt man jedoch auf die Aussagen zum Thema jihad, so sind beide Sammlungen durchaus unterschiedlich ausgerichtet. Bei Muslim ist eines von 64 ‚Büchern‘ dem Thema gewidmet und von dessen 51 Kapiteln wiederum 32 den historischen Feldzügen Mohammeds. Manches konkrete Verhalten von damals ist später zum Vorbild geworden – vom Schließen von temporären Bündnissen mit Nichtmuslimen bis zum Brechen dieser Bündnisse und der Vertreibung, je nach Situation. Legarde bezeichnet die Texte insgesamt mehr als eine Hommage an das historische Heldentum Mohammeds denn als eine Aufforderung zu Krieg und Gewalt. Buchari: Abhandlung zur religiösen Ritterlichkeit Bei Buchari sieht die Sache wieder anders aus: 75 Kapitel seines Buches über den jihad beschäftigen sich mit der Realität, 106 Kapitel dagegen mit dem Idealbild des neuen Mannes, des guten Moslems, das er entwirft und das, in abendlän 17 S. ib., p. 294 f, dazu auch note 18, die nicht nur die Auswertung, sondern auch die einzelnen ausgewerteten Stellen angibt. Besonders beliebt, so erfährt man hier, seien bei den Muslimbrüdern die beiden Traditionen, die herausstreichen, dass der Islam glaube und nicht abnehmen könne und dass der Islam befehle und ihm nicht befohlen werden könne.

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dischen Kategorien ausgedrückt, durchaus ritterliche Züge hat. Es geht nicht um Kampf um des Kampfes, des Krieges und des Schreckens willen, nicht einmal um eine religiöse Idee, sondern um dieses ritterliche Ideal. Der Märtyrer ist sozusagen die Krönung dieses Ideals von Ehre, Ruhm, Belohnung, Sieg und Paradies. Dazu muss man Geschmack am Kampf haben und auch andere dazu anstacheln können, indem man mit Mut und Standhaftigkeit vorangeht. Einziges Motiv ist das Bestreben, das Wort Gottes hochzuhalten. Wobei aber durchaus Platz ist für Fragen nach der Kleidung oder der Dame im Hintergrund! Auch behandelt werden Fragen des alltäglichen Lebens eines Kämpfers und der Beziehung zu den Schutzbefohlenen, den Dhimmis. Buchari widmet den religiösen Aspekten 21 Kapitel. Legarde stuft auch Buchari nicht als Apologie der Gewalt ein, sondern als Abhandlung zur religiösen Ritterlichkeit. Er sieht auch da Züge, die Beziehung zu den Ungläubigen sanfter zu gestalten. 2.1.1.3. Abrogation schränkt Toleranz gewaltig ein Diese Quellen sind jedoch nur der Ausgangspunkt, wichtig ist auch der Umgang mit ihnen, wie Legarde es selbst zusammenfasst: Wie in vielen Fragen ist der Koran auch bei Gewalt und Toleranz ziemlich ausgewogen, vielleicht fast neutral. Erst die intellektuelle Tradition beraubt den Islam dieser ursprünglichen Unschuld, um ihn ausgesprochen einseitig zu interpretieren. Den Anfang dazu macht die berühmte Frage von Aufhebendem und Aufgehobenem. Sie war die Hauptlösung für das offensichtliche Problem der Widersprüche im Text des Koran, die nicht mehr hinnehmbar waren angesichts des sehr bald von der gesamten muslimischen Gemeinschaft als absolut angenommenen Dogmas von der Unvergleichlichkeit des Koran. Der Ausgangspunkt dafür liegt im Korantext selbst, in Sure 2,106, die davon spricht, dass Gott einen Vers durch einen anderen ähnlichen oder besseren ersetzt, was sich logischerweise nur auf Befehle oder Verbote beziehen kann. Nicht weniger als 81 klassische Autoren haben eine Abhandlung zum Thema der Abrogation geschrieben. Sure 9,5.29 vertritt recht eindeutig eine Mission mit dem Schwert, zumindest gegenüber den Polytheisten. Nach drei der genannten Autoren hebt dieser Vers 124 andere Koranverse auf, die versöhnlicher sind oder die dem Kampf gegen die Ungläubigen irgendwelche Bedingungen auferlegen. Auch Sure 2,191, die erstmals auch zum Kampf gegen Nichtkämpfer aufruft, abrogiert den unmittelbar vorhergehenden Vers, der eben das verbietet. Es ist alle aktive oder passive Toleranz gegenüber Nichtmuslimen aufgehoben, wobei es laut anderer muslimischer Ansicht so ist, dass die Kommentatoren eine Neigung haben, die Abrogation ohne Not auszudehnen, während es genau umgekehrt sein sollte. Nichthandeln und sich dem alleinigen Gericht Gottes anzuvertrauen gehört eben auch zum abrogierten Handeln. Auch die Aussage Sure 109,6, die jedem seine Religion zuweist, ist nicht mehr in Geltung. Ebenso sind bestimmte Bedingungen abrogiert, die eigentlich den Übergang vom Wider­ stand zum Kampf markierten, so beispielsweise die Beachtung von Bündnissen,

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das Friedensangebot vonseiten des Feindes. Legarde gibt noch ein Musterbeispiel: Die berühmte Sure 2,256, die davon spricht, dass es keinen Zwang in der Religion gibt. Nach mutazilitischer Auffassung konnte dieser klare und offene Vers nicht abrogiert werden. Nach geltender sunnitischer Meinung aber wird er auf die Völker des Buches und auf die Magier eingeschränkt. Schon was Ungläubige angeht, die sich zum Judentum oder Christentum bekehren, ist man bei den Sunniten geteilter Meinung. Und schließlich gibt es auch die, die schlicht der Meinung sind, dieser Vers sei abrogiert eben durch Sure 9,5.29 und auch die Völker des Buches müssten bekämpft werden.18 Es zeigt sich, dass die Tendenz schon dahin geht, die Toleranz einzuschränken, nur wie weit man damit gehen sollte, darin ist man sich nicht einig. Ein starker Gott und seine Rechte: theologischer Weg in die Intoleranz Auch in anderer Hinsicht sind die Korankommentare tendenziös und restriktiv und tragen Gewalt in Texte, die diese gar nicht enthalten: Sie bauen ein großes System von Lohn und Strafe auf, das sowohl einen Gewissens- als auch einen Gruppenzwang aufbaut. Positiv werden Erfolg, Wohlergehen und Sieg im Diesseits sowie im Jenseits das Paradies versprochen. Viel ausgeprägter aber als der Bereich der Belohnung ist der Bereich der Bestrafung. Er konkretisiert sich in zahlreichen Prüfungen, Krankheit, Tod, im Jüngsten Gericht und im Feuer der Hölle. Die islamische Theologie vertieft das Problem noch mit ihrer Argumentation. Was das Gottesbild angeht, so betont die muslimische Theologie  – im Gegensatz zur jüdischen oder christlichen  – die Stärke Gottes. Nur ein mächtiger Gott, wie ihn der Koran darstellt, könne in überzeugender Weise Gott genannt werden. Gläubige bräuchten einen starken Gott, der wirklich eingreifen kann, und nur ein solcher (koranischer) Gott sei wahr. Diese Stärke wirkt sich auch auf die muslimische Gemeinschaft aus. Sie ist die beste Gemeinschaft, weil sie das Gute vorschreibt und das Schlechte verbietet und das in sicherer Weise, sprich durch Kampf. Weil die Verpflichtung zur kriegerischen Anstrengung im Islam stärker ausgeprägt ist, deshalb ist die muslimische Gemeinschaft offensichtlich die beste von allen. Der bekannte hanbalitische Theologe und Jurist Ibn Taymiyya wirft es den Christen expressis verbis vor, dass sie den bewaffneten Kampf ablehnen. Der jihad sei das Vorrecht des Islam und von daher stelle dieser auch den Beweis für dessen Überlegenheit über die anderen Religionen dar. Dieser Art von Argumentation schließen sich auch nicht wenige moderne Autoren an. Wenn man von einem starken Gott und einer starken Religion ausgeht, so ist 18 Zu den Ausführungen zu jihad s. p. 294–299, zu Abrogation s. p. 300–305, wobei p. 304 die Gruppen benennt, auf die sich die Abrogationen beziehen, allen voran die Ungläubigen.­ Legarde geht p. 301 auch darauf ein, dass es durchaus eine Mission mit dem Schwert gibt: „Les prophètes ont pratiqué tour à tour ‚la mission par la conviction‘ (…) et la mission par l’épée; par la suite, les savants musulmans ont calqué leur mission sur celle des prophètes; quant aux princes musulmans, ils se sont cantonnés dans la mission par l’épée.“

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es relativ leicht verständlich, dass es eine generelle Tendenz in der muslimischen Theologie gab, auch die Probleme in eher einschneidender Weise zugunsten des Stärkeren, also Gottes und des Islam zu lösen. Es wird eine theologische Verbindung hergestellt zwischen der Einheit Gottes und der kriegerischen Anstrengung des jihad. Diese Verbindung entbehrt nicht einer inneren Logik: Die Einheit und Einzigkeit Gottes lässt letztlich keinen Platz für irgendjemand oder irgendetwas anderes. Von daher macht es auch keinen Sinn, groß von Menschenrechten zu reden, denn nur die Rechte Gottes sind wirklich wichtig. Von da aus ist es nur ein kleiner Schritt bis dahin, den jihad auszurufen, um die Rechte Gottes aufzurichten und ihnen Respekt zu verschaffen. Man kann, so Legarde, die Grundproblematik bis in verschiedene theologische Einzelfragen hinein verfolgen, wie der Frage nach der Erschaffung der menschlichen Taten. Formell wird die menschliche Freiheit garantiert, aber wichtig ist eigentlich nur, dass Gott in keiner Weise eingeschränkt wird in seiner Freiheit, auch nicht durch irgendeine Moral. So schafft nach Mehrheitsmeinung (gegen die Proteste der Mutaziliten, das Problem der Gerechtigkeit Gottes betreffend) Gott auch das Böse, die Untreue und den Unglauben. Gott darf uns – sonst wäre er nicht der allmächtige Souverän – auch Dinge befehlen, die wir absolut nicht die Kraft haben zu tun. Wenn man das alles nun in die Praxis umsetzt, dann kommt man zu dem berühmt-berüchtigten Problem der Anwendung des islamischen Rechtes auf Nichtmuslime. Es ist ein sehr altes und dennoch sehr aktuelles Problem und viele der muslimischen Autoren tendieren zu einer Bejahung der Frage. Die liberalen davon schränken es dahin gehend ein, dass die Nichtmuslime in dieser Welt nicht vom islamischen Recht betroffen sind, wohl aber ihr Schicksal in der nächsten Welt davon abhängt. Insgesamt also tendiert die nachkoranische, intellektuell systematisierende Entwicklung deutlich hin zur Intoleranz. Im Koran wird immer wieder auch zur Milde aufgerufen, gerade was die Mission angeht: Sie soll auf jegliche Gewalt verzichten. Fanatismus würde dem Willen Gottes geradezu entgegen gehen. Doch in der Reflexion zu Koranstellen ist Mäßigung nur verstreut und isoliert zu beobachten. Wieder ist also das zu beobachten, was schon der Ausgangspunkt war: die starke Widersprüchlichkeit der Aussagen – einerseits Härte, andererseits Milde. Manche Exegeten schaffen es, einen Mittelweg zu finden, indem sie auf die Notwendigkeit der Gerechtigkeit verweisen: Einerseits hat Gott befohlen, die Ungläubigen zu bekämpfen. Ihr Unglaube erlaubt also nicht, dass man Mitleid mit ihnen hat, aber andererseits darf man sie auch nicht ungerecht behandeln, also beispielsweise ihnen schlimme Taten unterstellen, die sie gar nicht begangen haben.. Die ausführlichen textlichen Analysen Legardes19 ergeben also ein offenes Bild, was die Frage von Religion und Gewalt angeht, aber mit einer deutlichen Tendenz hin zu mehr Gewalt, je mehr man von den ursprünglichen Texten weggeht. 19 Zur Theologie s. ib., p. 306–309, wobei note 36 p. 307 besonders interessant ist. Die abschließenden Zwischenbemerkungen Legardes finden sich p. 309 f.

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2.1.1.4. Traditionelle Rechtsliteratur: eher Begrenzung der Gewalt Eine weitere interessante Frage, der Legarde ebenfalls nachgeht, ist die nach dem praktischen Umgang mit der Gewalt in der Religion. Die rein theoretische Abhandlung des Themas neigt offensichtlich um der intellektuellen Stringenz willen eher zu einem einfachen Sieg der Gewalt über die Toleranz. Umso wichtiger ist es, auch den Blick auf das konkrete Zusammenleben zu werfen, denn es gab ja durchaus Nichtmuslime innerhalb der islamischen Gemeinschaft. Von daher entwickelte sich eine reiche juristisch-praktisch ausgerichtete Literatur, die sich dem Umgang mit Konflikten und Gewalt widmete (und die auch den Nährboden für die Abhandlungen über den jihad bildet). Legarde geht zunächst auf den Ansatz al-Ghazalis ein, der eine eher vereinfachende Lösung vorschlägt: Da die reine Überzeugungskraft nur eine (wenn auch gute)  Minderheit gewinnen werde, sei die Gewaltlösung vorzuziehen. Auch wenn man dadurch die Besten verliere, gewinne man die größere Zahl und Standhaftigkeit und Vorbild würden aus ihnen dann doch noch wahre Gläubige machen. (Man darf allerdings Zweifel hegen, ob die erwünschten Resultate so wirklich eintreten werden. Drastisch ist die Vorgehensweise in jedem Fall. Auch al-Ghazali war ja Theologe und nicht Politiker oder Militär, er konnte also Ideen entwickeln, ohne allzusehr auf die Realität Rücksicht nehmen zu müssen.) Dagegen haben Juristen Traktate über den Islam geschrieben, in denen das Element der Gewalt zwar nicht ausgemerzt wird, aber doch mit Augenmaß und Realismus damit umgegangen wird. Legarde wählt aus der Fülle der Abhandlungen al-Mawardi, Ibn Taymiyya und al-Andalusi aus, die einen jeweils eigenen Standpunkt vertreten, den er umschreibt mit respektive Integration der Pflicht zu Gewalt, Begrenzung der Pflicht zur Gewalt und Relativierung der Pflicht zur Gewalt. Bei al-Mawardi beispielsweise ist der jihad kein eigenes Thema, sondern wird nur im Rahmen des öffentlichen und Verwaltungsrechts abgehandelt. Den Ruf zum Islam abgelehnt zu haben ist unbedingte Voraussetzung, um angreifen zu können. Gegen Frauen und Kinder darf man überhaupt nicht kämpfen. Es wird sogar empfohlen, Kriegsgefangene zu begnadigen, die man rechtmäßig enthaupten oder versklaven könnte. Ibn Taymiyya  – immerhin Vertreter des nicht gerade besonders liberalen Hanbalismus – geht noch deutlich weiter, indem er die persönliche Verpflichtung zum jihad auf den Defensivfall beschränkt. Außerdem ist er der Überzeugung, dass äußere Feinde für den Islam weniger gefährlich seien als die inneren, also die Sufis und die Schiiten. Auch die Juden und die Christen werden als innere Feinde gesehen, weil sie im Bezug auf den Islam eine Abweichung darstellen. Deshalb sollten sie ernsthaft unter Druck gesetzt werden. Unter das Tötungsverbot fallen bei Ibn ­Taymiyya auch Priester, alte Menschen, Blinde und Invalide. Außerdem heiße bekämpfen nicht unbedingt töten. Noch extremer ist der Fall von al-Andalusi. Offiziell schreibt er einen Traktat über den jihad, aber die religiöse Ebene darin ist praktisch kaum vorhanden. Legarde schließt sich zur Erklärung der durchaus gängigen Interpretation dieses Faktums an, dass einfach keine andere Terminologie

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zur Verfügung stehe als die religiöse, weshalb eben diese bis heute verwendet werde. Ein Blick zur Rechtsliteratur zum Thema dhimma rundet dieses Kapitel ab. Auch die Festschreibung eines ungleichen Status dort ist eine Beschränkung der Gewalt: Es gibt immerhin eine gewisse Gegenseitigkeit in Rechten und Pflichten.20 2.1.1.5. Gewalt in der Gegenwart – fünf verschiedene Formen muslimischer Apologetik Sodann macht Legarde einen Sprung in die Gegenwart, die ja durch eine Betonung der Menschenrechte geprägt ist, durch Gewaltlosigkeit, Demokratie und Freiheit in jeder Form. Er konstatiert durchgängig bei den Muslimen eine deutlich apologetische Tendenz, die versucht, zu behaupten oder zu beweisen, dass der Islam diese Werte immer schon am besten vertreten habe, also beispielsweise die Religion der Toleranz schlechthin sei. Die Art und Weise, wie dies genau geschieht, unterscheidet sich allerdings und Legarde nennt hier fünf Richtungen des gegenwärtigen Islam, die sich in ihren diesbezüglichen Argumentations­ gängen deutlich voneinander unterscheiden: den Reformislam, den revolutionären Islam, den fundamentalistischen Islam, den modernen oder vielmehr modernisierenden Islam und den utopischen Islam. Reformislam: Augen zu vor der eigenen Gewalt Mit der Bezeichnung Reformislam bezieht er sich konkret v. a. auf die Schule­ Mohammed Abduhs und einen Korankommentar aus dessen engstem Umfeld, wobei ähnliche Vorstellungen auch von anderen muslimischen Autoren vertreten werden. Erster Schritt in dieser Argumentation ist der Versuch zu zeigen, dass der jihad historisch immer nur defensiv gewesen sei und der Islam sich niemals durch das Schwert verbreitet habe, ja dass echter Frieden und echte Toleranz nur im Islam existierten. Wenn sich gegenteilige Aussagen im Koran finden ließen, so bezögen sich diese nur auf die Menschen, die die Gläubigen von ihrer Religion abbringen wollten. Wenn Koranverse die Bekehrung mit dem Kampf zu verbinden scheinen, so sei dies politisch im Sinn der Notwendigkeit der Unterwerfung unter die legitime politische Herrschaft zu verstehen. Als nächster Schritt werden dann etwas vorschnell Soll- und Istzustand gleichgesetzt: Weil Sure 2,256 Zwang im Glauben verbietet, kann es ihn gar nicht geben. Deshalb wird gemeinhin der große jihad, also die persönliche oder gemeinschaftliche Askese, dem kleinen jihad, also dem Krieg vorgezogen (wobei Ibn Taymiyya die Hadith, nach der der große jihad der spirituelle Kampf sei, eben nicht anerkennt). Und selbst der kleine jihad wird mehr als Märtyrertum gesehen denn als Verletzung der anderen. Gewalt ist dann in einem weiteren Schritt nicht mehr Kennzeichen des Islam, sondern jeder Gruppe von Menschen, die ihre eigene Integrität wahren will. 20 Zu diesen praktischen Erwägungen s. ib., p. 310–315.

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Mohammed musste bei seiner Predigt auf Widerstand in der schon bestehenden Gesellschaft stoßen und Ausrutscher nach dem Motto, dass der Zweck die Mittel heilige, waren unvermeidlich. In einem letzten Schritt wird die eigene Gewalt endgültig beseitigt, indem man entweder auf die noch größere Gewalt der Völker des Buchs hinweist oder indem man alle muslimischen Autoren anzweifelt oder schlicht verleugnet, die die Legitimität eines offensiven jihad oder von physischer Gewalt vertreten haben (und das sind nicht wenige und nicht unbedeutende). Man weigert sich, die Verantwortung für die eigene Gewalt zu übernehmen, indem man sie auf die anderen zurückwirft oder schlicht die Augen vor der eigenen Vergangenheit verschließt. Dazu gehört als drittes Element die Ablehnung des Systems der Abrogation zugunsten von Einzelfalllösungen.21 Hier ist in der Tat zu bemerken, dass Legarde ein System schildert, das einem in seinen diversen Einzelpunkten immer wieder begegnet, gerade bei im Westen lebenden Muslimen. Was Legarde hier in meisterhafter Weise beschreibt und analysiert, ist ein relativ gängiges Argumentationsmuster, das in christlich-muslimischen Dialogen häufig angewandt wird, sobald diese die Frage der Gewalt im Islam berühren. Revolutionärer Islam: mit Gewalt zur neuen Weltordnung Doch es gibt, wie Legarde anführt, auch die entgegengesetzte Tendenz, die des offensiven jihad, wie sie beispielsweise der Vordenker der Muslimbrüder vertritt. Ganz offensichtlich hat der Islam seine ganze Geschichte lang gewaltsam gekämpft, aber nicht, um die Menschen zum Islam zu zwingen, sondern um Aggressionen abzuweisen und ihnen zuvorzukommen und um die Sicherheit und Freiheit der Gläubigen zu gewährleisten. Auch dieses jeder eventuellen Überraschung vonseiten eines Feindes Zuvorkommen und der Umsturz, also offensiver jihad, sind legitim, nicht nur die defensive Variante. Die vorhergehende Interpretation wird ausdrücklich abgelehnt. Der jihad sei die totale Revolution gegen jede Art von absoluter Souveränität der Menschen, seien es Regierungen, seien es Gesetze. Man könne den Völkern des Buches erst dann Frieden und Versöhnung anbieten, wenn man sie gedemütigt und beherrscht habe. Aber den Zionismus, die Freimaurerei, den Orientalismus und die Mission könne man nur mit dem Schwert bekämpfen. Diese Haltung finde sich, so Legarde, nach wie vor in vielen Schulbüchern, die bis heute den Rückgriff auf Gewalt als etwas ganz Normales darstellen, wenn Notwendigkeiten ihn nahelegen. Intrigen und Komplotte sind überall: Die Christen und die Juden, die als die Feinde des Islam eingestuft werden, versuchen, die Schwachen auf ihre Seite zu ziehen. Gleichzeitig ist immer auch ein befreiendes Element dabei in dem Sinn, dass es vom Joch des Menschen befreit, um ihn Gott allein zu unterwerfen. Es handelt sich also um eine weltweite 21 S. ib., p. 315–318.

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Revolution. Das Ziel des Islam sei es, Glaubensfreiheit und eine bestimmte Art von Humanismus aufzurichten und das gehe nur mittels der Aufrichtung einer starken Ordnung, nämlich der islamischen. Deren Aufrichtung, Erhaltung und Ausdehnung braucht physische Gewalt, also den offensiven jihad. Da der Islam eine öffentliche Ordnung braucht, braucht er Stärke, braucht er Kampf. Das ist eine ganz normale Realität, ohne die es keinen Islam geben kann, der lebt und befiehlt. Der Kampf ist zu einem großen Teil spirituell, moralisch und psychologisch, aber genauso physisch und militärisch.22 Was hier nach meinem Urteil sehr deutlich wird, ist die Einschätzung, dass die Menschen von der Herrschaft des Menschen durch die Aufrichtung der göttlichen, islamischen Ordnung befreit werden sollen. Da diese Ordnung auch und gerade eine weltliche Ordnung ist, kann eben auch ganz irdische Gewalt mit ins Spiel kommen. Die Logik darin ist nicht abzustreiten und auch die Sicht des Menschen ist eine, die grundlegend ist und immer wieder begegnet. Fundamentalistischer Islam: Sekten wenden Gewalt an, der Islam vollzieht göttliches Recht Doch es gibt auch eine noch theologischere Argumentation für den jihad, die Legarde als fundamentalistisch bezeichnet und als deren Vertreter er Mawdudi anführt, der auch ein Buch zum Thema geschrieben hat. Mawdudis Argumentation geht aus vom religionstheologischen Vergleich zwischen dem Islam und allen anderen Religionen. Nach islamischer Überzeugung ist der Islam die Religion schlechthin, die einzige, die göttlichen Ursprungs ist, während alle anderen Religionen Sekten sind, menschliche Erfindungen. Folglich ist auch die islamische Gemeinschaft keine rein menschliche Schöpfung mit einer rein menschlichen Verfassung wie alle anderen Staaten. Im Gegenteil, die umma ist ebenfalls die Gemeinschaft schlechthin, direkt von Gott als die beste aller Gemeinschaften geschaffen. Deshalb ist sie von allen Extremen entfernt und kann sich in ihrer Gesamtheit niemals irren. Ihre göttlich offenbarte Grundlage und die einzige Quelle ihrer Legitimität ist das islamische Recht. Folgerichtig ist der Rekurs auf Waffengewalt für Sekten einfach ein willkürlicher und illegitimer Krieg (harb), weil ihm die göttliche Begründung fehlt. Nur der Islam kann den jihad praktizieren, ja, er hat ihn sogar zu einer Hauptübung der Hingabe an Gott gemacht und betrachtet ihn als Perle seiner Krone. Nur er hat den Befehl dazu im Koran erhalten: „Dans ce cas, et dans ce cas seulement, l’utilisation de la force n’est plus violence, mais simple exercice du droit divin de juste coercition.“23

22 S. ib., p. 318–321. 23 Ib., p. 321, vgl. a. p. 322.

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Die Ähnlichkeiten zur vorhergehenden Position sind evident und werden von Legarde auch benannt. Bliebe dem höchstens hinzuzufügen, dass so das göttliche Recht auf Bestrafung (von dem auch das Christentum sprechen kann) relativ pauschal in die Hände der islamischen Gemeinschaft, also der Menschen übergeht. Dies ist sicher ein ganz besonderes Verständnis von der Stellvertreterschaft des Menschen und eines, bei dem sich noch nachdrücklicher als sonst die Frage nach Kontrolle bzw. nach Willkür und Missbrauch stellt. ‚Moderner‘ Islam: Nur die Einheit Gottes kann die Demokratie garantieren Eine weitere interessante Variante, vertreten von der Muslimbruderschaft, begründet den jihad nicht mit seiner Nützlichkeit für das Wohl der islamischen Gemeinschaft oder mit einem göttlichen Befehl, sondern mit der Einheit Gottes. Das ist ein sehr interessanter, aber nicht unbedingt ganz einfach nachvollziehbarer Argumentationsgang: Die Einheit Gottes ist das einzige demokra­tische Prinzip, auf dem man eine politisch freie Gesellschaft aufbauen kann. Dank der Einheit Gottes hängt kein Mensch von einem anderen ab, sondern allein von Gott. Dagegen gehe bei den Juden und Christen das Gesetz von Autoritäten und Priestern aus, wodurch eine Abhängigkeit von diesen Autoritäten entstehe und die Menschen deshalb keine Möglichkeit hätten, irgendeine Form von Demokratie zu realisieren. Gott wollte die Unterschiedlichkeit der Menschen und der Glaubensrichtungen, um der Freiheit des Menschen Raum zu geben. Die natürliche Tendenz des Menschen dagegen sei hin zu einem Totalitarismus, der diese Unterschiede negiere. Jede starke Zivilisation erweckt den Glauben, das Menschsein lasse sich nur nach ihren Werten verwirklichen. Der jihad hat die Aufgabe, das Zusammenleben zwischen Nationen, Kulturen und Religionen herzustellen und zu schützen und so eben auch die Unterschiede und damit die Wahlfreiheit zu schützen. Deshalb steht der jihad im Dienst der Einheit Gottes als Begründung jeder wahren Demokratie. Utopischer Islam: Option für Gewaltfreiheit Legarde bezeichnet die letzte Richtung als modernisierend mit utopistischer Tendenz, denn er stellt fest, dass sie nicht mehrheitsfähig oder gar allgemein anerkannt ist, aber er sieht Querverbindungen zu gewaltfreien Bewegungen überall in der muslimischen Welt. Das gilt zunächst für die Frage der Abrogation von toleranten durch die kämpferischen Koranverse. Die Abrogation gelte nur einmalig, denn ein Ideal bleibe ein Ideal. Weiterhin sei das Problem der Gewalt untrennbarer Teil der moralischen Sphäre des Islam. Wenn man aber auf Gewalt rekurriere, ohne einen Unterschied zwischen Kämpfern und Nichtkämpfern zu machen, dann werde Gewalt inakzeptabel. Die Muslime sollen für Gerechtigkeit kämpfen, was bedeute, dass das menschliche Leben und die anderen Realitäten der göttlichen Schöpfung heilig seien. Deshalb sei die neue Kampfweise die der gewaltlosen Aktion. Der Islam habe ein Potenzial des passiven Widerstands und

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des Ungehorsams gegenüber ungerechten Gewalten in dem Sinn, dass man nur Gott allein gehorchen solle. Islam klassisch: Sophistische Begründungen verhüllen die Gewalt Insgesamt, so bemerkt Legarde selbst, gibt es viele klassische und unveränderte Haltungen, aber auch etliche, die davon ziemlich abweichen. Er folgert aus seinen Forschungen, dass ein Großteil der Argumentation auf zwei Sophismen beruhe: Dass die koranische Offenbarung, das islamische Recht und die Theokratie im Gefolge vollkommen göttlich seien und daher nur ihre konsequente Anwendung auf die menschliche Gesellschaft den Menschen von sich selbst und seiner Tyrannei befreien könne. Dies verhüllt den grundsätzlichsten und unmenschlichsten Despotismus, den es überhaupt gibt. Der zweite Sophismus besteht darin, zu sagen, die Freiheit der Nichtmuslime werde innerhalb des islamischen Rahmens skrupulös garantiert, sofern diese die islamischen Gesetze und Regeln einhielten. Das laufe, so Legarde, darauf hinaus zu sagen, ein Gefangener sei als völlig frei zu betrachten, sofern er innerhalb seiner Zelle bleibe. 2.1.1.6. Ein neues Bild der islamischen Gemeinschaft als Lösung? In seinen Schlussüberlegungen bringt Legarde noch den Gedanken der umma wasat ins Spiel. Der moderne Islam halte sich zwar für den Weltmeister der Tole­ ranz, aber die tatsächlichen Überlegungen von muslimischen Theologen zur Vollkommenheit der islamischen Gemeinschaft führen zu einer ausgesprochenen Unbescheidenheit: Weil sie so gut sei, könne sie ihre Kriterien allen diktieren. Legarde dagegen nimmt den arabischen Ausdruck wasat wörtlich als die mittlere im Sinn der vermittelnden, der versöhnenden, die sich selbst und die Gewaltlosigkeit beherrscht, sowie als die gerechte im Sinn von Gerechtigkeit auf der Basis der Eintracht. Sie sei also eine Gemeinschaft des Friedens, eine Vermittlerin auf verschiedenen Ebenen, beispielsweise auch im religiösen Sinn zwischen Juden und Christen. Die islamische Gemeinschaft sei schlussendlich eine Gemeinschaft der Toleranz.24 So schließt ein sehr kritischer Artikel mit einer sehr versöhnenden Vision, wobei allerdings die gewaltsame Realität vieler Jahrhunderte in ihren verschiedenen Rechtfertigungen doch ein starkes Übergewicht hat über diese Vision des Friedens und der Toleranz, für die am Ende langer Studien kaum mehr als eine Seite bleibt. Es stellt sich die Frage, ob diese Vision wirklich die vorher genannten sophistischen Argumentationen überwinden kann oder ob der Mensch nach islamischer Version nicht doch etwas gewaltsamer von sich selbst befreit werden muss. Die momentanen Mehrheitsverhältnisse liegen, auch wenn Legardes Einschätzung nun schon etwas zurückliegt, immer noch auf der letzteren Seite.

24 S. ib., p. 322–327.

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2.1.2. Die Haltung der Franziskaner – ein Kontrastprogramm zu den Muslimen Der zweite Beitrag dieser Reihe befasst sich mit franziskanischen Erfahrungen mit interreligiösem Zusammenleben. Die Erfahrungen sind breit gestreut und zu persönlich, um hier sinnvollerweise wiedergegeben werden zu können. Von allgemeinem Interesse ist nur die Rückbindung an die Geschichte des Ordens und an die allgemeine Kirchengeschichte. Ausschlaggebend war dafür das Zweite Vatikanum. Es wurde sozusagen als Beauftragung für diesen Dienst gesehen, wobei die Wurzeln aber wesentlich weiter zurückgehen, beginnend mit der Bibel selbst. In ihr erkennen die Franziskaner ein Selbstverständnis von Kirche, das nichts mit einem geschlossenen Club zu tun hat, in dem alles geregelt ist, sondern mit einem Zelt, nach dem nach Nomadenart Fremde empfangen werden als wären sie Gott. Das verlangt auch ein ‚göttliches‘ Verhalten der Christen, also umsonst geben, wie man selbst umsonst empfangen hat, als erstes lieben, den anderen akzeptieren, der anders ist als man selbst, schon die bloße Idee aufgeben (interessant im Verhältnis von Macht und Wahrheit im Islam), mit Gewalt die Wahrheit, die Ehre Gottes und die Kirche zu verteidigen. Außerdem müsse man gerade als Franziskaner wie Jesus das Lob der Nichtchristen singen. Die Religion, die man eigentlich ablehnt, mit Wertschätzung zu betrachten, ist schwierig. Es ist leichter, die Haltung eines geschlossenen Clubs einzunehmen und zu verlangen, dass alle so zu sein und zu denken hätten wie man selbst. Als Franziskaner müsse man die Menschen darauf vorbereiten, anderen zu begegnen, ohne Komplexe und ohne Aggressivität, nicht ihnen entgegenzutreten. Was das Zweite Vatikanum angeht, so bezieht man sich v. a. auf Aussagen von Gaudium et Spes, Lumen Gentium und Nostra Aetate. Gaudium et Spes betone, auch die Nichtchristen könnten, wenn auch auf andere Weise, zum christlichen Leben kommen. Außerdem erkenne die Kirche das an, was bei den Nichtchristen gut sei, und sage, so Lumen Gentium, diese Werte müssten gefördert werden. Außerdem, so Nostra Aetate, könnten wir Gott nicht anrufen, wenn wir uns weigerten, uns gegenüber bestimmten Menschen (anderer Religion) geschwisterlich zu verhalten. Diese Menschen könnten uns sogar einen Strahl der Wahrheit bringen – eine Idee, die sich in der Kirche (und umgekehrt auch im Islam) aber nur schwer durchsetzt, so ist die Einschätzung nach gut einem Vierteljahrhundert. Gott aber möchte, dass wir in jedem Menschen Christus, unseren Bruder, wiedererkennen und so Zeugnis von der Wahrheit ablegen. 2.1.2.1. Anknüpfen an das Erbe des heiligen Franziskus Selbstredend wird auch das spezifisch franziskanische Erbe genannt, ausgehend von Franziskus selbst, der mitten in den Kreuzzügen den Sultan von Ägypten besuchte, und der Regula Non Bullata, die dies auch Franziskanern erlaubt, auch wenn dies bedeutet, dass sie sich Feinden aussetzen müssen. Aber sie haben sich

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als Franziskaner ja auch mit ihrem Körper Jesus Christus ergeben. Ein Weg, diese spezielle Mission zu erfüllen, ist es, um Gottes willen jedem menschlichen Wesen untertan zu sein und sich dabei als Christen zu bekennen. Die offizielle Wiederaufnahme dieser Tradition erfolgte zum 800. Geburtstag von Franz von Assisi im Oktober 1982. Die Brüder sollten nach der Regel von 1221 die anderen nicht richten, sondern höflich, friedfertig und bescheiden, sanft und demütig sein. Im Verlauf der Geschichte hätten nicht alle Brüder dieses Ideal gelebt, so bittet der Brief auch die um Vergebung, die verletzt worden seien. Diese Linie wird fortgesetzt in den Generalkonstitutionen von 1985, in denen beispielsweise davon die Rede ist, mit Hingabe unter den Nationen islamischer Religion zu leben, oder in einem Dokument des Generalkapitels von 1991, das den Dienst von Brüdern in Territorien mit muslimischer Mehrheit stimulieren und unterstützen möchte. 2.1.2.2. Begegnungen mit Muslimen – Notwendigkeit für die Christen Der Text von Gwenolé Jeusset geht anschließend ganz konkret, und das ist wieder recht typisch für die Franziskaner, auf die besten Möglichkeiten für eine christlich-muslimische Begegnung ein. Als schwieriger wird das sogenannte Amt der Versöhnung eingeschätzt, das vom Kampf um Gerechtigkeit für Immigranten bis zum interreligiösen Dialog reicht. Zum Schluss wird dabei die Schaffung von Orten der Präsenz und des Gebetes im muslimischen Territorium erwähnt. Die brüderliche Beziehung zu den Muslimen wird nicht als Frucht einer geistigen Öffnung gesehen, sondern als christliche Erfordernis, als Notwendigkeit. Auch hier kommt wieder das Vorbild des Franz von Assisi ins Spiel. Es gebe drei Weisen, die Muslime zu sehen: naiv, böswillig, realistisch. Im Licht des Zweiten Vatikanum müsse man die Muslime mit einem positiven Vorurteil betrachten.25 Dieser Beitrag ist äußerst interessant, weil er zeigt, dass das Zweite Vatikanum in seiner vermeintlich revolutionären neuen Sicht u. a. der Muslime so neu gar nicht war, sondern dass Franz von Assisi im Rahmen der katholischen Kirche schon ein Dreivierteljahrtausend früher in diese Richtung gedeutet hatte, aber leider lange überhört worden war.

2.1.3. Zwischen Harmonie und Konflikt: Klarheit als Ziel des Dialogs Der dritte dieser Beiträge fällt dagegen etwas aus dem Rahmen, da er sich nicht auf einer Ebene des christlich-muslimischen Gegenübers bewegt (wie es ja eigentlich auch der ausschließliche Bereich dieser Arbeit ist), sondern die monotheistischen Religionen den fernöstlichen gegenüberstellt. Damit stehen sich, so jedenfalls das gängige Urteil und auch der Titel des Beitrags, Harmonie und Konflikt gegenüber, auch wenn der Autor Roest Crollius dieses Pauschalurteil 25 Nach Jeusset, Gwenolé, Conflits et harmonie, BPCDIR 81 (1992), p. 328–335.357–359. Auch die dazwischen liegenden Seiten mit den Beispielen selbst sind sehr lesenswert.

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gerade infrage stellt.26 Er sieht darin weniger ein Urteil über die Religionen als vielmehr eine  – wenn auch vereinfachende  – Beschreibung der in Jahrtausenden gewachsenen unterschiedlichen Mentalitäten in West- und Ostasien. Erstere tendieren dazu, exklusivistisch zu sein, während letztere eher inklusivistisch sind. Dem Westen Asiens geht es mehr um die Klarheit der Unterscheidung, auch wenn dies Konflikt bedeuten sollte, während es dem Osten Asiens mehr darum geht, Unterschiede zu versöhnen und sie in eine Harmonie zu überführen. Die interessante These des Autors ist nun, dass es für einen echten Dialog sowohl Harmonie als auch Konflikt brauche, da jede dieser Haltungen für sich genommen nur im Monolog enden könne. Ein weiterer interessanter Hinweis ist, dass sich Harmonie nicht nur in den religiösen Traditionen vom Ursprung der Menschheitsgeschichte findet, sondern auch als Versprechen einer zukünftigen Realität auftaucht. Sonst aber ist die Ausrichtung weitgehend theologisch und nicht anthropologisch und sprengt damit wiederum den Rahmen der Fragestellung. Zu einer Betonung der Unendlichkeit der Wahrheit gehört eine kontemplative Haltung, eine Annäherung durch Intuition, Gemeinschaft und sogar Identifikation. Wo die Betonung dagegen mehr auf dem rechten Erfassen der Wahrheit liegt, führt dies zu einer diskursiven Herangehensweise und damit zu einer Betonung des Verstandes. Diese Haltungen bestimmen aber auch die Haltung im Dialog: Während es die einen dazu drängt, eine inklusivistische Lösung zu finden, legen die anderen großen Wert darauf, dass die Wahrheit klar bekannt wird und man auch den Mut haben muss, sie zu verteidigen. Soziologisch bedeutet dies, dass klar unterschieden wird zwischen denen, die die Wahrheit haben, und denen, die sie nicht haben. Auf diesem Hintergrund, und das ist ein Anknüpfen an den ersten Beitrag dieser Reihe, ist auch die Entstehung des Heiligen Krieges zu sehen, und zwar in allen drei monotheistischen Religionen. (Dass auch die Religionen des Ostens Kriege geführt haben, bleibt unberücksichtigt.) Der Autor trifft keine Entscheidung für die eine oder die andere Position, sondern zeigt auf, dass sie beide in ihrer jeweiligen Isolierung Gefahren bergen: Während die westasiatische Haltung dazu neigt, die Majestät der Wahrheit zu unterschätzen, neigt die ostasiatische dazu, den menschlichen Geist zu unterschätzen. Das jeweilige Denken startet einfach nicht von den gleichen Voraussetzungen und es kann im Dialog eigentlich nur darum gehen, die Ähnlichkeit im Unterschied zu verstehen 26 Nach Roest Crollius, Ary A., Harmony and Conflict, BPCDIR 81 (1992), p. 360–377. Interessant ist auch, dass Roest Crollius auch Fundamentalismus und Synkretismus nicht direkt mit Religion in Verbindung bringt, sondern mit kultureller Psychologie. Er stuft beide als zwei verschiedene Wege ein, ohne große Anstrengungen mit dem befremdenden Phänomen des Pluralismus von Ideen und Werten zurechtzukommen. Beide hätten auch, je auf ihre Weise, eine oberflächliche Lesart von Texten und Fakten. In beiden Fällen werde auch eine klare Trennlinie zwischen denen innen und denen außen gezogen. Und beide hätten sie auch eine Tendenz zu Führerfiguren: „The search for security calls forth leader figures, either prophets of fundamentalism or gurus of syncretism, the latter not less sure of themselves than the former.“ (p. 376).

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und auszudrücken. Ein gewisser gemeinsamer Erfahrenshintergrund ist dafür wohl unerlässlich und auch vorhanden, wird doch auf beiden Seiten betont, dass die innere Reise Selbstverleugnung voraussetzt, dass man eben nur durch den Tod zum Leben kommt. Jede Form von Egoismus, auch in geistlicher Verkleidung, würde diesen spirituellen Weg verfehlen und pervertieren. Was ebenfalls die Unterschiede in den Mentalitäten übersteigt, ist die Erfahrung der Moderne. Der Umgang mit modernen Technologien führt anscheinend zu gewissen mentalen Assimilierungsprozessen, wobei der Autor die Lösung in einem kreativen Umgang mit den Möglichkeiten der Gegenwart sieht. Ein letzter Punkt betrifft das, was christlicherseits gemeinhin als Strukturen der Sünde bzw. der Ungerechtigkeit bezeichnet wird. Sie erforderten Solidarität mit und für die Armen, um eben diese Strukturen zu ändern. Ohne Solidarität würden die akademischen Anstrengungen nur dazu dienen, Ungerechtigkeit und Gewalt zuzudecken. Diese drei Bereiche sieht der Autor auch als gute Themenfelder für den Dialog, wobei es Roest Crollius dabei doch v. a. um die Klarheit zu tun ist. Sie ist für ihn das Ziel der gemeinsamen Reise des Dialogs und sollte nicht aus falsch verstandener Sympathie oder Angst vor fehlender Übereinstimmung kompromittiert werden.

2.2. Ein Nachschlagewerk zum Islam – Information für Entscheidungsträger Die Islamstudien der Kommission sollen ja, so steht es unter anderem auch in den Einleitungen der nun im Folgenden genannten Publikationen, exakte und objektive Informationen über die muslimische Welt liefern. Diese sieben Dossiers, erstellt von den genannten Beratern zwischen November 1992 und Juni 1993, bilden sozusagen ein umfassendes Nachschlagewerk, das einen Überblick gibt über geschichtliche Strömungen und den aktuellen Stand der Dinge. Dieses Nachschlagewerk umfasst die Bereiche Westafrika, Südasien, Westeuropa, Mittlerer Osten sowie die internationalen muslimischen Organisationen (International Organization of Muslim Brothers, Popular Islamic Congress  – Khartum, World Muslim Conference, Muslim World League, Organization of Islamic Congress, World Council for Islamic Da’wah, International Islamic Federation of Students), Maghreb sowie einen weltweiten Überblick über die Zahl der Muslime in den einzelnen Ländern und einen Einzelband zum algerischen Islam.27 27 Im Einzelnen handelt es sich um: Stamer, Josef, Les tendances actuelles de l’islam en Afrique de l’Ouest, Dossiers de la C. R. R. M. Courants et mouvements dans l’islam contemporain 1, Rom 1992, Troll, Christian, Islam in South Asia: Facts, Movements and Trends, C. R. R. M. Reports Recent Trends and Movements in Islam 2, Rom 1992, Platti, Emilio, Tendances dans l’islam d’aujourd’hui: Europe Occidentale, Dossiers de la C. R. R. M. Courants et mouvements dans l’islam contemporain 3, Rom 1992, Donahue, John, Islam in the Middle East, C. R. R. M. Reports Recent Trends and Movements in Islam 4, Rom 1992, Michel, Thomas, 1991 Estimated

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Wie den Einleitungen zu entnehmen ist, wurden diese Dossiers einem nicht genauer bezeichneten Kreis zugesandt, sind auch insgesamt deutlich hauseigene Publikationen und dem Bereich der ‚grauen Literatur‘ zuzuordnen – offensichtlich dienten sie eher zur Information für einen Kreis von Entscheidungsträgern und waren nicht zu größerer Verbreitung gedacht, obwohl sie in einer 2004 erwähnten Publikationsliste (s. Anm.1 sowie unten) auftauchen. Unter anthropologischen Gesichtspunkten ist hier v. a. die Akribie zu betonen, mit der Informationen über das Gegenüber zusammengetragen wurden und die es nahelegt, dass Äußerungen und Entscheidungen wirklich auf einem Hintergrund von solider Information gemacht bzw. getroffen werden. Außerdem vermitteln diese Dossiers ein gutes Bild von der Vielfalt im Bereich der Muslime und des Islam, wie sie sich an ganz unterschiedlichen Orten der Welt und im Verlauf der Jahrhunderte entwickelt hat und noch entwickelt. Dies hier nachzeichnen zu wollen ist durch die Fülle äußerst komprimierter Einzelinformationen weder möglich noch angebracht, doch kann der Wert eines solchen Nachschlagewerks, erstellt von kompetenten Fachleuten mit einschlägigen (und auch deutlich spürbaren) Vorkenntnissen, wohl kaum überschätzt werden.

2.2.1. Sonderfall Algerien Eine Sonderstellung nimmt der Einzelband über Algerien ein, weshalb auf ihn auch eigens eingegangen werden soll. Vermutlich wurde er in dieser Form erstellt, weil die Situation in Algerien besonders spannungsreich war (und ja auch für die katholische Kirche besonders kritisch wurde, man denke nur an die Morde an deren offiziellen Vertretern) und ein Einzelband da analytisch mehr in die Tiefe gehen kann. Bei der Schilderung der einzelnen Strömungen des alMuslim Population of Various Countries, C. R. R. M. Reports Recent Trends and Movements in Islam 5, Rom 1992, Pruvost, Lucie, L’islam dans les cinq pays du Maghreb arabe, Dossiers de la C. R. R. M. Courants et mouvements dans l’islam contemporain 6, Rom 1993, Pruvost, ­Lucie, Tendances et courants dans l’islam algérien, Dossiers de la C. R. R. M. Courants et mouvements dans l’islam contemporain 7, Rom 1993. Die Erklärung zu Sinn und Zweck dieser Reihe findet sich jeweils am Anfang eines Dossiers, noch vor p. 1. Die in Anm. 1 erwähnte Publikationsliste zum christlich-muslimischen Dialog erwähnt diese Dossiers nicht, da sie offensichtlich in- oder halboffiziellen Charakter haben. (Die entsprechenden Publikationen werden aber beispielsweise von Francis Arinze der Synode der afrikanischen Bischofskonferenz empfohlen, so Arinze, Francis, In Promotion of Interreligious Dialogue in Africa, BPCDIR 87 (1994), p. 210.) An anderer Stelle aber beschreibt Khaled Akasheh diese Kommission, die seit 1974 existiert, als „‚think tank‘ for the study of questions arising from relations with Muslims“ (Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, BPCDIR 101 (1999), p.  218). Diese Formulierung hatte schon Michael Louis Fitzgerald benutzt, so Editorial, BPCDIR 81 (1992), p. 256. Diese Nummer des Bulletins wird größtenteils von drei Aufsätzen eingenommen, die sozusagen das Gegenstück im Kleinformat zu den eigenständigen Publikationen hier sind und sich nicht mit den aktuellen Trends in der islamischen Welt befassen, sondern mit dem Thema Harmonie und Konflikt.

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gerischen Islam wird teilweise auch darauf eingegangen, dass der Mensch zum Thema wird und wie. Entscheidend ist dies für die Gestalt des großen algerischen Denkers Malek Bennabi (1905–1973), der ansonsten schwer einer bestimmten Tradition zuzuordnen ist, vielleicht noch am ehesten eine gewisse Nähe zum islamischen Humanisten Mohammed Iqbal aufweist. Nach Bennabi muss der Islam seine ursprüngliche Dynamik wiederfinden, einen „homme intégral“28 hervorzubringen, der sein Handeln immer nach seinem Ideal und seinen Bedürfnissen ausrichtet und in der Gesellschaft seine doppelte Aufgabe als Akteur und Zeuge erfüllt. Dieser Mensch ist dann auch nicht mehr kolonisierbar, sozusagen eine Antwort auf das gesellschaftliche Trauma der Kolonialzeit. Parallel zu dieser wahren islamischen Tradition, nach der der Mensch umgestaltet werden müsse, sieht er allerdings die Erfahrung eines Descartes. Er tritt also ganz stark für die Autonomie der menschlichen Vernunft ein. Für die Bewegung des „juste milieu“29 dagegen, angesiedelt zwischen den Islamisten, die Islam und Herrschaft in eins setzen, und den Laizisten, die den Islam nur als Religion sehen wollen, geht es um das Gleichgewicht zwischen Religion und Welt, zwischen geistlich und zeitlich, und eben auch zwischen Glaube und Vernunft, zwischen Offenbarung und menschlicher Verantwortung. Nach deren Verständnis betont der Koran gerade letztere und schreibt nicht einfach ein politisches, wirtschaftliches oder juristisches System vor. Religion und Vernunft müssten miteinander versöhnt werden, ohne sie zu vermischen, was ja auch das Ziel der muslimischen Philosophen gewesen sei. Eine weitere Spielart dieser Fragestellung bieten die sogenannten Modernisten, die sich besonders für die Menschenrechte und da wiederum v. a. für die Gleichstellung der Frau mit dem Mann engagieren. Hintergrund ist, dass die Moderne als Trägerin universeller Werte gesehen wird, die die Geschichte der Menschheit hervorgebracht habe. Problematisch im Blick auf den Islam sind nicht die universellen Kategorien der Moderne an sich, sondern deren Formulierung in der westlichen Kultur. Problematisch im Blick auf den traditionellen Islam sind nicht nur oder weniger die Inhalte, sondern die Methoden. In der muslimischen Scholastik werde die Vernunft nicht geleugnet, aber an die Leine gelegt, und werde so zum Opfer von Worterklärung und Formalismus. So fordern die Reformisten keine Rückkehr zu den Quellen (Koran und Sunna), sondern eine Rückkehr zum Menschen als vernunftbegabtem Wesen. Ein schönes Beispiel dafür sei der Umgang mit der Frage der Menschenrechte. Eine typisch islamische Menschenrechtserklärung führe nicht nur das islamische Recht als Interpretationsgröße ein, sondern rechtfertige die Menschenrechte durch Zitate aus Koran und Sunna. Diese Art der Argumentation fällt im reformistischen Milieu weg. Man kann also hier von der Suche nach einem aufgeklärten Islam sprechen, der mit seinem geistlichen Erbe nicht bricht, es aber an die neuen ge 28 Pruvost, Tendances et courants dans l’islam algérien, p. 9, s.a. p. 7–8.10. 29 So das Kapitel ib., p. 15–18, das auf diese Bewegung eingeht.

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schichtlichen Bedingungen anpasst, aus denen die politischen und persönlichen Freiheitsrechte hervorgegangen sind. Die öffentliche Debatte um die Vorstellungen von individueller Autonomie würde verfälscht, wenn jemand dabei das Argument der göttlichen Autorität benutzen würde. Genau diese Vorstellung von den Rechten der Person steht im Zentrum der Debatte um Modernität. Der Kern dieser Vorstellung (verschiedene politische Rechte, Demokratie) wird als universelle Errungenschaft betrachtet, die über die Grenzen des Okzidents hinausgeht. Eine öffentliche Debatte über die Religionsfreiheit gibt es erst seit relativ kurzer Zeit. Die algerischen Modernisten fordern ganz klar das Recht zu glauben, nicht zu glauben und frei der Religion seiner Wahl anzugehören (gegen die traditionelle Schlussfolgerung, nach der Abfall vom Islam als todeswürdiger Verrat betrachtet wird). Sie berufen sich dabei eben nicht auf Sure 2,256, sondern auf die Vernunft und das Naturrecht und argumentieren damit.30 Es leuchtet hier deutlich auf, was alles daran hängt, wie von muslimischer Seite der Mensch, seine Möglichkeiten und Grenzen gesehen werden, und dass von einer einheitlichen Sichtweise nicht (mehr) gesprochen werden kann, dass sich im Gegenteil sehr unterschiedliche Sichtweisen bekämpfen, leider nicht nur mit den Waffen des Geistes und des Wortes. Das Dossier beschränkt sich auf eine strikte Darstellung der Situation, wie es seine Aufgabe ist, ohne irgendwelche Linien auszuziehen, doch ist es sicher interessant zu verfolgen, ob und mit welcher Gewichtung diese Art islamisch-anthropologischer Argumentation noch in weiteren Zusammenhängen auftaucht.

30 Nach ib., p. 18–24. Die französische Bezeichnung für aufgeklärten Islam lautet bezeichnenderweise „islam des lumières“ (p. 21). Diese Art der Argumentation ähnelt sicherlich mehr dem katholischen Standpunkt, wie ihn eine Äußerung von Kardinal Arinze bei einem christlich-muslimischen Treffen brillant wiedergibt: „Une personne raisonnable accepte que le pluralisme religieux est une réalité. Nous n’obtiendrons pas l’unité religieuse par la force: physique, psychologique, économique, politique, sociale ou quelle qu’elle soit. Cette unité forcée ne serait pas digne de la personne humaine. La religion doit être proposée et non pas imposée. … La violence utilisée pour défendre une religion est mauvaise. Dans un certain sens, le violent suppose que Dieu est faible et qu’il a besoin d’être défendu par l’extrémiste qui porte l’épée et le pistolet. Ceci est inacceptable. C’est une insulte à Dieu. (…) Le principe de la liberté religieuse doit être accepté par tous les croyants. Chacun doit être libre de toute contrainte dans le domaine de la conscience et de la religion, de sorte qu’une personne, en tant qu’individu ou membre d’un groupe, puisse adorer Dieu selon ses convictions. Ceci inclut le droit de changer de religion“, zitiert nach Baltimore, Secrétariat pour les Relations avec l’Islam: Lettre n° 51 (nov. 1995). Mit dem Thema der Menschenrechte im Islam grundsätzlich beschäftigt sich beispielsweise­ Honecker, Martin, Religion und Politik: Zur Geltung der Menschenrechte in Christentum und Islam, in: Busse, Heribert/Honecker, Martin (Hrsgg.), Gottes- und Weltverständnis in Islam und Christentum, EZW-Texte 123, Stuttgart 1993, S. 15–27.

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2.3. Gemeinsames Gebet – mit Einschränkungen Ein Thema der späteren Reflexionen des Gremiums war u. a. die Frage nach dem gemeinsamen Gebet mit Muslimen, basierend auf einer Studie, die der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog durchgeführt hatte. Joseph Stamer fasst die wichigsten Elemente in einem Artikel in Pro Dialogo zusammen. Da Gebet ein eher theologisches Thema ist, können und sollen hier nicht die Überlegungen als ganze wiedergegeben werden, sondern nur, insoweit sie die menschliche Ebene betreffen. Die erste davon ist, dass bei solchen Überlegungen und Entscheidungen immer der Kontext möglichst genau zu berücksichtigen ist. So gibt es beispielsweise eine Tendenz, dass sich besonders die gewaltsamen Konflikte in Gebetstreffen für den Frieden niederschlagen, angefangen mit Assisi 1986. Was weiterhin ganz praktisch auffällt, ist, dass die Muslime anscheinend selten die Initiative zu solchen gemeinsamen Gebeten ergreifen. Es gibt ja auch durchaus Unterschiede im Gebetsverständnis – muslimisches Gebet ist eben viel weniger persönlich und es hat, durch die Ausrichtung auf Mekka, eine starke Gemeinschaftsdimension. Christliches Gebet dagegen sieht der Autor sehr auf die Eucharistie konzentriert. Was die Volksfrömmigkeit auf beiden Seiten angeht, so gebe es hier noch ein großes Feld unerforschter Gemeinsamkeiten. Außerdem sei bemerkenswert, dass die ersten Muslime keine Scheu hatten, ihr rituelles Gebet auch an christlichen Kultorten zu verrichten, trotz Statuen, Ikonen etc., im Anschluss an Sure 22,40b – was allerdings von den späteren Korankommentaren eingeschränkt wurde. Umgekehrt beteten auch die Christen in der Moschee des Propheten in Medina. Darüberhinaus werden die Muslime aufgefordert nach dem Vorbild Abrahams auch für die Ungläubigen Fürbitte zu tun. Vom gemeinsamen Gebet ist allerdings in muslimischen Quellen nicht die Rede. Die Schlussfolgerung Stamers ist, dass ein offizielles und liturgisches gemeinsames Gebet nicht möglich sei. Es täte der christlichen Identität Gewalt an. Außerdem dürfe, gerade für Kinder und mangelhaft unterwiesene Christen, die Gefahr der Verwechslung und des Synkretismus nicht unterschätzt werden. Trotzdem bleibe auch festzuhalten, dass jedes wahre Gebet nicht christlicher oder muslimischer Initiative entspringe, sondern dem Geist Gottes. Es sei auch klar, dass ein gemeinsames Gebet allen Dialoginitiativen eine spirituelle Dimension verleihe – es konzentriere den Dialog auf das Wesentliche, auf Gott und auf die gemeinsame Suche nach seinem Willen. Von daher sieht die genannte Umfrage offiziell organisierte Gebetstreffen bei der Feier nationaler oder internationaler Ereignisse vor und auch bei christlich-muslimischen Begegnungen. Warum nicht Sorgen, von denen man gemeinsam betroffen ist, in die Hände dessen legen, der der Friede ist. Vor dem Gebet miteinander stehe allerdings das Gebet füreinander. Des weiteren müsse man die Situationen vorher bedenken, um einige Regeln pastoraler Vorsicht festzulegen. Was beispielsweise Schriftlesungen angehe, so könne man

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besonders auf die Psalmen zurückgreifen, die so etwas wie ein gemeinsames Erbe darstellten. Der heikelste Bereich sei dagegen die Verwendung von Gesang und Musik. Was unbedingt zu verhindern sei, ist, dass das regelmäßige gemeinsame Gebet zwischen Christen und Muslimen andere Gebetspraxis ersetze, wie das manchmal im Schulbereich oder bei jungen Leuten vorkomme. Der Beitrag­ Stamers ist schlussendlich eine Aufforderung zu mehr Spiritualität, wie sie ja von beiden Seiten gefordert wird. Im Anschluss an Paul VI (Ecclesiam Suam) schließt Stamer: „Il y faut la clarté et la douceur, il y faut la confiance et la prudence.“31 Trotz aller Zurückhaltung wird die Frage, die das Dokument stellt, „Prier avec les musulmans?“32 mit einem eingeschränkten Ja beantwortet. Sowohl das Ja als auch die Einschränkungen können als Orientierungshilfe in der Praxis dienen.

2.4. Politik (und Recht): Einblicke in islamische Anthropologie Die nächste größere Publikation dieses Gremiums, Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien ist ein Sammelband und umfasst die Ergebnisse der Arbeit der Jahre 1995–1999. Diese konzentrierte sich v. a. auf die Frage der Politik, die sich schon vorher als Dauerbrenner von höchster Wichtigkeit im christlich-muslimischen Dialog herauskristallisiert hatte. Im Vordergrund stehen v. a. Länder, in denen Muslime eine Minderheit sind, und der Sonderfall der mehr oder weniger laizistischen Türkei, doch die inneren Parallelen zu Algerien (s. o.) sind mehr als deutlich. Alles läuft auf die Autoritätsfrage hinaus: Welche Autorität steht Gott zu und welche Autorität dem Menschen als Einzelnem bzw. Kollektiv (Volk) in Fragen der Gesetzgebung und Gestaltung der Gesellschaft und des eigenen Lebens? Darf es für einen Muslim überhaupt eine parallele Autorität zu der göttlichen geben, hat der Mensch also einen gewissen Ermessensspielraum und in welchen Bereichen und unter welchen Umständen, oder ist der muslimische Mensch (und damit nach muslimischem Verständnis der Mensch schlechthin) defektiv in seinen Lebensvollzügen, wenn seine Autorität der göttlichen Autorität nicht völlig nachgeordnet ist? Diese Fragen und die Antworten darauf werden selten so direkt anthropologisch formuliert, sondern eben politisch oder noch genauer juristisch. Hinter den detailreichen Antworten, die eine wahre Fundgrube sind für alles, was es an Entwicklungen in Geschichte und Gegenwart gegeben hat, steckt aber doch ein theologisch-anthropologisches Grundkonzept: Wie der Mensch im Verhältnis zur göttlichen Autorität gesehen wird, bestimmt, was er konkret darf und soll oder eben nicht. Das Maß an Freiraum, das mit der göttlichen Autorität als vereinbar angesehen wird, ist durchaus unter 31 Stamer, Joseph, Pier avec les musulmans?, BPCDIR 96 (1997), p. 370, zu den Aussagen vorher s. p. 357–369. 32 Ib., p. 357 (Hervorhebungen entfernt).

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schiedlich, vor allem, aber nicht nur in der Moderne (eine erneute Parallele zum algerischen Fall), und mitunter von einem politisch-juristischen Pragmatismus, der zumindest in den Augen eines Christen weit entfernt ist von der gewohnten theologischen Anthropologie. Der Sammelband selbst gliedert sich grob in drei Abschnitte, von denen der erste mehr grundsätzlichen Charakter hat, der zweite einschlägige Artikel des Journal of (the Institute of) Muslim Minority Affairs (abgekürzt JMMA oder JIMMA) wiedergibt und der dritte und letzte sich auf verschiedene lokale Situationen konzentriert. Auch hier tritt wieder der Charakter nicht mehr ganz so sehr des Nachschlagewerks, aber doch eines Werkes mit gezielter und hoch konzentrierter Information entgegen, das dem Leser viel anderweitige Lektüre erspart, soweit ihm die verarbeitete Literatur und sonstige Information überhaupt zugänglich gewesen wäre.

2.4.1. Die politischen Grundsatzfragen im Islam 2.4.1.1. Die große Streitfrage: Wieviel Souveränität darf der Mensch haben? Den Auftakt macht eine Gegenüberstellung oder vielmehr Verzahnung von koranischen Autoritätskonzepten mit der aktuellen nordamerikanischen Wirklichkeit der dort lebenden muslimischen Minderheit. Ausgangspunkt für diese Minderheit ist die Tatsache, dass sie sich im Bereich der öffentlichen Institutionen an die Werte von anderen anpassen mussten, seien diese nun akademisch oder sozial oder kulturell. Dies reicht von Kleidungsfragen bis hin zu Fragen der biomedizinischen Ethik, und wirft u. a. Probleme in der Frage der Erziehung auf. Auf der theoretischen Ebene ist man sofort bei der Frage, wem gegenüber ein Muslim nun verantwortlich ist und ob verschiedene Autoritäten überhaupt in einen muslimischen Rahmen passen. Schließlich ordnet der Islam ja das ganze menschliche Leben, und die Politik ist dazu da, die dazu passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Auf diesem Hintergrund werden dann einzelne Koranstellen (v. a. Sure 4, 59 u. 5,44–48) und gerade auch deren Interpretationen daraufhin befragt, wie sie Autorität definieren und wem und in welchen Dingen ein Muslim gehorchen muss. Fundamental für den Islam gerade im politischen Diskurs ist dabei (Sure 5,44–48), dass Autorität darauf basiert, dass Souveränität allein Gott zukommt und er allein der Gesetzgeber ist. Wenn also in einem politischen System der Mensch (das Volk) der Souverän ist, so steht dies in diametralem Gegensatz zum islamischen Grundkonzept. Weiterhin wird das von islamischer Seite heute oft so definiert, dass das islamische Recht Basis des Gesetzessystems sein muss, wobei es auch möglich wäre, dass Tora oder Evangelium diese Rolle übernähmen. Es ist erstaunlich, wie oft in der Auseinandersetzung um die Interpretation der Name des Hanbaliten Ibn Taymiyyah fällt, dessen Gedankengut einen großen Einfluss auf die muslimischen Reformer, auch auf durchaus radikale, hat. Auf ihn geht die Behauptung zurück, der Islam sei inhärent theokratisch. U. a. auf ihn beruft sich ein Pamphlet, das als das ideologische Manifest der Mörder Anwar al-Sadats

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eingestuft wird: Wenn die Herrschaft muslimischer Herrscher sich auf ein Gesetzeskorpus stützt, das Ungläubige geschaffen haben, dann werden ihre Handlungen als Herrscher zum Abfall vom Islam und sie selbst zu Ungläubigen. Und wenn ein islamischer Staat nicht ohne Krieg zu errichten sei, dann sei auch dieser Krieg eine Pflicht für den Gläubigen. Traditionell galt diese Stelle als strikt historisch und wurde gar nicht oder völlig anders (Gottes-, keine Menschenfurcht als Führungsqualität) auf spätere muslimische Herrscher bezogen und auch immer als Belegstelle dafür benutzt, dass der Islam der Ausgleich sei zwischen der Vergeltungsgerechtigkeit des Judentums und der übertriebenen Spiritualität des Christentums. Summa summarum gibt es also wieder viele verschiedene islamische Konzepte von Autorität. Die entscheidende Frage ist, wie mit konkurrierenden Autoritätsansprüchen umgegangen wird. Der Koran gibt dabei nur den ideologische Kontext vor, aber der steht in klarem Widerspruch zu den Modellen des demokratischen Säkularismus, die heute vorherrschen. Aber es gibt eben auch den oben schon angedeuteten Ansatz, das islamische Recht müsse auch die historische und die jetzige menschliche Erfahrung mit einbeziehen. Und so bleiben der Autorin am Ende zwei Dinge festzustellen: Muslimische Abhandlungen zum Thema gehen insgesamt immer noch von einer muslimischen Mehrheit aus und Einheitlichkeit gibt es nicht.33 33 Zur allgemeinen Einordnung s. Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 9 u. Akasheh, Khaled, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités novembre 1998–octobre 2001, BPCDIR 109 (2002), p. 98 f (Er gibt dort Auskünfte über Zusammensetzung und Arbeitsstrukturen der Kommission, so z. B., dass sie sich aus acht Beratern zusammensetzt, die ein Mandat für fünf Jahre haben und möglichst aus allen fünf Kontinenten kommen sollen und sich offensichtlich in der Regel jährlich treffen; es gab auch Pläne zur Bearbeitung anderer Themen, z. B. die Re-lecture der Geschichte des christlich-muslimischen Dialogs um die Heilung der Gedächtnisse zu fördern im Blick auf das große Jubiläum von 2000 oder Dokumentationen zum Dialog, um das Christentum den Muslimen nahezubringen. Die neue Kommission, die seit 2000 im Amt ist, hat entschieden, zum Thema Religionsfreiheit zu arbeiten; die Ergebnisse sollen auf Englisch und Französisch und eventuell auch auf Arabisch veröffentlicht werden, wobei im Mai 2001 immerhin schon sechs Exposés vorlagen und die generelle Gliederung des Buches besprochen werden konnte: Im ersten Teil soll es um eine theoretische Annäherung an das Thema gehen, im Islam, auf internationaler Ebene und in den USA, die einen Sonderfall darstellen, im zweiten Teil um die konkreten Anstrengungen zur Kontrolle der Religionsfreiheit, zunächst auf internationaler Ebene, dann an drei Ländern mit ganz unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen, nämlich Pakistan, Nigeria und Frankreich. Eventuell wollte man in einer späteren Phase auch Muslime um ihre Mitarbeit bitten.), sonst s. McAuliffe, Jane Dammen, Rendering Allegiance to the Word: Qur’ânic Concepts and Contemporary North American Concerns, in: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 14–16.23–25. 28–36. Interessant zwar nicht für die Politik, aber für den Stil des Dialogs ist folgende Aussage p. 27: „But despite assessing the activity of debate negatively, the Qur’ân nevertheless engages in it constantly. This frequently forensic character constitutes a large part of its rhetorical power and it shapes the context and contours of subsequent intellectual and cross-cultural engagement.“

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2.4.1.2. Wieviel Spiritualisierung des islamischen Gesellschaftsmodells ist möglich? Der nächste Beitrag beschäftigt sich mit der göttlichen Herrschaft und ihrer Aufrichtung aus der Perspektive Südasiens. Genauer gesagt geht es um einen Streit darum zwischen dem einflussreichen Maulânâ Sayyid Abû’l A’la M ­ awdûdî, der erst den Rahmen für die moderne Diskussion um solche Begriffe wie islamische Revolution, islamischer Staat, islamische Ideologie geliefert hat, und seinem ehemaligen Anhänger Maulânâ Wahîduddîn Khân, einen sehr grundsätzlichen Streit, der allerdings nie wirklich ausdiskutiert wurde. Die Streitfrage ist, wo der Schlüssel zum Verständnis von Religion (dîn) im islamischen Sinn liegt und welche Folgen für die muslimische Gemeinschaft sich daraus notwendigerweise ergeben. Für Mawdûdî liegt dieser Schlüssel in der Ordnung, im System des Lebens (nizâm), alle anderen Werte wie Glaube, Unterwerfung (islâm), Gottesfurcht und gute Werte sind nur die moralische Basis dafür. Für Wahîduddîn dagegen ist diese Haltung verfehlt und im Bruch mit der Tradition, weil sie einen Teil und eine Folge zum Ganzen erkläre. Das Ganze aber sei die Religion als Beziehung zwischen Gott und seinem Diener, in der es um wesentlich mehr gehe als nur um Gehorsam gegenüber Gott. Die genannten Werte seien nur Ausdruck dieser sich vertiefenden Beziehung. Wahîduddîn gebraucht in diesem Zusammenhang viele drastische anthropologische Vergleiche: Das sei wie den Menschen nur als soziales Wesen zu begreifen ohne seine Seele zu erfassen, einen Menschen nur von hinten, also ohne sein Gesicht zu fotografieren und schließlich aus einem Vorbeter für jede Gebetsversammlung einen Führer für die gesamte Welt zu machen. Der Unterschied ist deutlich und folgenreich: Geht es um einen Schwerpunkt von Religion auf Gott und den letzten Dingen, um eine Beziehung von Herz und Geist mit Gott, die ganz automatische Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen hat und dazu führt, dass der Mensch seinen freien Willen Gott unterordnet und Gottes Gebote befolgt, oder geht es um Religion als ein neues System des Lebens durch einen revolutionären Systemwechsel, wie es ihn eigentlich in der islamischen Geschichte, behauptet Wahîduddîn, bisher nicht gegeben habe? Auch für ihn ist die Religion eine göttliche Ordnung, doch eben nie nur von außen. Sie ist der Vollzug der menschlichen Natur. Von daher könne man auch die Ordnung (nizâm) nicht so undifferenziert sehen wie Mawdûdî das tue. Es gebe Essentielles und Zusätzliches, das mit den Dingen des äußeren Lebens zu tun habe und nicht generell zum Tragen komme. Eigentlich sind sich beide wenigstens einig, dass Muslime zum Erreichen ihrer Ziele keine Gewalt anwenden sollten, aber während Wahîduddîn an diesem Punkt sehr streng ist und betont, Gewalt bei der Umsetzung von Angelegenheiten des Glaubens und des Gottesdienstes sei nur in Bezug auf Muslime zu dulden, ansonsten sei Zwang in der Religion vom Koran streng verboten, hat Mawdûdî da eine ganz andere Argumentation parat. Nach seiner Auffassung ist die Ablehnung des islamischen Rechts Gesetzesbruch und Revolte und wahre Gläubige hätten die Aufgabe, diesen rebellischen Widerstand zu

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brechen. Guter Rat genüge normalerweise nicht, man brauche schon Gewalt und Krieg, um an die Regierung zu kommen. So wird die Religion praktisch gleichbedeutend mit einem totalitären Staat mit Gott an der Spitze, in dem für die Selbstbestimmung des Menschen oder auch für die Herrschaft eines Menschen über einen anderen kein Platz mehr ist. Die beiden unterschiedlichen Auffassungen lassen sich nun auf die verschiedensten Koranstellen anwenden, mit je völlig unterschiedlichem Ergebnis. Folge man der Haltung von Mawdûdî, so Wahîduddîn, gewinne die sozialpolitische Aktion die Vorherrschaft über die innere, geistliche Dimension des Islam und es gebe mehr Ideologie als geistliche Tiefe. Es zähle nur noch der Kampf um Überlegenheit und Macht und die Folge sei eine extremistische Haltung, mit einem Unwillen, aktiv zu einem friedlichen und gerechten Zusammenleben in pluralistischen und säkularen Gesellschaften beizutragen. So glatt und schön, wie es nun scheinen mag, ist allerdings auch der Entwurf von Wahîduddîn nicht und es ist das Verdienst des Beitragsautors, auf drei große Schwachstellen hingewiesen zu haben: Eine besteht darin, dass Mohammed selbst Sure 9,32 f sehr wohl als Aufforderung verstanden hat, Krieg zu führen, um die Überlegenheit des Islam durchzusetzen, den Polytheismus auszuradieren und die Religionen der Völker des Buches zu unterwerfen – von der Liquidierung politischer Feinde zum Wohl der muslimischen Gemeinschaft hier noch gar nicht zu reden. Und Mohammed sei eben das geistliche und praktische Vorbild der Muslime. Eine weitere Schwachstelle liegt in einer Unklarheit der Argumentation bei Wahîduddîn selbst. Auch er spricht davon, dass man sich für die Religion einsetzen müsse in einer Konfrontation zwischen Religion und Nicht-Religion, wenn auch nicht als eigentliche Aufgabe und Hauptwerk. Es bleibt aber offen, welche Situation damit gemeint ist und ob z. B. Nicht-Religion als Säkularismus zu verstehen ist. Die letzte Unklarheit bezieht sich auf etwas, das kaum angesprochen wird, nämlich die Frage der Menschenrechte und der Gleichberechtigung in einer umgekehrten Situation, mit muslimischer Mehrheit und nichtmuslimischen Minderheiten. Was er hier andeutet, lässt darauf schließen, dass in diesem Fall Gewalt zur äußeren Durchsetzung des Guten und Verhinderung des Bösen doch erlaubt ist.34 So zeigt sich auch hier, dass der Islam eben doch eine verhältnismäßig konkrete Vorstellung davon hat, was es im Einzelnen auch für die Gesellschaft bedeutet, dass Gott der absolute Herr ist und der Mensch ihm untergeordnet und gehorsam, und dass diese Vorstellung schwer zu spiritualisieren ist, nicht für eine muslimische Minderheit und eher noch viel weniger für eine muslimische Mehrheit.

34 Nach Troll, Christian W., Divine Rule and Its Establishment on Earth: A Contemporary South Asian Debate, in: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 37–52.

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2.4.1.3. Pluralismus und Laizität – viele offene Fragen Der letzte der eher grundsätzlichen Artikel beschäftigt sich mit dem Sammelband Pluralisme et laicité, Chrétiens et musulmans proposent, der allerdings zur Frage der Anthropologie nicht allzu viel auszutragen scheint. Aber im Abschnitt über Islam gibt es eine Äußerung, die fast wie ein Kommentar zu dem oben ausgeführten Ideen von Mawdûdî klingt: Das Problem des modernen Islam sei, dass er die Pyramide auf den Kopf stelle, d. h., eine Reformation wolle, die nicht wie bei Luther von der Basis ausgehe, sondern vom Kopf, von der Spitze, von den Politikern und Religionsführern – das könne nicht klappen. Aber ein System mit dem Islam als Staatsreligion sei sehr gut vorstellbar, wenn ein Pluralismus innerislamischer Interpretationen und die Akzeptanz der anderen, also eine gewisse Form des Säkularismus gegeben sei. Wie das allerdings konkret aussehen und v. a. durchgesetzt werden könnte, dazu wird nichts gesagt, was sehr schade ist, ebenso wenig wie zu der zitierten Behauptung, der moderne Staat stehe in keinerlei Kontinuität zu anderen politischen Formen, sondern sei eine Kirche in anderer Form.35 Ließe sich diese Behauptung erhärten, so hätte das direkte Auswirkungen auf die oben genannte Autoritäts- und Loyalitätsfrage, der die Muslime gegenüberstehen. Doch eine Andeutung in diese Richtung, geschweige denn eine Erörterung dieser Frage unterbleibt, so dass dieser Artikel deutlich gegenüber den beiden ersten abfällt.

2.4.2. Perspektiven des Journal of Muslim Minority Affairs Der folgende Abschnitt befasst sich mit muslimischen Minderheiten aus deren eigener Perspektive und zwar konkret in Europa (ohne Russland) und in Westafrika. Interessant ist auch, dass beide Artikel die relativ große Neutralität des Journal of (the Institute of) Muslim Minorities’ Affairs betonen, auf dem sie basieren, sichtbar daran, dass dort auch nichtmuslimische Autoren schreiben, aber auch an inhaltlichen Details. Sie wird dem verstorbenen früheren Herausgeber Syed Zayn al-Abidin zugerechnet, der sehr stark dafür eintrat, Muslime könnten als Minderheit komfortabel leben, solange gewisse Minimalbedingungen gegeben seien. 2.4.2.1. Muslimische Minderheiten in Europa: Plädoyer für einen europäischen Islam Im oben genannten Sinn, so Michael Fitzgerald in seinem Artikel, würde die Zeitschrift einen europäischen Islam unterstützen, was auch mit der Gesamtschau der zum Thema Europa durchgesehenen Artikel übereinstimme: Es gebe kaum 35 S. Blockhausen, Denise, Pluralisme et laicité, dans: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 54–57.59.

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rein politische Forderungen, sondern es gehe um zufriedenstellende Lebensbedingungen im Blick auf Arbeit, Erziehung, religiöse und kulturelle Äußerungen. Sieht man sich einzelne Länder etwas genauer an, so machten sich die Immigrantensituation und die daraus folgenden Diskriminierungen, z. B. schlechte Wohnverhältnisse, besonders in Skandinavien und Deutschland bemerkbar. Muslime in Deutschland – in vieler Hinsicht ein Sonderfall Deutschland nimmt insgesamt verhältnismäßig breiten Raum ein, da, zumindest für den von den Artikeln abgedeckten Zeitraum, die Arbeitsmarktsituation für Muslime dort schlechter war als in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden. Außerdem waren die Muslime in Deutschland nur Gastarbeiter, was zu unangemessener Unterbringung, Diskriminierung bei den Löhnen und Nichtberücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse bei der Erziehung (Unterricht in Deutsch, Muttersprache, Islam) führte. Von daher die Forderungen nach einer Intervention der Regierung zum Schutz vor Ausbeutung und Diskriminierung und für eine angemessene Sprech-, Schreib- und Berufsausbildung, denn das allgemeine Problem der Muslime in Deutschland seien schlechtes Deutsch und mangelnde Vertrautheit mit dem deutschen Rechtssystem. Interessant ist, dass nur im Zusammenhang mit Deutschland eigens auf die Situation der muslimischen Frauen eingegangen wird. Solche Dinge wie Sport zusammen mit Männern seien ihnen nicht erlaubt, deshalb konzentrierten sich ihre Freizeitaktivitäten v. a. auf Fernsehen, Videos und Zeitschriften. Arrangierte Ehen und die drohende gewaltsame Bestrafung von sexuellen Übertretungen führten zu einem hohen Anteil von Frauen mit psychischen Störungen bzw. dazu, dass diese Frauen sich zu deutschen Institutionen flüchten. Auch wird von Deutschland hervorgehoben, es sei ein säkularer, aber kein säkularistischer Staat und sei optimal zum Überleben für die Diaspora – eventuell hätten die Muslime dort sogar mehr persönliche und politische Rechte als in muslimischen Ländern üblich. Muslime in England – am Ende doch nicht akzeptiert? Was England angeht, so zeigen sich deutliche Parallelen zu Nordamerika: Vordringliches Anliegen der Muslime ist die Erziehung in einem Umfeld, das moralische Werte hochhält und die Religion respektiert, damit junge Muslime ein positives Selbstbild entwickeln könnten. Konkreter geht es darum, dass es innerhalb des staatlichen Systems islamischen und muttersprachlichen Unterricht geben sollte und nach Geschlechtern getrennte Schulen. In den Augen der Muslime ist seit dem Education Reform Act von 1988, der vorschreibt, dass Schulversammlungen und Programme zur religiösen Erziehung v. a. christlich sein sollten, um die Kultur des Umfelds wiederzugeben, der Assimilationsdruck gewachsen, und dem wird u. a. damit begegnet, dass sie von ihrem Recht auf Rücktritt z. B. auch vom Unterricht in Sexualkunde, Musik und Tanz Gebrauch machen. Insgesamt stuft die englische Gesellschaft die muslimischen Besonderheiten bzgl.

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Kleidung, Essen, Gottesdienst, Begräbnis als abweichendes Verhalten ein, was zu rassistischen Reaktionen führen kann, gegen die es in England kein spezifisches Gesetz gibt. Diese Erfahrung deckt sich mit dem generellen Eindruck von Muslimen, die denken, dass Muslime in Europa nie ganz willkommen sind, egal, was sie dafür tun. Muslime in den Niederlanden – Integration in das Säulensystem Dies könnte aber auch damit zusammenhängen, dass sie das System eines bestimmten Landes nicht verstehen wollen und deshalb separatistische Tendenzen entwickeln, wie dies beispielsweise in den Niederlanden der Fall ist. Dort ist der Islam in das sog. Säulensystem integriert und die Muslime bekommen Hilfen als Minderheit, aber eben nicht als Muslime – was sie aber möchten, ganz abgesehen von noch höherer finanzieller Unterstützung für Moscheebau oder islamischem Religionsunterricht beispielsweise auch an christlichen Schulen oder islamischen staatlichen Feiertagen. Umgekehrt werden die Moscheeschulen von den Niederländern sehr kritisch gesehen: Sie seien Brutstätten des Fundamentalismus. Muslime in Europas Südwesten – keine Besonderheiten In Frankreich geht es auch um die islamische Identität muslimischer Kinder, doch sind, bedingt durch das dortige System, die Forderungen anderer Art und konzentrieren sich eher auf Gebetsräume und Moscheen. Sehr interessant ist die muslimische Aussage, Frankreich müsse aufhören, sich als jüdisch-christliche Gesellschaft zu sehen. Auch Portugal und Spanien passen ganz gut in das Gesamtbild. Die islamische Gemeinde von Lissabon hat sich sogar vorgenommen, freundschaftliche Beziehungen zu anderen religiösen Gruppen zu fördern. Die Muslime in Spanien haben einen durchschnittlichen bis ziemlich hohen kulturellen Hintergrund und sind bezüglich der spanischen Gesellschaft gespalten: Einige Sufis betrachten sie als widergöttlich (kufr), die anderen nicht. Insgesamt aber soll eine Zusammenarbeit mit der spanischen Regierung zur Anerkennung der bürgerlichen Rechte der Muslime bzgl. Erziehung, Heirat, Steuern und Militärdienst führen. Muslime in Griechenland – eine christliche ‚islamische‘ Welt Die Situation in Griechenland dagegen erinnert in manchem an die traditionelle islamische Welt, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Offiziell besitzt die türkische Minderheit die griechische Staatsbürgerschaft und genießt Minderheitenschutz, doch es gibt viele Einmischungen des Staates in religiöse Angelegenheit, z. B. Moscheebau. Die griechischen Muslime fordern Zugang zu den Medien, Schutz für ihre Baudenkmäler und Aufhebung der Reisebeschränkungen. Spezielle Schwierigkeiten hat noch die Gruppe der bulgarisch sprechenden Muslime, weil sie als Minderheit über mehrere Länder verstreut ist, und solche Minderheiten allgemein als Gefahr für die nationale Einheit gesehen werden.

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Muslimische Minderheiten in Osteuropa – erste Einblicke in eine schwierige Situation Eine Sondersituation stellt Osteuropa dar, da es zum Zeitpunkt der zitierten Untersuchungen noch sehr vom Kommunismus geprägt war und neutrale Informationen nicht immer erhältlich waren. Wirklich gut für Muslime sei nur die Situation in Polen gewesen. Bezüglich Bulgarien sind die erhältlichen Informationen umstritten, z. B. wurde von offizieller Seite vehement bestritten, dass es erzwungene Namenswechsel gegeben habe. Es lässt sich aber rekonstuieren, dass es ab 1946 für die muslimische Minderheit ständig bergab ging: Ihre Schulen wurden geschlossen und dafür atheistische Erziehung in den staatlichen Lehrplan aufgenommen. Ab 1958 setzte massive antimuslimische Propaganda ein: Beschneidungen und muslimische Begräbnisse, der Ramadan, die Wallfahrt und die islamischen Feste wurden verboten und Hochzeiten nach islamischem Recht nicht mehr anerkannt. Was aber am meisten Widerstand bei den Muslimen hervorrief, war die Tatsache, dass offizielle Schreiben nicht anerkannt wurden, wenn sie mit einem muslimischen Namen unterzeichnet waren – wie auch im Nachhinein zugegeben wurde. Nun wollen die Muslime ihre alten Namen zurück und praktische Religionsfreiheit. Einen noch größeren Sonderfall stellt das ehemalige Jugoslawien dar, wobei auf den Bürgerkrieg dort nicht eingegangen wird, obwohl er die Brisanz dieser Fragen am deutlichsten zeigt. Betroffen sind zwei Teilregionen, Kroatien und Bosnien. Die kroatischen Muslime sind v. a. deshalb bemerkenswert, weil sie eine Reihe christlicher Bräuche und Praktiken übernommen hatten, also Alkohol tranken und Schweinefleisch aßen und ihre Frauen auch nichtmuslimische Männer heiraten ließen. Die bosnischen Muslime waren froh, dass sie im jugoslawischen System den Platz einer separaten Nationalität hatten, auch wenn weitere Forderungen von ihrer Seite auf heftige Gegenreaktionen stießen. Ihr Problem war, dass Bosnien seit 1918 von den Serben dominiert war. Smail Balić, selbst bosnischer Herkunft, hat den Islam seiner Heimat als liberal beschrieben. Sie hätten grundlegende menschliche Werte hochgehalten und statt des islamischen Rechts Familienwerte vertreten, die für sie islamisch waren: Bescheidenheit, eine respektvolle Haltung zwischen Mann und Frau, Gehorsam und Respekt der Kinder gegenüber ihren Eltern. Diese Muslime wollten keinen islamischen Staat (im Gegenteil, hier waren einmal die Muslime die Führenden, was Demokratie, Moderne, Pluralismus und Säkularisation angeht), das wurde ihnen nur von den Serben unterstellt. Trauriges Ergebnis: „In Bosnia there was an Islam belonging geographically, historically and culturally to Europe, yet the rest of Europe had difficulty in accepting it.“36 36 Fitzgerald, Michael [Louis], Muslims in Europe, in: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-­chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 77, sonst auch nach p. 63–76.78. Dass es über dieses reflektierende (und natürlich das päpstliche Engagement in diesem Bereich) noch ein zumindest indirektes Dialog­

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2.4.2.2. Muslimische Minderheiten in Westafrika – einige schwierige Fragestellungen Ganz anders, schon von der Geschichte her, stellt sich die Situation der muslimischen Minderheiten in Westafrika dar. In diesem Bereich ist auch die Objektivität des Journals laut Autor nicht ganz so gegeben, sondern eine gewisse Glorifizierung der Vergangenheit gegenüber der Zeit der Kolonisation ist festzustellen, auch wenn die Islamisierung im großen Stil in dieser Region erst während der Kolonialzeit erfolgte, aber dies passt eben nicht in das grundlegende islamische Schema, in dem Religionsfreiheit sich direkt gegen die islamische Ordnung wendet. Die allgemeine islamische Lesart, die Kolonialzeit habe für traditionelle Religion und Islam gleich destabilisierend gewirkt, außerdem hätten v. a. die Einheimischen die von den Kolonisatoren gebrachte Religionsfreiheit nicht richtig angewendet und deshalb sei der Islam gegenüber den christlichen Missionen benachteiligt worden, wirkt auch hier etwas nach, wenn auch längst nicht so pauschal wie sonst. Zudem fehlen einige Länder (Benin, Burkina Faso) völlig, während Nigeria ab 1988 die Debatte monopolisiert und auch völlig politisiert. Die Frage nach den soziologischen Problemen und denen des Zusammenlebens verschiedener Gemeinschaften fällt damit völlig weg. Außerdem werde kaum auf die Unterschiede zwischen frankophonen und anglophonen Ländern eingegangen. Die Frage, warum in ersteren, selbst wenn die Muslime zahlenmäßig in der Mehrheit sind, die Eliten des Landes und auch die meisten religiösen Führer so für den säkularen Charakter der politischen Institutionen eintreten und versuchen, dem einen positiven Sinn zu geben, bleibt völlig offen. Trotzdem und engagement in Bosnien gab, zeigt ders., Sarajewo: A Christian-Muslim Colloquium, 13 November 1999, BPCDIR 103 (2000), p. 83–84. Was die Niederlande angeht, so zeigt der Artikel von Machado, Felix A[nthony], A Summary of Reports by the Members: Interreligious Dialogue Promoted by the Church, BPCDIR 109 (2002), p. 129, dass die niederländischen Bischöfe sich mit Blick auf die kircheneigenen Schulen durchaus Gedanken machen, wie die Schüler mehr (und auch mehr Respekt) bzgl. anderer Religionen lernen könnten – in der Hoffnung, dies werde sie motivieren, auch mehr über den eigenen Glauben zu lernen. Über die allgemeine Situation von Nichtchristen und eben v. a. Muslimen in Europa hatte man sich, in Zusammenarbeit mit einem Vertreter des ÖRK, schon Mitte der siebziger Jahre befasst auf einer Spezialistenkonferenz vom 13.–14.3.1974 in Luxemburg. Auch hier wurde der Unterschied zwischen der Situation im (damals noch existenten) Jugoslawien, wo die Muslime als ehemalige Christen sich bewusst im Gegensatz zu den Christen sähen, und der Situation der Arbeitsmigranten im übrigen Westeuropa unterschieden. Für letztere gelte, dass sie von den mit ihnen befassten Organen in der Tendenz als religiöse Menschen mit eigenen Werten gar nicht wahrgenommen würden, sondern dass nur ihre wirtschaftliche und politische Situation gesehen werde. Interessant ist auch, dass man damals damit rechnete, dass die wirtschaftliche Situation zu einem Rückgang der Immigration führen würde, dass aber trotzdem eine gewisse Zahl für immer bleiben werde. Die Bildung einer unabhängigen Islamkommission im Sekretariat und das generelle Weiterverfolgen des Themas auf den verschiedensten Ebenen, am besten ökumenisch und mit Muslimen, wird dringend empfohlen, so Canivez, Jean, Luxembourg: Les Non-Chrétiens en Europe – Brève relation sur la rencontre au Luxembourg (13–14 Mars 1974), BSNC 26 (1974), p. 145–147.

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vielleicht gerade deswegen bieten die untersuchten Artikel einige interessante Einblicke in unser Thema, was die religiöse Prägung der Muslime und ihre daraus erwachsenden Reaktionen angeht. Nigeria: der Einfluss islamischer Idealkultur Der Fall Nigeria mit seinem Streit um die Einführung des islamischen Rechts ist bei genauem Hinsehen gar nicht so besonders. Grundzüge der Debatte tauchen auch in anderen Ländern der Region auf. Die Debatte überhaupt ist ja nicht neu, neu ist nur, dass heute eigentlich alle Länder der Welt von diesen Fragen irgendwie betroffen sind, da es muslimische Minderheiten inzwischen praktisch überall gibt. Sieht man sich den Fall Nigeria genauer an, so ist die erste wichtige Tatsache die, dass die Wirtschaft inzwischen der fast wichtigste Faktor der aktuellen Politik geworden ist. Den Großteil der Zeit werden die politischen Führer am Erfolg ihrer wirtschaftlichen Projekte gemessen. Und in diesem Bereich ist in den Überzeugungen der Muslime immer auch ein islamisches Idealbild wirksam, auch dann, wenn sie in einer pluralistischen Gesellschaft leben oder in einer politischen Ordnung, von der sie sich nicht ausreichend anerkannt fühlen. Für Nigeria macht sich dieses Ideal relativ klar an den Ideen und dem Wirken von Usman dan Fodio (1752–1817) fest. Dessen Ziel war eine gerechtere wirtschaftliche Ordnung, denn auch in seinen Geschäften ist der Mensch Gott verantwortlich. Wirtschaftsbetrug, Erpressung und Korruption sind als Formen von Götzendienst zu betrachten, d. h., die wirtschaftliche Gerechtigkeit ist direkt mit der Verkündigung der Einheit Gottes verbunden. Außerdem muss die wirtschaftliche Aktivität zur Stärkung der muslimischen Gemeinschaft beitragen, weshalb er für Sesshaftwerdung, Urbanisierung und Handwerk eintrat und gegen Nomadentum und Bettelei. (Eine muslimische Regierung solle zuallererst alles Schlechte aus den religiösen und zeitlichen Dingen entfernen und sich um das aktuelle Wohlergehen des Volkes kümmern.) Sieht man sich nun die Situation in Westafrika an, so scheint dieses Ideal fern – es ist aber gleichzeitig brennend aktuell. Die Menschen erwarten Antworten auf Probleme wie Kampf gegen den Betrug, ernsthafte Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel, Verteilung des Landes – und sie erinnern sich dabei an die islamischen Ideale der Vergangenheit. Speziell in Nigeria wird auch die Meinung vertreten, dass die gesamte Daseinsberechtigung und Rechtfertigung des Staates im islamischen Recht lägen. Was das betreffe, sei die schlimmste Phase der nigerianischen Geschichte die der Kolonialisierung gewesen: Es sei nicht möglich gewesen, der Pflicht zum Heiligen Krieg nachzukommen, die Christen wurden nicht als Schutzbürger behandelt, die koranischen Strafen abgeschafft oder ersetzt, die Almosensteuer durch profane Steuern abgelöst. Und was die Briten vom islamischen Recht noch gelassen hatten, das wurde dann bei der Justizreform von 1968 hinweggefegt. Heute stecke Nigeria mitten in einer für die Region nicht untypischen Problematik Mehrheit/Minderheit, ohne definieren zu können, wer die eine und wer die andere ist. Konkret sind die Muslime

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in der Exekutive und in der Legislative eigentlich stark vertreten, doch fordern sie immer noch mehr, was wohl eher auf einer gefühlsmäßigen denn auf einer objektiven Einschätzung der Lage beruht. Außerdem handelt ­Nigeria nach außen hin oft als muslimisches Land, was es sich nach innen schwer tut zu werden. Wer ist überhaupt eine Minderheit? Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass schon die Definition des Begriffes Minderheit in der Region nicht leicht ist. Eine Minderheit kann eben nicht nur rein zahlenmäßig definiert werden, sondern z. B. auch sozioökonomisch, oder noch spezieller: Man könnte allein nach den Frauen fragen oder nach den Geistlichen oder der religiösen Erziehung der Jugendlichen. Es sind also viele Situationen und Kombinationen denkbar, auch die, dass Minderheiten in jeder Beziehung gut dastehen, oder dass sie ihre wirtschaftliche Stärke, ihren Einfluss nicht nutzen (beispielsweise durch eigene Uneinigkeit). Auch Kunst und Kultur können als Integrationsfaktor für Minderheiten dienen. Gerade in Westafrika fließen der Islam und vorislamisch-traditionelle und spirituelle Traditionen oft so ineinander, dass nicht klar ist, wer nun die Minderheit ist, der Islam oder die traditionelle Religion. Gerade auch bzgl. Land und wirtschaftlicher Traditionen gibt es noch oder wieder viele präislamische Regeln. Über die Situation von Frauen in der Region wird in den untersuchten Artikeln praktisch nichts gesagt. Muslimische Konflikte mit der Moderne Doch unabhängig von Spezifika haben die Kolonialherren mit dem modernen Staat ein Gesellschaftsmodell in die Region gebracht, das dem Islam völlig fremd ist, und das wirft Probleme auf. Aber auch hier machen sich Unterschiede von einem säkularen Staat zum anderen bemerkbar: Wo die Beschränkungen durch die Laizität stärker sind, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Teilnahme der Bevölkerung an den Entwicklungsanstrengungen im Namen des Islam blockiert wird. Aber manche Probleme sind ganz grundsätzlicher Art: Seit der Geburt des Islam ist es Aufgabe des muslimischen Staates, den Unterricht zu organisieren und für dessen Kosten aufzukommen. Was aber wird daraus in einem pluralistischen oder gar islamfeindlichen System? Ein Gegengewicht beispielsweise gegenüber den christlichen Schulen wäre theoretisch schon möglich, tatsächlich aber ist es qualitativ und quantitav selten – die muslimischen Schulen sind oft der Zeit etwas hinterher und aus Prinzip gegen jeden Kompromiss mit der Moderne. Man bräuchte eine klare Konzeption, wie muslimisches Leben heute auszusehen habe, stattdessen haben die islamischen Gelehrten der verschiedenen Spielrichtungen als einzige Gemeinsamkeit oft nur die extreme Aversion gegen alles, was aus dem Westen kommt. Ansonsten bekämpfen sie sich manchmal auch untereinander. Will man die muslimischen Minderheiten in Westafrika generell beschreiben, so kann man dies am besten tun mit der Aussage, sie seien Minderheiten zwischen Emigration (hijra) und Kampf (jihâd), was sofort zu der bedeutungs-

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schweren Frage führt, ob Pragmatismus für den Islam nicht nur eine zeitweilige Lösung sein kann. Angesichts eines starken und den Muslimen nicht gewogenen Systems gibt es für jede muslimische Minderheit die Versuchung der Emigration, innerlich oder äußerlich, oder eben eher noch die des aktiven Widerstands. Diese Haltung wurde von den Muslimen in der Kolonialzeit v. a. gegenüber Unterricht westlichen Stils eingenommen und wird noch eingenommen, wenn es um Entwicklung durch eine laizistische Regierung bzw. Verwaltung geht, wobei es auch ganz andere Beispiele gibt. Typisch ist eher ein ständiges Hin und Her zwischen dem Wunsch nach einem reinen, authentischen muslimischen Staat und ständigen Kompromissen mit einer viel tieferen afrikanischen Realität. So gibt es immer wieder Gewalt gegen durch Kompromisse mit der Moderne kompromittierte religiöse Führer und Politiker, die im Namen des Koran allein geübt wird, deren wahre Gründe aber vielleicht doch ethnische Ressentiments und soziopolitische Enttäuschung sind. Mit Sicherheit lässt sich das aber nicht sagen. Gerne wird auch die Uneinigkeit der Muslime mit all ihren schon genannten Folgen auf das Divide et impera der Politik geschoben. Auch hier gibt es ein muslimisches Ideal, das wiederzugewinnen ist und dessen Schlagworte lauten: Glaube und Brüderlichkeit – oder gar, dass alle Muslime eins seien. Das grundlegende Dilemma ist eben, ob man als Muslim überhaupt mit politischen Institutionen zusammenarbeiten kann, deren Gesetze sich über das islamische Recht stellen? Selbst Religionsfreiheit genügt nicht, wenn das muslimische Leben eingerahmt und geregelt wird von einer Verwaltung, die als christlich bezeichnet wird, auch das erscheint intolerabel. In dieser grundsätzlichen Verweigerung der Pluralität liegen auch die Gründe für die meisten politischen Forderungen der Muslime in Westafrika. Sie sind aber gerade nicht typisch für muslimische Minderheiten, sondern eher typisch für verschiedene Spielarten des politischen Islam allgemein, und sie werden oft vorgebracht im Namen von Religionsfreiheit und Demokratie. Entsprechend umfangreich und weitgehend ist der Forderungskatalog: Der Islam sollte Teil des staatlichen Unterrichts sein, zumindest aber sollte der Islamunterricht vom Staat finanziert werden. Das gesamte öffentliche Leben sollte so organisiert werden, dass es den Glauben der Muslime unterstützt und keine ständige Versuchung für ihn darstellt (wie die Freiheiten des Westens). Der Staat muss ferner die muslimische Praxis aktiv fördern durch Platz in den Medien, Moscheebau, arbeitsfreie islamische Feiertage und Organisation der Wallfahrt. Muslime müssen nach dem islamischen Recht gerichtet werden und dafür sollte es die entsprechenden islamischen Gerichtshöfe geben. Schließlich werden noch muslimische Parteien gefordert.37 37 Nach Stamer, Josef, Présentation des minorités islamiques et de leurs revendications politiques dans l’Afrique de l’Ouest à travers le „Journal of the Institute of Muslim Minorities’ Affairs“ (JIMMA), dans: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 79–83.85–98.

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Hier zeigt sich deutlich, dass die muslimischen Forderungen in Westafrika doch deutlich höher und weitgehender sind als in Europa oder Nordamerika, auch wenn es partielle Überschneidungen gibt. Man muss dabei einrechnen, dass bei weitem nicht alle Muslime dort diese Forderungen vorbringen, doch sie laufen insgesamt auf eine islamisch geprägte Gesellschaft hinaus, die für die Bedürfnisse und das Grundverständnis eines Menschen islamischen Glaubens im ganz traditionellen Stil maßgeschneidert ist. Ob nun direkt gefordert oder ausgesprochen oder auch nicht – dieses Ideal- und Wunschbild ist jedenfalls tief verwurzelt und damit doch immer präsent und virulent, denn es ist als ganzes nicht in Deckung zu bringen mit irgendeinem anderen Modell, z. B. dem christlichen. Wie in dem Artikel auch zum Ausdruck kam, ist damit überall, wo es muslimische Minderheiten gibt, und das ist inzwischen fast überall, zumindest mit einer Debatte um diese Fragen zu rechnen, und das war wohl auch der Grund, warum ein Sammelband zu diesem Thema überhaupt als nötig erachtet wurde.

2.4.3. Islam regional Als dritter und letzter Abschnitt des Buches gibt es eine Reihe von regionalen Studien, wobei es zu gewissen inhaltlichen und personellen Überschneidungen kommt: Es geht um Europa, um Indien, um die Türkei, um Ost- und um Westafrika. Gerade bei ersterem und letzterem greifen die Autoren naturgemäß auch auf das Material zu, das sie für die beiden vorhergehenden Literaturberichte ausgewertet haben. Völlig neu und überaus detailreich sind die beiden Berichte über die Türkei, v. a. der historisch sehr ausführliche erste Bericht. Sie werden hier leider nicht in dieser Ausführlichkeit wiedergegeben werden können, da die Darstellung sich ja auf die anthropologischen Aspekte konzentriert, sind aber als Informationsquelle sehr zu empfehlen. 2.4.3.1. Die praktische Situation in Europa Der Bericht von Michael Fitzgerald über Christen und Muslime in Europa betont zunächst, wie wichtig es ist, die faktische religiöse Pluralität in Europa zur Kenntnis zu nehmen und untermauert dies gleich mit dem historischen Hinweis auf die fortdauernde kulturelle Präsenz der Muslime in Europa, auch als sie als Personen in weiten Teilen Europas nicht mehr anwesend waren. Außerdem verweist er darauf, dass die Haltung Westeuropas gegenüber den Muslimen in Bosnien und Albanien nicht ohne Einfluss auf die zukünftigen christlich-muslimischen Beziehungen sei. Sozial gehörten die europäischen Muslime meist der Arbeiterschicht an, arbeiteten besonders in ungesicherten Arbeitsverhältnissen und v. a. unter den Jugendlichen sei die Arbeitslosigkeit hoch. Daneben gebe es aber auch Muslime, die sich mit Geschäften, Cafés und Restaurants eine Existenz aufgebaut hätten und im ehemaligen Jugoslawien muslimische Bauern. Die juristische Situation des Islam in Europa sei so unterschiedlich wie die juristische Situation

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der Kirchen in Europa. Die juristische Anerkennung habe Auswirkungen v. a. in den Bereichen Erziehung, Steuern sowie in der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge. Sie sei in einigen Ländern erst noch auf dem Weg, was an der inneren Uneinigkeit und mangelnden Repräsentativität der jeweiligen muslimischen Organe liege. Der Islam in Europa gehe überwiegend auf eine Einwanderungswelle zurück und bei dieser zählten für beide Seiten zunächst die äußere Situation, wirtschaftliche und soziale Belange wie Unterbringung und Sprache. Erst als die Existenz dauerhafter wurde, wurden auch Moscheen (und sonstige Belange des rituellen religiösen Lebens) wichtig. Besonders wichtig wird und ist der Bereich der Erziehung. Diskriminierung und auch Rassismus gebe es, doch gegen die Immigranten, nicht gegen die Muslime. Dass die Muslime selbst das anders empfinden, ist schon erwähnt worden. Zu der genannten Einstufung ihrer religiösen Bedürfnisse als Abweichungen kommt hinzu, dass sie sich beurteilt fühlen nach dem, was in Algerien, Afghanistan, Iran, Pakistan oder Saudi-Arabien passiert, und nicht nach dem, was sie selbst sind. Sie wollen für sich islamisches Familienrecht – und es wird ihnen verweigert mit dem Hinweis auf das islamische Strafrecht. Moscheen und islamische Zentren würden pauschal des Fundamentalismus verdächtigt. Außerdem haben die Muslime Angst vor christlicher Mission, gerade wenn Kirchen zu missionarischen Aktionen aufrufen. Kann es einen europäischen Islam geben? Es ist deutlich und logisch, dass es mit dem Umschlag von der vorübergehenden zur dauerhaften Existenz für die Muslime wichtig geworden ist, sicherzustellen, dass sie ihre Religion als ganzes leben können. Damit aber stellen sich zwei entscheidende Fragen: Kann Europa auf seinem Territorium die Existenz von Gemeinschaften einer Religion hinnehmen, die sich weigert, sich zu privatisieren, und die Forderungen nicht nur im kultischen, sondern auch im sozialen Bereich hat? Und können die muslimischen Gemeinschaften sich umgekehrt an die Minderheitensituation anpassen? Um diese beiden parallelen Fragen gibt es viel Hin und Her. Das 19. Jahrhundert, genauer das Zeitalter der Romantik, habe in Europa Nationalkulturen hervorgebracht, die aber regionale oder religiöse Subkulturen bestehen ließen, sofern sie die dominante Kultur respektierten. Das könnte ein Weg auch für den Islam sein, aber dagegen erheben sich die Stimmen, die behaupten, der Islam könne in einer Minderheitensituation nicht leben. Dagegen wiederum könnte man als Gegenbeispiele Südafrika und Indien anführen (der Gründer des Institute of Muslim Minorities’ Affairs empfahl persönlich unter solchen Umständen eine partielle Anwendung des islamischen Rechts, also nur das Personenrecht). Dagegen aber kann man wiederum die muslimischen Stimmen anführen, die sagen, auch der Kapitalismus habe versagt und Europa sei im Stadium des moralischen Verfalls. Außerdem gebe es tatsächlich junge Muslime, die eine Christin heiraten wollen, um sie zum Islam zu bringen. Selbst wenn sie Christin bleibe, seien die Kinder Muslime. Durch kinderreiche Familien sei

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das Wachstum der muslimischen Gemeinschaft gesichert und eines Tages sei sie die Mehrheit. Die Frage nach dem zukünftigen Weg des Islam in Europa lässt sich also vonseiten der Muslime nicht so einfach beantworten. Es bleibt noch die Frage nach der Offenheit für den Dialog. Gerade auf dem Hintergrund praktischer Erfahrungen kommt da von Fitzgerald die Antwort, vielleicht sei ein Dialog zusammen mit Partnern aus weiteren Religionen leichter als der Dialog nur zwischen Christen und Muslimen. Die Kirche respektiere im Dialog die Freiheit eines jeden, habe schon früh auf Defizite im Verhalten gegenüber den muslimischen Immigranten hingewiesen und sei in ihrer Haltung wirklich ohne Hintergedanken, das könne man nicht genug betonen. Irenismus und Naivität in der Haltung der Christen sieht Fitzgerald eher als ein Problem der Vergangenheit, das inzwischen umgeschlagen sei in Angst und die Furcht, die eigene kulturelle Identität zu verlieren. In diesen Zusammenhang gehöre auch die Frage nach der Gegenseitigkeit bzw. der Vorwurf, man würde es den Muslimen in Europa leicht machen und vergesse dabei die Leiden der Christen in den muslimischen Ländern, als da sind: Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, Behinderung der Verbreitung der christlichen Botschaft, strafrechtliche Verfolgung des Übertritts zum Christentum. Es sei allerdings zu beachten, dass es innerhalb der muslimischen Gemeinschaften große Unterschiede gebe und dass man auch nicht so einfach jemanden zur Rechenschaft ziehen könne, da man sich ja nicht im Bereich der Verträge zwischen Staaten bewege. Die Christen verlangten in dieser Situation von den Muslimen, ihre Tradition im Licht der Erfordernisse des modernen Lebens und mit einer Offenheit des Herzens und des Geistes neu zu interpretieren. Das Verhältnis von Staat und Religion werde eben bei beiden Religionen von Anfang an unterschiedlich gesehen und deshalb sei es vielleicht besser, statt Gegenseitigkeit Versöhnung anzustreben, also z. B. die Religionsfreiheit der Muslime in Europa zu verteidigen in der Hoffnung, dass die muslimischen Staaten den Christen eine vergleichbare Freiheit garantieren können. Der Artikel schließt positiv, aber auch mit einer Reihe von Fragen: „Sur le plan purement humain nous pouvons­ parler d’une certaine unité. Ne voulez-vous pas réfléchir avec nous sur la facon dont vit l’humanité? Que pouvons-nous faire ensemble pour améliorer nos relations? Quels sont nos rêves pour le prochain millénaire? Quels projets entreprendre?“38 2.4.3.2. Türkei Es folgen zwei Artikel über die Türkei aus der Feder ein und desselben Autors, Xavier Jacob. Der erste geht in großer historischer Ausführlichkeit auf das Verhältnis zwischen Islam und Politik im Land ein, beginnend mit dem Übergang vom Kalifat zur Republik bis in die Gegenwart. Der zweite ist eine wesentlich 38 Fitzgerald, Michael L[ouis], Chrétiens et musulmans en Europe, dans: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 117, s.a. p. 103–116.

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kürzere Beschreibung der gegenwärtigen Situation des Islam in der Türkei, wobei es naturgemäß doch etliche Überschneidungen zum ersten Artikel gibt. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang das generelle Bild, weniger etwaige Details, die das Menschenbild speziell betreffen. Die Phase der Säkularisierung Hier zeichnen sich zunächst zwei Phasen ab: Zuerst die des Wandels vom ­Kalifat zum Nationalstaat, in dem beschrieben wird, wie der Islam, nun nicht mehr Staatsreligion, kontinuierlich an Einfluss verlor und vom öffentlichen ins private Leben zurückgedrängt wurde. Im neu geschaffenen Staat geht alle Souveränität vom Volk aus, was der klassischen muslimischen Lehre widerspricht, dass Souveränität nur Gott gebührt. So wurde 1926 in der Türkei die erste Atatürk-Statue aufgestellt, obwohl die muslimische Tradition die Darstellung des Menschen verbietet, besonders in Form einer Statue. Interessant ist auch, dass in der Türkei bereits am 5.12.1934 das Frauenwahlrecht eingeführt wurde – längst bevor alle europäischen Frauen dieses Recht bekamen. Der demokratische Weg zum islamischen Staat Türkei Der Umschwung kam ab 1945, als, um den Anforderungen der Vereinten Nationen zu genügen, das Mehrparteiensystem eingeführt wurde. Die Wahlen bewiesen, dass die oben angedeuteten Reformen bei der Bevölkerung nicht angekommen waren und führten zu einer liberaleren Religionspolitik und zu einer Erosion der Laizität. Zusätzliche Argumente für die Kehrtwende waren immer wieder, dass die staatliche Einheit durch die religiöse Einheit gestützt werden müsse (das kann rassistische und militante Züge annehmen dahin gehend, dass ein wahrer Türke Muslim sein muss) und dass durch den Wegfall des offiziellen religiösen Unterrichts ein Freiraum für Sekten und Extremisten entstanden sei – wobei aber die extremistischen Bewegungen seither eher zugenommen und sich verhärtet haben. Im Endeffekt wurde durch diese Entwicklung die Religion vielleicht sogar wichtiger als sie es im ottomanischen Reich gewesen war, denn da gab es keine Wahlen, sondern der Kalif ernannte die Personen für die verschiedenen Posten und in der Regel war man ihm und seinen Wünschen willfährig. Nun beginnt einerseits eine Rückentwicklung (von 1950 an haben die islamischen Institutionen ständig zugenommen, im Schnitt z. B. tausend oder mehr neue Moscheen pro Jahr, auch der Streit um Bart und v. a. Kopftuch – als Banner der Reaktion – und überhaupt um die Stellung der Frau begann wieder), andererseits sind die verschiedensten Richtungen sich nun einig in der Ansicht, ein laizistischer Staat könne authentischen Islam gar nicht unterrichten, wenn er es trotzdem tue, dann um den Islam für seine eigenen Ziele zu gebrauchen. Die einen nehmen dies an, weil sie um die Laizität des Staates oder um die Religionsfreiheit für sich fürchten (Alewiten), die anderen aus Sorge um den wahren Islam und dessen volle Handlungsfreiheit (Islamisten). De facto endet der Unterricht

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oft in einem inneren Zwiespalt: einerseits muslimischer, oft islamistischer Religionsunterricht, andererseits ein Schulsystem, das als ganzes eine laizistische Jugend heranbildet. Interessant ist ferner, dass die Türkei seit Mai 1976 ein vollwertiges Mitglied der Konferenz islamischer Staaten ist, d. h., außenpolitisch offiziell ein islamischer Staat ist. Die Frage nach der Zukunft der Türkei Mittlerweile, nachdem es seit 1980 eine von langer Hand vorbereitete islamistische Unterwanderung der Verwaltung, v. a. des Erziehungs- und des Innenministeriums und damit der Polizei gegeben hat (wobei man sich nach außen demonstrativ europäisch und modern gibt und mit Nachdruck für die individuelle Freiheit eintritt, ja überhaupt im Namen von Freiheit und Demokratie kämpft) erheben sich auch wieder offiziell Stimmen für das islamische Recht, da ja die Gesetze Gottes wichtiger seien als die Gesetze der Menschen. Bei einer zu 99,5 Prozent muslimischen Bevölkerung stellen die Islamisten die mit 21 Prozent stärkste Partei. Die private finanzielle Unterstützung für fundamentalistische Aktivitäten verschiedenster Art ist beträchtlich und v. a. gut organisiert durch die Bildung von großen Unternehmen, Finanzgruppen und Banken, es gibt laut Armee (s. u.) ungefähr 20 islamistische Holdings und die islamistische Opposition im Parlament versucht alles zu blockieren, was die Laizität stärken soll. Außerdem lässt sich beobachten, dass Politiker an der Macht dem Islam gegenüber permissiv sind, um in der Opposition den anderen Machthabern gerade diese Permissivität vorzuwerfen. Lediglich das Außenministerium und v. a. die Armee, die jährliche Reinigungsaktionen durchführt, konnten von den Islamisten nicht infiltriert werden. Alles in allem läuft es eben darauf hinaus, dass zwar in der Vergangenheit die Politik versuchte, sich den Islam zu Dienste zu machen, aktuell aber mehr die Politik in Diensten des Islam zu stehen scheint. Noch hat der Staat offiziell die Kontrolle über Recht und Religionsfreiheit. Doch der Verdacht, dass dieses republikanische System gestürzt werden soll und dass auch die ganz neuen, demonstrativen Annäherungen an die Christen, besonders an die katholische Kirche und den Papst, vielleicht manchmal mehr publikumswirksam als ehrlich sind, wurde als nicht ganz unbegründet gesehen. Die Anpassung des Islam an das 21. Jahrhundert bleibt ein brennendes Problem auch in der Türkei, aber sie ist nicht nur deshalb schwierig, weil es mehr Traditionalisten als Reformisten gibt (zu beobachten am Streit um die Möglichkeit des Heils für Nichtmuslime), sondern auch deshalb, weil es immer dann große Verlegenheit und Uneinigkeit gibt, wenn es um konkrete Lösungen für einen ganz betimmten Punkt geht. Und die entscheidende Streitfrage ist wieder, ob die Menschen sich nun den Verordungen Gottes anpassen oder aber ob sie den Glauben und die Religion an ihr Leben anpassen.39 39 Nach Jacob, Xavier, Islam et politique (Turquie), dans: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-

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Damit steht auch hinter den politischen Entwicklungen der Türkei wieder die Frage, wie in welchem Islam der Bereich Gottes und des Menschen gegeneinander abgegrenzt werden und welche Entscheidungsfreiheit dem Menschen dabei verbleibt. 2.4.3.3. Die Fragen der Vergangenheit in Indien Nach weit verbreiteter Ansicht ist die Versöhnung des muslimischen Glaubens mit der Moderne, verbunden noch mit der Besonderheit des Minderheiten­ status, auch das Problem der indischen Muslime. Genauer gesagt wurden die für den Islam zentralen Fragen nach politischer Macht und sozialer Organisation in der Vergangenheit immer in entweder-oder-Manier beantwortet (man war ja an den Umgang mit autokratischer, nicht demokratischer Politik gewöhnt) und die Frage des Teilens der Macht ist von daher eine ganz neue Herausforderung. Wie hinreichend bekannt, hatte sich bereits in Medina ein nomokratisches Ideal für eine universelle soziale Ordnung herausgebildet, aber tatsächlich wurde das islamische Recht in Verwaltung und Politik nicht einfach eins zu eins umgesetzt, sondern diente vielmehr (oder weniger) als Symbol für die fortwährende göttliche Leitung des Lebens der muslimischen Gemeinschaft. Dafür reicht grundsätzlich der Besitz des islamischen Rechts, dessen vollständige Umsetzung ist gar nicht nötig. Besonders nach dem Mongolensturm war die religiöse und rechtliche Einheit der Muslime wichtiger als die politische und konstitutionelle und ein frommer Herrscher hatte durchaus Freiheit in Fragen von Verwaltung, Finanzen und Militär, ja sogar in der Handhabung des Rechts über das islamische Recht hinaus. In Indien stellten sich diese Fragen ganz neu unter der britischen Kolonialherrschaft: Können Muslime loyale Untertanen der britischen Krone sein? Können sie einer nichtmuslimischen Regierung dienen? (Es ist interessant, dass in diesem Zusammenhang die Bezeichnung als ‚Haus des Krieges‘ mehr als politische Analyse denn als tatsächliche Kriegserklärung gesehen wird.) Überwiegend wurde diese Frage dahin gehend beantwortet, dass eine Zusammenarbeit möglich sei, wenn islamische Werte nicht verletzt würden und der religiöse und kulturelle Charakter der Muslime erhalten bliebe, sprich: Die einen mischten sich nicht in die religiöse Erziehung der Muslime ein, dafür mischten die anderen sich nicht in die Politik ein. Die Muslime entwickelten verschiedene neue Antworten auf diese Situation: die Frage nach Prinzipien der Idee des islamischen Rechts oder aber die politische Apartheid im Sinn von imperium in imperio, also einer autonomen muslimischen Gesellschaft, eines Protektorats des chrétien, Cité du Vatican 1999, p.  120–127.129–130.132.136.138.141–144 und ders., Situation de l’islam en Turquie, dans: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 145.148–159. Im erstgenannten Artikel zitiert Jacob p. 133 einen Professor für Verfassungsrecht an der Universität Istanbul, Ismet Giritli, mit dem Satz: „C’est le politicien ou le parti qui se montrera le plus permissif et meilleur musulman qui aura le plus de bulletins de votes dans son panier.“

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islamischen Rechts, durchzusetzen auch gegen die modern erzogenen Muslime, eine Art Nomo­demokratie mit Erziehung ganz in muslimischen Händen, um kulturell separat zu bleiben. Wie das allerdings mit dem Finanz- und Wirtschaftssystem eines modernen Staates zu vereinbaren ist, bleibt ungeklärt. Pragmatisch: in Indien nur in Glaubensdingen zuerst Muslim In dieser so geschilderten Ausgangssituation setzt der eigentliche Beitrag an, die systematisierte Auswertung einer 1988 abgeschlossenen Umfrage zur Bewertung und Bewältigung der neuen Lage unter muslimischen Gelehrten. Es zeichnen sich vier unterschiedliche Ansätze bei den Antworten ab: ein pragmatischer, ein modernistischer, ein fundamentalistisch-missionarischer und einer, der versucht, juristisch konstruktiv mit der Situation umzugehen. Der pragmatische Ansatz, politisch eher links zu verorten, geht davon aus, dass die Situation gar nicht neu sei und löst das Problem sehr indisch-muslimisch (s. o.) dahin gehend, dass der indische Muslim nur in Glaubensdingen zuerst Muslim sei, in allen anderen Angelegenheiten zuerst Inder. Das würden Muslime anderswo zwar anders­ sehen, aber die fortschreitende Industrialisierung lasse gar keine andere Sichtweise zu. Eine Variante davon ist, die Lösung in einer islamischen Partei zu sehen, die islamische Lösungen findet. Modernistisch – Treue zum religiösen Geist genügt Der modernistische Ansatz dagegen setzt auf Reinterpretation im Licht des Wandels, was den Nebeneffekt hat, dass es die Notwendigkeit, sich an den Konsensus der Religionsgelehrten zu halten, minimiert. Als Grundproblem wird gesehen, dass islamisches Recht Gesetz und Religion in sich verbindet, wobei ersteres von seiner Natur her in ständigem Wandel begriffen und sich der Situation anpassen muss, wie es ja auch Mohammed getan habe, letzteres aber im Kern unwandelbar sei, wie auch die Moral beständig sei. Deswegen müsse man Religion und Gesetz in Denkbegriffen des 20. Jahrhunderts definieren, zwischen Religion und Gesetz im Islam unterscheiden und den Islam im Licht von Naturwissenschaft, Metaphysik und Theologie der modernen Welt interpretieren. Bezogen auf die Hauptfrage des gesamten Komplexes steht dahinter die Überzeugung, Gott und sein Wille könnten in einem modernen Staat praktisch nicht wirklich souverän sein. In der modernen Welt reiche aber Treue zur Metaphysik und zum religiösen Geist – hierher gehört das Beispiel von Ali Asghar Engineer, nach dem die fünf Säulen des Islam ausreichend seien. Das Problem bei diesem Ansatz ist, wessen Konsens entscheidet und wie eine gültige Konsensbildung funktionieren soll. Fundamentalistisch-missionarisch: Theokratie, Theonomokratie, Theo-Demokratie? Der fundamentalistisch-missionarische Ansatz dagegen sieht das islamische politische System als essentiell für den Islam an und sieht somit auch eine Theokratie

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bzw. eine Theonomokratie als essentielle Vorbedingung für volles islamisches Leben an. Das ergibt einen ideologischen und praktischen Widerspruch zu Volkssouveränität, Demokratie und Säkularismus. Was hier vertreten wird, ist eine Art Theo-Demokratie, gebaut auf das islamische Konzept der Statthalterscaft des Menschen. In der Praxis erwachsen daraus eine Reihe von Widersprüchen: Die Muslime sollten mit dem anderen System nicht willentlich zusammenarbeiten, an ihm nicht teilnehmen, sondern es nur benutzen, aber wiederum dessen bürgerliche Gesetze auch nicht verletzen, sondern einen friedlichen Systemwechsel herbeiführen. Die Frage des ‚Wie?‘ ist allerdings noch nicht genau geklärt, im Gegenteil, es tauchen Behauptungen auf, die Mehrheit habe das politische System so manipuliert, dass Demokratie immer nur auf die Herrschaft der Mehrheitsgesellschaft hinauslaufe… Jedenfalls muss man erst den Rahmen ändern, bevor man über die Frage islamisches Recht und Moderne nachdenken kann. Manchmal kommt noch eine Verbindung mit der Mission hinzu in dem Sinn, dass nur die missionarischen Anfangszeiten der muslimischen Gemeinschaft (Mekka und die Anfänge in Medina) als Vorbild dienen können. Juristisch konstruktiv – aber mit vielen Einschränkungen Was nun den als juristisch konstruktiv bezeichneten Ansatz angeht, so fällt auf, dass hier alle das traditionelle islamische Recht signifikant verändern. Konkret sei die Situation der Muslime in Indien so, dass sie auf Grund der Zahlen­ (zwischen 100 und 150 Millionen) und der Geschichte (800 Jahre erfolgreiche Regierung des Landes) von ihren Mitbürgern geradezu um die Führung gebeten werden sollten. Die Muslime müssten sich moralisch auszeichnen und würden so letztlich die Führung erreichen. Ihre Mitbürger würden geradezu unvermeidlich auf sie zukommen mit der Bitte, die Führung in verschiedenen Bereichen zu übernehmen. Die Muslime seien von Gott selbst durch besondere Rechtleitung abgesondert und müssten es auch bleiben, mit eigenem sozialen und kulturellen System und dem muslimischen Personenrecht. In diesem Bereich Konzessionen zu machen, sei undenkbar, weil gleichbedeutend mit einer Zurückweisung des Islam. Es sei das bürgerliche, republikanische und religiöse Recht, dass einzelne Nichtmuslime oder ein nichtmuslimischer Staat keine Kontrolle über das islamische Recht hätten. Für die Gemeinschaft solle das Recht des Landes gelten, für das persönliche Leben aber das muslimische Personenrecht. Mit all diesen Einschränkungen aber stellt sich schon die Frage, ob es in Wirtschaft, Erziehung und Kultur noch eine Einheit des Landes geben kann. Am relevantesten für diesen Ansatz ist die salafistische Schule. Doch auch nach hanafitischer Definition wäre Indien kein Haus des Krieges, da es nicht völlig von den Ungläubigen beherrscht wird. Das wäre gegeben, wenn die Muslime keinen Zugang zur Regierung hätten und nicht die Freiheiten besäßen, die sie besitzen. Somit wäre kein republikanisches Land mit nichtmuslimischer Mehrheit heute Haus des Krieges. Trotzdem kommt immer wieder das Problem auf, wie Muslime gewählte Vertreter eines

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Staates sein sollen, der nicht theokratisch oder theonomokratisch organisiert ist, sondern sich selbst als Quelle des und höchste Autorität für das Recht versteht. Endziel ist doch immer die Aufrichtung der Herrschaft der rechten Religion und es wird ein Unterschied gemacht zwischen der Akzeptanz des Säkularismus als Ideologie, also glaubensmäßig, und der pragmatischen Akzeptanz als unausweichlicher Tatsache, als Methode, einen hochgradig pluralistischen Staat zu organisieren und zu regieren. Nicht selten müsse eine Bewegung in dieser Welt eine solche Einstellung einnehmen, um möglicherweise ihre vollen Ziele und Rechte zu erreichen. Sowohl im Koran als auch im Handeln Mohammeds gebe es dafür Vorbilder, und alles sei legitim, solange das Ziel der Dienst am Islam und an der Menschheit sei. Zusammenfassend wird nochmals darauf verwiesen, dass diese Umfrage abgeschlossen wurde, bevor im indischen Kontext einige konkrete Fragen und Probleme auftauchten, die in diesem Zusammenhang noch interessant und wichtig gewesen wären. Insgesamt konnte aber auch so schon das Resümée gezogen werden, dass noch große Fortschritte im islamischen juristischen und theologischen Denken nötig sind, damit es eine wirklich islamische Begründung für eine Beteiligung am Leben der demokratischen und säkularen Republik Indien gibt.40 Mit dem Blick auf die anderen Kontexte muss gesagt werden, dass dies wohl nicht nur für Indien gilt, sondern eher generell für das gesamte Verhältnis des Islam zu Demokratie und Säkularismus. Die katholische Position in Kenia – wirklich realistisch? Der nächste Beitrag beschreibt, sozusagen stellvertretend für ganz Ostafrika, die Situation in Kenia, wobei die Stellung der christlichen Kirchen, v. a. der katholischen, einen breiten Raum einnimmt. Ökumenismus war bei den Missionskirchen eher selten und auf Fälle beschränkt, in denen die Religionspolitik das christliche Leben bedrohte, z. B. auch im Feld des Islam. Die generelle Tendenz bei den Missionskirchen war: Wenn ihr uns die (religiöse, geistliche und moralische) Erziehung, die medizinische Arbeit und die Freiheit, unsere Religion zu verkünden, überlasst, dann überlassen wir euch die Politik. So verblieben die einflussreichen Felder von Politik und Wirtschaft bei den säkularen Mächten. Wandlungen gab es erst mit der sogenannten zweiten Unabhängigkeit, also der Einführung des Mehrparteiensystems, wobei in ganz Ostafrika Parteien auf religiöser Basis nie erlaubt waren, obwohl die Muslime sie wollten. Der Standpunkt der katholischen Kirche in Kenia war folgender: Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Parteipolitik und Politik als sozialer Struktur. Letztere ist eng verknüpft mit dem Schöpfungsplan Gottes, dass Menschen in Gemeinschaft leben sollen. Politik allgemein und auch Parteipolitik sollten sich innerhalb der 40 Nach Troll, Christian W., Islam and Pluralism in India, in: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamochrétien, Cité du Vatican 1999, p. 160–165.167–177.

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Grenzen der Moral bewegen und auf das Wohl der Allgemeinheit ausgerichtet sein. Beides fehlt in der Region eher, Menschenrechtsverletzungen und Korruption sind an der Tagesordnung. Politik kann auch nicht autonom sein (auch der Kaiser gehört Gott, um in biblischen Termini zu sprechen). Autorität kommt wohl von Gott, ist aber an Gesetze gebunden, nur dann kann sie Gehorsam und Loyalität beanspruchen. Der Staat kann sich nicht einmischen in die Rechte Gottes, der Kirche, der Individuen, der Familie und der Eltern (man beachte die Reihenfolge). Die Sendung der Kirche wiederum bezieht sich auf alle Aspekte des menschlichen Lebens, sie ist sozusagen die Seele der menschlichen Gesellschaft. Zu den Aufgaben, denen sich die Kirche widmet, gehören die menschliche Entwicklung und die Förderung von Gerechtigkeit, Liebe und Frieden. Außerdem habe sie eine Sendung, die Laien für das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten und ihnen eine christliche Sicht von Politik und Wirtschaft zu vermitteln. Der Bereich der Laien ist mehr Politik, Wirtschaft und Soziologie, während die Kirche die Werte des Reiches Gottes, also Wahrheit, Leben, Gerechtigkeit, Liebe und Frieden schützen muss. Als momentane Schlüsselthemen werden gesehen: Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden sowie Machtmissbrauch und Korruption. Gemessen daran ist weder die Position der Protestanten noch die der Muslime in Kenia so klar und profiliert. Ein empfindlicher Punkt für die Muslime ist beispielsweise das Thema Islam und Sklavenhandel. Doch es gilt allgemein, dass die religiösen Führer eine nicht zu unterschätzende moralische Autorität darstellen und sozusagen das Gewissen der Gesellschaft bilden. Dabei sind die Unparteilichkeit und der universale Charakter von Christentum wie Islam wichtig, der wiederum im Glauben an Gott den Schöpfer wurzelt und in dem moralischen Prinzip, dass alle gleich sind. Dies ist ein kraftvolles Werkzeug gegen stammesmäßige, rassische und ethnische Trennungen. So gesehen hätten die beiden Glaubensgemeinschaften eine gemeinsame Mission. Es ist im Anklang an das Zweite Vatikanum die Rede vom Sakrament von Einheit, Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern. Dies ist in seiner Ausdehnung auf Christentum und Islam allgemein eine erstaunliche Aussage. Allerdings wird auch erwähnt, dass bisher eher das Gegenteil der Fall sei: Die ökumenische Zusammenarbeit könnte gestärkt werden (beispielsweise bei Erziehungsprogrammen, Menschenrechten, Gerechtigkeit und Frieden, Kampf gegen Korruption), aber auch dabei ist zu erwähnen, dass in den letzten zehn bis 15 Jahren die Konflikte zwischen Christen und Muslimen eher zugenommen hatten.41 So bietet dieser Beitrag eine ausführliche und anthropologisch fundierte katholische Sicht des Bereichs Politik, deutlich angelehnt an Gedankengut des Zweiten 41 S. Nnyombi, Richard, Christianity and Islam in the Political Life of East Africa: The Example of Kenya, in: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et politique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 180–181.183–185.192.194–195.

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Vatikanums, v. a. aber eine geradezu spektakuläre Sicht dessen, was Christentum und Islam auf Grund ihrer anthropologischen Gemeinsamkeiten für die Menschheit sein könnten. Leider sind sowohl die gesellschaftliche als auch die religiöse Realität nicht so einfach und, wie die Gesamtperspektive beweist, auch nicht so einfach auf diese Grundlinien zu reduzieren. 2.4.3.5. Westafrika Noch deutlicher wird dies bei einem Blick auf den nächsten und letzten Beitrag zur Situation in Westafrika. Er bietet einen guten historischen und ländermä­ ßigen Überblick, der hier jedoch nicht in allen Einzelheiten wiedergegeben werden kann. Die Phase der Säkularisierung Die Gesamtentwicklung ist nicht ohne Brisanz und weist gewisse Parallelen zur Türkei auf: Auch hier gibt es, bedingt durch die Kolonialzeit und diese noch überdauernd, eine säkulare Phase, wobei die zunehmende politische Freiheit (Mehrparteiensystem) zu einer schleichenden Aushöhlung dieses Säkularismus führt zu Gunsten traditionell islamischer Konzepte und auch radikaler islamistischer Tendenzen. Das Ausgangsparadox ist ja, wie schon genannt, dass unter dem halben Jahrhundert nichtmuslimischer kolonialer Herrschaft der Islam zahlenmäßig mehr zugenommen hat als jemals vorher in dieser Region. Heute haben viele Länder Westafrikas eine muslimische Mehrheit, aber bis auf Mauretanien ist bei allen das Prinzip der Laizität in den Verfassungen verankert. Schon in den Jahrhunderten vorher haben die afrikanischen Muslime eine große Fähigkeit entwickelt, ohne zu große Probleme und Verletzungen unter nichtmuslimischen Regierungen zu leben, und ihre Religionsgelehrten und religiösen Führer eine entsprechende Fähigkeit, diese Situation zu rechtfertigen – man durfte die anderen als Muslim nur nicht wirklich lieben und ihre Religion nicht annehmen. Die Kolonialherren legten den Islam politisch lahm und bei der Entstehung der neuen unabhängigen Staaten waren dann einfach säkulare Institutionen vorhanden, an die die Bevölkerung gewöhnt war und aus denen die neue Elite hervorgegangen war. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Spannungen zwischen der Schaffung moderner laizistischer Staaten und der Zugehörigkeit eines Gutteils der verschiedenen Bevölkerungen zur muslimischen Gemeinschaft. Im Gegenteil, der Islam wurde noch mehr in den Privatbereich abgedrängt als unter der Kolonialherrschaft. Allerdings ist säkular nicht mit säkularistisch gleichzusetzen, d. h., es herrschen keine französischen Verhältnisse, sondern der Staat und seine Repräsentanten sehen Religion und die Teilnahme der religiösen Gemeinschaften am nationalen Leben als positiv und wichtig an, ohne dass der Staat dabei eine Gemeinschaft auf Kosten der anderen bevorzugt. Dialog und Ausgleich lägen sozusagen in der afrikanischen Natur. Toleranz wird dabei als positive Einschätzung des anderen und seiner Unterschiedlichkeit gesehen, als Anerkennung des

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Beitrags aller zum Gemeinwohl und als Respekt vor dem Mitmenschen. Was religiösen Unterricht und generell das Zivil- und Strafrecht angeht, so ist der Staat neutral und man hat de facto vieles offen gelassen. Prozesse der Reislamisierung Diese Offenheit wurde in der Folge großteils islamisch gefüllt. Als Beispiel für die innere Emigration, die v. a. gegenüber der französischen Schule praktiziert wird, wird hier der Tschad genannt. Der Islam und die arabische Kultur sind zu Faktoren geworden, die einerseits die eigene Persönlichkeit stärken und andererseits die Opposition gegen die Besatzer, die Fremden und deren Kultur ausdrücken. Allgemein führt in Westafrika das Zusammentreffen des Islam mit einer monolithischen Macht zur Politisierung des Islam und zu einer gleitenden Bewegung innerhalb des Konzeptes der Laizität hin zur Aufrichtung einer islamischen Ordnung via Autorität. Außenpolitisch hat seit 1969 mit der Ölkrise und der arabisch-afrikanischen Solidarität gegen Israel die ‚Islamisierung‘ dieser Staaten eingesetzt. Insgesamt zählt wieder für die Politik egal welcher Seite die Unterstützung der Volksmassen und dafür kommt man um die religiösen Führer nicht herum. Die heutige Situation in Westafrika ist in etwa die, dass die afrikanische Laizität sich so versteht, dass sie den religiösen Gemeinschaften einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einräumt. In der allgemeinen sozialen Krise präsentiert der Islam sich offen als Ersatzlösung, als ein umfassendes System, das die spirituelle Dimension des Menschen umfasst, dessen Leben und Erfolg in der Gesellschaft und die Ausübung wirtschaftlicher und politischer Macht unter das Gesetz Gottes stellt. Die Religion wird zum einzigen echten Garanten der Entwicklung. Mit der Hilfe der arabischen muslimischen Länder und der internationalen islamischen Organisationen hat der Islam den neu entstanden politischen Freiraum (besonders der freien Meinungsäußerung) weidlich nutzen können, um sich als Lösung für die Krise zu präsentieren. Oft ist diese Propaganda antiwestlich geprägt: Der Westen, oft mit dem Christentum verwechselt, ist der Grund für die aktuelle Misere Afrikas. Man ist nicht weit entfernt von einem Aufruf zu einem neuen heiligen Krieg. Suren und Hadithe gegen die Ungläubigen werden ausgiebig zitiert. Die neue Redefreiheit erlaubt bestimmten muslimischen Strömungen, sogar im Namen des demokratischen Mehrheitsprinzips die Islamisierung des Lebens und der Strukturen von Ländern zu verlangen. Konkret werden gefordert: die Trennung der Geschlechter in öffentlichen Gebäuden, Transportmitteln und auf den Märkten, spezielle Bedingungen für den Ramadan, islamisches Bankensystem, Bau von Moscheen, Organisation der Wallfahrt und arbeitsfreie Feste. Islamischer Unterricht und Erziehung werden gefordert mit Begründungen wie Jugendkriminalität und Drogenmissbrauch. Im Tschad wird sogar die Einführung der islamischen Körperstrafen gefordert. Überraschungen halte nach Auffassung des Autors auch eine detailliertere Studie der Parteienfinanzierung in Westafrika bereit, denn ohne Rückgriff auf die großen Vermögen aus dem Handel gehe da

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nichts und die seien grundsätzlich in den Händen überzeugter Muslime. Diese wollten vielleicht nicht alle einen islamischen Staat, aber die Gefahr einer Entgleisung des Mehrparteiensystems und einer radikalen Infragestellung der Laizität sei real. Diese werde immer als Antiwert dargestellt, importiert aus dem Westen und gleichbedeutend mit Atheismus. Im Tschad wurde beispielweise eine Konferenz über Menschenrechte von radikalen jungen Muslimen gesprengt. Dies zeige auch den Druck eines radikalen Islam in einigen der Länder der Region. Die Regierungen hätten Angst vor einem gewalttätigen Islam nach algerischem oder sudanesischem Muster, deshalb gebe es viele besänftigende Gesten in Richtung der Muslime. Diese erweckten bei den Nichtmuslimen wiederum das Gefühl, bereits in einem muslimischen Staat zu leben und trügen mehr dazu bei, dass sich in den Köpfen die Idee festsetze, Islam und politische Macht seien nicht zu trennen, als alle direkten Forderungen nach einem islamischen Staat.42 So wird durch diesen Band zu Islam und Politik v. a. eines deutlich: Die Situation ist kompliziert und hat viele Facetten, historisch und geographisch. Eine in Geographie und v. a. Geschichte deutliche Tendenz zeigt aber auch, dass der Bereich der politischen Rahmenbedingungen der Existenz des Menschen für den Islam eben nicht völlig gleichgültig, völlig austauschbar ist, sondern wie der Mensch selbst als Gott untergeordnet und daher als von Gott zu ‚ordnen‘ gesehen wird. Wie sehr sich diese Tendenz ausprägt, ja vielleicht sogar noch von denen verstärkt wird, die das eigentlich gerade nicht wollen, welche einzelnen Formen sie angenommen hat, annimmt und vielleicht noch annehmen wird, das ist ein weites, schier unüberschaubares Feld.

2.5. Dialogerfahrungen am Vorabend des dritten Jahrtausends 2.5.1. Christliche Erfahrungen mit Dialog – die Hoffnung liegt bei der Jugend Am Vorabend des dritten Jahrtausends fragte sich die Commission pour les Relations Religieuses avec les Musulmans, wie die Kirche seit dem 2. Vatikanischen Konzil den christlich-muslimischen Dialog gelebt hat und welchen Dialog sich die Christen und Muslime für das dritte Jahrtausend wünschen. Dazu wurden zwei symmetrische Fragebögen für Christen bzw. Muslime erarbeitet und über die Berater der Kommission in deren Freundes- und Bekanntenkreis verteilt. Die Antworten wurden im Sekretariat der CRRM gesammelt, etwa 20 von christlicher 42 Nach Stamer, Josef, Religion et politique en Afrique de l’Ouest: Des voix musulmanes, dans: Commission pour les rapports religieux pour les musulmans (éd.), Religion et poli­ tique: Un thème pour le dialogue islamo-chrétien, Cité du Vatican 1999, p. 198–204.206.210. 212–215.217–218. Im Detail interessant ist in unserem Zusammenhang auch, mit welchen Worten p. 217 das Ende der Menschenrechtskonferenz beschrieben wird: „Le Séminaire s’est terminé dans la confusion sur une vague déclaration soulignant la convergence entre Islam et Droits de l’Homme.“ Das ist nicht gerade ermutigend.

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und 15 von muslimischer Seite. Ein eigenes Buch wurde daraus nicht erstellt, aber immerhin eine kleine Auswertung in Pro Dialogo publiziert,43 die im Folgenden kurz vorgestellt werden soll. Von christlicher Seite (Stimmen aus Asien, Afrika, Nordamerika und Großbritannien) gab es ein breites Spektrum an unterschiedlichen Erfahrungen mit Muslimen. Positiv wurde verwiesen auf die Entdeckung, wieviel menschliche Werte Christen mit den Muslimen teilen können. Auf der Negativseite wurden genannt: Unkenntnis und Überlegenheitskomplex im Okzident, im Orient dagegen ein zwangsweises Zusammenleben, wobei eine Beziehung nicht gewünscht wird. Insgesamt aber glaubt die Autorin zu erkennen, dass die Beziehung im Leben schrittweise zu einer theologischen Reflexion führt und zu einer Infragestellung im Bereich der Evangelisation. Einzelne Stellungnahmen deuten dahin, dass man sich näher gekommen ist – von Misstrauen hin zu Vertrauen, besonders im Bereich der Jungen, die die Notwendigkeit der christlich-muslimischen Beziehungen am ehesten erkennen, und auch der Gebildeteren, die offener sind für die internationale Dimension. Es gibt allerdings auch Stimmen, die noch keine großen Veränderungen sehen und teilweise ist Angst vor christlichem Proselytismus spürbar. Insgesamt aber gelten auch die jungen Muslime als offener. Was den konkreten Dialog angeht, so geben selbst kritische Beobachter zu, dass er auf dem Niveau von Personen leicht ist. Die Gastfreundschaft der Muslime wird als großzügig und ernst gemeint eingeschätzt. Es gibt Dialog auf allen Ebenen: dem des konkreten Lebens, der spirituellen Erfahrung, des sozialen Handelns und manchmal eben auch theologischen Dialog, wobei Austausch über soziale und menschliche Themen häufiger ist. Kirchliche Unterstützung dabei wird v. a. im Konzil und im Papst gesehen, während die Antworten aus dem Orient keine Unterstützung für den Dialog vonseiten der Hierarchie und keine Ausbildung für den Dialog sehen. Insgesamt muss also anerkannt werden, dass, zumindest von christlicher Seite, die Dialoganstrengung auch frustrierend sein kann.

2.5.2. Muslimische Erfahrungen mit Dialog – weitermachen trotz aller Hindernisse Das Gegenstück dazu, die muslimischen Antworten, kommen aus Asien, Afrika und Europa. Auch die Muslime betonen die menschliche Dimension, die verbindet: Auch die Christen sind Menschen wie man selbst und dies ist ein Hauptgrund für das gegenseitige Verständnis. Es geht um Leben und Teilen. Daneben gibt es auch die, die am Glauben der anderen interessiert sind. Auch hier wird der Dialog als entmutigend bezeichnet – und gleichzeitig als spannend! Auch sonst 43 S. Blockhausen, Denise, Les relations islamo-chrétiennes depuis Vatican II et les perspec­ tives de collaborations islamo-chrétienne (sic!) pour le troisième milléniare, BPCDIR 102 (1999), p. 332–340.

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sind die Parallelen auffällig: Man sei vom Verdacht zum Verständnis und dann zum Respekt fortgeschritten. Auch von muslimischer Seite wird konkret gesagt, dass diese Veränderungen manchmal durch Konversionseifer kompromittiert würden. Der theologische Dialog wird von muslimischer Seite Europa zugeordnet, das tägliche gemeinsame Leben dagegen Asien. Die religiös Verantwortlichen auf muslimischer Seite gäben dem Dialog zwar wenig Ermutigung, aber sie stünden der Idee wenigstens positiv gegenüber, während die Masse der Muslime skeptisch sei. Auch von muslimischer Seite werden die Medien genannt, die den Islam karikierten. Umgekehrt sei die interreligiöse Solidarität für eine gerechte Welt Trägerin des Dialogs. Man solle mit dem Dialog weitermachen, denn er sei eine gute Waffe gegen Gewalt und Hass. Offensichtlich hat der Dialog eine positive Auswirkung v. a. auf die Personen, die sich darin engagieren. Die Muslime werden als relativ indifferent gegenüber dem Dialog eingeschätzt (es genügt für die Muslime, die Botschaft weiterzugeben und die Völker des Buches einzuladen, umgekehrt genügt es für die Muslime nicht, einfach zu reden, was wiederum als Blockade auf die christliche Seite wirken kann), aber das solle den Dialog nicht hindern. Vielmehr solle man sich die Frage stellen, woher Gleichgültigkeit und Zurückhaltung kämen. Für die Zukunft werden von muslimischer Seite verschiedene Dialoghindernisse identifiziert: die Behauptung, die Wahrheit zu besitzen, die Verdächtigungen gegenüber dem, der als Stärkerer einen Dialog begonnen hat, die gegenseitigen hegemonistischen Absichten der Gläubigen, die mythologisierte Einheit der Umma, die den Partner als monolithischen Block erscheinen lassen, die mangelnde Vorbereitung und die unterschiedlichen Erwartungen an den Dialog – und auch die Weigerung der Christen, Mohammed als Gesandten Allahs anzuerkennen. Trotzdem ist die Parole: Weitermachen bis zum Ende der Tage! Und konkret: Aufhören, den anderen zu verteufeln, dem Fundamentalismus keine Chance geben, bei der Erziehung der Kinder anfangen, sich gemeinsam für die Minderheiten und die Armen engagieren, sich nicht fürchten, sich für den anderen klein zu machen, sich nicht davon abhalten lassen, wenn bestimmte Personen einen für einen Verräter an der eigenen Gemeinschaft halten, die Ergebnisse des Dialogs weit bekannt machen, den Akzent auf die spirituellen Dimensionen des Dialogs legen. Weitere Vorschläge sind: ein innermuslimischer Dialog parallel zum bereits existierenden innerchristlichen Dialog, ein Über­ denken der muslimischen Lehre im Angesicht neuer Herausforderungen, eine nachdrückliche Erklärung der Kirche, dass es keine geheimen Absichten im Dialog gibt, eine Klärung der Begriffe Dialog und Verkündigung, die momentan noch eine Quelle von Durcheinander und Unverständnis sind. Es zeigt sich also, dass von beiden Seiten die menschliche Ebene als sehr wichtig im Dialog eingestuft wird, was Förderung wie auch Hindernisse angeht, wobei das erstere das letzte überwiegt. Dem Dialog, der mit dem Zweiten Vatikanum begonnen hat, werden also auch im neuen Jahrtausend große Chancen eingeräumt. Man sollte nicht aufgeben – und vielleicht auch einige Vorschläge berücksichtigen.

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2.6. Religionsfreiheit als aktuelles Thema Doch auch die Kommission selbst machte sich Gedanken, wie es im nächsten Fünf-Jahres-Terminus weitergehen sollte. Eine Möglichkeit, die man gerade im Jubiläumsjahr ins Auge fasste, war eine Relecture der Geschichte des christlichmuslimischen Dialogs für die Heilung der Gedächtnisse. Die Entscheidung fiel aber dann zugunsten des Themas der Religionsfreiheit. Die Gliederung der Publikation wurde bereits festgelegt: zunächst ein Theorieteil zur Religionsfreiheit im Islam, auf internationalem Niveau und in den USA, die als Sonderfall angesehen werden, sodann ein zweiter Teil zu den konkreten Anstrengungen zur Kontrolle der Religionsfreiheit auf internationalem Niveau und in drei Ländern unterschiedlichen Kontexts  – Pakistan mit muslimischer Mehrheit, Nigeria mit unklarer Mehrheit und Frankreich mit christlicher Mehrheit. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass man die Muslime um ihre Mitarbeit bitten werde.44 Doch die Publikation Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue wich im ersten Teil davon ab: Der Theorieteil ist nach einer allgemeinen juristischen Einleitung mehr an den Positionen der Dialogteilnehmer orientiert, also katholisch bzw. muslimisch. Das macht Sinn, weist doch schon die Einleitung darauf hin, dass das Thema Religionsfreiheit interessant für den Dialog ist, weil Christen und Muslime Freiheit unterschiedlich verstehen und sich daher die praktische Anwendung sowohl auf der Ebene des Individuums als auch der Gesellschaft anders gestaltet.45

2.6.1. Der theoretische Unterbau der Religionsfreiheit 2.6.1.1 Religionsfreiheit – das absolute Menschenrecht Der erste Beitrag beschäftigt sich mit der Entwicklung des Konzepts der Religions­ freiheit  – immerhin das am längsten anerkannte Menschenrecht überhaupt (längst vor der UN- Menschenrechtskonvention wären da zu nennen: 1598 Edikt von Nantes, 1648 Westfälischer Frieden, 1689 Toleration Act, England). Artikel 18 der universalen Erklärung der Menschenrechte von 1948 bezieht sich auf 44 S. Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 98 f, ders., Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), p. 197 spricht davon, dass die Kommission zu einer Substruktur des Päpstlichen Rates wurde, die Dokumente vorbereitet, die dann den Nuntiaturen und lokalen Kirchen zur Verfügung gestellt werden. Er führt auf: „Contemporary trends and movements in Islam Religion and Violence Praying with Muslims Reactions to Nostra Aetate Religion and politics Religious freedom“. Daraus wird ersichtlich, dass es sich nicht um Dokumente handelt, die per se einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich sein sollten. 45 S. Introduction, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Reli­ gious Relations with Muslims (ed.), Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 7.

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das Recht auf Religionsfreiheit, nämlich auf die Freiheit zum Religionswechsel und zur Ausübung der Religion, sei es allein oder in Gemeinschaft. Nach Einschätzung des Autors ist damit Religionsfreiheit nicht nur für die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verbindlich, sondern als internationales Gewohnheitsrecht für alle Staaten. Nach Artikel 18 ist der Rahmen für diese Rechte das persönliche Recht eines jeden Menschen auf Meinungs-, Gewissens- und Reli­ gionsfreiheit. Dieser Rang als fundamentales persönliches Recht bedeutet, dass Religionsfreiheit ein unzerstörbares und unverletztliches Recht ist in Bezug auf jede äußere Gewalt. Damit wird jeder Mensch zum sanctum sanctorum und die Religionsfreiheit zur einzigen Freiheit, die wirklich solche Bezeichnungen wie ‚absolut‘ und ‚heilig‘ verdient. Charles Malik, der libanesische Philosoph, der eine unendlich große Rolle beim Entwurf und der Durchsetzung der Konvention spielte, sah darin die Tatsache, dass jede Nation verpflichtet sei, die Unterschiedlichkeit der Ansichten über letzte Dinge anzuerkennen.46 Außerdem ist zu be­ tonen, dass es nicht um ein Recht geht, Unrecht zu haben oder zu tun, sondern um ein Recht, das in der angeborenen Würde des Menschen verortet ist. Dies wiederum ist mehr der auf Würde ausgerichteten Tradition in Europa und Amerika verpflichtet als der mehr individualistischen anglo-amerikanischen Tradition. Dies ist auch daran zu erkennen, dass die Menschenrechtserklärung mit der Erwähnung der Gemeinschaft beginnt und endet, was sich auch mit der katholischen Soziallehre deckt. Aus der Würde des Menschen erwachsen die Prinzipien der sozialen Ordnung. So ist auch die Religionsfreiheit sozialer und ziviler Natur, was konkret bedeutet, dass sie in der Verfassung verankert werden muss. Die Würde der Menschen ergibt sich wiederum aus deren Verstand und freiem Willen, die zum Privileg der persönlichen Verantwortung führen. Deshalb ist nicht nur Schutz vor äußerem Druck nötig, sondern auch psycholo­gische Freiheit. Auch wenn ein Mensch dieser Verantwortung nicht gerecht werden sollte, so bleibt das Recht auf Unverletzlichkeit doch bestehen, denn es hängt nicht an der subjektiven Disposition, sondern an der Natur des Menschen selbst. Das Recht auf Religionsfreiheit hängt mit etlichen anderen Rechten zusammen, deren Befolgung in allen Ländern nicht selbstverständlich ist. Die Gretchenfragen dabei: Religionswechsel und Gleichberechtigung Was de facto zu Auseinandersetzungen führte, war die Frage nach dem Recht zum Religionswechsel. Dieses war auf ausdrücklichen Wunsch von Charles ­Malik aufge­nommen worden, der eben als Libanese erlebt hatte, wie Konvertiten vor religiöser Verfolgung in sein Heimatland als sicheren Hafen geflohen waren. Die Essenz der Freiheit ist die Möglichkeit des Wechsels. Verneint man einem Men 46 S. El-Hage, Youssef Kamal, Religious Liberty: A Universal Human Right, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations with Muslims (ed.), Religious Liberty: A Theme for Christian- Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 12.

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schen diese Möglichkeit, so macht man ihn zum Sklaven. Der nachhaltigste Widerstand gegen das Recht auf Religionswechsel bei den Abstimmungen kam von Saudi-Arabien mit der Begründung, dass durch die Geschichte hindurch Missionare die Vorläufer politischer Intervention waren. Pakistan argumentierte am Ende für das Recht auf Religionsfreiheit als völlig in Übereinstimmung mit dem Islam, da auch der Islam eine missionarische Religion sei. Schließlich ist noch zu sagen, dass das Recht auf Religionsfreiheit begrenzt wird durch die Ausübung anderer Rechte und Freiheiten, die Erfordernisse von Moral und öffentlicher Ordnung sowie das Wohl des demokratischen Staates. Das Recht auf Religionsfreiheit wird in der Menschenrechtserklärung flankiert von zwei anderen Artikeln, die in dieser Hinsicht bedeutsam sind: Artikel 16 zur Heirat und Artikel 26 zur Erziehung. Ersterer sagt aus, dass alle Menschen das Recht haben, ohne religiöse Einschränkungen zu heiraten. Sie haben, was die Heirat und deren Auflösung angeht, die gleichen Rechte. Letztere Regelung brachte etliche Vertreter mehrheitlich muslimischer Staaten gegen sich auf. Es wurde der Vorwurf laut, hier würden einfach westliche Standards und Familienverhältnisse in die Menschenrechtserklärung hineingeschrieben. Pakistan akzeptierte schließlich mit dem Hinweis, gleiche Rechte müssten, wie dies auch von Eleanor Roosevelt, der amerikanischen Delegierten, vertreten wurde, nicht gleichbedeutend mit identischen Rechten sein. Die Erziehung soll einerseits auf die volle Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit ausgerichtet sein, andererseits auf die Stärkung des Respekts vor den Menschenrechten und grundlegenden Freiheiten. Erziehung soll Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen den Nationen fördern. Eltern haben ein vorrangiges Recht, über die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden. Beides, Toleranz (sonst nur in der Präambel der Erklärung47) und die Betonung des Rechtes der Eltern, wurden durch die Erfahrungen mit dem Naziregime und dessen Erziehungsmethoden in die Menschenrechtserklärung aufgenommen, im Fall der Stellung der Eltern durch das Engagement des niederländischen Paters Leo Beaufort, mit dem späteren Papst Johannes XXIII im Hintergrund. Handfester als Moral – ein Vertrag auch zur Religionsfreiheit Ein weiteres wichtiges Dokument zur Religionsfreiheit ist der International Covenant on Civil and Political Rights von 1966. Dessen besondere Bedeutung liegt 47 Die Präambel fasst Toleranz sehr weit und versteht sie als Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung der verschiedenen Arten, Mensch zu sein. Toleranz sei Harmonie in Differenz und mache den Frieden möglich. Toleranz könne nie benutzt werden, um die Rechte von Menschen zu beschneiden. Toleranz sei nicht zu verstehen als Zugeständnis oder Herablassung, sondern Toleranz ist die Verantwortung dafür, die Menschenrechte, den (auch kulturellen) Pluralismus, die Demokratie und die Herrschaft des Rechts hochzuhalten. Soziale Ungerechtigkeit muss nicht toleriert werden, aber man muss das Recht anerkennen, dass Menschen das Recht haben, in Frieden zu leben und so wie sie sind. Niemand darf seine Ansichten einem anderen aufzwingen, so ib., p. 20, für die übrigenAussagen s. p. 13–19.

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darin, dass er ein Vertrag ist, der die Mitgliedsstaaten wirklich rechtlich bindet. (Es gibt eine ganze Reihe von Staaten, die nicht unterzeichnet haben, darunter Bahrain, Brunei, Indonesien, Malaysia, Malediven, Mauretanien, Oman, Pakistan, Qatar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.) Die Formulierung ist sehr dezent und spricht nur von der Freiheit „to have or to adopt a religion or belief of his choice“48 – von einem Religionswechsel ist nicht die Rede. Das war ein Entgegenkommen an einige islamische Staaten, die ihre Zurückhaltung ausgedrückt hatten. Allerdings sagt das Menschenrechtskomitee der UN, das dafür zuständig ist, das Dokument zu interpretieren und seine Anwendung zu überwachen, klar und deutlich, dass dies auch das Recht einschließt, seine momentane Religion durch eine andere zu ersetzen. Im Gegensatz zum Recht auf freie Religionsausübung ist dieses Recht absolut und kann in keinster Weise eingeschränkt werden. Es gehört zu den Rechten, die niemandem abgesprochen werden können. Auch das Recht auf freie Religionsausübung kann laut der Formulierungen des Dokuments beispielsweise nicht durch nationale Sicherheitsinteressen eingeschränkt werden. Ein ebenfalls wichtiger Paragraph des Dokuments besagt, dass jegliches Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, das zu Diskriminierung, Feindschaft und Gewalt anstachelt, gesetzlich verboten werden soll. Außerdem wird allen religiösen Minderheiten das Recht auf ihre eigene Kultur zugestanden sowie das Recht, ihre eigene Religion zu bekennen und zu praktizieren oder ihre eigene Sprache zu sprechen. Außerdem gehören in diesen Zusammenhang noch das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das friedliche Versammlungs- und Vereinigungsrecht. 1981 – Religionsgemeinschaften im Blick 1981 wurde dann von der UN-Subkommission zur Verhinderung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten ein Dokument verabschiedet, das sich ausschließlich mit Religionsfreiheit befasst und mit der Verhinderung von Intoleranz oder Diskriminierung aus religiösen Gründen, das allerdings noch keinen verpflichtenden Charakter hat, obwohl die Wortwahl manchmal so klingt. Zunächst einmal wurde eine weltweite Studie zum Thema erstellt, deren (indi­ scher) Autor das Konzept der Meinungs- und Religionsfreiheit auf die Religionen zurückführte, die doch fast alle auch tolerante Elemente hätten. Diese Studie war für die UN ein Meilenstein. Die Erklärung von 1981 beinhaltet ausdrücklich das Recht, eine Religion oder einen Glauben seiner Wahl zu haben. Es gibt allerdings keinen ausdrücklichen Hinweis mehr auf die Freiheit, eine Religion seiner Wahl anzunehmen  – dies war die Gruppe der islamischen Länder nicht bereit gewesen anzunehmen, und sie machte die Zustimmung zur gesamten Erklärung vom Ausschluss dieser Formulierung abhängig. Für alle anderen war dies eine Abschwächung des Deklarationstextes und auch ein Rückschritt gegenüber den 48 Ib., p. 21, für den Rest des Dokuments s. p. 20.22–25.

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beiden vorrangegangenen Erklärungen, weshalb dann noch ein zusätzlicher Artikel angefügt wurde, der ausdrücklich feststellt, dass keine der Formulierungen des Dokuments dahin gedeutet werden dürfe, dass sie diese beiden Erklärungen beschränke oder aufhebe. Damit war klar, dass das Recht auf Konversion doch nicht aufgehoben oder eingeschränkt wurde. Erwähnt werden muss auch, dass Diskriminierung – im Gegensatz zu Intoleranz – rechtlich klar definiert ist. Gestärkt wurden in der Erklärung die Rechte der Eltern, was die religiöse Erziehung angeht. Allerdings müsste auch die religiöse Erziehung den Respekt vor der Religionsfreiheit fördern. Schwieriger bis gar nicht wirklich zu definieren ist, was an religiösen Praktiken die geistige Gesundheit und die volle Entwicklung der Kinder behindere und daher verboten sei. Das vielleicht entscheidendste an der Erklärung von 1981 aber ist, dass sie erstmals auf die Bedürfnisse von religiösen Gemeinschaften eingeht und deren notwendige Freiheiten erwähnt. Dazu gehören beispielsweise das Recht, angemessene karitative und humanitäre Einrichtungen zu schaffen und zu unterhalten, die Freiheit, die für die religiösen Riten notwendigen Gegenstände und Materialien herzustellen, zu erwerben und zu gebrauchen, die Freiheit, auf diesem Gebiet Bücher zu schreiben, sie herauszugeben und zu verbreiten, das Recht, um finanzielle und anderweitige Unterstützung von Privatpersonen und Institutionen zu werben und sie zu empfangen, das Recht, Ruhetage einzuhalten, und das Recht, in religiösen Angelegenheiten Beziehungen zu Einzelpersonen und zu Gemeinschaften aufzubauen und zu unterhalten. Insgesamt kann man sagen, dass die Erklärung gewisse rechtliche Auswirkungen hat, dass sie Gehorsam erwartet und dass sie sozusagen internationales Gewohnheitsrecht darstellt. Die Auflistung der Rechte aber sei noch nicht komplett und die Formulierung insgesamt unbefriedigend. Katholischer Einsatz für Menschenrechte und Religionsfreiheit Die Gesamtauswertung der Menschenrechtsdokumente betont nochmals, dass es niemals beabsichtigt gewesen sei, eine völlig gleichförmige Praxis hervorzubringen. Auch der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan betonte, dass kein singuläres Modell der Menschenrechte von allen Staaten als Modell zum Abpausen benutzt werden könne. Das bedeutet umgekehrt aber nicht, dass die Menschenrechte relativ seien. Die erste internationale Konferenz der arabischen Menschenrechtsbewegung (Casablanca 1999) verwarf jeglichen Versuch, zivilisatorische oder religiöse Besonderheit zu benutzen, um die Universalität der Menschenrechte zu bestreiten. Auch Papst Johannes XXIII erkannte die moralische Wichtigkeit der Menschenrechte: Ihre Formulierungen spiegeln sich in seiner Enzyklika Pacem in Terris. Auch Papst Johannes Paul II machte sehr deutlich, dass die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte nicht legitime kulturelle und politische Unterschiede bei der Ausübung der individuellen Rechte ausschließe, vorausgesetzt, die von der Erklärung für die gesamte Menschheit gesetzten Standards würden eingehalten. Johannes Paul II sah für die Kirche auch ein Apostolat

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der Menschenrechte, sich durch Dialog für das Recht auf Religionsfreiheit als eines universalen Prinzips der moralischen Ordnung einzusetzen, einer Ordnung, die ihre Wurzeln in der angeborenen Würde des Menschen habe. Daher setzt die Kirche sich für eine bindende Menschenrechtskonvention mit Überwachungsmechanismen ein. Da solch eine Konvention bisher fehle, gebe es auch keine internationale Überwachungsorganisation für Religionsfreiheit, obwohl sie dringend gebraucht werde.49 2.6.1.2. Katholische Definition von Religionsfreiheit: Gewissensfreiheit Der zweite Beitrag befasst sich nochmals eigens mit der offiziellen katholischen Sicht der Religionsfreiheit und wie sie sich historisch entwickelt hat. Nach der Überzeugung des Autors war aus katholischer Sicht das Konzept der Religionsfreiheit immer präsent, befand sich aber in einem ständigen Reifungsprozess und auch in einem Wandel von Ideen, Kultur und juristischen Quellen. Um Religionsfreiheit zu definieren, müsse man erst einmal definieren, was nicht zur Religionsfreiheit gehört, was nicht ihr eigentliches Wesen, ihr Wert ist. Religions­ freiheit bedeute nicht, dass ein Mensch die Fähigkeit bekomme, sein eigenes höchstes Gesetz zu sein, wodurch der Mensch völlig unabhängig von Gott werde. Religionsfreiheit könne auch nicht bedeuten, dass alle Religionen gleichwertig seien. Nach katholischer Sicht ist Religionsfreiheit das Recht jedes Menschen, seine Religion nach dem Diktat seines Gewissen zu bekennen. Dies sei sozusagen ein Lobgesang auf das freie Geschöpf, ein Teil vom Plan Gottes, an den das menschliche Gewissen gebunden bleibt. In anderen Worten: Religionsfreiheit bedeutet das Recht jedes Menschen, seine eigene Beziehung zu Gott in seinem Gewissen aufzubauen und dabei vor jeder Form von äußerem Zwang geschützt zu sein. Autonomie bezieht sich also nach katholischer Sicht nicht auf die Religion als solche, sondern auf all jene, die das religiöse Gefühl eines Menschen in irgendeiner Weise beschneiden wollen. Ein Mensch ist nach katholischer Auffassung nicht frei von den Verpflichtungen, die aus der Religion folgen, sondern die Freiheit des Menschen wird verletzt, wenn er daran gehindert wird, in religiösen Angelegenheiten seinem Gewissen zu folgen. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ist also eigentlich ein juristisches und bei Inhalt und Begründung der Religionsfreiheit handelt es sich um eine Art Zirkelschluss. Eine der stärksten Motivationen der Kirche, sich für die Religionsfreiheit einzusetzen, ist der Missionsbefehl. Jeder Mensch ist Träger dieser Rechte und profitiert auch von ihnen. Aus allen diesen Menschenrechten ragt das Recht, zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen und ihr aus freiem Willen anzugehören, weit heraus. Religionsfreiheit ist Gewissensfreiheit, die in keinster Weise beschnitten werden darf. Ganz konkret heißt das, dass Dignitatis Humanae festlegt, dass beim Verbreiten der frohen Botschaft niemals irgendwelche Zwangsmittel angewandt werden dürfen. Nur 49 S. ib., p. 25–31.

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eine vollkommen freie Zustimmung respektiert die Würde und Freiheit der Menschen. Religionsfreiheit, verstanden als Freiheit von äußerem Zwang, wird so neben dem Ruf zum Glauben zum zweiten Teil der eigentlichen Natur des Glaubensaktes: Nur so sind vernünftiger und freier Gottesdienst und Hingabe denkbar. Dies ist ein lehrmäßiges, also sozusagen notwendiges Argument. Das Recht auf Religionsfreiheit muss jedem Menschen zuerkannt werden und zwar in erster Linie von der öffentlichen, politischen Gewalt. Auf den einzelnen Menschen hin formuliert ist jeder dazu angehalten, seine eigene Beziehung zu Gott aufzubauen in Übereinstimmung mit dem Gesetz, das Gott selbst aufgerichtet hat. Es ist die Pflicht des Menschen, dieses Gesetz zu kennen. Respekt für Religions­ freiheit kann sogar zu einem Weg werden, dem Willen und Plan Gottes immer mehr zu entsprechen. Der Vorrang des Gewissens ist absolut: Selbst dann, wenn es – sozusagen besten Gewissens – objektiv doch irren sollte, muss der Mensch ihm folgen. Summa summarum ist religiöse Intoleranz in höchstem Maß verletzend für den Menschen. Christi Tod und christliche Märtyrer – ein Plädoyer für die Religionsfreiheit Aber Religionsfreiheit hat auch Voraussetzungen, wobei man erst einmal auf Bibel und kirchliches Lehramt verweisen könnte, so der Autor. Zunächst kann man feststellen, dass – mit Abstufungen – heute das Recht des Menschen, Forschungen im religiösen Bereich zu betreiben, allgemein anerkannt wird. Mehr christlich argumentiert, hat Jesus Christus die Beziehung des Menschen zu Gott auf die Ebene einer ganz unmittelbaren und persönlichen Beziehung gebracht, die auf Wahrheit und Liebe aufbaut und gelebt wird. Freie Handlungen garantieren die volle Möglichkeit, verantwortlich zu handeln. Sobald man für sich selbst erkannt hat, dass für den eigenen Glauben Freiheit nötig ist, kann man praktisch nicht anders, als zu wünschen, dass die soziale Dimension so organisiert ist, dass sie die Ausübung der Religionsfreiheit unterstützt. Das bedeutet, dass das soziale Umfeld keinen Druck ausübt, einer Religion anzugehören, der man nicht angehören möchte, ebensowenig wie es gewaltsam das Bekenntnis zu einem Glauben verbietet, den man bekennen möchte. Man kann nicht glauben, wenn man es nicht frei tun kann. Liebe, wie sie das christliche Gebot befiehlt, kann nur frei gelebt werden. Auch Christus hat der Freiheit der Menschen großen Respekt erwiesen. Wenn also Gottes Ruf an die Menschen frei ist, so ist es auch deren Antwort auf den Ruf. Nichts darf der Freiheit und damit der Verantwortlichkeit des Menschen im Weg stehen. Wo Menschen nicht hören wollten, sollten die Jünger bekanntlich weitergehen. Religionsfreiheit bedeutet also die Unmöglichkeit von Gewalt und somit die freie Wahl. Eine wichtige Frage ist nun aber, wo Verkündigung endet und Proselytismus anfängt? Sieht man sich die Geschichte des Christentums an, so muss man sagen, dass schon die Verfolgung und der Tod der Apostel die Christen eigentlich zu Verfechtern wirklicher Religionsfreiheit gemacht haben müssen. Die öffentliche Meinung aber war davon überzeugt, dass

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ihre Entscheidung, die Heiligkeit des Kaisers nicht anzuerkennen, eine echte Gefahr für die soziale Ordnung war. Die christlichen Märtyrer erscheinen, wie Christi Tod, als höchster Akt der Gedankenfreiheit, der Gewissensfreiheit und der Religionsfreiheit. Würde nämlich ein Christ Jesus Christus verleugnen, so wäre er nicht länger wert, eine Person genannt zu werden, weil er sein eigenes Gewissen verleugnen würde. Statt zu den Waffen zu greifen und sein eigenes Leben zu verteidigen, nimmt er das Martyrium auf sich und respektiert seinen Nachbarn, indem er ihn einer Konversion für fähig hält. Dazu gibt es einen Schriftbeleg bei Laetantius, der schreibt, dass Religion eine Willenssache sei, die nicht mit Gewalt aufgezwungen werden könne, ja dass es außer der Religion nichts gebe, was allein vom Willen abhänge. In die gleiche Richtung geht die Argumentation des Hilarius von Poitiers, wenn er es ablehnt, im Bereich der Religion auf Gewalt oder politische Einmischung zurückzugreifen. Auch Papst Nikolaus I (858–867) lehnte die Folter vehement ab, weil sie eine schwere Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit sei. Die Fehler der Vergangenheit Doch nicht immer lag die Sache so einfach. Das beste Beispiel dafür sind vielleicht die Kreuzzüge: Nach Auffassung der Desinteressiertesten unter ihren Initiatoren und Ausführenden ging es dabei um das, was wir heute die Verteidigung der Menschenrechte nennen würden, nämlich darum, den Christen freien Zugang zu den heiligen Stätten zu sichern und den Druck des Islam zu lockern. In der Praxis aber waren die Kreuzzüge eine äußerst zweischneidige Sache, nämlich eine extreme Vermengung von Religion und Politik – und im Blick auf die ursprünglichen Ziele ein fast totaler Fehlschlag. Andere Christen orientierten sich mehr an der Bergpredigt. Raimund Lull beispielsweise bestand darauf, dass Konversion eine Sache der freien Wahl sein müsse, weil Gott die menschliche Freiheit respektiere. Calvin dagegen schrieb, Gott verlange, alle Menschlichkeit beiseite zu schieben, wenn es darum ginge, für seine Ehre zu kämpfen. Der Autor stellt fest, dass das 13. Jahrhundert einen Rückschritt für das christliche Gewissen darstellt. Einzelne Ausnahmen gab es, wie Las Casas oder die Bulle Sublimis Deus (1537) von Papst Paul III, die feststellt, dass die Indios nicht ihrer Freiheit und ihres persönlichen Besitzes beraubt werden dürfen. Ein herausragendes Negativ­ beispiel aber sei die Verfolgung der spanischen Juden. Die Päpste im 20. Jahrhundert – verstärktes Eintreten für die Menschenrechte Sodann wendet der Autor sich der Moderne, also schwerpunktmäßig dem 20.  Jahrhundert zu, und untersucht päpstliche Äußerungen zur Religionsfreiheit, beginnend mit Leo XIII. Nach ihm habe der Mensch das Recht, seine Pflichten gegenüber Gott in völliger Freiheit zu erfüllen, weshalb die Gesellschaft die Pflicht habe, diese Gewissensfreiheit zu respektieren. Es bleibt aber im Hintergrund die Frage, wie es sich mit Handlungen verhält, die in Verbindung zu nicht

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wahren Religionen stehen, und ob in diesem Fall aus der Gewissenspflicht auch ein Recht zu solchen Handlungen erwächst. Leo XIII äußerte sich nicht explizit dazu, aber implizit sieht der Autor bei ihm die Meinung, dass die öffentliche Gewalt um des Gemeinwohls willen allen Gläubigen erlauben sollte, ihre Religion frei zu bekennen, auch wenn diese aus den oben genannten Gründen eigentlich kein Recht darauf hätten. In die Zeit Pius XI fällt die Enzyklika Mit brennender Sorge, die sich mit den Verhältnissen der katholischen Kirche im deutschen Reich unter der Naziherrschaft befasste. Darin steht, dass der Gläubige das unveräußerliche Recht habe, seinen Glauben zu bekennen und in der Form zu praktizieren, die er für geeignet halte. Alle Gesetze, die Bekenntnis und Praxis dieses Glaubens unterdrückten oder schwierig machten, seien gegen das Naturrecht. Auch bei Pius XI ist es wieder so, dass man aus dem Kontext schließen kann, entscheidend sei das aufrichtige Gewissen, egal ob dieses richtig liege oder im Irrtum befangen sei. Pius XII äußerte sich dahin gehend, dass, wer immer Frieden in einer Gesellschaft wünsche, Respekt für die fundamentalen Rechte des Menschen haben müsse, nämlich Recht auf ein intellektuelles und moralisches Leben, besonders Recht auf religiöse Bildung und Erziehung sowie Recht auf privaten wie öffentlichen Gottesdienst sowie auf religiöse Wohltätigkeit. Aus dem Kontext geht hervor, dass es sich um Rechte handelt, die den Menschen als solchen gegeben sind, nicht etwa nur den Katholiken. Auch Johannes XXIII geht in seiner En­zyklika Pacem in terris auf das Recht des Menschen ein, Gott nach den Vorschriften seines aufrichtigen Gewissens zu verehren, also auf das Recht auf öffentlichen und privaten Gottesdienst. Ausdrücklich handelt es sich hier um ein Recht, das alle Menschen als Personen haben. Paul VI war durch das Zweite Vatikanische Konzil von Beginn seines Pontifikats an mit der Frage der Religionsfreiheit befasst. Er stellte mit Schmerz und Missfallen fest, dass in bestimmten Ländern die Religionsfreiheit wie andere grundlegende Menschenrechte überwältigt würden von politischer, rassischer oder antireligiöser Intoleranz. Es gebe noch soviel Unrecht gegen die Ehrenhaftigkeit und das freie Bekenntnis des eigenen religiösen Glaubens. Wieder ist es so, dass sich das Recht auf Religionsfreiheit nicht auf die Katholiken beschränken lässt – das würde ja heißen, dass wirkliche Rechte nur denen gewährt werden, die sich der eigenen Meinung nach in voller Übereinstimmung mit der von Gott errichteten Ordnung befinden. Dann könnten Nicht-Katholiken im religiösen Bereich nicht völlig frei sein und ihre Religionsfreiheit könnte auch nicht juristisch durch positive Gesetze garantiert werden. Die Christenheit aber möchte nicht gegen, sondern für die Menschen kämpfen, möchte das verteidigen, was ihnen heilig und nicht zu unterdrücken ist: das Streben nach Gott und das Recht, dies in den Formen des Gottesdienstes auszudrücken. Johannes Paul II kämpfte selbst mit der gesamten Kirche dafür, dass die Religionsfreiheit, von Gott gewollt und in die menschliche Natur hineingeschrieben, auch wirklich ausgeübt wird. Die Würde der Person und die Natur der Suche nach Gott erfordern es, dass sich der Staatsapparat da nicht einmischt. Religions-

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freiheit sollte aber nicht missdeutet werden als Anrecht auf Irrtum. Religionsfreiheit sollte in der Rechtsordnung anerkannt und ein Bürgerrecht werden. Die Ausübung der Menschenrechte bleibt den historischen und kulturellen Traditionen einer Religionsgemeinschaft in einer bestimmten Nation verbunden, d. h., eine solche Religionsgemeinschaft kann vom Staat eine besondere Anerkennung bekommen, ohne dass dies eine Diskriminierung der anderen bedeuten würde. Die Kirche ist sich aber dessen bewusst, dass das Recht auf Religionsfreiheit von vielen Staaten verletzt wird, bis dahin, dass es ein strafbares Verbrechen ist, Katechese zu geben oder zu empfangen. Grundsätzlich erkennt die Kirche die legitime Autonomie der demokratischen Ordnung an und bevorzugt keine bestimmte konstitutionelle Lösung oder wägt politische Programme gegeneinander ab, es sei denn es ginge um deren religiöse und moralische Implikationen. Insgesamt sei die Kirche fähig, die Meinungsfreiheit für ihr moralisches Urteil zu verteidigen, wann immer es nötig sei. Oder zusammengefasst: „For John Paul II, a correct vision of religious liberty implies for the Church the freedom of expression, of teaching, of evangelization; as well as the liberty to worship in public, the liberty to organize itself and have its own internal rules, the freedom of choice, of education, to name and transfer its own ministers, the freedom to construct religious buildings and to acquire and possess goods adequate for its activity. Finally, it implies the liberty of association for ends not only religious, but also educational, cultural and charitable.“50

Religionsfreiheit, dargestellt als ununterbrochene Lehre der Kirche Es lässt sich also beobachten, so der Autor, dass es zunächst um die Existenz einer objektiven moralischen Ordnung geht, dann innerhalb dieser Ordnung um verschiedene Beziehungen. Es geht um Pflicht und um die Unverletzlichkeit fundamentaler Rechte, beginnend mit dem Recht auf Religionsfreiheit. Es geht dabei auch um die öffentliche Dimension von Religion. Von daher ist die Autorität auch dazu aufgerufen, Religionsfreiheit von Einzelnen und von Gemeinschaften praktisch zu unterstützen. Es handle sich, so der Autor, um eine ununterbrochene Lehre der Kirche. Die evangelische Wahrheit sei in der Gesellschaft wie Sauerteig gewesen, was die Freiheit angehe. Die Kirche habe die Pflicht, diese Freiheit des Glaubenden zu fördern und zu schützen. Die Kirche gründet die Religionsfreiheit auf rationale Prinzipien als Manifestation der persönlichen Würde der Menschen, ein Wert, der in jedem Regime, in jeder Gesellschaft, und jeder Umgebung gilt. Was an dieser abschließenden Darstellung etwas seltsam berührt, ist die Behauptung von der ununterbrochenen Lehre der Kirche, was die Menschenrechte an 50 Buonomo, Vincenzo, The Catholic Vision of Religious Liberty, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations with Muslims (ed.), Religious­ Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 52, für den Rest der Darstellung s. p. 33–51.53 f.

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geht. Zumindest ununterbrochen entschieden vertreten wurde sie nicht, wie selbst der kurze geschichtliche Abriss vorher beweist. Hat die katholische Kirche also eine wichtige Lehre zeitweise einfach vernachlässigt und verleugnet? Oder musste diese Lehre eben doch erst durch massive Hinweise von außen und relativ spät ausgebildet werden, auch wenn es in der eigenen Tradition Fingerzeige in diese Richtung gab, die sich aber offensichtlich relativ gut ignorieren oder umdeuten ließen? Beim Blick auf den Islam zuerst ein Blick in die eigene Geschichte Der nächste Artikel befasst sich mit dem katholischen Blick auf Religionsfreiheit im modernen islamischen Denken und schließt da an, wo der vorangegangene Artikel endete, beim langen und steinigen Weg der katholischen Kirche zur Anerkennung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit durch das Zweite Vatikanische Konzil. Christian Troll ist der Meinung, dass viele der Fragen, denen die katholische Kirche auf diesem Weg begegnete, denen sehr nahe sind, denen der Islam heute auf diesem Weg begegnet. Dazu geht er zunächst auf die Aussagen des Konzilsdokuments ein: Niemand sollte gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln, weder im privaten noch im öffentlichen Bereich, weder allein noch zusammen mit anderen  – innerhalb angemessener Grenzen. Dies gründet sich auf der Würde der Menschen, die mit Vernunft und freiem Willen sowie mit persönlicher Verantwortung ausgestattet sind. Diese Würde kann erkannt werden aus dem offenbarten Wort Gottes und aus der Vernunft und sollte bürgerliches Recht werden. Die Menschen können ihrer Pflicht nur in der ihrer Natur entsprechenden Weise gerecht werden, wenn sie psychologischen Frieden und Frieden von äußerem Zwang genießen. Das Recht auf Religionsfreiheit basiert auf der menschlichen Natur selbst, nicht auf einer nur persönlichen Überzeugung. Von daher besteht das Recht auf Nichteinmischung auch für jene weiter, die ihrer Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen, nicht nachkommen. Eine angemessene öffentliche Ordnung muss gewahrt werden. Freiheit vom Zwang in der Religion gilt nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für die Gemeinschaft, da Gemeinschaft von der sozialen Natur der Menschen wie auch der Religion gefordert wird. Deshalb dürfen solche Gemeinschaften nicht von Staaten durch gesetzliche oder administrative Maßnahmen daran gehindert werden, ihre eigenen Priester auszuwählen, auszubilden, zu ernennen und zu versetzen, mit religiösen Autoritäten und Gemeinschaften in anderen Teilen der Welt zu kommunizieren, Gebäude für religiöse Zwecke zu bauen oder angemessenen Besitz zu erwerben und zu gebrauchen. Religiöse Gemeinschaften müssen sich jeder Aktion enthalten, die nach unziemlichem Druck oder unangemessenem Anstacheln riecht, besonders was arme und ungebildete Menschen angeht. Weiterhin ist es Teil der Religionsfreiheit, dass Religionsgemeinschaften nicht daran gehindert werden sollten, den speziellen Wert ihrer Lehre in Bezug auf die richtige Ordnung der Gesellschaft und für alle menschliche Aktivität darzulegen. Es ist integraler Bestandteil der Pflicht jeder zivilen Autorität, die unverletzlichen Men-

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schenrechte zu schützen und zu fördern. Das geschieht durch gerechte Gesetze und generell durch Schaffung günstiger Bedingungen. Wenn im Hinblick auf demographische Bedingungen in der Verfassung einer Religion eine besondere Anerkennung zugesprochen wird, muss gleichzeitig das Recht aller Bürger und Religionsgemeinschaften auf Religionsfreiheit gewährleistet werden. Außerdem sollte die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz niemals offen oder verdeckt aus religiösen Gründen beeinträchtigt werden. Schließlich muss Religionsfreiheit deshalb überall auf der Welt angemessenen Schutz durch Gesetze bekommen, damit friedliche und harmonische Beziehungen gebildet und vertieft werden können. Die muslimische Ausgangsposition – ein Weg hin zum Menschen? Was nun die Mehrheitsposition traditioneller islamischer Lehre zu den Menschen­ rechten angeht, so sind dabei zwei Punkte absolut verbindlich: Die Menschen haben die grundlegende Verpflichtung, den Islam anzunehmen. Die Muslime aber müssen diesem Glauben und Gesetz um jeden Preis treu bleiben, denn sie haben sich selbst für immer gebunden – nicht nur an Gott, sondern auch an seine Gemeinde, die umma. Deren Einheit und Wohlergehen sind mit dem Glauben und der Treue der Muslime eng verbunden. Was aber die Belege für die Todesstrafe bei Apostasie angeht, so seien die beiden dafür traditionell angeführten Hadithe mehr als zweifelhaft, auch wenn sich die Gelehrten der verschiedenen Rechtsschulen in dieser Frage einig seien. Die Traditionelle moderne Rechtssprechung hat Zweifel in solchen Fällen, wo die Strafe auf eine einzige Autorität zurückgeht. Daher wird als Grund für die Entrechtung des Apostaten eher dessen Kampf gegen die Gläubigen genannt, der sich in Angriffen und Versuchen, sie von ihrem Glauben abzubringen, äußert. Aber es gibt eben Diskussionen, worin genau Apostasie bestehe und wie man in diesem Zusammenhang mit Frauen umgehen solle. Erst in jüngster Zeit gibt es größere muslimische Organisationen, die zur Religionsfreiheit und den übrigen Menschenrechten einen anderen Standpunkt einnehmen, zumindest in ihren offiziellen Stellungnahmen. Troll führt hier als Beispiel die Islamische Charta für Deutschland, herausgegeben vom Zentralrat der Muslime in Deutschland, an. Darin (§ 11) wird die Religionsfreiheit begrüßt und damit auch das Recht auf Religionswechsel und Religionslosigkeit anerkannt. Begründet wird das damit, dass der Koran jede Ausübung von Gewalt und jeden Zwang in Angelegenheiten der Religion verbiete. Anthropologische Reflexionen haben dabei eine neue Bedeutung erlangt, die ein Element des allgemeinen westlichen Einflusses ist. Immer mehr Muslime partizipieren an einer Lebens- und Denkweise, in deren Zentrum der Mensch steht und die charakterisiert ist von einem Subjektivitäts- und Individualitätsbewusstsein, das der vormodernen islamischen Kultur fremd war.51 Aber die Alternative zwischen Theozentrismus und 51 S. Troll, Christian W., Religious Freedom in Modern Islamic Thought: A Catholic Perspective, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations

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Anthropozentrismus ist eigentlich nicht angemessen, um die Veränderungen zu beschreiben, die das religiöse Bewusstsein auch im islamischen Umfeld betroffen haben. Der Mensch und Gott können gleichzeitig im Zentrum der Weltsicht stehen. Hier stimmt Troll ausdrücklich mit Rotraud Wielandt überein, auf deren Forschungen zum Thema er sich generell bezieht und die eben bestreitet, dass es im modernen Islam eine Hinwendung vom Theo- zum Anthropozentrismus gegeben habe. Aber der neue Stand der anthropologischen Reflexionen im islamischen Denken ist ein Faktum und verdankt sich genau dem Einfluss moderner Kultur, die zuerst in Europa entwickelt wurde. Die Konzepte der Würde des Menschen und der persönlichen Freiheiten, zusammen mit anderen Werten (und auch Unwerten) haben in der islamischen Welt Einfluss gewonnen. Freiheit mit ihren konkreten politischen und gesetzlichen Implikationen ist für Muslime immer attraktiver geworden. Aber bis jetzt konnten diese weder die Haltung und Lehre einer der großen traditionellen Institutionen muslimischen Lernens noch auch nur irgendeiner nennenswerten muslimischen Bewegung ändern. Freiheit im Sinn der arabischen hurriyya war das Gegenteil von Sklaverei, war das Äquivalent für Edelmut und Großzügigkeit und bezeichnete den Zustand des Mystikers. Das Wort wird nicht gebraucht im Zusammenhang von Willensfreiheit und Prädestination, weshalb Freiheit in dem Sinn, wie moderne Europäer sie verstehen, ein den Muslimen ursprünglich fremder Begtriff war. Was die frühe Moderne angeht, also etwa bis zur Mitte der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts, so gab es ein Konzept der angeborenen Freiheit jedes Menschen schon bei den Jungottomanen und in Ägypten im Kreis um Ahmad Lutfi as-Sayyid, den intellektuellen Vater einer ganzen Generation von liberalen Intellektuellen und Politikern. In den letzten Jahrzehnten kamen die bemerkenswertesten theologischen Ideen im islamischen Bereich nicht von den professionellen islamischen Theologen und nicht von den Ideologen des Islamismus, die vor allem aus Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Medizinern bestehen, sondern von muslimischen Religions- und Islamwissenschaftlern, die vertraut sind mit modernen kritischen historischen und philosophischen Methoden. Solche muslimischen Stimmen müssen mit Opposition vonseiten des religiösen Establishments rechnen und mitunter mit drastischen repressiven Maßnahmen des staatlichen Establishments, das sich damit bei den traditionellen muslimischen Kreisen mit ihrer Macht über die Massen beliebt machen will, besonders dort, wo es starke sunnitische oder schiitische Mehrheiten gibt.

with Muslims (ed.), Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 55–60, wobei die Ausführungen ab p. 60 sich beziehen auf Wielandt, Rotraut, Menschenwürde und Freiheit in der Reflexion zeitgenössischer muslimischer Denker, in: Schwartländer, Johannes (Hrsg.), Freiheit der Religion, Mainz 1993, S. 179–209, eine Studie, die Troll p. 62 als „masterly“ bezeichnet.

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Koranisches Zeugnis: Gott selbst schafft die Menschenwürde Auf welche Quellen kann islamische Argumentation zu den Menschenrechten zurückgreifen? Hier nennt der Artikel vier Koranstellen: die Suren 17,70; 2,30; 33,72 und 7,172. Sure 17,70 spricht davon, dass Gott die Kinder Adams geehrt habe. Der moderne arabische Ausdruck für die Würde des Menschen bezieht sich auf diese Wurzel. Die koranische Vorstellung ist, dass Gott dem Menschen eine Ehre gegeben hat, die er unter allen Umständen respektiert sehen wollte. Gott hat dem Menschen eine Position über anderen Geschöpfen gegeben. Der Mensch hat von Gott die Fähigkeit bekommen, sich die Welt untertan zu machen. Außerdem hat Gott eine Menge Vorschriften erlassen, die alle darauf abzielen, die Menschen vor entehrender Behandlung zu schützen. Sure 2,30 spricht nach gängiger Auslegung davon, dass Gott den Menschen als Stellvertreter (Khalif) Gottes auf Erden eingesetzt hat. Das ist jüdischen und christlichen Vorstellungen vom Menschen als Ebenbild Gottes ähnlich. Eine weitere Interpretation besagt, dass es die Gabe der Vernunft sei, die die Menschen fähig mache, Gottes Stellvertreter auf Erden zu sein. Sure 33,72 spricht davon, dass Gott dem Menschen den Himmel und die Erde anvertraut habe, weil alle anderen dies ablehnten. Dies ist die wichtigste und meistzitierte Stelle, wenn es um die Rechtfertigung der Menschenwürde geht. Dass dem Menschen die Welt von Gott anvertraut wurde, liegt nur an der persönlichen freien Wahl des Menschen. Es gibt auch neuere Interpretationen, nach denen dieses anvertraute Gut die Freiheit im Sinn der moralischen Verantwortung meint. Diese Exegese findet sich häufig in arabischen theologischen Schriften ab den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sure 7,172 spricht davon, dass die Menschen Zeugnis ablegen davon, dass Gott ihr Herr sei. Der marokkanische Philosoph Lahbabi hält es für die grundlegende Definition des Menschen, dass er Zeuge sein soll. All diesen koranischen Belegstellen ist gemeinsam, dass die Menschenwürde von Gott selbst geschaffen wurde. Von daher kann sie weder verdient noch verloren werden. Die Menschenwürde kommt dem Menschen nicht auf der Basis der Religion zu und nicht, weil er vielleicht ehrenhaft ist, sondern sie besteht im Menschsein selbst. Problemfälle: Sklaven, Frauen, Körperstrafen Andererseits gibt es im Koran dabei zwei konkrete Hindernisse: die Frage der Sklaven und der Frauen (wobei man auch die Körperstrafen noch hinzuzählen könnte). Was die Sklaverei angeht, so setzt der Koran sie voraus, erklärt sie aber nirgends für verbindlich, im Gegenteil, die Befreiung von Sklaven wird immer wieder empfohlen. Diese Argumentationsweise wird allgemein akzeptiert, nimmt man einige Gelehrte in Saudiarabien, Pakistan und afrikanischen Staaten wie Mauretanien aus, wenn es um Sklaverei geht. Aber dieselbe Unterscheidung zwischen sozialen Voraussetzungen und dauernd geltenden Normen wird von den mehr konservativen Theologen nicht akzeptiert, wenn es um die Stellung der Frau geht. Modern denkende Muslime betrachten die traditionelle Diskriminie-

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rung der Frau als eine Verletzung der Menschenwürde und versuchen, die koranischen Aussagen zur Frau mit den modernen Vorstellungen der Menschenwürde zu harmonisieren. Der geistige Kampf um die Freiheit des Menschen Was die Verbindung von Begründung der Menschenwürde und menschlicher Freiheit (und den verschiedenen Rechten, die daraus hervorgehen) angeht, so wird sie von den gegenwärtigen muslimischen Philosophen und Theologen in der Regel nicht gemacht. Die mehr konservativen behaupten, diese Freiheitsrechte seien im Islam von Anfang an Allgemeingut gewesen. Die Freiheit wird dabei aber bestenfalls sekundär abgeleitet von der Pflicht des Menschen, von der Vernunft, die Gott ihm gegeben hat, Gebrauch zu machen. Es gibt aber auch den Ansatz, die Freiheit als das zu sehen, was dem Menschen anvertraut worden sei, womit dann die Würde des Menschen in seiner Freiheit bestehe. Wielandt unterscheide dabei drei verschiedene Arten, menschliche Würde und Freiheit zu verbinden: Die erste geht davon aus, dass Gott frei ist, weshalb eine Stellvertreterschaft Gottes nur bedeuten könne, dass auch der Mensch wirklich frei sei. Der zweite sieht als entscheidenden Punkt in dieser Stellvertreterschaft die Kreativität und der dritte sieht darin ebenfalls eine gewisse Freiheit und die Möglichkeit zum eigenständigen Handeln. Lahbabis Argumentation hier ist, dass die Voraussetzung des Zeugnisses ja gerade die menschliche Freiheit sei: Ein Ja sei nur dann ein persönliches Zeugnis, wenn es auch verweigert werden könnte. Das Freiheitsthema ist auch in weiteren Zusammenhängen wichtig. Gott will nach Überzeugung vieler muslimischer Autoren nur freiwilligen Gehorsam. Erzwungener Gehorsam des Menschen wäre nicht nur moralisch wertlos und des Menschen unwürdig, sondern Gottes noch viel weniger würdig. Dann kann man aber nicht gleichzeitig annehmen, dass Wille und Handeln des Menschen letztlich von Gott vorherbestimmt sind. Ab dem 10. Jahrhundert wurde der Glaube an die Prädestination zu einer Norm in der muslimischen Orthodoxie, aber ab dem Ende des 19. Jahrhunderts gibt es wieder eine breite Tendenz für den Glauben an die Freiheit des menschlichen Willens. Das muslimische Denken heute hat sich in weiten Teilen für diese Willensfreiheit ausgesprochen, weil viele der Denker direkt auf den Koran zurückgreifen und der auf der Seite der menschlichen Verantwortung steht. Und Willensfreiheit ist eben die Vorbedingung dafür. Zeitgenössische Muslime betonen, dass Gott nichts als die bewusst freie, aktive und verantwortliche Unterwerfung des Menschen will. Konservative Autoren verstehen den Koran so, dass die Menschen das Recht und die Pflicht haben, hier auf der Erde alles zu machen, was von ihnen gefordert wird nach dem Maß der Einsicht, die ihnen von Gott gegeben wurde. Wie aber kann menschliche Freiheit zusammengedacht werden mit der unbedingten Verpflichtung des Menschen, dem Willen Gottes gehorsam zu sein? Oder hat die Freiheit ihre Grenze am religiösen Gesetz als dem klaren Ausdruck des Willens Gottes, wie es klassisches und tradi-

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tionelles islamisches Denken besagt? Die konservative Position besagt, dass zumindest für die, die bereits Muslime sind, das Ja erfolgen muss. Von daher kann es gegen das Handeln nach der Scharia keinerlei Freiheitsrechte geben. Die fundamentalistische Position bei Theologen und Philosophen dagegen stimmt soweit mit dem modernen Freiheitsethos überein, dass Gott wirklich nur freiwilligen Gehorsam möchte. Nach ihrer Auffassung können die offenbarten Normen nur durch perönliche freie Hingabe umgesetzt werden und nicht durch äußeren Zwang. Solche Normen zu erfüllen, sollte eine moralische und damit notwendigerweise eine freie Handlung sein. Aber wie verhalten sich die Freiheitsrechte und die religiösen Pflichten zueinander? Was ist mit den Pflichten des Individuums und denen des Staates? Was ist der Zweck der Rechtsordnung und des Staates, der sie stützt? Was das Verhältnis von Freiheitsrechten und religiösen Pflichten angeht, so gibt es bei konservativen und fundamentalistischen Theologen einen Vorrang der Pflichten vor den Rechten – nur wer seine Pflichten erfüllt hat, kann seine Rechte fordern. Es gibt also keine Freiheit, die so grundlegend wäre wie die Verpflichtung, Gottes Willen zu erfüllen. Nach dieser Ansicht ist das Ja letztlich doch kein Akt der Freiheit, sondern eher etwas, was getan werden muss, und sei es durch Zwang, wenigstens von denen, die bereits Muslime sind. Von daher gibt es gegen die religiösen Pflichten keine Freiheitsrechte. Freiheitsrechte folgen nur aus dem Befolgen der Scharia und der offenbarten Prinzipien der Sozialethik. Nur auf diesem Weg kann der Mensch das bekommen, was er nach Gottes Willen verdient, Freiheit eingeschlossen, falls man sie noch so nennen möchte. Jeder Mensch bekommt nur das Maß an Freiheit, das Gott ihm zugestanden hat. Freiheit ist also eine der erstrebenswerten Folgen der Treue gegenüber den von Gott gegebenen Verpflichtungen. Freiheit ist gerade nicht der von Gott gewollte Weg, um die religiösen Pflichten zu erfüllen. Muslimische Theologen und Philosophen heute, die die Überzeugung, dass Gott nur freiwilligen Gehorsam möchte, ernst nehmen, sehen den Zusammenhang zwischen Freiheitsrechten und religiösen Pflichten ganz anders. Offenbarte Normen sollten nur durch Selbstverpflichtung erfüllt werden und nicht durch äußeren Druck oder Zwang. Damit ist das Bekenntnis zum Islam nicht automatisch identisch mit einer Selbstverpflichtung auf die Scharia. Religiöses Recht würde damit in den Bereich der säkularen Herrschaft über Körper gehören und nicht in den Bereich der spirituellen Herrschaft über Seelen, also Religion im eigentlichen Sinn. Wie wird die Rolle des Staates gesehen? Also kann eine religiöse Gesellschaft, bedingt durch die Natur der Religiosität, die Freiheit und die Pluralität der Glaubensformen nicht nur mit einer Demokratie zusammenbringen, sondern sie braucht sie sogar. Macht hilft da nicht, sondern Glaube braucht Sicherheit und Freiheit, um gedeihen zu können. Eine religiöse Regierung, die die Sicherheit und Freiheit des Glaubens oder die Weiter­ entwicklung des religiösen Verständnisses nicht schützt, verwirkt damit ihre reli­

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giöse Legitimität. Im Bereich des mittelalterlichen politischen Denkens nahm man eine völlige Übereinstimmung zwischen individuellen Verpflichtungen und den Aktionen des Staates an. Später kam dann die Frage auf, ob der Staat wirklich berechtigt ist, ein Individuum zu zwingen, dem Willen Gottes in der Form der Scharia zu folgen, oder ob es unrechtmäßig ist, die Verantwortung und Freiheit des Individuums einzuschränken. Der ideale islamische Staat wird organisiert auf der Basis einer behaupteten Identität von Staatsvolk und Glaubensgemeinschaft. Nach islamistischem Denken liegt die Verantwortung für die Erfüllung des Willens Gottes hauptsächlich beim Staat. Der Staat hat die Pflicht, die einzelnen Muslime auf den Weg des rechten Glaubens und der Unterordnung unter die Scharia zurückzubringen, wenn nötig mit Gewalt. Besonders muslimische Intellektuelle aber halten es für offensichtlich, dass die Normen des Glaubens vor allem eine Sache des persönlichen Gewissens sind und dass der Staat nicht der direkte Ausführende von Religion ist. Seit 1970 gibt es immer wieder Diskussionen, was zuerst geschaffen werden sollte, eine islamische Gesellschaft oder ein islamischer Staat. Die, die für ersteres eintreten, sagen, dass der Islam nicht länger politisch durchgesetzt werden kann, sondern nur durch Erziehung und das Gewinnen von Zustimmung. Sogar die anderen haben inzwischen einen geschärften Sinn entwickelt für den Wert der Freiheit als Basis für religiöses Engagement und für demokratische Wege, islamische Werte zu fördern. Es gibt durchaus Muslime, die einen islamischen Staat fordern, aber überzeugt sind, dass man ihn nur errichten darf, indem man auf friedlichem Weg eine Mehrheit der Bevölkerung für diese Idee gewinnt. Auch hier aber ist der Zweck des Staates, die Gemeinschaft der Herrschaft Gottes zu unterstellen. Inzwischen werden aber auch dafür die von Gott gegebenen Fähigkeiten der Vernunft und des Willens ins Feld geführt, also der Idee des Menschen als verantwortlichem Repräsentanten Gottes im Bereich der Rechtsordnung, verstanden als Verpflichtung, die rechtlichen Vorschriften immer neu zu formulieren. Die Ziele der Offenbarung sollten in die Intentionen der Menschen verwandelt werden. Religionsfreiheit und islamisches Recht – das ungelöste Kernproblem Umgekehrt steht hinter der Haltung, dass die erlaubte Freiheit des Menschen ihre Grenze an den Vorschriften der Scharia findet, ein objektivierendes und un­ historisches Verständnis von offenbarter Wahrheit. Die koranischen Aussagen zur Stellvertreterschaft und Verantwortung des Menschen werden heute fast ausnahmslos als Basis der Lehre von der menschlichen Würde und Freiheit gedeutet, während sie vor 200 Jahren niemand so interpretiert hat. Das Problem der Zeit wird auch deutlich an dem Beispiel von Sure 12,40, wo es darum geht, dass das Gericht allein Gottes ist. Nach der pakistanischen Wissenschaftlerin Riffat Hassan sei dies das wichtigste islamische Bollwerk zur Verteidigung der Freiheit, nicht zuletzt der Religionsfreiheit. In der Geschichte wurde dieser Vers sowohl herangezogen, um totale Unterdrückung, als auch, um völlige Gedanken-

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und Religionsfreiheit zu rechtfertigen. Es wird klar, dass man eine Hermeneutik braucht, die die sozialen und historischen Bedingungen jedes menschlichen Verstehens der Offenbarung ernst nimmt und von daher jeder Rechtfertigung, aus einer rigiden Interpretation heiliger Texte totalitäre Ansprüche abzuleiten, den Boden entzieht. Namen wie beispielsweise Farid Esack stehen für diesen Ansatz. Dagegen wird angeführt, dass die normative Autorität der Religion verloren ginge, wenn solche modernen hermeneutischen Überlegungen erlaubt würden. Dagegen wird wiederum ins Feld geführt, dass die Offenbarung etwas nur in dem Maß offenbart, in dem sie mit der Vernunft des Menschen in Dialog tritt. Das bedeutet, dass die Wahrheit der Offenbarung immer verbunden ist mit einem lebendigen historischen Kontext. Deshalb muss man bei der Interpretation von zeitgebundenen Aussagen der Offenbarung zuerst fragen, was der Text für seine eigene Zeit sagte, und dann, was er der gegenwärtigen Überlegung zu sagen hat. Es gibt eben auch die Historizität des Menschen, sogar bei muslimischen Denkern. So gibt es zum Beispiel den Ansatz, die Scharia könne nicht einfach mit dem Willen Gottes gleichgesetzt werden. Sie sei nur ein Mittel, den Willen Gottes zu erfüllen, der darauf abzielt, der Erde Wohlergehen zu bringen und Gerechtigkeit zwischen den Menschen. (Der Ansatz greift dafür auf das islamische Rechtsprinzip des allgemeinen Wohlergehens zurück.) So dürften Muslime nicht ihrer eigenen Religion entfremdet werden. Gesetze müssten dazu auch, zumindest bis zu einem gewissen Grad, mit dem Gesetzesbewusstsein ihrer Adressaten übereinstimmen. Dies sei ein Prinzip, das bereits im Koran beachtet werde. Was zum Beispiel Sklaverei und Polygamie angehe, so gehe Gottes Wille weit über das hinaus, was zur Zeit der koranischen Offenbarung wirklich verlangt wurde. Man müsse also fragen, wie Gott unsere sozialen Bedingungen letztlich wollte. Troll schließt die Ausführungen zum Thema mit dem Verweis auf Wielandts abschließende Mahnung, dass weitere Kreise der muslimischen Welt von solchen Ideen nur beeinflusst werden, wenn das vormoderne Herrschaftskonzept, das immer wieder religiöse Loyalitäten mobilisiert, in den Ländern mit muslimischer Mehrheit modifiziert wird, in anderen Worten, wenn und soweit der Islam weniger für Ideologien von Vereinheitlichung und Harmonisierung idealisiert wird. Beide sind aber der Meinung, dass es nicht die innere Logik des Islams sei, die einer Annahme der Konzepte von menschlicher Würde und Freiheit entgegenstehe. Troll schließt aber mit dem Satz: „On the other hand, should the concept of religious freedom in its full and proper sense one day prevail in Muslim societies, then the traditional structures of the religious Islamic institution would be radically transformed in ways difficult to predict with any degree of precision now.“52

52 Ib., p. 77, für die Positionen vorher s. p. 60–76.

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Dieser Artikel ist sicherlich der inhaltliche Kernpunkt der ganzen Publikation und dieser Ausgang könnte nicht zweideutiger sein: Es gibt einen Islam, der sich mit den Menschenrechten vereinbaren lässt, aber er wird momentan nur von einer kleinen modernen Minderheit vertreten und gerade nicht in den Ländern mit muslimischer Mehrheit. Diese und der dortige Islam würden sich gewaltig verändern, sollte sich Religionsfreiheit dort wirklich durchsetzen. Die Wahrscheinlichkeiten realistisch einzuschätzen, bleibt jedem persönlich überlassen. Vielleicht hat ja mit den Demokratiebewegungen dieser Prozess begonnen, doch ein einfacher und direkter Weg ist es ja keineswegs, und bisher eher ein mehrheitlich-demokratischer Weg zurück zu einem noch traditionelleren Islam.

2.6.2. Internationale Religionsfreiheit praktisch 2.6.2.1. Pakistan: ein trauriger Weg in die Intoleranz Einen Blick in Vergangenheit und Gegenwart hingegen bietet der Bericht zur Lage der Religionsfreiheit in Pakistan. Er ruft eine eher traurige Geschichte in Erinnerung: Muhammad Ali Jinnah, der Gründer Pakistans, war ein glühender Vertreter der Religionsfreiheit und so wurde auch Pakistan nicht auf den Islam gegründet, sondern auf westlich-säkularen Nationalismus. So sind auch die Angehörigen von Minderheiten gleichwertige Bürger mit verfassungsmäßig gleichen Rechten und gleicher Verantwortung. Wie Jinnahs Reden zeigen, war sein Traum ein demokratisches und säkulares Pakistan und nicht ein theokratischer Staat. In der Lahore-Resolution von 1940, praktisch einer Verfassung, wird der Islam nicht einmal erwähnt. Jinnah aber starb im Herbst 1948 und im Frühjahr 1949 wurde der Islam zur Basis des neuen Staates erklärt. Nach der Verfassung von 1973 ist der Islam Staatsreligion. Unter Zia ul Haq wurde Pakistan sogar zu einem rigiden islamischen Staat: Scharia-Gerichtshöfe wurden eingesetzt, ­Hudud-Strafen eingeführt und Nichtmuslime zu klassischen Bürgern zweiter Klasse gemacht. Die Religionsfreiheit, die der Islam mit dem berühmten ‚kein Zwang in der Religion‘ gewährt, erstreckt sich eindeutig nicht auf die Muslime, die kein Recht haben, ihre Religion zu wechseln. Dies würde ein Todesurteil durch die religiösen Führer nach sich ziehen. Es sei sogar schwierig, in Pakistan überhaupt für Religionsfreiheit und Menschenrechte zu kämpfen. Wenn in der Verfassung davon die Rede ist, dass die Religionsfreiheit Gesetz, Ordnung und Moral unterworfen sei, so ist damit islamisches Recht gemeint. Im Klartext heißt dies, gegen den Islam oder den Propheten Mohammed darf nichts gesagt werden, Gesetze müssen islamkonform sein und so werden koranische Gesetze teilweise auch auf Nichtmuslime angewandt. Minderheiten dürfen ihren Glauben bekennen und praktizieren, aber predigen dürfen sie ihn nicht und religiöse Erziehung darf nur daheim und in Privatschulen stattfinden. Vieles ist auch auf den großen Einfluss von extremistischen religiösen und politischen Parteien zurückzuführen, die auch gegen den Willen der Zentralregierung in bestimmten Provinzen

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die Einführung strikter islamischer Gesetze erzwangen, beispielsweise das Blasphemiegesetz, das zwar zum Berichtszeitpunkt noch nicht zur (möglichen) Todesstrafe, sondern nur zur lebenslänglichen Gefängnisstrafen geführt hatte, dass aber auch zur privaten Abrechnung mit Christen missbraucht worden war. Christen und Hindus fühlen sich dabei, als hätten sie ganz wenig oder gar keine Religionsfreiheit. Die Nationalversammlung ist religiös dominiert, was zu Extremismus und am Ende zu Terrorismus führt. Die religiösen Diskriminierungen und Verfolgungen religiöser Gemeinschaften geschehen durch staatliche Gesetze. Ein schwacher Staat, so die Erklärung, suche in der Religion Zuflucht, sichtbar beispielsweise an der rasant gestiegenen Zahl der Moscheeschulen, die sich in kaum mehr als 20 Jahren (bis 2000) mehr als verzwanzigfacht haben. Das Erziehungssystem Pakistans ist islamisch ideologisiert: Jedes Fach werde nach islamischen Vorgaben gelehrt, die Minderheiten kämen in der Geschichte des Staates nicht vor, obwohl ihre Rolle teilweise entscheidend war. Weil die Rolle der Minderheiten bei der Bildung der Nation, in Erziehung, Gesundheit und Verteidigung ignoriert werde, so eine These, gebe es zu wenig Religionsfreiheit und Toleranz. Auch stünden religiöse Toleranz oder Harmonie nicht in den Lehrplänen, der Islam werde einfach als die wahre Religion gelehrt, auf andere Religionen werde herabgesehen. Es bestehe großer Bedarf nach einer Lehrplanrevision, gerade um das herauszunehmen, was andere Religionen herabsetzt. Es ist wörtlich die Rede von einer Erziehung wie bei den Taliban in Afghanistan mit religiöser Intoleranz, Fanatismus und Diskriminierung von Frauen, Minderheiten und islamischen Sekten. Die Intoleranz der Moscheeschüler gegenüber Ahmadis, Hindus und Christen (in absteigender Reihenfolge) lässt sich statistisch eindeutig nachweisen. Ähnliche Meinungen sind in abgeschwächter Form auch sonst verbreitet, man kann also von Vorurteilen der Mehrheit gegenüber der Minderheit sprechen, die nicht als gleichberechtigte Bürger behandelt werden sollen. Am ehesten wollen das noch die Schüler der englischen Eliteschulen, während die Moscheeschüler wirklich verstörend intolerant und militant sind und zudem zunehmen, weil ihnen die Massen aus den Unterschichten zuströmen. Die Moscheeschulen seien die größte Nichtregierungsorganisation in Pakistan, eine Welt auf der Basis von Selbsthilfe. Der Bericht drängt darauf, dass die Regierung sich darum kümmern und die Lehrpläne auswechseln sollte, denn Erziehung zur Religionsfreiheit fehle. Nur so könne der Islam sich als eine Religion von Toleranz und Frieden erweisen, die die Menschenrechte schütze und ihre Stimme gegen Diskriminierung erhebe. Im Rückblick war die Situation am schlimmsten kurz nach dem 11.  September, als die Leute auf der Straße gegen die eigene Regierung mit den Muslimen in Afghanistan sympathisierten und es ein Massaker in einer Kirche gab. Vielleicht wurde das aber auch zu einem Wendepunkt, denn danach wurden die Minderheiten offiziell als gleichberechtigte Bürger bezeichnet. Das Thema Diskriminierung und Menschenrechtsverletzung wurde angegangen, es gab Gespräche und Veranstaltungen zum Thema und auch die Revision

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der Lehrpläne wurde in Angriff genommen, um Menschenrechtsangelegenheiten darin aufzunehmen. Der Bericht würdigt das ausdrücklich, macht aber auch weitergehende Vorschläge. Die geltenden Vorschriften und auch die Verfassung sollten an die UN-Charta zu den Menschenrechten angepasst werden und Pakistan sollte die entsprechenden Menschenrechtskonventionen unterzeichnen. Man müsse eine Kultur des Friedens fördern. Das Erziehungssystem Pakistans sollte revidiert werden, damit es religiöse Toleranz und gegenseitige Akzeptanz ohne jegliche Diskriminierung hervorbringt. Die Rolle der Minderheiten bei der Bildung der Nation sollte ihren angemessenen Platz bekommen. Auch interreligiöser Dialog sollte seinen Platz haben und alle Medien sollten für die Erziehung genützt werden. Vor allem aber sollten alle diskriminierenden Gesetze, die die Rechte der Minderheiten beschneiden, revidiert werden.53 So ist dieser Bericht zwar einerseits ernüchternd und auch erschreckend, aber eben doch nicht ganz ohne Hoffnung, dass eine neue Generation zu mehr Mitmenschlichkeit erzogen werden könnte. 2.6.2.2. Nigeria – die Vorgeschichte eines Konflikts Auch der Bericht zur Lage der Religionsfreiheit in Nigeria setzt historisch an und schildert, dass der Islam etwa 700 Jahre vor dem Christentum ins Land kam, dass aber durch das Wachstum des Christentums das Verhältnis ziemlich exakt 50 : 50 und Nigeria somit die größte christlich-muslimische Nation der Welt ist, allerdings auch die mit mehr Gewalt zwischen den beiden Religionen als in jedem anderen Land Afrikas. Historisch gesehen gab es bis zur britischen Kolonialzeit eine Theokratie, es galt die Scharia, die auch zur Unterdrückung der Bevölkerung verwendet wurde. Die britische Kolonialmacht arbeitete durchaus mit den muslimischen Fürsten zusammen gegen den ganz radikalen Islam (Mahdi-Bewegung) und sie führte drei Arten von Gerichtshöfen ein, einen britischen, einen SchariaGerichtshof und auch einen „Customary Court“54. Die Regeln der letzteren wurden aber nur übernommen, wenn sie nicht unmenschlich waren und gegen die natürliche Gerechtigkeit verstießen, wofür es eigenen Klauseln gab. (So wurden Hinrichtungen mit dem Schwert, das Abhacken der Hand und die Verbannung abgeschafft.) Die Probleme waren damit aber nicht gelöst, sondern die britische Politik hatte die Religion zum Konfliktinstrument gemacht. Das Thema Scharia und Menschenrechte beschäftigte das moderne Nigeria immer wieder.

53 Nach Channan, James, State of Religious Freedom in Pakistan, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations with Muslims (ed.), Religious­ Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 83–101. 54 Kukah, Matthew Hassan, Religious Liberty in a Plural Society: The Nigerian Experience, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations with Muslims (ed.), Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 107, s.a. p. 105 f.

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Die Probleme Nigerias und die Scheinlösung der Scharia Kritisch ist beispielsweise, dass elf der 19 nördlichen Staaten die Scharia eingeführt haben und es dabei zu Exzessen kam, also dass auch Nichtmuslime vor diese Gerichtshöfe gezerrt wurden und dass die Gerichtshöfe selbst korrupt waren und Recht auch über Menschen sprachen, die gar nicht in ihren Jurisdiktions­bereich gehörten. Im Norden ist der Grund für die Furcht der Nichtmuslime allein die Religion. Im Gezerre um die Verfassung war die Scharia für einige muslimische Bevölkerungsgruppen ein Weg, das Problem der Ungerechtigkeit anzugehen. Und davon gab es genug. Der Norden hatte, auch unter der Militärregierung, das Land beherrscht und es gab massive Korruption, die Produktivität ging zurück und alle Energie konzentrierte sich auf das Öl, das nie wirklich zum Wohl des Volkes verwendet worden war. Dagegen wurden religiöse, aber auch ethnische Identitäten sozusagen wieder erfunden und im Kampf um Rechte und Privilegien instrumentalisiert. So hat am Ende die Militärherrschaft die ethnischen und religiösen Spannungen noch verschärft und die Basis der Nation noch mehr zerstört als die Kolonialherrschaft. Es ist sogar die Rede von einer Balkanisierung des Landes. Der Bericht gibt eindeutig dem Militär die Schuld an der Situation und daran, dass es bisher keine Lösung gab, und glaubt, dass die Demokratie im Lauf der Zeit zu mehr Konsens führen wird. Eigentlich stehe es in der Verfassung, dass kein Teilstaat irgendeine Religion zur Staatsreligion machen dürfe, aber die Muslime sind dagegen. Angeblich ermutige das die Regierung, Religion zu ignorieren und Säkularismus anzustreben. Die Regierung aber sage nicht deutlich, was die Vorgaben im Umgang mit Religion sind. Deshalb gab es sehr heftige Debatten mit Gewalt, Zerstörung und Tod um solche Fragen wie den Sonntag als Feiertag, Beziehungen zum Vatikan, Kleidungsvorschriften für Schüler, Pilgerfahrten, Land für Kirchenbau, Plätze für Moscheen, Rückgabe von Schulen an nichtstaatliche Träger. Wenn dann beispielsweise die Regierung ihren Beobachterstatus bei der Organisation der Islamischen Konferenz einfach in einen Mitgliederstatus umwandelt, dann führt das zu noch mehr Verdacht bei den Nichtmuslimen und die Christen sind davon überzeugt, dass man der Regierung nicht zutrauen kann, dass sie beide Religionen fair behandelt. Auch das Advisory Council for Religious Affairs, in dem die führenden Persönlichkeiten der Religionsgemeinschaften versammelt waren, war durch das gegenseitige Misstrauen nicht arbeitsfähig. Aber Erzbischof John Onaiyekan sieht dies nicht als religiös begründet, sondern eher als Ausdruck tief sitzender Verletzungen. Auch die Konflikte entstünden nicht aus rein religiösen Gründen. Onaiyekan sieht Riva­ litäten um den Zugang zu beschränkten Ressourcen, das Gefühl von Ausge­ schlossensein und ungerechter Behandlung. Dies ist auch die Meinung des Berichterstatters: Die Eliten waren ungerecht zum Volk und trotz der Etiketten Religion, Region oder Ethnie, die sie sich aufklebten, kamen die Menschen nicht unbedingt besser weg. Mit anderen Worten: Trotz muslimischer Herrschaft fühlten sich normale Muslime machtlos. Als größtes Problem Nigerias sieht der Be-

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richterstatter denn auch die Ethnien, wobei Islam und Christentum über diese Grenzen hinweggehen, aber selbst genug Probleme hatten und das Problem der Religion als solches nicht lösen konnten. Er zeigt an einem Beispiel, dass ein Gouverneur, der mit der Ausweitung der Schariagesetzgebung voranging, einen Druck für die Kollegen aufbaute, doch nachzuziehen, auf den diese praktisch überhaupt nicht vorbereitet waren. Wobei noch hinzukam, dass es große Spannungen und Spaltungen sogar innerhalb der Muslime gab und vieles bei den muslimischen Gelehrten und Lehrern umstritten war. Bleibt die wichtige Frage, ob die Scharia als ungerecht eingestuft werden kann oder ob sie für die Opfer von Ungerechtigkeit Mittel zur Selbstkorrektur besitzt  – in der Tendenz werden ja Verurteilungen als Beweis dafür gefeiert, dass die Scharia wirklich funktioniert. Ist also die Scharia nun eine Gefahr für Freiheit und Gerechtigkeit oder ein Ausdruck der Prinzipien des Pluralismus in einem multireligiösen Staat? In Wahrheit, so jedenfalls der Berichterstatter, wurde die Scharia im politischen Prozess als Weg gesehen, dass die Muslime sich geltend machen konnten, nachdem sie gerade die politische Macht an einen christlichen Präsidenten aus dem Süden verloren hatten. Tatsächlich war sie aber ein Rückschlag, eine flagrante Verletzung der säkularen Natur Nigerias, wie es die katholische Bischofskonferenz formulierte und damit den meisten Nichtmuslimen aus dem Herzen sprach: Rechte von unschuldigen und gesetzestreuen Bürgern würden mit Füßen getreten und diese könnten nicht dagegen vor Gericht gehen aus der wohlbegründeten Furcht um Leben und Besitz der eigenen Person und der ganzen Familie. Die normalen Muslime dagegen sahen die Scharia als den einfachsten Weg, um Korruption, Ungerechtigkeit und sozialer Degeneration zu begegnen, die die Gesellschaft im Griff haben. Nur eine kleine Gruppe muslimischer Intellektueller sah darin eine völlig sinnlose Übung, weil es nicht möglich sei, einem postkolonialen Staat westlich-demokratischen Zuschnitts einen Schariastaat überzustülpen. Stattdessen müsse man nach dem Platz des islamischen Rechts in einer modernen Demokratie fragen – beispielsweise wurde in Nigeria immer nur eine von vier Rechtsschulen angewandt und außerdem mache man sich mit Argumenten wie einer schlafenden Schwangerschaft (ein spektakulärer Fall) in der heutigen Zeit lächerlich. Die Muslime, die ja von dieser Regelung profitieren sollten, waren in privaten Gesprächen einstimmig der Meinung, dass es sich nicht ausgezahlt habe. Sie hätten von der Scharia Erlösung erwartet und am Ende nur mehr gelitten, weil sie durch sie zur Zielscheibe wurden – besonders die Frauen waren ein leichtes Ziel für die, die beweisen wollten, dass die Scharia funktioniert. Nigeria – ein Fünkchen Hoffnung für die Zukunft Was also für die Zukunft Nigerias wichtig ist, sind die Fragen nach der Zukunft von Religionsfreiheit in einem pluralen Staat und von Rolle und Platz von Religion in der Demokratie. Abschließend weist der Berichterstatter unter anderem darauf hin, dass die gewöhnlichen Muslime und die muslimische Elite sich von

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der Einführung der Scharia völlig andere Dinge erwarteten. Der Elite ging es um politischen Punktgewinn, während die normale Bevölkerung hoffte, so der Korruption und moralischen Degeneration ein Ende setzen zu können und vor allem auch zakat zu stärken als einer Art Sozialversicherung, die die muslimische Elite im Norden Nigerias völlig vernachlässigt hatte. Die Erwartungen der Gouverneure wurden nicht erfüllt, weil alles nicht so leicht war, wie sie es sich vorgestellt hatten. Dabei waren die Scharia-Gerichtshöfe gar nicht so schlecht in dem Sinn, dass sie vielen Menschen Gerechtigkeit zu einem kleinen Preis boten – wobei die staatlichen Gerichtshöfe weiter korrupt blieben. Insgesamt also ist die ganze Diskussion um die Scharia mehr eine Aussage über das Versagen des nigerianischen Staates und über die Korruption, die ihn in die Knie gezwungen hat. Aber auch die Ängste vieler Nichtmuslime haben sich nicht erfüllt. Der Berichterstatter erwähnt die Dialoge, die es bereits gab und die positiv verlaufen sind, und hofft, dass mit der Zeit die Mauern des Misstrauens dadurch abgebrochen werden. Er hält es auch für wichtig, dass die Nichtmuslime betonen, dass sie nicht gegen die Scharia sind, weil sie für die Schwächen sind, die die Befürworter der Scharia bekämpfen wollen.55 Insgesamt ist also auch hier festzustellen, dass die aktuelle Lage nicht gerade positiv ist, dass aber mit Demokratie und Dialog Hoffnung für die Zukunft gesehen wird. 2.6.2.3. Frankreich – die generelle Situation der Muslime Der letzte Bericht kommt von Jean Marie Gaudeul aus Frankreich und muss gleich einmal darauf eingehen, dass Frankreich so streng säkular ist, dass jeglicher religiöser Zensus verboten ist. Man muss sich also auf Meinungsumfragen stützen, die zeigen, dass von denen, die von ihrer Herkunft her Muslime sein müssten, teilweise über ein Viertel sich selbst als nichtmuslimisch oder als lediglich muslimischer Abstammung bezeichnet. Erstaunlich ist, dass die Stärken und Schwächen der Zugehörigkeit zwischen den Christen und den Muslimen Frankreichs so parallel sind. Jean-Marie Gaudeul kommt zu einem fast nicht weniger erstaunlichen Schluss: „Religious freedom leads to a flittering away of atti­tudes and options.“56 Doch dies gehört ja eigentlich schon nicht mehr zur Situationsbeschreibung. Die beginnt, auch in Anlehnung an einen Beitrag von Dalil Boubakeur, den Rektor der Großen Moschee von Paris (von 1921, ein Erbe der Kolonialgeschichte Frankreichs), mit einer Darstellung der juristischen Ausgangssituation. In Frankreich gibt es Gewissensfreiheit und Religionsausübung ist gestattet, soweit sie nicht die öffentliche Ordnung stört. Religiöse Feiern sind 55 S. ib. p. 108–124. 56 Gaudeul, Jean Marie, Islam in  a Minority Situation: The Situation in France, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations with Muslims (ed.), Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 126, s. a. p. 125.

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öffentlich, Gehälter für Priester werden aber mit Ausnahme der Seelsorger an staatlichen Einrichtungen nicht bezahlt. Grundlage für diesen französischen Laizismus ist die Verfassung von 1958, aber die Anfänge gehen bis auf die französische Revolution zurück. Das heißt für den Bereich der Erziehung, dass an öffentlichen Schulen nur Laien Lehrer sein können. Nationale Souveränität bedeutet, dass der Staat unabhängig von jeder Autorität ist, die nicht von der ganzen Nation anerkannt wird. Doch Gleichheit kann auch zu Ungleichheiten führen, die eigentlich nicht sein dürften. Ein solcher Fall ist die Finanzierung der Gemeinden – die muslimische Bevölkerung in Frankreich ist arm und die muslimischen Gemeinden besitzen eben auch keine verstaatlichten Gebäude, bei denen der Staat unterhaltspflichtig wäre, und so haben sie nicht die Mittel, um ihren Aufgaben nachzukommen. Umgekehrt sei, so zumindest nach Boubakeur, die Unterscheidung zwischen Haus des Islam und Haus des Krieges hinfällig. Nach Sure 4,62 sei es nötig, denen zu gehorchen, die an einem Platz herrschen. Während der Kolonialzeit forderten die Ulema Algeriens die Einführung eines säkularen Rechts und die eigentlich laizistische französische Verwaltung hatte volle Autorität über die Religion und ernannte alle Geistlichen. Die muslimische Bevölkerung Frankreichs stammt größtenteils aus den Repatriierungen und aus der Familienzusammenführung für immigrierte Arbeiter, die 1975 gesetzlich erlaubt wurde. Mittlerweile ist der Islam die zweitgrößte Religion Frankreichs mit zwei Millionen französischer Staatsbürger. Probleme vor allem um die Repräsentativität In dieser Situation drängte das Innenministerium, für die religiösen Aktivitäten wie Moscheebau, Islamunterricht und die Tätigkeit der Imame eine religiöse Vereinigung nach dem Gesetz von 1905 zu gründen. De facto werden die Muslime vom Staat anerkannt, nur haben sie nicht so etwas wie einen juristischen Körperschaftsstatus, sondern es werden immer wieder Notlösungen für gerade anstehende Probleme gesucht. Wegen seiner Laizität kann der Staat auch keine repräsentative Körperschaft organisieren, sondern nur bestimmen, wen er zu Gesprächen einlädt. In den dann folgenden politischen Verhandlungen erreichten die Muslime, dass eine direkte Erwähnung des Rechts auf Religionswechsel gestrichen wurde in der Erklärung, in der sie ihre Übereinstimmung mit der französischen Verfassung kundtaten. (Gaudeul versucht das so zu rechtfertigen, dass man sonst die Ebene der bürgerlichen Freiheiten hätte verwechseln können mit der Ebene der Dogmatik.) Das Problem ist, dass die vier Organisationen und sechs Moscheen, die Vertreter zu den Gesprächen mit dem Staat schicken, nicht repräsentativ sind, da nur fünf bis zehn Prozent der Muslime in Frankreich praktizierend sind. Was man also hat, ist nicht eine nationale Repräsentation der Muslime, sondern eher so etwas wie eine nationale Repräsentation der muslimischen Gottesdienstbesucher, weswegen der Innenminister auch versuchte, mit ganz verschiedenen Zweigen des Islam zu verhandeln, weil man eben eine breitere Re-

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präsentation auch derer möchte, die nicht irgendeiner Moschee verbunden sind. Für die Politiker bleibt der Terrorismus und dessen Brutstätte, der Fundamentalismus, eine ständige Verführung, aktiv einzugreifen und bestimmte Repräsentanten abzulehnen oder sich andere auszusuchen, um einen vermeintlich passenden Partner zu haben. Gerade die Bewegungen der jungen Muslime brachten gegen das Wahlverfahren vor, dass es den alten, häufig nicht einmal des Schreibens und Lesens mächtigen Gläubigen, die oft von den Konsulaten ihrer Heimatländer kontrolliert werden, die dominierende Rolle gebe. Außerdem wurden Vorschläge zum Moscheebau gemacht, damit die muslimischen Gemeinden in dieselbe Situation kämen wie heute die katholischen Gemeinden. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass durch die Laizität der Staat den Imamen keinen legalen Status gibt. Sie sind offiziell Arbeiter und haben nur Besucherstatus, sprechen außerdem oft nicht französisch. Sie könnten durch den Unterricht in Sprache und Kultur der Heimatländer vielleicht an den staatlichen Schulen integriert werden, aber dieser Unterricht wird zunehmend als marginal eingestuft und sogar als Integrationshindernis. Außerdem ist da noch das Problem einer eventuellen Konfusion zwischen der Kultur des Heimatlandes und religiöser Predigt. Auch wenn die französischen Muslime entschlossener dem Einfluss fremder Länder oder tendentiell fundamentalistischer Organisationen zu entkommen suchen, können sie nicht auf eigenen Beinen stehen, sondern brauchen Hilfe aus mus­ limischen Ländern. Und wie war das mit dem Kopftuchstreit wirklich? Es gab auch Konflikte, weil eine kleine Minderheit das Kopftuch für Mädchen, die Befolgung der muslimischen Speisegebote und muslimischen Feste, die Anpassung der Lehrpläne in Sport, Naturwissenschaften und Sexualkunde sowie Islamunterricht an der Schule forderte, obwohl es doch keinerlei Religionsunter­ richt an staatlichen Schulen gibt. Die Rechtslage war, dass die Schüler die Zeichen ihrer religiösen Zugehörigkeit nicht verstecken mussten, solange diese die öffentliche Ordnung nicht störten, nicht zu auffällig waren und nicht dem Zweck des Proselytismus dienten. Der Ausschluss von bestimmten Fächern ist nicht möglich, das würde zum Schulverweis führen. Das Problem mit dem Kopftuch ist, dass es eben auch Ausdruck eines sozialen Systems ist, bei dem Männer und Frauen nicht den gleichen sozialen Status haben, wie das die französische Verfassung verteidigt. Feministische muslimische Vereinigungen wollten sogar eine noch strengere Haltung der Schulbehörden und gingen dafür auf die Straße. Auf diese Debatten hin wurde eine Kommission gegründet, die untersuchen sollte, ob es noch mehr solche Fälle gebe, wo säkulare Prinzipien und die Gleichberechtigung der Frau verletzt würden in Vorstädten, Schulen und Kliniken. Als sich tatsächlich eine Unterminierung des säkularen Charakters dieser Institutionen und besonders des Status der Frau herausstellte, gab es einen öffentlichen Aufschrei und in weiterer Folge im März 2004 ein neues Gesetz, das alle sichtbaren religiö-

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sen Zeichen in Primar- und Sekundarschulen verbot, besonders aber das Kopftuch. Daraufhin wurden im Irak zwei französische Journalisten als Geiseln genommen und mit dem Tod bedroht, falls das Gesetz nicht wieder abgeschafft würde. Eine kleine Zahl von Mädchen habe wegen des Kopftuchs um Aufnahme in katholische Schulen ersucht. Während vor zehn Jahren noch die meisten muslimischen Schüler staatliche Schulen besucht hätten, gingen jetzt immer mehr in private katholische Schulen (teilweise über 50 Prozent dort), die aber nicht einmal genug Platz für die eigenen Schüler hätten und außerdem eine fundamentalistische Haltung ebensowenig tolerieren würden wie der Staat. Eigene Schulen seien für die Muslime aus finanziellen Gründen nicht machbar. Insgesamt aber ist Gaudeul der Meinung, das Kopftuch müsse nicht notwendig ein Zeichen verweigerter Integration sein, er würde es oft eher als „flip through a period of return“57 sehen. Darunter versteht er das Gefühl, man müsse sich an einem Punkt unterscheiden, wenn man sonst schon überall konform gehe. Außerdem gebe es, was Schulen angeht, auch ein Projekt zur Einführung von religionskundlichem Unterricht. In den staatlichen Institutionen, in denen sich Benutzer nicht frei bewegen könnten, gebe es auch in Frankreich vom Staat bezahlte Seelsorger. Bei den Muslimen sei da ein Wunsch nach Gleichbehandlung oder vielleicht auch ein Mimikry-Effekt aufgetreten. Das große Problem aber sei, dass solche Dienste im Islam eigentlich nicht existierten und auch ganz anders seien als das, was im Islam sonst gemacht werde. So gab es auch niemanden, der dem Staat gegenüber für solche muslimischen Seelsorger garantieren konnte und prompt machten die, die auf solche Positionen kamen, entweder nichts oder baten ihre christlichen Kollegen um Einweisung. Ein weiterer kritischer Punkt sei rituell geschlachtetes Fleisch. Solange Muslime nur vorübergehend in Frankreich waren, gab es Rechtsgutachten, dass sie bei normalen Metzgern kaufen dürften. Dann aber wurde, ähnlich wie im Fall des Kopftuchs, die Reinheit des Essens als neue rituelle Grenze zu den Nichtmuslimen wiederentdeckt. Das führte aber faktisch zu massiven Hygieneproblemen bei geschächtetem Fleisch oder zu Versorgungsengpässen bei lebenden Tieren gerade zum islamischen Opferfest. Was Polygamie angehe, so werden im Ausland geschlossene Ehen anerkannt, aber nur die erste Frau hat in Frankreich den Status einer legitimen Ehefrau. Was Feiertage angeht, so ist die Gesamtbevölkerung da zu einer Verschiebung nicht bereit, aber die Muslime können, ähnlich wie die Juden, an drei religiösen Feiertagen Sonderurlaub bekommen, also zum Fest des Fastenbrechens, zum Opferfest und am Geburtstag Mohammeds. Entwicklungen in Frankreich: Beziehungen und Zusammenleben Was die Rolle der katholischen Kirche angehe, so habe sie den Muslimen zunächst als Fremden geholfen, dann als unterprivilegierten Sozialpartnern, angesichts 57 Ib., p. 139, s.a. p. 127–138.

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der oben angesprochenen Probleme oft, indem sie Räume für Gottesdienste ausgeliehen hätte. 1974 wurde das S. R.I gegründet, das Sekretariat für die Beziehungen zum Islam. Inzwischen seien beide mehr und mehr gleichgestellt und dächten gemeinsam über die Rolle und Sichtbarkeit von Religion in der pluralistischen Gesellschaft von morgen nach  – die Laizität soll ein neutraleres Gesicht bekommen. Es gibt inzwischen auch so etwas wie verlängerte Dialoge, also Plätze für fortwährenden Austausch. Die Bevölkerung, so die Einschätzung Gaudeuls, wolle, dass die Religionen sich manifestierten, aber bitte mit einer Stimme für einen gemeinsamen Ansatz zu den großen Problemen des Zusammenlebens. Das wiederum sei nicht ohne Probleme: Die öffentlichen Autoritäten könnten die Religionen rufen, wenn sie selbst die öffentliche Ordnung nicht länger garantieren könnten, und eine einzelne Gemeinschaft könne das Recht verlieren, im eigenen Namen zu reden, wenn für sie wichtige Werte in Gefahr seien. Trotzdem seien solche Treffen unausweichlich, denn die Öffentlichkeit und die Medien hörten nicht länger auf einen einzelnen, man müsse gemeinsam sprechen, wenn man gehört werden wolle. In diesem Zusammenhang geht Gaudeul auch auf aktuellere Ereignisse ein. Der 11.9.2001 habe dazu geführt, dass man mehr nach der eigenen Verantwortung für den Frieden gefragt habe. Was ist der Platz der Religion in der Gemeinschaft und im Bereich der Machtausübung? Welchen Einfluss hat die Religion in solchen Konfrontationen und welchen sollte sie haben? Die unmittelbaren Reaktionen stuft Gaudeul als ungenügend ein. Man habe aber auch bald die Frage gestellt, was ein Vorwand für die islamistische Theorie sein könnte. Da wurde dann beispielsweise auf die Ungerechtigkeiten hingewiesen, die zu Heerscharen verzweifelter Individuen führen könnten, die dann zu jedem Opfer und jeder Gewalttat bereit seien. Kürzlich habe man aber auch begonnen, mehr über die Mechanismen religösen Denkens nachzudenken, die besonders junge Gläubige auf den Weg zu Intoleranz und Terrorismus bringen könnten. Es sei, so beispielsweise Tariq Ramadan, Zeit für Selbstkritik, nachdem bisher immer die anderen schuld gewesen seien. Der Westen sei nicht für alle Leiden der Araber verantwortlich. Es bleibt die Frage, wie man nachfolgende Generationen in einer wirklichen Kultur des Friedens erzieht. Außerdem könne nach Gaudeul der Palästinakonflikt nicht überbewertet werden. In Frankreich habe es des­wegen ernste Unruhen gegeben, Gewalt gegen Synagogen, jüdische Schulen und Friedhöfe sowie gegen einzelne Juden. Es sei aber auch zu gewaltsamen Gegendemonstrationen gekommen. Die katholische Bischofskonferenz habe Anstrengungen unternommen für bessere Beziehungen zu den Juden, doch das habe sich anscheinend negativ ausgewirkt auf die, die über die soziopolitischen Dimensionen eines gerechten Friedens im Nahen Osten sprechen wollten. Inzwischen aber gebe es sowohl einen jüdischen Appell gegen Dinge, durch die Israel seine Seele verlieren würde, als auch junge Muslime, die energisch gegen Gewalt in ihren eigenen Reihen vorgingen. Der Dialog sei im Leben der Gesellschaft brennend notwendig und die Probleme des Zusammenlebens kämen dabei

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vor den theologischen Fragen. Zusammenfassend sagt Gaudeul, dass der Islam in Frankreich nicht mehr länger eine Religion der Immigranten sei, sondern eine Religion von französischen Bürgern bzw. Fremden im Integrationsprozess. Theoretisch gebe es völlige Religionsfreiheit, doch praktisch gebe es immer wieder Zusammenstöße zwischen der öffentlichen Ordnung in Frankreich und Lebensweisen und kulturellen Optionen, die aus anderen Ländern kämen. Noch vor einigen Jahrzehnten habe der Islam eine Möglichkeit zu kulturellen Reibungen zwischen Franzosen und Muslimen geboten, jetzt aber gehe es zunehmend um Glauben und universale ethische Werte, während man ansonsten völlig in der Kultur Frankreichs lebt. Mögliche Spannungsmomente sind dabei oft Symptom einer wachsenden Integration. Die größten Probleme gibt es auf der Ebene der praktischen Religionsausübung. Im Ausblick auf das hundertjährige Jubiläum des Konzepts der laïcité in Frankreich weist Gaudeul abschließend darauf hin, dass es inzwischen weniger um Laizität als einen ideologischen Konflikt gehe als vielmehr um Laizität als Möglichkeit zu einem positiven Austausch aller Beteiligten.58 So ist dieser letzte Lagebericht zwar völlig anderer Natur als die beiden vorherigen, doch auch er endet mit einem positiven Ausblick.

2.6.3. Überwachung von Religionsfreiheit 2.6.3.1. Wer kann heute die Grenzen einer Religion bestimmen? Durch die Lageberichte ergibt sich fast zwangsläufig ein weiteres wichtiges Thema: Wer überwacht eigentlich die Einhaltung der Religionsfreiheit auf der ganzen Welt und wie? Hierzu lässt sich zunächst einmal sagen, dass die Menschenrechte eines der prominentesten Felder unter den Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen sind – und der Einfluss der größten und mächtigsten unter diesen Organisationen beträchtlich ist. Kürzlich, so der Bericht von Jane Dammen McAuliffe, hätten die nun ihr besonderes Interesse für die Religionsfreiheit entdeckt. Die ist nun ein sehr komplexes Thema: Da gibt es die negative und die positive Religionsfreiheit, also Freiheit von Verfolgung oder Freiheit zu Gottesdienst, zu Predigt, aber auch die Freiheit zur Herausforderung oder zur Ablehnung. Also geht es darum, wieviel Freiheit in Denken und Handeln eine bestimmte Tradition bereit ist, innerhalb des eigenen Selbstverständnisses zu erlauben: Wer entscheidet, was innen und außen ist; was denen erlaubt wird, die die Annahmen einer Tradition nicht teilen? Wird jemand mit einer anderen religiösen Sicht eingeschränkt oder gar aggressiv angegeriffen? In den letzten 50 Jahren habe es große Veränderungen gegeben – demographisch, aber auch in den Fragen von Autorität und Authentizität. Kontext sei ein globaler religiöser Pluralismus, aber auch die postmoderne Sorge um Identität: Die Postmoderne ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Sensibilität für Unterschiede und die Über 58 S. ib., p. 140–147.

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zeugung, dass Wissen historisch und sozial verankert ist, also dass soziale Kontakte die menschliche Wahrnehmung formen und filtern. Eine objektivistische, also absolute, universale und zeitlose Wahrheit gibt es nicht mehr – Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit hatten einmal große Autorität, sind aber inzwischen als subjektive Positionen entlarvt. Sowohl eine Kultur als auch unsere Bilder davon haben sich historisch entwickelt und sind kein Objekt, das definitiv interpretiert werden könnte. Selbst jeder Mensch hat verschiedenen Identitäten – das Individuum ist sowohl vielschichtig als auch wandelbar. Viele Einzelfaktoren formen und filtern die Wahrnehmung der Realität und es kommt zu „‚self-conciously situated scholarship‘“59. Religiöser Pluralismus und dessen Auswirkungen auf die Religionsfreiheit gehen heute fast jedem persönlich nah. Hier zitiert McAuliffe einen Soziologen dahin gehend, dass Glaube heute inneres Wissen verlange und ständig erneuert und mit der Lebenserfahrung neu verhandelt werden müsse. Sie zitiert auch amerikanische Soziologen, die davon sprechen, dass eine Pluralität an religiösen Möglichkeiten den Konsum von Religion steigere – was sich aber empirisch bisher nicht belegen lässt. Doch läuft es immer wieder auf die alte Schlüsselfrage hinaus, wer für eine Religion spricht, wobei komplizierend dann noch hinzukommt, dass religiöse Rhetorik auch für politische Zwecke benutzt wird und es eben zunehmend auch hybride Identitäten gibt, die gleichzeitig Insider und Outsider sind. Dann wird noch auf die Beziehung von Wissen und kolonialer Macht verwiesen. Ein Großteil unserer Wissenschaft habe sich zum Komplizen des Imperialismus des 19. Jahrhunderts gemacht, sodass das Wissen nicht der Suche nach Erkenntnis diente, sondern der Kontrolle. Konkreter: Die Forscher kamen selbst aus einer Kultur, die von Religion geformt war, und fanden Parallelen zum Christentum, die es gar nicht gibt, und schufen die anderen Religionen nach ihrem Bild. Selbst der säkulare Religionsbegriff seit der Aufklärung sei christlich. Wir sind also multiple Identitäten, unser Wissen ist konstruiert, es gibt so etwas wie kulturelle Konversionen  – wie also sollen wir Authentizitäten und Autoritäten einschätzen und gegeneinander abwägen? Aus einer dermaßen individuellen Angelegenheit wollen nun muslimisch-nationalistische Bewegungen „one forceful and authoritative representation“60 machen, so McAuliffe, durch Aktionen wie die Zerstörung der Buddhastatuen von Bamiyan durch die Taliban. Die Täter selbst fühlen sich als Muslime und bezeichnen ihre Tat als mit islamischen Werten übereinstimmend, was ja in diesem Fall tatsächlich zutraf. Ähnlich ist die Lage bei Gewalttaten gegen Menschen, die im Namen des Islam begangen werden. In beiden Fällen gibt es von Muslimen oder im Namen 59 McAuliffe, Jane Dammen, Monitoring for Religious Freedom: A New International Mandate, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations with Muslims (ed.), Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 153, s.a. p. 151 f (die Anführungszeichen werden hier im Original offensichtlich zur Hervorhebung einer eigenen Wortschöpfung benutzt). 60 Ib., p. 156, s.a. p. 154 f.

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des Islam sowohl Zustimmung als auch Ablehnung. Diese sehr grundsätzliche und ausführliche Einleitung soll zeigen, dass Religionsfreiheit und ihre Überwachung nicht so einfach ist, wie sie zunächst erscheinen mag. 2.6.3.2. Amerikanische Überwachungsgremien für Religionsfreiheit Erst auf diesem Hintergrund kommt ein Überblick über die bisherigen Anstrengungen zur Überwachung der Religionsfreiheit. Sie gingen von religiösen Organisationen und deren Menschenrechtsaktivisten aus, die weltweit religiöse Verfolgungen feststellten  – um genauer zu sein überwiegend von evangelikalen Gruppen, die sich mit Christenverfolgungen beschäftigten – und griffen dann in den Bereich der konservativen Politik über. Die Frage war nun, wie man möglichst erfolgreich gegen religiöse Verfolgung und Diskriminierung vorgehen könnte. Könnte solche Aufmerksamkeit vielleicht die Lage der Opfer noch weiter verschlimmern? Man entschloss sich, an die Standards anzuknüpfen, die die einzelnen Nationen selbst anerkannt hatten. Der amerikanische Kongress sollte dazu einen jährlichen Bericht verfassen, der dann zu Aktionen der Regierung führen sollte. Außerdem wurde noch eine Zweiparteienkommission geschaffen, die auch einen jährlichen Bericht abliefern sollte. Die Angelegenheit wird also von zwei Seiten angegangen und es ist interessant, wie die beiden Berichte sich zueinander verhalten. Im Außenministerium wird ein Büro für internationale Religionsfreiheit eingerichtet und es gibt einen besonderen Botschafterposten mit der Aufgabe, jährlich Bericht über die Religionsfreiheit in 194 Ländern zu geben. (Als dieser Posten einmal eineinhalb Jahre nicht besetzt gewesen war, kam sofort die Frage auf, ob die neue Regierung an dieser Frage nicht mehr interessiert sei.) Die Zweiparteienkommission ist kleiner, von ihrem Umfang wie von ihrem Arbeitsgebiet her. Ihr erster Bericht konzentrierte sich nur auf die drei Länder Sudan, China und Russland, weil es dort besonders eklatante Fälle von Verletzungen der Religionsfreiheit gab. Sie übten auch Kritik an der Abteilung im Außenministerium, was die Politik anging. Der Bericht aus dem Außenministerium dagegen nahm eine Kategorisierung und Typologisierung für verschiedene Formen und Kontexte der einzelnen Verstöße gegen die Religionsfreiheit vor. Er geht dabei auf politische Typen und Idologien ein, aber auch auf Geschichte, Kultur und Tradition und darauf, ob die religiösen Verfolgungen aktiv von Regierungen und Machthabern betrieben werden. Um die Jahrtausendwende werden dabei gar nicht viele muslimische Länder genannt – lediglich Afghanistan, Iran und Irak. Es erweist sich, dass Verstöße gegen die Religionsfreiheit besonders gegen nicht anerkannte Religionen gehen. Bestimmte Religionen werden als potenzielle oder aktuelle Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen: die­ Bahai im Iran, die innerislamischen Diskriminierungen und Verfolgungen und die irakische Unterdrückung der schiitischen Mehrheit. Dann gibt es den Bereich der Vernachlässigung, sprich: Es gibt Gesetze zur Religionsfreiheit, aber sie werden nicht konsequent genug umgesetzt. Beispielsweise ist das Genehmigungsver-

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fahren für Kirchenbau in Ägypten nach wie vor ein Hindernislauf, oder aber auf den Molukken starben 2.500 Christen in einer Auseinandersetzung. Dann gibt es den Bereich von Gesetzgebung und Politik, was beispielsweise Israel betrifft, dessen arabische Bürger (die meist Muslime sind) nicht den gleichen Zugang zu Bildung, Wohnung und Arbeitsmarkt haben. Und schließlich gebe es, laut dem Bericht des amerikanischen Außenministeriums, noch falsche Stigmatisierung, was deren Meinung nach Jehovas Zeugen oder Scientology betreffe. Interessant ist auch, worauf sich der Bericht stützt – auf das Office of Country Reports and­ Asylum Affairs, auf die Berichte der US-Botschaften, auf Nichtregierungsorganisationen, auf religiöse Organisationen und auf Einzelpersonen. Dazu gehören dann beispielsweise auch ein Treffen der katholischen Bischofskonferenz der USA zu internationaler Politik oder ein Besuch im Vatikan, um Fragen der Religionsfreiheit zu diskutieren. Der zweite Bericht führt bereits, nach Ländern geordnet, Verbesserungen an. Das zeigt, dass in der augenblicklichen Situation von zeitgleicher und weltweiter Kommunikation, wo Regierungen die Informationen nicht länger kontrollieren, die öffentliche Meinung die Macht hat, Veränderungen zu bewirken. Was die christlich-muslimischen Beziehungen angeht, so sind in Ägypten beispielsweise mehr Kopten in wichtige Parteipositionen gekommen und die Christen sind überhaupt im öffentlichen und politischen Leben mehr vertreten. 1999 gab es ein Dekret Mubaraks, dass alle gottesdienstlichen Gebäude derselben Bauverordnung unterliegen sollten, was die Kirchenreparaturen eindeutig erleichtert hat. Auch die Reaktion der Regierung auf sektiererische Gewalt gegen Christen hat sich verbessert. Der Islam ist in Frankreich zur staatlich anerkannten Religion geworden und es wird erwartet, dass damit auch staatliche Gelder für den Moscheebau fließen. In Griechenland wurde der Bau der ersten Moschee mit islamischem Kulturzentrum in der Neuzeit erlaubt, außerdem ist geplant, den Hinweis auf die Religion aus dem Pass zu streichen. In Kuwait erhält der Vatikan eine ständige Vertretung, was ebenfalls als Zeichen für mehr Toleranz gegenüber den Christen gewertet wird. Qatar hat die Bauerlaubnis für eine erste christliche Kirche gegeben, obwohl vorher im Land nur der wahhabitische Islam praktiziert werden durfte. Auch hier wird klar, dass es Rückwirkungen der Kritik durch den anderen Bericht gibt. Insgesamt, so McAuliffe, liege der Wert des Berichts aus dem Außenministerium darin, dass er wirklich umfassend und weltweit sei, dass er mehr Aufmerksamkeit in vielen Bereichen der Regierung für die Belange der Religionsfreiheit wecke, dass er öffentlich anprangere und zu Sanktionen und anderen Aktionen führe. (Der Bericht von 2002 führt beispielsweise Fortschritte bezüglich der Stellung der Christen in Indonesien, Türkei, Ägypten, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten an, außerdem sogar signifikante Fortschritte, was die Religionsfreiheit in Afghanistan angeht.)

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2.6.3.3. Die Frage nach der Ausgewogenheit in der Darstellung Der zweite Bericht, erstellt von der United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) greift auf die Berichte von religiösen Gruppen und Nichtregierungsorganisationen zurück und ist nützlich, um die Methodologie des anderen Berichts zu kritisieren, was beispielsweise die Evaluierung von Quellen angeht. Es könnte sein, dass in einer Aneinanderreihung von Fällen die wichtigsten Fälle untergehen. Außerdem ist auch der jeweilige Kontext wichtig, also wie lange und weit eine Religion in einer bestimmten Gegend präsent ist oder ob der Staat sich auch in andere Rechte und Freiheiten einmischt. Aber auch die Terminologie hat Auswirkungen oder die Frage, ob Religionen als monolithisch wahrgenommen werden. Eigentlich sind internationale Normen und Verträge nötig, denn das Problem der Religionsfreiheit ist von globaler Dringlichkeit. Das Zusammentreffen einer moralischen Initiative mit der Außenpolitik hat offensichtlich seine Schwierigkeiten und es kam auch prompt der Vorwurf, hinter der Definition von Religionsfreiheit stehe ein westliches, ein amerikanisches Verständnis von Religion. Natürlich ist es auch eine Gefahr, wenn man eine Hierarchie der Menschenrechte erstellt. Es hilft aber schon, wenn die Diskussion um die Religionsfreiheit keine Schlagseite bekommt, also wenn beispielsweise auch gesagt wird, dass in Ländern wie dem Sudan, China und Russland sowohl Christen als auch Muslime verfolgt werden, in Russland gibt es beispielsweise ständige Repressalien gegenüber den einheimischen Protestanten, Katholiken und Muslimen sowie gegenüber fremden Missionaren. Man muss generell einkalkulieren, dass in Fragen der Religionsfreiheit der Nachdruck immer auf Situationen von Einschränkung und Unterdrückung liegt. 2.6.3.4. Andere Überwachungsinstitutionen und deren Spezifika Insgesamt ist also der Bericht des amerikanischen Außenministeriums immer noch am ausführlichsten, aber es gibt doch noch weitere Organisationen, die ähnliche Berichte erstellen, beispielsweise die International Helsinki Federation for Human Rights, deren Ausgangspunkt die Schlussakte von Helsinki ist und die sich mit den OSZE-Mitgliedsstaaten befasst. Von der Art her kommt deren Bericht dem des amerikanischen Außenministeriums am nächsten, schon dadurch, dass er auch jährlich ist. Ein Fokus dieses Berichts ist religiöse Intoleranz und alle Angelegenheiten von religiöser Verfolgung und Religionsfreiheit allgemein. So gab es beispielsweise eine von der europäischen Union veranstaltete Tagung zu rechtlichen und praktischen Herausforderungen im Bereich Religionsfreiheit, wo es um die Fragen der Anerkennung von Religionsgemeinschaften ging und um die Frage, wie man berechtigte Einschränkungen für die Aktivitäten von Religionsgemeinschaften erkennen könne, also beispielsweise um der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit oder Moral wegen. Das Gespräch kam dabei aber auch auf Proselytismus und Blasphemie, denn die betreffen ja das Recht auf Religionsfreiheit der anderen. Zusätzlich gibt es noch eine religiös basierte Organisa-

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tion, das Institute for Global Engagement (IGE), das vom ersten Botschafter für Fragen der Religionsfreiheit, Robert Seiple, gegründet worden war als zusätzliche Kritik am Bericht des amerikanischen Außenministeriums von Nicht-Regierungs-Seite. Diese Kritik zeigt sich darin, dass die Liste der negativ auffällig gewordenen Länder ergänzt wird beispielsweise um Länder wie Saudi-Arabien und Turkmenistan (wodurch sich wieder die Frage stellt, ob das US- Außenministerium sie aus politischen Rücksichtnahmen nicht aufgeführt hatte). Dann gibt es noch eine kanadische Organisation, die zum 50. Geburtstag der allgemeinen Erklärung zu den Menschenrechten von der Oslo-Koalition geschaffen wurde und von der norwegischen Regierung finanziert wird. Deren Berichte werden an 25 Staaten versandt, von denen auch wieder Antworten zurückkommen. Es geht v. a. um religiösen Extremismus, um Diskriminierung von verwundbaren Gruppen wie Frauen und Minderheiten und um den Missbrauch von Blasphemieverboten. Es gibt auch eigene Schriften über Themen wie die Registrierung von religiösen Organisationen, die Rechte von Eltern und Kindern, neue religiöse Bewegungen, Proselytismus, Toleranz und Verständnis durch Erziehung, interreligiösen Dialog, gemeinsame religiöse Initiativen zu gemeinsamen Problemen sowie Initiativen zur Konfliktlösung. All diese Publikationen werden als sehr hilfreich beschrieben. Schließlich gibt es noch eine weitere Organisation, die bereits 1941 von Eleanor Roosevelt gegründet wurde und heute auch Kritik an den Berichten aus dem Außenministerium übt und vor allem eine sehr hilfreiche Zusammenstellung der Schlüsselkriterien für die eigenen Berichte hat. Die umfassendsten Überwachungsmöglichkeiten haben die USA und die Vereinten Nationen und sie stimmen eigentlich generell überein darin, welche Länder die Religionsfreiheit am schlimmsten verletzen, es gibt aber Unterschiede im Ton, beispielsweise gegenüber Saudi-Arabien. Wenn man die verschiedenen Berichte weiter vergleicht, so fällt auf, dass der UN-Bericht auch die Kommunikation mit den entsprechenden Staaten und deren Antworten aufführt, dass die beiden amerikanischen Berichte mit einer Kategorieneinteilung für Verstöße arbeiten und dass nur diese beiden Berichte und der der Helsinki-Kommission jährlich erstellt werden. Ein wiederholter Vorwurf des UN-Berichts an den Bericht des amerikanischen Außenministeriums ist, dass es nur gelegentlich zu Aktionen kam und dass auch diese weder zu der Schwere der Verstöße noch zu einer Verschlechterung der Bedingungen im Verhältnis standen. Um die Ähnlichkeiten und Unterschiede deutlicher zu machen, gibt der Aufsatz einen Überblick über die verschiedenen Berichte anhand von ausgewählten Fallbeispielen. 2.6.3.5. Saudi-Arabien mit oder ohne politische Rücksichten Was beispielsweise Saudi-Arabien angeht, so erwähnt der UN-Bericht zwei relativ spektakuläre Fälle – jemand wurde wegen des Verdachts auf Hexerei eingesperrt und ein Sänger wurde zum Tod verurteilt, weil er sein Leid mit dem Mohammeds verglichen hatte. Diesen Fall erwähnte der Bericht des Außenministeriums nicht,

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stellte aber fest, in Saudiarabien gebe es keine Religionsfreiheit, da die öffentliche Ausübung nichtmuslimischer Religionen verboten sei. Es habe 2002 eine ganze Reihe von Fällen gegeben, wo hauptsächlich Christen an der Ausübung ihrer Religion gehindert wurden. Dabei betont der Bericht ausdrücklich, dass er nichts dazu sage, welche Anstrengungen Nichtmuslime unternehmen müssten, um ihre Religionsausübung zu organisieren und gleichzeitig vor den Autoritäten, Nachbarn und Arbeitgebern geheimzuhalten, und auch nichts dazu, dass es keinen gangbaren Weg gebe, um offizielle Beschwerden gegen Missbräuche machen zu können, und dass es keine unabhängige Aufsicht für das Handeln der Regierung gebe. Man sage auch nichts zu dem informellen Druck, der Gastarbeiter davon abbringen soll, solche Beschwerden zu machen, und zu dem Erziehungssystem, das etliche der vorherrschenden intoleranten Einstellungen gegenüber Nichtmuslimen und der schiitischen Minderheit nähre. Insgesamt aber sei die Lage eigentlich so wie ein Jahr zuvor. Der UN-Bericht kritisiert daran, dass das Ausmaß der Restriktionen in der religiösen Praxis von Nichtmuslimen und muslimischen Minderheiten noch nicht angemessen beschrieben sei. Man habe die Vereinigten Staaten zwei Jahre lang aufgefordert, Saudi-Arabien zu einem Land zu erklären, das besonderes Interesse verdiene (eine Art Standardformulierung bei schweren Verstößen gegen die Religionsfreiheit), aber nichts dergleichen sei geschehen. 2004 wurde Saudi-Arabien dann so eingestuft wie Eritrea und der Iran. Das ist besonders hervorzuheben, weil sonst die Beschreibung eigentlich komplett gleich blieb. 2.6.3.6. Türkei – wer wird eigentlich als Minderheit anerkannt? Das nächste gewählte Beispiel ist die Türkei. Der UN-Bericht erwähnt, dass hier die Auseinandersetzungen um Orte für den Gottesdienst gehen. Eine Direktive vom 17.8.2001 beschränke die Orte, an denen Gottesdienste von Protestanten, Bahai, Zeugen Jehovas und anderen erlaubt seien, ganz enorm. Die Türkei bestätigte dies auch, betonte aber, dass die Verwaltung nichts unternehme, um bereits existierende solche Orte zu schließen und in zwei Fällen sogar die Benutzung bereits bestehender Kirchen erlaubt habe. Der Bericht des US-Außenministeriums erwähnt einige Einschränkungen für religiöse Gruppen und religiöse Äußerungen in Regierungsbüros und staatlichen Institutionen, beispielsweise auch an den Universitäten. Es gebe auch gelegentliche Belästigungen, beispielsweise Haft für behaupteten Proselytismus oder für unerlaubte Versammlungen. In einer Reihe von Fällen durften die Christen ihren Glauben nicht verkünden und auch keine Gottesdienste in Privatwohnungen abhalten, aber die Mehrheit der Einschränkungen war doch gegen die Muslime gerichtet. Einzelne sollen sogar ihren Posten beim Staat verloren haben, weil man sie verdächtigte, in antistaatliche, will heißen, auch islamistische Aktivitäten verwickelt zu sein. Der Fundamentalismus ist nämlich für den nationalen Sicherheitsrat eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Besonders der Einsatz für das islamische Recht wird als Bedro-

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hung für die demokratische säkulare Republik gesehen. So wird Fethullah Gülen der versuchten Infiltration des Militärs angeklagt und zu dem Anti-Terror-Gesetz, um das es dabei geht, wird keinerlei Erklärung abgegeben. Es werden aber auch positive Entwicklungen genannt: Das Religionsministerium hat angeordnet, dass auch Frauen an den täglichen Gebeten, am Freitagsgebet und an Beerdigungen teilnehmen dürfen. Die Männer dürfen den Koran nicht als Vorwand für häusliche Gewalt nehmen und Fortschritte von Frauen verstießen nicht gegen den Geist des Koran. Der Civil Code von 2001 gab Männern und Frauen den gleichen Status, so dass nun auch Frauen in Eheangelegenheiten entscheiden können. Am 11.9.2001 gab das Religionsministerium eine Erklärung heraus, die beim Freitagsgebet in allen Moscheen verlesen werden sollte, dass es keine islamische Rechtfertigung für irgendeine Form von Terrorismus gebe. Die säkulare Mehrheit ist gegen die Einmischung selbst des moderaten Islam in die Politik. Es wird aber auch erwähnt, dass islamistische Zeitungen regelmäßig antisemitisches Material publizieren. Der Helsinki-Report sieht die Lage in der Türkei dagegen ziemlich anders und bescheinigt ihr für das Jahr 2001 eine schlechte Bilanz in punkto Menschenrechte gerade im Hinblick auf die nationalen Minderheiten. Angekreidet wird dabei besonders die Definition von Minderheit, die nur die 1923 im Vertrag von Lausanne genannten Minderheiten gelten lässt, also Juden sowie griechisch- und armenisch-orthodoxe Christen. So könne die Regierung offiziell das EU-Kriterium von Kopenhagen zum Schutz von Minderheiten auf die meisten Minderheiten, also beispielsweise die Alawiten, die assyrisch-katholischen Christen, die Kurden und die Roma überhaupt nicht anwenden. Von daher wäre es hilfreich gewesen, der amerikanische Bericht hätte den Begriff Minderheit erst einmal definiert. 2.6.3.7. Irak – wie politisch ist die Frage nach den Menschenrechten? Das dritte Länderbeispiel ist der Irak. Neun Jahre lang hatte das Land die Bitten der Vereinten Nationen um Kontrollbesuche abgelehnt, weshalb die Informationen nur aus Interviews mit gerade emigrierten Irakern, von Oppositionsbewegungen mit Kontakten zum Land, aus anderen Interviews und aus publizierten Berichten stammten. Sowohl der Bericht der UN als auch der USA stimmten überein, was die Lage der Schiiten im Land anging, wo die USA eine brutale Kampagne gegen die Mehrheit der Schiiten im Gange sahen. Ein etwas unterschiedlicher Ton herrschte bei der Beurteilung der Lage der Christen. Der amerikanische Bericht sah einen Versuch, die Identität der christlichen Minderheiten (Assyrer und Chaldäer) und auch der Yeziden zu untergraben. Der UN-Bericht sprach dagegen von einem Prozess der Arabisierung, sagte aber sonst, die Christen seien generell frei, ihre Religion ohne Hinderung zu praktizieren. Obwohl die USA Zugang zu dem Bericht der UN hatten, wurde dieses Faktum nicht erwähnt. Das wirft die Frage auf, ob hier nicht selektiv mit Information umgegangen wird. Beispielsweise wurde nicht erwähnt, dass inzwischen ein UN-Berichterstatter

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einreisen durfte und was er herausgefunden hat. Das lässt den Verdacht aufkommen, die Berichte aus dem amerikanischen Außenministerium stünden eben doch in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der amerikanischen Politik. 2.6.3.8. Deutschland – Körperrechtsstatus für Muslime als Empfehlung Um auch ein Land außerhalb der muslimischen Welt zu nehmen, ist als drittes Beispiel Deutschland gewählt, das als einziges europäisches Land vom 17.–27. 9.1997 von einem speziellen Berichterstatter der Vereinten Nationen besucht wurde. Der Berichterstatter der Vereinten Nationen empfahl, dass der Islam in Deutschland Körperschaftsstatus bekommen sollte. Der US-Bericht erwähnte die Diskussionen um islamischen Religionsunterricht, Imame beim Militär und Moscheebau, sagte aber nichts zu den Auswirkungen des 11.  Septembers, obwohl gesellschaftliche Entwicklungen angesprochen wurden wie die, dass es mehr Kritik an der israelischen Regierung gebe und dass jüdische Gruppen sich beschwert hätten, dass die Printmedien propalästinensisch seien. Der HelsinkiBericht vemerkte, dass die Anti-Terror-Gesetze den Kreis derer einschränkten, die in Deutschland Asyl suchen könnten. Personen, die terroristische Organisationen unterstützten oder Gewalt zu politischen Zwecken einsetzten, würden ausgeschlossen. Der amerikanische Bericht erwähnte dies nicht – vielleicht weil die Situation im eigenen Land zu ähnlich ist? 2.6.3.9. Der Kampf gegen den Terrorismus und die Frage, wer Terrorist ist Dies leitet über zu einem eigenen Abschnitt, der sich dezidiert mit der speziellen Situation des Kampfes gegen den Terrorismus befasst. Der UN-Bericht warnt davor, Verletzungen der Religionsfreiheit zu übersehen, wenn ein Staat den Kampf gegen den Terrorismus unterstützt. Momentan hätten die Vereinigten Staaten nur ein Ziel, das sich über alles andere hinwegsetzt, nämlich ihre eigenen Bürger, die nationale Sicherheit und die Demokratie auf der ganzen Welt zu schützen. Das geschehe zumindest teilweise durch den Kampf gegen den Terrorismus und dessen Unterstützer. Es böte sich damit die einzigartige Chance, die Beziehungen zu Ländern wie Pakistan, Usbekistan und Afghanistan zu nutzen, um deren Regierungen zu den so nötigen Verbesserungen zum Schutz der Religionsfreiheit zu ermuntern. Eines der größten Probleme im Kampf gegen den Terrorismus aber sei, dass eine genaue Definition von solchen Begriffen wie Terrorismus, Extremismus im Namen der Religion, radikalen oder militanten religiös-extremistischen Gruppen fehle. Das wirke sich in Ländern wie Pakistan oder der Türkei bereits aus. Gerade wenn man mit einer manchmal religiösen Rhetorik einen internationalen Kampf gegen den Terrorismus führt, ist eine solche Definition unumgänglich. Man forderte die USA auf, Zusammenhänge zwischen den Aktionen im Kampf gegen den Terrorismus und Verstößen gegen die Menschenrechte darzulegen.

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2.6.3.10. Der Kampf gegen den Terrorismus und die Religionsfreiheit aus amerikanischer Sicht Der nächste Bericht des amerikanischen Außenministeriums machte daraufhin unmissverständlich klar, dass für die USA eine Politik für die Religionsfreiheit ein Mittel im Kampf gegen den Terrorismus ist. Der elfte September habe klar gemacht, dass Menschen Religion für schreckliche Dinge ausnützen könnten und es auch tun, und dabei andere Menschen als bloße Instrumente manipulieren und zerstören. Das sei nicht neu, sondern nach dem Kalten Krieg sei von einigen Wissenschaftlern vorausgesagt worden, dass religiöse Unterschiede wahrscheinlich größere Konflikte zwischen den Kulturen verursachen würden – eine sehr deutliche Anspielung auf Huntingtons These vom Kampf der Kulturen. Wenn also der Einsatz für die Religionsfreiheit erfolgreich sei, dann sei er eines der effektivsten und anhaltendsten Gegengifte nicht nur gegen religiöse Diskriminierung und Verfolgung, sondern auch gegen Gewalt auf religiöser Basis und gegen den potenziellen Kampf der Kulturen. Die Bürger sähen Religionsfreiheit als soziales Gut und religiöse Verfolgung und Gewalt hätten in ihren Augen keine Berechtigung. Sie tolerierten religiöse Unterschiede und viele sähen Religionsausübung als konstitutiv für menschliche Freiheit und Würde an. Der amerikanische Bericht zur Religionsfreiheit zitiert hier sogar Präsident Bush, dass die Religion im besten Fall produktive und karitative Bürger und eine stabile Gesellschaft hervorbringe. Jemandem die Religionsfreiheit zu nehmen heiße, ihm das Menschsein abzusprechen. Im Zentrum der Freiheit sei das Recht, die ganz grundlegenden Fragen nach Ursprung, Natur, Wert und Bedeutung des menschlichen Lebens zu stellen und dann entsprechend zu leben. Dem Büro für internationale Religionsfreiheit, wie die Abteilung ja offiziell heißt, gehe es darum, die Religionsfreiheit weltweit zu fördern. Der zuständige Botschafter sei einer der Hauptberater des Präsidenten und des Außenministers, was Religionsfreiheit international angehe. Die Tätigkeit dieses Büros diene aber auch der Förderung anderer grundlegender Interessen der Vereinigten Staaten, beispielsweise dem Schutz anderer wichtiger Menschenrechte, der Förderung von Demokratien und dem Kampf gegen den Terrorismus. Der jährliche Bericht solle die grundlegenden Fakten zum Stand der Religionsfreiheit weltweit bringen und so zur Hauptquelle für die amerikanische Politik in diesem Bereich werden. Die bisherigen Berichte seien zwar von den angeprangerten Regierungen kritisiert, aber von Menschenrechtsorganisationen als weltweit gültiges Nachschlagewerk zu religiöser Verfolgung begrüßt worden. Jenseits dieses Selbstbildes aber gibt es auch Fragen zur Objektivität und Effektivität dieses Berichts. Über Pakistan wird beispielsweise berichtet, die Regierung habe Schritte gegen religiösen Extremismus und Militanz (was immer das ist) unternommen, aber mit gemischten Ergebnissen. Ungefähr 2.000 Mitglieder von verdächtigten Gruppen wurden verhaftet, aber es gebe andauernde Gerüchte, dass ausgerechnet die Parteispitzen Schutz aus Regierungskreisen hatten und rechtzeitig in den Untergrund gehen konnten. Von solchen Aktionen

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wird dann unter dem Stichwort Einschränkungen der Religionsfreiheit berichtet und es ist schwer zu sagen, welche Stellung die Vereinigten Staaten dazu nun wirklich einnehmen. Ein Applaus für solche Aktivitäten wäre bestenfalls paradox zu nennen – wieder fehlt eben die Definition, was nun eigentlich extremistisch oder fundamentalistisch ist. Nur in seltenen Fällen wird die Frage gestellt, ob es sich dabei nicht in Wirklichkeit um eine politische Agenda handelt. 2.6.3.11. Berichterstattung zur Religionsfreiheit – Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten Augenblicklich, so der Bericht von McAuliffe, gebe es kein einziges Überwachungsgremium in Sachen Religionsfreiheit ohne eine amerikanische Stimme und die Frage sei, ob die Amerikaner wirklich bereit seien, religiöse Verfolgung zu sanktionieren. Das türkische Militär beispielsweise entlässt Soldaten, die praktizierende Muslime sind, als Fundamentalisten, die einem säkularen demokratischen Staat gegenüber weniger loyal seien. Das wird im amerikanischen Bericht durchaus angeführt, aber mehr auch nicht. Den Vereinigten Staaten wird auch angekreidet, dass sie sehr die individuellen Menschenrechte betonen und dagegen die Frage nach den kulturellen Normen ausklammern würden und dass sie gegen einen internationalen Strafgerichtshof waren. Es kann auch gegen die Vereinigten Staaten ins Feld geführt werden, dass nach dem 11. September die arabisch-muslimischen Minderheiten vielfach Diskriminierungen ausgesetzt waren. Der UN-Bericht erwähnt das Terroristen-Screening mancher US-Airlines sowie die negativen Stereotypen von Islam in den Medien, Verbrechen aus Hass und Diskriminierungen auch am Arbeitsplatz. Es geht bei den Beschwerden, die die Vereinten Nationen erhalten haben, meist um Diskriminierung aus ethnischen oder religiösen Gründen. Es soll willkürliche Verhaftungen gegeben haben, die Personen seien zu lange festgehalten worden, hätten keinen Rechtsbeistand bekommen und hätten mit niemandem in Verbindung treten dürfen. Die Vereinigten Staaten aber bestritten, nach religiösen Gesichtspunkten vorgegangen zu sein. Der UN-Bericht stellt eine Spannung zwischen dem Kampf gegen Terrorismus und demokratischen Prozessen fest. Man müsse die Glaubwürdigkeit des Schutzsystems für die Menschenrechte stärken. Nur dieser UN-Bericht von all den Berichten, die McAuliffe untersuchen konnte, gibt eine Definition von Extremismus, warnt davor und verlangt, dass er mit einem Minimum an gemeinsamen Verhaltensregeln bekämpft wird. Die Gesamtfolgerungen, die McAuliffe aus ihrer umfassenden und sehr detaillierten Studie zieht, sind, dass staatliche Organisationen vielleicht nicht ausreichend sind für interreligiöse Probleme, da die Eigeninteressen in der Politik eher zunehmen. Umgekehrt sei das Problem von Nichtregierungsorganisationen, dass ihnen die Kraft zur Durchsetzung von Vorschlägen fehle. McAuliffe sieht einen immer größeren Bedarf, dass religiöse Organe selbst die freie Religionsausübung anderer erlaubten und, drängender noch, verschiedene Interpretationsvarianten der dominanten Religion

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in einem bestimmten Land. Als Beispiele führt sie Griechenland an, islamische Gesetze in verschiedenen muslimischen Ländern und evangelikale Bewegungen in den USA. Viele der Verletzungen von Religionsfreiheit seien die Folge kultureller Bedingungen oder religiöser Gesetze in Verfassungen. Nach klassischem islamischen Recht beispielsweise sind Nichtmuslime (bestenfalls) Bürger zweiter Klasse. Betrachtet man nun die Lage in Europa und den USA, so ergibt sich eine spiegelbildliche Situation: Die Muslime haben nicht soviel Freiheit zur Religionsausübung wie ihre christlichen und jüdischen Mitbürger und sind zwar nicht de jure, aber de facto Bürger zweiter Klasse. Nicht einmal im Westen gebe es einen genau definierten Konsens darüber, was Religionsfreiheit genau bedeutet und was nicht. In den Vereinigten Staaten gebe es beispielsweise keine interne Überwachungsinstanz für die Religionsfreiheit, sieht man einmal von den staatlichen Gerichten ab und davon, dass die Religionsfreiheit in der Bill of Rights verankert ist. Dagegen gibt es einen europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der aktiv die Situation der (meist nichtchristlichen) Migranten in Europa prüft. Auch die EU-Verfassung soll Religionsfreiheit gewähren. Eine Überwachung der Religionsfreiheit auch auf religiöser Basis sieht McAuliffe als Korrektiv für eine politische (und für viele Länder fremde) Überwachung. Wer nicht einer Regierung verbunden sei, sei auch nicht unter irgendwelchen Zwängen von Diplomatie oder Außenpolitik. Positiv meint sie, es sei aber schon ein neues Stadium, dass überhaupt Dokumente erstellt würden und man auf Verbesserungen dränge.61 Das ist ganz zweifellos korrekt.

2.6.4. Religionsfreiheit aus religiöser Sicht 2.6.4.1. Was hat sich bei den Menschen verändert? Der letzte Beitrag von Jean Marie Gaudeul versucht, aus einer eher persönlichen Perspektive einen religiösen Blick auf die Frage der Religionsfreiheit zu werfen, um herauszufinden, was eigentlich im Gewissen eines Gläubigen vorgehe, der eine Wahlfreiheit einfordere, die vor wenigen Generationen noch nicht nötig schien. Manche neigten dazu zu sagen, dass das nur ein Vorwand sei und die Menschen sich von ihren Verpflichtungen gegenüber Gott befreien wollten. Manche verstünden Religionsfreiheit auch tatsächlich als Befreiung von ihrem gesamten religiösen Erbe. In Christentum und Islam gebe es Konservative, die eine bestimmte Darstellung der Menschenrechte als antireligiös denunzierten. Genauso aber gebe es bei Christen und Muslimen auf der ganzen Welt ein neues Bewusstsein, das Religionsfreiheit als den Stoff für einen besseren Dienst an Gott sieht. Es gebe nach wie vor Gegenden, in denen die Nachrichten aus der Welt sozusagen nur gedämpft ankämen, aber Veränderungen seien umso gewaltsamer, je länger sie hinausgezögert würden. Es gebe einfach eine Beschleunigung der 61 S. ib., p. 157–183.

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Entwicklungen und deshalb auch neue Wege, wie religiöse, politische und ideologische Botschaften aufgenommen würden. Im vergangenen Jahrhundert habe es an vielen Stellen der Welt eine Art Konzentrationslager-Universum gegeben, das sein Gesetz dem Gewissen seiner Bewohner diktieren konnte. Das und die Verführungskraft der Werbung und die Globalisierung hätten auch denen, die weniger klar sähen, die Gefahr der Konditionierung deutlich gemacht. Erfahrungen und Werte seien oft inkompatibel. Alles sei relativ geworden, sogar heilige Schriften, weil es eben gleichzeitig oder davor andere heilige Schriften gebe. So werden sie im wörtlichen Sinn als relativ wahrgenommen, als vergleichbar oder auch nicht. Selbst die Gläubigsten könnten eine Botschaft nicht mehr glauben, ohne sie bewusst zu wählen. Eine geschützte Gesellschaft aber werde durch blutige Gewalt künstlich vom Rest der Welt fern gehalten. Das führe aber nur zu einer tragischen kulturellen und materiellen Rückständigkeit und zu unglaublichem Leid, bevor das ganze System dann unter dem Druck des Lebens implodiere. In einem solchen Umfeld sei instinktiv und innerlich der Wunsch nach Religionsfreiheit gewachsen und dies habe das Zweite Vatikanum anerkannt. Die Wurzeln lägen historisch in Europa und Nordamerika, wo man sich von absoluten Monarchien und auch von missbräuchlichen religiösen Institutionen befreien wollte, also gleichzeitig eine politische Bewegung und die Zurückweisung von Religion. Diese Gleichzeitigkeit hat sehr lang das politische Nachdenken über diesen Punkt paralysiert: Konnte man eine Freiheit annehmen, die die Unterwerfung unter Gott zurückwies? Erst als die Kirche wie am Anfang wieder Ziel von Verfolgungen wurde, entdeckte sie wieder, dass man Religionsfreiheit auch fordern kann, um Gott besser treu zu sein. Aber eine Idee allein ist noch nicht deren praktische Anwendung. Die Implikationen der Religionsfreiheit muss man, gerade auch bei Christen und Muslimen, erschließen aus dem Verhalten und den Hoffnungen derer, die durch diese Religionsfreiheit leben. Dabei gibt es viele nicht-theologische Faktoren, die das Eigenbild des Gläubigen und die Beziehung, die er zu seiner Religion hat, mit beeinflussen: die Verstädterung, die Umsiedlung ganzer Bevölkerungsteile, die Globalisierung. Die Einzelnen müssen sich mehr und mehr in ihrem Glauben und Handeln selbst entscheiden, ohne dass dabei die Gesellschaft und die Institutionen vorab für sie entscheiden. Gaudeul führt dafür konkrete Beispiele von Muslimen und Christen an. Alles andere wäre, so deren Überzeugung, kein erwachsener Glaube und damit doch wohl nicht von Gott gewollt. Der Akzent liegt auf der inneren Überzeugung und die braucht eine gewisse Privatisierung der religiösen Zugehörigkeit. Die kann dann auch in der Entscheidung enden, nicht oder anders zu glauben. Die De-Islamisierung beispielsweise ist ja auch eine beobachtbare Realität: Die Gläubigen gehen langsam, sozusagen auf Zehenspitzen, das Herz ist einfach nicht mehr dabei, auch wenn es noch verschiedene Faktoren gibt, die sie in eine Zivilreligion einschließen – wie es ähnlich schon einmal in der Antike war. Deshalb, so Gaudeul, gebe es auf einmal wieder so viel Interesse an Konversion und Apostasie.

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2.6.4.2. Spannungen im islamischen Bereich Wenn man aber die Augen verschließe vor dieser Freiheit, besser zu glauben, dann gebe es Missverständnisse und verhängnisvolle Verhärtungen. Ohne Schaden und Tragödie, so sagen es Muslime selbst, gebe es keinen Übergang zu einer toleranten und pluralistischen Gesellschaft. Die größten Spannungen gebe es an den Universitäten und der typisch islamische Student werde von denen hervorgebracht, die eben nicht mehr länger islamisch sind. Es müssten geradezu Minderheiten mit Komplexen entstehen, die entweder stolze Isolation suchten oder sich gewaltsam befreiten. Das, so Gaudeul, sei aber ein generelles Phänomen im Milieu der religiösen Autoritäten. Dann gibt er wieder aus beiden Religionen Beispiele für die Demokratisierung von religiösen Institutionen. Dadurch, dass Laien sozusagen erwachsen geworden seien und den Ton angäben, würden die religiösen Institutionen neu entdecken, dass sie im Dienst des Glaubens stehen und nicht umgekehrt, dass die Religion für den Menschen da ist und nicht umgekehrt. Das könne aber auch eine Chance für den Islam sein und dazu führen, dass man Gott im Menschen ehre, indem man alte Werte wie Glaube, Güte, Größe, Solidarität, Respekt und Toleranz zu neuem Leben erwecke. Religiöse Kompetenz kommt von Lebenserfahrung in der modernen Welt, deren Zweifel, Fragen und Probleme die Gläubigen an der Basis wahrnehmen, während sie den Religionsgelehrten oft nicht bekannt sind. Die Botschaft muss sie aber in ihrer Situation ansprechen. So empfinden selbst Muslime, dass die ethische Vision des Koran sowie deren metaphysischer Ursprung verloren gegangen seien, wodurch man zwar im Zug der Islamisierungen viele Gesetze und Institutionen des mittelalterlichen Islam wiederbelebt habe, dabei aber ethisch nur immer weiter heruntergekommen sei. Dabei kann man nicht mehr nach den traditionellen Schemata weitermachen. Religiöser und kultureller Pluralismus bringen uns zu neuen Wegen, mit den Unterschieden zwischen den Menschen umzugehen. In vielen Bereichen kann man sein Leben nicht mehr auf die Regeln aufbauen, die von einer religiösen Tradition in ferner Vergangenheit vermittelt wurden, und kein Volk und kein Einzelner kann sich wie in einem Vakuum isolieren, um Antworten auf diese Fragen zu finden. 2.6.4.3. Weitergabe des Glaubens – es geht nicht mehr wie früher Die Religionen müssen das ohnehin Offensichtliche akzeptieren, dass nämlich ihre Reiche, deren Grenzen so lange fest waren, innen und außen bröckeln. Sie können sich nur selbst dazu aufrufen, Bewegung zu akzeptieren. Jeder Glaube muss sich fragen, was sein Platz, seine Aufgabe in der neuen Weltordnung ist, und muss in seinen eigenen Traditionen nach Faktoren der Erneuerung suchen. Religionsgemeinschaften würden jetzt anfangen, eine Zweitsprache moralischer Sorge zu sprechen, die über ihren eigenen Kreis hinaus geht. Regeln oder Werte, die Details im Verhalten und religiöse Rituale regeln, können aber keine Basis für etwas Neues bilden. Dagegen bildet sich in allen Religionen eine gewisse

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Konvergenz bezüglich ethischer Werte heraus. Ein Moslem beispielsweise sagt, Freiheit und Gerechtigkeit allgemein seien ihm lieber als ein Islam ohne diese Werte. Er messe die Authentizität des Glaubens und dessen Loyalität zur ursprünglichen Botschaft am Respekt für Religionsfreiheit, wozu er einen Theologen des 14. Jahrhunderts anführt: Gottes Recht und Religion ist überall, wo es Zeichen von Wahrheit und Gerechtigkeit gebe. Alles andere dagegen sei nicht existentiell. Die Wahrheit, so die Einschätzung Gaudeuls, gewinnt von selbst die Intelligenz als Anhänger und viele Christen würden so wie Gamaliel in der Apostelgeschichte denken und hätten mehr Vertrauen in Gottes Wahrheit als in Verdammungsurteile und Fatwas. Das alles stellt aber die religiösen Führer und die Art und Weise infrage, in der sie der Botschaft dienten und sie verteidigten. (Ob es den Inhalt der Botschaft wirklich überhaupt nicht ändert, wenn man ihr anders dient, kann allerdings auch angezweifelt werden.) Es sind gerade die Berufsreligiösen, die davon irritiert sind. Jahrhundertelang sind verschiedene Religionen nämlich einen ganz ähnlichen Weg gegangen: Sie forderten Bekehrung und schufen dann ganz schnell einen Weg zur Weitergabe des Glaubens durch Familien in der Annahme, dass der Glaube durch Erziehung von den Eltern auf die Kinder weitergegeben werden könne. So hat sich der Islam um die patriarchalische Familie herum organisiert. Menschen gehörten also zu einer Religion, wie man zu einer Familie oder einer Nation gehört. Es gab politischen Druck und persönliche Entscheidungen wurden verboten oder verhindert. Der Religionswechsel wurde zum Verrat. Konkrete Beispiele lassen sich bis in die Gegenwart finden dafür, dass Eltern bestimmte Werte weitergeben wollen, die aber den Kindern nicht mehr wichtig sind. Die religiösen Autoritäten aller Religionen müssten sich dringend der Frage stellen, dass sie mit jeder Generation eine ganze Anzahl von Gläubigen verlören, die nur noch als Katholiken oder Muslime geführt würden, so Gaudeul. Das bringt einen zu der Frage, wie der Glaube nun wirklich weitergegeben wird, wie Erziehung aussehen sollte, wenn Jugendliche auf dem Weg ins Erwachsenenleben sich ihrer Freiheit zunehmend bewusst werden. Der bisher gewählte Weg ging jedenfalls das Risiko ein, dass sich die Freiheit des Einzelnen gerade gegen die Umwelt geltend macht und gegen den Glauben, den diese zu vermitteln versucht. Gaudeul lässt durchblicken, dass es genügend Menschen aus dem religiösen Milieu gibt, die nichts mehr von Religion hören wollen, weil sie einfach genug davon haben. Ein Kind braucht sicherlich Regeln, es muss eine Sprache, eine Kultur, familiäre und gesellschaftliche Gebräuche haben. All das schließt auch bestimmte Fakten der religiösen Tradition ein. Diese Früherziehung läuft über Autorität, was aber nicht heißt, dass sie einfach übergestülpt werden darf. Zuviel davon führt nur zur Rebellion.

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2.6.4.4. Gläubige in der modernen Welt – wie kann das noch gehen? Viele Eltern hätten das erkannt und würden selbst sagen, dass sich der Wunsch des Kindes, selbst zu entscheiden, ob es glaubt oder nicht, diesen Glauben praktiziert oder nicht, sehr früh ausdrückt. Bis zu welchem Alter könne man sie zwingen – auf die Gefahr hin, sie so zu Atheisten zu machen? Man muss, so Gaudeul, auch einkalkulieren, dass junge Leute von anderen Vorschlägen, die von ihren Freunden oder den Medien kommen, geradezu bombardiert werden. Wenn sie nicht gelernt haben, sich frei zu entscheiden, werden sie auf alles und alle möglichen hereinfallen. Das eigentliche Problem für Religionslehrer ist, jungen Leuten zu helfen, Menschen zu werden, die mitten in diesem Tumult eine erwachsene Entscheidung treffen können, ähnlich wie die ersten Bekehrten. Die Rolle der Familie ist dabei anders als früher und vielleicht unendlich viel wichtiger. Sollte es heute wirklich eine Krise der Familie geben, dann könnte sie laut Gaudeul genau daher kommen, dass viele nicht fähig seien, einer Konditionierung Widerstand zu leisten, die die Werte von ehelicher Hingabe und Treue untergrabe. Gaudeul prophezeit, dass in Zukunft nur die gläubig würden oder blieben, deren Erziehung sie darauf vorbereitet habe, Nonkonformisten zu sein. Nur die mit genug innerer Freiheit wären noch imstande, sich dem Einfluss einer Welt zu entziehen, deren Indoktrinationstechniken immer raffinierter und effizienter würden. Im Islam sei eine solche Haltung am ehesten bei den Sufis zu beobachten, die daran festhalten, dass mit dem Erwachsenwerden jeder Mensch fähig sein sollte, eine bewusste Entscheidung zu treffen, dass also auch ein gebürtiger Moslem dann das Glaubensbekenntnis aus freiem Willen sprechen sollte, als spräche er es zum ersten Mal. Es geht also nicht darum, den Glauben weiterzugeben, sondern darum, ihn jemandem vorzuschlagen. Der berühmte Zwang in der Religion, sei er nun brutal oder subtil, bringt nicht die freiwilligen Gläubigen hervor, die das Wort Gottes fordert. Das stellt die Frage nach neuen Sozialisationsformen. Fast überall in Christentum und Islam gibt es einen allgemeinen Protest gegen die Kleriker oder Ulema. Die Imame werden beispielsweise als zu arm im spirituellen Bereich kritisiert und, da Spiritualität gerade das Thema überall zu sein scheint, sind junge Muslime in Frankreich kritisch und schlussendlich unzufrieden. Ein ähnliches Phänomen gibt es auch in ganz traditionell muslimischen Ländern. Nach einem christlichen Zeugnis, das Gaudeul zitiert, sind Gespräche wichtig, weil sie wie ein Wegweiser für das Leben von morgen sind. Eine Gemeinschaft im gemeinsamen Glauben an Jesus bedeute Mitleid, Liebe, einfach alles zu teilen, in guten und in schlechten Tagen. Das Gebäude sei dabei nicht wichtig, beten könne man überall. 2.6.4.5. Glaubende Gemeinschaft ja, aber sie muss überzeugen Nach Gaudeul ist das Verlangen, zu einer glaubenden Gemeinschaft zu gehören, durchaus vorhanden, aber die Einheit könne einfach nicht mehr autoritär oder durch sozialen Druck erzwungen werden. Die naheliegende Versuchung, wenn

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Menschen nicht mehr so leichtgläubig sind, ist dann, eine Gruppe anders zu manipulieren. Besonders gefährlich ist die Versuchung, eine Gruppe durch Hass zusammenzuschweißen gegen eine andere Gruppe. Das aber geht gegen den positiven Inhalt des Glaubens. Und um diese positiven Inhalte geht es, denn trotz zunehmender kultureller Gleichheit fühlten sich die Menschen immer mehr allein gelassen vor den großen existentiellen Entscheidungen und immer weniger gerüstet für die Prüfungen, die das Leben den Menschen auferlegt. Geburt und Tod, Krankheit und Leid verlangen Antworten und die kommen nicht mehr einfach aus sozialer Konformität. Mode und Werbung drängen sich auf, während Familie, Erziehung sowie Schulen, Kirchen und Moscheen letztlich nur Wahlmöglichkeiten und Werte anbieten können. In den kritischen Momenten müssen die Menschen ihre Entscheidungen allein treffen. Was immer jemand behauptet, der einzelne hört, so Gaudeul, im Hintergrund doch immer auch andere Stimmen, andere Vorschläge, anderen Offenbarungen, andere heilige Schriften. Heute ist der Mensch skeptisch gegenüber Lehren, Ideologien und Botschaften, aber andererseits giert er geradezu nach Zeugnissen, vertraulichen Mitteilungen und überhaupt nach allem, was ihm zeigt, wie mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten ihre Existenzentscheidungen treffen. Daraus zieht Gaudeul den Schluss, dass in allen großen Religionen Lehre zum Zeugnis werden muss oder es funktioniert nicht. Schon Paul VI hatte gesagt, dass seine Zeitgenossen lieber Zeugen als Lehrern zuhörten und wenn schon Lehrern, dann, weil sie Zeugen seien. 2.6.4.6. Objektivität und Subjektivität von Religion – Gewichtungen verschieben sich Religiöse Autoritäten aber sind gewohnt, Erklärungen im Namen eines zeit­losen, ewigen und absoluten Christentums oder Islams abzugeben. Dabei sind die religiösen Führer, die diese Erklärungen abgeben, ganz gewöhnliche Menschen. Und da müsse man, so sogar ein iranischer Akademiker, zwischen der Religion selbst und religiöser Interpretation unterscheiden. Ersteres, also beispielsweise ein offenbarter Text, ist konstant, während unsere Interpretationen dieses Textes im Lauf der Zeit andere werden. Wir bekommen also immer nur Interpretationen von Religion: Der Islam ist eine Serie von Interpretationen des Islam und das Christentum ist eine Serie von Interpretationen des Christentums. Und weil Interpretationen immer geschichtlich sind, ist das Element der Geschichtlichkeit notwendig immer dabei, auch wenn alle diese Interpretationen gerechtfertigt werden müssen. Gaudeul spricht davon, das Risiko zu vermeiden, dass man eine menschliche Interpretation der Botschaft als göttliche Botschaft präsentiert, was streng genommen Götzendienst wäre. Objektive Wahrheit ist immer nur mit all den Subjektivitäten zu bekommen, die sie begleiten. Die Privatisierung des Glaubens sei allerdings ein ganz reales Phänomen. Man kann eine Art religiöses Zappen beobachten, wobei die Entscheidungen oft nach der Stärke der gefühlten

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Emotionen getroffen werden. So wird dann ein neuer Typ des religiösen Menschen geboren, einer, der mehr spirituell als ritualistisch ist, mehr mystisch als dogmatisch und auch unsicherer. Das geschieht je nach Kontinent und Land unterschiedlich schnell, ist aber trotzdem ein generelles Phänomen. Die altmodische Einmütigkeit hat einer Religion oder Religiosität à la carte Platz gemacht, bei der je nach Bedarf der Inhalt des Glaubens neu zusammengesetzt wird. In der Geschichte hat es beides schon gegeben: Zeiten, in denen Bindungen sich auflösten, und Zeiten, in denen Menschen sich um bestimmte Botschaften und Institutionen sammelten. Das alles ändere aber nichts daran, dass die Religionen einen neuen Weg finden müssten, ihre Botschaft zu verkündigen. Den Menschen zu dienen hieße eben nicht, sie zu versklaven. Man sollte ihre Sehnsucht nach mehr Religionsfreiheit nicht einfach als Weigerung verstehen, an Gott zu glauben oder sich ihm zu unterwerfen. 2.6.4.7. Wem Gott Freiheit gegeben hat, dem soll der Mensch sie nicht nehmen Und schließlich hat Gott selbst das Risiko auf sich genommen, sich an jeden Menschen zu wenden, damit der ihm persönlich antwortet. Also sind die religiösen Spezialisten beider Seiten Diener, die manchmal um ihren Rat oder ihr Wissen angegangen werden, deren Einmischung aber mehr und mehr als Indiskretion empfunden wird. Es geht um die außergewöhnliche Freiheit Gottes, der jeden so leitet, wie er will (ein verstecktes Koranzitat). Und es geht ganz konkret um eine neue Spiritualität oder vielleicht eher um eine neue Anthropologie, denn während der Einfluss religiöser Autorität bei der Leitung der Gewissen abnimmt, wird ihr Rat zunehmend gesucht in den aktuellen Debatten, um uns angesichts der oft verwirrenden Entwicklungen an die Bedeutung der menschlichen Existenz zu erinnern. Das Christentum sagt, dass das einzige Opfer, das Gott von seiner Schöpfung will, Liebe ist und dass zur Natur des Menschen Bewusstsein und Freiheit konstitutiv gehören. Gott manipuliert uns nicht, in dem er automatisch Aufmerksamkeit in uns schafft. Der Allerhöchste, der Allmächtige nimmt die Freiheit des Menschen ernst. Der Mensch wird respektiert, auch in seiner Fähigkeit, nein zu sagen. Hier fragt Gaudeul, ob es vielleicht um diese Angst geht, die die Engel in Sure 2,30 bei der Schöpfung Adams zum Ausdruck bringen. Gott schlägt uns seine Gebote zum Gehorsam vor – wie können also wir versuchen, die zu versklaven, zu denen Gott selbst als Partner, als Stellvertreter sprechen wollte? Gott sucht das Herz eines jeden einzelnen. Beim Jüngsten Gericht muss ich ihm antworten. Es ist unmöglich, ja geradezu undenkbar, dass ich einen Menschen davon abhalte, dass er seine eigene freie Antwort gibt. Jeder Manipulationsversuch hier ist abscheuungswürdig und ein tragisches Missverständnis des göttlichen Geheimnisses. In der Tat sind religiöse Führer und Lehrer versucht, subtilere Methoden der Konditionierung oder Leitung anzuwenden. Aber die Gläubigen sind demgegenüber auch zunehmend wachsam. Und dann bleibt da

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immer noch die Tatsache, dass eine verbotene Frucht verführerischer ist als eine erlaubte. Gott selber lässt die ungeheuere Sehnsucht nach Freiheit in den Herzen der Menschen emporquellen und die Erziehung in der Familie und die religiöse Predigt sollen die vorhandene Freiheit nicht bekämpfen. In der Tat hat die Liebe ihre eigenen Forderungen und ihre eigene Logik. Abschließend betont Gaudeul, dass all diese Überlegungen nicht neu seien, sondern aus den grundlegenden Offenbarungstexten stammten und lediglich bei Tausenden von Gläubigen eine neue Kraft gewonnen hätten. Sie könnten auch zu einem neuen Gefühl der Verwandtschaft zwischen Christen und Muslimen beitragen angesichts des Kampfes der Menschen gegen Unterdrückung jeder Art. Jedenfalls aber werde eine Seite in der Geschichte der Welt und der Religionen unwiederruflich umgeschlagen. Man könne den Eindruck gewinnen, dass viele Menschen in einem Durcheinander von Glaubensüberzeugungen hin- und hergeschleudert würden und die Privatisierung des Glaubens Gefahr laufe, zur Ablehnung der Offenbarung zu werden. Aber gerade weil die Gefahren real seien, werde Gott in seiner Führung treu sein. Sein abschließender Gedanke ist: „[T]he one who wants to be free, the better to serve and to love God will find what he seeks“62. So erscheint ganz am Ende von vielen detaillierten Einzelausführungen klar und deutlich, dass – sowohl bei Christen als auch bei Muslimen – Gott selbst dem Menschen die Freiheit gegeben hat, damit der Mensch aus freien Stücken Gott suchen kann. Eigentlich ganz logisch und einfach, wenn es eben nicht in der Praxis oft so schwierig wäre.

3. Einführungen in den Dialog 3.1. Orientations pour un dialogue entre chrétiens et musulmans Die erste Publikation des Sekretariats zum Thema, die für ein breiteres Publikum gedacht war, waren Orientations, Orientierungspunkte für den christlich-muslimischen Dialog. Von Anfang an als erster Schritt bezeichnet, wollten und sollten sie, in mehrere Sprachen übersetzt, zum Dialog ermuntern. Das gelang wohl auch, denn sie waren schnell vergriffen und zwischen ihnen und der komplett überarbeiteten nächsten Ausgabe, die gleich im Anschluss besprochen werden soll, liegt bereits eine Menge praktischer Dialogerfahrung. Sie spielten eine Pionierrolle und wurden schnell ‚historisch‘, werden später auch oft gar nicht mehr eigens erwähnt. Aber im Blick auf das zunächst nur auf abstrakter oder interner 62 Gaudeul, Jean-Marie, Free to Serve God Better, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Commission for Religious Relations with Muslims (ed.), Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue, Vatican City 2006, p. 212, zu den vorherigen Ausführungen s. p. 187–211.

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Ebene Gesagte waren sie sicher ein wichtiger Schritt zur Umsetzung hin auf Islam und v. a. auf Muslime. Es soll(te) ja um Personen gehen, um das Leben, das verbindender sein kann als religiöse Texte, und schlussendlich darum, eine menschliche Gemeinschaft zu bauen, in der jeder sich mehr verstanden, geachtet und geliebt fühlt.63 63 Zur Einordnung s. Anm. 1, ansonsten Secrétariat pour les non chrétiens (éd.), Orienta­ tions pour un dialogue entre chrétiens et musulmans, 2ième éd., Rom 1969, p.  7.9, Marella, Paul, Présentation, dans: Secrétariat pour les non chrétiens (éd.), Orientations pour un dialogue entre chrétiens et musulmans, 2ième éd., Rom 1969, p. 5, sowie (im Nachhinein) Rossano, ­Pietro, Foreword, in: Pontificial Council for Interreligious Dialogue/Borrmans, Maurice, Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims, Interreligious Documents 1, New York/Mahwah 1990, p. 1 und Jadot, Jean, Preface to the 1981 Edition, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Borrmans, Maurice, Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims, Interreligious Documents 1, New York/Mahwah 1990, p. 7. Eine lobende Rezension der englischen Übersetzung gibt Fitzgerald, Michael L[ouis], MAURICE BORRMANS, Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims. Translated from the French by R. Marston Speight. (Interreligious Documents I) New York/Mahwah, N. J., Paulist Press 1990, pp. vi-132., BPCDIR 76 (1991), p. 149. Rossano hatte schon in einem Beitrag für die Joint Working Group in Stuttgart (7.–12.6.1971) erwähnt, dass gerade auch protestantische Organisationen großes Interesse an diesem Werk gezeigt hätten, so Exposition from the Catholic Point of View, p. 103. Auch in „The Secretariat for Non-Christian Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems“, p. 94 betont er nochmals die Wichigkeit gerade dieser Publikation. Ein großes Lob bekommt die Publikation beim ersten gemeinsamen Dialog mit der jordanischen Al-Albait-Stiftung, so El Assad, Nassir El-Din, Inaugural Speech, in Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), s.l.s.a., p. 10. Insgesamt war die Reaktion sehr positiv, so Greco, J[oseph], The Activity of the Consultors, BSNC 12 (1969), p. 206. Charbel Gravrand ordnet in seinem Artikel L’Afrique au Secrétariat, BPCDIR 72 (1989) die Reihe der Richtlinien generell unter Anthropologie ein, so p. 358 f. Sein Artikel ist weit über afrikanische Belange hinaus informativ, was die Entwicklungen des Sekretariats angeht. Was den Islam angeht, so erwähnt er beispielsweise, dass dieser im September 1964 noch nicht zu den Kompetenzen des Sekretariats gehörte (p. 351), sondern diesem erst 1965 zugeordnet wurde (p. 353) und dass seit Schaffung eines Afrikareferats diesem auch der Bereich Islam in Afrika zugeordnet ist (p. 361). Für eine noch ausführlichere Würdigung s. Zago, Marcello, Les documents du conseil Pontifical pour le dialogue interreligieux, BPCDIR 72 (1989), p. 362–367; Zago wagt p. 374–376 einen Blick in die Zukunft, was die Erstellung und Art möglicher Dokumente angeht, wobei er davon spricht, dass die Beziehungen zu anderen Religionen erst in ihren Anfängen seien. Es ist interessant, diesen ‚Wunschkatalog‘ nach über eineinhalb Jahrzehnten im Rückblick zu lesen: Manches ist erreicht worden, gerade was schriftlich dokumentierte Dialoge zwischen Christen und Muslimen angeht, doch ist es eher die bescheidene Version seiner Visionen, die bisher umgesetzt wurde, viele Themen bleiben noch, ebenso wie Ansprüche an Repräsentativität und Gegenseitigkeit. Es blieben also noch genügend Aufgaben für ein „dicastère d’animation“ (p. 374), wie er den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog charakterisierte. Erwähnt werden soll hier noch Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Journeying together, The Catholic Church in Dialogue with the Religious Traditions of the World, Città del Vaticano 1999. Diese relativ neue Publikation umfasst mehrere Religionen und hat nur einen kleinen Abschnitt zum Islam (p. 75–83), aber immerhin auch einen Abschnitt mit Aussagen Johannes Pauls II zu

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3.1.1. Ein langer Weg von Kenntnis über Respekt zu Offenheit und Sympathie Dies ist eine klare anthropologische Ausrichtung, die sich in unterschiedlicher Stärke und Ausformung auch durch die folgenden Kapitel zieht, wobei es zunächst noch um die grundsätzliche Haltung im Dialog geht. Diese sei wichtiger als der Gegenstand des Dialogs selbst. Das beginnt schon mit der einfachen Erkenntnis, dass man einen Dialog nicht mit religiösen Systemen führen kann, sondern nur mit Menschen, die in einen religiösen Erfahrungshorizont eingebettet sind, aber mehr sind als bloße Studienobjekte. (Gerade was den Islam angeht, sei selbst bei Fachleuten die Liebe zum Studienobjekt wesentlich größer als die Liebe zu den konkreten Muslimen.) Es geht um die existentielle Ebene des Menschen, der mit konkreten Problemen seines Lebens beschäftigt ist. Von daher sind für den Dialog die neuen Probleme interessanter als die alten, denn es geht um den Menschen der Gegenwart bzw. Zukunft. Die Beziehung von Person zu Person setze aber automatisch auch ein Drittes voraus, nämlich die Beziehung zu Gott, die jedem Dialog zu Grunde liege. Gerade im Dialog werde man immer neu herausgefordert, den Urgrund seiner Selbst zu bezeugen und neu zu formulieren. Doch der Text wird auch durchaus konkret: Die Christen müssten den ersten Schritt tun ohne zu fragen, ob das menschlich vernünftig sei. Entscheidend sei die Herzenshaltung, mit der der andere empfangen und wirklich aufgenommen werde – gerade weil die Gastfreundschaft ein so hoch gehaltener, religiös geprägter Wert in der muslimischen Welt sei. Kenntnis eines Menschen sei die Kenntnis eines Freundes, dessen gute Eigenschaften und Hoffnungen man sehe. Dafür sei auf christlicher Seite eine Mentalitätsveränderung, ja eine Bekehrung nötig, die lange Zeit in Anspruch nehmen werde. Dazu gehörten auch solide Kenntnisse der Religion des anderen. Hinter dem Erwerb von Sachkenntnissen müsse aber die Erwartungshaltung stehen, vom anderen persönlich etwas lernen zu können. Eigens hervorgehoben wird auch, dass eine auf Freundschaft und Respekt basierende Sympathie nur möglich ist, wenn man glaubt, dass ein Muslim sich Gott im Gebet nähern könne. Für Muslime sei die Ebene des Glaubens selbstverChristen und Muslimen (p. 84–89). Die ursprüngliche Publikation ist ein Werk zweier französischer Islamologen, Joseph Cuoq und Louis Gardet. Ersterer war praktisch ein Gründungsmitglied des Sekretariats für die Nichtchristen und ab März 1965 zuständig für den Bereich Islam. Unter seiner Regie begannen auch die Grußbotschaften zum Ende des Ramadan, die weiter unten noch ausführlich erwähnt werden. Beides zusammen zeigt, was ihm wichtig war: ein Klima von Wertschätzung und Freundschaft auf beiden Seiten zu schaffen. Dazu war ihm dieses indirekte Wirken v. a. in den eigenen Reihen wichtig. Zum selben Zweck baute er ein Netzwerk von Korrespondenten auf. Es findet sich hier exakt die fast generell durchgehaltene Einstellung, v. a. indirekt über die Kirchen vor Ort zu wirken und aus diesem Grund auch keinen großen Wert auf eigene Dialogkonferenzen zu legen (nach Fitzgerald, Michael L[ouis], Joseph Cuoq ­(1917–1986), BSNC 63 (1986), p. 339–341).

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ständlich, aber sie witterten leicht Proselytismus, weshalb es vielleicht angezeigt sein könnte, religiöse Dialoge eine Weile auszusetzen, ohne aber deswegen sein Christsein zu verstecken. 3.1.1.1. Die Grundlage dafür: Schöpfung und gemeinsame Werte Sehr früh zeigt sich hier schon die Verbindung zwischen der klaren Hierarchie der Wahrheiten einerseits, wie sie das Zweite Vatikanum vertritt, und dem Bild des gemeinsamen Unterwegsseins zur Wahrheit, zu Gott. Das Ziel des dabei notwendigerweise eintretenden Dialogs wird ganz anthropologisch so formuliert: „l’acceptation pacifique et joyeuse de l’autre tel qu’il est et (…) l’enrichissement mutuel pour une meilleure affirmation de la Vérité et du Bien dans l’humanité, tels que Dieu les a révélés dans sa création.“64 Die Grundhaltung tritt also sehr deutlich hervor und wird teilweise bis ins Detail ausgeführt, eine genauere Aus­ formulierung der Basis über den eher pauschalen Verweis auf Schöpfung und gemeinsame Werte hinaus erfolgt aber nicht, auch dies ja durchaus typisch, wie sich mit einem Blick auf die Grundlagentexte leicht feststellen lässt.

3.1.2. Der Mensch in der Gemeinschaft – eine mit Stolz und Überzeugung vertretene Sichtweise Dies gilt auch weitgehend für das folgende Kapitel, das sich mit islamischen Werten befasst, hauptsächlich um einen zukünftigen christlichen Dialogpartner auf diese Wertewelt vorzubereiten. Auch wenn er diese nicht teilt, soll er nicht den Fauxpas begehen, einen muslimischen Gesprächspartner durch eine gedanken­ lose, von diesem als abfällig eingestufte Äußerung zu verletzen. Manchmal scheinen (zumindest teilweise) gemeinsame Werte auf, manchmal erhält der Leser Einblick in das muslimische Selbst- und Menschenbild. Dies ist gleich zu Anfang der Fall, wo es um den Islam als Gemeinschaft geht, um die Einheit der islamischen Welt, die sich auch in einer stark einheitlichen Sicht des Menschen, seines Schicksals und Gottesbezuges spiegle. Der Muslim nehme sich als solcher nur als Mitglied der muslimischen Gemeinschaft voll wahr. In ihr finde er seine Stärke, seinen Frieden und die Blüte seiner Menschenwürde. Im Geheimsten seines Herzens sei er stolz auf diese Zugehörigkeit. Aus diesem Urteil heraus ließen sich viele individuelle und kollektive Verhaltensweisen der Muslime und der islamischen Völker erklären. Unter dem Einfluss der Modernisten des 19. Jahrhunderts sowie der modernen Gesellschaften werde von weiten Kreisen der Muslime eingestanden, jeder rechtschaffene Mensch, der nach seinem Gewissen einen anderen Glauben als den des Islam lebe, sei ein Gläubiger. Schließlich wird das theologische und anthropologische Grundproblem vom Verhältnis 64 Secrétariat pour les non chrétiens, Orientations pour un dialogue entre chrétiens et musulmans, p. 25, s.a. p. 11–24.26–30.

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der Allmacht Gottes zur Freiheit des Menschen angesprochen: Wird die Alleinwirksamkeit Gottes betont, so gerät die göttliche Gerechtigkeit in Gefahr, denn wie kann ein Mensch zur Rechenschaft gezogen werden für etwas, für das er nicht verantwortlich ist? Wird umgekehrt die Freiheit und damit Verantwortlichkeit des Menschen betont, so gerät die Allmacht Gottes in Gefahr. Die aktuelle Betonung in der islamischen Welt wurde auf der Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen gesehen und eine der möglichen Chancen des christlich-muslimischen Dialogs darin, diesen grundsätzlichen Widerspruch zu überwinden, ohne dabei das Geheimnis anzutasten. Ein letzter wichtiger Bereich in diesem Zusammenhang ist der der Propheten und Gesandten. Hier ist besonders die Figur des Abraham hervorzuheben und seine bei Christen wie Muslimen gleiche Glaubenshaltung des Gehorsams gegenüber dem paradoxen Willen Gottes. Entscheidend aber ist, dass die muslimische Tradition bis hin zu Mohammed Abduh von drei Zeitaltern der Menschheit spricht: die Kindheit mit Mose und der Torah, die befiehlt, wie ein Lehrer Kindern befiehlt, die Jugend mit Jesus und dem Evangelium, das zum Herzen spricht und an die Gefühle appelliert und schließlich das Erwachsenenalter mit Mohammed und dem Koran, also das Zeitalter des Islam, der Religion, die mit der Vernunft übereinstimmt und in das Herz eines jeden Menschen geschrieben ist, der ja als Muslim geboren wird.65 Hier werden in der Tat erstmals Grundzüge eines muslimischen Menschenbilds deutlich und v. a. die Überzeugung, der Stolz und die Liebe, mit der sie vertreten werden. Es wird aber nicht darauf eingegangen, dass genau dieses Menschenbild und diese Überzeugung dahinter auch zu Problemen im konkreten Miteinander führen könnten. 3.1.2.1. Muslim ist nicht gleich Muslim – die heikle Frage nach Gruppenbildungen Die Orientations gehen auch auf die muslimischen Gesprächspartner in ihrer Unterschiedlichkeit ein, angefangen beim prägenden Charakter des arabischen Islam und der deutlichen Gesamttendenz hin zu Einheitlichkeit und Universalismus. Eventuelle auch religiöse Unterschiede würden als Familienangelegenheiten angesehen, die Nichtmuslime nichts angingen. Diese Haltung vertreten auch die Orientations. Die große Mehrheit der Sunniten (so zumindest noch 1969), die nicht in direktem Kontakt mit islamischen Sekten lebten, seien sich deren Existenz gar nicht bewusst. Dort, wo man sich der Spaltungen bewusst sei, seien sie aber schmerzlich für die Ehre der Muslime und, so wird nahegelegt, kein Grund für die Christen, sich etwa darüber zu freuen. Außerdem solle man vorsichtig sein, Vertreter solcher Gruppen zu Dialogen einzuladen oder überhaupt in solchen Fragen Stellung zu beziehen. Wer sich auf den Koran und den Propheten Mohammed berufe, sei aus der Sicht eines Christen Muslim. Besonderes Augen 65 So ib., p. 34–56.

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merk wird auf die Haltung unterschiedlicher Gruppen gegenüber der Moderne gelegt. Generell habe die westliche Welt und Kultur Vorbildfunktion und dies wird auch als ein Fortschritt auf dem Weg des Dialogs gesehen: Durch die Annäherung der Kulturen würden die Menschen sich auch auf geistiger Ebene annähern. Die Orientations unterscheiden nach deislamisierten Muslimen mit westlicher Kultur, nach traditionell arabisch Gebildeten, nach Muslimen ärmerer Schichten und nach solchen in der modernen Arbeitswelt. Letzteren gehe es um den Fortschritt in ihrer Gesellschaft und sie stießen dabei auf Widerstand und auf Probleme moralischer, religiöser, soziologischer oder psychologischer Natur. Hier wird die Chance zu einem wirklichen Dialog gesehen, der auch auf grundlegende geistliche Werte zu sprechen komme wie Würde der Person, Freiheit, Sorge um das Gemeinwohl. Zusammenfassend wird gesagt, dass wirklich atheistische, areligiöse Muslime selten seien, deshalb solle man einen Muslim immer als Gläubigen sehen, der mit einem christlichen Gläubigen sympathisieren könne und mit ihm einen Dialog führen über grundlegende Werte des menschlichen Lebens und der Gesellschaft. Außerdem fällt der (durchaus nötig erscheinende) Hinweis, Menschen aber nicht zu klassifizieren, um ihnen als Menschen und nicht als Vertretern irgendeiner Gruppe zu begegnen66. In der Tat ist der gesamte Text für einen sensiblen Leser eine Gratwanderung zwischen dem Höhepunkt einer großartigen neuen Begegnung mit Menschen muslimischen Glaubens einerseits, die in fast jedem Detail, so scheint es, bedacht wird und so umgesetzt werden sollte, und dem Absturz in das bloße Erfüllen von äußeren Anforderungen dafür andererseits, weil die dazu notwendige innere Bekehrung letztlich eben nicht machbar ist, sondern nur erbeten werden kann.

3.1.3. Dialog als Kampf der Christen gegen sich selbst Dies bestätigt das nächste Kapitel in frappanter Weise. Heißt es am Anfang, der Dialog sei mehr ein Kampf gegen uns selbst „qu’un affrontement de l’autre (le mot affrontement étant pris dans le sens de la philosophie du dialogue)“67, so heißt es am Ende, der Dialog sei nicht nur ein Schrei des Herzens, sondern vor allem ein Akt der Intelligenz. Hier wird offensichtlich eine grundlegende Spannung deutlich in dem, was es bedeutet, ein Mensch des Dialogs zu sein, und wie man es werden kann oder eben auch nicht. Nicht dass diese Problematik eigens zum Thema gemacht würde, sie scheint lediglich am Rande ganz praktischer Fragen auf, sozusagen als Untergrund oder verallgemeinernde Zusammenfassung, wie überhaupt manches Wichtige fast beiläufig erwähnt wird, so auch, dass die Konzilsäußerung über die Abwendung von vergangener Feindschaft zwischen Christen und Muslimen hin zu einem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, mora 66 So ib., p. 59–74. 67 Ib., p. 75.

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lische Werte, Frieden und Freiheit im Interesse aller Menschen68 die in der arabischen Presse am meisten zitierte war und bei den Muslimen ein tiefes Interesse geweckt hatte, weil sie darin die Ankündigung einer neuen Ära sahen. So geht es eigentlich um die Fehler der Vergangenheit und wie sie in Zukunft am besten zu vermeiden wären. Das beginnt mit einer Erkenntnis der tiefgehenden Verbitterung der Muslime, für die eine Linie von den Kreuzzügen über den Kolonialismus bis in die Gegenwart führt, geht über die Problematik des Staates Israel und die Verwicklung des Westens in diese Situation (hier solle die Kirche nach einer menschlichen und christlichen Orientierung suchen, die Partei dessen ergreifen, der jeweils am meisten leide, und eine Sympathie zeigen, die nicht nur aus Worten bestehe) bis hin zu der innersten Überzeugung der Muslime, dass Christen, selbst wenn sie Muslime als Individuen schätzten und liebten, deren Gemeinschaft nicht schätzten und liebten. Deshalb sollten sich die Christen besonders für die religiösen und sozialen Probleme muslimischer Völker interessieren und nach Möglichkeit den muslimischen Lösungen dafür den Vorzug geben. Außerdem genüge es nicht, nur die Muslime zu lieben, man müsse auch dahin kommen, den Islam zu respektieren. 3.1.3.1. Die Vorurteile auf christlicher Seite: von Fatalismus bis Fanatismus Auch in diesen Zusammenhang gehört die Frage nach den gegenseitigen Vorurteilen. In Bezug auf den Islam ist das eine lange Liste: Fatalismus, Gesetzlichkeit, Religion der Furcht, moralische Laxheit, Fanatismus, Unbeweglichkeit. Besonders die Frage nach dem sogenannten Fatalismus des Islam hängt direkt mit der Sicht des Menschen zusammen. Hier geht es v. a. um den bereits angesprochenen Zusammenhang zwischen Allmacht Gottes und Verantwortlichkeit des Menschen. Es wird herausgestrichen, welche prägende Rolle über Jahrhunderte die Aschariten hatten, die auf die Allmacht Gottes größten Wert legten, und wie die religiösen Bruderschaften diese Gottergebenheit endgültig in passive Resignation verwandelt hätten, vielleicht auch als letzte Zuflucht der Armen und sozial Schwachen. Doch dürfte die davor liegende Schule der Mutaziliten nicht ausgeklammert werden, die vom Menschen sogar als Schöpfer seiner Taten sprechen kann (die Rede von menschlicher Freiheit sei koranisch) und die sich wieder zunehmender Beliebtheit erfreue. Breiten Raum nimmt die Frage nach dem Fanatismus des Islam ein – oft herrsche im Westen die Meinung, der Islam verbreite den Glauben mit dem Schwert und lasse jeden über die Klinge springen, der ihm 68 Ib., p. 75/76 zitiert Nostra Aetate in der französischen Fassung: „Si, au cours des siècles, y est-il dit notamment, de nombreuses dissensions et inimitiés se sont manifestées entre les chrétiens et les musulmans, le Concile les exhorte tous à oublier le passé et à s’efforcer sincèrement à la compréhension mutuelle, ainsi qu’à protéger et à promouvoir/p. 76 ensemble, pour tous les hommes, la justic sociale, les valeurs morales, la paix et la liberté“.

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Widerstand leiste, was wiederum Muslime sehr irritiere. Ein Muslim werde dann die Toleranz des Islam gegenüber den Völkern des Buchs beschwören und ihren Gaststatus in muslimischen Ländern, wobei sie heute gleichberechtigte Bürger seien, und schließlich die Anschuldigung mit Verweis auf historische Beweise für den christlichen Fanatismus zurückgeben. Die Situation ist also, rein menschlich, verfahren. Einige anthropologisch bedeutsame Punkte sind: Jeder Muslim ist stolz auf seinen Glauben und seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft des Propheten. So ist es logisch, dass er andere daran teilhaben lassen möchte. Die Rechte Gottes und der Menschen, wie der Koran sie definiert, sollten auf der ganzen Welt respektiert werden. Was die sogenannten ‚heiligen Kriege‘ von beiden Seiten angeht, so wurde hier der Standpunkt vertreten, dass Waffengewalt nicht mehr Ausdruck der heutigen Mentalität sei. Es sei ein realer Fortschritt der Menschheit, dass Gewalttaten, noch dazu im Namen der Religion, für uns nicht mehr erträglich seien. Als Beleg dafür werden die Mehrheit der Christen und muslimische Reformer genannt, die den Kampf für die Aufrichtung des Friedens in Gerechtigkeit und Ehre als gleichwertigen, ja sogar besseren Kampf anerkennten. Hier eröffne sich auch ein weites Feld für den Dialog. 3.1.3.2. Die Schwierigkeiten auf muslimischer Seite Beim Blick auf die muslimische Seite geht es v. a. um deren mögliche Offenheit für den Dialog, die einerseits durch das Zweite Vatikanische Konzil geweckt scheint, v. a. bei den Eliten, die sich gerne mit Christen über soziale, moralische, kulturelle und sogar geistliche Fragen unterhalten würden. Doch es gibt daneben auch andere Reaktionen, bis hin zu Misstrauen, und diese haben auch ihre Gründe, die es zu erkennen gilt. Der Wunsch nach gegenseitigem Verständnis ist die Basis jeden Dialogs, doch auf muslimischer Seite stehen dem etliche Hindernisse entgegen, denn durch den Koran glaubt der Muslim, das Christentum bereits zu kennen und zwar besser, als dieses sich selbst kennt. Deshalb ist auch bei vielen Muslimen ein Desinteresse an christlichen Werten zu erkennen, selbst wenn sie ihnen täglich begegnen und sie diese durchaus schätzen. Der Koran fordert die Muslime einerseits zum Dialog mit Juden und Christen auf, andererseits ist es klar, dass es dabei für Muslime nichts zu diskutieren gibt. Von christlicher Seite erscheinen zwei Dinge als gesichert: Die dogmatischen Formulierungen, gegen die der Koran angeht, können sich nur auf ein hetero­doxes Christentum beziehen, aber so wie sie sich darstellen und von den Muslimen interpretiert werden, laufen sie auf eine Leugnung von Trinität und Inkarnation hinaus. Einen Gegenbeweis führen zu wollen erscheint aussichtslos, die Muslime wie imprägniert dagegen. Auf freudige Überraschung bei den Muslimen stieße allerdings immer die Entdeckung, dass auch die Christen den Einen Gott bekennen. Die klare Tendenz geht dahin, dass Christen in einer Sprache reden sollten, die das muslimische Gegenüber wirklich verstehen kann, dafür aber die anderen Aspekte umso intensiver leben, um sie so dem muslimischen Freund klar zu

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machen. Dass das als Taktik ausgelegt werden kann, wird auch von den Verfassern der Orientations gesehen, aber gerade abgelehnt. Schließlich wird noch darauf eingegangen, dass Muslime bezüglich der Kirche leicht von sich auf andere schließen und ihr dieselbe Verbindung von geistlichem und weltlichem, ja sogar politischem Bereich unterstellen, die sie aus ihrer eigenen Tradition kennen. Die Unterschiede zwischen Christentum, Kirche, Christenheit und westlicher Welt zu sehen falle einem Muslim ungefähr so schwer wie umgekehrt einem Christen, genau zu verstehen, was es bedeute, dass der Islam Religion und Gemeinschaft gleichzeitig sei und welche spezielle Verbindung von geistlich und weltlich daraus folge. Hinzu kommt, dass die christliche Freiheit in Fragen, die die weltliche Ordnung betreffen, aus den oben genannten Gründen für Muslime schwer zu begreifen ist. So wird das Verhalten einzelner Mitglieder der Christenheit, auch solches, das die Christen selbst längst vergessen haben, der Kirche zum Vorwurf gemacht. Gut wäre es, die Natur der Kirche im Sinne des Zweiten Vatikanums als Sakrament der Einheit zu erklären, deren prophetische Aufgabe darin bestehe, alle Menschen guten Willens zur Einheit zu rufen, zum Fortschritt moralischer Werte und zum Dienst Gottes. Für eine bedeutende Zahl von Muslimen sei die Kirche bereits ein moralischer Garant, deren Erklärungen und Gesten der zwischenmenschlichen Hilfe, der Brüderlichkeit und des Aufrufs zu Frieden und Gerechtigkeit geschätzt würden, auch wenn es eine Tendenz gebe, rein religiös gemeinte Aussagen politisch zu verstehen und zu gebrauchen. Dialog sei nicht Übereinstimmung, noch nicht einmal eine gemeinsame Sprache, aber Respekt vor dem anderen in seiner Andersartigkeit und Verstehen dessen, was der andere in seiner Sprache sage. Ein Eckpfeiler davon sei, dass der Muslim an das politische Desinteresse, ja überhaupt an das Desinteresse der Christen glauben könne.69 So wird hier wieder einmal schön deutlich, wie eng gerade im Dialog, noch dazu zwischen Muslimen und Christen, hohe und hehre Ziele, grundsätzliche Vorstellungen und Konzepte mit teilweise ganz banalen, ja allzu menschlich scheinenden Realitäten verknüpft sind.

3.1.4. Anthropologische Kernaussagen 3.1.4.1. Zur Auslegung von Gaudium et Spes: Es kommt Bewegung in die Gesellschaft Das anthropologisch gesehen wichtigste Kapitel der gesamten Darstellung ist das folgende, vorletzte Kapitel. Es befasst sich mit den Perspektiven des islamisch-christlichen Dialogs und fällt durch häufige Rückbezüge auf Konzilstexte und Enzykliken auf, was gleich auf seinen grundsätzlichen Charakter hinweist. Schon in den ersten Sätzen wird gesagt, dass jede menschliche Handlung eine bestimmte Auffassung vom Menschen und seinen Beziehungen zur Gesellschaft 69 Nach ib. p. 77–109.

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und zu Gott voraussetze und dass von daher unausweichlich jeder Dialog eines Tages zu den fundamentalen Fragen nach den Bedingungen menschlicher Existenz komme, wie sie Nostra Aetate formuliert hatte. Und gleich wird mit Gaudium et Spes noch nachgelegt, mit der neuen sich entwickelnden Ordnung der Dinge. Dabei werden die Probleme als um zwei Kristallisationspunkte herum gruppiert gesehen: die Förderung der menschlichen Person und die Aufrichtung einer brüderlicheren Gesellschaft. Das seien die Fragen der Zeit, mit denen wir letztendlich alle konfrontiert seien. Zunächst einmal wird festgestellt, der Mensch sei von seiner Natur her ein freies Wesen und auf ein Ziel hin ausgerichtet, das ihn selbst übersteige, daher sei er nicht zu reduzieren auf eine Struktur oder Ideologie, sondern er selbst müsse Prinzip, Subjekt und Ziel aller dieser Institutionen sein. Diese Grunddoktrin gebe eine breite gemeinsame Basis für einen Austausch zwischen Christen und Muslimen ab – wobei die christlichen und die muslimischen Traditionen, die das mit der Freiheit des Menschen nicht ganz so sehen, völlig unerwähnt bleiben. Aus dem großen möglichen Programm werden drei Punkte herausgegriffen: die Rolle der Person in der modernen Gesellschaft, die Familie und die Beziehungen zwischen den Kulturen. Bei ersterem gibt es je nach Milieu verschiedene Konzepte der Person, der Gesellschaft und der Beziehung zwischen beiden und v. a. über das Maß an Freiheit, das ihr in den Strukturen der jeweiligen Sozialisierung zuzuerkennen ist. Man solle sich dabei nicht scheuen, zu den alltäglichen Mängeln herabzusteigen, wie das auch Gaudium et Spes getan habe. Hier könnten Christen und Muslime an vielen Punkten zusammenarbeiten, um das triumphieren zu lassen, was die Ehre des Schöpfers im Angesicht des Menschen respektiert. Die Familie wird als der erste Hort der höchsten Werte, Leben und Liebe gesehen und auch als die erste Erzieherin für Gewissen und Glauben. Die Familie sei vor viele verschiedene Probleme gestellt, u. a. die immense Frage des Feminismus und die Förderung der Frau. Die muslimische Familie sei von der westlichen deutlich unterschieden und viel patriarchaler, wobei davor gewarnt wird, zu Gunsten der Freiheit von Personen und Paaren die Werte der patriarchalischen Familie zu unterschätzen oder zu zerstören (Solidarität, Hilfe auch über die Kleinfamilie hinaus, Familiengeist), denn auch unser Individualismus berge seine Gefahren und Irrtümer – und sei sowieso auf dem Vormarsch. Andererseits wünschten die Muslime eine Entwicklung der traditionellen Familie und hätten echtes Interesse an der christlichen Familie. Deren gelebte Beispiele zeugten leider nicht immer von christlicher Liebe, sondern wiesen Verformungen durch eine Zivilisation mit hedonistischer Tendenz auf. 3.1.4.2. Zur Auslegung von Populorum Progressio: die Wichtigkeit des kulturellen Dialogs Zum Zusammentreffen von traditioneller und moderner Kultur wird die Enzyklika Populorum Progressio zitiert, nach der eine Zivilisation Elemente des universellen Humanismus beinhalte, aber nicht ohne Anpassung anderswo einge-

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führt werden könne. Gerade mit Bezug auf die Muslime seien deren kulturelles Niveau und deren Interesse an der eigenen Kultur nicht zu unterschätzen und die islamischen Gesellschaften seien noch von einem Humanismus bestimmt, von dem wir lernen könnten. Die Wichtigkeit des kulturellen Dialogs wird sehr betont, da eben hier eine neue Konzeption von Mensch und Gesellschaft für künftige Generationen gebildet werde. Was den zweiten Bereich der mehr gesellschaftlichen Fragen angeht, so werden zwei Probleme als besonderes aktuell hervorgehoben: die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die Friedensproblematik. Für die Formulierung konkreter Ziele wird nochmals Populorum Progressio bemüht. Das Ziel jeder Entwicklung ist der Dienst am ganzen Menschen mit seinen materiellen Bedürfnissen und den Erfordernissen seines intellektuellen, moralischen, geistlichen und religiösen Lebens. Es gibt keinen Dialog über Mensch oder Gesellschaft ohne Bezug auf ein Absolutes, weder für Christen noch für Muslime, und für die Muslime ist dies sogar eine der Grundstrukturen ihres Glaubens. Letzter Grund und letztes Ziel des Dialogs sind also nicht gemeinsame praktische Probleme und deren Lösung, sondern es ist der gemeinsame Glaube an Gott bzw. die gemeinsame Suche nach ihm als dem eigentlichen Sinn und Ziel der menschlichen Existenz.70 Hier wird deutlich, dass die Theologie die Anthropologie umgreift, und zwar für beide, Christen und Muslime.

3.1.5. Christlich-muslimische Spiritualität – der Mensch auf seinem ‚erwachsenen‘ Platz Am Ende, sozusagen als Ziel und als Krönung, geht es um die Spiritualität des Christen im Dialog. Hier wird, allerdings ohne es ausdrücklich zu benennen, wieder ein Gedanke des Zweiten Vatikanums aufgegriffen, nämlich der des Heilsdialogs Gottes mit der Menschheit, an dem wir teilhaben. Es wird betont, dass die Christen dieses Handeln Gottes in den Kulturen und Religionen der anderen finden (wozu manche Kirchenväter hilfreich sein könnten) und es in den eigenen Glauben aufnehmen sollten. Sehr bewusst wird hier die muslimische Formulierung der Ökumene der Völker des Buchs gebraucht. Fünf Aspekte der gelebten religiösen Erfahrung werden untersucht, und zwar ausdrücklich nicht mit dem Blick auf das Trennende, sondern mit dem Blick auf das Verbindende: Sowohl bei den Christen gebe es die göttliche Gnade, die die Menschheit in einem Leib versammeln wolle, als auch bei den Muslimen gebe es den Wunsch nach der Einheit aller Gläubigen. Ja sie hätten sogar noch mehr Gefühl als die Christen für die Wichtigkeit der Einheit, die der Glaube an einen einzigen Gott unter den Menschen bewirke. Die untersuchten Aspekte sind: die Beziehungen des Gläubigen zu Gott, das Wort Gottes, die Rolle der Propheten, die Bedeutung von Gemeinschaft, das Gebet. Was die Beziehung Gottes zu den Menschen angeht, so 70 Nach ib., p. 111–124.

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sehen sich die Muslime als völlig von Ihm abhängig und Ihm völlig unterworfen. Den Christen ist das nicht fremd, aber sie versichern gleichzeitig, dass die göttliche Gnade und Liebe den Menschen in die enge Gemeinschaft mit Gott hineinbringt. Der Muslim bezeichnet sich als Diener Gottes, der Christ ebenfalls, aber auch, durch die Großzügigkeit Gottes, als angenommen als Sohn. Viele Christen aber neigen dazu, zu vergessen, dass sie nach der Schöpfungsordnung Geschöpfe sind, die total von Gott abhängen, dass sie grundsätzlich und zuallererst Diener, und zwar unnütze Diener sind. Umgekehrt bezeichnet der Muslim sich nicht als Sohn, da es ihm unmöglich erscheint, dieses Wort von jeglichem fleischlichen Beigeschmack zu reinigen, aber er sieht sich als auserwählten Diener und ahnt sozusagen eine göttliche Vorliebe für die Menschheit. Während also der Christ all das glaubt, was der Muslim sagt, bewegt sich der Muslim, so behauptet der Text, instinktiv auf die Realitäten zu, die der Christ zum Ausdruck bringt. Mit anderen Worten lebt der Christ im ‚schon‘ und ‚noch nicht‘ des Reiches Gottes, während der Muslim im hier und jetzt lebt. Diese Überlegungen müssten die Christen dazu führen, die Ausdrucksformen ihrer Spiritualität nochmals zu überprüfen, um unter dem Primat der Transzendenz Gottes sozusagen das Beste von beiden Seiten zusammenzufügen. Dies sei eine anspruchsvolle Spiritualität, die nicht nur schockierende Ausdrucksformen zurückzuweise, die den Eindruck einer zu menschlichen Familiarität mit Gott und eines deplazierten religiösen Infantilismus erweckten, sondern die den Menschen auch an seinen ‚erwachsenen‘ Platz als begrenzter und abhängiger Diener vor der Größe Gottes stelle. 3.1.5.1. Propheten – Gipfel des menschlichen und moralischen Fortschritts Eine christliche Spiritualität, die im Einklang mit dem muslimischen Denken stehe, müsse jeglichem göttlichen Wort ihren Respekt zollen (wobei es hier fast so aussieht, als würde der Respekt Jesu vor dem mosaischen Gesetz mit dem Respekt vor dem Koran gleichgesetzt) und außerdem die ‚Zeichen‘ der Schöpfung, der menschlichen Geschichte und der persönlichen Erfahrung erforschen. Es bestehe aber auf beiden Seiten die Gefahr, das göttliche Wort in geschlossene, menschengemachte Systeme einzusperren. Was den Bereich der Propheten angeht, so wird deren Funktion als moralische und spirituelle Führer für eine bezüglich des Weges zu Gott unwissende, unentschlossene und schwache Menschheit herausgestrichen. Sie brächten Gott den Menschen näher, indem sie sein Gericht, sein Kommen, seine Gnade verkündeten. Aus Sicht der Weltgeschichte seien sie ein Gipfel auf dem Weg des moralischen und religiösen Fortschritts der Menschheit. Die Frage danach, was Gott für die Geschichte der Menschheit durch diesen oder jenen Propheten sagen wollte, ist wieder eine Frage des Respekts vor den Reichtümern der anderen.

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3.1.5.2. Die Herausforderungen von spiritueller Gemeinschaft Sehr deutliche Worte dagegen findet der Unterabschnitt zum Thema Gemeinschaft. Die Solidarität der islamischen Gemeinschaft mache sich viel aufsehenerregender bemerkbar als die der Christen. Diese Solidarität wird gewertet als ein authentischer menschlicher Wert. Sie bilde die menschliche Gemeinschaft ab, zu der uns unser (christlicher) Glaube hinführt. Auch die Kirche hat ja das Ziel, die menschliche Gemeinschaft zu einem Leib zu versammeln. Trotzdem gibt es Unterschiede zwischen beiden: Die Muslime tendieren dazu, die Gemeinschaft der Gläubigen auf sich zu beschränken, während die Christen nach Apg. 10,35 auch die Gläubigen außerhalb nicht ausschließen, sofern sie in Gerechtigkeit und Gottesfurcht leben. Die Muslime drücken diese Gemeinschaft durch die Scharia aus, die dazu neigt, die Kulturen zu uniformieren, die Christen dagegen betonen die Harmonie der Kulturen, indem sie alles, was in ihnen gut und wahr ist, als gemeinsames Erbe betrachten (auch dies ein Gedanke, der sich fast wörtlich im Zweiten Vatikanum findet). Die muslimische Spiritualität hat die Tendenz, die geistliche Freiheit den Erfordernissen der Einmütigkeit unterzuordnen, während die Christen den Schwerpunkt auf die Freiheit legen mit der Tendenz, dass die Solidarität schwächer wird. Es gebe ein Gleichgewicht, aber es sei schwer zu halten, und es könne je nach Zeit und Ort anders aussehen. Zusammenfassend könne man sagen, die muslimische Gemeinschaft sei auf das geistliche und zeitliche Wohl der Gesellschaft der Gläubigen ausgerichtet, während die kirchliche Gemeinschaft auf das Wohl von Personen ausgerichtet sei. Der Skandal der Trennung der Christen war für die Muslime von Anfang an ein Stein des Anstoßes. Wir müssten in uns den Geist der Einheit unter den Christen nähren und ihm unsere Egoismen und Vorurteile opfern: „Comment pourrions-nous parler d’union aussi longtemps qu’un profond esprit oecuménique ne nous habite pas? Il y a encore beaucoup à faire sur ce point entre chrétiens.“71 In einem weiteren, notwendigen Schritt darf der Nichtchrist für uns nicht mehr ein Gegner sein, sondern muss ein Bruder sein, der sucht wie wir. Das verlangt von uns einen Blick auf ihn und seine Kultur, der immer mehr zum liebenden Blick wird, nicht beherrschend, nicht gleichgültig und schon gar nicht verächtlich. 3.1.5.3. Die richtige Haltung im Gebet – keine einfache Frage Den Abschluss macht das Gebet. Christen und Muslimen sei das Gebet wichtig und sie würden sich als Diener und Anbeter des einen, lebendigen und wahren Gottes bezeichnen. Gerade das islamische Gebet müsse auch in der Haltung des bereuenden Sünders vollzogen werden und ein Muslim bete nicht nur als Individuum, sondern auch als Mitglied der islamischen Gemeinschaft. Er glaube, diese Weise zu beten sei die einzige, die Gottes würdig sei, und müsse von allen wahren Gläubigen praktiziert werden. Für die Muslime passt (Sure 5,20) unsere 71 Ib., p. 140, s.a. p. 125–139.

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Selbstbezeichnung als Kinder Gottes nicht zu unserer menschlichen Sündhaftig­ keit. Diese Behauptung erscheint ihnen als ungeheuere Anmaßung, die schier unerträglich wird, wenn sie uns näher kennenlernen. Die Orientations stufen das als Appell an unser Gewissen ein. Wieder geht es um das menschlich unglaubliche Geschenk Gottes und darum, dass wir es auch stellvertretend für alle unsere menschlichen Freunde leben, um auch sie dieser ihrer Berufung näher zu bringen.

3.1.6. Keine Anthropologie, sondern die Entdeckung des Bruders Alles bisher Gesagte bleibt im Prinzip in der Linie dessen, was das Zweite Vatika­ num gesagt und was die internen Richtlinien praktisch, aber eher allgemein ausgezogen hatten. Doch einzelne Aussagen erscheinen, bedenkt man den frühen Erscheinungszeitpunkt, doch sehr mutig, was den Verfassern (die Orientations wurden hauptsächlich von Joseph Cuoq und Louis Gardet erarbeitet, wie das Vorwort erwähnt) wohl auch bewusst war, denn das Nachwort erwähnt den Vorwurf des Idealismus. Es gehe um den Islam als Glauben, also als Weg zur Vollendung des Menschen in Gott. Wenn die Christen, ob Amtsträger oder Laien, nicht auf dieses Niveau gelangten, mache der ganze gewünschte christlich-­ muslimische Dialog keinen Sinn. Es geht also, so wird es sehr poinitiert am Ende gesagt, nicht um den Muslim als Gegner früherer oder gegenwärtiger Kämpfe, als Konkurrenten bei unseren Projekten, sondern um den Menschen des Glaubens, unseren Bruder.72 Und so geht es den Orientations auch nicht darum, eine christliche oder muslimische Anthropologie zu erarbeiten, sondern eben zu dieser Entdeckung und ihrer Notwendigkeit anzuregen, und was an Bemerkungen und Vergleichen dazu im Text vorhanden ist und hier dargelegt wurde und auch durchaus überzeugend ist, muss unter dieser Voraussetzung gesehen werden, um nicht missverstanden oder der Unvollständigkeit angeklagt zu werden. Unter diesen Voraussetzung sind die Orientations aber heute noch eine lesens- und v. a. bedenkenswerte Schrift.

3.2. Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims 3.2.1. Einleitung: eine gemeinsame Anthropologie von Christen und Muslimen Gut zehn Jahre später erfolgte auf Anregung der neu gegründeten Islamkommission und als deren erste Entscheidung eine komplett überarbeitete Neuauflage dieses Buches, die sich v. a. durch den Hintergrund von reflektierter praktischer Dialogerfahrung auszeichnet. Auch dieses ist ein Dokument ‚auf dem Weg‘, das 72 Nach ib., p. 147–152, s.a. Marella, p. 5.

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nicht für sich reklamiert, endgültig zu sein, aber es ist schon spürbar vorange­ kommen und das wird auch in den entsprechenden Vorworten herausgestrichen. Aber gerade das Vorwort von Bischof Rossano, der die Dialogarbeit entscheidend aufgebaut und geprägt hatte, geht darüber noch weit hinaus. Er spricht davon, dass Wissen und Beziehung zueinander proportional zur Liebe füreinander sein müssten, um wahr und ehrlich zu sein, und das wiederum sei die Voraussetzung für Dialog und Kommunikation. Obwohl er durchaus Probleme in der Terminologie sieht zwischen Christen und Muslimen (grundlegende Begriffe wie z. B. Menschenrechte würden unterschiedlich verstanden), hält er doch einen gemeinsamen Einsatz für Menschen und Welt für möglich und begründet dies expressis verbis mit der Christen und Muslimen gemeinsamen Anthropologie – deutlicher, als dies später in den Guidelines selbst gesagt wird: „From this faith in God springs an understanding of the human person which is virtually the same: created by God, ‚servant of God‘ (…), the crowning element of the universe, steward of God’s gifts, subject to the law of good and evil, called to attain God as ultimate end.“73

73 Rossano, Foreword, p. 2, s.a. p. 1.3, Jadot, p. 7, Arinze, Francis, Preface to the English Translation, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Borrmans, Maurice, Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims, Interreligious Documents 1, New York/Mahwah 1990, p. 5; p. 12 dieses Bandes findet sich der genaue Werdegang dieser Guidelines unter Nennung der Namen aller Beteiligten. Das Original ist französisch wie die total überarbeitete erste Auflage, zu den Übersetzungen in andere Sprachen (die ins Englische erfolgte erstaunlich spät) s. die Buchbesprechung Fitzgerald, M[ichael] L[ouis], MAURICE BORRMANS, Orientamenti per un dialogo tra cristiani e musulmani, BPCDIR 70 (1989), p. 127. Fitzgerald, Michael L[ouis], Twenty-five Years of Dialogue, The Pontifical Council for Inter-Religious Dialogue, Islamochristiana 15 (1989), p.  110 erwähnt auch, dass damals 1975 ebenfalls eine Studie über den theologischen Status des Islam beschlossen wurde, die aber, wie er sich ausdrückt „never materialised in any official document.“ Die überarbeitete Version bekam, ähnlich wie schon die erste Ausgabe, ein dickes Lob von muslimischer Seite ob ihrer Objektivität willen, so El-Assad, p. 10. Nicht eigens eingegangen wird hier auf die Studie Mission and Dialogue, da sie eben nicht nur den christlich-muslimischen Dialog betrifft, um den es in dieser Ausarbeitung geht. Doch sie soll insofern Erwähnung finden, als sie zum einen das Herzensanliegen des dritten Präsidenten des Sekretariats, Erzbischof Jadot war, der Wert darauf legte, dass Dialog nicht eine Sache von Spezialisten bleibt, sondern Angelegenheit der gesamten christlichen Gemeinschaft wird. Dies zeigte sich auch am Zustandekommen des Dokuments – es sollte nicht von oben vorgeschrieben werden, sondern es ist aus einer weltweiten Diskussion der Betroffenen entstanden. Auch die darin erwähnten Kategorien eines Dialogs des Lebens, der Ideen, der Handlung und der religiösen Erfahrung, die uns inzwischen ganz selbstverständlich sind, sind nicht in theoretischer Überlegung entstanden, sondern stammen aus der praktischen weltweiten Dialogerfahrung, so Michel, Growing towards „dialogue in community“ a Reflection on Archbishop Jadot’s Tenure at the Secetariat for non Christians, p. 69 f.

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3.2.2. Überall spürbar: die bisherige Dialogerfahrung Wenn man sich den Aufbau der beiden Bände vergleichend ansieht, so fällt einiges auf. Die Gesprächspartner rücken nach vorne und sie werden erweitert. Erstmals sind nicht nur Muslime aller Schattierungen im Blickfeld, sondern auch die anderen christlichen Konfessionen, die an diesem Dialog mitbeteiligt sind (s. Liste der Dialoge am Ende der Guidelines). Beides kann gut auf die Dialogerfahrung zurückgeführt werden – man muss nicht mit der eigenen Haltung im Dialog anfangen, weil man sich derer inzwischen so sicher geworden ist, dass man den Partner an die erste Stelle setzen kann. Dies wird auch dadurch erhärtet, dass nicht mehr von der Haltung der Christen im Dialog die Rede ist, sondern von Orten und Wegen des Dialogs, wobei sich dahinter zwei Ebenen verstecken, die ‚rein‘ menschliche und die der Begegnung als Gläubige. Was nun notwendigerweise auf Platz drei rutscht, ist das Kapitel zu den Werten des Islam, das dafür sehr ausgebaut wurde – wahrscheinlich auch auf Grund inzwischen gemachter Erfahrungen. Deutlich ist dies zu spüren bei der Formulierung für das vierte Kapitel: Es geht nicht mehr darum, wie man sich auf und für den Dialog einstellen muss, sondern wie man mit den augenblicklichen Hindernissen umgeht. Aus den sehr allgemeinen Perspektiven des Dialogs sind Felder der Zusammenarbeit geworden und aus der Spiritualität der Christen im Dialog immerhin noch mögliche Felder religiöser Übereinstimmung. Auch in der Einleitung ist noch die Rede von der Einheit der Menschheit als Gottes Endziel, gleichzeitig aber wird jetzt die (fast muslimische) Frage nach den positiven Aspekten der Unterschiedlichkeit von Gott her gestellt und gesagt, der Dialog sei für solche Menschen, die – bei gleichen Werten – genau dies erwarteten.74

3.2.3. Islam und Muslime – welche Veränderungen haben sich seither ergeben? Bei genauerem Hinsehen gibt es doch noch mehr Veränderungen und Entwicklungen, die zum großen Teil sehr deutlich den Stempel der praktischen Dialogerfahrung tragen. Der Blick auf die Partner im Dialog ist in vieler Hinsicht abgerundet. Als erstes geht er auf die doch sehr bemerkenswerte historische Tatsache ein, dass der Islam zwar das Selbstbild hat, ein Freund der Christen zu sein, aber mit dem Augenblick, in dem die ersten Christen den islamischen Schutzbefohlenenstatus annahmen, eine lange Serie von Konfrontationen auf allen Ebenen 74 Secrétariat pour les non chrétiens, Orientations pour un dialogue entre chrétiens et musulmans, p. 159–161 im Vergleich zu Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Borrmans, Maurice, Guidelines for Dialogue between Christians and Muslims, Interreligious Documents 1, New York/Mahwah 1990, p. iii–vi.9–10.115–120. Für weitere Details der ersten Fassung sei auf die im Text direkt voranstehende Besprechung und deren Anmerkungen verwiesen.

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begann, die erst in der allerletzten Zeit eine mehr positive Sicht des Islam zugelassen hat – wobei bezeichnenderweise die orthodoxen Christen in diesem Zusammenhang nicht genannt werden. Insgesamt wird konstatiert, dass die unterschiedlichen Sichtweisen der Muslime bei orthodoxen, reformatorischen und katholischen Christen wohl noch länger bestehen bleiben werden, diese sich aber immerhin tendenziell in ihren Sichtweisen ergänzen. Sehr aufschlussreich ist die Bemerkung, dass die Menschen, die besonders sensibel für Gerechtigkeit und Menschenrechte seien, wohl Schwierigkeiten haben dürften, in die Natur der religiösen Erfahrung eines Muslims einzudringen. Das deckt sich mit der Tatsache, dass ausweislich päpstlicher Stellungnahmen die Menschenrechtsfrage im Lauf der Jahre zu einem immer dringlicheren Problem wurde. Interessant ist auch die Aussage, es sei vom Temperament des Einzelnen abhängig, ob er im Dialog mehr die Gemeinsamkeiten oder die Unterschiede sehe und betone. Es stellt sich die Frage, ob dies bloße Beschreibung gemachter Erfahrungen sein soll oder ob daraus weiter gehende Schlüsse auf das Bild vom Menschen gezogen werden dürfen. Der gemeinsame Dienst an der Menschheit (als anthropologische Basis für den Dialog) wird insgesamt gegenüber der Absolutheit Gottes als theologischer Basis nur als zweite Wahl angesehen. Das aber ist als theologische Grundsatzentscheidung zu werten. Der Blick auf die Muslime weist nur kleine, aber bedeutsame Unterschiede zur ersten Fassung auf. Die Frage, wen man einladen sollte und wen nicht, scheint schon in guten Bahnen zu sein. Interessant (und vielleicht eine Folge der weltweiten Dialogerfahrungen) ist, dass beispielsweise die Drusen und die Anhänger des Aga Khan noch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesehen werden und nur die Ahmadiyya klar außerhalb. Was wegfällt, ist der Hinweis auf die moderne Kultur als vereinheitlichender Faktor  – jetzt sei offensichtlich die Zeit, in der Muslime nach einem eigenen nationalen oder islamischen Modell suchten. Diese Rückbesinnung auf die eigene Religion und Kultur hat auch deutliche Spuren in den Unterteilungen und Beschreibungen der Muslime hinterlassen: Die Moderne nimmt weniger Raum ein, dafür ist die Gruppe der Fundamentalisten neu hinzugenommen. Außerdem ist überhaupt nicht mehr von deislamisierten Muslimen die Rede. An erster Stelle stehen nun nicht mehr die ‚deislamisierten‘ Muslime, sondern – vielleicht weil sie sich in der Praxis oft als die ersten Dialogpartner erwiesen haben – die Muslime der Arbeiterklasse mit einem in Glauben und Praxis ganz traditionellen Islam. Sie sind sehr zahlreich, werden aber auch als „‚silent‘ Muslims“75 bezeichnet. Sofern sie Arbeitsemigranten sind, leiden sie unter Entwurzelung und fehlender sozialer Integration, die religiösen Werte ihres Heimatlandes aber sind fest in ihnen verwurzelt. So seien sie besonders ansprechbar auf Werte wie Glaube, Gebet, Arbeit, Dankbarkeit, Gastfreundschaft, Großzügigkeit, Geduld im Leiden und Annehmen des Todes. Durch die neuen Erfahrungen würden sie aber zunehmend 75 Ib., p. 23, s.a. p. 13–24(vorhergehende Sachverhalte).24–26(nachfolgende Inhalte).

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sensibler auch für Werte wie Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sowie für die Botschaft der Seligpreisungen. Erst nach den religiös (bzw. traditionell arabisch) Gebildeten, die für sich die Definitionsmacht für die Menge der ungebildeten Gläubigen beanspruchen, folgt die Gruppe der sogenannten Modernisten, zu denen Regierungsbeamte, Intellektuelle und Techniker gezählt werden. Sie seien nur scheinbar dem Islam entfremdet, hätten aber ein geschärftes islamisches Bewusstsein. Allerdings spürten sie deutlicher als andere die kulturelle Kluft zwischen dem klassischen Islam und der Welt von heute und neigten daher zu einer Trennung von zeitlich und geistlich. Die Schwerpunkte dieser Gruppe lägen auf Ethik und einer besonderen Art des Humanismus, weswegen soziale Anliegen wie Menschenrechte, Geburtenkontrolle und Wohlfahrt der Familie sowie Kampf gegen Unterentwicklung leicht zum Terrain für eine Begegnung würden. Als letzte, neue Gruppe werden die Fundamentalisten genannt. Sie seien sehr selbstsicher und für die Christen daher schwierige Gesprächspartner. Insgesamt aber wird die moderne Welt als gemeinsame Herausforderung gesehen, die z. B. gemeinsames Eintreten für die Menschenwürde möglich macht und damit, also mit dem Menschen, schon einen wichtigen Horizont des Dialogs neben Gott und Welt abdeckt.

3.2.4. Orte und Wege des Dialogs 3.2.4.1. Positive Entwicklungen Das nächste Kapitel, das sich laut Überschrift mit den Orten und Wegen des Dialogs beschäftigt und sich wie sein Vorgänger in der ersten Fassung hauptsächlich an die Christen richtet, beginnt gleich mit einer anthropologisch interessanten Definition dieses Dialogs. Er wird charakterisiert als „way of living which rejects solitude, shows concern for other persons and believes that relationships with­ others are part of what makes up being a person.“76 Für diesen Dialog muss man nicht Theologe sein, es ist ein Dialog der beruflichen, wirtschaftlichen und politischen Werte, der in den familiären Beziehungen, bei der täglichen Arbeit und oft auch beim gemeinsamen Kampf gegen Unterentwicklung stattfindet. Es ist die Rede vom religiösen Humanismus der Christen und Muslime, der bereichernd sein könne. Der Dialog wird – und das ist in dieser Herausarbeitung neu – abhängig gesehen von vier Voraussetzungen: dem Annehmen des anderen in gegenseitigem Verständnis, dem Leben Seite an Seite, dem Teil(hab)en und auch dem gemeinsamen Unternehmen und Riskieren. Dieses Willkommen im Geist Abrahams sei mehr als nur Höflichkeit und auch mehr als Tradition. Wenn vorher die absolute Ehrlichkeit und der absolute gute Willen beider Seiten bekräftigt würden, könne nie – das ist neu – der Verdacht des Proselytismus aufkommen 76 Ib., p. 28.

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oder auch der Verdacht, die andere Seite wolle uns ihren Dialog aufzwingen, auch wenn sie etwas zu schnell die Wahrheit für sich beansprucht. Durch positive Erwartungen an den Dialog werde der Dialogpartner nie zum Objekt. Erst unter dem Begriff der Teilhabe erscheint der Bereich, die bescheidensten, aber entscheidenden Aspekte des Lebens miteinander zu teilen und sich gegenseitig Hilfe in den großen Fragen von Welt, Menschheit und Gott zu geben – die Menschheit macht in dieser Dreiheit, die noch öfter auftaucht, immerhin ein Drittel aus. Besonders hervorgehoben wird der Einsatz füreinander mit dem menschlichen Ziel „that the others are required less and less to suffer the humiliation of being poorly known, poorly understood and poorly received.“77 Was die letzte der vier genannten Voraussetzungen angeht, so wird sehr das freie Spiel der Kräfte, also der menschlichen Initiativen, und dessen Dynamik betont. All dies wird aber neben­sächlich gegenüber der Aussage, an die wohl auch Rossano anknüpfte, dass Christen und Muslime die Überzeugung gemeinsam hätten, „that human beings are not the result of chance or of determinism, but that they are part of a marvelous plan of the living and eternal God, who wills finally to bring ­together into community all whom He has created.“78 In diesem Sinn seien auch beide, Christen und Muslime, Zeugen für Gott, die vor allem Ihm dienen und Sein Wohlwollen gewinnen wollten. Beide achteten sie auf die Ansprüche, die Gott an sie habe – der Satz geht sogar dahin weiter, dass sie, je näher sie einander kämen, desto mehr sich Seiner Gegenwart bei ihnen bewusst würden. Es wird allerdings auch gesagt, sie müssten Übereinstimmung zwischen der normativen Ausdrucksform ihrer Religion und ihrer persönlichen Erfahrung sehen – wozu das vielleicht führen könnte, wird offen gelassen. 3.2.4.2. Spannungen und Schwierigkeiten In einem gewissen Gegensatz zu dem am Anfang des Kapitels Gesagten wird weiterhin ausgeführt, dass die Begegnung im Dialog eine schwierige geistliche Entwicklung voraussetze, die z. B. darin bestehe, Vorurteile aufzugeben und das Herz für andere zu öffnen. Diese wahre geistliche Freiheit komme nur aus der Bekehrung zu Gott, z. B. von dem Übel, die religiöse Erfahrung anderer nicht wert 77 Ib., p. 33, s.a. p. 29–32.43. 78 Ib., p. 37, s.a. p. 33–36. Was die Probleme im Dialog angeht, so muss man wissen, dass die beiden Hauptautoren, Maurice Borrmans und Ary Roest Crollius, beide auch Teilnehmer an dem allerersten Dialog in Tripoli waren, der nun bestimmt nicht problemlos verlaufen war. Auf diesem Hintergrund hört sich der Satz p. 34 „It is even good to experience times of suspicion and of frustration which will oblige the interlocutors further to clarify to themselves the reasons for their encounter and the motives of their cooperation“ noch ganz anders an. Was genau umgekehrt die Nähe von Nichtchristen zum Reich Gottes angeht, so wird darauf verwiesen, dass Theologen immer davon geredet hätten, dass auch ein Nichtchrist guten Willens gerettet werden könne, bei den genauen Modalitäten allerdings große Unterschiede herrschten. Allgemein könne man sagen, dass dieser gute Wille/Glaube in einer Hingabe des Lebens an ein Absolutes bestehe, ausgewiesen durch ein reines Gewissen umd ein moralisches Leben.

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zuschätzen. Es läuft auf einen Geist der Demut und Wahrheit hinaus und einen Dialog, der nicht formell ist und keine Schau. Es wird in diesem Zusammenhang auch auf die Säulen des Islam als religiöse Werte eingegangen. Überhaupt sollten Christen und Muslime sich in den guten Werken des Glaubens übertreffen, also in der Förderung von Leben, Gerechtigkeit und Frieden und in der Verteidigung der Menschenrechte. Die Widersprüche, die in dem bisher Dargelegten ansatzweise oder offen stecken, sind den Verfassern selbst aber wohl klar: Eine Begegnung von solch religiöser und menschlicher Intensität trägt in sich einen gewissen Widerspruch, denn die Vorstellung von der Berufung der Menschen – Gott durch Jesus Christus als Vater kennen oder in völliger Unterwerfung unter Gott nach islamischem Glauben leben – ist unterschiedlich und bei beiden Religionen mit einem universalistischen Anspruch verbunden. Hier kommt es zu der Überschrift „Undertake the [i]mpossible, but [a]ccept the [p]rovisional“79, denn hier liegt ein Widerspruch, der nur in Gott aufzulösen ist, der, so wird fast muslimisch formuliert, sie einst wissen lassen wird, warum sie verschieden waren. Oder anders ausgedrückt: Augenblicklich sind beide wie Reisende, die nicht genau wissen, wohin Gott sie führt. Das wiederum – und das ist eine Wendung, die sich so in der vorigen Fassung noch nicht findet, die aber mit der sonstigen Entwicklung übereinstimmt – setzt völligen Respekt vor der Entscheidung einer Person einer betimmten religiösen Tradition voraus, auch wenn diese Entscheidung einen Religionswechsel beinhaltet, um besser auf das antworten zu können, was das Gewissen als Ruf Gottes wahrnimmt. Dies ist, wie eigens erwähnt wird, in Übereinstimmung mit Konzilsaussagen, die die Religionsfreiheit in der Würde des Menschen verankert sehen. 3.2.4.3. Eine neue Ausgangssituation Es ist aber sicher auch Ergebnis von zehn Jahren zusätzlicher Erfahrung: Die ersten Schritte, zu denen man die Christen damals aufgefordert hatte, sind gegangen worden, und nun stellt sich die neue Ausgangssituation etwas anders dar. Die Grundhaltung von Offenheit und Liebe, der Blick, der den anderen so sieht, wie er sein und werden möchte, der sich positiv etwas erwartet vom anderen, der ist gleich geblieben. Doch es hat sich eben inzwischen klarer herausgestellt, von welcher doch bedeutenden gemeinsamen Basis in der Sicht des Menschen man ausgehen kann, wenn man nur Anfang und Ende bei Gott betrachtet, dass aber gleichzeitig im Detail große Unterschiede herrschen darin, wie der Mensch zwischendrin, in diesem Leben, nach Gottes Willen zu handeln habe. Diese Spannung bleibt als Crux des Dialogs bestehen. Es bleibt somit auch die Spannung, dass Dialog einerseits das Normalste auf der Welt zwischen Menschen ist und dass er andererseits, gerade wenn der Glaube ins Spiel kommt, wirklich eine Bekehrung als Voraussetzung erfordert. Denn so leicht es ist, den anderen als Menschen 79 Ib., p. 40 (Hervorhebungen entfernt), s.a p. 37–39.42 für den Gesamtzusammenhang.

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zu sehen, so schwierig ist es, den anderen als Menschen des Glaubens zu sehen, ohne damit gleich eine negative Qualifizierung verbinden zu müssen. Gerade auch durch weniger einfache Erfahrungen hat sich aber offensichtlich geklärt, was die grundlegenden gemeinsamen Haltungs- bzw. Handlungsvoraussetzungen für den Dialog sind (die oben genannten vier Punkte) und dass der Dialog, siehe Proselytismusverdacht, doch manchmal auch mehr aushält, als man ihm zugetraut hätte, was doch eine stattliche und überwiegend positive Zwischenbilanz ist.

3.2.5. Muslimische Werte aus christlicher Sicht 3.2.5.1. Schlüsselbegriff und Hauptwert: Unterwerfung unter Gott Das Kapitel zu den Werten der anderen – auch hier fällt auf, dass auf die Perso­ nen und nicht mehr auf die Religion hin formuliert wurde – beginnt mit einer vielleicht banalen, aber wichtigen Erkenntnis: Ideale und alltägliche Realität sind nicht notwendig deckungsgleich. Auch dieses Kapitel versteht sich als in erster Linie an Christen gerichtet, d. h., es konzentriert sich auf die Werte, die diesen am leichtesten zugänglich sind und die sich in den bisher gemachten Erfahrungen als beiden zugänglich und damit als verbindend erwiesen haben. Dies schlägt sich nicht nur in mehr Material, sondern auch in einer völlig neuen, gefälligeren, einleuchtenderen Präsentation nieder. Der neue Schlüsselbegriff, der an die erste Stelle gerückt ist, ist Unterwerfung unter Gott, sei es als Individuum oder als Gemeinschaft. Da der Monotheismus zur von Gott geschaffenen menschlichen Natur gehört, wird er allen Menschen als Modell einer perfekten Religion angeboten. Es geht darum, die Menschen wieder an den Platz zu stellen, an dem sie ihren ursprünglichen Bund mit dem Schöpfer erfüllen. Die Würde der Gläubigen, ihre Größe und Verantwortlichkeit liegt in der völligen Unterwerfung unter Gott. Das bedeutet Ergebung, Vertrauen und Gehorsam, was aber eben durchaus aktiv und verantwortungsvoll gemeint ist. Dem entspricht eine dauernde Abhängigkeit des Menschen von Gott. Es wird auf die sprachliche Verwandtschaft zwischen ‚Gläubiger‘ und ‚Sicherheit‘ im Arabischen hingewiesen. Es ist klar, dass damit nicht Resignation und ein Vermeiden von Verantwortung gemeint sind, sondern dass dies eher ein Schutz gegen Stolz und Anmaßung vonseiten des Menschen ist. Die Muslime nennen sich Diener Gottes in der Überzeugung, dass die Menschen nicht behaupten können, Gottes Partner oder Teilhaber zu sein. Alles in allem führt das zu der sehr islamischen Tugend der Standhaftigkeit, die aber im Rückgriff auf Jesus auch als christliche Haltung gesehen wird. 3.2.5.2. Die nachgeordneten Werte: Buch, Prophet und Gemeinschaft Dieser direkt aus der Unterwerfung resultierenden Standhaftigkeit sind die Werte untergeordnet, die Wege darstellen, auf denen man zu ihr gelangen kann, also Betrachtung eines Buches, Nachahmung eines Propheten und Unterstützung einer Gemeinschaft. So entsteht schon innerhalb der Werte eine gewisse Ordnung.

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(Im Gegensatz dazu stand in der ersten Fassung noch der Gemeinschaftsaspekt im Mittelpunkt.) In diesen untergeordneten Bereichen, besonders in den ersten beiden, sind die anthropologischen Aspekte eher versteckt und indirekt. Es ist die Rede von einem Bedürfnis, über die Zeichen zu meditieren, die von Gott, der Menschheit und der Welt sprechen, und von den „rules of sound religious judge­ ment regarding ‚inspired books‘“80, wobei leider nicht gesagt wird, worin diese Regeln bestehen und woher sie stammen. Werden sie der christlichen Tradition entnommen oder gehören sie in den Bereich der menschlichen Vernunft oder vielleicht beides? Was den Bereich der Propheten angeht, so wird von islamischer Seite die Heilsgeschichte gesehen als dauernde Notwendigkeit für den Menschen, einen Gott anzubeten, sich Seinem Gesetz zu unterwerfen und Seinem Propheten oder Gesandten zu folgen. Die Ausbildung des Hadith-Korpus wird als Zeichen der wachsenden Bedeutung des prophetischen Modells in den Augen der Muslime gesehen. Dann erst folgt, als zeitlich und logisch letztes Element, die muslimische Gemeinschaft. Mehr als eine lähmende Nostalgie sei sie eine immer wieder erneuerte utopische Vision, dass es eine islamische Version gebe, die Gesellschaft zu organisieren, die Wirtschaft zu entwickeln und dem Humanismus der Gläubigen zur Blüte zu verhelfen. Konkreter in der Gegenwart ist die tröstende und brüderliche Unterstützung, die ein Muslim beim Freitagsgebet in der Moschee und besonders bei der Wallfahrt verspürt, aber auch im konkreten Handeln. Die Gemeinschaft garantiert Sicherheit (alles, was einem Muslim gehört, ist einem anderen Muslim heilig: Blut, Besitz und Ehre) und sogar Unfehlbarkeit. Summa summarum könnten beide, Christen wie Muslime, als Diener und Zeugen des transzendenten, ewigen Gottes bezeichnet werden. Islamisch ist dagegen die Vorstellung, dass der Mensch nur geschaffen wurde, um Gott anzubeten. In diesen Zusammenhang gehören die fünf Säulen des Islam, aber auch das islamische Recht – nur wenn sie diese Vorschriften Gottes befolgten, fänden Muslime ihr inneres Gleichgewicht als Menschen. (Katholische) Christen denken hier mehr in den Kategorien eines immer und überall gültigen universellen Rechts. Was aber gemeinsam ist, ist, dass Menschen in ihrem persönlichen Leben einen dramatischen Konflikt zwischen gut und böse spüren, wobei die weitere Interpretation mit den satanischen Mächten, die seit der Sünde Adams in den menschlichen Ungehorsam verwickelt sind, doch trotz vorsichtiger Formulierung auf die christliche Seite gehören dürfte. Abschließend wird, auch das ist neu, auf Askese und Mystik als große menschliche Ausdrucksweisen der Suche nach Gott eingegangen.

80 Ib., p. 49, s.a. p. 45–48 und für den Rest des Abschnittes p. 50–66.

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3.2.5.3. Die Übereinstimmungen – zu schön, um ganz wahr zu sein Hier kommt einmal mehr Abraham als Modell von Glaube und Unterwerfung für die ganze Menschheit ins Spiel. Seine Bedeutung hat insgesamt eindeutig zugenommen, während anderes, wie z. B. das islamische Bild von den drei Zeitaltern der Menschheit, weggefallen ist. Neben der islamischen Gemeinschaft hat auch der Konflikt zwischen Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen und Allmacht Gottes in diesem Kapitel deutlich an Gewicht und Schärfe verloren. Sollte es tatsächlich, wie in den Orientations an dieser Stelle angesprochen worden war, durch den Dialog gelungen sein, diesen Widerspruch zu überwinden, ohne dabei das Geheimnis anzutasten? Die jetzige Darstellung der aktiven Unterwerfung des Menschen ist jedenfalls so harmonisch und so positiv, dass man denken könnte, hier gebe es, zumindest auf muslimischer Seite, kein Problem und habe nie eines gegeben, was so wenig der Fall ist wie es wahrscheinlich ist, dass diese Frage schon ausdiskutiert sein könnte. Es ist also, wie ja auch gesagt, der Schwerpunkt tatsächlich und deutlich auf das Verbindende unter den Werten gelegt worden, und von daher das nächste Kapitel als realistischer Ausgleich vielleicht ernüchternd, aber nötig.

3.2.6. Hindernisse im Dialog: Vorwürfe in jede Richtung Immerhin ist dieses Kapitel zu den gegenwärtigen Hindernissen im Dialog wesentlich kürzer als das entsprechende Kapitel der ersten Fassung. Auch hier zeigt sich schon in der Überschrift wieder der Einfluss der inzwischen gemachten Erfahrungen: Es geht nicht um Einstellungen und Vorurteile, sondern um konkrete Probleme. Doch zunächst einmal stehen die Schatten der Vergangenheit im Vordergrund und damit die lange Liste der berechtigten Vorwürfe von beiden Seiten, die deutlich machen, dass die Gläubigen ständig dem Druck ihres eigenen Hintergrunds entgegenarbeiten müssen, der sie geprägt hat, bevor sie ihn prägen konnten. Christen sollten dabei besonders zur Kenntnis nehmen, dass Muslime glauben, sie seien in politischer und kultureller Hinsicht in den letzten Jahrhunderten ungerechterweise gedemütigt worden, und über die Ursachen und Wirkungen nachdenken. Christen müssten darauf hinweisen, dass Wirtschaft, Ideologie und Politik dabei mindestens so wichtig, wenn nicht wichtiger waren als die Religion. So könnte es zu einer gemeinsamen Neuinterpretation der Ereignisse kommen, bei der auch die Muslime durch Selbstkritik zu einer ausgewogeneren Sicht der relativen Verantwortlichkeit beider Religionen für die tragischen Ereignisse der Vergangenheit kommen könnten. Alle sollten sich prüfen, ob sie wirklich völlig ohne Schuld seien, gerade was die Trennung religiöser Werte von Unrecht angehe. In der Tat hätten religiöse Menschen oft die Erfordernisse der Freiheit und die Autonomie des säkularen Staates nicht anerkannt und sich damit Macht angemaßt, die mit Glaube oder Nächstenliebe nichts zu tun hat. Summa summarum sei es gut für Gläubige, in aller Demut, aber auch ohne Komplexe zu versuchen, aus der Vergangenheit Lehren zu ziehen.

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3.2.6.1. Von Fatalismus bis Fanatismus: immer noch die typischen Vorurteile gegenüber dem Islam Dann folgt, kurz und prägnant und unter Aufnahme vieler Elemente aus der ersten Fassung, die Aufzählung der typischen christlichen Vorurteile. Zum Vorwurf der Gesetzlichkeit wird (wieder) gesagt, dass alle Religionen in dieser Gefahr stünden, da sie alle einen Moralkodex beinhalten, der eben ohne Vorschriften und Verbote nicht auskommt, und dass es dem Islam schon um die innere Haltung gehe. Neu und auch sehr anthropologisch ist die Aussage, dass der Islam sehr gut für das innere Bedürfnis des religiösen Bewusstseins nach Sicherheit sorge. Ebenfalls sehr positiv gewertet wird der Respekt vor den Eltern. Breiten Raum nimmt der Vorwurf des Fanatismus ein, der Muslime besonders ärgerlich macht und den sie von daher, wie schon in der ersten Fassung geschildert, gerne zurückgeben. Umgekehrt ist dieses Stereotyp bei den Christen besonders hartnäckig, vermutlich auf dem Hintergrund, dass es in bestimmten Teilen der islamischen Welt Beispiele für sozialen Druck und Solidarität der Gemeinschaft gibt, die Nicht-Muslime als latente Intoleranz interpretieren. Umgekehrt ist die islamische Gemeinschaft für Muslime synonym mit Frieden, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit. Was man für Fanatismus halten könne, sei üblicherweise Ergebnis einer allumfassenden Sichtweise, eines fast totalitären Verständnisses der Beziehung zwischen Religion und Staat – wobei der Schritt von totalitär zu fanatisch, auch wenn das nicht gesagt wird, klein ist. Immerhin wird darauf hingewiesen, dass Muslime in ihrem Eifer, die Rechte Gottes überall in der Welt die Oberhand gewinnen zu lassen, sodass (in einem zweiten Schritt) die Pflichten und Rechte des Menschen (in dieser Reihenfolge) überall respektiert werden, zu Mitteln greifen dürfen, die im Islam nicht verboten sind, so z. B. dem gezielten Einsatz der Almosensteuer. Heute aber seien der religiös-kulturelle Pluralismus und die neuen Beziehungen zwischen politischer Macht und religiösen Gemeinschaften ein dringendes Problem. Mit in diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach dem ‚heiligen Krieg‘. Hochinteressant ist die Formulierung, heute seien sich alle Historiker einig, dass es keinen Platz mehr für solche Praktiken gebe und dass die Menschheit sich nicht abfinden werde mit Gewalt im Namen der Religion – das lässt einen weiten Spielraum offen, welche Gruppen sich in dieser Frage eben noch nicht einig sind, und ist gegenüber der ersten Fassung ein klarer Schritt zurück, bedingt sicherlich dadurch, dass es inzwischen einschlägige Änderungen und Erfahrungen gegeben hat. Nun wird darauf verwiesen, dass der eigentliche, große Kampf der geistliche Kampf gegen alle Formen von Ungerechtigkeit, Hass und Krieg ist, die im menschlichen Herzen beginnen mit Selbstsucht, Stolz und Gewalt. Deshalb werde in vielen Ländern diese Bezeichnung auf den Kampf der gesamten Bevölkerung gegen wirtschaftliche und kulturelle Unterentwicklung angewandt, also für einen Kampf für Gerechtigkeit, Liebe und Brüderlichkeit – auch wenn dafür gelegentlich ein Rückgriff auf Gewalt nötig sein könnte, was nicht weiter kommentiert wird. Auch werde der große Kampf identi-

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fiziert mit der Anstrengung aller Menschen guten Willens, die universelle Erklärung der Menschenrechte zu respektieren und anzuwenden – leider werden dazu keine genaueren Angaben gemacht, was die Art und Anzahl der Vertreter angeht. Dann wird die Frage des Wandels aufgegriffen und der Vorwurf an die Muslime, sie könnten nie mehr als nur Konsumenten in der modernen Welt sein. Hier wird auf die Mechanismen gerade bei den muslimischen Reformern verwiesen, die eine Anpassung an die Gesellschaft vor Ort möglich machen. Schließlich wird noch kurz auf den christlichen Vorwurf eingegangen, der Islam sei eine Religion der Furcht, während Muslime selbst ihn oft als Religion der Liebe bezeichneten. Man dürfe eben nicht den Fehler machen, die Natur einer Religion mit einer bestimmten historischen Manifestation dieser Religion in eins zu setzen. 3.2.6.2. Der muslimische Blick auf das Christentum: Christen erkennen sich nicht wieder Dann folgt der umgekehrte Blick mit muslimischen Augen auf das Christentum und die Christen, nur mit dem deutlichen Verweis darauf, dass es sich eben nicht nur um persönliche Meinungen handelt und dass erfahrungsgemäß Christen verwirrt, ja geschockt sind und sich nicht wiedererkennen, auch wenn der Vorwurf der Textverfälschung inzwischen oft abgewandelt werde hin zu schlechter Auslegung. Die christliche Selbsteinschätzung sei aber nicht die eines Volkes der Schrift, sondern die eines Volkes einer Person. In den Kernfragen wird weiterhin gesagt, dass mit einem grundsätzlichen Fortschritt nicht zu rechnen ist und man von den Muslimen höchstens mehr Respekt einfordern könne für das, was für die Christen immerhin das Herzstück ihres Glaubens und Lebens ist und worin sich für sie die Erhabenheit der Stellung des Menschen zeigt. Eine Annäherung auf der theologischen Ebene erscheint also weiterhin unmöglich, aber mehr Respekt würde immerhin eine Annäherung auf der anthropologischen Ebene bedeuten. Schließlich, und das ist in unserem Zusammenhang von besonderem Interesse, wird auf die Frage der Kirche als weltlicher Macht eingegangen, wie sie sich eben in den Augen der Muslime darstellt. Zunächst einmal erkennen alle Gläubigen die Notwendigkeit eines sozialen Rahmens an, in dem der Glaube bewahrt und weitergegeben wird und in dem durch rituelle Praktiken und menschliche Beziehungen bestimmte religiöse und moralische Werte vermittelt werden. Die Muslime bewunderten die Organisationsstrukturen der katholischen Kirche und die Effektivität christlicher Schulen, Krankenhäuser und Sozialarbeit und schätzten den moralischen Einfluss von Enzykliken und Hirtenbriefen. Sie seien sich auch der Aktivitäten des Ökumenischen Rates der Kirchen bewusst. Der schon in den Orientations erwähnte Unterschied zwischen Kirche, Christenheit und Christentum bleibt für Muslime weiterhin ein Problem. Ihr eigener Hintergrund bringt sie dazu, traditionell christliche Länder als christliche Staaten einzustufen und die Kirche als den religiösen Ausdruck der sie regierenden Macht, und dann nach einer christlichen Politik zu suchen, die es ja tatsächlich einmal gegeben hat. Das

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ist wiederum die Erklärung dafür, warum Muslime vieles Negative der Vergangenheit als offizielle Position der Kirche ansehen. Heute glaubten Muslime deshalb, die Kirche sollte sich viel öfter und direkter in die Angelegenheiten christlicher Länder einmischen, um (ganz muslimisch) ihnen vorzuschreiben, was recht ist, und zu verbieten, was schlecht ist. Die Schlussfolgerung der Guidelines aus all dem ist, dass Christen und Muslime zusammen überdenken sollten, welche Rolle die Religion bei der Bildung einer menschlichen Gesellschaft spielen sollte, unter besonderer Berücksichtigung der Gefahr der Intoleranz, wenn ein Staat auf religiösen Prinzipien aufgebaut ist  – traurige Beispiele in dieser Hinsicht gebe es in der Geschichte ja viele. Eine wichtige Unterfrage dazu ist beispielsweise, welche Grundlagen Muslime für die pluralistischen Gesellschaften sehen, in denen sie heute leben. Den Abschluss in dieser Liste bildet der Vorwurf an die Christen, der Botschaft Jesu untreu geworden zu sein (dogmatisch gegenüber dem frühen Judenchristentum, es aber auch in der praktischen Umsetzung entweder unter- oder übertrieben zu haben und vom direkten Kontakt zwischen dem Gläubigen und Gott abgekommen zu sein – was ja auch ein protestantischer Vorwurf sein könnte). Bewunderung gebe es dagegen für Christen, die die Ideale des Evangeliums in ihrem Leben ernsthaft umzusetzen versuchten. Ähnlich wie umgekehrt auf christlicher Seite gibt es auch bei gewissen muslimischen Gelehrten der Vergangenheit und Gegenwart Überlegungen, dass rechtschaffene NichtMuslime Zugang zum Heil haben. Das Gesamturteil und die Folgerung daraus zeigt aber, dass wohl noch ein langer und schwieriger Weg mit unbekanntem Ausgang bevorsteht: „It is evident that Muslims find it difficult to accept the Christianity of today as ­authentic and to believe in the complete sincerity of those who practice it. History seems to corroborate their doubts. The only way they can be freed of such feelings is to see Chistians who practice truly the ways of the Gospel, in obedience to the message of Jesus. To the degree that witnesses of the Gospel are open in spirit and not exclusive there will be progress toward understanding and mutual acceptance.“81

3.2.6.3. Die echten Schwierigkeiten sind praktisch: von Mischehen bis Mission Es bleibt der neue Bereich der bleibenden praktischen Schwierigkeiten82, bei denen auch mehr Wissen und der Abbau von Vorurteilen nicht unbedingt weiterhelfen. Dazu gehören ganz praktisch die Speisevorschriften, aber noch mehr die Mischehen. Gerade die rechtlichen Regelungen für die christliche Frau in einer muslimischen Ehe führten letztendlich oft zu Bitterkeit und Feindseligkeit. Der Gegenvorschlag ist zunächst einmal mehr Information, worauf relativ unvermit 81 Ib., p. 83, s.a. p. 68–82. 82 Nach p. 84–87.

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telt die abschließende Aussage kommt, Mischehen könnten und sollten eine besonders günstige Umgebung für den Dialog sein. Der dritte Punkt ist die Pflicht des Apostolats, oder mit anderen Worten die Frage der Mission. Da gebe es durchaus Praktiken, die in befremdlichen Gegensatz zu den Idealen stünden, auf die man sich im Dialog geeinigt habe. Vor allem aber scheine es so zu sein (man beachte die äußerst dezente Formulierung), dass es für die muslimischen Gesellschaften schwer sei, das Prinzip der Religionsfreiheit anzuerkennen, das ja, so die universelle Erklärung der Menschenrechte, das Recht auf Religionswechsel einschließt. Umgekehrt haben Christen Schwierigkeiten, wenn das Recht muslimischer Minderheiten auf religiöse Autonomie auch die Bereiche von Recht, Kultur und Politik umfassen soll – ein Kompromiss wäre für eine pluralistische Gesellschaft nötig, aber nicht einmal wirkliches gegenseitiges Verständnis an diesem Punkt ist einfach zu haben. Auch hier liegt noch ein weiter Weg mit ungewissem Ausgang vor Christen und Muslimen, aber immerhin wird er erkannt und erstmals so deutlich benannt.

3.2.7. Zusammenarbeit: Durch gemeinsames Dienen das geistliche Gespräch vertiefen? Dann folgt das Kapitel, in dem es um Zusammenarbeit geht. Es zeichnet sich immer noch, wie das entsprechende Kapitel der Vorgängerfassung, durch eine größere Anzahl an Zitaten aus kirchlichen Dokumenten aus, doch ist auch hier der Einfluss der inzwischen gemachten praktischen Dialogerfahrungen spürbar. Es ist alles eine Idee konkreter, etwas weniger grundsätzlich. Wohl beginnt es auch mit einem Zitat aus Gaudium et Spes, doch dies führt mitten hinein in das moderne Leben und die moderne Welt mit all den Widersprüchen und ihrer Zerstörung aller Beziehungen. Diese Probleme seien für alle gleich, deshalb sollten auch alle gemeinsam vorgehen dagegen, und die Gläubigen sollten es eben wegen ihres Glaubens und ihrer Liebe für die Menschheit tun. Dann erst kommt der Rückgriff auf die Fragen nach dem tiefsten Sinn des Lebens, die eben schon das Konzil zitierte und die aktuell bleiben, weil der Fortschritt das Leid eben nicht beseitigt (hat). Neu ist gegenüber der ersten Fassung, und hier ist wohl eine Entwicklung gerade des Jahrzehnts zwischen 1970 und 1980 spürbar, dass es gleich in einem eigenen Unterpunkt um die Frage der Schöpfung und ihrer Vollendung geht. Gott selbst habe sich für die Mitarbeit der Menschen darin entschieden und als Zeichen für diese hohe Berufung würde die Menschheit sozusagen ein Spiegelbild der Welt in Miniatur. Hinter dieser Idee und Formulierung scheint eine Verquickung christlichen und muslimischen Gedankenguts zu stecken  – der Mensch als Statthalter Gottes in der Welt (muslimisch) und als dessen Ebenbild und Krone der Schöpfung (christlich). Konkret geht es um ein Verhältnis von Respekt, Gehorsam and Flexibilität zwischen Menschheit und Natur an Stelle von Verschmutzung, Gewalt und Unterwerfung. Dem Massenkonsum müssten Zügel

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angelegt werden und die Technologie ein menschliches Gesicht bekommen. Die beiden nächsten Schwerpunkte, Dienst am Menschen bzw. an der Gesellschaft, sind dagegen schon sattsam bekannt. Alle Gläubigen sollten aktiv für die unveräußerlichen Menschenrechte weltweit eintreten – einige, auch von muslimischer Seite, gebe es schon. Und indem Christen und Muslime anderen dienen, können sie auch ihren eigenen Dialog über die geistlichen Werte, die sie schon einen, vorantreiben und ihre Sicht von der menschlichen Größe, die sie inspiriert, miteinander teilen – ein interessanter Gedanke, durch gemeinsames Dienen das geistliche Gespräch zu vertiefen, vielleicht angeregt durch Erfahrungen, die schon in der ersten internen Publikation genannt worden waren, vielleicht auch schon durch weitere Erfahrungen. Das beste Zeugnis für die Achtung vor menschlicher Würde aber sei immer der Dienst an den Ärmsten, den Unterdrückten, Waisen, Behinderten, Aussätzigen, Geisteskranken, den Randgruppen der Gesellschaft, an alten Menschen und Sterbenden. Zu Atheisten wird gesagt, ihre Würde werde voll anerkannt, „even though their denial of God involves certain serious possibilities for undermining human dignity“83. Diese Formulierung ist sicher eine Anspielung darauf, dass der Islam gerade damit massive Probleme hat. Insgesamt ist aber eine Zusammenarbeit in diesem Bereich gut denkbar, denn auch die muslimischen Ideale sind Gerechtigkeit und Erbarmen, beispielsweise gegenüber (Sure 4,36) Waisen, Notleidenden, Nachbarn, Mitreisenden, Wanderern und Sklaven. Dieser Abschnitt endet mit einer mutigen Aussage: „All those, then, who go back to Abraham in their religious traditions can together join with all who hold to the Universal Declaration of Human Rights, calling attention to the fact that the people who should be given first priority in the defense of those rights are the ones who have been long deprived of them and whose cries of distress continually rise to God.“84

3.2.7.1. Menschenbild und Begründung von Zusammenarbeit Es fällt auf, dass dieser Bereich zwar erhalten geblieben ist, sich aber doch sehr verändert hat. Er geht viel genauer auf die christlichen und v. a. muslimi­ schen Aussagen zur Stellung des Menschen ein und damit auch auf die Begründung(en), die es für ein gemeinsames Engagement in diesem Bereich geben kann. Dass das noch nicht ausdiskutiert ist, wird ebenfalls deutlich, auch wenn der Nachdruck hier ausdrücklich auf den Übereinstimmungen liegt. Besonders deutlich wird dies beim obigen Satz zum Einstehen für die Menschenrechte. Deren konkrete Formulierung ist ja eines der strittigsten Themen. In den Guide­lines ist das daran zu erkennen, dass zuerst von den Rechten Gottes, dann von den Pflichten der Menschen und erst an dritter und letzter Stelle von den Rechten 83 Ib., p. 92, s.a. p. 88–91. 84 Ib., p. 93.

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der Menschen die Rede ist, wenn die muslimische Position geschildert wird. Die Einzelthemen halten sich im Großen und Ganzen durch, auch wenn es Verschiebungen gibt. In der ersten Fassung standen unter dem Stichwort der Förderung der Person Familie und Kultur sehr im Mittelpunkt, nun werden diese dem Bereich der Gesellschaft zugeordnet. Unter der noch grundsätzlicheren Frage nach dem Dienst an der Menschheit stehen das Recht auf Leben an sich und, mit großem Nachdruck, der Einsatz für die Ärmsten und Benachteiligsten an vorderster Stelle. Dies mag, ähnlich wie oben die neu hinzugekommene Frage der Umwelt, auf den ersten Blick auch mit einer generellen Verschiebung der Schwerpunkte zu tun haben, die nicht auf Christen und Muslime beschränkt ist, sondern alle Menschen weltweit umfasst. 3.2.7.2. Der Bereich der brüderlichen Gesellschaft: auch Familie und Kultur Zu Beginn des nächsten Abschnitts wird als Voraussetzung für all dies eine inklusive Gesellschaft genannt, die die Werte, welche die menschliche Würde fördern, achtet, also eine Gesellschaft der Brüderlichkeit. Für diese gebe es in der islamischen Welt durchaus Entsprechungen, aber nicht einmal die Muslime selbst sind sich einig über die Details und Wege dahin. Rein praktisch werden diesem Bereich jetzt zugeordnet: Ehe und Familie, Kultur (also die beiden Neuerwerbungen), wirtschaftliches und soziales Leben, Politik, die Einheit der Völker und Frieden zwischen den Nationen. Der gesellschaftliche Bereich wurde also ausgeweitet und der persönliche Bereich eingeschränkt, wenn jetzt Ehe und Familie und Kultur mehr unter dem Blickwinkel der Gesellschaft denn des Einzelnen betrachtet werden. Das könnte auch auf den Einfluss der muslimischen Seite zurückzuführen sein, für die beides eindeutig nicht Privatsache ist, sondern ein entscheidender Faktor der Gemeinschaft. Wenn dem so wäre, wäre auch hier ein verstärkter Einfluss der inzwischen gemachten praktischen Dialogerfahrungen mit Muslimen spürbar. Eindeutig ist dieser, wenn man sieht, wie konkret und praktisch die Unterthemen sind: Freiheit in der Wahl des Ehepartners (was ja in der muslimischen Welt nicht selbstverständlich ist), finanzielle Unabhängigkeit für junge Familien, angemesser Wohnraum, Verantwortung der Ehefrau, Rechte der Kinder, verantwortliche Vater- und Mutterschaft, eheliche Harmonie, Anwesenheit der Älteren im Haushalt, Beziehungen zwischen den Generationen. Christen und Muslime hätten oft gleiche Ideale von Leben und Liebe, und könnten deshalb gemeinsam handeln, sei es gegen Abtreibung und Kindermord, sei es in Sexualerziehung, Ehevorbereitung, Zentren für Mutter und Kind, Gruppen für Familie und Erziehung, Hilfen für Paare in der Trennung. Eine besondere Rolle könnten dabei die Partner aus christlich-muslimischen Mischehen spielen. Was den Bereich der Kultur angeht, so wird wieder betont, Menschen hätten ein Recht auf Kultur.

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Die Veröffentlichungen

3.2.7.3. Gerechtigkeit in Wirtschaft und Politik Bei den Fragen von Kultur, Gerechtigkeit und Politik wird wieder direkt an Gaudium et Spes angeknüpft. Ein deutlicher Hinweis gilt der Unmenschlichkeit aller Kriege, besonders auch des Terrorismus. Es müssten alle Menschen ihren Mitmenschen helfen, davon loszukommen und stattdessen ihre Auseinandersetzungen menschlich zu lösen. Wie schon die häufigen Rückgriffe zeigen, sind dies alles keine neuen Gedanken, auch wenn die konkrete Zuspitzung, gerade auch auf die Menschenrechte, neu ist gegenüber der ersten Fassung, aber dies ist eine Entwicklung, die auch sonst feststellbar war. 3.2.7.4. Gottes Geschenk als Grundlage des gemeinsamen Engagements Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird es dann wieder grundsätzlicher. Die Dialogpartner werden gesehen als Repräsentanten der gesamten menschlichen Erfahrung. Beide, Christen und Muslime, sollten dem göttlichen Ideal nach­ streben, weil das Leben als solches (und auch jeglicher Besitz) Gabe Gottes sind. Deshalb müssten sie auch gegen jede Form von Diskriminierung sein und die Freiheit verteidigen im Interesse der Verantwortung vor dem eigenen Gewissen, vor den Mitmenschen und vor Gott – und weil auch sie ein Geschenk Gottes ist, ebenso wie Frieden und Einheit in Verschiedenheit Gottes Geschenke sind. An der Wurzel jeden gemeinsamen Engagements liegt also ein Geschenk Gottes und die gemeinsame Überzeugung von Christen und Muslimen, dass es sich eben um ein Geschenk Gottes handelt. So müssen beide nur dem nach-handeln, was Gott schon als Geschenk vorgegeben hat, um es einmal fast protestantisch zu formulieren. So endet ein Kapitel, das von den Problemen und Fragen ausgegangen war, eigentlich in doppeltem Sinn positiv, mit dem, was Gott geschenkt hat und was somit, trotz aller darin enthaltenen Aufgaben, beiden gegeben ist.85 Dass man wagen konnte, das so zu schreiben darf auch als großer Schritt auf dem eingeschlagenen Weg gewertet werden.

3.2.8. Religiöse Übereinstimmung – ein weiterer Schritt auf dem eingeschlagenen Weg Auch die Überschrift des letzten großen Abschnitts zeigt schon eine deutliche Weiterentwicklung auf der praktischen Ebene, auch wenn die inhaltliche Aufteilung im Wesentlichen gleich geblieben ist. Doch ist der Blickwinkel nun nicht mehr der der christlichen Spiritualität, sondern es geht um mögliche religiöse Übereinstimmung, was ja schon eine sehr weitgehende Sache ist. Ausgehend vom vorhergehenden Kapitel werden Ideale und Werte als gemeinsamer Grund für den Dienst an der Menschheit genommen, aber die dezidiert göttliche Dimension

85 S. ib., p. 88.93–99.

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müsse hinzukommen. Konkret wird darunter die Möglichkeit verstanden, über religiöse Erfahrungen zu sprechen, die wiederum gesehen werden als persönliche Antworten auf die göttlichen Initiativen in Richtung Menschheit. Die Gläubigen müssten dazu über die soziologischen Grenzen hinausgehen, die ihnen ihre Tradition und Umgebung auferlegten. Wieder ist die Bewegung von träge zu dynamisch zu erkennen, die schon die erste Fassung betont hatte. Ziel ist es, das Wort Gottes im breiten Rahmen menschlicher Erfahrungen zu verstehen. In Anlehnung an Johannes Paul II sind die Wege zwar unterschiedlich, das Ziel aber gleich, nämlich die tiefsten Hoffnungen des menschlichen Geistes, also die Frage nach Gott, nach der Bedeutung des menschlichen Lebens und nach der vollen Dimension der eigenen Menschlichkeit. Es gebe einen Schöpfer und Vollender aller Geschöpfe und gerade im Dialog werde dies, ein tiefes Verlangen nach Einheit, immer wieder sichtbar. Besonders angesichts des Vorwurfs, Religionen seien der Grund für Spaltung und Kriege gewesen, müssten die Gläubigen, die Abraham zum Vorbild hätten (eine erneute Betonung seiner Vorbildfunktion!), das Gegenteil beweisen, indem sie diesen Glauben an den Einen Gott in Taten der menschlichen Solidarität und Freundschaft übersetzten. Wie schon in der ersten Fassung wird, wenn auch in schon etwas positiverer Weise, die Brücke zur innerchristlichen Ökumene geschlagen: Für beides brauche man, wieder in Anlehnung an Johannes Paul II, Loyalität, Ausdauer, Zähigkeit, Demut und Mut – sicher eine außergewöhnliche Kombination, die hohe Anforderungen an Menschen stellt. Was die Muslime betrifft, so wird herausgestellt, dass ihre Herzen berührt würden durch das lebendige Beispiel von Menschen, die offensichtlich unter der Führung Gottes lebten. 3.2.8.1. Übereinstimmung im gemeinsamen Leben – am Ende Brüder oder Rivalen? Nach diesen eher allgemeinen Aussagen kommt der Text zu den möglichen Elementen einer Übereinstimmung, wohlgemerkt – und auch das war schon in der ersten Fassung grundlegend – auf der Ebene des gemeinsamen Lebens hier und jetzt. Die Unterpunkte Gott, Wort Gottes, Propheten, Gemeinschaft und Gebet stimmen praktisch mit der Vorgängerfassung überein, erweitert um den Bereich der Heiligkeit, zu dem es zwischenzeitlich einen christlich-muslimischen Dialog gegeben hatte. Was Gott angeht, so spielen v. a. zwei Punkte in den Bereich der Anthropologie hinein. Zum einen ist dies die imitatio Dei, zum anderen die Betonung, dass die Christen schon lange vor dem Islam gegen jede Form der Vergöttlichung von Menschen angekämpft hätten. Dies ist eine viel selbstbewusstere Haltung als sie noch in der ersten Fassung zu spüren war. Was Wort Gottes angeht, so wird es generell gesehen als Offenbarung u. a. vieler Wahrheiten über die verborgene Bestimmung des Menschen. Der Koran sei auch ein Gesetz für die Menschheit, während die Christen glaubten, das Wort sei als vollkommener Mensch Fleisch geworden. Gemeinsam sei aber beiden die Haltung des Respekts

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gegenüber dem Wort Gottes, auch in der praktischen Befolgung, und das Ziel, dass dadurch der menschliche Geist wächst, sowie außerdem noch die Tatsache, dass das Wort Gottes sein Ziel nur erreichen kann, wenn es als menschliches Wort wieder gesprochen wird. Auch hier ist gegenüber der ersten Fassung ein größeres Selbstbewusstsein zu spüren bzgl. der Tatsache, dass das göttliche Wort immer auch eine menschliche Dimension hat und diese berücksichtigt werden muss. Im Dialog könnten Christen und Muslime ihre Einblicke in die menschliche Annahme des göttlichen Worts in ihren jeweiligen Traditionen austauschen. Die Propheten werden gesehen als Gnade Gottes für die Menschen, die ihnen u. a. Wahrheiten über sich selbst zeigten, da die Menschen geistliche Führer bräuchten, die ihnen sowohl ähnlich als auch unähnlich seien – auch dies eine neue und interessante anthropologische Aussage, die ganz nebenbei gemacht wird. Von der Einstufung als Gipfel des moralischen und religiösen Fortschritts der Menschheit dagegen ist nicht mehr die Rede. Die Problematik Schwester/ Bruder oder Gegner/Rivale, die schon in der ersten Fassung angesprochen war, wird hier schwächer als Frage formuliert auf dem Hintergrund, dass wir alle Gott suchten und berufen seien, abrahamitische Gastfreundschaft zu praktizieren – man beachte, dass Abraham wieder als Beispiel fungiert. Die grundsätzliche Gegenüber­stellung der beiden Gemeinschaften mit allen Implikationen ist weggefallen. 3.2.8.2. Gleichheit und Ungleichheit in Gebet und Mystik Das Gebet wird generell als Unterwerfung des Körpers und Bereitschaft der Seele gesehen, als Identifikation mit dem Willen Gottes. Sowohl Christen als auch Muslime organisierten ihren Tag um das regelmäßige Gebet herum. Dadurch und durch den Kreis der Feste würden für beide alle Ereignisse ihres Lebens von der Geburt bis zum Tod zum Fokus von Gebet und Dank. Dem Leser aber stellt sich hier schon die Frage, ob nicht zumindest ein großer Teil der Christen sozusagen beschönigend durch die muslimische Brille gesehen wird, gerade was die tägliche Praxis des Gebets angeht. Was die konkrete Haltung und Selbstsicht angeht, so werden die großen Unterschiede dann doch genannt – ein Christ fühlt und sieht sich im Gebet eben nicht nur als demütiger Diener, dem es v. a. um Unterwerfung geht. Auch die konkrete Frage des gemeinsamen Gebets wird angesprochen, aber v. a. unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeiten. Zu vermeiden seien direkte Teilnahme an den Gebeten der anderen, hartnäckige Einladungen und vorschnelles Voraussetzen von Ähnlichkeiten – das könnte als Synkretismus oder als versteckter Versuch von Proselytismus gewertet werden. Respekt vor dem Glauben des anderen bedeute dagegen, dass man den Anschein von direkter oder indirekter Vereinnahmung vermeide. Unter dem Punkt Heiligkeit kommt man wieder auf die imitatio Dei zurück und darauf, dass solche Beispiele von Heiligkeit immer schon sehr anziehend für Muslime gewesen seien. Der Weg der menschlichen Heiligung, der Mystik, sei außerdem überall gleich:

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„Every effort of self-purification on the way toward God requires the same disciplines, such as examination of conscience, control of desires, restraint of the tongue, detachment from the world, surrender of all earthly possessions, renunciation of all forms of prestige, abandonment of all pride and ambition. The first steps in a mystical approach to God are marked by the renewing grace of conversion, the strength coming from confidence in God, thanksgiving, godly fear and hope, poverty and detachment. Finally, through meditation upon the oneness of God and surrender to his providence, the way leads to a state of ardent desire, loving familiarity and tranquil nearness.“86

3.2.9. Die neuen Guidelines – praktischer und ‚abrahamitischer‘ Dies ist sehr weitgehend formuliert, während die Schlussbemerkungen87 sehr deutlich machen, dass für die katholischen Christen die geistliche Ebene des Dialogs zwar sehr wichtig ist, dass die Muslime von ihrer Religion her aber auf die Ebene des täglichen Lebens der Gesellschaft drängten. (Insgesamt gebe es vier nötige Ebenen menschlicher Kommunikation: Dialog des Herzens, also Teilen als Brüder und Schwestern, Dialog des Lebens, also Förderung von menschlichen Werten, Dialog der Rede, also Sprechen auch vom Menschen, und Dialog der Stille als Anfang und Ende allen Dialogs.) Auch hier wird also die praktische Erfahrung spürbar, ebenso darin, dass der Dialog als prinzipielle Dimension des Lebens von Gläubigen immer noch nach innen verteidigt werden muss, auch wenn er inzwischen fast alle Länder und alle Bereiche umfasst. Grundvoraussetzung sei die gegenseitige Anerkennung der Werte des anderen – hier wird wieder einmal auf Abraham verwiesen, der als Vorbild in diesen Guidelines wirklich eine wichtige Rolle spielt – und menschliche Zusammenarbeit. Misstrauen und Vorurteile seien oft instinktiv, ihnen sei nur mit Information und praktizierter Liebe zu begegnen. Umgekehrt müsse man auch erkennen, dass der Dialog Grenzen habe, um Rückschritte in den Beziehungen zueinander zu vermeiden. So sind die Guide­lines insgesamt genau das, was sie von sich behaupten: ein weiterer Schritt auf dem Weg des christlich-muslimischen Dialogs, ein Schritt, dem man die inzwischen gemachten praktischen Erfahrungen anmerkt, der aber die Grundrichtung beibehält, und der auf die Zukunft hin offen ist.

86 Ib., p. 110, s.a. p. 100–109. 87 S. ib., p. 112 f.

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4. Religions – Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique 4.1. Einstieg über den ‚homo religiosus‘ Folgt man nun der (in Anm.1 erwähnten, zum 40-jährigen Jubiläum erstellten) hauseigenen offiziellen Publikationsliste zum Thema Islam, so nennt diese als erstes offizielles und wissenschaftliches Werk eine große Publikation über die verschiedenen Religionen, unter anderem den Islam. Von der Genese her besteht sie aus Einzelheften, an denen der erweiterte Stab des Sekretariats (mit Beratern und Korrespondenten) gearbeitet hat und die zu einem Sammelband zusammengefasst wurden, der einen Schlüssel darstellen sollte zu Stellungnahmen zum Dialog mit einzelnen Religionen, gerade im anthropologischen Sinn: „[D]e telles indications pratico-essentielles pourront difficilement être assimilées et avoir une efficacité sans une préparation mentale adéquate et sans une étude systé­ matique et comparée des essentielles composantes de l’expérience religieuse de l’humanité.“88 In diesem Sinn erscheinen die oben analysierten Orientations fast wie ein Vorgriff, was mit ein Grund dafür sein könnte, dass sie in der offiziellen Publikationsliste nicht (mehr) auftauchen. Der neue, mehr religionswissenschaftliche Band beginnt auch mit einer allgemeinen Studie über den Menschen und die Religion, bevor er sich in Einzelfragen und Einzelreligionen ausfächert. Dieser Studie geht es um Natur und Verhaltensweisen des „homo religiosus“89, 88 Marella, Paul, Présentation, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 6. Dieser Band liegt in verschiedenen Sprachen vor, wobei für mich die französische und die italienische Ausgabe (Segretariato per i non cristiani (ed.), Religioni, Temi fondamentali per una conoscenza dialogica, 4. ed., Fossano 1987) erhältlich waren. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der späteren Ausgabe um einen schlichten Nachdruck handelt, dem nicht einmal ein neues Vorwort hinzugefügt wurde, habe ich mich entschieden, für die Zitate das in Deutschland doch gängigere Französisch zu wählen. Zu interessanten Hintergründen dieser Publikation sei verwiesen auf Rossano, P[ietro], Presentation of the Volume „Religions“ Published by the Secretariat, BSNC 16 (1971), p. 36–40. 89 Rossano, P[ietro], L’homme et la religion, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p.  9, s.a. p. 10–92, sowie Marella, p. 6. Dieses erste Kapitel war bereits 1968 einzeln als Supplementum zum hauseigenen Bulletin erschienen unter dem Titel Man and Religion, so Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, p, 93, note 15. Der homo religiosus ist eine Leitidee des Sekretariats, wie auch Geneva: Visit of the President and the Secretary of the Secretariat for Non-Christians to the Ecumenical Council of Churches (15 January 1974), BSNC 26 (1974), p. 137 f beweist, und noch ausführlicher ein Referat, das Pietro Rossano beim Gegenbesuch hielt zum Thema „Our Programme and Method“, veröffentlicht in BSNC 26 (1974), und wo es p. 142 heißt: „The first characteristic of our method is that we meet our non-christian brethren in the capacity of religious persons endowed with religious values, and we join them in a

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der an der Basis aller Religionen sei. Diese religiöse Natur des Menschen erweise sich, so die Preliminaria, durch eine historische und psychologische Analyse, und trotz aller Unterschiede gebe es eine grundlegende Analogie in den Formen, in denen sie sich ausdrücke. Das Buch insgesamt wendet sich hauptsächlich an eine (überwiegend jüngere) katholische Leserschaft, die im Sinne des Zweiten Vatikanums auf den Dialog vorbereitet werden soll. So ist dem einführenden Kapitel über den Menschen zwar eine ausführliche Bibliographie beigegeben, doch eine große wissenschaftliche Diskussion findet nicht statt, es gibt nicht einmal Anmerkungen und die gewählten Referenzpunkte sind aus heutiger Sicht nicht mehr die aktuellsten. In diesem Sinn wäre nicht nur ein Nachdruck, sondern eine überarbeitete Neuauflage schon sehr wünschenswert, wenn auch schwieriger zu bewerkstelligen, da gerade der für die anthropologische Einleitung verantwortliche Pietro Rossano, der sehr viel theologische Grundsatzarbeit geleistet hat90, erdialogue because we believe alike in a Reality which transcends this world and our senses. This common belief has a power of unity and give (sic!) a basis of common sharing and mutual exchange and collaboration.“ Sein zweites Referat „Contents of Dialogue with Non-Christians“ bei gleicher Gelegenheit, ebenfalls veröffentlicht in BSNC 26 (1974), führt dies p.143/144 theologisch noch genauer aus: „This option of the ‚homo religiosus‘ has been done on the base of a definite theological evaluation of religiosity and a positive estimation of the fundamental religious experience, originated in the creation of man as ‚Imago Dei‘. As created by God, in and for Christ, man is basically in quest of God (…) and oriented to God, even though he is wounded by sin. His quest of an Absolute is in fact the expression of the ‚menschliche Kreatürlichkeit und fraglichkeit (sic!)‘./p. 144 (…) This doctrine has been codified in the Vatican II and represents the basis and the inspiration of our activity.“ Ermöglicht wird dies, und das wird hier deutlich gesagt, dadurch, dass die Gottesebenbildlichkeit als zwar durch die Sünde beschädigt, nicht aber grundsätzlich gestört gesehen wird, wie dies beispielsweise in der protestantischen Theologie der Fall ist. Aus Rossano, The Secretariat for Non-Christian Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems, p. 95 geht eindeutig hervor, dass die Entscheidung, die Arbeit des Sekretariats auf das Konzept des homo religiosus zu gründen, schon unter und durch den ersten Präsidenten, Kardinal Marella, gefallen war und gerade eines seiner Verdienste darstellt. Etwas später (p. 103) schreibt Rossano zum Zusammenhang zwischen dieser Anthropologie und dem Dialog als Aufgabe des Sekretariats: „[D]ialogue for the Christian is the fruit of an anthropology in which the person stands at the center as an image of God and as the object of his love. Man is seen to be so structured ontologically as to have a vertical and horizontal relationship which relates him deeply to God (homo religiosus) and to the other (Mitmensch). Indeed, man is considered not to attain his fullness without a personal relationship to the Thou of God and of neighbour (sic!).“ Dass dieser Ansatz, den das Zweite Vatikanum aufgenommen hatte, auf das dialogische Denken Martin Bubers zurückgeht, hatte er bereits p. 100 erwähnt. Ein weiterer Beleg dafür ist Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten ­Years Old, p. 88, wo er über Kardinal Marellas Pläne und Äußerungen schreibt: „An effort would be made to acquire an objective knowledge of different spiritualities and of the different ways the human mind expresses its approach to God.“ Praktisch die gesamte nächste Seite seines Artikels widmet er den entsprechenden Aussagen Rossanos. 90 S. Rossano, L’homme et la religion, p. 22 zum Islam, p. 51 u. 60 mehr zum allgemeinen Stand der Forschung, zur Intention des Bandes s. Rossano, Exposition from the Catholic Point of View, p. 103 f, wo er auch deutlich schreibt, dass dieses Werk für Theologiestudenten gedacht

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Die Veröffentlichungen

setzt werden müsste. Doch würde man z. B., wenn man von inneren Umformungsprozessen und dadurch ausgelösten religiösen Krisen spricht, bezüglich des Islams heute mit Sicherheit nicht mehr den exegetischen Liberalismus nennen (der für die heutige islamische Landschaft nicht prägend ist und vermutlich nie viel mehr war als eine Projektion von christlicher Seite) und auch nur mit großen Abstrichen die Anpassung des sakralen Totalitarismus an eine neue, technisch-industrielle Zivilisation.

4.1.1. Auseinandersetzung mit der Religionskritik Das anthropologische Kapitel beginnt mit einer grundsätzlichen Auseinandersetzung zum Thema Religion. Neben der spezifisch theologischen Kritik an Reli­ gion (als Gegensatz zum Glauben, was an Karl Barth denken lässt, obwohl er weder im Text noch in der Bibliographie ausdrücklich genannt wird) wird auch die grundsätzliche Religionskritik genannt, die der Religion jedes objektive Fundament abspricht. Die theologische Kritik zeitigt die Folge, dass man genau definieren müsse, was religiös bzw. heilig sei, weil eben nicht alle dasselbe darunter verstünden. Aber während zur christlichen (eigentlich genauer katholischen) Anthropologie gesagt wird, wenn es denn eine Dimension des Heiligen im Menschen gebe, so bestehe sie „dans sa possibilité profonde de se reporter à Dieu“91, wird auf die grundsätzliche Religionskritik gar nicht eingegangen, sondern die religiöse Dimension in der Seele des Menschen quasi vorausgesetzt. Wenn davon die Rede ist, dass einige Wissenschaften, die sich mit dem Menschen befassen, „voient dans l’expression religieuse une manifestation de tendances spécifiques, particulières et profondes de l’être humain“92, dann wünscht man sich, trotz aller gebotenen Kürze der Darstellung, doch die dazugehörigen Beispiele, um nicht zu sagen Belege. Deutlich dagegen ist der Rückbezug auf das Konzil, besonders auf Nostra Aetate, das ja auch in den Religionen oder vielmehr in deren Herzstück „rien moins que le point de rencontre profond entre les hommes, susceptible de réaliser l’unité et la fraternité de la grande famille humaine“93 gesehen habe, wobei das Christentum mit seinem Bezug auf Gott als Schöpfer, Retter und Vorsehung für die Menschen besonders offen für alle Menschen sei.

war. In „The Secretariat for Non-Christian Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems“, p. 94 führt er weiter aus, dass die Anregung dazu von den entsprechenden akademischen Instituten ausgegangen war. 91 Rossano, L’homme et la religion, p. 18, s.a. p. 16–17.26–27. 92 Ib., p. 20, s.a. p. 19.21. 93 Ib., p. 25, s.a. p. 24.

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4.1.2. Die religiöse Dimension des Menschen – der Bezug zum Absoluten Das nächste Unterkapitel ist insgesamt substanzieller und argumentativer. Ausgangspunkt ist die Aussage, dass an der Basis der Religionen der religiöse Mensch stehe, was Psychologie, Ethnologie und Soziologie auch zunehmend zugäben, wobei die Referenzen leider fehlen. Erstmals systematisch mit diesem Teil  des menschlichen Bewusstseins beschäftigt habe sich die religiöse Philosophie der Romantik im 19. Jahrhundert – darauf, dass dies eine geistesgeschichtlich relativ späte Entwicklung mit klarer Gegentendenz zur Aufklärung ist, wird nicht eingegangen. Es gehe darum, im Menschen einen religösen Raum, einen letzten Horizont zu finden, der aber keine reine Struktur des Menschen, also kein Transzendental sei. In sehr typischer Weise folgt dann der Satz: „Mais assurément, c’est existentiellement une réalité.“94 Man könne sowohl auf der Basis der Geschichte als auch der Philosophie von Religion als „disposition spécifique et mode autonome de la conscience humaine“95 sprechen, wird ohne weitere Argumentation gesagt, wobei diese Argumentation wenigstens teilweise nachgeliefert wird. Der Mensch sei auf eine andere Realität hin orientiert und empfinde die gegenwärtige Realität als unbefriedigend. Er stelle die Frage nach seiner Herkunft, nach Ursachen und Sinn seiner Existenz und seines Handelns. Er sei auf ein absolutes Gutes hin orientiert und suche die Fülle, etwas, was zu ihm komplementär sei und habe daher eine grundsätzliche Tendenz zur Integration. Philosophische Beispiele sind dafür zum einen Kierkegaard, zum anderen Nietzsche, der den Menschen nicht als Ziel, als Ende, sondern als Übergang, als Brücke sehe. Auch der Verweis auf Nostra Aetate liegt nahe, das den Menschen ja beschreibt als einen, der nach Antwort auf die Geheimnisse seiner Existenz sucht. Rossano bindet die christliche Tradition, Religiosität als ein psychologisches Echo auf eine ontologische Beziehung zu definieren, das sich auf der Ebene des Gewissens manifestiert, allerdings auch an die griechische Philosophie zurück. Einsprüche (z. B. Marx, Freud) werden sehr kurz damit abgehandelt, dass sie nur so viel Wert hätten wie ihre philosophische Basis, wobei auf die offensichtlich unterschiedliche Wertung verschiedener philosophischer Ansätze und die Begründung dafür nicht eingegangen wird. Entscheidend sei „la constation d’un dynamisme religieux inscrit dans le coeur de l’homme“96 oder, in einer etwas anderen Formulierung, eine „disposition pour la religion inhérente à l’homme“,97 also die Existenz dieser Dimension, nicht deren mögliche Interpretationen. Wo es um die Unterscheidungsmerkmale dieser religiösen Disposi 94 Ib., p. 30, s.a. p. 29. 95 Ib., p. 30. 96 Ib., p. 36, s.a. p. 30–35. 97 Ib., p. 36.

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tion beispielsweise von einer rein ethischen geht, wird nun explizit Karl Barth zitiert, der in den Religionen die letzten, äußersten Möglichkeiten des Menschen ausgedrückt sah. Dies wird abgewandelt zu: „[L]a religion est la dimension de sa profondité dans toutes ses fonctions“98, wobei wieder ausdrücklich vermieden wird, Religion als (nur) einen besonderen Bereich der spirituellen Fähigkeiten des Menschen zu verstehen, sondern sie ist eben „la tension dernière de l’être humain vers son horizont dernier“99. Von diesem letzten Horizont komme auch das Bedürfnis nach einer Einheit des gesamten Lebens in der Ausrichtung auf die Herrschaft der höchsten Gründe her, wie er sehr neutral formuliert, das sich in allen Religionen zeige, besonders stark aber im Islam, der sich ja dagegen verwehre, eine Religion im nur herkömmliche Sinn zu sein, sondern eben gleichzeitig ein kompletter Lebensstil, Kultur, politische Ordnung, soziales System und Philosophie sei. Die Beziehung zum Absoluten sei immer notwendig auch eine ethische Beziehung: „[L]a recherche de l’Absolu coincide essentiellement avec la recherche du bien et la fuite du mal“100. Gottesliebe gebe es nie ohne Gerechtigkeit und Nächstenliebe und religiöser Fortschritt sei immer nur in zwei Bereichen zu erzielen: Moral oder Mystik. Was auch wichtig ist, ist die Feststellung, dass das bloße Vorhandensein des religiösen Potenzials im Menschen noch nicht notwendig zu dessen angemessener oder gar vollkommener Umsetzung führt – Zweifel und Krisen für Einzelne wie für Gruppen sind geradezu normal, menschlich. Erwähnt wird auch, dass religiöses Leben Freiheit braucht und Religiosität sich verschieden, sogar areligiös ausdrücken kann, wobei die Ausdrucksformen der monotheistischen Religionen relativ nah beieinander lägen.

4.1.3. Religiöses Leben als Erfahrung von Polarität Das folgende Unterkapitel zur religiösen Erfahrung hat noch stärker beschreibenden Charakter. Besteht die religiöse Disposition des Menschen in seinen Beziehungen zu einem Ersten, Höchsten, Absoluten, so ist religiöse Erfahrung zu definieren mit der Gesamtheit seiner Empfindungen und inneren Reaktionen im Rahmen dieser Beziehungen. In einem bestimmten Maß sei diese religiöse Erfahrung allen Menschen aller Kulturen gemeinsam, auch wenn sie verschieden interpretiert werde. Von christlicher (katholischer) Seite aus gesehen sei sie eine göttliche Gabe, die die religiöse Disposition des Menschen umforme und erhebe, wobei der Mensch durch seinen Willen daran mitwirke. Auf islamischer Seite werde die Unterwerfung unter das göttliche Gesetz als die Basis der Spiritualiät angesehen. Insgesamt handelt es sich bei religiöser Erfahrung um „un phénomène non immédiatement perceptible dans ses causes, mais hautement signicatif 98 Ib., p. 37. 99 Ib. 100 Ib., p. 41, s.a. p. 38–40.

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dans ses manifestations“101. Doch allgemein wird religiöse Erfahrung als Ursache für Glück eingestuft und dieses Glück als Maßstab für die Echtheit und Authen­ tizität der Religion. Kultur, Alter, Geschlecht, Beruf und auch Schicht haben einen diversifizierenden Einfluss auf die religiöse Erfahrung, aber einige Grundlinien sind doch allgemein, so die Unterscheidung von heilig und profan, wobei hier Rudolf Otto zitiert wird, und die typische Reaktion des Menschen, der in Kontakt mit dem Heiligen kommt und „sent immédiatement l’inégalité du fait de ses limites et de son imperfection ontologique et morale“102 und mit Unruhe und Furcht reagiert. Diese Situation führe zur Unterwerfung bzw. vertrauens­ vollen Hingabe, deren Stärke umgekehrt wieder die Tiefe und Vitalität des religiösen Lebens bestimme. Ein gängiges Phänomen sei auch die Gottesliebe, die sich durch alle Religionen ziehe und der offensichtlich notwendig vorher eine Erfahrung von Unzufriedenheit und Unruhe vorausgehe. Das Ziel ist jedenfalls immer ein Zustand von Sicherheit, Befreiung und Frieden. Die seitenlange Aufzählung von möglichen Elementen religiöser Erfahrung kann hier nicht wiederholt werden, doch sollen einige Gegensatzpaare genannt werden, die offensichtlich gerade in dieser Gegensätzlichkeit besonders signifikant für religiöse Erfahrung sind: Tod und Leben, wobei immer das Leben im Vordergrund steht, Kampf und Frieden, wobei der Kampf immer zum Frieden führt (so die geistlichen Kämpfe, aber auch der heilige Krieg im Islam), Bewegung (Glaube als Pilgerweg) und Ruhe (als Ziel), Begeisterung und Ordnung, Sünde und Gnade sowie der gesamte Bereich von Verfehlung, Strafe und Heil, Individuum und Gesellschaft, hier unten (Erde) – dort oben, Gemeinschaft – kontemplative Einsamkeit, Gottesliebe – Nächstenliebe (im Islam beispielsweise, so ein Ausspruch eines Mekkapilgers, 50 Prozent für diese und 50 Prozent für die andere Welt), aber auch Furcht  – Liebe, Spontaneität – Reglementierung, Innerlichkeit – Äußerlichkeit, Kontemplation – Aktion. Diese Polarität scheint ein Grundelement der Religiosität des Menschen zu sein, wobei als letzter Beweis dafür die Spannung zwischen fast magisch zu sehendem Lebensglück im Diesseits und einer rein jenseitigen Heilsvorstellung gesehen wird, die sich kaum in allein Letzteres auflösen lässt: „[C]’est la preuve que la poralisation dont il est parlé plus haut, est inscrit dans la disposition religieuse même de l’homme.“103 Ob man dies nun wirklich als Beweis nehmen kann und muss, sei dahingestellt, doch liegt die Stärke und auch der Nachdruck dieses Beitrages, wie schon erwähnt, auf der beschreibenden und nicht auf der argumentativen Ebene, und als solcher ist er sicher gut und wichtig, gerade für ein Lesepublikum, das als religionswissenschaftlich nicht vorgebildet und mit der Vielfalt der Phänomene nicht vertraut zu denken ist. 101 Ib., p. 50. 102 Ib., p. 55, s.a. p. 51–54. 103 Ib., p. 67, s.a. p. 56–66.

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4.1.4. Konstante Elemente in der Religiosität des Menschen – Gebete, Riten und noch mehr Auch das letzte Unterkapitel, das sich sozusagen in einem weiteren Kreis nach außen mit religiösen Ausdrucksformen und Strukturen befasst, bleibt auf der gleichen Linie, dass nämlich, wenn man methodologisch strikt vorgeht, konstante Elemente zu erwarten sind, durch die man wiederum zu einer echten Kenntnis des homo religiosus an der Basis der Religionen kommt: „[É]tant donné qu’il existe, comme on l’a vu, une analogie, ou même une coin­ cidence fondamentale d’attitude et d’expériences religieuses dans l’humanité, évidemment il y a lieu de s’attendre aussi à des analogies et affinités entre les formes d’expressions de la religion.“104

Der erste Punkt, der hier zu nennen ist, ist das Gebet, gerichtet an ein Du, was zeige, „à quel point le rapport personnel est connaturel à l’homme dans son dyna­ misme religieux.“105 In Christentum wie Islam sei das Gebet sogar eine religiöse Pflicht und die Mystik sei sich sowieso immer sehr ähnlich. Zu erwähnen ist ferner, dass Gebet immer auch Gemeinschaftsgebet ist. Ein weiterer Punkt der Ähnlichkeit sind Riten: Initiationsriten, Übergangsriten, Riten, die sich an den Lebens­lauf und die Natur anlehnen. Dann werden religiöse Symbole genannt (in diesen Zusammenhang sei auch der Mythos einzuordnen), aber auch religiöse Philosophie und Theologie sowie bestimmte prägnante Formeln, für den Islam beispielweise das Glaubensbekenntnis und die fünf Säulen, für das Christentum die zehn Gebote und die Trias Glaube – Hoffnung – Liebe. Ferner werden noch Mittlergestalten wie z. B. Propheten und Religionsgründer genannt, die auch zu den gemeinsamen Strukturen des religiösen Sinns in der Menschheit gezählt werden. Insgesamt oszilliert dieser Artikel zur religiösen Anthropologie ständig zwischen verschiedenen Positionen: Philosophische und gegen Ende mehr religionswissenschaftliche Modelle werden kritisch gestreift, strikte Methodik wird beschworen, aber mehr auch nicht, um dann zu einem eigenen Modell zu kommen, das die religiöse Dimension des Menschen und die korrespondierende religiöse Erfahrung quasi als gegeben voraussetzt, Abweichungen sind – beides scheint als grundsätzlich möglich gedacht  – entweder Genie und Erfahrung der Völker oder aber ein sich Entfernen von der ursprünglichen Natur des Menschen. Dieses Modell wird eigentlich nicht begründet, auch nicht theologisch, da der Artikel sich religionswissenschaftlich gibt, aber mehr noch, weil er nicht begründbar scheint, nicht begründbar ist:

104 Ib., p. 72. 105 Ib., p. 73.

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„L’unité croît dans la mesure où l’on descend du plan des manifestations historiques et phénoménologiques au plan ontologique de la nature humaine, à une profondeur devant laquelle la recherche expérimentale semble devoir s’arrêter: le domaine de la disposition religieuse inscrite dans l’être humain, le royaume des interrogations capitales que tout homme se pose, le lieu secret du rapport de chacun avec l’Ultime et le définitif.“106

Bleibt nur noch im Blick auf Christentum und Islam zu bemerken, dass hier die Probleme sowieso verschwindend gering sind, da sich beide Religionen doch sehr nahe stehen.

4.2. Das Heilsstreben des Menschen – Grundlage auch des interreligiösen Dialogs Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit Einzelaspekten der Religionen, ­allen voran der Suche nach dem Heil. Diese Entscheidung wird noch einmal speziell mit grundsätzlichen anthropologischen Aspekten begründet, gleich im ersten Satz: „Si l’attitude religieuse de l’homme se caractérise comme une tendance, un mouvement dynamique vers un terme ultime qui est sa paix, on doit reconnaître que la recherche du salut et l’engagement qu’elle comporte s’inscrivent dans le dynamisme même de l’esprit religieux, bien plus, ils paraissent en être l’aspect fondamental et universel.“107 Das diesbezügliche Verhalten der Menschen könne so beschrieben werden: Einerseits gebe es eine Existenzform, die man fliehen wolle, andererseits gebe es ein ideales Ziel, das man anstrebe, sowie einen Weg und Mittel (und auch Menschen), die den Übergang vom einen zum anderen begünstigen oder erst möglich machen. Dies gelte selbst für säkulare Kontexte, dort sei es entsprechend die Hoffnung auf Einheit und Frieden sowie der typische Glaube der Moderne, Arbeit und Sicherheit seien die Lösung für alle Probleme der Menschheit. Die konkreten Formen seien unterschiedlich. Der Humus, auf dem sie wüchsen, sei aber so ähnlich, um nicht zu sagen gleich, dass jeder Mensch die Unruhe seines Bruders verstehen, ja nachempfinden kann. Dieser tiefgehende Zusammenklang sei auch für die Forschung spürbar. Gleichzeitig liege in der ähnlichen Matrix auch der Grund, warum Begegnung und Dialog zwischen Menschen verschiedener Religionen überhaupt möglich sind. Erst die menschliche Suche nach etwas, was den Horizont der eigenen Existenz transzendiert, macht einen spirituellen Dialog möglich. Der Dialog gerade darüber bringt

106 Ib., p. 89, s.a. p. 73–88.90–92. 107 Rossano, P[ietro], Introduction, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 95, für den Rest s. p. 96–99.

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die Menschen näher zueinander und auch näher zu diesem ihrem Ziel, das ist zumindest die Hoffnung.

4.2.1. Heil im Christentum – auch für Menschen jenseits, aber nicht ohne die Kirche Dann folgen, wie erwähnt, entsprechende Darstellungen zu den einzelnen Religionen, das Christentum eingeschlossen. Für das Christentum ist, so diese Darstellung, das Heil so zentral, dass die ganze Geschiche der Menschheit als Heilsgeschichte dargestellt wird. Der entscheidende Punkt sind dabei Menschwerdung (Akzent der Ostkirche) und Leid und Tod (Akzent der Westkirche) sowie Auferstehung Jesu Christi. Für unsere Fragestellung ist aber interessanter, wie dabei die Position des Menschen geschildert wird und dass beispielsweise der bei Muslimen so umstrittene Begriff der Erbsünde sorgfältig und geschickt vermieden wird. In Anlehnung an biblische Traditionen wird die Menschheit als stolz, pflichtvergessen und untreu geschildert. Sünde und Tod werden in Anlehnung an Paulus bezeichnet als „puissances ennemies enracinées dans l’humanité dès les origines et qui l’entraînent vers la perdition et la /p.106 condamnation“.108 In Anlehnung an Johannes befreie Christus von „l’impiété et les convoitises de ce monde, la servitude du péché et l’impureté, l’aliénation et la ruine, l’impuissance, la désagrégation et la mort, un état sans espérance.“109 Die Begriffe für dieses Heil bezeichneten allesamt „mystérieuses réalités“110, deren Zugang in Glaube und Taufe liege. Wichtig ist auch, dass sich bei diesem Heil Gegenwart und Zukunft verschränken: Teilweise ist das Heil jetzt schon verwirklicht, die vollständige Verwirklichung steht aber noch aus, wobei es auch die Möglichkeit gibt, des Heiles verlustig zu gehen. Schwieriger ist es schon, genauer festzulegen, was zum Heil helfe, denn da habe es teilweise hitzige Diskussionen um die Koexistenz von Freiheit und Gnade, von göttlicher Vorherbestimmung und freiem Willen, von Glaube und Sakrament gegeben. Auch hierfür gibt es eine sehr geschickte Formulierung: „Ainsi on arrive au salut grâce à un dynamisme spirituel et externe, sacramentel et éthique, individuel et communautaire.“111 Das Hören des Wortes Gottes, der Gottesdienst und die Sakramente und, in Anlehnung an das Vatika 108 Rossano, P[ietro], Le salut dans le christianisme, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 105, s.a. p. 101–102. 109 Ib., p. 108, Hervorhebungen entfernt. 110 Ib., p. 106. 111 Ib., p.  109, die sonstigen Ausführungen nach p.  110–114. In der Schlussformulierung p. 114 heißt es dann doch wieder gut katholisch, wie auch nicht unbedingt anders zu erwarten: „Le vrai chrétien a conscience de toute ces réalités et travaille à son salut en fréquentant les sacre­ments et en écoutant la Parole de Dieu“ – Vertrauen in die Vermittlung Mariens und die Fürbitte der Heiligen ausdrücklich eingeschlossen.

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num II, die Kirche als universelles Sakrament des Heils sind aber unverzichtbar, selbst wenn eine Teilhabe von Menschen, die die Kirche nicht kennen, als möglich gesehen wird, abhängig von ihrem Leben, auch jenseits einer sichtbaren Zugehörigkeit zur Kirche, aber eben nicht ohne diese. Gleichzeitig werden die Konzilsaussagen zur Beziehung des Heils zu den großen Menschheitsidealen Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden herausgestrichen: Hier kommt wieder das Bild einer Menschheit ins Spiel, die von einer Nostalgie angezogen wird, die sie seit ihren Ursprüngen entscheidend prägt – genau das Bild, das ja auch das große Einleitungskapitel vom Menschen entworfen hatte.

4.2.2. Heil im Islam – optimistische Sicht des Menschen Die Darstellung zum Heilsverständnis des Islam beginnt bezeichnenderweise mit dem Satz: „L’islam se veut une religion totale, dans un triple sens: religion de tous les hommes, religion de tout l’homme, religion des ‚deux vies‘“112 – Letzteres be­zogen auf diese und auf die nächste Welt. Der Islam sehe sich nicht nur als die letzte und vollkommenste Religion, sondern – und das ist anthropologisch bedeutsam und bildet sozusagen Anfang und Schluss dieses Beitrages und wird auch zwischendurch unter dem Stichwort muslimische Heilsgeschichte erwähnt – als die Wiederaufnahme der natürlichen Religion des Menschen, der vor seiner Erschaffung bzw. Geburt ein Bündnis des Monotheismus mit Gott („le pacte prééternel de monothéisme“113) geschlossen habe. Nach einer Hadith wird jeder Mensch als Muslim geboren und erst die Eltern machten aus ihm einen Juden oder Christen. Der Mensch wird also gut und gläubig geboren, was zu einem grundlegenden Optimismus bezüglich der menschlichen Natur führe. Dies wiederum könne die strikte Ablehnung jedes Heilsmittlers erklären, die für den Islam so charakteristisch ist. In dieses Bild passt hinein, dass Adam und seine Frau wohl unter dem Einfluss Satans ungehorsam waren und aus dem Paradies vertrieben wurden und deshalb alle Menschen Prüfungen, Anfeindungen und dem Tod ausgesetzt sind: „Il y a donc là le récit de la faute personnelle d’Adam (peccatum originans) et même de ses conséquences physiques pour l’humanité.“114 Von Erbsünde, pecca­ tum originale, aber kann nicht die Rede sein. Außerdem wendet sich der Islam an den ganzen Menschen in allen Bezügen seines Lebens. Im Prinzip sei alles religiös und ein profaner Bereich nicht abzutrennen, auch Staat und Religion nicht zu trennen, d. h., der Islam müsse Staatsreligion sein und alle Bereiche 112 Caspar, R[obert], La recherche du salut dans l’islam, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 115. 113 Ib., p. 121, s.a. p. 115–116 u. p. 137, wo es heißt: „Ainsi, être musulman, c’est suivre la loi de la nature, et ne pas l’être est une anomalie, une sorte de parjure.“ 114 Ib., p. 121.

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des familiären, sozialen und politischen Lebens prägen. Ferner sichert der Islam, so sein Selbstverständnis, das Wohlergehen des Menschen in diesem und im nächsten Leben in ausgewogener Weise, keines wird um des anderen willen vernachlässigt, Leib und Seele bekommen, was sie brauchen. Das werde sehr oft als Argument für die Überlegenheit des Islam genommen, gerade gegenüber dem Christentum  – Jesu Antwort an den reichen Jüngling stoße auf völliges Unverständnis. Was die Details angeht, so geht der Autor stark auf die innerkoranische Entwicklung zwischen mekkanischen und medinensischen Suren ein. Die genannte Ausgewogenheit gehört eindeutig letzteren an, während in der mekkanischen Periode eine Betonung der sozialen Gerechtigkeit und des Gerichtes Gottes vorherrscht, die stark biblische Züge trägt. Es ist klar, dass Glaube Werke, zunächst v. a. solche der sozialen Gerechtigkeit und der Hilfe gegenüber Armen, braucht und diese das Urteil Gottes begründen, wie nach dem Koran überhaupt der Glaube in den Werken zu bestehen scheint. Erst am Ende der mekkanischen Periode taucht der Gedanke der Prädestination auf. Glaube und Unglaube sind freie Handlungen des Menschen und, gleichzeitig oder mehr noch davor, Gabe Gottes: „Ainsi le Coran comme la Bible, suivant le genre littéraire sémite, affirme simultanéament deux vérités apparement contradictoires, mais en réalité complémentaires: Dieu est tout-puissant et l’homme est libre et responsable“115. Mit der entscheidenden medinensischen Periode aber verschiebe sich der gesamte Schwerpunkt weg von der sozialen Gerechtigkeit hin zum zeitlichen Sieg als Zeichen göttlicher Gunst und Wahrheit der koranischen Offenbarung und damit auch hin zum heiligen Krieg, der zum guten Werk schlechthin wird. So wird ein Verlust als religiöser Skandal empfunden und eine Mystik von Verlust und Leiden gibt es im orthodoxen Islam nicht. Das Heil ist den muslimischen Gläubigen reserviert, auch wenn einige koranische Verse beispielsweise auch Juden und Christen einbeziehen, jedoch werden diese allgemein als durch andere aufgehoben betrachtet. Es hat allerdings in der islamischen Geistesgeschichte Strömungen gegeben, die davon ausgehen, dass ein Nichtmoslem, der den Islam nicht kennt oder nur eine falsche Vorstellung von ihm hat, aber dem Licht seines Gewissens/seiner Vernunft (die Gut und Böse kennt und die Wahrheiten des Glaubens zeigt) sowie den Lehren der Propheten folgt (das wäre für die Christen Christus), ins Paradies kommt. Das geht bei den Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts bis zur Aussage, der Glaube an die Sendung Mohammeds sei nicht heilsnotwendig. Eines aber ist ein roter Faden: „Dieu est à l’origine et à la fin de la destinée de l’homme“116.

115 Ib., p. 122, s.a. p. 123. In Hadith und Theologie ist die Tendenz: „Tout est déjà ‚écrit‘ lorsque l’embryo est encore au sein de sa mère“ (p. 127). 116 Ib., p. 136, s.a. p. 123–125.127–135.138.

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So erweist sich allein in der Gegenüberstellung bis zu diesem Zeitpunkt (die reli­ gionswissenschaftlichen und christlich-theologischen Beiträge wurden von Pietro Rossano bearbeitet, während die islamwissenschaftlichen Beiträge aus verschiedenen Federn stammen, jedoch sämtlich aus dem Beraterstab des Sekretariats), dass viele Übereinstimmungen in der Sicht auf den Menschen als Geschöpf gegeben sind, aber das Maß seiner Erlösungsbedürftigkeit sehr verschieden gesehen wird, wobei der Islam eindeutig optimistisch(er) ist bezüglich der natürlichen Möglichkeiten des Menschen. Außerdem herrscht eine andere Einschätzung dessen, was im Bereich des menschlichen Lebens noch speziell der Religion zuzuordnen ist. Hier hat das Christentum strenger abgegrenzte Bereiche, während der Islam die diesseitige Existenz stärker gewichtet und ordnet und praktisch keinen individuellen, profanen Spielraum lässt.

4.3. Der Mensch – offen für eine Beziehung zu Gott Tiefere Differenzen auch in der Anthropologie treten bezeichnenderweise im nächsten Abschnitt dieses Bandes auf, der offiziell der Theologie gewidmet ist und in dem die Anthropologie nur indirekt, aber eben auch notwendigerweise vorkommt, da sich von Gott nur in seiner Beziehung zum Menschen sprechen lässt. Die religionswissenschaftliche Einleitung, wiederum von Pietro Rossano, stellt das gleich klar: Allen Religionen sei eine Beziehungsstruktur gemeinsam – die Menschheit möchte in Kontakt treten mit der letzten und obersten Realität. Gott sei für den Menschen der höchste Wert. Das führe zum Glauben und zu einer Reihe von Haltungen und Gefühlen zwischen Furcht und Liebe, wobei diese Beziehung sich häufig als Suche nach Sicherheit und nach einer harmonischen Einheit mit dem Kosmos ausdrücke. Bei allen Verschiedenheiten von Religionen und Gottesvorstellungen wird wieder die gemeinsame anthropologische Grundlinie betont: „Du point de vue historique, soit la religion, soit son centre, Dieu, apparaissent comme un phénomène polyéthnique et polymorphe et répondent à la quête de l’Ultime et de l’Absolu inscrite au fin fond de tout homme.“117 Gemeinsam sei außerdem allen Religionen, dass für sie Gott immer noch größer ist als alles, was Menschen dazu sagen könnten. Eine Sonderstellung nähmen noch einmal die biblischen Religionen ein, also alle, die einen Bezug zur Offenbarung des Alten Testaments hätten. Für sie gebe es zwischen Schöpfer und Geschöpf sowohl trennende als auch verbindende Elemente, Welt und Mensch trügen eine Spur Gottes und seiner Größe. Christentum (hier ist wieder, ohne es ausdrücklich zu sagen, an die katholische Lehre gedacht) wie Islam würden eine natürliche Theologie und Religiosität anerkennen. Insgesamt aber gebe 117 Rossano, P[ietro], Préliminaire, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 228, s.a. p. 227.229.

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es drei Weisen, den Menschen zu sehen: als Teil des Göttlichen, als unbedeutend und sterblich (also materialistisch oder existenzialistisch) oder in der Weise, „que l’homme soit conçu comme capable d’absolu et ouvert à une communication infinie“118 – eindeutig die Haltung, die vertreten wird und von der aus auch gesagt wird, dass alle Religionen den Menschen zu dieser Gemeinschaft mit Gott riefen, ohne die er seine wirkliche Natur als Mensch nicht verwirklichen könne.

4.3.1. Islam: der Mensch – Liebe zu Gott kann es eigentlich nicht geben Der Beitrag zur muslimischen Position betont zunächst die traditionelle mus­ limische Auffassung, nach der Mohammed Gott als Schöpfer habe verkündigen sollen (so die älteste Sure im Koran), der sich sowohl um die Menschen kümmere als auch absolute Souveränität über sie habe. Der Mensch ist nur geschaffen, um Gott anzubeten. Gott ist dem Menschen sowohl unendlich nah als auch für diesen unerreichbar – sozusagen komplementäre Gegensätze. Diese Abhandlung betont die besondere Wichtigkeit des Bundes, den Gott vor der Erschaffung der Körper mit den Menschen geschlossen hat. Jeder Mensch trägt bei seiner Geburt das Zeichen dieses Bundes wie ein Siegel auf dem Herzen und hat keine Entschuldigung, Gott überhaupt nicht zu kennen. Die einzige verbleibende Frage ist, ob die menschliche Vernunft dazu den Beistand der Offenbarung braucht oder nicht. Nach gängig gewordener Auffassung muss doch erst die Offenbarung der Vernunft diese Erkenntnis zur Aufgabe machen. Das Paradebeispiel für das Wiederbeleben dieses Paktes, für den Blitz des Wiedererkennens, dass hinter der Ordnung und Harmonie des Universums Gott steht, ist Abraham. Muslimische Theologie und Philosophie hat sich ausgiebig mit der Frage beschäftigt, was die menschliche Vernunft von Gott erkennen kann, sei es aus sich selbst oder durch die schriftliche Offenbarung, doch manches bleibt problematisch, z. B. der Zusammenhang zwischen Gottes Allmacht und den freien Handlungen des Menschen. Die Mutaziliten betonten die menschliche Freiheit, während z. B. die Aschariten „nieront la réalité intrinsèque, ontologique, du libre-arbitre humain, tout en veillant à en sauvegarder phénoménologiquement l’apparence (psychologique)  d’effectuation.“119 Dieses Problem taucht nochmals auf beim Versuch 118 Ib., p. 235, s.a. p. 229.232–234. 119 Gardet, L[ouis], En islam: Dieu et le croyant en Dieu, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p.  354, s.a. p.  344.347–348.350–352. Ein interessanter Beitrag zum Thema, der hier erwähnt werden soll, weil er auf einer internen Tagung des Sekreatriats mit Beratern und Spezialisten vom 27.–29.11.1971 in Paris vorgetragen wurde, ist Arnaldez, R. Les valeurs de l’Islam, BSNC 19 (1972), p.  21–29, der neben genauen Schilderungen sufischen Verständnis von Gott und Mensch auch darauf eingeht, dass der absolute Monotheismus islamischen Verständnisses, die ständige göttliche Schöpfung von allem praktisch dazu führt, dass nicht nur Naturrecht und

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der Harmonisierung zwischen der menschlichen Freiheit und der totalen Hingabe an Gott (Islam). Einerseits ist es die einzig mögliche Haltung, andererseits soll diese Haltung die menschliche Initiative nicht unterdrücken, ganz abgesehen von der islamischen Sicht des Menschen als Statt-halter Gottes auf Erden. Das Problem und dessen ‚Lösung‘ ist allerdings auch dem Christentum nicht ganz fremd, wie ausdrücklich betont wird: „Nous noterons enfin une précision, qui n’est pas sans avoir sa répondance en théologie crétienne: l’action mauvaise est imputable à l’homme seul; cependant que l’action droite, qui mène à Dieu, et qui engage aussi la volonté, ne s’accomplit que par la Miséricorde du Très Haut“120. Schließlich ist noch interessant, dass der orthodoxe Islam den Gedanken einer Liebe des Menschen zu Gott ablehnt, da Liebe entweder als Willensakt gesehen wird und der endliche menschliche Wille doch kein unendliches Objekt haben kann oder aber so, dass sie zumindest eine proportionale Übereinstimmung voraussetzt, die zwischen Schöpfer und Geschöpf nicht möglich ist. Der Glaube an Gott verlangt die Liebe der Menschen untereinander, aber in Beziehung zu Gott kann es Liebe nur für das Gesetz, das Gebot, die Wohltat Gottes geben, „mais non de Dieu Lui-même et en Lui-même“121. Es ist auf den ersten Blick bereits klar, dass hier ein diametraler Gegensatz zur christlichen Sicht des Menschen und seiner Beziehung zu Gott besteht.

4.3.2. Christliche Anthropologie: Der wahre Mensch ist nur Christus Der christliche Beitrag ist im Bereich der Anthropologie fast rein christologisch. Es gehe jeder Theologie darum, was Gott für den Menschen ist, und noch mehr, was wir Menschen für Gott sind. Dabei ist von der Geschichte der Begegnung Gottes mit den Menschen die Rede. Die Initiative zur Begegnung geht von Gott aus, er passt sich den Menschen, ihrer Mentalität, ihrem Milieu an, gerade in Jesus Christus. Als charakteristisch für den Menschen werden wieder sein Streben genannt, Böses zu überwinden und ein universelles Heil zu erreichen. Überhaupt gehört es zum Menschen, dass er in Beziehung ist, in Beziehung zu seinen Mitmenschen, aber auch zur Umwelt. Gegensätze charakterisieren seine Existenz: damit auch Menschenrechte als Naturrecht nicht existieren, dass die menschliche Handlungsfreiheit nur im Gewissen des Menschen vorhanden ist, sondern dass überhaupt jegliche innerweltliche Kausalität menschlichen Handelns aufgelöst wird: Beispielsweise hat der Erwerb von Reichtum nichts mehr mit Umständen oder Arbeit und Geschick des Einzelnen zu tun, sondern wird so zum reinen Geschenk Gottes an den Betreffenden. Nimmt dieser es als solches an, so ist dieser Reichtum legitim, schreibt der Mensch ihn aber sich selbst zu, so ist er eine illegitime Aneignung, für die er sich wird verantworten müssen. Sicher sind Berührungspunkte auch mit christlicher Spiritualität vorhanden, doch ist eine christliche Sicht da differenzierter und großzügiger, was die Freiheit des Menschen und überhaupt der Schöpfung und ihrer Ordnungen angeht. 120 Ib., p. 360, s.a. p. 357.359. 121 Ib., p. 363, s.a. p. 362.

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gut – böse, Tod – Leben, Egoismus – Liebe, Geschichte – Überzeitlichkeit, Erde – Himmel, Mensch – Gott. Und gerade weil Christus eigentlich Gott ist, kann er auch der Mensch sein, so wie der Mensch eigentlich sein sollte. Dies wird ausdrücklich als wichtige Wahrheit der christlichen Anthropologie bezeichnet und zieht sich prägend durch die gesamte Darstellung. Wer den Menschen und die biblische Gottesebenbildlichkeit, die auch als Zeichen für die oft beschworene Tiefe der menschlichen Natur gesehen wird, wirklich erfassen will, der kann nur auf Christus sehen, den zweiten, den eigentlichen Adam. Nur er ist die Liebe schlechthin, die ihr Leben dahingibt. Der Mensch an sich kann nur Mensch, Ebenbild Gottes werden, wenn er seine Zuflucht zu Christus nimmt.122 Sicherlich spielt bei dieser Darstellung sehr mit hinein, dass es eigentlich um die Theologie geht, und dass christliche Theologie nicht von Gott reden kann, ohne von Christus zu reden. Mit einer gewissen Logik gilt auch, dass sie nicht vom Menschen reden kann, ohne von Christus zu reden. Ob dies aber notwendig immer so ausgesprägt, so ausschließlich, so christologisch und trinitätstheologisch geschehen muss, darf gefragt werden. Es ist dies sicher nicht die Darstellung, die sich einem Nichtchristen so einfach erschließt (erschließen will?) auf der Basis des ja doch gemeinsamen Menschseins.

4.4. Gut und Böse Der letzte Abschnitt des Buches zu den Religionen und ihren grundlegenden Themen befasst sich mit Gut und Böse – als Grundmuster der Welt, aber auch als Eckpfeiler einer konkreten Moral und Ethik. Das einführende Kapitel ist religionswissenschaftlich breit angelegt und geht nur am Ende etwas ausführlicher auf Judentum, Christentum und Islam ein. In Judentum und Christentum werde dabei auch die menschliche Motivation zu Gehorsam bzw. Ungehorsam gegenüber den göttlichen Vorschriften mit eingeschlossen. Das Alte Testament definiert das Böse als Untreue gegenüber Gott und als widerrechtliche Taten. Von Interesse für Judentum und Christentum ist auch die Wirkungsgeschichte von Genesis 3.  Ursprünglich wohl als Erklärung für die Lebensumstände des Menschen gedacht (wie sonst nur noch in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur), treten im Spätjudentum und v. a. im Christentum andere Züge hervor. Dazu gehören die Verführbarkeit und Schwäche der Frau, aber eben auch die heilsgeschichtliche Gegenüberstellung von Adam und Christus. Dabei sei aber das Heil der 122 Nach Festorazzi, F[ranco], Le Dieu vivant dans la révélaton chrétienne, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 365.368–370.372–373.387.389.395.400. Für die Vielzahl der Aussagen zur christologischen Anthropologie s. p. 377–379.386–391.393–394 und schließlich p. 396: „Pour que l’homme devienne l’image du Père il doit recourir au Christ, qui en est l’image idéale.“

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Ausgangspunkt für die paulinisch-christliche Lehre vom Bösen und von der Erbsünde und nicht umgekehrt. Die kritisierten anthropologischen Schlüsse würden aber zugegebenermaßen dadurch begünstigt, dass beide Themen in einer Episode zusammengefügt würden: der Ungehorsam der Voreltern und die Tatsache, dass der Mensch ein schlechtes Herz (bekommen) hat, die Begierde einfach da ist. Hinzu kommt noch, dass aus Einmaligkeit und Kontinuität sowohl der Heilsgeschichte als auch der Menschheit sich die Lehre von der Übertragung der Erbsünde entwickelte und dabei einen Vorteil zog aus der offensichtlichen Tatsache, dass man Mensch wird, indem man geboren wird. Um dualistischen Interpretationen entgegenzuwirken, definierte Augustinus das Böse beispielsweise als Mangel an einem geschuldeten Guten.123 Es fällt auf, dass diese sehr interessante und, wie gesagt, grundsätzliche Darstellung auf den Islam so gut wie nicht eingeht. Außerdem nimmt die später folgende Darstellung aus christlicher Sicht diese auf anthropologischer Ebene sehr spannenden Gedanken und Argumente überhaupt nicht auf, wie zu sehen sein wird, ja widmet sich über weite Stecken und in teilweise fast pragmatischer Weise der Ethik. Unter dem Gesichtspunkt dieser Untersuchung ist das sehr zu bedauern.

4.4.1. Gut und Böse, Gott und Mensch – das islamische Konzept Der Beitrag zur muslimischen Position beschäftigt sich damit, was für den durchschnittlichen sunnitischen Moslem das vorgeschriebene Handeln gegenüber Gott und den Menschen ist. Gut und Böse sind im Islam Objekt der grundlegenden Wahlmöglichkeit, die Gott der menschlichen Freiheit bietet, wobei genau hinzusehen ist, was das bedeutet und was nicht. Wichtig ist zunächst, dass die Unterscheidungsnorm zwischen Gut und Böse eine geoffenbarte ist, nämlich der Koran. Er legt die Rechte Gottes und der Menschen fest. So weit würden alle Muslime übereinstimmen. Die tiefgreifenden Unterschiede gibt es in den Fragen nach der Zurechenbarkeit des menschlichen Handelns und nach der letzten Begründung der Sittlichkeit. Hier nimmt der Beitrag die oben genannte Beschränkung vor, nach der die Handlung des Menschen in hohem Maß abhängig ist von der schöpferischen Handlung Gottes. Gott erhält nicht nur, er hört nie auf zu schaffen. Ein immer neuer Schöpfungsakt bewirkt, dass das Geschöpf in jedem Augenblick seines Daseins ein neues Wesen ist. Von sich aus ist das Geschöpf nichts. So hat auch das Handeln der Geschöpfe an sich keine Wirksamkeit außer durch die Kraft, die Gott in ihnen schafft. Gott stellt zwar zwischen der Handlung des Menschen und deren Auswirkungen eine Art Gewohnheitsbeziehung her, die er aber nach seinem Gutdünken auch zerbrechen könnte. Von daher 123 nach Bianchi, U[go], Le concept du bien et du mal dans les religions, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 428.431–438.

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ist es Gott selbst, der – auch auf moralischem Gebiet – die freie Handlung des Menschen erschafft, was sofort die Frage nach der Verantwortlichkeit des Menschen aufwirft. Der Mensch hat, sozusagen in seiner Seele, das Gefühl der Wahlfreiheit. Das führt zu recht unlogisch klingenden Aussagen über die Freiheit des Menschen: „Bien qu’elle n’ait aucune efficacité sur les actes qu’elle choisit, la liberté humaine existe.“124 In Wirklichkeit schafft Gott im Augenblick des menschlichen Handelns im Menschen die Fähigkeit dazu. Durch diese Fähigkeit erwirbt der Mensch seine Handlung und Gott rechnet sie ihm mit gutem Recht zu. Gerade in seinen freien Handlungen ist der Mensch also Objekt entweder des göttlichen Beistands oder der Gottverlassenheit, denn Gott schafft auch die Fähigkeit zum Ungehorsam. Gott hat keine Verpflichtung, seinen Diener im Guten zu erhalten. Was den angeht, der Böses tut, kann nur Gott dieses Böse wollen und in ihm schaffen. Entscheidend ist schließlich die – positive wie negative – Vorherbestimmung durch Gott, alle freien Handlungen des Menschen fallen darunter. Gut wie Böse sind also Werk Gottes, für die er die Verantwortung dem Menschen zurechnet, dem er vorher dazu die Fähigkeit gegeben hat. So fällt das Böse auf den Menschen zurück, nicht auf Gott. Dies kann man getrost als „conception négative du libre arbitre humain“125 bezeichnen: Der Mensch erscheint als ein Wesen, das in die Form eines freien Wesens gezwungen ist. Entscheidend aber ist Gott, auch nicht die Natur einer Sache an sich: Nur durch göttliches Befehlen wird der Mensch Subjekt von Rechten und Pflichten, wobei Gott auch die Freiheit hat, Ungerechtes oder Unmögliches zu befehlen. Ungehorsam gegen das göttliche Gesetz aber wird eingestuft als Schlag gegen den gnädigen Vertrag Gottes mit der adamitischen Rasse. Die Leugnung der Einheit Gottes aber ist noch mehr als Ungehorsam. Sie ist der Aufruhr, der diesen Vertrag aufkündigt, die einzige Sünde, bei der es um das ewige Heil geht, zu dem sonst der von Gott im menschlichen Herzen geschaffene Glaube genügt – erste Pflicht, aber auch erstes gutes Werk des Menschen. Die Pflichten sind über den Glauben hinaus die Ergebung in Gottes Willen (Islam) und die sogenannten fünf Säulen des Islam, jeweils zumindest mit dem Willen zum Gehorsam. Pflicht der Gemeinschaft, an der nach heutigem Verständnis jeder Moslem Anteil hat, ist es v. a., das Gute zu befehlen, was sich wieder auf die fünf Säulen des Islam, aber auch auf andere Vorschriften bezieht. All dies zusammengenommen bezieht sich auf das göttliche Gesetz und bildet das Fundament des Gebäudes der muslimischen Moral, der persönlichen wie der sozialen. All dies aber ist eben nicht rational gut oder schlecht, dadurch haben die 124 Gelot, J[oseph], Le bien et le mal en Islam, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 529, s.a. p. 552 sowie p. 525–528. Laut eigenem Bekunden (p. 523, note 1) lehnt sich der Beitrag stark an einen Artikel von Louis Gardet an, in dem es um das Verhältnis zwischen Gott und dem Geschick des Menschen geht. 125 Ib, p. 530, s.a. p. 529.

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menschlichen Taten auch keine wesenhafte Qualifikation als gut oder schlecht. Auch Lohn oder Strafe entbehren einer zwingenden Begründung durch Gehorsam oder Ungehorsam und hängen an Gottes freier Entscheidung, wobei Belohnung als reine Gunst, Bestrafung als reine Gerechtigkeit erscheint. Wieder bleibt der Sachverhalt seltsam in der Schwebe: „Bien que purement gratuits de la part de Dieu, récompenses et châtiments sont une réalité avec laquelle l’homme doit compter.“126 Der Bestrafung kann man beispielsweise dadurch entgehen, dass man die eigenen Fehler durch Reue auslöscht, was konkret bedeutet: Aufhören, diesen Fehler zu begehen, entschlossen sein, diesen Fehler nie wieder zu begehen und, so der Fehler auch Menschen betraf, Wiedergutmachung leisten bzw. sich vom Opfer davon befreien lassen. Wenn man diese Reue verzögert, ist das bereits wieder ein neuer Fehler. Aber viele glauben auch, dass andere Taten Fehler auslöschen, so beispielsweise hunderttausendmal das Glaubensbekenntnis zu sagen, die Wallfahrt nach Mekka oder die Teilnahme am Heiligen Krieg. Jedenfalls gibt es normalerweise keinen Zusammenhang zwischen menschlicher Reue und göttlicher Vergebung, nur im Sonderfall der Leugnung der Einheit Gottes ist die Reue des Menschen Vorbedingung für die Vergebung Gottes.

4.4.2. In sich zerrissen – der Mensch in christlicher Sicht Die Darstellung von Gut und Böse aus christlicher Sicht beginnt mit einem Rückgriff auf Nostra Aetate. Der Autor macht gleich zu Anfang deutlich, dass er über rein rationale Grundlagen, also eine allgemeine natürliche Ethik hinausgehen möchte und seine Position auf der Heiligen Schrift und dem Lehramt ruht. An verschiedenen Stellen ist diese dezidiert katholische Position auch deutlich spürbar, andere christliche Konfessionen (teilweise ausdrücklich erwähnt, teilweise nur zwischen den Zeilen lesbar) beziehen andere Positionen. Doch allgemein gültige christliche Grundaussage ist zunächst einmal, dass die menschliche Geschichte eine Geschichte der sündigen Menschheit ist, die von der Sünde befreit werden muss. Moral sei die persönliche Aufforderung Gottes an jeden Menschen, wirklich göttlich zu sein – und die freie Antwort des Menschen auf diese Liebe stelle den Wert des Menschen dar, ein Abweisen dieser Liebe könne nur tragisch sein. Von dieser Freiheit des Menschen und wie sie zu Stande kommt (ein großer innerchristlicher Streitpunkt) ist oft die Rede, es bleibt aber im Verschwommenen, oder positiver ausgedrückt im Geheimnisvollen: Christus, handelnd durch die Kirche und den Heiligen Geist „éclaire nos intelligences et stimule et v­ ivifie nos volontés en une synergie mystérieuse où Dieu inervient et l’homme déploie 126 Ib., p. 546, zu den vorhergehenden Ausführungen s. p. 529–536.538–545. Besonders hinzuweisen ist auf die moderne Darstellung muslimischer Moral (p. 541, note 56); die praktisch ein langes Zitat einer muslimischen Darlegung derselben ist. Die noch folgenden Ausführungen beziehen sich auf p. 547.551–552.

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toutes ses libres initiatives.“127 Überhaupt verweigert Gott niemals dem sein Licht, der tut, was in seiner Macht steht. Für die genauere Beschreibung der dramatischen Realität der Sünde, die Teil des Dramas der menschlichen Existenz ist, greift der Autor auf Augustinus zurück. Die Ursünde erscheint als Sünde des Ungehorsams, wobei das Entscheidende innerlich passiert: der Wille, sich selbst zu genügen, der Versuch, sich allein aus eigenen Kräften zu vergöttlichen. Diese totale Autonomie zerstört die Beziehung des Menschen zu Gott, die nicht nur eine Beziehung der Abhängigkeit, sondern auch der Freundschaft war, und Gott erscheint stattdessen als Rivale des Menschen. Das hat weitreichende Auswirkungen: Der Mensch ist in sich gespalten, wie Paulus es beschreibt. Die Sünde ist ein Faktor der Desintegration, im Menschen selbst, in seiner Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen, die sich auf einmal nicht mehr verstehen können. Man kann auch sagen, Sünde ist vor allem anderen die Weigerung zu lieben. Wenn man diese Linie auszieht, so kommt man dahin, dass Gottes Gebote nicht einfach so erfüllt werden können, sondern vorher angenommen werden müssen, und das geschieht im Innersten des Menschen, im Gewissen, im Herzen. Gott ist schon da, hat den Wunsch, ihn zu suchen, selbst hineingelegt und spricht dort in einer Sprache, die wieder auf geheimnisvolle Weise die menschliche Freiheit respektiert. Ja, es geht noch weiter: „C’est en présence de Dieu, mieux en climat divin, que l’homme agit, en dialogue avec lui, et en co-opérateur et de sa création et de sa Rédemption.“128 Christliche Moral ist keine Schöpfung des Menschen, sie ist Aufforderung Gottes und Antwort und aktive Mitarbeit des Menschen. Die Transzendenz Gottes bleibt dabei gewahrt, bei aller Ähnlichkeit ist die Unähnlichkeit zwischen Geschöpf und Schöpfer immer noch größer und es ist Gott, der in der Heilsgeschichte immer wieder versucht, den Menschen der Sünde zu entreißen. Diese letzte göttliche Liebe zieht auf der horizontalen Ebene die Befreiung der Menschen zur Liebe untereinander bis hin zur Feindesliebe 127 Greco, J[oseph], Le bien et le mal, Perspectives chrétiennes, dans: Secretariatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 557, s.a. p. 555 f. Spätere Einlassungen zu diesem Thema sind nicht viel klarer, so (p. 571): „La réponse de l’homme sera toujours libre. (…) Si l’être humain est évidemment conditionné sous plus d’un aspect, il reste toujours le maître, s’il le veut, de ce domaine intime d’un ordre de grandeur infini où il domine tout conditionnement. Or c’est cette enclave divine, la plus noble qui soit, qui en l’homme crie ontologiquement qu’il est de la race de Dieu“. 128 Ib., p. 565, s.a. p. 558–562.564. Interessant im Zusammenhang mit der Definition von Erb- bzw. Ursünde ist auch p. 579 mit einer indirekten Andeutung, das Streben des Menschen, Gott sein zu wollen, könnte sogar von Gott angelegt sein „dont l’amour n’a de cesse qu’il n’ait réalisé ce paradoxe de rendre participants de la nature divine les enfants des hommes, appelés à devenir authentiques fils de Dieu!“ Andererseits heißt es aber auch ganz deutlich (p. 580): „Le refus libre, donc conscient et volontaire, de reconnaître cette origine divine et la tentative d’arrache­ment de cette origine divine et la tentative d’arrachement de cette dépendance foncière en un geste d’auto-suffisance, voilà qui est à la racine de tout péché. Mais toute trahison de l’amour de Dieu est du coup trahison de l’amour de l’homme.“

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nach sich. Die Nächstenliebe sei der einzige absolut christliche Wert. Diese Nächstenliebe zieht ein Zurückschrecken vor dem Bösen nach sich und verankert fest im Guten.

4.4.3. Konkrete Moral auf christlicher Seite Wenn es um konkretere Füllung der christlichen Moral geht, so erfolgt ein Rückgriff auf die zehn Gebote und die Bergpredigt. Wohl hat jeder Mensch, so die Interpretation von Röm. 2, die Möglichkeit, die Stimme Gottes zu hören, die Essenz der zehn Gebote hat Gott den Menschen unauslöschlich ins Herz geschrieben, doch er wollte noch deutlicher werden. Auch die Unterlassung von etwas, was man nach seinem Gewissen tun sollte, wird von der Bibel angeklagt. Wobei die genannte innere Instanz bei genauerem Hinsehen als nicht sehr weitgehend betrachtet wird: Die Vernunft entdecke in sich das Grundgesetz, das Gute zu tun und das Böse zu vermeiden, aber jede genauere Definition sei milieuabhängig, d. h. abhängig von der Familie, der Gesellschaft, der Zeit, in der jemand lebt. An anderer Stelle heißt es gar, Gott breche in das Leben der Menschen ein und seitdem finde dieser nicht wirklich mehr Sinn außer in Gott: „Toute autre hypothese de recherche ou pire encore, toute autre tentative de construire un monde sans Dieu ou contre Dieu serait non seulement chimérique et irrationnelle, mais criminelle et fatale.“129 Dies erinnert an die Argumentation zum Sündenfall, doch die Rede vom Einbruch Gottes ist etwas irritierend dabei. Konkreter ist, dass man auf eine absolute Liebe eine absolute Antwort geben müsse. Dies sei typisch christlich. Interessanter im Gegenüber zum Islam sind drei wichtige biblische Punkte bezüglich Moral: Es gibt demnach eine klare Stellung gegen persönliche Rache und eine ebensolche für Versöhnung als letztes Ziel und: „Nul ne peut mobiliser Dieu même sous le prétexte de croisades.“130 Das bedeute aber nicht einen Frieden um jeden Preis. Auf der Ebene der Staaten gebe es ein Recht auf Selbstverteidigung, aber nicht das Recht zu Gewalt ohne Ende, beispielsweise bis hin zur Zerstörung ganzer Städte (hier wird Gaudium et Spes zitiert und man meint Anklänge an die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs zu hören). Der Beitrag endet damit, dass Christus all das durch die Sakramente im Christen bewirkt: „À l’homme interpelé par Dieu, dans le Fils, la route est indiquée et la force est donnée, non d’une manière motrice externe mais bien au plus profond de luimême en vertu d’un processus vital, qui part de Dieu, invite, attire et transforme et qui, en un /p.587 mot, dynamise tout l’être humain qu’il saisit, tout en respectant sa liberté.“131 Damit kehrt die Frage nach dem Verhältnis von göttlichem und menschlichem Handeln bzw. menschlicher Freiheit wieder, die letztlich neben 129 Ib., p. 579, s.a. p. 566–573.575–578. 130 Ib., p. 584, s.a. p. 577. 131 Ib., p. 586/587, s.a. p. 584–585.588; p. 591–596 enthält die Wiedergabe der Didache.

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einander stehen bleiben, ohne dass ihr Verhältnis genau geklärt wird. Dies geschieht auf einer anderen Basis und v. a. in ganz anderer Weise als oben in sehr philosophischer und dann doch fast paradoxer Weise für den sunnitischen Islam dargelegt, aber es wird deutlich, dass man hier bei einer Grundfrage der theologischen Anthropologie ist, für die es keine einfache Antwort gibt.

4.4.4. Orthopraxie ist leichter als gemeinsame Dogmen Schließlich bindet ein kurzer Artikel die Diskussion um Gut und Böse in den Religionen sowie in gewissem Sinn sogar den Ertrag des gesamten Buches noch einmal zusammen, ausgehend davon, dass die Unterscheidung und Gegenüberstellung von Gut und Böse, sei es auf instinktiver, sei es auf reflektierter und bewusster Ebene, eine universelle menschliche Erfahrung darstellt und dass alle Religionen für sich das Recht und die Autorität beanspruchen, eine moralische Lehre zu geben und ihre Anhänger dazu bringen wollen, das Böse zu fliehen und das Gute zu suchen. Im Bereich v. a. von Judentum, Christentum und Islam werde das Gegenüber von Gut und Böse an die Handlung und damit an die Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen gebunden. Die davon abgeleitete Ethik sei eine heteronome: Vollkommenheit erreiche man durch Gehorsam und Unterwerfung gegenüber einem transzendenten Schöpfergott, der sich offenbart hat. Es gebe sogar generelle Linien dessen, was in den Religionen als gut oder schlecht anerkannt wird. Als Beispiel dafür wird die goldene Regel genannt. In der christlichen (genauer ist wohl zu sagen: katholischen) Tradition wird diese Regel als Synthese zwischen Naturrecht und geoffenbartem Recht gesehen. Nach Augustinus und Thomas von Aquin wollte Gott durch ihre Aufnahme ins Evangelium dem, wozu der Mensch seit seinen Anfängen durch natürlichen Instinkt neigt, Vollkommenheit und Fülle geben. Im Islam gibt es eine Hadith, die aussagt, man solle dem Bruder wünschen, was man sich wünsche, und die sich nach den Kommentatoren sowohl auf den muslimischen als auch auf den ungläubigen Bruder bezieht und so die Universalität der Liebe ausdrückt. Diese Liebe allerdings drückt sich in dem Wunsch und Willen aus, dass der ungläubige Bruder den islamischen Glauben kennenlernt und annimmt. Das zeigt sehr schön, dass die goldene Regel einerseits sehr wichtig und fruchtbar für das friedliche Zusammenleben der Menschheitsfamilie ist, andererseits die Nuancen nicht übersehen und unterschätzt werden dürfen. Eines jedenfalls ist deutlich: „La convergence sur une orthopraxis est apparemment bien plus facile à l’humanité que ne l’est l’acceptation de doctrines communes (orthodoxie).“132

132 Rossano, P[ietro], Le bien et le mal dans les religions: vue rétrospective, dans: Secreta­ riatus pro non Christianis (éd.), Religions, Thèmes fondamentaux pour une connaissance dialogique, Rome 1970, p. 601, s.a. p. 597–600.602 f.

Religions in the World

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Was hier am Ende eines theoretischen Vergleichs steht, wird sich auch in der Praxis gerade des Dialogs mit den Muslimen mehr als bestätigen.

5. Religions in the World – eine Publikation für international arbeitende Organisationen Dieses Büchlein wird zwar in der auf Islam spezialisierten Aufstellung nicht genannt, ist aber besonders interessant, weil es, ähnlich wie das vorhergehende Buch, eine Publikation war, die auf starke Anregungen von außen zurückging, in diesem Fall von international arbeitenden Organisationen, die eher populär gehaltene Informationen über die Weltreligionen haben wollten, darunter selbstverständlich auch den Islam.133 Das Kapitel zum Islam ist von Maurice Borrmans geschrieben, einem ausgewiesenen Spezialisten, der hier Fachkenntnis mit einem sehr zugänglichen Stil verbindet. Er setzt, was schon in den ersten Worten deutlich wird, beim konkreten menschlichen Gegenüber ein, dem Muslim, egal ob nun besonders in seiner Religion unterwiesen oder nicht. Ansatz und Ausrichtung des Kapitels sind in sehr positiver Weise anthropologisch. Jeder Muslim strebe danach, so setzt es ein, sich Gott zu unterwerfen und ihm so die Ehre zukommen zu lassen, die ihm als Herrn und Schöpfer zusteht. Gleichzeitig strebe er danach, in allen Dingen Gott zu gehorchen, denn Gottes Wille sei für ihn ein Gesetz des Lebens und des Heils. Außerdem wisse er sich als Teil  einer weltweiten Gemeinschaft von Gläubigen, der besten Gemeinschaft, die es laut Koran für den Menschen gebe. So wird gleich in den ersten Sätzen kurz und präzise der Rahmen umrissen, der für einen Muslim und sein Denken, Fühlen und Handeln entscheidend ist. Sich mit diesem Willen Gottes zu vereinen, so wird dann ausgeführt, heißt, sich dem ­Koran anzupassen als offenbartem, nicht (nur) als inspiriertem Buch. Ähnlich anschaulich wird auch die Sunna dargestellt: Ohne Verweis auf Koran und Sunna werde im Islam nichts entschieden oder korrigiert. Diese Tradition habe oft die Form von Sprichwörtern und Maximen katechetischen Inhalts und sei so auch Kindern oder schlichteren Gemütern zugänglich. Gerade in dem Abschnitt über Engel wird sehr schön die Bedeutung des Menschen im Islam deutlich. Besonders interessant ist dabei die Rolle des Satans (Iblis), der sich Gottes Befehl verweigerte, sich vor Adam niederzuwerfen, und seitdem dem Menschengeschlecht unversöhnlichen Hass geschworen hat und versucht, den Menschen von Gott wegzubringen. Besonders ausführlich wird auch der islamische Glaube an das Jüngste Gericht beschrieben. Für Koran und Tradition stehen fest: die

133 So Pignedoli, Sergio, Preface, in: Secretariatus pro non Christianis (ed.), Religions in the World, Città del Vaticano s.a., p. 7.

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Prüfung im Grab, die Auferstehung am Ende der Zeiten, die große Versammlung der Auferweckten und das Gericht über sie mit strenger Vergeltung und der Intervention von Gottes Gnade. Für die Mehrheit der Muslime sei klar, dass allein der Glaube rette, dass also der Aufenthalt eines Gläubigen, der gesündigt habe, in der Hölle nicht für immer dauere, sondern nur, bis seine Sünden abgebüßt seien. Nur die Ungläubigen, die noch andere als Gott angebetet hätten, müssten immer in der Hölle bleiben. Die Vorstellung vom Paradies ist eine Vorstellung von einer Fülle geschaffener Güter, die jegliches körperliche und geistliche Bedürfnis des Gläubigen erfüllen. Gott wird mit ihnen zufrieden sein, was aber nicht bedeute, dass sie ihn immer schauen würden, das ist nur eine kurze und zusätzliche Gnade. Interessant ist auch, wie in dieser Kürze das Problem der Prädestination dargestellt wird in Spannung zur Vergeltung nach den Werken. Der Muslim fühle sich, so die wieder ganz menschliche Darstellung, durch seine versammelte Tradition und die traditionelle Frömmigkeit dazu geneigt, den geheimnisvollen Willen Gottes zu preisen und sich so der Prädestination zu überlassen, ganz nach dem Vorbild Abrahams, auch wenn die Reformbewegungen Freiheit und Verantwortung sehr betonten (was wiederum eine interessante Bemerkung ist, wenn es darum geht, muslimische Stellungnahmen zu diesem Thema einzuschätzen und einzuordnen). Insgesamt seien sich die Muslime, wie die Christen, der Dialektik von menschlicher Freiheit und göttlicher Erwählung sowie auch der schwierigen Diskussion um den Zusammenhang von Glauben und Werken bewusst. Auch die konkrete Glaubenspraxis wird sehr detailliert geschildert, besonders die Anforderungen an rituelle Reinheit, aber auch die Auswirkungen des islamischen Rechts im Bereich des alltäglichen Lebens. Besonders ausführlich und wertend wird dabei auf traditionelle familienrechtliche Bestimmungen eingegangen, auf (aus katholischer Sicht) verhältnismäßig weite Bestimmungen bzgl. Empfängnisverhütung und Sexualität generell, aber doch eine strikte Haltung zu Abtreibung, auf die Erlaubnis der Polygamie und eine Verstoßungspraxis, die dem Autor eindeutig zu weit geht, ebenso wie er die Kinder zu ausschließlich dem Vater zugeordnet sieht und die Frau in verschiedenen Bereichen doch als in einer eher untergeordneten Position. Als Gegengewicht zu einer gewissen Verrechtlichung sieht er die mystischen Strömungen. Schließlich geht er auch noch kurz auf die traditionellen und modernen Gruppierungen im Islam und das im Prinzip freundschaftliche Verhältnis zu den Christen ein. Es gelingt ihm dabei, die Anliegen der einzelnen Gruppen und ihre Auswirkungen gut zu schildern bis hin zu den Reformisten, die zur Reinheit der Quellen zurückwollen, den Modernisten, die Glaube, Vernunft und Wissenschaft miteinander versöhnen wollen und den modernen Unversöhnlichen, wie er Moslembrüder und Wahhabiten nennt, die nur den Koran als Verfassung anerkennen. Er schließt diese kurzen, aber sehr präzisen und verständlichen Ausführungen wieder äußerst menschlich:

Chiesa e islam

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„Following the intellectual class, the liberal career, the world of commerce or of labour (industrial or agricultural) to which each one pertains, all these ways of being a Mussulman take on further characteristics which add one thousand human richnesses to one and the same fundamental religious experience which has been described above.“134

6. Chiesa e islam – der frühe Johannes Paul II und seine Schwerpunktsetzung Islam Wieder ganz anderen Charakter hat die nächste (1981) in der Liste erwähnte Publikation. Sie ist vergleichsweise nur ein schmales Bändchen, dafür in insgesamt fünf Sprachen: Der Titel Chiesa e islam ist wie das Inhaltsverzeichnis italienisch (es gibt beides auch in arabischer Sprache im selben Band), allerdings keiner der Beiträge. Neben dem Abschnitt aus Nostra Aetate 3 sind diese, wie eine Innenüberschrift angibt, Ansprachen von Johannes Paul II an Muslime aus den ersten drei Jahren seines Pontifikats, was allerdings nicht ganz korrekt ist, denn es beginnt mit der Ansprache an die Katholiken von Ankara. Alle Texte sind ins Arabische übersetzt und mit Ausnahme des (deutschen) Grußes an die Muslime in Deutschland sind alle anderen auch noch in englischer und französischer Sprache. Allein aus diesen wenigen Fakten lässt sich mit ziemlicher Sicherheit bereits einiges schließen. Vielleicht gerade weil den Texten kein erklärendes Vorwort beigegeben ist, sollen sie ganz für sich stehen und wirken als grundlegende und wegweisende Texte der Kirche, wie ja auch der Titel sagt, wohl weniger nach innen als vielmehr nach außen. Diese kleine Publikation dürfte sich also schwerpunktmäßig an die Muslime richten, wie ja auch der größte Teil ihres Inhalts und die einzige durchgängige Sprache. Erstaunlich ist, dass sich bereits nach drei Jahren des Pontifikats (und noch vor der richtungsweisend gewordenen CasablancaRede) von Johannes Paul II ein solcher Band nahelegte, dass zu diesem frühen Zeitpunkt seines langen Pontifikats offensichtlich schon deutlich wurde, dass im Zugehen auf die Muslime einer seiner Schwerpunkte lag. Im Rückblick fällt auf, dass viele der Texte auch in den gut zehn Jahre später erschienen, von Francesco Gioia erstellten Sammelband des dann Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog noch aufgenommen wurden, allerdings nicht alle, und mit einigen, nicht immer unbedeutenden Änderungen. Zunächst erscheint es logisch, dass Nostra Aetate 3 aufgenommen wurde. Allerdings scheint, auch wenn man sich die häufigen Rekurse darauf in den ersten Ansprachen ansieht, der Schwerpunkt eher auf der Wertschätzung der Muslime und ihres reli‑

134 Borrmans, M[aurice], Islam, in: Secretariatus pro non Christianis (ed.), Religions in the World, Città del Vaticano s.a., p. 117, s.a. p. 85 f.88–91.95.98–101.105 f.110–116.

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giösen Erbes zu liegen und weniger in dem, was man nun gemeinsam tun könnte. Das tritt, neben den Problemen, die es auch gibt, erst in den späteren Ansprachen in den Vordergrund. Nimmt man hinzu, dass die Ansprachen in der Türkei, in Ghana und Kenia, in Frankreich und Deutschland, in Pakistan und auf den Philippinen gehalten wurden, so ergibt sich auch geographisch und von der Ausgangssituation her, nicht nur von der inneren Entwicklung, ein für eine solch kurze und frühe Zeit außerordentlich repräsentatives Bild, das sich in den Grundzügen deckt mit dem, was auch im ersten Kapitel als Grundlinien schon herausgearbeitet wurde. Keinen Eingang in die spätere Sammlung fand die Ansprache an den pakistanischen Präsidenten, vielleicht, weil sie mit der an das pakistanische Volk in wesentlichen Inhalten übereinstimmt. Ebenfalls keine Aufnahme in die Sammlung fand der Gruß Johannes Pauls II an die Muslime in Deutschland, vielleicht, weil er zu unbedeutend schien, wahrscheinlicher aber, weil keine italienische, englische oder französische Fassung vorlag. Das ist eigentlich sehr schade, denn er bringt in all seiner Kürze viele Gedanken, die bisher so direkt nicht begegnet, aber doch sehr wichtig und interessant sind. Dazu gehört die Vorstellung, dass ein Mensch, der seinen Glauben in ein fremdes Land mitnimmt (auch wenn er um der Arbeit willen dorthin gezogen ist), zu der Pilgerschar gehört, die seit Abraham immer wieder aufgebrochen ist, um Gott zu suchen und zu finden. Außerdem wird die Öffentlichkeit des islamischen Gebets als beispielhaft für die Christen gewürdigt, aber auch davor gewarnt, den Glauben nicht von menschlichen oder politischen Interessen missbrauchen zu lassen135. 135 Da die Mehrsprachigkeit von Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s. l. 1981 ausführlich erläutert wurde (s.a. Literaturverzeichnis), beschränke ich mich im weiteren, wenn vorhanden, ausschließlich auf die englische Fassung der Beiträge. Den Auftakt macht S. 5–7 der Auszug aus Nostra Aetate in französischer, englischer und arabischer Sprache. Dann folgt, ganz unter dem Eindruck dieser Konzilserklärung stehend, die Ansprache an die katholische Gemeinde von Ankara (Extract from Discourse of Pope John Paul II to the Catholic Community in the Chapel of the Italian Embassy in Ankara, in: Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, p. 12–15), darauf die sehr kurze und dementsprechend wenig inhaltsreiche Ansprache an die Muslime in Ghana (Accra. Greeting to Leaders of the Muslim Community in Ghana, in: Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, p. 19–20), und, sozusagen zeitvertauscht, wie der Vergleich zeigt mit Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux (éd.), Le dialogue interreligieux dans l’enseignement officiel de l’église catholique (1963–1997), Documents rassemblés par Francesco Gioia, s.l. 1998, p. 246 f, n. 350 und p. 249 f, n. 353, die Ansprache an die kenianischen Muslime, die sich wieder sehr deutlich auf Nostra Aetate bezieht (Nairobi: Greeting to Leaders of the Muslim Community in Kenya, in: Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, p. 25–26). Dann folgen die Ansprachen in Paris (Paris: Message to Representatives of the Moslem Community in France, in: Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, p. 33–34) und Mainz (Gruß des Papstes an die Muslime in Deutschland, in: Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, S. 37) sowie zwei aus Pakistan: Extract from Message to President of Pakistan, in: Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, p. 39–40, eben die, die in die spätere Sammlung nicht mehr aufgenommen wurde, und Extract from Address to the President and the Civil and Religious Authorities Present at the Airport before Leaving Pakistan, in: Segre-

Meeting in Friendship – die Ramadanbotschaften

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Dies zeigt einmal mehr die genaue Kenntnis der Lage und die Fähigkeit, kurz aber stichhaltig darauf einzugehen, die im übrigen das gesamte Büchlein positiv auszeichnet.

7. Meeting in Friendship – die Ramadanbotschaften Hinter diesem Titel verbirgt sich eine Sammlung der Botschaften zum Ende des Ramadan von 1967 bis 2002 (mit der unerklärlichen Ausnahme des Jahres 1970, in dem es keine gab; dafür gibt es für das Jahr 2000, in dem das Ende des Fastenmonats und das Weihnachtsfest fast zusammenfallen, zwei – eine, die mehr auf den üblichen Anlass, und eine, die auf das 2000. Weihnachtsfest eingeht). Eine frühere Sammlung mit demselben Titel war rasch vergriffen gewesen, sodass eine aktualisierte Neuauflage nötig wurde, die in englischer und in französischer Sprache erfolgte. Die entsprechenden Botschaften selbst werden in viele verschiedene Sprachen gerade der muslimischen Welt übersetzt und als Einzelblätter gedruckt, die dann beispielsweise der päpstliche Nuntius in einer Mappe feierlich überreicht. Zunächst zeichnete sich für diese Botschaften der Chef des Büros für Islam verantwortlich, ab 1973 dann der Präsident des Sekretariats für die Nichtchristen bzw. des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog selbst. Eine Ausnahme bildet das Jahr 1991, als das Ende des Ramadan in die Zeit kurz nach Ende des Golfkriegs fiel und Papst Johannes Paul II sich aus diesem Anlass in eigener Person an die Muslime wandte. Ein Ausschnitt aus dieser Botschaft bildet auch das rückwärtige Cover des Sammelbandes. Im Inhaltsverzeichnis sowie auf den Einzelblättern haben die Botschaften Titel bzw. Themen, im Band selbst sind sie nur durch die Jahreszahl gekennzeichnet und ein Kästchen hebt eine kurze wichtige Aussage aus der Botschaft selbst in größerem Druck hervor. Die Ramadanbotschaft des Papstes ist durch andersfarbiges Papier und das bunt gedruckte päpstliche Wappen hervorgehoben. So macht das Büchlein insgesamt einen ansprechenden, leicht zugänglichen Eindruck, der auch beim flüchtigen Durchtariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, p.44–45, wo auch wieder Nostra Aetate zitiert wird. Allerdings wurde der Text, wie der Vergleich mit Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux. p. 256, n. 361 zeigt, am Anfang um zwei Abschnitte gekürzt, die eindeutig zeigen, dass diese Rede am Beginn und nicht am Ende des Besusches gehalten wurde. Dort heißt es nämlich: „Commencant aujourd’hui un nouveau voyage pastoral, je suis heureux de ce que le Pakistan soit le premier arrêt sur la route.“ Den Abschluss macht schließlich die Rede an die philippinischen Muslime, die sehr stark auf die politische Situation eingeht (Discourse to the Representatives of the Muslim Community (Davao Airport – Philippines), in: Segretariato per i non cristiani (ed.), Chiesa e islam, s.l. 1981, p. 50–53). Die Einschätzung der bereits früh sichtbaren Bedeutsamkeit des Themas für Johannes Paul II findet sich auch bei Fitz­gerald, Twenty-five Years of Dialogue, p. 114: „That there was sufficient material for a booklet, after only three years of pontificate, shows that the Pope was living up to the commitment he had made to the participants at the 1979 plenary.“

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blättern schon gewisse inhaltliche Aussagen vermittelt und zum genaueren Lesen einlädt, was ja wohl auch der Sinn und Zweck der Sammlung ist. Auf einem anderen Blatt steht, inwieweit dies tatsächlich geschieht. Teilweise nehmen gerade spätere Botschaften selbst auf Rückmeldungen Bezug, wie ähnlich auch der Bildband zur Geschichte des Dialogs. Andererseits hebt ein etwas mehr interner Bericht (s. o.) es als außergewöhnlich und als wohl demonstrativ gemeinten und innenpolitisch motivierten Schritt hervor, dass nach der Überreichung der Botschaft durch den Nuntius diese auch vor der ungewöhnlicherweise bestellten Presse verlesen wurde und dadurch in der Öffentlichkeit entsprechende Beachtung fand. Dies würde sich mit einer Einschätzung decken, die mir der damalige Dialogbeauftragte des Ökumenischen Rats der Kirchen, Tarek Mitri – selbst Libanese  – mitteilte, dass nämlich das eigentlich Wichtige an diesen Botschaften nicht ihr Inhalt sei, sondern die Geste an sich, die Tatsache, dass der päpstliche Nuntius persönlich sie in feierlicher Form überreiche. Die so überreichte Mappe werde normalerweise gar nicht geöffnet und die Botschaft nicht gelesen, da es – so seine Interpretation – nicht interessiere, ein Stück katholischer Dogmatik, eine Aussage des Papstes erläutert zu bekommen. Die Gegensätzlichkeit der Aussagen und ihre jeweilige Gültigkeit wird sich sicherlich an dieser Stelle nicht bis ins Letzte klären lassen, doch ist immerhin ein wichtiges menschliches Ziel dieser Botschaften in jedem Fall erreicht worden: menschliche Anteilnahme, in diesem Fall Mitfreude an einem Fest, zu zeigen. Ansonsten mag es von Land zu Land unterschiedlich sein, welche inhaltliche Aufmerksamkeit diese Botschaften tatsächlich bekommen, und außerdem macht es sicherlich auch einen großen Unterschied, ob sie auf offizieller Ebene verwendet werden oder etwa, wie es offensichtlich immer häufiger geschieht, im privaten Bereich der gutnachbarschaftlichen Beziehungen und Besuche zwischen Christen und Muslimen. Trotzdem bleibt die Frage, ob man auf das muslimische Gegenüber inhaltlich wirklich genügend eingeht und nicht doch in erster Linie sich selbst präsentiert.136 136 S. Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Meeting in Friendship, Messages to Muslims for the End of Ramadan (1967–2002), Vatican City 2003, darin besonders die Einführung (Presentation) von Felix A[nthony] Machado, p. 5–7, außerdem p. 62 (1997), p. 73 (2001), p. 76 (2002), Pontifical Council for Interreligious Dialogue, Recognize the Spritual Bonds which Unite Us, p. 52–54 (zu den ursprünglichen Hintergründen s. Ramadan 1969, BSNC 13 (1970), p. 52 f), Akasheh, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), p. 199 f, ders., Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998– octobre 2001, p. 104 (wobei er noch etliche Verbesserungsvorschläge macht dahin gehend, dass doppelter Erhalt vermieden wird oder die Ortsbischöfe ihren eigenen Text anfügen, um die Botschaft dem speziellen Kontext anzupassen), Jacob, Situation de l’islam en Turquie, p. 153 f. Schon Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, p. 93 f erwähnt ja diese Botschaften, die auch von Radio Vatikan übertragen würden, und gibt p. 94 note 18 eine sehr interessante Reaktion des verstorbenen Königs Faisal von Saudi-Arabien wieder, der diese Botschaft würdigt, gerade weil der Islam, wie er besonders betont, die Religion der Wahrheit, die Religion der Freiheit, die Religion der Zusammenarbeit und die Religion der Tolerierung ist. Besser

Meeting in Friendship – die Ramadanbotschaften

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könnte man offizielle Anerkenntnis einer Geste bei gleichzeitigem offensichtlichem Ignorieren des Inhalts wohl kaum ausdrücken. Ähnliches drückt Jacob, Xavier, L’islam turc et le dialogue, Islamochristiana 15 (1989), p. 237 aus, wo er davon spricht, dass die Medien im Lande zwar die Reisen des Papstes wahrnehmen würden, aber nicht, was er dabei sage – nicht einmal in der Türkei selbst. Er führt das darauf zurück, dass eigentlich nur ein Interesse an einer gemeinsamen Front gegen Materialismus und Kommunismus bestehe. Ein Beispiel für die positive Aufnahme dieser Botschaften ist Isizoh, Chidi Denis, Report of Meetings in Ghana: 18–30 January 1998, BPCDIR 99 (1998), p. 345. An dieser Stelle soll auch auf den Initiator dieser Botschaften hingewiesen werden, Joseph Cuoq, so Lanfry, Jacques, A la mémoire du P. Joseph Cuoq, premier responsable pour l’Islam (1964–1974), BPCDIR 72 (1989), p. 389. Der Artikel ist gleichzeitig ein Ausflug in die Geschichte der vatikanischen und katholischen (Nicht-) Beschäftigung mit dem Islam und den Muslimen. Es gibt zwischendurch auch Sammlungen der Reaktionen, so Salama, Andraos, Le Message du Sécretariat aux Musulmans pour la fin du Ramadam 1407/1987 et ses échos dans le monde, BSNC 66 (1987), p. 307–314. Die Botschaft zum Ramadan 1987 bezieht sich auf das multireligiöse Friedensgebet von Assisi. Die Antwortschreiben, die wiedergegeben werden, sind in Gruppen eingeteilt. Zuerst (p. 309) werden einige besonders herausragende Personen und Stellen genannt, dann als erster offizieller Punkt die Botschaften (p. 310 f) und als zweiter solcher Punkt die universitären und religiösen Institutionen (p.  311 f). Dabei sind viele hochgestellte muslimische Persönlichkeiten und Institutionen, die sehr, sehr höflich und freundschaftlich und dankbar schreiben – aber auch genauso allgemein. Wirklich auf den Inhalt beziehen sich eigentlich nur Stellungnahmen aus dem Bereich der universitären und religiösen Institutionen. Vielleicht könnte bzw. müsste man die Frage nach der tatsächlichen Aufmerksamkeit zweigeteilt beantworten. Im universitären und religiösen Bereich wird tatsächlich genau hingesehen, während im politischen Bereich mehr die Geste zählt, die Aufmerksamkeit, die Wertschätzung, der Dialog und die Zusammenarbeit als solche. In diesen Zusammenhang gehört auch Michel, Thomas, 25 Years of Letters to Muslims for Id Al-Fitr, BPCDIR 84 (1993), p. 300–302. Michel stellt sich der kritischen Nachfrage, ob Muslime diesen Botschaften nicht vielleicht gleichgültig gegenüberstehen. Er unterteilt die Reaktionen in offizielle und persönliche Dankesschreiben, wobei aber auch letztere von durchaus wichtigen Persönlichkeiten kommen können. Diese würden zeigen, dass die Botschaften doch genau gelesen würden, so dass auch die kleinsten Tippfehler entdeckt und angemahnt würden, bis hin zu Angeboten von muslimischer Seite, die (dreisprachig englisch, französisch und arabisch erscheinenden) Grußbotschaften gegenzulesen. Es ist also offensichtlich, dass die Grußbotschaften Aufmerksamkeit bekommen, wenn auch wohl die Art dieser Aufmerksamkeit durchaus variiert. Wichtig ist es auch zu vermerken, dass die Praxis der Grußbotschaft zu den Festen inzwischen auf Hindus und Buddhisten ausgeweitet wurde und dass Sikhs den Wunsch äußerten, auch eine solche Grußbotschaft zu bekommen, was vielleicht auch einiges zur Art der Wahrnehmung dieser Botschaften sagt, s. Machado, A[nthony], Summary of Reports by the Members: Interreligious Dialogue Promoted by the Church, p. 128. Was die Bedeutung des Rituals von Grußbotschaften angeht, so sei auch verwiesen auf Channan, James, Pakistan  – Karachi: 9th General Assembly of the World Muslim Congress (30 March–2 April 1988,­ Karachi), BPCDIR 70 (1989), p.  120–122. Abschließend sei auch noch verwiesen auf Akasheh, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), p. 200, der die These vertritt, die Botschaften hätten entscheidend dazu beigetragen, dass Muslime positive Gefühle für Papst Johannes Paul II entwickelten. Er verweist dabei wieder auf die Friedensgebete von Assisi, aber auch auf die Ablehnung des Papstes für den Terrorismus und seine Ursachen besonders im Westen. Akasheh erwähnt in einem Bericht an anderer Stelle auch, dass die höchste islamische Autorität der Türkei begonnen habe, den Bischöfen Grußbotschaften zu den christlichen Hauptfesten zu senden, so ders., Some Reflections on Islam and Christian-Muslim Relations in Certain Countries, BPCDIR 116/117 (2004), p. 255.

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7.1. Der Beginn unter Vater Joseph Cuoq (1967–1972) – von der Vergangenheit belastet Vielleicht kann ein genauerer Blick auf die einzelnen Botschaften, ihre anthropologischen Inhalte, aber auch ihr Zugehen auf das muslimische Gegenüber hier mehr Klarheit bringen. Es bietet sich an, dabei hauptsächlich nach den Einzelpersonen vorzugehen, die sich für die Botschaften verantwortlich zeigen. Der erste war Vater Joseph Cuoq, seinerzeit zuständig für die Abteilung Islam. Sein Name steht unter den Botschaften der Jahre 1967–1972. Sie sind insgesamt noch sehr gezeichnet von der Neuheit der Situation, von dem Neuanfang nach viel gegenseitiger Verachtung und all dem Leid, das dadurch heraufbeschworen wurde. Schon die Anrede als Freunde, ja als Brüder ist neu, wie auch der Gedanke, dass so etwas wie Pilgerschaft sich auf beide bezieht, Christen wie Muslime. Dabei wird sehr schnell auch an die weitere Familie der Menschheit gedacht und daran, wie ihr durch eine brüderliche Zusammenarbeit von Christen und Muslimen geholfen werden könnte angesichts konkreter Probleme wie Krieg, Hunger oder Arbeitslosigkeit und welche Verantwortung beide dadurch hätten. Gemeinsam sollte man sich für die Menschheit einsetzen, dann könne man auch wieder neues Vertrauen in sie gewinnen. Immer wieder wird das beschworen, mal deutlicher, mal feiner, aber es muss auch betont werden, dass diese Rede von Freundschaft nicht nur eine Formalität ist, sondern wirklich so gemeint, dass keine weiteren Absichten dahinterstecken und dass man überhaupt einmal anfangen sollte, sich öfter freundschaftlich zu treffen. Es ist deutlich, dass der große Horizont der Menschen und ihrer Probleme einerseits und der Religionen und ihrer Lösungen andererseits schon vorhanden ist, gerade angesichts solch moderner Götzen der Menschheit wie Geld, Macht und Vergnügen, doch es ist alles eben noch sehr neu. Die Botschaften versuchen auch, auf die aktuelle Lage in den verschiedenen Teilen der muslimischen Welt einzugehen und so das Gegenüber konkreter anzusprechen, wenn auch in dem deutlichen Bewusstsein, dass das sehr schwierig ist, weil man gegenüber konkreten Problemen nur Worte aufzubieten hat. Als Wurzel der Brüderlichkeit werden parallel der Glaube an Gott und das Geschaffensein durch Gott gesehen, die sich gerade in diesen Wünschen zum Ende des Ramadan ausdrücken würden. Wörtlich aus der Botschaft des Jahres 1972, der letzten, die Vater Cuoq verfasste, und der einzigen, die so dezidiert anthropologisch wird: „Many of our friends both Muslims and Christians have encouraged us to renew our wishes every year. For this is indeed an opportunity for us to encounter one another simply as believers, setting aside all cultural, social, national or racial barriers, and to contact one another in what is most basic to our common humanity, where fraternity and solidarity have their roots. We all long to communicate with each other at that hidden level of our being where we discover that we are all the creation of the same God, made out of the same

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clay.“137 Vielleicht hätte man dies noch ergänzen können oder sollen mit dem Hinweis auf die muslimische Vorstellung vom geronnen Blut, aus dem der Mensch geschaffen sei, als Zeichen des Wissens um die Gedanken der anderen, die den eigenen im Bereich der Schöpfung weitgehend, aber eben doch nicht ganz gleich sind.

7.2. Kardinal Sergio Pignedoli (1973–1979) – auf dem Hintergrund echter Begegnungen Ein etwas anderer Zug kommt in die Botschaften hinein, als sie von 1973 bis 1979 von Kardinal Sergio Pignedoli gezeichnet werden. Sicher zieht sich auch manches durch, wie das Betonen der Absichtslosigkeit oder die Berufung auf Gott als Urgrund der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen sowie der Aufruf zu mehr Zusammenarbeit zwischen beiden im Interesse der gesamten Menschheit. Doch geschieht dies nun auf dem Hintergrund tatsächlicher Begegnungen, die manchmal auch ausführlich zitiert werden. Der Geist der Brüderlichkeit wird nicht nur beschworen, er ist nach den Aussagen des Kardinals spürbar geworden in Nächstenliebe, Vergebungsbereitschaft, gemeinsamem Einsatz für die Stärkung menschlicher Werte und Frieden, den sich alle Geschöpfe wünschten und zu dem Christentum wie Islam aufriefen. Manchmal scheint der Islam fast abgefärbt zu haben, so in der Aussage, die Rolle beider Religionen heute sei, dem Menschen den Willen Gottes mitzuteilen und ihn an die religiösen und moralischen Werte zu erinnern, die unter anderem zu gegenseitigem Respekt führen würden. Außerdem fällt auf, dass nun öfter auch Kinder und Jugendliche eigens erwähnt werden als die Träger der Zukunft, die ein brüderliches Miteinander schon von Anfang an lernen sollten, um eine neue Welt von Liebe und Verständnis und ohne Diskriminierung aufzubauen. Mitunter wird dem allem sogar ein anthropologischer Unterbau gegeben, sei es in einer Anspielung auf die gleiche Erde und den gleichen Himmel, unter dem alle lebten, sei es wie in der Botschaft von 1977, wo Aussagen als rhetorische Fragen gekleidet auftauchen: Würden nicht beide Religionen dem Menschen höchste Wertschätzung beimessen? Die Bibel rede von Werten wie Intelligenz und Freiheit, die er dank der Erschaffung zum Ebenbild Gottes in sich trage, und rede der Koran nicht vom Menschen als dem Stellvertreter Gottes auf Erden? Die heutigen Lebensbedingungen des Menschen entsprächen aber nicht dem wunderbaren Plan, den Gott mit den Menschen habe. Sei der Mensch nicht bedroht von der Tyrannei der Technokratie und politischen Unterdrückungssystemen? Die eine reduziere ihn zum Rädchen im Getriebe, zwinge ihn zu Gehorsam ohne Verstehen, zur 137 Cuoq, J[oseph] M., 1972, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Meeting in Friendship, Messages to Muslims for the End of Ramadan (1967–2002), Vatican City 2003, p. 16, s.a. p. 8–9 (1967), p. 10–11 (1968), p. 12–13 (1969), p. 14–15 (1971).

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Aufgabe seiner Freiheit, seiner Würde und einiger seiner höchsten Prinzipien. Auch die anderen beschnitten seine Freiheit, allem voran seine Meinungsfreiheit, um ihn zum Roboter einer Ideologie zu machen. Gerade weil das Fest des Fastenbrechens auch eine Einladung sei, Gutes zu tun, könne es daran erinnern, was es bedeute, dass der Mensch Gottes Stellvertreter auf Erden sei und ihm damit die Würde und den Respekt garantieren, den Gott ihm bereits gegeben habe. Auch in der früheren Botschaft des Jahres 1974 wird stark betont, dass der Mensch in seiner Größe ebenso wie alle Menschen als Brüder nur in der Begegnung mit Gott zu erkennen sind. Gleichzeitig wird diese Erkenntnis als eine Erkenntnis aller Völker propagiert, die alle verkünden würden, dass ein Mensch, der eine Zivilisation ohne Gott aufbaue, diese gegen den Menschen, seinen Bruder, aufbaue und dass diese auch nicht in Gerechtigkeit bestehen könne. Die Gottesbezogenheit des Menschen ist sozusagen ein Erbe aller Völker, was ein wenig an Gedanken und Formulierungen aus dem Grundsatzdokument erinnert.138 Umgekehrt ist die gottgegebene Größe des Menschen aber nicht an der empirischen Wirklichkeit festzumachen, sondern nur in Gott, im Glauben erkennbar und an der empirischen Wirklichkeit hätten Christen und Muslime noch viel zu arbeiten, wozu ja auch immer mehr oder weniger deutlich aufgerufen wird.

7.3. Erzbischof Jean Jadot (1980–1983) – Materialismus als gemeinsames Gegenbild? Dieser Aufruf wird in den nur drei Botschaften des nächsten Präsidenten (eigentlich Pro-Präsidenten), Erzbischof Jean Jadot, noch dringender, es fällt auch auf, dass er sich in allen vier Botschaften auf Papst Johannes Paul II beruft. Sonst wird wieder der gemeinsame Glaube als sicheres Fundament für menschliche Würde, Brüderlichkeit und Freiheit genannt sowie die göttliche Weisheit als bester ­Garant für die oft verletzte Menschenwürde. Was auffällt, ist, dass zweimal der Materialismus als gemeinsames Gegenbild auftaucht, vor dem man den Menschen und seine Werte bewahren müsse, denn nur so könne man Gott als dem Schöpfer wirklich die Ehre geben, wie das auch die Muslime täten und wie viele Menschen es auch erwarteten, gerade die, die von unserer Welt allein gelassen würden.139 138 So Pignedoli, Sergio, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Meeting in Friendship, Messages to Muslims for the End of Ramadan (1967–2002), Vatican City 2003, genauer die Botschaften der Jahre 1973 (p.18), 1974 (p. 19–20), 1975 (p. 21–22), 1976 (p. 23–25), 1977 (p. 26–28), 1978 (p. 29–30) und 1979 (p. 31). 139 So Jadot, Jean, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Meeting in Friendship, Messages to Muslims for the End of Ramadan (1967–2002), Vatican City 2003, genauer die Botschaften der Jahre 1980 (p. 32), 1981 (p.33), 1982 (p. 34) und 1983 (p. 35), die sämtlich sehr kurz sind, aber eben alle auf Johannes Paul II Bezug nehmen.

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7.4. Kardinal Francis Arinze und der große Einfluss von Papst Johannes Paul II (2000) Dieser gemeinsame Blick für die Schwächsten ist auch etwas, was immer wieder in den Botschaften von Kardinal Francis Arinze auftaucht, häufig in Zusammenhang mit einem gemeinsamen Gegenüber zu einer materialistischen Weltanschauung, von der besonderes die jüngeren Generationen als bedroht gesehen werden. Gerade die, die von Misshandlung, Arbeitslosigkeit, Drogen und Freizügigkeit an den Rand gedrängt werden, müssten Priorität haben. Viele konkrete Handlungsfelder sind zu sehen: Verteidigung der Menschen-, v. a. der Minderheitenrechte, Friede und Abrüstung, Zusammenarbeit zur Überwindung des Hungers, Hilfe für Flüchtlinge und ernstliche Anstrengungen für deren Rückkehr in ihre Heimat. Gerade das Fasten helfe, den Gemeinschaftssinn zu entwickeln und die Privilegiertesten und die Bedürftigsten einander näher zu bringen und die Priorität für geistliche Werte sowie Abstand zu materiellen Gütern, aber auch Solidarität und Unterwerfung unter den Schöpfer wiederherzustellen. Der Mensch wird durchaus positiv gesehen, es ist sogar vom Menschenvertrauen die Rede, aber eben in der Abhängigkeit von Gott. Auch Papst Johannes Paul II wird wieder ausführlich zitiert, teilweise passagenweise, wo es um die Begründung der Anrede der Muslime als Brüder geht, oder als Themengeber, wenn er innerkatholisch betimmte Akzente gesetzt hatte. Öfter wird auch auf Themen wie Jahr der Jugend oder Jahr des Friedens eingegangen – gerade letzteres hatte der Papst ja auch regelmäßig aufgegriffen. Breiten Raum nimmt auch das erste Gebetstreffen von Assisi ein und damit das Gebet als Rhythmusgeber für Leben und Arbeit, Freuden und Sorgen der Menschen. Anthropologisch noch eindeutiger und interessanter ist aber ein Zitat aus einem bei der berühmten Begegnung mit muslimischen Jugendlichen in Marokko gesprochenen Gebet, in dem Gott ausdrücklich als der angesprochen wird, der uns Menschen das innere Gesetz gegeben habe, nach dem wir leben sollten. Das deckt sich mit einer anderen pointierten Aussage gleich aus der zweiten Ramadanbotschaft von Kardinal Francis Arinze: „We are firmly convinced that seeking to liberate man by releasing him from his submission to God is to take a false path.“140 Das ist sozusagen ein anthropologischer Handschlag in Richtung Muslime. Die von Papst Johannes Paul II persönlich verfasste Grußbotschaft zum Ramadan 1991, kurz nach dem Golfkrieg, ist in erster Linie ein Zeichen der Solidarität an die Adresse der Muslime, in der es um die gemeinsamen Werte von Christen und Muslimen geht, die sie den Menschen 140 Arinze, Francis, 1985, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Meeting in Friendship, Messages to Muslims for the End of Ramadan (1967–2002), Vatican City 2003, p. 38, s.a. p. 39, p. 36–37 (1984), p. 40–41 (1986), p. 42–43 (1987), p. 44 (1988), p. 46 (1989), p. 47–48 (1990).

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anbieten könnten als Alternative zu der Anziehung, die von Macht, Reichtum und materiellen Freuden ausgehe. Auch wenn dies die einzige persönliche Rama­ danbotschaft Johannes Pauls II war, so blieb er doch präsent, in vier der Botschaften von Kardinal Francis Arinze wird er zitiert.

7.5. Kardinal Francis Arinze (1984–2001): rund um menschenwürdiges Leben Die Art und Weise, wie der Mensch als solcher in diesen Botschaften vorkommt, bleibt sich in Grundzügen gleich. Es ist häufig von der einen Menschheits­familie die Rede, wobei man konkrete Lösungen für eine wahrhaft friedliche Welt suchen sollte, am besten in Zusammenarbeit. Der Mensch bewegt sich sozusagen in dem Rahmen, den Gott als Schöpfer, Erhalter und letztes Ziel vorgegeben hat, und dazu gehören auch Pflichten nicht nur gegenüber Gott, sondern auch gegenüber dem Nachbarn und generell gegenüber der menschlichen Gesellschaft. Doch wie sehen diese Pflichten gegenüber einer pluralistischen Gesellschaft aus? Das ist eine durchaus offene Frage und sie wird gestellt, denn in einer solchen Gemeinschaft muss Religion generell erst einmal zeigen, dass sie einen Beitrag leistet zu einer brüderlichen und friedlichen Gesellschaft und nicht nur zu Spannungen beiträgt. Intern ist die Argumentation einfach und klar: Wenn Gott einer ist und Schöpfer aller, dann folgt daraus, dass auch die menschliche Familie eine ist. Wir teilen eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Zukunftshoffnungen. Wir glauben, dass Gottes Wille Souveränität über die ganze Menschheit hat, und wissen, dass es Gottes Wille ist, dass jeder Mensch mit Respekt behandelt wird. Dies ist alles sehr einleuchtend, doch in die Details, die sich schwieriger gestalten könnten, wird schon aus Platzmangel und auch wegen des Charakters als Grußund Gratulationsbotschaft nicht gegangen, es werden allenfalls Fragen und Themen zur weiteren Klärung markiert, dies allerdings öfter. Es werden auch Fragen aufgegriffen, die sich sozusagen um den Menschen herumgruppieren, so die Frage nach der Familie. Das moralische Leben und die Werte der Familie werden als sehr wichtiges Thema eingestuft. Aber auch Umweltschutz ist ein Thema, wieder mit der Begründung, dass wir doch einen Schöpfer hätten, denselben Planeten bewohnten und uns doch unserem Nachbarn gegenüber so verhalten sollten, wie dies der Gnade Gottes entspreche, die wir empfingen. Außerdem wird ausdrücklich davon gesprochen, der Mensch sei Gottes Stellvertreter in dessen Schöpfung (eine klare islamische Anspielung) und müsse daher nach Gottes Willen eine verantwortliche Rolle in der Welt spielen. Außerdem sei Umweltzerstörung eine Bedrohung der Menschheit, gerade in manchen Ländern, in denen Hedonismus und Konsum überhand nähmen. Gerade Fasten helfe da, Tugenden zu pflegen, derer man sich öfter befleißigen sollte: Zurückhaltung, Mäßigung, Disziplin und Opfergeist. Erziehung zu ökologischer Verantwortlichkeit und Respekt

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vor dem Leben seien auch indirekt wichtig für den Frieden. Ferner ist Genetik ein Thema, weil dabei die menschliche Natur direkt betroffen ist. Es werden also sehr viele neue, interessante Dinge angesprochen, aber es wird eben immer wieder die Frage nach der Zusammenarbeit aufgeworfen und dabei werden alte, immer aktuelle Themen des Menschen genannt wie das Recht auf Leben, die Würde der menschlichen Person und die Menschenrechte, aber auch soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit als Werte, die nötig sind für ein menschenwürdiges Leben, das Gott die Ehre gibt. Dies alles ist keine ausgeführte Anthropologie, aber der Bezug auf den Schöpfer ist deutlich. Aufgaben, die man gemeinsam angehen könnte und sollte sowie dazu nötige Gemeinsamkeiten in der Ethik, allen voran im Engagement für die Schwächsten (was ja auch der Anlass Ramadan nahe legt), werden hinreichend gesehen und mit größtem Nachdruck immer wieder betont. Nur einmal in den vielen Grußbotschaften, für die sich Kardinal Francis Arinze verantwortlich zeichnete, wird auch auf die Problematik menschlicher Versuchlichkeit und Sünde eingegangen. Die Problematik der Erbsünde wird nicht angesprochen, die Formulierungen bleiben seltsam vage, bleiben im Bereich von Versuchung, von Neigung zu Stolz, Hartherzigkeit und Doppelzüngigkeit oder von der Neigung, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und seinen Schöpfer zu vergessen, also von der Neigung zu Unglauben und Ungerechtigkeit, wie der Koran es ausdrückt. Die Folgen solchen Handelns sind allerdings in all den Grußbotschaften sehr präsent und der Anlass für die Aufrufe zum gemeinsamen Handeln. Die oben schon genannte Bandbreite liegt auch darin begründet, dass sie einen Zeitraum von 1984 bis 2001 umfassen – bei weitem der Löwenanteil aller bisherigen Botschaften.141

7.6. Erzbischof Michael Fitzgerald (2002–2005) – viele außergewöhnliche Anlässe Die jüngsten wurden verfasst von Erzbischof Michael Fitzgerald, dem damals neuen Präsidenten des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog. Mit Ausnahme einer einzigen (2003) sind sie sehr stark von speziellen Situationen geprägt, zunächst wohl noch von den Nachwirkungen des 11.  September 2001, denn die Ramadanbotschaft von 2002 geht ausführlich auf das Thema Konflikte ein und auf deren anthropologische, nicht nur konkrete Ursachen, also auf Ego 141 S. Arinze, Francis, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Meeting in Friendship, Messages to Muslims for the End of Ramadan (1967–2002), Vatican City 2003, p. 52–53 (1992), p. 54–55 (1993), p. 56–57 (1994), p. 58–59 (1995), p. 60 (1996), p. 62–63 (1997), p. 64–65 (1998), p. 66–67 (1999), p. 68–69 (2000), p. 70–71 (2000), p. 73–75 (2001). Die päpstliche Ramadanbotschaft findet sich p. 49–51 und beginnt unter dem päpstlichen Wappen mit der Anrede „To my beloved Muslim Brothers and Sisters“ und ist gezeichnet mit (handschriftlich) Joannes Paulus PM II.

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ismus, unmäßiges Streben nach Macht, Herrschaft und Reichtum auf Kosten anderer sowie auf Friedenserziehung. Auch die Botschaft des Jahres 2003 liegt noch auf dieser Linie, wobei sie sich so eng wie keine andere an eine päpstliche Vorgabe anlehnt, in diesem Fall (anlässlich des 40-jährigen Jubiläums) an Pacem in Terris von Johannes XXIII. Friede ruhe auf den Säulen von Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit. Dies wird dahin gehend ausgezogen, dass Wahrheit einschließt, dass der Mensch anerkennt, dass er nicht sein eigener Herr ist, dass Gerechtigkeit Respekt bedeutet vor der Würde und den Rechten jedes Menschen, dass Liebe damit beginnt, zu erkennen, dass wir alle zu der einen menschlichen Familie gehören und dass die Voraussetzung für das alles die Freiheit als essentielles Charakteristikum des Menschen ist. Demgegenüber wirkt die Botschaft des Jahres 2004 sehr neutral, obwohl sie auch Johannes Paul II erwähnt. Es geht in ihr um die Rechte des Kindes (Leben, Familie, wenn möglich, Ernährung, Kleidung, Schutz, Erziehung, Krankenpflege, wenn nötig) und deren vielfache Gefährdungen. Es wird betont, dass Christen wie Muslime in Kindern einen Segen Gottes sehen und schon oft miteinander die Familie und die Rechte gerade der Schwächsten verteidigt haben. Es sei nötig, sich auf die Würde jedes Menschen zu besinnen, der von Gott selbst gewollt ist. Die Botschaft des Jahres 2005 dagegen ist naturgemäß geprägt durch den Tod von Johannes Paul II und einer Würdigung seiner vielfachen Verdienste um den christlich-muslimischen Dialog sowie durch die ersten Äußerungen Benedikts XVI, die auf eine Kontinuität schließen ließen.142 Über alle Botschaften hinweg lässt sich erkennen, dass man immer wieder versucht, auf die spezielle Situation einzugehen, gehe es dabei um die Vorgaben der Päpste, um den Entwicklungsstand der Begegnungen mit den Muslimen oder um aktuelle politische Situationen. Ebenfalls steht der Aufruf zum gemeinsamen Handeln für die Menschheit, besonders für die Schwächsten, immer wieder im Vordergrund, und zwar in dem Rahmen, den Gott als der Schöpfer, Erhalter und Richter aller Menschen vorgegeben hat. Das wiederum ist eine klare, theologisch-anthropologische Aussage.

142 S. Fitzgerald, Michael L[ouis], 2002, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue (ed.), Meeting in Friendship, Messages to Muslims for the End of Ramadan (1967–2002), Vatican City 2003,p. 76 f sowie der unpaginierte Sonderdruck Pontifical Council for Interreligious Dialogue/H. E. Archbishop Michael L[ouis] Fitzgerald, Constructing Peace Today, Message for the End of Ramadan, ’Id al-Fitr 1424 A. H./2003 A. D., Vatican City s.a. Die beiden neuesten Botschaften wurden mir dankenswerterweise direkt per E-Mail zugesandt.

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8. Questionnaire on Man: zu schwierig, um ein Buch zu werden Dies ist kein Buch, hätte aber eines werden sollen und ist vielleicht gerade in dieser Hinsicht besonders interessant: Eine der Initiativen des Sekretariats für die Nichtchristen war, qualifizierten Persönlichkeiten der verschiedenen großen Religionen einen Fragebogen zuzusenden, in dem es um die Glaubenshaltungen zum Menschen geht, zu seinem Wesen und Handeln, zu seinen Rechten und Pflichten und seinen Problemen in der heutigen Zeit auf der Basis der Quellen und der anerkannten Lehre der jeweiligen Religion. Dies war fast schon ein schriftlicher Dialog und sollte die Basis für eine Weiterentwicklung des tatsächlichen Dialogs werden, der noch kaum stattgefunden hatte, in der Form von eigenen Konferenzen noch überhaupt nicht. Nach dem internen Bericht des damaligen Sekretärs Rossano waren die Antworten darauf vom Umfang her zu bescheiden, um ein Buch zu ergeben, und machten überdies die grundlegenden Probleme deutlich, die diese Religionen mit einer solchen Art von Anfrage hatten – vom Fehlen eines Lehramtes bis zum totalen Abgeschnittensein von diesen Fragestellungen der modernen Kultur. Man merkte im Nachhinein den westlichen und christlichen Einfluss schon bei der Fragestellung. Statt eines Buches wurde der Band 32 (1976) des hauseigenen Bulletins einer Auswahl dieser Antwor­ten gewidmet, von denen zwei muslimisch sind, die von Mohammed Aziz Lahbabi und von Rashid Ahmad Jullundry. Ersterer gilt geradezu als der Erfinder des Personbegriffs im arabisch-muslimischen Bereich, ausgebildet an der Sorbonne in Paris, bevor er nach Nordafrika zurückging, Letzterer arbeitete an der Universität von Islamabad, Pakistan im Bereich moderne Sprachen/Arabisch. Allein eine Gegenüberstellung dieser beiden Antworten zeigt das oben angedeutete Problem, dass es mit der Repräsentativität nicht mehr weit her ist, je moderner die Fragestellungen werden.143 Gerade Lahbabi ist sich dieser Problematik sehr bewusst und beginnt, noch vor der eigentlichen Antwort auf die Fragen, mit der Feststellung, dass es aktuell kein von allen Muslimen anerkanntes Lehramt gebe und dass seine Antworten von daher nicht mehr sein könnten als mit dem Geist des Islam abgestimmte persönliche Meinungen.

143 S. Rossano, The Secretariat for Non-Christian Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems, p. 97 f sowie Preface, BSNC 32 (1976), p. 105 f, wobei hier erwähnt wird, es sei (noch) nicht möglich, alle erhaltenen Antworten zu drucken – über die tatsächlichen Gründe und die Kriterien der Auswahl darf, frei nach Rossano, spekuliert werden. Zu Lahbabi und seiner Repräsentativität s. a. Anm. 37 des Kapitels über das Lehramt.

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8.1. Die Bestimmung des Menschen: Diener Gottes – aber wie? Was die Frage nach Sinn und Bestimmung des Menschen angeht, so beziehen sich beide auf Sure 51,56, nach der Gott den Menschen nur geschaffen habe, damit dieser ihm diene (mit adorer bzw. worship wiedergegeben). Doch während dies bei Lahbabi relativ schnell darauf hinausläuft, dass der Mensch die Einheit und Einzigkeit Gottes anerkennen und sich ihm, d. h. seinem Gesetz, anpassen müsse, findet sich bei Jullundry eine viel breiter angelegte Argumentation. Sie setzt damit ein, dass der Mensch göttlichen Ursprungs und als Gottes Ebenbild geschaffen sei, außerdem Gottes Stellvertreter auf Erden sei und insgesamt eine Manifestation von Gottes Ehre, Schönheit und Vollkommenheit. Dann aber spaltet sich die menschliche Seele auf in einen tierischen und einen engelhaften Teil, wobei die konkreten göttlichen Eigenschaften wie Leben, Wissen, Macht, Gehör, Gesichtssinn und Sprache und überhaupt alles Göttliche und Vollkommene nur dem letzteren Teil der Seele zugehören. Sollte der Mensch in den rein tierischen Teil, also den Materialismus, abgleiten und den Bezug zu Gott verlieren, dann hat er nicht mehr das Recht, ein Mensch genannt zu werden, denn dann hat er seine eigentliche Bestimmung, die Beziehung zu Gott, verfehlt. Zur Verwirklichung seiner Bestimmung muss der Mensch also gegen einen Teil seiner selbst kämpfen, während derselbe Vorgang bei Lahbabi eher als ganz natürlicher Ausfluss der Liebe des Menschen zu Gott erschien. Ähnlich einfach ist es für ihn, die Ursache von menschlichem Unglück und Scheitern zu finden: Wenn der Mensch sich von seiner ihm von Gott vorgegebenen Aufgabe entfernt (Gerechtigkeit gegenüber den Menschen und Schutz der gesamten Schöpfung), dann sind der innere Ruin und auch äußeres Unglück unabwendbar.144 Trotz Übereinstimmung in den großen Linien wird hier schon klar, dass doch in wichtigen Nuancen wie darin, wie ausgeprägt negative Seiten des Menschen ge­ sehen werden, oder auch, wie einfach und direkt der Weg von Zielverfehlungen des Menschen zu fühlbaren Konsequenzen ist oder auch nicht, oder im Denken in modernen Kategorien wie Materialismus, doch auch große Unterschiede bestehen.

8.2. Friede – in vieler Hinsicht schwierig Sehr viel Raum räumen beide dem Thema Frieden ein. Für Jullundry sind zunächst einmal drei Dinge sozusagen konstitutiv: Dass der Mensch immer auf der Suche nach Frieden ist, auch wenn dies äußerlich gar nicht so scheinen mag, dass es für den inneren wie für den äußeren Frieden nötig ist, die zerbrochene Bezie 144 S. Lahbabi, Mohamed Aziz, Islam, BSNC 32 (1976), p.  155–158, Jullundry, Rashid­ Ahmad, Islam, BSNC 32 (1976), p. 186–189.

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hung des Menschen zu Gott wieder herzustellen und dass es keinen wirklichen Frieden ohne Gerechtigkeit geben kann. Dies führt er dann in zwei eher grundsätzlichen und zwei eher praktischen Punkten weiter aus. Grundlage für die islamische Vorstellung von Frieden ist zunächst die ebenfalls islamische Vorstellung, dass alle Menschen und Völker Brüder sind, Gottes Familie, unabhängig von allem, was sie sonst voneinander unterscheidet, die Religion ausdrücklich eingeschlossen. Im Namen dieser Brüderlichkeit wird jedes System abgelehnt, das Menschen in Konkurrenz zueinander bringt und einzelne oder Gruppen ausbeutet, Sklaverei eingeschlossen – dabei wird aber nicht erwähnt, dass sowohl der Koran als auch der Islam Letztere gerade nicht abgeschafft haben. Es wird zwar gesagt, dass im Namen eines falschen Konzepts von religiösen Dogmen diese grundlegende Idee der Brüderlichkeit unterlaufen wurde zugunsten der eigenen Herrschaft über andere, doch konkrete Beispiele fehlen. Dies leitet über zur Anerkennung der Gerechtigkeit als absolutem Wert, parallel zum Leitgedanken der menschlichen Brüderlichkeit. Es wird nicht klar, wo eigentlich die Trennlinie bzw. das ‚mehr‘ der Gerechtigkeit über die Brüderlichkeit hinaus liegt, wenn es das denn gibt. Abschließend wird Religions- und sogar Verkündigungsfreiheit, soweit sie nicht Propaganda gegen andere Religionen ist, als ganz selbstverständlich hingestellt, wobei allerdings (wieder) verschwiegen wird, wie wenig der I­ slam dem, zumindest in den Augen der Nichtmuslime, nachkommt. So bleibt die Darstellung unter dem Strich unbefriedigend und hinterlässt den Eindruck einer beschönigten oder beschönigenden Selbstsicht. Lahbabi dagegen wählt wieder eine andere, um nicht zu sagen einfachere Herangehensweise: Frieden ist für ihn, islamisch gesehen, eine Aufgabe, die Gott dem Menschen gegeben hat, wie Islam generell für ihn eine Sammlung von Verhaltens- und Denkweisen dem anderen gegenüber ist (während Jullundry Religion gerade nicht als eine Ansammlung von Lehren und theologischen Glaubenssätzen sehen wollte, sondern als lebendigen Geist der Wahrheit und persönliche Hingabe an Gott). Frieden hat verschiedene Bedeutungsebenen, von Ruhe über Ungefährdetheit bis hin zum Seelenfrieden, also insgesamt die Abwesenheit von Krieg innen wie außen. Als Seelenfrieden ist er aber gerade ständiger Kampf, was ihm die Möglichkeit zu einem längeren Exkurs über die Unmöglichkeit einer Übersetzung von ‚Heiligem Krieg‘ gibt. Hier bekommen seine Ausführungen apologetischen Charakter. Krieg wiederum wird klassifiziert als das, was auf Dauer alle positiven Werte wie Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Freiheit zerstört, wobei auch darauf eingegangen wird, wann man zur Verteidigung des Friedens und der positiven materiellen oder moralischen Errungenschaften der Menschen doch kämpfen dürfe gegen Ausbeutung, Chauvinismus etc. Es ist eher die Umkehrung von Jullundrys Gedankenverlauf: Erst am Ende kommt er dahin, expressis verbis davon zu sprechen, dass die Option für den Frieden auch die Option für den Menschen ist, das geheiligte Meisterwerk der göttlichen Schöpfung nach Seele (direkte Emanation des göttlichen Odems) und Leib. Hier ist dann

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auch kurz, ohne in Details zu gehen, die Rede von der Würde und den Werten der Person.145 Hinterließ die Darstellung von Jullundry den Eindruck, eher zu geschlossen und problemlos und damit beschönigend zu sein, so lässt die Darstellung­ Lahbabis, vielleicht bedingt durch den Anlass, die anthropologisch-philosophische Stringenz der Argumentation, die man gerade von ihm erwarten würde, vermissen. Erst ganz am Ende kommt überhaupt und in äußerster Knappheit in den Blick, warum das Thema Frieden für den Menschen eigentlich so wichtig ist. Wieder scheint es so, als habe Jullundry im Vergleich einen mehr westlich (im Sinn von anthropologisch) geprägten Ansatz im Gegenüber zu der erstaunlich traditionellen Art der Argumentation bei Lahbabi.

8.3. Soziale Ungleichheit – islamisch ein Übel Im Gegensatz dazu ist Lahbabi bei der Frage nach der wachsenden Ungleichheit der Menschen sehr präzise und folgerichtig: Laut Islam sind die Menschen von einem Gott geschaffen und damit gleicher Natur. Die einzige Ungleichheit bei den Menschen, die der Koran gelten lässt, sei die Ungleichheit in der Frömmigkeit, jede andere Ungleichheit sei ein Übel. Soziale Ungleichheiten hätten mit Unterschieden in der Frömmigkeit nichts zu tun, sondern seien Folge und Ausdruck von Fehlverhalten und fehlender Moral. Im Gegenteil, Armut gefährde die physische, soziale und moralische Existenz des Menschen und am Ende dessen Glauben an Gott. Materielle Armut zu bekämpfen sei deshalb eine dringende Pflicht für jeden Moslem, wie ja auch die islamische Einrichtung der ‚Almosensteuer‘ zeige. Jullundry geht in eine ähnliche Richtung, allerdings gibt er keine anthropologische Begründung an dieser Stelle, sondern eine gesellschaftspolitische Zuspitzung. Auch er betont, dass der Islam von den Reichen nimmt, um den Armen zu geben, und dass der Staat nach islamischer Auffassung die schützen sollte, die sich selbst nicht schützen könnten, und das Entstehen von Klassen verhindern sollte. Hier kommt auch wieder ins Spiel, dass die Menschen sich generell von der Gebundenheit an materielle Güter befreien sollten, indem sie sie auf Gottes Wegen einsetzen. Deutlich ist aber die Spitze gegen das gegenwärtig herrschende kapitalistische System als Ursache für die sozialen Probleme und, auch und noch zuvor, die Ablehnung der Demokratien im Namen des Islam, weil sie 145 S. Jullundry, p. 189–195, Lahbabi, Mohamed Aziz, L’Islam et la paix, BSNC 32 (1976), p. 175–185; interessant in diesem Argumentationszusammenhang ist auch die Feststellung in Fitzgerald/Borelli, p. 217, dass im Islam Vergebung v. a. das Verhältnis Gott-Mensch betrifft, d. h., Vergebung ist primär etwas Göttliches, weshalb auch der Gedanke eines stellvertretenden Leidens und Opfers für die Sünde einen undenkbaren Angriff auf die Göttlichkeit Gottes darstellt, während es im zwischenmenschlichen Bereich primär um die Wiederherstellung von Gerechtigkeit geht, was die Vergebung und Bitte um Vergebung auch unter Menschen aber nicht ausschließt.

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eben nicht überall für Gerechtigkeit sorgten, wie dies das Grundanliegen des Islam sei.146 Auch hier wird wieder deutlich, dass Jullundry seine Argumentation wesentlich mehr auf die aktuelle Situation zuspitzt, als dies Lahbabi tut. Er ist damit dem, was erwartet wurde und was sozusagen christliche Vorlage war, näher als jener, wenn auch grundsätzlich kritischer.

8.4. Familienfragen: das umstrittene Problem der Geburtenkontrolle Was die Frage nach Geburtenkontrolle, Heirat und Scheidung angeht, so zeigen sich erstaunliche Diskrepanzen bzw. Fragen, auf die der eine eingeht, der andere nicht. Lahbabi sagt zu den Fragen von Bevölkerungswachstum und Geburtenkontrolle klar und deutlich, dass es dazu innerislamisch viel Diskussion gebe, aber keine Einigung zwischen den ‚Modernisten‘, die dafür sind, und den ‚Konservativen‘, die sie als mangelnden Respekt vor dem durch Gott geschaffenen Leben ablehnen, ansonsten aber mit der modernen Biologie keine Probleme haben. Die Ehelosigkeit werde vom Islam abgelehnt, ja sogar als Schande betrachtet, die Scheidung, die man nicht mit Verstoßung verwechseln dürfe, als notwendiges Übel. Zumindest bei Letzterem würde Jullundry zustimmen. Im Unterschied zu Lahbabi behauptet er, es werde empfohlen, nicht zu heiraten, wenn der Wunsch nach Heirat nicht bestehe und man ein Leben absoluter Keuschheit leben könne. Was die Frage der Geburtenkontrolle angeht, so führt er aus, dass eine Mutter ihr Kind zwei Jahre lang stillen und in dieser Zeit kein weiteres Kind bekommen solle. Als Mittel dazu seien aber moderne Formen der Geburtenkontrolle, die zu sexueller Anarchie führten und die Keuschheit zerstörten, nicht erlaubt. Absolut verboten sei Abtreibung als Form der Geburtenkontrolle, denn der Koran habe schon Kindstötungen aus Furcht vor Armut verdammt. Einziger legitimer Grund für eine Abtreibung könne sein, wenn das Leben der Mutter in Gefahr sei.147 Hier wird sehr schön deutlich, wie an einer – zumindest von den Methoden her – sehr modernen Frage die Meinungen auseinandergehen und sich aufspalten, wobei offensichtlich die traditionellere Seite eher die Tendenz hat, den Islam ungeteilt für sich zu requirieren.

8.5. Industrialisierung und die Streitfrage der Säkularisierung Weit mehr Übereinstimmung herrscht in dem Punkt, wie die Industrialisierung einzuschätzen sei – nämlich grundsätzlich positiv mit Einschränkungen, was ihre Menschlichkeit betrifft. In den Augen des Islam sei der Mensch Herr des Univer­ 146 S. Lahbabi, Islam, p. 158–160, Jullundry, p. 195 f. 147 S. Lahbabi, Islam, p. 160–162, Jullundry, p. 196 f.

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sums. So lange also die Industrialisierung dem Menschen hilft, seine Bedürfnisse zu befriedigen, ist sie nur positiv. Lahbabi geht sogar so weit zu sagen, dass die Kreativität des Menschen zu feiern gleichbedeutend sei damit, den Schöpfer zu preisen. Die klare Einschränkung ist allerdings der Punkt, wo eine solche Entwicklung unmenschlich und ausbeuterisch wird, also den Menschen zur Sache degradiert. Wieder ist Jullundry an diesem Punkt ausführlicher und deutlicher. Er weist nachdrücklich darauf hin, dass die Herrschaft über und der Genuss der Welt an den göttlichen Willen gebunden sind und distanziert sich deutlich von der aktuellen Industrialisierung, die den Menschen zum Sklaven der Maschine gemacht und Gruppen der Gesellschaft und ganze Nationen ausgebeutet und kolonialisiert habe. Umgekehrt lehne der Koran aber auch die bewusste Armut und Ablehnung der Welt als geistlichen Weg und Ziel des Menschen ab. Es stellt sich die Frage, ob diese viel pointiertere Haltung vielleicht auch mit dem Hintergrund des indischen Subkontinents in Zusammenhang steht, der als Objekt von Ausbeutung und Kolonialisierung ungleich viel interessanter war als das wesentlich ärmere Nordafrika. Dies scheint sich in gewissem Sinn beim Blick auf die nächste, damit direkt zusammenhängende Frage nach der Säkularisierung zu bestätigen. Für Lahbabi stellt sie sich im Blick auf den Islam schlicht nicht, während Jullundry mit ausdrücklichem Verweis auf die indischen Erfahrungen doch grundsätzliche und durchaus positive Erwägungen zu diesem Thema anstellt. Zwar betont auch er als Ausgangspunkt, dass der Islam ein moralisches System sei, das auf Offenbarung beruhe, und dass ein Moslem diese Moralität sowohl im privaten wie im öffentlichen Leben zu befolgen habe, also Gott und nicht der Mensch das Maß aller Dinge sei, wobei hier konkret das islamische Recht ins Spiel kommt. Doch stellt er gleichzeitig fest, dass dieses Recht – im Gegensatz zum Islam – sehr wohl dem Wandel in Zeit und Raum unterworfen sei. Außerdem könnten sich Offenbarung und Intellekt, der ja auch eine göttliche Gabe sei, nicht ins Gehege kommen und die alltäglichen weltlichen Geschäfte seien seit den Zeiten des Propheten eine Sache des Intellekts und der Beratung. Außerdem habe der Islam in seiner Geschichte weder eine organisierte Kirche noch ein zweigeteiltes System von geistlicher und weltlicher Macht entwickelt. Der Staat habe kein Recht, seinen Glauben dem Volk aufzuzwingen, wofür als Gewährsmann der Begründer des Hanbalismus und sein persönliches Schicksal genannt werden. Umgekehrt sei der Säkularismus das Produkt bestimmter Umstände, wo religiöse Organisationen nicht in der Lage waren „to provide proper guidance for people in their temporal affairs“148 – eine durch und durch islamische Sicht der Dinge. Als Grundprinzipien des Säkularismus sieht er Gedankenfreiheit, d. h., bestimmte Bereiche des menschlichen Lebens wie Meinung, soziale Formen und Gebräuche werden nicht von der Religion bestimmt, weiterhin Des-

148 Jullundry, p. 201. s.a. p. 197–200.202 sowie Lahbabi, Islam, p. 162–164.

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interesse an einem Leben nach dem Tod und schließlich Wahrheit unabhängig von Offen­barung. In Indien habe es eine positive Entwicklung des Säkularismus (von einer negativen hin zu einer positiven Einstellung gegenüber Religion) gegeben. Die gemeinsame Basis unterschiedlicher religiöser Traditionen werde akzeptiert und alle begriffen sich als Erben dieser Basis, da sie aus der ewigen Wirklichkeit komme – was nebenbei bemerkt eine sehr hinduistisch geprägte Vorstellung ist. So kommt Jullundry am Ende zu dem Schluss, dass der Islam mit dem Säkularismus mehr Übereinstimmungen als Unterschiede aufweise, so die Prinzipien der Gedankenfreiheit, der Herrschaft des Intellekts über zeitliche Dinge und der Unparteilichkeit des Staates gegenüber seinen Bürgern, solange dieser eben nicht antireligiös oder unmoralisch wird, wobei hier die göttliche Rechtleitung für die menschliche Vernunft doch wieder hereinspielt. Insgesamt aber sei dieser neue Säkularismus vielleicht der einzig ernsthaft gangbare Weg für multireligiöse Gesellschaften – immerhin werde er von muslimischen Gelehrten des Subkontinents schon mit dem Vertrag von Medina verglichen, den der Prophet mit den Nichtmuslimen geschlossen habe. Dies zeigt einmal mehr, was die Antwort Jullundrys an dieser Stelle ja auch deutlich zum Ausdruck bringt, dass es in einem gewissen Bereich sehr wohl einen Einfluss von Raum und Zeit gibt und von daher eine Bandbreite der islamisch möglichen Antworten, wobei sicher eine interessante Frage wäre (die hier aber nicht gestellt wurde), wann und wo wer Abweichungen als legitim ansieht.

8.6. Die menschliche Freiheit – unterschiedliche Schwerpunktsetzungen Was die Frage nach der menschlichen Freiheit angeht, so antwortet Lahbabi sehr grundsätzlich: Der Mensch wird frei geboren, und diese Freiheit ist auch notwendig, denn sonst wäre er weder moralisch noch sozial für seine Taten verantwortlich. Die Verantwortlichkeit als solche ist für alle gleich, denn sie ist eine Dimension der Person. Der Unterschied besteht nur im Grad der Verantwortlichkeit, der je nach den konkreten Möglichkeiten unterschiedlich ist. Klar ist jedoch, dass kein Mensch mit normalen Möglichkeiten auf Kosten eines anderen leben darf, und klar ist auch, dass es keine Unterordnung unter ein Geschöpf geben darf, das gegen den Schöpfer sündigt. Jullundry dagegen legt viel mehr Wert auf Tugend, ohne die es für ihn keine wirkliche Freiheit geben kann, auch in Anspielung auf die bereits zitierte Koranaussage, dass die Unterschiede zwischen Menschen nur im Grad ihrer Frömmigkeit bestünden. Der Islam mache auch keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen, in dem Sinn, dass beide die Wahrheit erreichen und ein ideales Leben führen könnten. Allerdings hätten die Frauen ihre eigenen Rechte und Pflichten und ein freier Umgang von Männern und Frauen zu Unterhaltungszwecken sei nicht erlaubt. Macht sei eine göttliche Gnade, die

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er dem Menschen erweise, und Muslime würden sogar ermutigt, nach Macht zu streben, um Gerechtigkeit unter den Menschen aufzurichten und eine Atmosphäre zu schaffen, in der ein Moslem seine Persönlichkeit auf der Basis moralischer Werte entwickeln kann. Analoges gilt für Reichtum. Dazu wird sogar Ibn Taymiyya angeführt: „[I]f religion is separated from power or power from religion, peoples’ affairs are ruined“149. In einem gewissen Grad zeigen sich auch hier die unterschiedlichen, in diesem Fall philosophisch-religiösen Prägungen der beiden Anwortgeber, obwohl sie derselben Religion angehören. Sie zeigen sich auch in den Antworten auf die gleich anschließende Frage nach dem Idealbild und dem Weg dahin. Lahbabi streicht auch hier wieder den inneren Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortlichkeit heraus: soziales Engagement und Kampf gegen Ungerechtigkeit und Sittenverderbnis sowie gegen alle schlechten Wünsche. Jullundry dagegen ist sehr traditionell und an konkreten Aussagen der islamischen Tradition orientiert: Nach dieser sind die Propheten die perfekten Menschen, dann kommen die, die für die Wahrheit ihren Besitz und ihr Leben opfern, also die Märtyrer, woraus folgt, dass Leben und Arbeiten und alles Erdulden für die Wahrheit das Idealbild menschlichen Lebens ist. Die Grundeigenschaften eines perfekten Menschen würden im Koran so beschrieben: Glauben, gute Taten, Ernsthaftigkeit (im Gegensatz zu Scheinheiligkeit), Kampf gegen das Böse innerhalb (z. B. Eifersucht, Hass, Lüge, Begierde, Sucht) und außerhalb, Standhaftigkeit und Bescheidenheit, außerdem Entschlossenheit, bescheidenes Auftreten und würdevolles Betragen.

8.7. Individuum und transzendenter Kollektivismus der islamischen Gemeinschaft Erstaunlicherweise ist es bei der nächsten Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft Jullundry und nicht Lahbabi, der die Frage nach der persönlichen Verantwortung ins Spiel bringt. Beide weisen aber ganz deutlich auf die konkreten Erfahrungen der Vergangenheit hin, um aktuelle muslimische Reaktionen der Gegenwart in dieser Frage zu erklären. Bei Jullundry ist dies fast noch grundsätzlicher: Um überhaupt moralisch sein und handeln zu können, muss der Mensch frei sein. Sowohl der konkrete Individualismus (in Form von Kapitalismus und Kolonialismus) als auch der konkrete Kollektivismus (der sich zum Totalitarismus entwickelte) hätten diese Freiheit und damit die moralischen Möglichkeiten des Menschen beschnitten, obwohl der Islam durchaus für eine 149 Ibn Taymîyya, al-Siyâsa al-shar’iyya, p. 177, zitiert nach Jullundry, p. 204, zu menschlicher Freiheit s.a. ib., p. 203 und Lahbabi, Islam, p. 165–167, zum Idealbild des Menschen s. ib., p. 167 und Jullundry, p. 204 f.

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gesunde Form des Kollektivismus sei, siehe islamische Gemeinschaft. Deshalb habe auch der Staat das Recht, die Aktivitäten des Einzelnen zu beschränken, wenn sie dem Interesse der Allgemeinheit entgegenliefen, was aber alles eben nicht so weit gehe, dass es die Verantwortung des Einzelnen für seine Taten aufhebe. Es ist eine Art tranzendenter Kollektivismus, wobei die islamische Gesellschaft auch wieder kein Selbstzweck ist und der Islam durchaus einen demokratischen Kollektivismus unterstützt, der für das materielle Wohlergehen der Menschen arbeitet. Das sind alles sehr grundsätzliche, aber eben auch ziemlich unkonkrete Erwägungen, die Jullundry hier anstellt, während Lahbabi erstaunlich konkret wird und gleich als erstes sagt, dass der Islam als irdische Stadt Teil der Dritten Welt sei. Er habe, und dies deckt sich mit Jullundry, Erfahrungen mit dem Individualismus liberalistischer Prägung gemacht in Form der imperialistischen Regime der Vergangenheit und der neokolonialistischen Kräfte der Gegenwart. Dies, so seine Einschätzung, bringe muslimische Denker dazu, für eine Art muslimischen Sozialismus zu optieren, der sich durch die Islamisierung der Banken (Zinsverbot) und die Verstaatlichung bestimmter Sektoren auszeichne. Beides hat Rückhalt in Texten der islamischen Tradition, da der Islam nicht nur Zinsen verbiete, sondern auch Monopole auf Primärprodukte wie Feuer (Energie), Wasser und Weideland als Allmende sowie, jedenfalls in einem Teil der Tradition, Salz (als Nahrungsmittel und Quelle des Reichtums) und außerdem die Almosensteuer und Wohltätigkeit vorschreibe.150

8.8. Alle Menschen sind Brüder – oder doch nicht ganz? Dann wendet sich der Fragebogen einer ganz anderen Ebene zu, nämlich der Frage nach der Haltung zu anderen Menschen (und damit auch zum Gebrauch von Gewalt) und der Haltung zu anderen Religionen (was eigentlich nicht direkt in den Zusammenhang der Anthropologie gehört). Was die allererste Frage angeht, so ist Jullundry äußerst knapp: Die Beziehungen der Muslime zu anderen Menschen basierten auf Frieden; Krieg ist nur temporär erlaubt, wenn Muslime Opfer von Aggression geworden sind. Außerdem seien Muslime gehalten, denen die Hand zu reichen, die Hilfe bräuchten. Auch religiös stehe der Islam niemandem feindlich gegenüber, da er die Wahrheit nicht als das Monopol einer speziellen Rasse oder Gruppe von Menschen betrachte, sondern alle Propheten anerkenne. Lahbabi ist zunächst anthropologisch grundsätzlicher: Der andere ist nach dem Islam ein Bruder, da alle Menschen von Adam abstammen, deshalb können die Beziehungen untereinander nur von Gleichheit geprägte brüderliche Beziehungen sein. Der Koran spricht auch ausdrücklich davon, dass die Gläubigen (nicht nur die Muslime, denn Glauben ist nach islamischem Verständnis eine 150 S. Jullundry, p. 205 f und Lahbabi, Islam, p. 167 f.

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der menschlichen Natur innewohnende, angeborene Gabe)  wie Brüder unter­ einander sein sollten. Die Darstellung der Ausnahmen nimmt bei ihm allerdings relativ breiten Raum ein: Gewalt ist gerechtfertigt, ja sogar geboten, wenn jemand versucht, die Wahrheit, d. h. den Glauben an Gott, zu zerstören, und wenn jemand, jemandes Würde, Besitz oder Vaterland angegriffen werden. Grundsätzlich ist aber die Person sakrosankt, soweit sie eben nicht andere Personen in Gefahr bringt. Generell stuft Lahbabi Gewalt gegen Schwache als kriminell, die Revolte/Gewalt der Unterdrückten aber als gerecht ein. Für den Islam sei alles, was unmenschlich sei, auch gegen Gott und müsse deshalb zu einer heiligen Gewalt, einem gerechten Kampf führen. Was Menschen anderer Religionen angeht, so zitiert er ausgerechnet Sure 5,78 u. 82, die die Christen und da wiederum bestimmte Priester und Mönche als den Muslimen gegenüber besonders freundschaftlich hervorhebt, während die Juden zwar auch als gläubig, aber als den Muslimen gegenüber besonders feindlich bezeichnet werden.151

8.9. Leben nach dem Tod: eine sichere Sache Die letzte Frage ist schließlich die nach dem Leben nach dem Tod. Hier sind die Übereinstimmungen deutlich: Die Menschen haben die Wahl zwischen zwei Wegen und können sich durch Glauben/eine reine Intention und gute Taten das Glück der anderen Welt/die Gemeinschaft mit Gott verdienen, denn nach dem Tod werden sie für ihr Leben Rechenschaft ablegen müssen. Interessant ist noch, dass Lahbabi mit persönlichen Ausführungen und Wünschen schließt, von denen ich einen Abschnitt zitieren möchte: „Constat: fiasco lugubre des politiques en cours, ces temps-ci, par ce monde là. Où chercher la sauvegarde? Peut-être les religions et les idéologies humanistes, en engageant leur foi ardente dans une sincère collaboration, arriveront-elles à redonner des têtes bien faites à ce monde décapité. Tous les souhaits de succès à toute initiative dans ce sens!“152

9. Probleme nicht in der Anthropologie, aber in deren konkreten Auswirkungen So zeigt sich insgesamt sehr deutlich, welch einen breiten Bereich die Publikatio­ nen des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog im Bereich Islam abdecken, wie sehr sie (notwendiger- und positiverweise)  variieren, möge es um 151 S. Jullundry, p. 206 f, Lahbabi, Islam, p. 169–171. 152 Lahbabi, Islam, p. 173, s.a. p. 171 f u. Jullundry, p. 208.

Probleme nicht in der Anthropologie, aber in deren konkreten Auswirkungen  295

grundsätzliche Ansätze oder um Einzelprobleme gehen, um strikt theologische Anthropologie oder um das Bemühen, die Bedürfnisse des Gegenübers wahrzunehmen und darauf einzugehen. Gerade Letzteres ist ja ein ständiger geistlicher Lernprozess, der nie endet und in dem letztlich nur ein Muslim selbst sagen kann, wie sehr er sich angesprochen fühlt, wobei eben auch nicht alle Muslime gleicher Meinung sein müssen und können. Das klare Bemühen darum ist in jedem Fall deutlich zu spüren, aber ebenso deutlich die eigene Linie, die eben eine von den Päpsten geprägte Linie ist, die sich ja besonders in der Person von Johannes Paul II um den christlich-muslimischen Dialog sehr bemüht und ihn weit vorangebracht haben. Es fällt auch fast überdeutlich auf, wie sehr die Gemeinsamkeiten in der Sicht des Menschen (Gott als Schöpfer und Ziel des Menschen) betont werden, wenn die Muslime direkt angesprochen sind, gerade im Gegenüber zu einem rein materialistischen Weltbild. Das ist richtig und berechtigt im Blick auf eine konkrete Zusammenarbeit zum Wohl konkreter Menschen, was ja erklärtermaßen auch das Ziel ist und was so auch aufgenommen und gewürdigt wurde. Aber es übergeht leicht, dass es auch auf dieser menschlich-anthro­pologischen Ebene Unterschiede gibt, die ansonsten durchaus gesehen werden. Je mehr die Texte informativ nach innen gerichtet sind, desto deutlicher werden sie angesprochen. Selbst wenn beide Religionen den Menschen als Geschöpf Gottes sehen, so macht es eben doch einen großen Unterschied, ob der Mensch Gottes Ebenbild oder aber Gottes Statthalter ist. Die Freiheit des Menschen und die Würde, die er an und für sich, unabhängig von seinem korrekten Verhalten seinem Schöpfer gegenüber hat, sind, sieht man genauer hin, eben doch größer als Gottes Ebenbild denn als Gottes Statthalter. Zwar sollten beide nicht unab­hängig von Gott und dessen Weisungen für Menschen und Welt handeln, doch die gestalterische Freiheit, die die biblisch-christliche Tradition dem Ebenbild Gottes zugesteht, ist bei allen Übereinstimmungen in grundsätzlicher Ausrichtung auf das Jenseits und in konkreter Ethik doch groß, während sie für den Statthalter Gottes, wie es die koranisch-islamische Tradition sieht, eben in allererster Linie darum geht, den sehr konkreten, sowohl umfassenden als auch detaillierten Willen Gottes umzusetzen, soweit irgend möglich, und sich dafür mit aller Kraft einzusetzen. Und genau an diesem Punkt, wo es weniger um die Anthropologie an sich als vielmehr um ihre (notwendigen) Auswirkungen auf Gesellschaft und Staat geht, tauchen immer wieder die großen Schwierigkeiten auf, deren Lösung nicht in Sicht scheint. Sicher sollte man Schwierigkeiten nicht überbetonen, wenn man gemeinsam etwas Wichtiges erreichen möchte, doch es ist auch irreführend und in gewissem Sinn gefährlich, sie komplett unter den Tisch fallen zu lassen und gleichzeitig immer wieder die gemeinsame Front gegen Materialismus und Säkularismus zu betonen. Gerade die Haltung zur säkularen Welt weist heute durchaus Unterschiede auf bei Christentum und Islam und eine gemeinsame Front kann eben nicht so einfach aufgebaut werden, wie es mitunter den Anschein hat, wo Muslime angesprochen

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werden.153 Sicher ist es schwierig, genau die richtigen Formulierungen und den richtigen Ton zu finden, aber eine gute Zusammenarbeit ist nur auf einer ganz soliden Basis aufzubauen und es ist von daher besonders schade, dass das eigentlich geplante Buch über den Menschen aus der Selbstsicht der anderen Religionen nicht wenigstens für den Islam zustande gekommen ist.

153 Diese Gefahr besteht aber nicht nur auf Seiten der Christen, sondern vielleicht sogar noch mehr auf Seiten der Muslime, wie Rossano schon 1971 festgestellt hatte (Exposition from the Catholic Point of View, p. 107–108): „It seems that in some circles, particularly in some Islamic circles, that the theme of secularization is the favourite ground for dialogue; in any case we may note that many exponents of the non-/p. 108Christian religions look to us to see how the Catholic Church is behaving in the face of this phenomenon.“ Auf die Theologie der Religionen soll in dieser Abhandlung zur Anthropologie ja nicht eingegangen werden, doch eine kleine Anmerkung sei erlaubt: In einer Rede zur Vorstellung eines Buches zu diesem Thema von Jacques Dupuis macht Michael Fitzgerald die vorsichtige Bemerkungen, dass religiöser Pluralismus ein Faktum sei und dass die Praxis des interreligiösen Dialogs und der Kultivierung positiver Beziehungen zu Menschen anderer Religionen als locus theologiae bezeichnet werden könne. Die Aussagen der Christen dabei müssten nicht von Muslimen oder Angehörigen irgendwelcher anderer Religionen akzeptiert werden können. (Es ist ja schon sehr viel, dass die Religionen überhaupt ein Licht auf die christlichen Heilswahrheiten werfen können, was nun ja auch eine Aussage des katholischen Lehramts ist.) – Fitzgerald, Michael L[ouis], Toward a Christian Theology of Religious Pluralism by Fr Jacques Dupuis, BPCDIR 108 (2001), p. 335–338.

Die christlich-muslimischen Dialoge 1. Anfänge und Grundstrukturen 1.1. Rom 1972 – ein unbeabsichtigter Dialog Wie der Aufbau dieser Abhandlung schon wiedergibt, lag der erste Schwerpunkt des damaligen Sekretariats für die Nichtchristen auf der Klärung der Grundfragen rund um die eigene Position und Arbeit und auf Hilfestellungen für die weltweite katholische Kirche im Blick auf die Begegnung mit anderen Religionen und deren Vertretern. In dieser ersten Periode unter Kardinal Paolo Marella als Präsident trat das Sekretariat deshalb fast ausschließlich durch seine Publikationen an die Öffentlichkeit, andere Kontakte waren selten und die Ausrichtung eigener Dialoge noch überhaupt nicht im Blick. Als erster Versuch in dieser Richtung ist später bezeichnet worden, dass man immerhin zur zweiten Vollversammlung der Berater vom 3.–6.10.1972, bei der es um das Selbstverständnis der anderen Religionen gehen sollte, auch zwei Nichtchristen einlud, einen Buddhisten, der dann aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte, und Prof. Muhammad Talbi aus Tunesien als Vertreter des Islam. Mit der Präsidentschaft von Kardinal Sergio Pignedoli ab 1973 trat ein großer Wandel ein: Die Publikationen traten merklich in den Hintergrund, dafür gab es viel mehr direkte Kontakte unterschiedlichster Art, Sondierungskonferenzen (März 1974 in Luxemburg für Europa und Juni 1974 in Bamako für Westafrika) und eben auch richtiggehende Dialogkonferenzen. Kardinal Pignedoli machte aus dem Sekretariat den Arm des Heiligen Vaters, der sich zu den Menschen anderen Glaubens hin ausstreckt.1 1 In der Regel wird auf diese Änderung einfach hingewiesen, sie erscheint (im Rückblick) mehr oder weniger als zwingender nächster Schritt (s. Anm. 2). Doch sollte man dabei sicherlich auch die Rolle Kardinal Pignedolis und seine Persönlichkeit nicht unterschätzen. Schon mit seinem Amtsantritt macht er, bei aller Wertschätzung für die bisher geleistete Arbeit, klar, dass es eine Weiterentwicklung geben muss und wird und dass diese in Richtung mehr tatsächlicher Begegnungen gehen wird. Dafür sucht er Unterstützung, so Pignedoli, Sergio, Lettre du nuoveau Président, BSNC 22 (1973), p. 12–16 oder ders., Perspectives du Secrétariat, BSNC 23/24 (1973), p. 88. Einen weiteren Eindruck davon kann geben Shorter, Aylward, Cardinal Pignedoli: A Brief Memoir, BPCDIR 72 (1989), p.  377–378. Arnulf Camps, Two Eminent Secretaries: Pierre Humbertclaude and Pietro Rossano (1964–1982), BPCDIR 72 (1989), p. 379 bringt es im Nachhinein so auf den Punkt: „Cardinal Pignedoli knew how to make friends and his thoughts were always a little in advance of many of us as he considered friendship to be a better instrument of communication than sharp theological positions.“ Sehr schön wird das auch ausgedrückt in seinem Brief zum zehnjährigen Bestehen des Sekretariats (in dem er im Übrigen auch auf den unglücklichen negativen Namen desselben eingeht), so Pignedoli, Sergio, Pente-

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costal Letter of the President of the Secretariat, BSNC 26 (1974), p. 93: „There is another thing about which we are really convinced. It is that the religious man who accepts the Other in his life is, among all types of men, the very one who has within him, who is most capable of building up lasting relationships with others. Every religion, in fact, opens the heart of men to their brothers for the very reason that it brings man to God. It is not possible to ignore this interrelation of values.“ Auch Pietro Rossano schreibt im Rückblick, theologische Fragen hätten ihn nicht sonderlich interessiert, aber er habe darunter gelitten, dass das Heil auch für Nichtchristen in Zweifel gezogen wurde und dass andere religiöse Kulturen so wenig Wertschätzung erfuhren (10th Anniversary of the Death of Cardinal Sergio Pignedoli, Pro Dialogo 74 (1990), p. 174, s.a. p. 172 f). Sehr bewegend ist auch die Predigt anlässlich der Messe zum zehnten Todestag: Shirieda, John, Don Sergio, Witness to God’s Goodness, BPCDIR 74 (1990), p. 175–177. Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Rückblick von Kardinal Francis A. Arinze, Prospects of Evangelization, with Reference to the Areas of the non Christian Religions, Twenty Years after Vatican II, BSNC 59 (1985), an dem deutlich wird, dass die Ära Pignedoli bis dato die einzige war, in der das Sekretariat aktiv auf Nichtchristen zuging und Dialoge veranstaltete und sich nicht nur, wie dann später, indirekt beteiligte oder einladen ließ, sei es zu Konferenzen in größerem Rahmen, sei es zu Austausch mit bestimmten Partnern (p. 118–124). Rein chronologisch interessant ist dabei v. a. die Aufzählung der 1974–1978 erfolgten Aktivitäten (p. 121), von denen leider offensichtlich nicht alle, die auch den Islam betreffen, den wünschenswerten Niederschlag in den zugänglichen Publikationen des Sekretariats gefunden haben. Am ausgewogensten ist wohl noch die Beurteilung Pignedolis bei Fitzgerald, M[ichael] L[ouis], The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, Islamochristiana 1 (1975), p. 91, wie dieser ja auch in Fitzgerald, Michael L[ouis]/ Borelli, John (edd.), Interfaith Dialogue, A Catholic View, London/Maryknoll 2006, p. 91 schreibt: „To my mind the experience of dialogue, meeting people whose sincerity and goodness cannot be denied, is the best way of broadening one’s horizons and of coming to recognize God’s action in people.“ Auch eine Würdigung seines Nachfolgers, Erz bischof Jadot, kommt nicht um eine Würdigung Pignedolis herum, im Gegenteil, sie bringt diese Einschätzung vom ausgestreckten Arm des Heiligen Vaters, so Michel, Thomas, Growing towards „dialogue in community“, a Reflection on Archbishop Jadot’s Tenure at the Secretariat for non Christians, BPCDIR 103 (2000), p. 68. Es ist allerdings klar, dass nicht auf jeden gegenseitigen Besuch eingegangen werden kann, genausowenig wie auf jeden lokalen oder regionalen Dialog und auch nicht auf alle Einzeltreffen mit Mitgliedern und Beratern – das würde den Rahmen dieser Untersuchung bei weitem sprengen. All diese Begegnungen und Aktivitäten wurden jedoch mit großer Sorgfalt dokumentiert und kommentiert und sind über das hauseigene Bulletin dem Interessierten zugänglich. Einen ungefähren Überblick über die ersten 25 Jahre bietet auch Fitzgerald, Michael L[ouis], Twenty- five Years of Dialogue, The Pontifical Concil for Inter-Religious Dialogue, Islamochristiana 15 (1989), p. 109–120, nicht zu vergessen auch die Nummer 74 (1990) des hauseigenen Bulletins, die sich mit dem Silberjubiläum und allen Veranstaltungen, Würdigungen und Rückblicken befasst. Der ebenfalls eminenten Figur des schon erwähnten Sekretärs und späteren Bischofs Pietro Rossano ist nach seinem frühen Tod die Nummer 78 (1991) des hauseigenen Bulletins gewidmet. Ein weiterer Rückblick findet sich in Akasheh, Khaled, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), BPCDIR 116/117 /2004), p.  195–204, der einen ebenso knappen wie materialreichen Überblick über die Geschehnisse gibt. Er geht p. 196 als einziger darauf ein, dass es schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil islamisch-christliche Treffen „at Church level“, wie er es nennt, gab und zwar 1964 in Ägypten, im Libanon und einmal auch auf den Philippinen, alles Länder, in denen Christen und Muslime zusammen lebten und zwar teilweise praktisch schon seit Entstehen des Islam. Akasheh beobachtet, dass diese Länder auch danach noch für Dialogtreffen bevorzugt werden. Dann würdigt er die Vorbereiterrolle von Papst Paul VI, der nach dem Konzil bedeutende muslimische Persönlichkeiten empfangen habe. Nicht zu unterschätzen

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Wie vorher schon bei den Publikationen profitierte das Sekretariat auch dabei vom Fachwissen der Berater und, was speziell den Islam angeht, vom Päpstlichen Institut für arabische und islamwissenschaftliche Studien. Der erste – in gewissem Sinn unbeabsichtigte und damit auch eher unbeachtete – christlich-muslimische Dialog kam im Rahmen eines der jährlichen Treffen mit den Beratern zustande und zwar bei dem schon genannten Treffen in Rom (3.–6.10.1972). Am zweiten Tag kam es dabei zu einer interessanten Konfrontation zwischen Robert Caspar als Sachverständigem für Islam und dem muslimischen Prof. Talbi aus Tunis über das Thema Islam und Christentum im Gegenüber zur Moderne. Auch andere hätten sich an diesem Dialog aktiv beteiligt, wobei der Bericht leider nicht in Details der Diskussion geht, sondern nur die Hauptthese Talbis (und seine eigene Erfahrung) wiedergibt, nämlich die einer Diskrepanz zwischen den traditionellen und einfachen Formulierungen des Glaubens beispielsweise bei alten Menschen und einem reflektierten Glauben in einem modernen Kontext. Diese Diskrepanz sei nicht einfach durch religiösen Reformismus zu überbrücken und die große Gefahr dabei sei die Entfremdung der Jugend durch Gleichgültigkeit, wobei der Koran eigentlich alle Vorausist sicher auch die Zusammenarbeit im universitären Bereich, die sich teils in Kolloquia, teils aber auch im Austausch von Professoren niederschlug, aber auch dieser Bereich soll hier nur erwähnt, nicht aber näher analysiert werden, da dies ebenfalls den Rahmen bei weitem sprengen würde. Generell aber ist eine Tendenz zur Institutionalisierung festzustellen, die auch bewusst als solche wahrgenommen wird: „Dialogue will remain precarious where commitment to it does not take an organized form.“ (so Fitzgerald, Michael L[ouis]/Borelli, John (edd.), Interfaith Dialogue, A Catholic View, London/Maryknoll 2006, p. 92) Zu der eigens erwähnten Tagung in Luxemburg s. Canivez, Jean, Luxembourg: Les Non-Chrétiens en Europe – Brève relation sur la rencontre au Luxembourg (13–14 Mars 1974), BSNC 26 (1974), p. 145–147. In ganz anderer Hinsicht zu Europa interessant ist Gjergij, L., La situation religieuse des Albanais en Yougo­ slawie, BPCDIR 75 (1990), p. 286–289, ein Artikel, der sich mit dem christlich-muslimischen Dialog unter den Albaniern im Kosovo beschäftigt. Die veröffentlichte Dokumentation zu Bamako/Mali 18.–20.6.1974 ist um etliches ausführlicher, beginnend mit der Teilnehmerliste Participants à la réunion de Bamako, BSNC 28/29 (1975), p. 3. Es ist allerdings schwierig, einen tatsächlichen Eindruck von diesem Treffen zu bekommen, da die beiden veröffentlichten Berichte, so man sie so nennen will, nicht unterschiedlicher sein könnten. Der von Kardinal Pignedoli ist, wie vielleicht nicht anders zu erwarten, geradezu enthusiastisch, so Pignedoli, Sergio, Relation de S. E. le card. Sergio Pignedoli, BSNC 28/29 (1975), p. 12–15, während der des Fachmanns Josef Stamer eher niederschmetternd ist, so Stamer, Josef, Compte Rendu: L’Eglise d’Afrique­ Occidentale en dialogue avec les musulmans?, BSNC 28/29 (1975), p. 4–11, beginnend mit der desaströsen Beteiligung gerade derer, die am meisten interessiert sein müssten, und endend mit einer durchgängigen Verteidigungshaltung der Christen, die die Notwendigkeit eines Dialogs mit den Muslimen nicht sieht bzw. diesen ad absurdum führt. Es ist erstaunlich, dass Kardinal Pignedoli den Dialog mit den Muslimen vor Ort sozusagen schon fast am Ziel angekommen sieht, während Pater Stamer den Eindruck hat, hier müssten erst einmal die Erkenntnisse des Zweiten Vatikanums über den religiösen Wert der Muslime ankommen. Mit nur diesen Berichten wird sich die Frage, wer mehr Recht hat(te), sicher kaum klären lassen, aber es ist ein Beispiel, wie weit die Einschätzungen voneinander abweichen können und mit welcher Vorsicht Berichte zu behandlen sind.

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setzungen mitbringe zur Entwicklung eines modernen religiösen Gedankenguts, das den Glauben stützen könne. Insgesamt bewegte man sich in der Diskussion aber eher weg von den konkreten historischen Religionen mit ihren Problemen hin zur Religion an sich und zur Religiosität des Menschen. So bringe die Gegenwartskultur die Religionsvertreter dazu, ihren Blick auf die Anthropologie und die Natur des Menschen zu wenden. Das bedeute auch, dass die Religionen ihre Ressourcen mehr und mehr für den Menschen und dessen soziale Förderung einsetzten. Friede und friedliches Zusammenleben sind dabei eine der ganz großen, langfristig aber durchaus positiv gesehenen Herausforderungen für die Religionen. Zu den kurzfristigen Zielen des Sekretariats sollte die Beschäftigung mit Themen stehen, die gleichzeitig religiös und von menschlichem Interesse seien wie beispielsweise die Menschenrechte aus religiöser Sicht. Was konkret den Islam angeht, so rückt der asiatische Islam in den Vordergrund des Interesses.2

1.2. Grottaferrata 1975: eine Schlüsselrolle für den Dialog mit dem Islam 1.2.1. Situationsanalysen aus verschiedenen Ländern Eine noch größere Schlüsselrolle im Blick auf bereits gegangene und noch zu gehende Wege des Dialogs kam der Konferenz mit Beratern und Experten zu, die das Sekretariat vom 12.–15.10.1975 in Grottaferrata bei Rom abhielt. Grundlage war ein Fragebogen gewesen, um auf dieser Basis die aktuelle Lage des Dialogs in verschiedenen Bereichen, u. a. auch mit dem Islam zu erarbeiten und über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Gerade was das Gegenüber zum Islam angeht, so wird die programmatische Beschränkung auf den homo religiosus und die Zurückhaltung, was die konkrete Umsetzung von neuem, glaubensgemäßen Verhalten angeht, auch als problematisch gesehen, da im Islam die Verbindung von Religion zur weltlichen Ordnung eine wesentlich direktere ist. Von den verschiedenen Berichten, die eine Nummer des hauseigenen Bulletins vereinigt, gehen allerdings nur die wenigsten auf diese Grundsatzfrage ein, die große Mehrzahl stellt eine Art Momentaufnahme der Dialogsituation in verschiedenen Gegenden 2 Nach Rossano, P[ietro], Bilan d’une rencontre Domus Mariae – 1972, BSNC 21 (1972), p. 9–15. Der spätere Bericht von Akasheh spricht p. 199 davon, dass es ab 1971 auch multilaterale Dialogkonferenzen gibt und verlegt die Hochphase des Dialogs in die Präsidentschaft von Kardinal Arinze, weil der Dialog gerade da auch institutionalisiert wurde: „During the­ second part of the pontificate of Pope John Paul II and under the presidency of Cardinal Arinze ­(1984–2002), this dialogue experienced unprecedented success; it broadened and simultaneously became institutionalised. These were times during which talks and meetings multiplied. The institution of permanent liaison committees between the great Islamic organisations and this Pontifical Council (with four large international organisations and with al-Azhar), by hold­ ing regular meetings, allowed bonds to be strengthened, ideas to be exchanged and the signing of common declarations for national or international events or situations.“

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und Ländern dar. Vertreten sind Indonesien und Philippinen, Pakistan, die arabische Welt unter besonderer Berücksichtigung Ägyptens, der Maghreb unter besonderer Berücksichtigung von Tunesien und Libyen sowie Frankreich. Die konkrete Dialogsituation ist verständlicherweise so unterschiedlich, wie diese Länder und ihre Geschichte unterschiedlich sind (was diese Berichte zu einer Fundgrube von interessanten Details macht), doch insgesamt kristallisiert sich heraus, dass der christlich-muslimische Dialog eher noch in den Kinderschuhen steckt und/ oder als Sache von Spezialisten, also v. a. der Weißen Väter gesehen wird, nicht als Anliegen von Gemeinden und Kirchen als ganze. Häufig liegt das daran, dass die christlichen Kirchen vor Ort (im Gegensatz zum Vatikan als Zentralorganisation), wenn überhaupt, dann als (westlicher) Fremdkörper in diesen Ländern wahrgenommen und empfunden werden, ob sie es nun von ihrer Geschichte her tatsächlich sind oder ob nur die anderen Strukturen oder gar nur die Augen der Muslime sie dazu machen. Besonders extrem ist dies in der arabischen Welt, die in der Regel arabisch und muslimisch einfach gleichsetzt und in deren Augen es christliche Araber gar nicht geben dürfte und diesen teilweise nicht einmal erlaubt wird, ihre eigene Muttersprache zu lehren, da dies ja die Sprache des Koran ist. Kein anderer Bericht ist so kritisch den Muslimen gegenüber wie dieser, übrigens geschrieben vom Islambeauftragten des Sekretariats François Abou Mokh selbst, der ja aus der Region kommt. Nicht alle Beispiele sind so extrem wie das von Saudi-Arabien, doch mahnt er insgesamt die schizophrene Situation an, dass der Islam sich einerseits berechtigt glaubt, in der ganzen Welt Propaganda für sich machen zu dürfen, bei Völkern wie bei Einzelpersonen, und überall in der christlichen Welt Moscheen und Kulturzentren errichtet, andererseits aber diese Rechte den Christen in der muslimischen Welt verwehrt und jegliche christliche Propaganda verbietet. Gerade die arabischen Muslime würden von den anderen gar nichts lernen wollen, erwarteten von den Christen und dem Dialog nichts und seien sich selbst genug, denn ihre Religion sei die vollkommenste und ihre Ideologie die beste. Nur der Islam könne die Welt retten, sie wieder ins Gleichgewicht bringen und ihr Frieden und Gerechtigkeit geben. Auch auf ganz praktischer Ebene sind solche sehr exklusivistischen Tendenzen feststellbar. Die arabische Welt gebe fabelhafte Summen für Erhalt und Verteidigung des Islam aus, aber eben nur dafür: „Le monde arabe musulman est exclusif dans sa charité ainsi que dans son comportement. Dans leurs hôpitaux, leurs écoles et leurs œuvres, les musulmans se sentent uniquement concernés par les musulmans. Jamais les fonds de charité musulmans ne sont partagés par les adeptes des autres religions.“3 3 Mokh, Francois Abou, Le dialogue dans le monde arabe, BSNC 30 (1975), p. 224, s. a. p.  223.225 f, wobei noch besonders interessant die Stelle ist (der libanesische Bürgerkrieg hatte kaum begonnen), an der er (p.  226) einen libanesischen Moslemführer zitiert: „Nous avons accepté à contre coeur le contrat national, au moment où nous étions pauvres et divisés.­ Aujourd’hui, la situation est changée, et il nous est impossible de vivre dans les mêmes conditions. D’ailleurs, les musulmans, selon leurs traditions, ne peuvent être gouvernés par des chefs

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non musulmans“. Die weiteren grundsätzlichen Beiträge sind: Rossano, Piero, Introduction, BSNC 30 (1975), p. 211–213 und Camps, Arnulf, Le dialogue interreligieux et la situation concrète de l’humanité, BSNC 30 (1975), p. 315–318, dessen Urteil über die Arbeit des Ökumenischen Rates so präzise wie theologisch vernichtend ist, v. a. mit Blick auf die Protestanten, die den Nutzen des religiösen Dialogs gar nicht mehr sähen: „Même le département pour le dialogue du COE à Genève n’a pas réussi à trouver une base ouverte et chrétienne pour le dialogue. On a l’impression qu’on évite le vrai problème en commencant depuis bien des années des dialogues concrets en différentes parties du monde (Le Liban, Sri Lanka, etc.) sans toucher le problème théorique et religieux. Le sujet des dialogues était toujours l’unité de l’humanité, la paix, le développement etc. Je sais bien qu’il y a des exceptions parmi nos frères protestants, mais ils sont peu nombreux à en être et ils n’ont pas la force de se faire entendre.“ (p.315) Mehr mit der Situation der Muslime in z. T. eng umgrenzten Kontexten befassen sich de Souza, Achilles, Christian-Muslim Dialogue with Reference to Pakistan, BSNC 30 (1975), p. 218–222, Anawati, Georges C., Le dialogue islamo-chrétien en Égypte aujourd’hui, BSNC 30 (1975), p. 227 f, Cuoq, Joseph M., Notations sur la situation du dialogue au Maghreb, BSNC 30 (1975), p. ­234–236, Lelong, Michel, La communauté chrétienne et les musulmans en Tunisie, BSNC 30 (1975), p. 237–240, ders., Le secrétariat de l’église de France pour les relations avec l’islam, BSNC 30 (1975), p. 249–252, Borrmans, Maurice, Quelques informations sur la Libye et l’église, BSNC 30 (1975), p.  241, Roest Crollius, Ary A., Four Notes on Dialogue (More Especially Regarding Islam), BSNC 30 (1975), p. 246 f, Fitzgerald, Michael L[ouis], Christian-Muslim Dialgue in Indonesia and the Pilippines, BSNC 30 (1975), p. 214–217 (die wie immer einen Sonderfall darstellen), vgl. auch später Michel, Th[omas], Religion in Indonesia today, BSNC 44 (1980), p. 213–220. In diesem Zusammenhang ist wohl auch der um etliches später veröffentlichte Bericht von Henri Teissier zu nennen, Dialogue Islamo-Chretien (sic!) au Maghreb et en Algerie (sic!), BSNC 39 (1978), p.  198–204, der vom Grundtenor her trotz aller auch dort bestehender Schwierigkeiten durchaus positiv ist. Das Hauptproblem für den Dialog sieht er darin, dass die muslimische Gesellschaft des Maghreb auf einer anderen psychologischen Stufe stehe als die christlich-westliche. Deswegen mache ein Gespräch über Dogmen noch keinen Sinn, man müsse sich erst einmal über den jeweiligen Referenzrahmen klar werden und sich austauschen über die Vorstellungen von Offenbarung, Inspiration, Buch, religiöse Sprache o. ä. Hier drückt sich m. E. eine Erkenntnis aus, die über den Maghreb hinaus Gültigkeit hat und auch heute noch mit berücksichtigt werden sollte. Auch Erwähnung finden soll hier ein Bericht von Sister Odile de La Fortelle über die Dialogsituation in Westafrika: Ghana: Christian-Muslim Dialogue, BSNC 39 (1978), p.  248–251. Sie kommt, gerade angesichts der schwierigen Minderheitensituation der Christen dort zu dem Ergebnis: „I realized still more how much, when adressing the Christians to open them to the real values of another faith, I cannot but strengthen them in their own faith“ (p. 251). In diesen Zusammenhang passt auch Dalmais, P., L’Église et l’Islam au Tchad, BSNC 44 (1080, p. 221–236. Wie Secretariatus pro non Christianis, Questionnaire, Dialogue: Situation and Problems vom 24.4.1979 aus dem Archiv des ÖRK, DFI-Box 37 beweist, gab es immer wieder solche Umfragen nach dem Stand des interreligiösen Dialogs. Auch sonst nahm sich das Bulletin immer wieder geographische Einzelbereiche vor und fragte nach dem Stand der Dinge, für Europa beispielsweise BSNC 60 (1985). Besonders interessant ist dabei Sabanegh, E[douard] S[ami] Martin, Les directives de la Hiérarchie catho­ lique de l’Europe de l’Ouest concernant les Musulmans Étrangers, BSNC 60 (1985), p. 291–302, das einen Überblick über den Umgang mit den muslimischen Migranten in Westeuropa von­ seiten der Katholiken gibt, wobei schon gesagt wird, dass man nach 30 Jahren und gar bei einer zweiten Generation nicht mehr von Emigranten sprechen könne. Derselbe Band enthält einen Nachruf auf ihn als Islamreferenten des Sekretariats: Basterrechea, José Pablo, Avant la messe de funérailles du Frère Martin Sabanegh (3 juillet 1985), BSNC 60 (1985), p. 337–338.

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Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es wirklich – wie für Pakistan erwogen – Sinn macht, die christlichen Schulen und Hospitäler den Muslimen zu geben, damit die nicht Stein des Anstoßes für das Zugehen auf die Muslime sein können. Es stellt sich dem Leser ganz extrem die Frage, ob es unter solchen Vorgaben jemals einen Dialog auf gleicher Augenhöhe geben kann, ja überhaupt einen Dialog, der diesen Namen verdient, und wie dieser dann aussehen sollte und könnte. Wie das Beispiel Pakistan zeigt, nützt selbst die Verankerung von religiöser Propaganda auch nichtmuslimischer Religionen in der Verfassung offensichtlich nichts in einem muslimisch geprägten Umfeld. Auch eine Untersuchung muslimischer Texte aus Ägypten, die sich mit dem Christentum befassen, zeigt, dass wohl der Ton der Darstellungen freundlicher geworden ist, sich aber inhaltlich überhaupt nichts geändert hat. Da leider die Diskussion nicht wiedergegeben ist, lässt sich nicht feststellen, ob solche Fragen überhaupt gestellt wurden und wenn, wie sie beantwortet wurden.

1.2.2. Grottaferrata und danach: viele verschiedene Fragen und Themen Nur zwei Texte stellen überhaupt grundsätzlichere Fragen, der eine allgemein in die Richtung, ob es möglich sei, sich nur mit religiösem Dialog zu beschäftigen, wie dies das Sekretariat bisher getan habe, für die praktischen Fragen auf andere Institutionen der Kurie zu verweisen, während andere Organisationen, sei es der ÖRK, sei es WCRP, sich v. a. mit den aktuellen praktischen Problemen der Menschheit befassten mit Tendenz, die religiösen Fragen auszublenden. Beides hält der Referent für einseitig und verfehlt, da beide Bereiche so eng ineinandergriffen, dass sie sinnvollerweise nicht voneinander zu trennen seien und erwiesenermaßen Religion bzw. Weltanschauung der Schlüssel für das Verhalten seien. Sein konkretes Beispiel für den Bereich Islam ist beispielsweise der volkstümliche Fatalismus: Wer nicht glaube, dass das menschliche Leben vor dem Tod des Menschen verbessert werden könne, weil Gott alles vorherbestimmt habe, bei dem sei ein Versuch, das irdische Leben des Menschen zu verbessern, ziemlich nutzlos, wenn er nicht mit einem religiösen Dialog über die Beziehung zwischen Gott und Mensch verbunden werde. Dies ist in der Tat ein sehr wichtiger Gedanke. Was nun die speziellen Anfragen und Anregungen zum Dialog mit Muslimen angeht, die über eine einzelne Region hinausgehen, so haben sie eigentlich mit der hier untersuchten Ebene der Anthropologie wenig zu tun, sondern sind mehr theologischer Art, es sei denn, man betrachte sie unter dem Aspekt, was alles den Muslimen Misstrauen oder Unwohlsein verursache. Dazu gehört die Frage der politischen Macht (was auf Gegenseitigkeit beruht), die Frage von Evangelisation/ Konversion und Dialog sowie die Einstufung als schlicht eine der nichtchristlichen Religionen, während dem Judentum ein Sonderplatz eingeräumt wird. Es ist deutlich, dass diese Fragem zwar Auswirkungen auf der menschlichen Ebene haben,

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aber v. a. die beiden letzteren rein theologische Fragen sind, die noch dazu zum Schwierigsten gehören, was die Theologie der Religionen zu bieten hat. Die tatsächlichen Dialoge des Sekretariats selbst verdeutlichten und vertieften die Fragen noch, die in den Stellungnahmen von Grottaferrata anklangen, auch was z. B. das Verständnis von Dialog überhaupt betrifft. Bedeutete Dialog für die katholische Seite beispielsweise eine Akzeptanz des anderen und seiner Rechte, so stellte man gerade im Gegenüber zu den Muslimen fest, dass dies umgekehrt nicht der Fall war. Das warf wieder die Frage nach der Notwendigkeit der Gegenseitigkeit auf bzw. verstärkte sie – eine Frage, die sich aber gerade aus einer christlichen Position gar nicht so leicht eindeutig beantworten ließ (und lässt). So eröffnete sich mit den tatsächlichen Dialogen ein neues und weites Feld gerade unter (auch) anthropologischen Blickpunkten (besonders die geistlichen Werte des Menschen, wie sie sich in verschiedenen Religionen ausdrücken, sollten ja die Basis für den Dialog sein), das nun hier dargestellt werden soll. Bezeichnend aber ist, dass – noch über die Muslime hinaus – Gerechtigkeit, Frieden und menschliche Entwicklung auf der Prioritätenliste der Dialogpartner ganz weit oben standen, also alles nicht theologische, sondern anthropologische oder schlicht menschliche Fragen und Probleme, die auch eine Herausforderung für gemeinsames Handeln darstellen – auch etwas, was in Grottaferrata schon angesprochen worden war.4 4 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Bericht, den wenig später aus Anlass des Besuchs einer indonesischen Delegation im Vatikan Michael Fitzgerald gibt, s. Fitzgerald, Michael [Louis], The Secretariat for non Christians and Muslim-Christian Dialogue, BSNC 37 (1978), p. 9–14. Als erstes wird dort der lokale Dialog genannt und was ihm dient auch an sonstigen Dialogveranstaltungen (p.  9), dann wird die grundsätzliche Offenheit betont, auch um den Preis des Missverstandenwerdens, womit relativ deutlich v. a. Tripoli gemeint ist (p.  9 f, s. dazu das Kapitel unten). Dann wird genauer ausgeführt, dass die Dialoge des Sekretariats als Organisation des Vatikan immer Top-Level-Angelegenheiten sind und deshalb besonders der Ergänzung und Fortführung auf lokaler Ebene bedürfen (p. 10). Interessant ist auch, dass die Notwendigkeit kleiner kontinuierlicher Gruppen angesprochen wird: „The continuous research could be expected/p. 11 to produce a far from negligible growth in openness and understanding.“ (p. 10/11) Sehr deutlich wird auch gesagt, dass das Zugehen auf Bereiche der menschlichen Erfahrung statt der Dogmatik und Theologie dem besseren Verständnis und dem Vermeiden von Schwierigkeiten dient, auch wenn damit noch nicht alle strukturellen Probleme ausgeschlossen seien, so z. B. in der Frage, wie genau man eine soziale Ordnung auf den Glauben zu basieren sucht (p. 11). Es wird ein weites Feld möglicher Zusammenarbeit gesehen, von einer neuen Wirtschaftsordnung über die Friedensförderung, Menschenrechte, Kampf gegen Rassendiskriminierung bis hin zur Religionsfreiheit und auch das Thema Vorurteile verhältnismäßig ausführlich angesprochen: „More accurate knowledge will show up the weakness of current clichés concerning Christians and Muslims.“ (p. 13) Man kann sagen, dass vieles, was hier genannt ist, sicher nicht nur auf die Dialoge des genannten Sekretariats zutrifft, sondern darüberhinaus für den christlich-muslimischen Dialog generell wichtig ist. Im Gegenzug dazu ist das Pendant von indonesischer Seite, Inter-Religious Dialogues and the Development of Religious Harmony in Indonesia, BSNC 37 (1978), p. 14–24 v. a. interessant als Zeugnis für die bekannte indonesische Sondersituation und das Konzept der Harmonie, das ja in Südostasien

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1.3. Herausforderungen des Dialogs und seiner Darstellung Diese Darstellung hier wird sich an den einzelnen muslimischen Gesprächspartnern orientieren und nicht an einzelnen Unterthemen, denn die Unterschiede zwischen den einzelnen muslimischen Organisationen und Ländern, zu denen es Kontakte gab,5 sind doch mitunter ganz erheblich und von daher fielen auch auch anderweitig als sehr wichtig eingestuft wird. Es ist schon interessant, dass als potenzieller Störfaktor hier als erstes die missionarische Dimension der Religionen genannt wird, noch vor Ignoranz, Angst, Verdächtigung oder mangelnder Kommunikation der Führungsriegen (p. 20). Immerhin kann man darauf verweisen, dass man mit Dialogen schon beachtliche Erfolge erzielt hat, obwohl oder gerade weil man nicht in erster Linie auf Vertreter der verschiedenen Gemeinden oder der Staates setzte: „At the outset, participants of the dialogues came mostly from the universities in the hope that more objectivity could be expected.“ (p. 22) Auch wenn es weder um einen christlich-muslimischen Dialog noch um einen Dialog über den Stand des christlichmuslimischen Dialogs geht, so sei der interessierte Leser doch verwiesen auf BSNC 48 (1981), der so etwas wie einen Themenband zum Islam darstellt, sowie auf BSNC 49/50 (1982), ein Themenband zu Afrika, der auch sehr ausführlich auf den afrikanischen Islam eingeht. BSNC 51 (1982) dagegen ist ein Themenband zu Asien, der aber auch einige interessante Artikel zu islamischen Themen aus Asien enthält. Dass auch das katholische Konzept von Anthropologie, das hier im Gegenüber zum islamischen zur Debatte steht, sozusagen variiert abhängig von der Perspektive, in der es betrachtet wird, zeigt sehr schöne Fitzgerald, Michael L[ouis], Mission and Dialogue: Reflections in the Light of Assisi 1986, BSNC 68 (1988), p. 113–120. 5 S. Rossano, Pietro, The Secretariat for Non-Christian Religions from the Beginnings to the Present Day: History, Ideas, Problems, BSNC 41/42 (1979), p. 95–100.105, vgl. a. ders., Le cheminement du dialogue intereligieux de „Nostra Aetate“ à nos jours, BPCDIR 74 (1990), p. 135 u. (zu den Unterschieden noch bei den muslimischen Reaktionen auf das neue Dialogkonzept) 139 sowie p. 140 f zu den vielleicht unspektakulären, aber eben doch spürbaren Fortschritten gerade auf dem Gebiet praktischer Zusammenarbeit, die in den nächsten Jahren erreicht wurden; Arinze, Francis, Reflections on the Silver Jubilee of the Pontifical Council for Inter-religious Dialogue, BPCDIR 72 (1989), p. 314 f (hier ist im Rückblick davon die Rede, dass die interreligiösen Begegnungen den Christen halfen, das Konzept des interreligiösen Dialogs zu klären und sozusagen ein Test für die Prinzipien waren, die in den Dialogrichtlinien aufgestellt worden waren  – was ja im vorhergehenden Kapitel gerade für den christlich-muslimischen Dialog und dessen Leitlinien sehr schön gezeigt werden konnte; hier sei auch noch ein Verweis auf die Nummer 77 (1991) des hauseigenen Bulletins erlaubt, die dem Dokument „Dialogue and Proclamation“ gewidmet ist), Masson, Joseph, Souvenirs et perspectives, BPCDIR 72 (1989), p. 334–342 (der aus seiner Erfahrung Hintergründe gibt, warum tatsächliche Dialoge nicht eher möglich waren, was zu erreichen war – und auch erreicht wurde – und warum beispielsweise die Umbenennung gerade für die Gesprächspartner sehr wichtig war – zu Letzterem auch Arinze, Francis, Editorial, BSNC 69 (1988), p. 185, für den es außerdem eine endgültige Anerkennung ist) sowie Rossano, Pietro, Rome: Restitution of the Visit of the WCC Commission for Dialogue to the Secretariat for Non-Christians (7 March 1974), BSNC 26 (1974), p. 140: „The contents and the spiritual values of man expressed in various religions should be the fundamental bases from which dialogue operates.“ Dies war übrigens eine Feststellung, die in ausdrücklicher Übereinstimmung mit dem entsprechenden Gremium des ÖRK gemacht wurde, s.a. später Taylor, John B., Geneva – Switzerland: Third Working Meeting between the Secretariat for non Christians and the World Council of Churches’ Sub-unit on Dialogue with People

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of Living Faiths and Ideologies – Ecumenical Institute Bossey (March 13th–14th, 1983), BSNC 52 (1983), p. 85: „In any future planning for actual dialogues between Christians and people of other faiths it was recognized that it could be very useful to centre the agenda round common human concerns such as threat of nuclear war, the crisis of the familiy life or the violations caused by racism.“ Überhaupt kann der Austausch und die Zusammenarbeit dieser beiden Institutionen fast als Selbstverständlichkeit im Hintergrund bezeichnet werden, die je länger je weniger der Erwähnung und Dokumentation bedarf, so sehr gehört sie zur Normalität auf beiden Seiten. Das schönste Dokument für diese Beziehung, ihren Umfang und ihre Bedeutung findet sich bei Ucko, Hans, Pontifical Council for Interreligious Dialogue 40 Years Testimony, Current Dialogue 45 (2005), p. 13–15. Gleichzeitig zeigt dieser Text aber auch, dass es wenig ganz konkrete Projekte gegeben hat, bei denen man zusammengearbeitet hat und dass diese niemals allein mit dem christlich-muslimischen Dialog zu tun hatten, sondern immer noch mindestens eine, wenn nicht mehrere andere Religionen einschlossen. Zu der in Taylors Bericht angesprochenen, schon für 1985 oder 1986 angedachten (Taylor, p. 85: „might promote“) gemeinsamen christlichen theologischen Konferenz zur Stellung des Islam ist es bisher noch nicht gekommen, was darauf hindeutet, wie schwierig eine solch grundsätzliche theologische Frage ist, vielleicht die schwierigste überhaupt im ganzen interreligiösen Dialog. Zu den angesprochenen dauerhaften Problemen im christlich-muslimischen Dialog s. noch ausführlicher und ausgewogenener Cordeiro, Joseph/Teissier, Henri, Rapport du Groupe „Islam“, BSNC 41/42 (1979), p. 186: „Le Secrétariat ne saurait oublier, enfin, que le difficile dialogue avec les Musulmans aura toujours de plus ou moins graves implications politiques, se heurtera sans cesse au problème de la ‚représentativité‘, discutable mais réelle, des instances officielles islamiques et devra accepter que beaucoup de musulmans y poursuivent le dessein à eux déjà assigné par le Coran, à savoir conduire les Non Musulmans à l’Islam par les ‚voies les meilleures du dialogue‘“. 20 Jahre später schreibt Khaled Akasheh in Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, BPCDIR 101 (1999), p. 219: „Christian-Muslim dialogue is without doubt the most difficult of dialogues, but at the same time the most necessary and perhaps the most promising. It constitutes a sign of hope for the future, but also a challenge. The PCID, strengthened by divine assistance, by the encouragement of the Holy Father and by the collaboration of Members and Consultors, hopes to succeed in this mission to bring about a future of peace and collaboration not only between Christians and Muslims, but also between all believers and men and women of good will.“ Interessant ist auch, dass die hier angeführten Berater des Sekretariats in der ersten Phase bis 1971 sehr im Mittelpunkt standen, sei es in Forschung, Veröffentlichungen oder Planung, dann aber in den Hintergrund traten und damit zu tatsächlichen ‚Beratern‘ wurden, so Zago, Marcello, The Life and Activity of the Pontifical Council for Inter-religious Dialogue, BPCDIR 74 (1990), p. 151. Zago gibt p. 154 auch eine sehr ausführliche und deutliche Erklärung dafür, warum die Umbenennung in Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog überfällig war. Dialog steht nach ihm für alle positiven und konstruktiven interreligiösen Beziehungen mit Einzelnen oder Gemeinschaften, die auf gegenseitiges Verständnis und gegenseitige Bereicherung ausgerichtet seien. Die ausdrückliche Bezeichnung als interreligiös aber erkenne an „the other person’s identity, the value of his experience and of his religious traditions.“ Hier ist Name also nicht Schall und Rauch, sondern hier gilt: Nomen est omen, s. dazu auch Shirieda, John, Editorial, Bulletin Pontificium Consilium pro Dialog inter Religiones 70 (1989), p. 1: Die erste Nummer des hauseigenen Bulletins mit neuem Namen ist ihm Anlass zu betonen, dass eben dieser neue Name eine erneute Bestätigung des Auftrags zum Silberjubiläum sei. Ähnlich positiv wird auch die Ernennung des damaligen Sekretärs, Michael Louis Fitzgerald zum Titularbischof von Nepte gewertet, so Shirieda, John, Editorial, BPCDIR 79 (1992), p. 1. Wenig später erfolgt dann auch die Umbenennung des Bulletins in „Pro Dialogo“, was wiederum mehr positiv über den Inhalt sagt als bisherige Bezeichnungen, so Fitzgerald, Michael L[ouis], Editorial, BPCDIR 85/86 (1994), p. 1. Diese Doppelnummer ist auch für alle die interessant, die sich über neue Über-

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die Dialoge und deren Ergebnisse ganz unterschiedlich aus bzw. ist es interessant zu sehen, in welche Richtungen sich bestimmte Beziehungen über die Jahre belegungen auf dem Feld der Theologie der Religionen informieren wollen, die ja hier ausdrücklich nicht unser Thema ist. Eine der neuesten äußeren Entwicklungen (seit Mai 1998) ist die Groupe Interdicastériel pour l’Islam (GII), die weder mit Dialog noch mit Forschung direkt zu tun hat, sondern auf dem Niveau der römischen Kurie die Kontakte mit den verschiedenen islamischen Institutionen verfolgen soll und dabei eine einheitliche Stimme herstellen soll bis hin zur gleichen Wortwahl von Kurie, Nuntiaturen und Bischofskonferenzen. Die zweimonatlichen Treffen haben im Dezember 1998 begonnen und umfassten die zweite Sektion des Staatssekretariats, die Kongregation für die Orientalischen Kirchen, die Kongregation zur Evangelisierung der Völker, den Päpstlichen Rat für Migranten und Flüchtlinge, den Päpstlichen Rat Gerechtigkeit und Frieden, das Päpstliche Institut für Arabistik und Islamistik (PISAI) und eben den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog. Ein Text zur Terminologie, der sowohl ein offensives Vokabular vermeidet sowie eines, das islamisch-ideologisch aufgeladen ist, wurde bereits erarbeitet, ebenso wie ein arabisches Glossar zum Islam mit einem italienischen Index, das eventuell Gegenstand einer größeren Studie werden könnte. Das letzte der Themen, die in der Anfangsphase in Angriff genommen wurden, war die Anwendung des islamischen Rechts und dessen Implikationen für Muslime und v. a. Nichtmuslime. Über dieses Thema könnte es zu einem Austausch zwischen Kurie, Nuntiaturen und Bischofskonferenzen kommen. Angedacht sind ferner die Erstellung einer Einführung in den Islam, wobei man teilweise auf ‚Cheminer ensemble‘ des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog zurückgreifen könnte sowie eine Gruppe, die auf der Ebene der religiösen Orden und Lebensgemeinschaften arbeitet, soweit diese vom Islam betroffen sind. Die GII ist laut Akasheh eine Unterstützung für den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog angesichts der Herausforderung, die der Islam für die gesamte Kirche darstellt, wobei sich das durchaus noch weiter ausbauen ließe, so Akasheh, Khaled, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, BPCDIR 109 (2002), p. 99 f. Formloser und weniger regelmäßig, d. h. nur zwei oder drei Treffen im Jahr, hatte es solche Begegnungen auch schon vorher gegeben mit der Absicht, dass die Mitglieder anderer Abteilungen der Kurie über die verschiedenen Aspekte der christlich-muslimischen Beziehungen auf dem Laufenden gehalten werden, so Fitzgerald, Twenty-five Years of Dialogue, p. 113. Was generelle Entwicklungen und Probleme angeht, sei auch verwiesen auf Machado, Felix A[nthony], A Summary of Reports by the Members: Interreligious Dialogue Promoted by the Church, BPCDIR 109 (2002), p.128–130. Bezeichnend ist, dass Georges C. Anawati schon 1978 in einem Aufsatz schreibt: „Mir will scheinen, daß auf katholischer Seite das Anliegen des islamischchristlichen Dialoges zum Durchbruch gekommen ist, zumindest der Intention nach“ (Zur Geschichte der Begegnung von Christentum und Islam, in: Bsteh, Andreas (Hrsg.), Der Gott des Christentums und des Islams, Beiträge zur Religionstheologie 2, Mödling 1978, p. 33, während er von muslimischer Seite hauptsächlich Einzelpersönlichkeiten nennt (p.33 f, hauptsächlich die Anmerkungen liefern interessante Informationen zu Personen, die in der Tat immer wieder an prominenter Stelle in den Diskussionen auftauchen). Sehr bezeichnend ist auch, dass Robert Caspar in seinem Aufsatz Islam and Secularization, BSNC 15 (1970), p. 156 von der Säkularisierung als Stützpunkt („fulcrum“) für den christlich-muslimischen Dialog spricht. Häufig gebe es die Einladung, eine Art gemeinsame Front der Religionen gegen den Atheismus zu eröffnen – was sich ja auch z. B. im Dialog von Tripolis noch zeigen wird. Caspar sieht da auch deutliche Tendenzen im politischen Bereich (p.  155): „I only note the almost constant fact that many political leaders before independence resolutely opted for a secular State, but once in power, not only did they yield to public pressure and admit Islam as the State religion, but themselves hardly seem to want now to come back on this point, conscious as they are of maintaining religious tendencies within the framework and the options of their internal and international politics.“

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wegt haben und wie genau sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede dabei herauskristallisierten. Ein einzelner Gesprächspartner einer Religion genügt eben nicht, weil es unmöglich ist, so das gesamte Spektrum dieser Religion abzudecken. Dabei ist es generell nicht leicht, den/die richtigen Partner zu finden. Will man, wie es mit den Jahren immer wichtiger wurde, religiösen Fundamentalismus und Terrorismus mit der Wurzel ausrotten, so muss man trotz aller Schwierigkeiten auch mit Hardlinern Dialog führen, oder, wenn die politischen Verhältnisse einen offiziellen Dialog unmöglich machen, auf informellen Dialog ausweichen und dabei auch immer darauf achten, dass die Dialoge vom Gegenüber nicht ausgenutzt werden und man die eigene Sache nicht kompromittiert – sicherlich alles Erkenntnisse, die z. T. teuer bezahlt wurden, auch wenn dies selten deutlich so gesagt wird. Darüber hinaus darf man bei einem solchen Resumée nicht vergessen, dass eine Hauptaufgabe des Sekretariats war, Dialoge auf regionaler und lokaler Ebene anzuregen, sie in jeder möglichen Weise zu unterstützen, ohne jedoch der eigentliche Träger zu sein. Regionale Dialoge, von denen weiter unten noch genauer die Rede sein wird, haben oft den Vorteil, eine bisher schwierige Dialogsituation positiv zu beeinflussen und hoffnungsvolle Anstöße für die Zukunft zu geben. Ob als Vorbereitung großer eigener Dialogtagungen (wie in den Unterkapiteln deutlich sichtbar) oder aber als Vorbereitung lokaler Dialoge haben die Besuche von Vertretern des Sekretariats große Bedeutung, wie sehr schön ein Reisebericht von Mons. Pietro Rossano illustriert, der sich der ersten Kontaktaufnahme mit den Ländern Irak, Pakistan und Bangladesch (6.2.–4.3.1977) widmet. Solche Besucher werden sozusagen als Gesandte des Papstes angesehen, der wiederum großes Ansehen genießt, weil er das geistliche Element in dieser Welt verkörpert. So wird ein solcher Besuch häufig zum Katalysator für beide Seiten, aufeinander zugehen zu können, gerade auch für die lokalen christlichen Kirchen, deren Problem es häufig ist, schwach und in ihrem Umfeld wenig verwurzelt zu sein, was den Dialog sehr erschwert bis unmöglich macht. Ziel ist ja, die Botschaft des Evangeliums vermittels des Dialogs in das menschliche Umfeld und die menschliche Diskussion hineinzustellen, und dazu muss man mit beiden Seiten gut vertraut sein. Der Glaube sollte personalisiert sein, gerade mit Blick auf die Jugend, die mit Formen und Institutionen wenig mehr anfangen kann. Ganz wichtig ist aber die Bekenntnisfreiheit, auch was soziale Formen dieses Bekenntnisses angeht, dies wird in direktem Zusammenhang mit dem Dialog und dem Evangelium gesehen. Die Tendenzen, die sich gerade in den besuchten Ländern zeigten, sind durchaus auch anderswo zu finden, abgesehen vielleicht davon, dass die Spiritualität des asiatischen Islam offener ist für Heilige und Mittlergestalten als dies beim ursprünglichen arabischen Islam der Fall ist. Materialismus und Säkularismus werden auch von islamischer Seite als Gefahr gesehen, an dieser Front wäre man gerne zur Zusammenarbeit mit den Christen bereit. Man macht sich Gedanken um die jungen Leute, hat man doch ganz ähnlich wie die Christen auch Probleme, den Glauben in der heutigen Welt auszudrücken und

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zu vermitteln. Vorschläge bzgl. Dialog gehen in Richtung Kultur, Humanismus, die metaphysischen Begründungen für soziales Verhalten und gemeinsames Leben, also alles eher anthropologische Themen auf einem theologischen Hintergrund, expressis verbis eine juristische, ethische und philosophische Zusammenarbeit auf theistischer Grundlage. Auch das sehr konkrete Thema Jerusalem und Palästina ist immer präsent, mit zunehmender Entfernung allerdings wird es unwichtiger.6

6 Nach Report of Mgr. Rossano’s Journey to Iraq, Pakistan, Bangladesh, Northern India, BSNC 34/35 (1977), p. 62–65, der Reisebericht in Einzelheiten findet sich p. 52–62. Zu dem besonders positiv folgenreichen Aufenthalt in Bangladesch s. a. Orlando, G., Bangladesh: Reports on the Activity of the „Brotherhood Commission“ for Muslim and Christian Encounter, BSNC 36 (1977), p. 195–197. Eine Auflistung aller Besuche und vom Sekretariat organisierten Tagungen gibt Kardinal Pignedoli in Pignedoli, Sergio, Letter of Cardinal President of the Secretariate fo the Bishops, BSNC 36 (1977), p. 90, wobei auch er betont, dass Dialog v. a. die Angelegenheit der lokalen Kirchen sei und das Sekretariat nur Hilfestellungen geben könne. Der konkrete Dialog hänge von den Umständen und dem Gegenüber ab, wobei (p. 91) generell die gemeinsamen Ziele auf menschlicher, geistlicher und moralischer Ebene genannt werden. Schwierigkeiten werden benannt, sogar relativ deutlich, und an ihrer Spitze die politische Einmischung gerade, wenn man es mit Religionen zu tun hat, die nicht strikt zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre trennten, womit sicherlich der Islam gemeint ist. Wesentlich enthusiastischer klingt da der Verantwortliche für Islam selbst in einem Bericht über eine Tagung, an der er teilgenommen hatte, dahin gehend, dass man nach zwölf Jahren Anstrengung sich schon nähergekommen sei, so Mokh, Francois Abou, Vienne: Rencontre des chrétiens et des musulmans à SaintGabriel (Mödling – Vienne) 31 mai–5 juin 1977, BSNC 36 (1977), p. 192. Allerdings wiederholt auch er, dass das Sekretariat Treffen jenseits der Politik anstrebe. Ein ausgezeichnetes Beispiel für einen muslimischen Besuch im Sekretariat wie auch für die Nichteinmischung des Sekretariats in Belange der Ortsbischöfe ist Shirieda, John, Report of the Conversation between the Indonesian Delegation and that of the Secretariate for Non-Christians, BSNC 37 (1978), p. 5–8. Hauptpunkt des Gesprächs mit dem indonesischen Minister Mukti Ali ist die Mission (oder was von den indonesischen Muslimen dafür gehalten wird bis hin zur psychologisch anstößigen Präsenz von christlichen Gebäuden wie Kirchen, Schulen und Krankenhäusern) bzw. Proselytismus, wobei unter diesem Pauschalverdacht jede kirchliche Hilfe zu leiden hat, die nicht über den Staat verteilt wird. Auch später gibt es noch solche Besuche auch zur Stärkung auf schwierigem Terrain, so Alger -Algérie: Visite du Cardinal F. Arinze, Président du Secrétariat pour les non-Chrétiens (28 nov.–5 déc. 1987), BSNC 67 (1988), p. 87–88. Was die regionalen Dialoge des Sekretariats und ihre Wirkung angeht s. Machado, Felix, Interreligious Dialogue in the Various Regions of the World, p. 268, wobei Machado auf katholische Dialoge allgemein eingeht und nicht nur auf die zentral organisierten. Generell erweisen sich antiökumenische und fundamentalistische Tendenzen im Dialog als hinderlich, egal von wem sie ausgehen. Der christlich-muslimische Dialog ist offenkundig in Ländern mit muslimischer Mehrheit besonders frustrierend (p. 269). Auch Fitzgerald erwähnt bei gleicher Gelegenheit (Vollversammlung des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog 20.–24.11.1995), dass viele bei Islam zunächst an Fundamentalismus und Extremismus dächten und fragten, ob Dialog mit Muslimen denn überhaupt möglich sei. Seine Antwort sei die Gegenfrage nach der Alternative, also vielleicht einer Fortsetzung der Kreuzzüge (Fitzgerald, Michael L[ouis], Report on the Activities of the PCID: November 1992–November 1995), BPCDIR 92 (1996), p. 169).

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Die christlich-muslimischen Dialoge

1.4. Nach einiger Zeit: Wünsche an die Muslime und leichte Schritte zurück Noch die erste Vollversammlung des Sekretariats vom 24.–27.4.1979 mit allen Mitarbeitern, Mitgliedern, Beratern und ausgewählten Gästen aus der Ökumene ist bei genauem Hinhören, was christlich-muslimischen Dialog angeht, sehr geprägt von den ersten nicht ganz einfachen Erfahrungen, die man gemacht hat und derenthalben man diesen Dialog als schwierig einstuft: Die Repräsentanz sogenannter öffentlicher islamischer Instanzen sei ein Dauerproblem. Außerdem müsse man akzeptieren, dass viele Muslime dem im Koran vorgegebenen Schema folgten, Nichtmuslime durch die besten Dialoge zum Islam zu führen. Schließlich dürfe und werde man nicht vergessen, dass Dialog für die Muslime immer einen mehr oder weniger starken politischen Einschlag habe. Im Gegenteil, bei den Versuchen der Muslime, auf die Herausforderungen der Moderne zu antworteten, finde man auch viele Versuche, das durch ein Wiederaufrichten des islamischen Rechts zu tun, was dem sogenannten islamischen Fundamentalismus besonderes Gewicht gebe, egal, ob dieser nun in der Spielart Ghaddafi, Moslembrüder oder saudischer Wahhabismus auftrete. Man wünscht sich auf islamischer Seite eine weniger ideologische oder genauer juristisch-politische Sichtweise des Islam, eine Sichtweise des Islam, die ihn mehr als Weg zu Gott sieht. Bislang ist diese Verschiebung der Gewichtungen hin auf die Betonung der (in christlichem Verständnis) eigentlich religiösen Dimension der islamischen Erfahrungen v. a. bei muslimischen Minderheiten in nichtmuslimischen Ländern festzustellen.7 7 S. Cordeiro, Joseph/Teissier, Henri, Rapport du Group „Islam“, BSNC 41/42 (1979), p. 183–186, dessen unwesentlich abweichende Vorform als Compte rendu du groupe „Islam“ im Archiv des Ökumenischen Rates, DFI-Box 37 vorliegt. Einig ist man sich, dass auf christlicher Seite noch mehr Wissen und Vorbereitung nötig sei, doch Francis Arinze, damals noch Erzbischof in Nigeria, bezweifelt, dass ein muslimischer Dozent dafür am geeignetsten sei, da dieser wohl alles andere als objektiv wäre und auch nicht sagen könne, was aus christlicher Sicht am Islam positiv bzw. negativ sei, so Arinze, F[rancis], Means Necessary for Developing Dialogue with Non-Christians, BSNC 41/42 (1979), p. 169. Kardinal Pignedoli dagegen verweist für den Dialog allgemein auf etwas, was Louis Gardet in einem Artikel in Islamochristiana 3 (1977) als die drei Gefahren des christlich-muslimischen Dialogs formuliert hatte: „a combattive apologetic, an apologetic of insufficiency, and a practical syncretism“, so Pignedoli, Sergio, Introduction of the Cardinal President to the Plenary Meeting of the Secretariat for Non-Christian Religions, 1979, BSNC 41/42 (1979), p. 86. Wenig später, am 19.9.1981, veröffentlicht das Islamic Council of Europe eine neue islamische Erklärung der Menchenrechte, die vom damaligen Asienreferenten des PCID, Thomas Michel, im Bulletin kritisch besprochen wird, gerade was ihre Grenzen angeht (es ist mehr eine islamische als wirklich eine universale Erklärung der Menschenrechte, was ihren Hintergrund und ihre Verpflichtung dem islamischen Recht gegenüber angeht, ein säkulares Rechtssystem ist beispielsweise nicht vorgesehen, was die Geltung angeht, so kann sie nicht für alle Muslime sprechen und behauptet auch gar nicht, dass ihr Inhalt in allen muslimischen Ländern umgesetzt würde). Michel hält sie allerdings für so wichtig,

Anfänge und Grundstrukturen

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So fügen sich diese Erfahrungen insgesamt sehr gut in das notwendigerweise zu differenzierende Gesamtbild ein. Was Dialogveranstaltungen selbst angeht, so wurde bereits unter dem Nachfolger Kardinal Pignedolis, Mgr. Jean Jadot, den selbst organisierten Dialogveranstaltungen wieder wesentlich weniger Aufmerksamkeit gewidmet und die Mitglieder des Sekretariats stattdessen ermuntert, an Dialogen anderer Veranstalter teilzunehmen, auch mit der Begründung, dass überzeugender Dialog eben nicht nur auf höchster Ebene stattfinde, sondern gerade in den vielen Diözesen weltweit. Das ist eine Linie, die sich von nun an kontinuierlich durchzieht, eine Dreiteilung der Arbeit zwischen Islamstudien, die besonders von den Fachberatern der Commission for Religious Relations with Muslims übernommen werden (siehe auch Publikationen), der Rolle des Animateurs für Dialoge auf lokaler Ebene, was als besonders wichtig angesehen wird, und schließlich dem eigenen Dialogengagement, das gegenüber den anderen beiden weit zurücktritt und v. a. der internationalen Ebene vorbehalten bleiben soll. Die anderen Ebenen alle im Einzelnen nachzuzeichnen würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, man sollte aber nicht vergessen – und die Verantwortlichen haben ja auch immer wieder daran erinnert  –, dass der vielleicht wichtigste Dialog der ist, der nach außen am wenigsten glanzvoll aussieht, da er auf lokaler Ebene erfolgt, wo Menschen sich ganz direkt und dauerhaft begegnen. Die Erkenntnisse und Ergebnisse, die daraus in jahrelanger Arbeit erwachsen, sind nicht zu unterschätzen und verdienten es sicherlich, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht zu werden,8 was aber schwer konkret umzusetzen ist. Hier soll versucht werden, die Stränge nachzuzeichnen, bei denen es mehrere, dass sie zum Inhalt von Studien und Diskussionen gemacht werden sollte, bei den Muslimen selbst sowie auch in deren Dialog mit Nichtmuslimen, so Michel, Thomas, New Muslim Declaration on Human Rights, BSNC 48 (1981), p. 248 f. Es sei auch auf einen Artikel bzw. Vortrag desselben Autors verwiesen zu God’s Covenant with Mankind according to the Qur’an, BSNC 52 (1983), p. 31–43, auch wenn dieser nicht auf einer Veranstaltung des PCID gehalten wurde. Gleiches gilt für den ursprünglich italienisch gehaltenen Vortrag von Thomas Michel zu Sin, Forgiveness and Reconciliation in Islam, BSNC 53 (1983), p. 115–134. 8 Ein gutes Beispiel hierfür ist Borelli, John, Recent Muslim-Catholic Dialogue in the USA, in: Fitzgerald, Michael L[ouis]/Borelli, John (edd.), Interfaith Dialogue, A Catholic View, London/Maryknoll 2006, der p. 105 f zehn Punkte auflistet, die er aus seiner Dialogerfahrung mit Muslimen gelernt habe. Sie können und müssen hier nicht alle wiedergegeben werden, doch einige sind so grundlegend und wichtig, dass sie hier nicht fehlen dürfen: „1 For too many centuries, from the beginning of the encounters between Arab Muslims and the Christians outside of the Arabian Peninsula, Christians have made outlandish statements about Islam, Muhammad and Muslims in general. Muslims feel compelled to lecture Christians about the basics of Islam in order to correct our mistaken views. (…)/p. 106 (…) 6 Muslims are particularly eager to tell Christians about their respect for Jesus, and cannot understand why Christians can be negative or distrustful towards them. 7 The word ‚mission‘ functions in the same way among Muslims as the word ‚jihad‘ does among Christians. Both words have beautiful meanings but they carry connotations of violence, intolerance and disrespect. The problem for Christian-Muslim conversation is that in a thorough discussion these words are difficult to avoid using. (…)

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Die christlich-muslimischen Dialoge

10 Christians and Muslims often judge one another by their extremists. This can happen between any two groups, but because of the particular history they have had and the way strife has been promoted as a way of dealing with one another, they each make the mistake of judg­ ing the other’s worst by their own best. They often let the extremists do the talking and thus capture public attention.“ Der Band bietet allerdings auch noch andere interessante und wichtige Informationen zu christlich-muslimischem Dialog, ist diesem doch der gesamte zweite Teil  des Buches gewidmet. Theologischer Dialog wird als schwierig eingestuft, der formelle Dialog zwischen Vertretern beider Religionen werde sich wohl häufig mit sozialen Fragen beschäftigen. Schwierigkeiten werden offen und klar angesprochen, so dass es eben ein unterschiedliches Verständnis der Beziehung der Menschen zu Gott gebe, ebenso ein unterschiedliches Verständnis von Religionsfreiheit und (zumindest in den Augen der Christen, hängt dies doch wieder damit zusammen, dass, was unterschiedlich ist, auch unterschiedlich behandelt werden darf bzw. muss) eine Diskriminierung der Frauen im Islam. Darüber hinaus gebe es, dies dürfe nicht ignoriert werden, in den muslimischen Gesellschaften radikale Elemente, unter denen aber auch die Muslime selbst litten. Nach dem 11. September 2001 hätten auch die Muslime selbst das Bedürfnis gehabt, klarzustellen, dass Islam und Terrorismus nicht einfach austauschbar seien (nach p. 131.138.140 f.147). Insgesamt bewegt sich der interreligiöse Dialog wohl immer zwischen den zu vermeidenden Extremen Naivität und Misstrauen: „ingenuousness which accepts everything without questioning and on the other hand a hypercritical attitude which leads to suspicion“ (p. 168). Sehr lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Kapitel über modernen religiösen Fundamentalismus (p. 170–179). Zu Jadot s. Fitzgerald, Twenty-five Years of Dialogue, p.  114 und v. a. p.  115 zu seinen Ausführungen gegenüber der römischen Bischofskonferenz im Oktober 1983: „He explained that dialogue is pre-eminently the task of the local Churches. The role of the Secretariat is to conscientize, encourage and collaborate, by being an agent of communion and information. He also stated that Islam merits special attention because it is a monotheistic religion because it is so widely spread and is witnessing a re- awakening, and also because of its socio-political implications.“ (Michael Fitzgerald wurde 1987 Sekretär des Sekretariats für die Nichtchristen, s. seine ‚Antrittsrede‘ Greetings from the New Secretary, BSNC 64 (1987), p. 5–7) Ein weiteres an sich sehr spezielles Beispiel, das aber interessant wird durch die großen Probleme, die es mittlerweile gegeben hat, ist die Frage nach christlich-muslimischem Dialog in der Arbeiterklasse in Frankreich, s. dazu den sehr bedenkenswerten Artikel von Serain, Michel, Chrétiens et Musulmans en classe Ouvrière, BSNC 63 (1986), p. 251–261, der zu dem Schluss kommt (p. 261): „Bien que les chrétiens et musulmans ne partagent pas nécessairement le même sens de l’homme et n’aient pas la même vision d’une société idéale, ils sont confrontés ensemble aux mêmes problèmes. Les réponses communes dépendront de la qualité du dialogue entre partenaires.“ Zu den Einschätzungen Jadots s. Jadot, J[ean], The Growth in Roman Catholic Commitment to Interreligious Dialogue since Vatican II, BSNC 54 (1983), p. 205–220, ein Aufsatz, der auch sehr interessant ist, weil er die historischen Entwicklungen vor dem Konzil außergewöhnlich genau aufzeigt und weil er die ökumenische Dimension sehr würdigt. Dazu kann auch auf einen Artikel verwiesen werden, der im Bulletin des Sekretariats erschienen ist und der in Kürzestform gerade auch den ostkirchlichen anthropologischen Ansatz wiedergibt: Yannoulatos, Anastasios, Relations between Man and Nature in the World Religions, BSNC 47 (1981), p. 139–141. Für die späteren Entwicklungen im Sekretariat sei verwiesen auf P. C. I. D. Dialogue with Muslims since the Last Plenary, BPCDIR 82 (1993), p. 34–45. Er weist z. B. (p. 43) darauf hin, dass die Organisation of the Islamic Conference (OIC) an gemeinsamen Projekten interessiert sei. Nun sei diese Organisation eigentlich für zwischenstaatliche Beziehungen zuständig, man selbst aber für Beziehungen zu Muslimen als gläubigen Einzelpersonen, man werde aber versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden. (Ein Treffen war damals

Kontakte nach Saudi-Arabien – Arbeitssitzungen zu Menschenrechten

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am besten eine ganze Reihe von Dialogen mit einem bestimmten Partner gab. Zu nennen sind hier v. a. Libyen und die World Islamic Call Society, die Royal Academy for Islamic Civilisation Research (Al Albait Foundation) Amman, aber auch die Kontakte nach Teheran. Wenn eine Reihe von Dialogen sich aneinanderreiht, ist die katholische Seite bemüht,9 einerseits eine gewisse Kontinuität der Teilnehmer zu wahren, andererseits führende Experten von katholischer Seite zuzuziehen, die teilweise auch erstmals mit muslimischen Wissenschaftlern zusammentreffen, also ein gegeseitiger Vorteil, der auch durchaus beabsichtigt ist.

2. Kontakte nach Saudi-Arabien – Arbeitssitzungen zu Menschenrechten Kardinal Pignedoli besuchte bereits im April 1974 Saudi-Arabien und wurde dabei auch vom damaligen König Faisal zur Audienz empfangen. Dies half, ein anderes Ereignis vorzubereiten, dessen Idee von Sean Mac-Bride ausgegangen war, Sous-Secrétaire Général aux Nations Unies, und das nach etlichen Terminverschiebungen vom 24.–27.10.1974 stattfand, als der saudische Justizminister mit einer Delegation muslimischer Rechtsgelehrter nach Europa kam, um mit europäischen Juristen über Menschenrechte zu diskutieren. Dabei machte er auch im Vatikan Station, was der Höhepunkt der Reise war, und es gab einige gemeinsame Arbeitssitzungen v. a. zum Thema Menschenrechte, an denen auch die Päpstliche Kommission Justitia et Pax teilnahm. Auch wenn dies mehr den Charakter eines Besuchs – unter anderem mit einer Privataudienz beim Papst – denn den einer Dialogkonferenz hatte, so ist es für diese frühe Phase doch zumindest erwähnenswert.10 Es wurde immerhin ja auch ein für die Einschätzung des Menschen sehr wichtiges und zwischen den beiden Religionen umstrittenes Thema angesprochen.

für Anfang 1993 ins Auge gefasst.) Es war dies die erste Vollversammlung seit längerer Zeit, auf der überhaupt Raum war, auf Fragen des Islam (und anderer Religionen) ausführlicher einzugehen, so Shirieda, John, Editorial, BPCDIR 82 (1993), p. 1–2. Einen guten Einblick in die generelle Arbeit des Päpstlichen Rates und seine Einbindung in vatikanische und sonstige Gremien gibt Arinze, Francis, Meeting Other Believers, BPCDIR 82 (1993), p. 17–22. 9 So Fitzgerald, Michael L[ouis], Report on the Activities of the PCID: November 1992– November 1995, BPCDIR 9 (1996), p. 170. 10 nach Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, p. 90 f, der auch nicht alle Besuche eigens erwähnenswert findet, diesen (neben Kairo) aber schon. Ein genauerer Bericht findet sich unter Visite des Uléma Saoudiens au Secrétariat pour les Non-Chrétiens, BSNC 28/29 (1975), p. 181–185. Der Bericht gibt eine unendliche Menge an Details, aber leider nicht, was zu Menschenrechten aus christlicher bzw. islamischer Sicht gesagt wurde. Dabei ist dieses Thema ja gerade in Zusammenhang mit Islam allgemein und Saudi-Arabien im besonderen so etwas wie ein Reizthema.

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Die christlich-muslimischen Dialoge

3. Kontakte zur World Islamic Call Society, Tripolis, Libyen 3.1. Der erste Dialog überhaupt: Tripolis 1976 3.1.1. Die Einladung zum Dialog mit Tripolis – etliche Ungereimtheiten Die allerersten Kontakte nach Libyen und zu Muslimen überhaupt im Rahmen eines offiziellen Dialogs nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es nicht zur dort beheimateten World Islamic Call Society, sondern vom 1.–6.2.1976 auf Einladung von Staatschef Oberst Muammar al-Gaddafi höchstpersönlich in der Hauptstadt seines Landes. Dieser Dialog war in verschiedener Hinsicht höchst bemerkenswert und ist immer noch schwer zu rekonsturieren, da die entscheidenden Dokumente noch nicht offiziell zugänglich sind. So unterliegt auch diese Aufarbeitung gewissen Einschränkungen. Für den Gang der Ereignisse bei der Vorbereitung der Tagung und bei der Tagung selbst orientiert sie sich v. a. an der sehr ausführlichen Darstellung, die einer der Hauptprotagonisten, Père Maurice Borrmans, für Islamochristiana geschrieben hat und die sich durch große Detailfülle auszeichnet. Ergänzend verwendet wurden der offizielle Bericht und die ins Englische übersetzte Abschlusserklärung, die so im hauseigenen Bulletin veröffentlicht wurden und genaueren Einblick in die Vorbereitung der Tagung geben bzw. den Zugang zur offiziell arabischen Abschlusserklärung erleichtern. Leider ist diese Tagung nämlich weniger durch ihren interessanten Gesamt­verlauf bekannt geworden denn durch den Eklat, den es um die Abschlusserklärung und ihr Zustandekommen gab. Er überschattet, menschlich-allzumenschlich, bis heute die Erinnerung und auch die Aufarbeitung. Doch zunächst und vor allem zu den Entwicklungen davor. Offiziell gab es zwei Delegationen, eine christliche und eine muslimische, mit schlussendlich 12 (15) bzw. 14 (18) Teilnehmern (über die Zahl gibt es eine Unklarheit zwischen den beiden Berichten), aber ca. 500 Beobachtern aus 62 Ländern Afrikas, Asiens, Europas und Amerikas, davon ungefähr 100 Journalisten – sehr viel Aufmerksamkeit für eine religiöse Veranstaltung und sicher nicht immer von Vorteil für deren Verlauf und Beurteilung (Kommentar: „What had been expected to be a quiet exchange among experts turned into a festival of dialogue.“11). Die Initiative dazu ging von Libyen aus, von der sozialistischen arabischen Union. Es spielte dabei wohl eine Rolle, dass es kurz vorher auf andere Initiative hin christlich-muslimische Dialoge in Broumana, Cordoba und Tunis gegeben hatte, und man nun zumindest nicht nachstehen, ja vielmehr diese noch übertreffen wollte. Der Vatikan in Gestalt des Sekretariats für die Nichtchristen war dazu geradezu der ideale Partner. Das Sekretariat wiederum wollte diese Einladung nicht ab 11 Fitzgerald, Michael L[ouis], Tolerance – Respect – Trust, Forum Mission 6 (2010), p. 33.

Kontakte zur World Islamic Call Society, Tripolis, Libyen

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schlagen. Organisiert wurde die ganze Veranstaltung in nur vier Monaten, was sehr wenig Zeit ist, wenn man sich die Vorlaufzeiten späterer Veranstaltungen mit vatikanischer Beteiligung, aber auch generell Vorlaufzeiten für weit weniger hochkarätige Veranstaltungen ansieht. Hier war sie so verlaufen, dass im Mai und Juli 1975 eine libysche Delegation unter Leitung des Außenministers Kardinal­ Pignedoli besucht hatte, zunächst ganz privat als Höflichkeitsvisite, dann offiziell im Sekretariat. Beim zweiten Besuch war das Gespräch auf einen christlich-muslimischen Dialog gekommen. Kardinal Pignedoli erklärte seine generelle Bereitschaft dazu, an welchem Ort auch immer, vorausgesetzt, es gehe um ein religiöses und nicht um ein politisches Thema. Sein Vorschlag war das Thema Jugend. Der libysche Außenminister schlug einen allgemeinen christlich-muslimischen Dialog vor mit Tripolis als Ort und Dezember 1975 als Datum. Dann brachte er eine Einladung an den Heiligen Stuhl zur Teilnahme am Jahrestag der Revolution (1.9.) vor und drängte auf die Erstellung eines Vorbereitungskomitees zur Organisation des Dialogs. Am 1.9.1975 hatte eine Delegation des vatikanischen Staatssekretariats an den Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag in Tripolis teilgenommen. Der Sekretär der Kommission für Islam, Fr. Abou Mokh, war ein Mitglied dieser Delegation und nutzte die Gelegenheit, um mit dem libyschen Außenminister und weiteren Repräsentanten die Arrangements für die Dialogkonferenz ausführlich zu diskutieren. Von diesem Augenblick an lag die konkrete Vorbereitung in den Händen von Fr. Abou Mokh einer- und einem Vertreter der libyschen Botschaft in Rom andererseits. Ersterer war es auch, der, als die ersten Schwierigkeiten auftraten, nochmals nach Tripolis flog und bei der Tagung selbst der vatikanischen Delegation zwei Tage vorausreiste. Zunächst einmal kam es jedoch am 1.10. zu einem eher späten gemeinsamen Vorbereitungstreffen in Tripolis mit der gesamten vatikanischen Vorbereitungskommission, zu der außerdem noch Mons. Rossano, der Sekretär des Sekretariats für die Nichtchristen, und Père Borrmans vom PISAI gehörten, bei dem der rein religiöse Charakter der Tagung bestätigt (eine gemeinsame Pressekonferenz in Rom am 19.1.1976 machte das noch einmal offiziell) sowie die Themen und auch der Termin festgelegt wurden. Damals waren noch zwei Delegationen zu je zwölf Mitgliedern vorgesehen sowie ungefähr 20 stille Beobachter – nicht nur die Zahlen wurden später nicht eingehalten, wie bereits bekannt, sondern auch der reine Beobachterstatus wurde während der Konferenz dann immer wieder durchbrochen. Die christliche Seite wollte eine ökumenische Delegation zusammenstellen (gedacht war an einen koptischen Bischof, an einen Vertreter der griechisch-orthodoxen Kirche sowie einen Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen). Die libysche Seite sollte sofort die Einladungen vorbereiten und sich außerdem darum kümmern, dass die Referate einen Monat vorher schriftlich vorlägen. Die Namen der Referenten sollten bis Ende Oktober feststehen. Auf eigenen Wunsch wollte die libysche Regierung für alle Kosten aufkommen. Das Einzige, was sofort passierte, war, dass die Zahl der Beobachter sehr schnell und sehr einseitig von

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den Libyern aufgestockt wurde, wobei sie sowohl Christen als auch und hauptsächlich Muslime einluden. Da das Sekretariat für die Nichtchristen selbst nur wenige Einladungen ausgesprochen hatte (zwölf Teilnehmer und ebensoviele Beobachter) und außerdem der koptische Patriarch von Alexandria und der Ökumenische Rat der Kirchen eine Teilnahme abgesagt hatten, waren die anwesenden muslimischen Teilnehmer und Beobachter auch wesentlich repräsentativer als die der christlichen Seite. Wer offenkundig nicht vertreten war, waren die berühmten muslimischen Hochschulen, allen voran die al-Azhar, und Saudi-Arabien. Bei den christlichen Beobachtern waren die Ostkirchen stark vertreten. Ihr Auftreten war sehr lebhaft und v. a. heftig antijüdisch. Die christliche, also eigentlich katholische Delegation, die von einem bescheideneren und wissenschaftlicheren Rahmen ausgegangen war (s. o.), war offensichtlich sehr überrascht. Außerdem hatte der versprochene Vorab-Austausch der Referate nicht geklappt (nur ein einziges wurde nach Insistieren wenigstens kurz vorher herausgegeben), ja man wusste vor der Tagung nicht einmal, wer die muslimischen Referenten sein würden und konnte von daher das Niveau der Tagung kaum einschätzen.12 Einige hatten zu diesem Zeitpunkt schon den Verdacht, eine wissenschaftliche Tagung werde das nicht mehr werden, sondern eher eine auf dem sozialem und populärem Niveau.

3.1.2. Der Rahmen der Tagung – worum soll es gehen? Die vatikanische Delegation bestand aus dem Präsidenten des Sekretariats, Kardinal Pignedoli, dem Sekretär, Monsignor Rossano, dem Islambeauftragten, P. Abou Mokh, einem Syrer, sowie mehreren Beratern des Sekretariats, drei westafrikanischen Bischöfen, zwei Priestern aus arabischen Kirchen und einem indischen Laien, Mitglied der vatikanischen Kommission Justitia et Pax, war also nach eigener Einschätzung repräsentativ. Die muslimische Delegation wurde angeführt vom libyschen Erziehungsminister und war wohl vom Niveau und den Herkunftsländern her repräsentativ, doch nicht im Sinne einer offiziellen Vertretung irgendwelcher muslimischer Institutionen. Die offizielle Begrüßung durch den Minister im Namen der arabischen Republik Libyen gab nicht nur das Selbst 12 Der gesamte Abschnitt nach Report on the „Seminar on Islamic-Christian Dialogue“ Held in Tripoli (1st–5th February 1976), BSNC 31 (1976), p. 5–7.10, für den genaueren Ablauf s. p. 7–10, die manchmal kleine Details wiedergeben, die sich bei Borrmans so nicht finden; interne Leitlinie der ganzen Tagung von katholischer Seite war (so p. 7): „[T]he uniquely religious competence of the Delegation is confirmed, certain recommendations of the Cardinal Secretary of State are notified, it is decided that we will listen a lot and give collective witness of unity, charity, prayer, welcome and spiritual brotherhood.“ Was die Zusammensetzung der Delegation angeht, so heißt es p. 6: „[W]e must note immediately that the Copt Patriarchate of Alexandria ‚cannot‘ be present, and the WCC of Geneva ‚does not consider it necessary‘ to delegate anyone.“ Ergänzend sei noch verwiesen auf einen amerikanischen Bericht: Islamic/Christian Dialogue, Tripoli, Libyan Arab Republic, The Link 9,1 (1976), p. 1–8.

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verständnis des Gastgebers und seiner Revolution wieder, sondern in gewissem Sinn auch die Linie für diese Dialogtagung vor: Dem Islam die Ehre geben und arbeiten für die Befreiung der Menschheit von allen Formen von Ungerechtigkeit und Sklaverei. Gestützt auf etliche Koranzitate (darunter Sure 49,13, die die Erschaffung des Menschen aus einem Mann und einer Frau betont sowie die Schaffung von Gemeinschaften und Stämmen) betonte der Minister, dass dabei der Dialog der Muslime mit den anderen Menschen so alt sei wie der Islam selbst, sowie die Wichtigkeit von Vertrauen und Offenheit. In seiner Entgegnung betonte Kardinal Pignedoli zwei gemeinsame Werte, die diesen Dialog rechtfertigten, die Anbetung Gottes, des Schöpfers und Herrn des Universums, der den Menschen seinen Willen kundgetan hat und sie die Wege der Gerechtigkeit und des Friedens gelehrt hat, und, davon abgeleitet, die Brüderlichkeit aller Menschen, die uns verpflichte, Menschen der Barmherzigkeit und des Dienstes zu sein. Das Evangelium stelle das Gebot der Nächstenliebe praktisch dem Gebot der Gottesliebe gleich. Der Kardinal nahm aber auch Sure 5,48 auf, nach der Gott alle Menschen zu einer einzigen Gemeinschaft hätte machen können, so er das gewollt hätte. Insgesamt betonte er die Wichtigkeit von Respekt und Liebe für den anderen, ja darüber hinaus noch des Willens, für den anderen ein Zeuge dieser universellen Brüderlichkeit zu sein, sowie die Wichtigkeit der Dienstbereitschaft.

3.1.3. Gegenüber von Religion und Ideologie: (ganz) schlechte Karten für die Ideologie Der erste wirkliche Arbeitstag war dem Thema Religion und Ideologie gewidmet (ein Vorschlag der Libyer), mit Referaten von Prof. Abdulrachman Utba von der Universität Tripolis und Anthony Chullikal von der Kommission Justitia et Pax. Prof. Utba verankerte die Problemstellung gleich anthropologisch, indem er die Frage zum Entscheidungskriterium erhob, ob Ideologien imstande seien, auf alle Bedürfnisse des Menschen zu antworten, seien diese individuell oder kollektiv, materiell oder spirituell, und auch durch alle Orte und Zeiten hindurch. Er verneinte dies sogleich, denn die Ideologien hätten niemals eine umfassende Sicht des Menschen, der Gesellschaften und des Universums bieten können in einem Rahmen, in dem jedes Lebewesen seinen Platz und seine Beziehungen zu den anderen hat. Dies habe nur die Religion zu bieten, nur sie sei eine Quelle der Ordnung für das Leben und die Gesellschaft, in besonderer Weise der Islam, der höchst geeignet sei, das Leben des Menschen, der menschlichen Gruppen und der internationalen Gemeinschaft zu regeln. Dahinter steht das islamische Recht, das eben auch Moral und zwischenmenschliche Beziehungen regelt und in der Gesamtsicht den Menschen zum Stellvertreter Gottes macht. Auf die mitmenschlichen Beziehungen ging er besonders ein und wie sie durch das islamische System gleichzeitig mit Strenge und Geschmeidigkeit geregelt würden: „[L]e système islamique se caractérise par son fondamentalisme (…), sa globalité,

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sa souplesse et son réalisme. Il prend en considération les vérités de la vie, les caractères des gens. Les principes ont fait leurs preuves. Le système islamique forme pour l’humanité une civilisation permanente, une révolution continuelle, un message immortel… L’Islam, dernier des messages célestes (…), est un message général et mondial, valuable pour tous les temps et tous les lieux, et donc pour tous les hommes“13. Auch der christliche Referent ging auf das Unvermögen der Ideologien ein, auf alle Probleme des Menschen als menschliche Person zu antworten. Die Religion als Suche nach Gott umfasse dagegen alle Aspekte des Lebens. Sie sei der einzige Schutz der unveräußerlichen Freiheit des Menschen, welcher Person sei, nicht weil er sozial, sondern sozial, weil er zuerst Person sei. Er kommt zu dem sehr christlichen oder vielmehr katholischen Schluss: „[L]’unité de la personne et la multiplicité de ses relations internes et externes temporelles et spirituelles, indi­viduelles et sociales, sont tissées ensemble et subordonnées à la vocation spirituelle intrinsèque, respectant pleinement la possibilité humaine de communion avec Dieu. Dans son économie divine, Dieu guide les efforts concertés de l’humanité dans la construction d’un royaume humain sur terre: nous participons donc avec Lui de façon optimiste à la création d’un monde meilleur. La foi chrétienne laisse donc la place à un pluralisme légitime. Nous ne sommes pas constraints par un seul ‚formulaire‘. La création continuelle est à la base de notre espoir“14. In anderen, späteren und einfacheren Worten: Ihre Religion gibt den Christen Orientierung, eine Art Gewissen, aber sie gibt ihnen nicht ein für alle Mal fertige Lösungen. Beide Vorträge waren wohl für den durchschnittlichen Zuhörer der jeweils anderen Seite schwer verständlich, da zu sehr von der je eigenen Religion geprägt, sprachlich und auch von den grundsätzlichen Vorstellungen. Mons. Rossano meinte zwar feststellen zu können, Christen wie Muslimen sei ein großes Vertrauen in die menschliche Vernunft eigen (inwieweit protestantische Christen das genauso sehen würden wie katholische, müsste allerdings gefragt werden, hier bestehen doch gewisse Differenzen in der grundlegenden Sicht des Menschen, auch wenn die praktischen Ergebnisse doch wieder sehr ähnlich sind, stellt man dem die muslimische Seite gegenüber), doch die anwesenden Muslime sahen schon in einer zeitlichen Ordnung für das irdische Gemeinwesen eine gefährliche Autonomie für die Vernunft und standen dem Prinzip der Laizität und einem laizistischen Staat sehr kritisch gegenüber. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob ein Christ nicht zu oft hin- und hergerissen sei zwischen den geistlichen Forderungen seiner Religion und der Verwirrung und 13 Utba, Abd ar-Rahmân, zitiert nach Borrmans, Maurice, Le séminaire du dialogue islamo-chrétien de Tripoli (Libye)  (1–6 février 1976), Islamochristiana 2 (1976), p.  142, s. a. p. 135–141. 14 Chullikal, Anthony, zitiert nach ib., p. 143.

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Unordnung, die er angesichts politischer Wahlmöglichkeiten eines Gemein­ wesens empfinde, das sich nicht an der Religion orientiere. Dies ist sicherlich eine sehr ehrliche, tief gehende und typische Frage eines Muslims an die Christen. Leider ging die Beantwortung offensichtlich in dem Aufsehen unter, das das Auftauchen von Staatschef Gaddafi verursachte. Damit wandte sich die Diskussion anderen, mehr politischen Fragen zu. Auch Gaddafi aber sprach sich vehement gegen einen laizistischen Staat und eine laizistische Gesetzgebung aus: Die Konstitution eines Staates dürfe nicht von den Capricen von Regierungen und Parteienzwist abhängen und laizistische Gesetzgebung sei falsch, weil sie ihre natürlichen Quellen, nämlich Religion und Brauchtum, verloren habe. Es ist hier ein Problem angesprochen, das zu den grundsätzlichen Unterschieden zwischen Islam und Christentum gehört und das sich auch auf dieser Konferenz folgerichtig nicht klären ließ.

3.1.4. Gemeinsamkeiten zwischen beiden – und ihr Untergang in muslimischer Polemik Der nächste Tag gehörte dann den Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum, auch im praktischen Bereich (ein Themenvorschlag der christlichen Seite), und war geprägt von den Referaten von Père Maurice Borrmans vom­ PISAI und Prof. Ismail Faruqi, Temple University, Philadelphia. Ersterer sprach (in Arabisch) auf dem Hintergrund von Konzilstexten beispielsweise an, dass beide in Gott den Schöpfer suchen und sehen, den, der die Menschen liebt und deren Erfüllung ist, der barmherzig ist und Barmherzigkeit erweist und von den Toten auferweckt. Außerdem wies Borrmans auf die gemeinsamen Modalitäten einer menschlichen Antwort auf den göttlichen Anruf hin, sprich Glaube, Kultus und die Anerkennung göttlicher Gebote als Zustimmung vonseiten des Menschen  – in einem gemeinsamen Bild: göttliche Verhaltensweisen annehmen. Auch das jeweilige Engagement für den Menschen habe tiefe theologische Wurzeln: Weil wir an den lebendigen Gott glauben, setzen wir uns für die Ehrfurcht vor dem Leben ein, wo immer es bedroht wird. Weil wir an einen gerechten Gott glauben, kämpfen wir gegen jede Form von Diskriminierung, sei sie sexuell, rassisch, kulturell, religiös oder national motiviert. Weil wir an einen Gott glauben, der frei ist, zu schaffen und zu erneuern, verteidigen wir überall die Freiheitsrechte. Weil Gott der Friede ist und zu sich versammelt, bemühen wir uns, eine internationale brüderliche Gemeinschaft zu schaffen. Die Christen seien sich der Würde des Menschen bewusst, seien besorgt um die menschliche Gemeinschaft und überzeugt vom Wert menschlicher Aktivitäten. Die Muslime lud Borrmans zu einem Dialog über Werte ein im Rahmen eines gemeinsamen Dienstes für Leben, Gerechtigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit. Der Vortrag von Prof. Faruqi dagegen hob v. a. auf eine ursprüngliche Religion ab, von der auch das Judentum abstamme, die er aber ausdrücklich arabisch und

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nicht semitisch nennt (wie er auch Abraham als Araber apostrophiert und die drei monotheistischen Religionen für ihn arabisch sind) und die für ihn durch Folgendes konstituiert ist: eine Dichotomie des Realen zwischen Schöpfer und Geschöpf, eine Kommunikation des Schöpfers mit dem Geschöpf durch Offenbarung, Geschenk einer Fähigkeit an das Geschöpf, durch das dieses das Projekt des Schöpfers in der Welt umsetzen kann und schließlich die Realisierung von moralischen Werten durch das Geschöpf dank zusätzlicher Kraft und das Benutzen der Vernunft, daher auch Verantwortlichkeit und Sanktionierung. Der zweite Teil des Referats bestand allerdings vornehmlich aus Polemik gegen Zionismus, christliche Mission und Orientalistik. Obwohl er davor warnte, die Unzulänglichkeiten der Christen dem Christentum als solchem anzulasten, und die Aufgabe der Mission generell zugestand – es sei zu respektieren, dass jeder Mensch Anstrengungen unternehme, um seinen Nächsten an der erhabenen Weisheit und der religiösen Wahrheit teilhaben zu lassen – waren für ihn die christlichen Missionen dann doch eine Sünde gegen die menschliche Freiheit, weil sie, besonders unter Muslimen, immer in einem notwendigen heimlichen Einverständnis mit dem Kolonialismus erfolgten, so seine Überzeugung. Auch er forderte am Ende, die Vernunft müsse ihre Grenzen wiederfinden, allerdings dachte er dabei an die Humanwissenschaften, die enden müssten bei einer gesunden Erkenntnis, einem moralischen Verhalten, einer Familie im Gleichgewicht und der totalen Ablehnung von Rassismus und Materialismus. Es war dies sicherlich, wie auch von muslimischer Seite festgestellt wurde, nicht der gewünschte positive Beitrag im Blick auf eine zukünftige Zusammenarbeit, sondern eher ein Rückfall in nutzlose Vorwürfe, an denen sich aber auch die Diskussion weitgehend festbiss und von denen Prof. Faruqi auch bis zum bitteren Ende nicht abrückte, trotz aller theoretischen und praktischen positiven Argumente dagegen.

3.1.5. Glauben und Gerechtigkeit – ein sehr muslimisches Thema Am nächsten Tag ging es um Glauben und Gerechtigkeit – auch ein Themenvorschlag der Libyer. Die Referate hielten Prof. Ibrahim al-Ghuwayl, ein Jurist, und Pater Arnulf Camps von der Universität Nimwegen. Der muslimische Beitrag war insgesamt ein exzellentes Exposé zu islamischer Rechtsfindung im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen, genauer gesagt Wirtschaft, das vom Koran über traditionelle Interpretationen bis hin zur Anwendung durch den libyschen Sozialismus reichte. Man könne auf den Prinzipien des Islam ein ganzes soziales System aufbauen. Ausgangspunkt ist die Einheit von Glauben, Denken und Handeln oder präziser die zentrale Gewissheit, dass der Mensch Sklave Gottes ist, ein Sklaventum, das ihn von anderer, entfremdender Sklaverei befreie. Daher leite sich auch die Brüderlichkeit aller Menschen ab und die gemeinsame Nutznießerschaft der gesamten Schöpfung. Auf der Basis etlicher Koranstellen führte der

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Referent dann aus, dass die nichtislamischen Kulturen nicht imstande seien, den Menschen zu schützen, während die islamische Kultur ihn mit einer Aufgabe betraue, nämlich Gott durch Arbeit zu danken, ohne jemals ungerecht sich selbst oder seinen Brüdern gegenüber zu sein. Diese Aufgabe platziere den Menschen weit weg von den wirtschaftlichen Wegen des Materialismus, sei er praktisch oder historisch, wie er von den Kapitalisten und den anderen Atheisten übernommen worden sei. Als Stellvertreter Gottes auf Erden stelle der Mensch fest, dass er von der universellen Unterwerfung profitiere, denn Gott habe ihm alles untertan gemacht, Mineralien, Pflanzen und Tiere. Daraus folge ein Überfluss an Ressourcen dieser Erde, genug, dass alle Menschen menschlich davon leben könnten. Also genüge es, dem Gesetz Gottes, dem islamischen Gesetz zu gehorchen. In einem zweiten Teil ging der Redner dann etwas ins Detail, was Besitz und Arbeitslohn angeht. Besitz wird gesehen als dem Plan Gottes unterworfen und dem Menschen anvertraut. Gewinne und Erträge sind als Wohltaten Gottes zu betrachten, die nach der sozialen Gerechtigkeit zu verteilen sind, daher im Islam auch die Vorstellungen von Allgemeingut, welches alles von Gott direkt Geschaffene umfasst, und von Privateigentum, das den Einzelnen von der Gemeinschaft zugestanden wird, weil sie es nicht braucht oder weil etwas nur durch private Initiative gemacht werden kann. Dieses Privateigentum ist der Almosensteuer unterworfen, die den Armen zugute komme (was der Redner in Einzelheiten ausführte) und die auch der Reinigung der privaten Reichtümer diene und somit zu einer gewissen sozialen Sicherheit führe. Arbeit, Glaube und Wissenschaft würden also für die Entwicklung in allen Bereichen zusammenarbeiten und das rechte Handeln garantieren. Darunter versteht der Referent, dass der Zugang zu den Gütern nur ein Recht auf Nutznießung ist und dass die Armen ihren Anteil an den Gütern des Schöpfers haben dank einer gerechten Verteilung der Reichtümer. Camps dagegen ging in seinem Referat einen ganz anderen Weg und ging erst einmal auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit in nicht-monotheistischen Gesellschaften ein, also auf Indien und sein Kastensystem und seine Kastenlosen, auf den Buddhismus und seine Anstrengungen, der Welt zu entkommen, und auf die ‚primitiven‘ Religionen, die eine soziale Gerechtigkeit über die Solidariät eines Clans oder Stammes hinaus kaum und nur mit Schwierigkeiten im Blick haben. Auf diesem Hintergrund zieht Camps dann die Schlussfolgerung, dass soziale Gerechtigkeit etwas mit dem Glauben an (den einen) Gott zu tun hat. Der Mensch sei eine Einheit und man dürfe sein materielles und sein spirituelles Leben nie voneinander trennen. Folgende geistliche Werte der monotheistischen Religionen würden die Entwicklung von Gerechtigkeit fördern: Glaube an einen persönlichen Gott, der jeden Menschen zur Person gemacht hat; positive Wertung der Schöpfung; lineare Konzeption der Geschichte, die auf ein Reich des Friedens, der Gerechtigkeit, der Einheit und der Liebe nach Gottes Plan in der Zukunft zugeht; Bewusstsein der sozialen Natur des Menschen: Gerechtigkeit wird geschaffen mit den Angehörigen der eigenen Religionen und mit allen Men-

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schen. Es werden die sozialen Propheten Israels genannt, auch der Koran und v. a. Lukas 4,14–22, das dazu aufrufe, die Armut auszumerzen, die Gefangenen zu befreien, die Kranken und Blinden zu heilen und denen zu helfen, die unter den Schwierigkeiten des Lebens zerbrechen. Der Vortrag musste sich den Vorwurf gefallen lassen, einseitig zu sein: Die Anthropologie der nicht-monotheistischen Religionen sei nicht die einzige Ursache für soziale Ungerechtigkeiten. Das ist sicherlich richtig, auch wenn es wohl nicht das Ziel des Vortrags war, alle Ursachen für soziale Ungerechtigkeit aufzuzeigen, sondern umgekehrt zu zeigen, welchen besonderen gemeinsamen Bezug zu Gerechtigkeit die monotheistischen Religionen haben. Doch zeigt die Diskussion insgesamt, dass es grundlegende Verständnisschwierigkeiten v. a. vonseiten der Muslime gab, die christliche Freiheit in dieser Hinsicht begreifen und positiv sehen zu können – von dem Faktum, dass auch viele Ungläubige für soziale Gerechtigkeit kämpften, einmal ganz abgesehen. Aus den verschiedensten muslimischen Äußerungen wird immer wieder deutlich, dass es nach ihrer Überzeugung ein Defizit ist, dass das Evangelium nur Vorschläge macht und kein ganz genaues göttliches Recht hat, das alle konkreten Probleme des Lebens löst. Dass das Christentum sich einer Theokratie verweigert, ist ein Manko in dem Sinn, dass es nicht Geistliches und Weltliches ganz in sich aufnimmt und das eine wie das andere organisiert. Es gab allerdings auch auf muslimischer Seite eine Meinung, es sei nicht die Religion, die das Problem der Unterentwicklung löse, sondern es seien Naturwissenschaft und Technologie. Sofort aber wurde gekontert, dass die sozialen Fragen in den politischen Bereich gehörten und dass der ganz klar vom islamischen Recht abhänge. Hier kam – von muslimischer Seite! – eine Ermahnung, dass die Vorbereitungskommission dem Vatikan versprochen habe, dass man politische Fragen nicht erörtern werde und dass es doch wünschenswert sei, dass alle dieses Versprechen respektierten. Hier wurde ein gerade im Hinblick auf die Abschlusserklärung sehr wichtiger Punkt angesprochen und es wird, noch dazu aus muslimischem Mund, deutlich, dass es bzgl. Politik eigentlich klare Vorgaben des Vatikan und genauso klare Absprachen gegeben hatte, auf die sich alle geeinigt hatten. Es wird aber auch deutlich, dass es für den Islam und für Muslime von ihrem allumfassenden Grundkonzept her viel schwieriger ist, überhaupt irgendeinen Bereich als nicht religiös, sondern neutral auszugrenzen, von einem für das menschliche Zusammenleben so wichtigen und daher religiös so geregelten Bereich wie der Politik gleich gar nicht zu reden. Ein Vergleich der von Christen bzw. Muslimen gewünschten Themen spricht allein schon Bände: Die Themenwünsche der christlichen Seite lagen mehr auf theologischem Niveau, während die der muslimischen Seite alle auch eine praktische, rechtliche, gesellschaftliche, politische Ausrichtung hatten  – alles miteinander, weil eine Ausgrenzung dieser Fragen quasi eine Amputation des Islam wäre, denn das macht ja in den Augen seiner Anhänger gerade sein Proprium, ja seine Überlegenheit über Ideologien wie andere Religionen aus. Die Schwierigkeiten waren (und sind) also in gewisser Weise vorprogrammiert.

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3.1.6. Vorurteile und Missverständnisse: Themenwunsch der Christen und Fest für die Muslime Das letzte große Thema (wieder ein christlicher Vorschlag) war die Frage, wie man gegen die trennenden Vorurteile und Missverständnisse ankämpfen könnte. Die Referate dazu hielten ein Gemeindepfarrer in Algerien, Pater Jacques L ­ anfry, und ein in Paris lebender Denker aus Algerien, Muhammad al-Aychubi. Es gab wenig direkt anthropologische Aussagen, will man nicht die durchschlagende menschliche Wirkung, die die Vergebungsbitte von Pater Lanfry hatte, dazuzählen. Ebenfalls dazuzählen kann man aus der Reihe seiner Vorschläge den der Verdammung jeder Form von Proselytismus, der die Erfordernisse der Religions­freiheit verkenne, sowie die Abwesenheit jeder Form von religiöser oder rassischer Diskriminierung bei der christlichen Hilfe für die Dritte Welt. Er nannte aber auch verschiedene Punkte, die seiner Meinung nach den Fortschritt des christlich-muslimischen Dialogs hinderten, darunter beispielsweise das Missverständnis des Dialogs als heilige Allianz gegen die Kräfte des Materialismus und des Kommunismus (was gerade von muslimischer Seite öfter angeklungen war), die muslimische Gleichsetzung von Handlungen von einzelnen Christen mit dem Handeln ihrer (laizistischen oder atheistischen) Staaten, deren freie Bürger sie sind, und schließlich das Faktum, dass beide Seiten sich für unabänderliche Doktrinen entscheiden, die ein Zusammenleben in Gesellschaften, die nicht (vom System her) pluralistisch sind, schwierig machen. Er selbst plädierte für eine Akzeptanz des Pluralismus. Spätestens an diesem Punkt ist der Dialog bei einer etwas anderen Erscheinungsweise des sattsam bekannten Problems angelangt und es ist die Frage, ob die geforderte Geduld allein ausreichen wird, um dieses Problem zu lösen. Das Gegenreferat bestand praktisch nur aus den klassischen Vorwürfen gegen die Christen (und die Orientalisten), wie sie ähnlich schon Faruqi vorgebracht hatte, mit einem besonderen Schwerpunkt bei den Kreuzzügen, und aus einer Reihe praktisch ausschließlich politischer Forderungen unter der Gesamtüberschrift, die Christen sollten in Zukunft ihre Mitarbeit an einer unterdrückerischen und ungerechten internationalen Ordnung verweigern. Gemeint war damit noch vor einer gerechten Verteilung der materiellen und technologischen Reichtümer des Westens eine Verurteilung des Zionismus und ein Verzicht auf die päpstliche Forderung nach einem speziellen Status für Jerusalem und dessen heilige Stätten. Glücklicherweise verlief die Diskussion friedlicher, als danach eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Das lag einmal daran, dass die christliche Delegation es (nachsichtigerweise)  für nutzlos hielt, auf diese Angriffe zu antworten und dies auch wissen ließ. Es lag aber auch daran, dass eine andere muslimische Stellungnahme (Ibrahim) die Probleme etwas niveauvoller zusammenfasste als erstens dogmatischer Natur, zweitens kriegerischer Natur (wobei er die Größe hatte,

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auch und an erster Stelle die kriegerische Ausbreitung des Islam zu erwähnen und nicht nur Kolonialismus und Israel) und drittens kultureller Natur, weil es auch in diesem Bereich Unterschiede und Überlegenheiten gebe. Man beschäftigte sich mehr mit dem christlichen Referat, wobei hier als Entgegnung beispielsweise ins Feld geführt wurde, die Christen genössen in muslimischen Ländern doch alle Rechte als Schutzbefohlene. Was die christliche missionarische Arbeit im karitativen und humanitären Bereich angeht, so wurde sie im gleichen Atemzug gelobt und als nutzlos, ja sogar als beleidigend in muslimischen Ländern bezeichnet. Auch hier scheint wieder ein recht grundsätzliches Problem auf. Sehr interessant und aufschlussreich war auch die Stellungnahme von Mons. Luc Auguste Sangaré, Erzbischof von Bamako, der Hauptstadt von Mali, dem drei Dinge am Herzen lagen: Nicht die Querelen und Konflikte der Christen und Muslime des Mittelmeerraums nach Schwarzafrika zu importieren, vereinfachende Slogans der Art, das Christentum sei die Religion der Weißen und der Islam die Religion der Schwarzen, zu vermeiden, und schließlich alle Minderheiten zu respektieren, überall.15

3.1.7. Die Abschlusserklärung: Chaos und ein nahostpolitischer Skandal Dies also war die Ausgangslage, auf deren Hintergrund eine gemeinsame Abschlusserklärung erstellt werden sollte. Borrmans beschreibt sie im Rückblick so, und das passt zu den bisher gemachten Einzelbeaobachtungen: „[I]l s’y affirmait un ‚climat arabo-musulman‘ qui allait crescendo et où le politique et le religieux ne se connaissaient plus de frontières“16 – gefördert durchaus auch von den Gast 15 Nach ib., p. 143–154, besonders hervorzuheben ist p. 154 note 31, wo unter anderem von einem Beitrag des ehemaligen Präsidenten der Republik Venezuela, Cordeira, berichtet wird, der sehr ausführlich davon berichtete, wie sehr ihm die Soziallehre der Kirche in seinem Amt geholfen habe. 16 Ib., p. 155, s.a. p. 156, wo er von „climat indéfinissable“ spricht. Der Report on the „Seminar on Islamic-Christian Dialogue“ Held in Tripoli (1st–5th February 1976), p. 10/11 summiert es so: „The Moslem Delegation carried out its ‚dialogue‘ by systematically attacking the Catholic Delegation: our faults, according to them, are: Conscious falsification of the Holy Scriptures (particularly the Gospels), a monotheism which is not authentic, continual faults in history (from the Crusades to colonialism, up to the ‚exculpation‘ of the Jews),/p. 11 scorn and misunderstanding of Islam both on the level of faith and on the part of the orientalists, proselytism and conversion hunting, theological and ethical inferiority, lack of doctrine and social ideology, separation of life from the norms of religion etc. Islam appeared constantly sure of itself, a perfect religion which has nothing to learn, aware that today it is in possession of the prestige­ weapon of raw materials, avenger of rights too long ignored, proud of its religious purity. But with reference to this, it seems only right to note that the religious profession of the participants seemed to be rather a juridical fact than a true inner dimension.“ Inwieweit Letzteres in der so gepriesenen Struktur des Islam vielleicht gerade angelegt ist (zumindest bis zu einem gewissen Grad), wäre auch eine interessante, wenn auch schwer zu beantwortende anthropologische Frage. Sehr im Nachhinein wird es als Mangel an Toleranz und Respekt gedeutet, so Fitzgerald,

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gebern mit Mitteln einseitiger bis eindeutig fehlerhafter Berichterstattung. Kardinal Pignedoli hatte im Verlauf der Tagung oft interveniert, um der Obsession mit politischen Problemen entgegenzuwirken, doch offensichtlich letztlich nutzlos. Dass man sich für eine Abschlusserklärung nicht in allen Punkten würde einigen können, ja dass grundlegende Differenzen und Interessenkonflikte vorlagen, erscheint wahrscheinlich, ja offensichtlich. Beide Seiten hatten inzwischen jeweils in Eigenregie den Entwurf einer Schlusserklärung ausgearbeitet und es gab auch den Vorschlag (da die Zeit für die Ausarbeitung einer gemeinsamen Schlusserklärung knapp war), doch vielleicht einfach beide Erklärungen nebeneinanderzustellen. Es kam dann doch eine gemeinsame Schlusserklärung zustande, allerdings mehr schlecht als recht. Zu dieser ist zunächst zu bemerken, dass ihre einzig amtliche Fassung eigentlich nur die arabische ist, sprich sie ist die einzige, die in irgendeiner Form von katholischen Teilnehmern gegengezeichnet wurde, wenn auch nie in ihrer Gesamtheit, weder vom Delegationsleiter noch von einem der vier Teilnehmer, die konkret daran mitgearbeitet hatten, sondern nur in Einzelteilen von diesen vier Einzelteilnehmern. Die französische und die englische Fassung können streng genommen nur als halbamtlich gelten, da sie ohne jegliche Mitarbeit der christlichen Seite erstellt wurden. Allerdings sind sie es, die dann weltweit Schlagzeilen machten und, wenn auch etwas bearbeitet (die französische Version), auch vom Osservatore Romano übernommen und damit sozusagen offiziell gemacht wurden. Weiter ist zu bemerken, dass man beim Erstellen nur von den muslimischen Vorarbeiten ausging und nicht von dem ganz ausgezeichneten christlichen Vorentwurf17, der erkennbar auf die Geschehnisse des SemiTolerance – Respect – Trust, p. 34: „The Muslim speaker, however, adopted a different method. Taking the encouragement to frankness to its extreme, he pronounced a diatrie against Christianity for its misdeeds against Islam, particularly in connection with colonialism and neocolonialism. In the ensuing exchange (…) a Catholic bishop from Africa appealed for an end to simplistic slogans and demanded respect for minorities everywhere.“ 17 Einige entscheidende Ausschnitte vom Anfang dieser Erklärung, zitiert nach Borrmans, p. 159, note 42 (p. 159/160): „I – Nous avons pris conscience que notre même foi en Dieu créateur et juge des hommes et de l’histoire a été et reste une révolution dans le devenir humain. C’est cette foi qui a fait surgir l’homme dans sa dignité de ‚vice-régent‘ de Dieu sur terre; elle implique ainsi et exige le respecte de la dignité et de la liberté de l’homme. Cette même foi, tout en demeurant au-dessus des idéologies, en constitue la source vivifiante, qui donne à l’homme les motivations et les énergies qui lui permettent de se situer parfaitement vis-à-vis de Dieu, de ses frères et du cosmos. Sans cette même foi en Dieu, il est impossible d’assurer à l’homme toute sa liberté et toute sa dignité. II – Il est du devoir de tous les Fils d’Abraham de faire en sorte (…) que leur vie et leur travail les animent à collaborer comme frères au service de la famille humaine. III – La foi dans le Dieu unique nous engage à reconnaître tous les hommes comme nos frères, à faire notre autocritique devant toutes les formes d’injustice qui existent dans nos sociétés respectives et à nous convertir personnellement aux exigences de la justice, à l’appel des pauvres et des opprimés.

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nars eingeht und gleichzeitig mehr Stringenz aufweist, während der muslimische (und spätere ‚gemeinsame‘) Entwurf eher als ein Sammelsurium von Einzelparagraphen unterschiedlichen Charakters und Inhalts zu betrachten ist. Übrigens lag er zum Zeitpunkt der offiziellen Verlesung keinem einzigen christlichen Teilnehmer komplett vor, während der Delegationsleiter des Vatikan, Kardinal Pignedoli, noch nicht einmal den Inhalt kannte, denn die Übersetzungen wurden ja erst später erstellt: „L’improvisation et la confusion continuaient donc à être de règle“18 – um es vorsichtig und mit maximaler Höflichkeit gegenüber den Gastgebern auszudrücken. Offensichtlich war zu all dem keine Zeit, wie auch sonst an diesem Tag nichts so klappte, wie es eigentlich normalerweise hätte klappen sollen, so dass die etwas kryptische Formulierung „La rédaction des Conclusions se développa en des formes imprévues qui sont difficilement imaginables pour qui n’y a pas participé“19 noch als die bestmögliche Beschreibung erscheint. (…) Quel que soit le niveau auquel nous placons l’intervention de nos textes sacrés – c’est là où nous avons des conceptions différentes – nous sommes pratiquement d’accord sur toutes les exigences concrètes de la justice sociale.“ Im zweiten Teil dieser Erklärung ging es dann um Dialoghindernisse und wie man sie beheben könnte. Auch dazu einige Ausschnitte, die von anthropologischer Relevanz sind (p. 160, note 42): „3) être assez loyal de part et d’autre pour garantir à toutes les minorités religieuses tous les droits et tous les devoirs reconnus à la majorité; 4) reconnaître à chacune des deux religions le ‚devoir de l’apostolat‘ dans la pureté du témoignage qu’il faut porter, et dans le respect des libertés humaines, ce qui implique la condamnation de tout prosélytisme.“ Es lässt sich vorstellen, dass solche Vorschläge auf Schwierigkeiten bei der muslimischen Seite gestoßen wären, hätte man sie überhaupt machen können, was eben leider nicht der Fall war. 18 Ib., p. 161, note 43 (die Anmerkung, die versucht, eine annäherungsweise Beschreibung des Geschehens zu geben). 19 Ib., p. 160, note 43; die Schlussereignisse sind am besten geschildert in Report on the „Seminar on Islamic- Christian Dialogue“ Held in Tripoli (1st–5th February 1976), p. 12 (p. 11 nannte die Teilnehmer von katholischer Seite: Abou Mokh, Roest Crollius, Borrmans und Lanfry. Mons. Rossano hatte sich relativ schnell verabschiedet, als sich herausgestellt hatte, dass das Abschlussdokument zwischen zwei arabischsprechenden Kommissionen verhandelt werden würde.): „At 4 p.m. the Congressmen begin to fill the hall; at 5 p.m. Fr. Abou Mokh arrives with the first half of the copy of the Arab text. When questioned by Mgr. Rossano and the Cardinal he replied that the work had gone ahead in total harmony and he and Fr. Borrmans wrote a personal note to the Cardinal, at the opening of the sitting, in which he was invited to congratulate the two Commissions publicly for the total agreement in the draft of the final communiqué. At 5.15 p.m. begins the reading of the long Arab text, with simultaneous but defective translation into French. In the assembly there is applause, various members of the Catholic Delegation applaud, then the meeting breaks up hurriedly. We must admit that the greater part of the assembly was not interested in the points which were called into question and which provided an immediate bomb for the journalists. But when the meeting broke up the Cardinal did not hide his disapproval of what he had heard, and Mgr. Rossano, surrounded by journalists, expressed his dismay at what had happened“.

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So hatte die Schlusserklärung am Ende 24 Paragraphen, darunter auch einen (§ 5) über die Menschenwürde und ihre Mobilisierung gegen jede Form von Ungerechtigkeit, einen (§ 6) über die Ablehnung jeder Form von Rassendiskriminierung und einen (§ 8) über die Religionsfreiheit, die theoretisch alle drei für eine anthropologische Fragestellung wichtig sind,20 sowie einen Paragraphen (§ 23) über die Konstituierunge einer gemischten Kommission zu Fortsetzung dieses Dialogs, aber dies alles blieb papierne Theorie, denn es fanden sich eben auch ein 20 Es seien hier einige in anthropologischer Hinsicht wichtige Ausschnitte der Erklärung zitiert, um der Einfachheit für den Leser willen in englischer Übersetzung, wie sie im Bulletin zitiert ist: Text of the Final Declaration of the Tripoli Seminar on the Christian-Muslim Dialogue, BSNC 31 (1976), p. 14–21. Gleich in der Einleitung werden Brüderlichkeit und die Belange der Menschheit beschworen und die Wichtigkeit von Religion dafür: „Under the sign: (…) ‚Let us seek, therefore, what strengthens peace and brotherhood‘. In an atmosphere of hope and mutual trust, with a common awareness of responsibility for the future of man (…)“ (p. 14). Ziel ist insgesamt (p. 15) „to create an atmosphere that will assist understanding of the material and moral crises that modern man is enduring, in order to find practical solutions for them. (…) Man finds himself today, it is true, in a state of restlessness, anxiety, spiritual exile, estrange­ ment from all inner peace and happiness. He struggles in a hell of misfortunes, caused by the oppression of materialism, which draws the world away from the source of good, justice and piety; sources of which religion is the real and authentic origin. The commitment for the liberation of man from all forms of ignorance, injustices, tyranny and exploitation, finds its foundation in Religion. (…) There are priorities that no ‚Heavenly Religion‘ can sacrifice, or neglect to affirm, including: the dignity of man, his right to life, freedom, justice and equality.“ Dann wird ein kurzer Überblick über die Ergebnisse zu den Unterthemen der Tagung gegeben und dann kommen die einzelnen Punkte, unter dem Motto (p. 16): „The two parties agreed to begin a new page, based on respect, cooperation and joint action for the good of Humanity.“ Sehr deutlich islamisch geprägt (Religion als Rechtleitung) ist § 4 (p. 17): „The organization of life cannot be accomplished outside Religion, which constantely guides Humanity along the right way and the straight path; consequently, the two parties affirm that Religion is the basis of just legislation, and that all legislation established by man is unable to reach perfection“. Dies ist deutlicher als der folgende Paragraph, der zwar von der Würde des Menschen spricht, von seinem Wohlergehen und seiner Freiheit, diese aber weder begründet noch genauer definiert. Mehr Substanz hat da der knappe § 6 (p. 17): „In respect of man’s dignity, the two parties reject and denounce racial discrimination in all its forms, because it is a degradation of man, who is honoured by God“. Die beiden folgenden Paragraphen gehen zum einen auf Hunger und Unterprivilegierung vieler ein, was als „disgrace to Humanity“ (p. 17, § 7) bezeichnet wird, zum anderen auf Religionsfreiheit mit einer deutlichen Zielrichtung gegen religiöse Verfolgung, also wohl kommunistische Doktrin und Regimes. § 9 (p. 18) kann sich bei genauerem Hinsehen als doppelbödig entpuppen (v. a. nach gleichzeitiger praktischer lybischer Interpretation: „The two parties aspire to the realization of Peace on the basis of Justice and respect for Rights. They call upon the countries that possess destructive arms to stop manufacturing them“. Konkreten Sprengstoff können auch Sätze wie diese bergen (p. 19, § 16), gerade wenn man die Vorwürfe der Tagung noch im Ohr hat: „The patrimony of civilization and culture belongs to the whole of Mankind. It is the right of Mankind to receive this patrimaony in a correct, just way.“ Auch abgesehen von den beiden strittigen Paragraphen ist also deutlich, dass sich eher die muslimische Seite durchgesetzt hat mit dem, was ihr am Herzen lag und was mit ziemlichen Konsequenzen zu denken ist, auch wenn Christen das in der Regel nicht gewohnt sind, da sie diesen ganz einfachen und direkten Zugriff von Religion auf jede Art von Praxis so nicht haben und kennen.

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§ 20 über die Unterscheidung zwischen Judentum und Zionismus und ein § 21, der die nationalen Rechte des palästinensischen Volkes und ein gemeinsames Interesse am Schutz Jerusalems bestätigte, und von praktisch nichts anderem mehr war hinfort die Rede, nicht von den anderen Punkten der Erklärung und auch nicht von den Geschehnissen auf der Tagung selbst. Dass die muslimische Seite diese Punkte in der Erklärung haben wollte und dass der Vatikan von vorneherein zu diesen Punkten nichts sagen wollte, ist beides aus den Schilderungen zu Vorbereitung und Verlauf der Tagung evident, die offene Frage ist nur, wie genau diese beiden Paragraphen trotzdem hineinrutschten. Leider gab es auch keine Möglichkeit, die Angelegenheit sofort klarzustellen, denn die eigentlich angesetzte Pressekonferenz fand nie statt. Man einigte sich zwischen den beiden Delegationen schließlich spät in der Nacht, diese beiden Paragraphen, die immerhin den Zionismus als aggressive rassistische Bewegung diskreditierten, der keinen Bezug zu Palästina habe, und im Gegenzug das Rückkehrrecht der Palästinenser und Jerusalem als arabische Stadt bestätigten, als muslimische Äußerung zu betrachten und als solche dem für politische Fragen zuständigen vatikanischen Staatssekretariat vorzulegen – das prompt ablehnte. Die Wogen waren aber bereits hoch gegangen, gerade auf jüdischer Seite (hatte es doch erst eine Erklärung der UNO in diese Richtung gegeben), aber auch darüber hinaus, und ließen sich so leicht nicht mehr glätten, selbst wenn man diesem Dialog sicherlich Unrecht tut, wenn man ihn nur aus der Perspektive dieser beiden Paragraphen betrachtet.

3.1.8. Lehre aus Tripolis: Dialog ist nicht so einfach Doch ist dies leider nur zu menschlich und brachte die katholische Seite (auch) dahin, über die Schwierigkeiten des Dialogs und die Notwendigkeiten bei der Vorbereitung nachzudenken – und auch einige Muslime. Von katholischer Seite hörte sich das so an: „[I]t must be acknowledged that dialogue with the Moslems is difficult: there is a discrepancy of history, of culture, of social evolution, of religious mentality which only now we fully realize. The dialogue state of mind has still to be born in them, and for the Christian part the vocabulary of dialogue and sufficient theological categories have to be developped in order to be able to think Islam. The very commonest words such as dialogue, prayer, monotheism, revelation, will of God, have different meaning for them and for us. (…) [T]he most concrete result of the days in Tripoli and the most valid methodology for dialogue seem, for the moment, to be meeting and personal welcome: to feel and call each other brothers in the name of the same God and to offer to the Muslims the example of humility, disinterestedness and brotherhood in an interpersonal relationship of friendship in which the only thing sought is the good of the other“.21 21 Report on the „Seminar on Islamic-Christian Dialogue“ Held in Tripoli (1st–5th February 1976), p. 13; s.a. Borrmans, p. 157–164, der arabische Text der Erklärung folgt dann p. 164–170

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mit den beiden nicht anerkannten Paragraphen folgerichtig nur in p. 169, note 1. Borrmans arbeitete in seinen Artikel auch diverse Presseberichte über die Tagung ein. Einen Teil dieses (teilweise aus anderen Sprachen ins Französische übersetzten) Dossiers stellte er mir freundlicherweise als Photokopie zur Verfügung, so dass es mir möglich ist, meinerseits hier eine kleine Auswahl nach thematischen Gesichtspunkten wiederzugeben. Zunächst die offizielle Version, warum die Pressekonferenz, die die Unstimmigkeiten bzgl. der Abschlusserklärung gleich hätte klarstellen können, nie stattfand (Utba, Abd al-Rahman, dans: Holtz, Bruno, Une voie tracée pour la compréhension, La Liberté (18.2.1976), p. 9): La conférence de presse, d’ailleurs, n’a pas été reportée parce qu’il y avait des difficultés, comme vous le croyez „probablement, mais parce que M. Shahati, vice-président de la délégation islamique, désigné pour diriger la conférence de presse a été retenu à la présidence. Je peux même vous en révéler les raisons: le colonel Mu’ammar Kadhafi a présenté au cardinal Pignedoli la demande d’établir des relations diplomatiques entre le Saint-Siège et la République arabe libyenne. En plus, il a annoncé son accord pour l’ouverture d’une église catholique à Benghazi, deuxième ville du pays.“ Es stellt sich die Frage, ob man die Pressekonferenz nicht einfach etwas hätte verschieben können oder aber eine andere Persönlichkeit mit deren Leitung betrauen, wenn dies tatsächlich der einzige Grund war. Stellvertretend für die jüdischen Stimmen sei aus dieser Sammlung das (ursprünglich englische) Telegramm des Generalsekretärs von The International Council of Christians and Jews, Rev. P. W. W. Simpson an das vatikanische Staatssekretariat und an P. Pierre de Contenson, den Sekretär der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden genannt, veröffentlicht in The Tablet (14.2.1976), p. 170. Le Monde (13.2.1976), p. 3 (gezeichnet S. J.) spricht von einer Affäre „qui détruit le mythe d’une ‚machine‘ vaticane parfaitement huilée.“ Ein anderer Kommentar in derselben Ausgabe von Le Monde, sogar auf derselben Seite, überschrieben ‚Paradoxes à Tripoli‘ und geschrieben von André Mandouze, Professor an der Sorbonne, einer der Beobachter, spricht von der „complexité religieuse d’une intrigue sans commune mesure“. Sein messerscharfer Kommentar verdient, zumindest auszugsweise zitiert zu werden: „À vrai dire, il faut reconnaître d’emblée que seuls ont été pris au dépourvu -- aussi bien parmi les spectateurs que parmi les acteurs eux-mêmes -ceux qui n’ont pas encore admis l’inévitable dimension politique de tous les événements religieux de quelque ampleur. Le problème n’est de savoir si le Vatican a de moins bons diplomates que naguère ou si le dynamisme du jeune Kadhafi l’a emporté. Dans cette affaire, la faute des chrétiens est originelle, s’ils n’ont pas accepté d’avance que discuter de religion avec un partenaire, pour lequel la séparation du spirituel et du temporel est proprement incompréhensible, comportait inévitablement non point un simple risque mais une chance certaine de ‚faire de la politique‘. Si les chrétiens sont des enfants de choeur, qu’allaient-ils faire dans cette galère voguant en pleine tempête israélo-palestinienne sur des eaux forcément mêlées?“ Dann kommt er auf die Paradoxien des Dialogs von Tripolis zu sprechen: „Le premier paradoxe concerne donc les chrétiens et leur impréparation politique, ici comme ailleurs, aux tâches évangeliques.“ Mehr Laien hätten da gut getan, so seine Meinung, und außerdem: „De plus, trop occidentale et nullement oecuménique, cette délégation trop ‚romaine‘ ne pouvait que donner abusivement aux musulmans l’impression qu’elle détenait directement du pape le pouvoir de décider en toute matière.“ Aber es steigert sich noch: „Mais c’est alors qu’apparaît le second paradoxe, lequel concerne cette fois-ci l’orientation dominante des musulmans présents à ce colloque. Loin de moi l’idée de porter le moindre jugement dépréciatif sur la qualité spirituelle ou sur la valeur intellectuelle de tel ou tel. D’une part, cependant, il n’a échappé à personne que certains grands centres de la pensée islamique n’étaient point représentés.“ Die Muslime hätten also theoretisch große Freiheit gehabt, nutzten sie aber praktisch nicht. An Fundamentalismus, so der Autor, standen beide Partner trotz unterschiedlichen Verhaltens und unterschiedlicher Meinungen in politischen Fragen einander nichts nach. Das hätte leicht zu einem gemeinsamen Kreuzzug

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gegen die moderne Welt der Ungläubigen führen können – tat es aber nicht, und das ist für Mandouze das dritte Paradoxon. Die Erklärung mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Sowjetunion ablehnend sucht er dafür eine religiöse Lösung: „Je préfèrerais, quant à moi, résolument, un autre genre d’explication, même si, encore une fois, cette explication repose sur un nouveau paradoxe, le quatrième et dernier, mais le plus important et que je résume ainsi: même s’il y a eu beaucoup de facteurs contradictoires à l’origine de ce ‚Séminaire du dialogue islamochrétien‘, celui-ci a été sauvé par la dynamique interne de la foi dans un même Dieu.“ Dabei gibt er sich nicht der Illusion hin, diese gemeinsame Wurzel würde ohne weitere gezielte Anstrengungen, wie sie ja auch gefordert wurden, für alles reichen, im Gegenteil, er ist auch da sehr scharf und sehr kritisch, dieses Mal mehr den Muslimen gegenüber: „En dépit des droits que donne aux musulmans le fait d’avoir souffert de la part des chrétiens, il eût sans doute été plus constructif de la part de la délégation musulmane de ne pas céder constamment à la facilité de critiquer l’autre.“ Sein (geborgter) Schlussgedanke: „Pour reprendre un mot d’un des délégués musulmans, les deux parties savent maintenant que les roses de la compréhension réciproque sont protégées par beaucoup d’épines.“ Teils in die gleiche, teils in eine völlig andere Richtung geht der Artikel ‚Relations christianisme-islam: Un travail scientifique s’impose‘ von Mohammed Arkoun, einem muslimischen Professor an der Universität Paris, veröffentlicht in Le­ Figaro (27.2.1976), Seitenangabe fehlt in der Zusammenstellung. Er fordert eine soziologische Herangehensweise an da religiöse Leben und eine entmythologisierende Sicht des Religiösen. Das würde manche Probleme sozusagen von selbst lösen: „Il n’y aurait plus place pour une question aussi dérisoire et anachronistique que celle qui consiste à demander aux chrétiens, comme on l’a fait à Tripoli, de reconnaître Muhammad comme prophète. Il n’y aurait plus lieu non plus pour le chrétien de consentir à une auto-accusation publique pour toutes les blessures et toutes les incompréhensions dont le monde chrétien s’est effectivement rendu coupable à l’égard de l’Islam: l’histoire nous enseigne en effet que celui-ci n’a pas toujours été particulièrement compréhensif à l’égard du christianisme.“ Auch Borrmans selbst äußert sich zu dieser Frage in einem Interview mit Michel Bavarel, veröffentlicht unter dem Titel ‚Muhammad: un prophète?‘ in La Liberté (18.2.1976), p. 9. Interessanter ist aber, wie er die Möglichkeit einer zukünftigen Verständigung zwischen Christen und Muslimen sieht: „Je pense qu’il faut être patient. Malheureusement, j’ai peur que l’homme moderne, parce que les moyens de communication sont rapides, s’imagine que 13 siècles, je ne dirai pas d’incompéhension mais d’ignorance réciproque, peuvent être effacés en quelques années et par quelques coups de baguette magique. Quand on voit déjà combien difficile est le rapprochement entre les Églises chrétiennes, comment pouvons-nous croire que demain ou après-demain tout sera clair, tout sera simple et tout sera résolu entre chrétiens et musulmans? (…) Il arrive de leur côté ce qui arrive de notre côté: (sic!) les hommes de dialogue sont une infime minorité. Ils ont conscience, les uns et les autres, d’être et de demeurer demain et après-demain encore incompris de beaucoup. Parce que chez eux, comme chez nous, ils entendront souvent leurs coréligionnaires leur dire: à quoi cela sert-il ?“ Ähnliches schreibt Peter Hebblethwaite in seinem (ursprünglich englischen) Artikel ‚Un dialogue islamo-chrétien‘ in The Tablet (14.2.1976), p. 174 f: „Malgré cela, les chrétiens sont considérés comme les plus proches des ‚croyants‘, et il vaut la peine d’insister sur cette vérité qui n’a pas précisément été à l’avant-plan de la conscience occidentale durant les 14 derniers siècles. Il y a un long héritage de suspicion et d’agressivité qui ne peut être dépassé d’un seul coup. L’apprentissage du dialogue est long, et il y aura des retours en arrière.“ Bezeichnenderweise beobachtete er auch, dass bestimmte arabische Christen kräftig mitmachten, wenn es darum ging, Israel anzuschwärzen. Dem stellte er in einem zweiten (ebenfalls ursprünglich englischen) Artikel ‚Enfin les croisades sont terminées ! (sic!) in The Times (14.2.1976) – Seitenangabe fehlt – die außerordentlich differenzierte Haltung Ghadaffis gegenüber: „Il fit allusion, avec une discrétion étonnante, au problème palestinien. La guerre contre Israel ne peut être un ‚jihad‘, une

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Noch fast 30 Jahre später bringt es der dann für christlich-muslimischen Dialog Verantwortliche so auf den Punkt: „While appreciating Libya’s generous hospitality, this initiative created a negative opinion with regard to dialogue among the Christians, due to what was perceived as political exploitation of the dialogue.“22 guerre sainte, parce que les juifs, eux aussi, croient en un seul Dieu, et que la guerre sainte ne peut se faire que contre les incroyants.“ Die Verständigung aber bleibt schwierig und Fußangeln lauern überall: „Mais en fait, en bien des points du monde chrétiens et musulmans ont appris, comme le dit le Cardinal Pignedoli ‚que, pour les relations entre chrétiens et musulmans, le mot clé est l’amitié‘. Malheureusement c’était une citation d’un livre sur Charles de Foucauld que les Arabes regardent comme un espion francais. Ce sont là des pièges d’un dialogue sur de nouvelles frontières. Mais, au moins, les Croisades sont finalment terminées.“ Sehr schön drückt das auch Anfang und Schluss des Artikels ‚La voie difficile‘ von Michel Lelong, Le Figaro (11.2.1976), ebenfalls ohne Seitenangabe aus: „Faudrait-il conclure, après la confusion des dernières heures, que le dialogue islamo-chrétien est décidément impossible, ou, du moins, si difficile qu’il vaut mieux y renoncer? Nombreux sont ceux, dans l’une et l’autre communauté, qui se refusent à le croire. (…) Ce qui unit le plus profondément les crétiens et les musulmans – et ce qui les unit aux croyants du judaisme – c’est la sertitude que l’homme trouve son véritable bonheur, sa véritable liberté dans la lumière de Dieu. C’est aussi une commune espérance qui donne à l’existence humaine et à l’histoire leur signification. C’est en se situant dans une telle perspective que peut et doit se poursuivre le dialogue islamo-chrétien.“ Bände dagegen spricht der Artikel des muslimischen Richters Tayssir Kana’an, überschrieben ‚Non … non … non … o sainteté le pape!‘ und erschienen in arabischer Sprache in der Zeitung ‚Al Quds (21.2.1976), Seitenangabe fehlt: „Et que mon frère arabe chrétien me permette d’assurer, en son nom, que les liens qui l’unissent à moi sont mille fois plus forts et plus fermes que ceux qui l’unissent au chrétien belge, kényan ou italien. Notre nationalisme est un, notre langue est une. Nos tradi­ tions sont identiques et notre destin est le même. Malgré les différences de rites, les chrétiens endurent avec nous les mêmes souffrances et partagent avec nous les prisons et les camps de réfugiés. (…) Sainteté, Si vous considérez que le rejet, par les arabes chrétiens, des idées et des positions du Saint Siège au sujet de la souveraineté arabe sur Jérusalem constitue un ‚péché‘, alors ils sont tous ‚pecheurs‘ et viendront au Saint Siège pour se confesser. En même temps, ils attendent et espèrent que vous bénirez leur péché. Sainteté, Le prélat de l’Église, Hilarion­ Capucci, arabe chrétien: (sic!) porteur d’un passeport du Vatican, vous envoie son salut de sa prison.“ Wo in dieser so unglücklichen Auseinandersetzung am Ende der Konferenz von Tripolis die arabischen Christen von Anfang an standen und mit welcher Begründung, darüber dürfte nach dieser Lektüre kaum noch Zweifel bestehen. Report on Mgr. Rossano’s Journey in South-East Asia, BSNC 31 (1976), p. 49–61 zeigt auch sehr schön, auf welch starke und z. T. sehr einschlägige Resonanz Dialog und Erklärung von Tripolis auch in der nicht-arabischen islamischen Welt stießen, so z. B. p. 50: „The Tripoli meeting, whose final session had already been translated into Malaysian by Mr. Kamaruddin, was spoken of with satisfaction; the Great Mufti made vows for the restitution of the Cordova mosque, and for Jerusalem, ‚the third holy city of Islam‘, asking me whether Christians were able to go there and what was the Vatican position regarding it: I replied simply that all Christians wished for respect and freedom of access to the holy places of all the religions.“ 22 Akasheh, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), p. 196; sein Vorgesetzter drückt es so aus (Fitzgerald, Tolerance – Respect – Trust, p. 35): „The seminar had achieved the opposite of what it intended, for it had contributed to creating a climate of suspicion towards dialogue.“ Im nächsten Satz bezeichnet er es mit „[t]his unfortunate event“.

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Einen weiteren konkreten Erfolg hatte die Tagung aber auch noch: Im Dezember 1977 wurde die katholische Kirche in Benghazi eröffnet. Auf muslimischer Seite machte immerhin einer der Sprecher dieses Dialogs im Nachhinein die Feststellung, Dialoge, bei denen es Gastgeber und geladene Gäste gebe, hätten keine Aussicht auf Erfolg.23 Betrachtet man die spätere Entwicklung und die Dialoge, sei es in Libyen oder anderswo, die aus einer Zusammenarbeit der vatikanischen mit diversen muslimischen Strukturen erwachsen, so scheint sich diese Einsicht allgemein durchgesetzt zu haben. Mit der zunehmenden zeitlichen Distanz gelang es auch, die positiven Seiten dieses Dialogs mehr zu sehen und hervorzuheben. Beispielsweise würdigte die UNESCO in Paris den dritten Jahrestag mit einer Festveranstaltung, an der der damalige Moderator der vatikanischen Delegation, Mons. Rossano, eine Rede hielt, die doch sehr die Gemeinsamkeiten auf beiden Seiten herausstrich, gerade darin, dass weder im Islam noch im Christentum der Mensch an sich oder sein Verhältnis zur Welt ohne seinen Gottesbezug gedacht werden könnten. Das unterscheidet beide von atheistischen Systemen und hat auch vielfache praktische Konsequenzen. Gerade die Stabilität einer juristischen Ordnung sowie der persönlichen und sozialen Rechte und Pflichten werden als abhängig von ihrem religiösen Fundament gesehen. Umgekehrt wird aber der Mensch durchaus im Spiegel des universellen göttlichen Gesetzes und damit als intelligent und vernunftbegabt gesehen, was sich auch in seinem Wirken in der Welt ausdrücke. Vielleicht, so Rossano, könne der absolute Respekt vor dem Gewissen des anderen sogar das Problem lösen, dass beide Religionen essentiell missionarisch seien. Sicherlich aber werde es ein großer Tag in der Geschichte der Menschheit, wenn beide Religionen wirklich ihre Brüderlichkeit entdeckten.24

23 Nach Balić, Smail, Worüber können wir sprechen?, Dialog der Religionen 1 (1991), S. 72. Ein interessanter Hintergrund ist der Bericht von Heinz Gstrein, Die Lage der christlichen Kirchen im arabischen Maghreb, Wort und Wahrheit 27 (1972), S. 463–469, der sich hauptsächlich mit der Lage in Libyen beschäftigt und weder in Vergangenheit noch Gegenwart, weder in Religion noch Politik ein schmeichelhaftes Bild des Landes zeichnet – und übrigens damals schon auch kein schmeichelhaftes Bild vom Verhalten der katholischen Kirche in diesen Verwicklungen. Dazu, dass immerhin die Öffnung einer Kirche erreicht wurde s. Fitzgerald, Michael L[ouis], Twenty-five Years of Dialogue, p. 111. Weiter ist deutlich, dass die katholische Kirche weitere Treffen und damit besseres Kennenlernen wünscht, aber in religiösem Rahmen, fern von jeder Politik, so Mokh, Francois Abou, Vienne: Rencontre des chrétiens et des musulmans à Saint-Gabriel (Mödling – Vienne) 31 mai–5 juin 1977, BSNC 36 (1977), p. 192. 24 S. Rossano, P[ietro], Convergences Spirituelles et Humanistes entre l’Islam et le Christianisme, BSNC 40 (1979), p. 15–19.

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3.2. Neuanfang ab 1989: auch viele anthropologische Momente Zur World Islamic Call Society, Tripolis, Libyen, unterhielt der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog nach einer langen Pause bzgl. Libyen einen regelmäßigen Kontakt, der sich in jährlichen kurzen Treffen im kleineren Kreis von Funktionsträgern niederschlug, beginnend am 18./19.3.1989 in Tripolis mit einem eher einleitenden Besuch Kardinal Francis Arinzes, dann am 14.–15.2.1990 in Rom, wo es um das Verständnis von Mission bzw. Da’wah ging. Hier tauchten auch anthropologische Elemente auf, so beispielsweise beim Treffen 1990 der Dienst im Bereich der Förderung von menschlicher Entwicklung und Befreiung. Die muslimische Seite legte weiterhin Wert auf die Kenntnis Gottes, des Schöpfers. Man war sich einig, dass u. a. eine Haltung des Respekts für die menschlicheWürde und Freiheit nötig sei und eben ein demütiges Gefühl des Dienstes an der Menschheit. Außerdem wurde eine ganze Reihe von Dingen genannt, die als falsch oder zumindest problematisch einzustufen sind: Zwang, Verführung, Manipulation, Spott. Hinzu kommen Schwierigkeiten, die mit der modernen Gesellschaft zusammenhängen, wie z. B. der Einfluss des Materialismus auf die derzeitige Generation, aber auch Migration, v. a. in Gestalt von Flüchtlingen vor Krieg, diktatorischen Regimen, wirtschaftlicher und sozialer Not. Das schafft neben anderen auch das Problem der religiösen Rechte von Minderheiten. Internationale Konventionen dazu existierten zwar, müssten aber umgesetzt werden. Auch die Frage der Gegenseitigkeit wurde angesprochen und welche Erwartungen Christen und Muslime aneinander haben, was Religionsfreiheit angeht. Hier habe es in den letzten Jahren Verbesserungen gegeben, auch dank des Dialogs und der wachsenden Kontakte zwischen Christen und Muslimen, selbst wenn es manchenorts noch Schwierigkeiten gebe.25

3.3 Malta 1990: die Wichtigkeit der Toleranz Als Fortsetzung dieser Treffen hielten beide Organisationen vom 22.–23.11.1990 in Paola/Malta ein Symposium ab zu ‚Co-existence between Religions: Reality and Horizons‘ – sprich, es ging um die Frage der Toleranz. Die Eröffnungsreden der beiden Präsidenten betonten die Wichtigkeit der Toleranz für die menschliche Zivilisation und das menschliche Zusammenleben im Kleinen wie im Großen. 25 Nach Fitzgerald, Twenty-five Years of Dialogue, p. 119, Visit of Cardinal Arinze to Lybia (16–20 March 1989), Islamochristiana 15 (1989), p. 220, Rome: Meeting between the World Islamic Call Society and the Pontificial (sic!) Council for Interreligious Dialogue (14–15 February), BPCDIR 74 (1990), p. 178–180, Muslim-Christian Meeting at the Offices of the Pontifical Council for Interreligious Dialogue with Respresentatives of the World Islamic Call Society (Tripoli, Lybia) (14–15 February 1990), p. 294–295.

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Gerade Kardinal Arinze ging inhaltlich schon sehr zur Sache ging und erläuterte anhand der einschlägigen Texte des Zweiten Vatikanums, dass die katholische Kirche diese nicht als von äußeren Umständen abhängig sehe, sondern als auf der Würde des Menschen basierend. Es gehe um ein grundlegendes Recht des Menschen, nämlich das Recht, seinem Gewissen zu folgen. Dies gelte sowohl auf der Ebene des Einzelnen, wo es eine positive, interessierte und kooperationsbereite Haltung dem anderen gegenüber bedeute, als auch auf der Ebene der Gemeinschaften, denn sowohl die Natur des Menschen als auch die Natur der Religion führten notwendigerweise zu solchen Gemeinschaften. Die Begrüßung von muslimischer Seite dagegen betonte v. a., man sei über das Stadium des Kennenlernens hinausgekommen zum Stadium der Zusammenarbeit und erwähnte u. a. päpstliche Äußerungen sehr positiv.26 Angesichts des schwierigen Startes der Beziehungen (s. o.) ist dies bei aller notwendigen Zurückhaltung doch als großer Fortschritt zu werten.

3.3.1. Die Christen in der Kosmologie des Islam Eine erste Runde von Referaten beschäftigte sich mit der christlichen Sicht des Islam bzw. der muslimischen Sicht des Christentums, bevor dann die konkreten Konzepte von Toleranz dargelegt wurden. Diese ersten Referate sind für die Sicht des Menschen etwas weniger ergiebig, da es ja um die andere Religion gehen soll. Gerade das katholische Referat hält sich sehr strikt daran und ist praktisch eine Zusammenfassung der Aussagen des Konzils und von Ecclesiam Suam, angereichert noch um ein Zitat aus der Casablanca-Rede Johannes Pauls II. Entscheidend sei die gemeinsame Sicht Gottes als Schöpfer und Richter. Auch darüber hinaus wird der Islam gewürdigt, beispielsweise seine Toleranz, auch wenn 26 So Arinze, Francis, In Respect and Openness, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Hori­ zons, Vatican City s.a., p. 7 f, Sharif, Muhammad Ahmad, Understanding Tolerance, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 10 f. Der Beitrag ist generell und in verschiedener Hinsicht etwa vollmundig, sei es, dass er die Behauptung aufstellt, Christen würden als Muslime betrachtet, da sie an denselben Gott glaubten, sei es, dass er schreibt (p. 10): „We have contributed to human understanding by making tolerance a cornerstone in human civilization that emanated from both Christianity and Islam. This was a great development in the progress of mankind.“ Interessant ist auch eine Bemerkung aus der Begrüßung des lokalen maltesischen Vertreters der World Islamic Call Society, Mukhtar Aziz (Words of Welcome, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p.5), wo er Gott als den preist, der Propheten gesandt habe, um die Menschen davon wegzubringen, einander anzubeten. Dies ist sicher ein interessanter und wichtiger Aspekt des islamischen Blicks auf die Menschen und die Menschheitsgeschichte. Ein Kurzbericht der Tagung, die beiden Eröffnungsansprachen sowie die Schlusserklärung finden sich auch unter Paola  – Malta: Christian-Muslim Meeting, BPCDIR 76 (1991), p. 101–108.

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es da gewisse Probleme gebe, ferner die kulturellen Leistungen der Muslime, denen auch die Christen viel zu verdanken hätten, und schließlich auch ihre geistlichen Erfahrungen und die generelle Tatsache, dass sie Gott mit ehrlichem und offenem Herzen suchen. Umgekehrt geht es in der Darstellung von islamischer Seite viel weniger um das Christentum an sich und wie es sich selbst sieht, sondern viel mehr darum, wie der Islam generell die Menschheit und damit auch deren Religionen oder vielmehr Religion sieht. Der Islam sei ein Aufruf zur kosmischer Harmonie und damit auch zur Harmonie innerhalb der Menschheit. Schon vom Namen her sei Islam die friedliche Unterwerfung unter die Gesetze, die zu Sicherheit und komfortabler Ruhe führen, womit auch wieder das Element der Harmonie angesprochen ist, der Harmonie des Menschen mit der Welt. Nur wenn die Menschen ihr Leben diesen grundlegenden Gesetzen unterwerfen (und sie natürlich erst einmal verstehen), können sie Wohlergehen erreichen. Die übrige Schöpfung gehorcht diesen Gesetzen sowieso, nur der Mensch hat die Möglichkeit zu Gehorsam oder Ungehorsam, wobei von ihm erwartet wird, dass er freiwillig mit dem gesamten Universum harmoniert, das Gott preist. Von daher ist das Hauptproblem des Menschen der Verlust des Sinns für Gemeinschaft mit der Natur. Das Herausfallen aus diesen Gesetzen wird vom Redner, Ibrahim Ghwel, geradezu als Geburtsstunde des Menschseins gesehen. Er braucht Leitung, sicher in Anklang an den islamischen Begriff der Rechtleitung zu sehen, um ein Teil des harmonischen Universums zu werden. In diesem großen Zusammenhang wird die Menschheit als eine Familie gesehen, deren Unterschiedlichkeit als Bereicherung zu verstehen sei. Gott habe einen Menschen geschaffen, von diesem seine Frau, und durch Heirat und Fortpflanzung seien alle Hautfarben, Rassen und Sprachen entstanden. Die Menschen und noch mehr die Propheten seien also alle Brüder und ihre Vielfalt ein Zeichen von Gottes geheiligter Schöpferkraft wie die Vielfalt der Natur allgemein. Hier wird auch wieder dem großen Zutrauen in objektive wissenschaftliche Forschung Ausdruck gegeben, die nie zu einem anderen Ergebnis kommen könne. Nach dem Islam sei kein Teil  der Menschheit einem anderen überlegen, aber jeder Stamm und jedes Volk habe sein eigenes Land und seine auf sich zugeschnittene Botschaft (wobei der Islam das Essentielle aller dieser Botschaften in sich vereint und inzwischen Überholtes weglässt). Dabei bleibt aber die Religion gleich: „Religion, in other words, is a conception of human history based on unity and monotheism, and the diversification in human life is but an indication of a cosmic law that regulates every diversity. Thus, this is diversity in unity or unity through diversification.“27 Nicht alle diese Propheten 27 Ghwel, Ibrahim, Islamic Perception of Christianity, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 20, s.a. p. 16–19 zur erwähnten christlichen Sicht s. Ellul, Joseph, A Christian Understanding of Islam, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 12–15.

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seien im Koran offenbart worden, weshalb ein Gläubiger jeden „struggler to the sales of humanity“28 in der Geschichte ernst nehmen sollte, er könnte ja einer dieser nicht genannten Propheten sein. Hier zeigt sich, dass in der Tat die islamische Sicht der Menschheit sehr eng mit der Religion zusammenhängt und Christen und Christentum ganz einfach Teil eines viel größeren Gesamtentwurfs sind.

3.3.2. Toleranz – ein struktureller Problemfall 3.3.2.1. Muslimische Toleranz – wirklich so einfach und gesichert? Im Islam spielen dabei die Einheit des menschlichen Ursprungs, die menschliche Würde, Respekt vor Rechten, Dialog und rechte Ermahnung, aber auch die Verteidigung von gottesdienstlichen Plätzen eine Rolle. Insgesamt war das Referat von Muhammad El-Saadi gespickt mit Zitaten aus Koran und Sunna, Belegen dafür, dass im Islam die religiöse Toleranz fest in den Pflichten des Muslims verankert und somit gesichert ist gegenüber fanatischen Anwandlungen oder Veränderungen von Bedingungen und Umständen. Koranisch verankert sind, das war ja vorher schon ausgeführt worden, die Einheit der Menschheit von ihrem Ursprung her, so dass keine Nationalität, keine Rasse, keine Hautfarbe, aber auch kein Glauben über einen anderen herrschen sollte. Ebenso hat Gott nach dem Koran alle Menschen mit besonderer Würde vor anderen Geschöpfen ausgezeichnet, die Respekt erfordere und zwar unabhängig vom Glauben des Einzelnen. Wiederum wurde die Einheit der göttlichen Botschaften an die verschiedenen Propheten betont und dass die Muslime diese alle respektieren sollten. Erwartungsgemäß wurde auch das Koranzitat angeführt, nachdem es keinen Zwang in der Religion geben soll, also auch keine Zwangsbekehrungen, und das andere, ebenfalls ziemlich bekannte Koranzitat, dass, wenn Gott gewollt hätte, alle Menschen einen Glauben hätten. So aber, das ist die Schlussfolgerung, habe Gott den Menschen frei geschaffen und ihm die Freiheit gegeben, seinen Glauben zu wählen, und deshalb gebe es eben unterschiedliche Glaubenshaltungen. Die Menschen deswegen zur Verantwortung zu ziehen, sei nicht Sache der Menschen, sondern allein Gottes beim Jüngsten Gericht. Ferner wird noch ein Koranzitat angeführt, das belegen soll, dass alle gottesdienstlichen Plätze von Muslimen respektiert, unterhalten und verteidigt werden sollten, ganz wie Moscheen. Der sogenannte Heilige Krieg sei zum Schutz der Religionsfreiheit und der Heiligkeit der gottesdienstlichen Stätten vorgeschrieben. Außerdem schreibe der Koran Zusammenarbeit und Gerechtigkeit gegen alle vor und schließlich freie Religionsausübung: „Every human being has his own religion which he may preach with wisdom, gentle exhortation, dialogue, logic and proper argument within a framework of politeness and mutual respect and without inflicting harm on anyone or

28 Ghwel, p. 21.

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infringing upon the rights of anyone.“29 Damit scheinen dem Referenten, praktische Umsetzung vorausgesetzt, Toleranz, Koexistenz, Frieden und soziale Gerechtigkeit hinreichend gesichert. Die kleinen Probleme bei dieser ja auch von christlicher Seite durchaus aner­ kannten islamischen Toleranz, wie Umgang mit Polytheisten, Schutzbefohlenenstatus und tatsächlicher juristischer und praktischer Umgang mit Kirchbau, fehlende Religionsfreiheit für Muslime parallel zum Verbot der Mission, von den absoluten Einschränkungen in Saudi-Arabien einmal abgesehen, wurden auch nicht mit einer Silbe, mit einer Andeutung, dass es nicht immer einfach war und ist, erwähnt. Für den Kenner der Materie ist das unbefriedigend und hinterlässt den Eindruck, dass zumindest ein tieferer Einstieg ins Thema noch nötig sei, dass dies höchstens eine erste Runde sein kann, um grundsätzliche Vorbehalte abzubauen. 3.3.2.2. Katholische Kirche und Toleranz: Zugegeben, es gab Probleme… Das katholische Papier von Thomas Michel führt zum einen eine Aufforderung des Apostels Paulus an, die Christen sollten ihre ‚Toleranz‘ allen kund werden lassen (seine Interpretation von Phil. 4,5), außerdem noch Mt. 5,45, wonach Gott seine Sonne über Gerechte und Ungerechte scheinen lasse, und die generelle Frage der Würde des Menschen und der Nächstenliebe, um sich dann sehr schnell und sehr ausgiebig den vielen Aussagen von Papst Johannes Paul II zu dieser Frage zuzuwenden, allgemein und mit direktem Blick auf die Muslime. Ziel des Beitrags ist auch keine umfassende Darstellung der Frage der Toleranz, sondern aufzuzeigen, wie die katholische Kirche aktuell, unter diesem (damaligen) Papst, sich für eine friedliche Gesellschaft einsetze. Dass der monotheistische Glaube in der Praxis nicht immer ein sicheres Fundament für die Würde, Brüderlichkeit und Freiheit der Personen war, wie es Johannes Paul II formulierte, wird dabei durchaus gesehen und anerkannt und mehr oder weniger direkt auf ein enges, wenn nicht egoistisches Verständnis von Religion zurückgeführt. Es geht darum, die Andersartigkeit des anderen positiv und würdigend anzuerkennen, ohne ihn zu vereinnahmen und mehr Toleranz und Vertrauen in die religiöse Kultur und damit auch in die allgemeine Kultur zu bringen. Gerade Vertrauen sei kein universales Element in menschlichen Beziehungen, sondern etwas, was langsam, geduldig und manchmal mit Schmerzen aufgebaut werden müsse.30 Es fällt sofort auf, wie unterschiedlich diese beiden Beiträge sind, obwohl oder gerade weil sie beide sehr bemüht sind, die höchsten jeweils vorhandenen Autoritäten 29 El-Saadi, Muhammad, Religious Tolerance in Islam, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 25, s.a. p. 22–24. 30 S. Michel, Thomas, Tolerance: A Christian Perspective, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 27–31.

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für die Toleranz der eigenen Religion anzuführen. Im Islam sind dies Koran und Sunna (die ja beide schon von Situationen ausgehen, in denen eine gewisse Toleranz der Muslime möglich war und festgeschrieben wurde), während es im katholischen Christentum die Autorität des Lehramtes in der Person des aktuellen Amtsträgers ist, der sich in dieser Frage, wie ja bereits hinlänglich dargelegt, sehr engagiert hat. Ein dem Islam analoger Schriftbeweis ist schon deshalb schwieriger, da das verfolgte Christentum biblischer Zeiten ja weit entfernt von einer Situation war, in der man es zur Toleranz Andersgläubigen gegenüber sinnvollerweise hätte auffordern müssen. Hier liegt das Problem weniger in den vielen und durchaus großen Ausnahmen von einer prinzipiellen Toleranz wie beim Islam, sondern mehr darin, wie man die eigene Tradition verstand und mit ihr umging, sobald man mehr oder weniger unangefochten Herr im Hause war. Dies wird zumindest kurz angesprochen wie auch die geänderten Umstände, dass in verschiedenster Hinsicht pluralistische Gesellschaften heute die Regel sind – und dass dies eben positiv anzunehmen sei als gewinnbringende Vielfalt (was fast islamisch klingt) und nicht nur zähneknirschend als Notwendigkeit. Insofern ist auch der katholische Beitrag eine (ziel)bewusst positive Sicht, aber zumindest in Anerkennung der Tatsache, dass es auch Probleme gab, was vielleicht leichter ist, als zuzugeben, dass es Probleme gibt, die noch dazu strukturellen Charakter haben und nicht einfach, wenn auch sehr lange währende, Fehlentwicklungen sind.

3.2.3. Toleranz in der praktischen Anwendung 3.2.3.1. Von christlicher Seite: Plädoyer für die Trennung von Religion und Staat In einer dritten Runde ging es dann um die praktische Anwendung. Das Referat von christlicher Seite hielt Borrmans. Er betonte zunächst einmal die gegenüber früheren Zeiten sehr stark veränderte Ausgangssituation. In der Moderne lebten praktisch überall Menschen auch unterschiedlichsten religiösen Hintergrunds zusammen, die aber gleich behandelt werden müssten, so dass ein Gesellschaftsmodell alten Stils, das von einer Einheit u. a. der Religion ausgeht, auch wenn es Angehörigen bestimmter anderer Religionen einen fest umgrenzten Standpunkt zuweist (das Schutzbefohlenenmodell wurde hier ausdrücklich angesprochen), in der modernen Welt nicht mehr denkbar sei, weil es eben nicht die Rechte aller respektiert. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass nach eigenen Angaben weltweit mittlerweile ein Drittel der Muslime kein islamisch geprägtes sozio-politisches System mehr kennen und auch nicht mehr kennen werden. Es ist klar, dass die Herausforderungen unterschiedliche sind: Für Christen ist es die Frage, ob sie sich wirklich wohl fühlen und entwickeln können in einem Land, das versucht, islamische Ideale und Recht umzusetzen. Umgekehrt ist die Frage, ob Muslime sich damit zufrieden geben können, ihren Islam auch als Gemeinschaft als persönliche Religion zu leben in einer säkular inspirierten pluralistischen Ge-

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sellschaft, wo der Staat die Verantwortung für die religiöse Praxis und ihre gesellschaftliche Organisation seinen Bürgern überlässt. Könnte eine gemeinsame Sicht der Menschenrechte als gemeinsame Charta für solche neuen, pluralistischen Staaten dienen? Muss man nicht sozusagen ein gemeinsames Programm finden mit Werten und Verhaltensweisen, die einerseits der Moderne und der Technologie Rechnung tragen und andererseits die unterschiedlichen religiösen und politischen Loyalitäten der Bürger respektieren? Hier wird auch die Casablanca-Rede Johannes Pauls II zitiert, nach der Gott die Menschen gleich an Würde, aber unterschiedlich an Begabungen und Talenten geschaffen habe, und auch sonst darauf verwiesen, dass der Papst immer wieder von den Rechten und Pflichten der Minderheiten gesprochen habe. Es läuft darauf hinaus, ob die Menschenrechtsdeklarationen nicht diese gemeinsame Basis bilden könnten, die es auch sehr unterschiedlichen Bürgern erlauben würde, miteinander in Frieden zu leben, „especially if their interpretations could eventually, little by little, be made to converge by means of an exacting and sincere dialogue“31. Der Redner sieht gewisse Übereinstimmungen mit dem indonesischen Pancasila-Konzept, gerade was Gleichheit und Gerechtigkeit für alle angeht, auch auf politischer Ebene, sowie mit dem malikitischen Prinzip von masalih mursala (den fünf essentiellen Interessen, die für alle geschützt werden müssen und die zum Tragen kommen, wenn es für einen bestimmten Fall keinen religiösen Text gibt, der ihn regeln würde), im Klartext Religion, körperliche Integrität, familiäre Abstammung, materielle Güter und geistige Fähigkeiten. Nach diesen mehr grundsätzlichen Erwägungen wandte sich der Vortrag den konkreteren Fragen und Problemen zu. Hier wird verschiedentlich betont, dass die Christen sozusagen schon in Vorleistung gegangen seien, was das Zugehen auf den Islam angehe, und die Frage gestellt, was umgekehrt schon geschehen bzw. überhaupt denkbar sei. Besonders hervorgehoben wurden die Repräsentanz im kulturellen Bereich, der Religionsunterricht (die gegenseitige korrekte Darstellung in Schulbüchern ausdrücklich eingeschlossen), keinerlei Diskriminierung im karitativen Bereich sowie Respekt vor der Religion des Hilfsbedürftigen. Ein gemeinsamer Einsatz von Christen und Muslimen in ökologischen Bewegungen sei zu wünschen, schließlich wüssten alle, dass der Respekt vor der Natur eine Form intelligenten Gehorsams gegenüber Gott, dem Schöpfer, und seinem Werk sei. Grundvoraussetzung aber sei, dass eine Gesellschaft den Pluralismus auf allen Ebenen organisiere und die Möglichkeit biete, sich nach seinem Gewissen zu entscheiden, also z. B. was Essen angeht oder Kleidung (ob eine Frau Schleier tragen möchte oder nicht), Feste (beider Religionen als staatliche Feiertage) oder Glaubensan­ gelegenheiten, also Freiheit des Gottesdienstes mit der Möglichkeit, Kirchen und 31 Borrmans, Maurice, Christian-Muslim Cooperation: Building  a Modern Pluralist Society, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Coexistence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 34, s.a. p. 32 f.

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Moscheen, Priester und Imame zu haben, und ausdrücklich auch der Konversion in beide Richtungen, ohne zivilrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen. Was Dialog angeht, so wird der Erzbischof von Algier, Mgr. Henri Teissier damit zitiert, dass das Prinzip der Gleichwertigkeit wichtig sei und auch, dass die christlich-muslimischen Studien von Menschen durchgeführt würden, die dasselbe Niveau universitärer Ausbildung hätten. Doch all diese Konkretisierungen kehren wieder zu der einen Grundfrage zurück, dass angesichts der Pluralität und Komplexität moderner Staatsgebilde eine Trennung von Religion und Staat absolut notwendig sei. In der Geschichte sei eine Unterscheidung zwischen beiden ja immer schon gemacht worden (Kaiser und Papst, Khalif und Sultan). Diese Unterscheidung in Verbindung mit den Menschenrechten führe zu einem säkularen, nicht einem säkularistischen Staat, der Religion nicht nur toleriere, sondern respektiere und schätze. Hier werden auch die Ergebnisse einer Studie der Groupe de Recherches Islamo-Chrétien angeführt, die zum gleichen Urteil kam. Gleichzeitig sei es das, was die sogenannten westlichen Gesellschaften versuchten zu leben, von denen viele muslimische Immigranten sagen, dass sie als Einzelne und als Gemeinschaft respektiert wurden und dass man ihnen geholfen habe. Es laufe schlussendlich auf eine Haltung der Offenheit gegenüber dem anderen Menschen hinaus und auch gegenüber Gott, so die Schlussfrage: „Does not genuine pluralism finally open one to the mystery of God who has created us different but complementary for His glory?“32 Dies war sicher ein kühner Entwurf, der leider auf keine Entsprechung von mus­ limischer Seite stieß. 3.3.3.2. Die muslimische Seite: Trennung von Religion und Politik ist kein Thema Deren Beitrag legte zunächst einmal großen Wert darauf, dass jede konkrete Anwendung von heiligen Texten menschlich sei und damit der Diskussion unterworfen. Also müssen man unbedingt zwischen Islam und Muslimen sowie Christentum und Christen unterscheiden. Dann betonte Wajhi Kawtharani, wie sehr die Muslime mit der religiösen Befreiungsbewegung in Osteuropa sympathisierten und sich freuten, dass der getötete und ins kollektive Unterbewusstsein gedrängte Gott nach Europa zurückkehre. Davon ausgehend wandte sich der Vortrag dem Thema Ungerechtigkeit in der Welt generell und speziell gegenüber Muslimen zu, um dabei zu verbleiben (auch wenn er offiziell abstritt, sich auf eine solche Aufzählung zu beschränken). So lange das so sei, könne von diesen Menschen auch keine Toleranz gefordert werden. Auf die Frage der Trennung von Religion und Politik, sozusagen die Vorgabe des christlichen Referats, ging der Redner dabei gar nicht ein, sie war ganz offensichtlich nicht sein Anliegen und sein Problem, im Gegenteil: „Perhaps a more useful method of dialogue 32 Ib., p. 38, s.a. p. 35–37.

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is that which enables us to acquire better knowledge of our problems and the issues of our life and existence be they economic, cultural or political, or the rights of peoples and individuals. This methodology is not a call for the politicization of religion or for a decisive separation between religion and politics. For religion is concerned with justice, freedom and equality. (…) Religion is the only refuge for peoples when they are oppressed and the sanctuary for humanity when it is tortured. Islam and Christianity are equal partners in playing this humanitarian role in this fearful time of ours.“33 Gerade an diesem Punkt beginnen wieder die grundsätzlichen Unterschiede aufzuscheinen, die schon den ersten Dialog von Tripolis so charakterisiert und ihm eine 33 Kawtharani, Wajih, Practical Application of the Spirit of Tolerance: an Islamic Perspective, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 42, s.a. p. 39 f und Symposium on „Co-existence between Religions: Reality and Horizons“ (22–23 November 1990), Islamochristiana 17 (1991), p. 234–236. Hier noch einige Zitate aus dem Vortrag von Kawtharani, die seinen Ansatz noch deutlicher machen: „In the North they are called upon to take stands on the state of increasing impoverishment in the South, on the state of forced usurpation of the centre of world decision-making, on the colossal network of economic and military hegemony over the sources of energy and raw materials, on the sav-/ p. 41 age aggression against Palestine, on racial discrimination in South Africa, and on religious and national discrimination against the Muslims in Greece, Bulgaria and the republics of the Soviet Union. (…) The Islamic awakening – even if sometimes wrought with tension – is an expression of a sharp world wide division between North and South. And if Christian awakening in Eastern Europe is an expression of the state of rejection of the one-party system and the one ruling ideology, the Islamic awakening is also a state of rejection of injustice and hegemony whether it came from the outside or from within. In both cases, this is manifested in the bad distribution of wealth and bad utilization of it, and in the unequal sharing of international decision-making and the arbitrariness of the stands taken from the crises of the Islamic world and its countries. (…) And at a time when we are discerning a notable growth in Europe of racism, which expresses itself in some European Countries (sic!) by varied forms of infringement upon the individual liberties of the Muslim immigrants, we do not notice any offical (sic!) Christian condemnation of this wave of racism. On the contrary, the Islamic world expressed amazement at the stand taken by the representative of the Vatican in the United Nations when that representative raised questions about Islamic shari’a in the context of racism in a meeting of the Committee of social affairs. (…)/p. 42 (…) [W]e maintain that, from an Islamic viewpoint of the concept of tolerance, the weak and helpless, whether Christian or Muslim, cannot separate his tolerance from his just and human causes. Is it reasonable to demand from the Muslim of Christian Palestinian to be tolerant while he is being annihilated every day and expelled every day only because he is demanding his right as a human being, his right to a culture and his right to a state? (…) Are the Arabs and Muslims destined to pay for the misdeeds of racist Europe past and present? In the past when Europe repented for its antisemitism by the Balfour Declaration and subsequent Western policies, and at present when it attempts to compensate for its oppression of freedoms in the Soviet Union and Eastern Europe by unleashing Jewish migrations to Palestine and other Arab Lands (sic!) (South Lebanon and the Golan Heights)? Must the price for the freedom of the European peoples which we support be the colonization of Muslims and their subordina­tion to Zionist hegemony?“ Dass hier zwei unterschiedliche Agenden aufeinanderprallen, ist offensichtlich.

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solche von katholischer Seite ungewollte politische Brisanz verliehen hatten. Die Unterschiede in den Sichtweisen sind eben doch so groß, dass schwer zwischen ihnen zu vermitteln ist und dasselbe Thema zu zwei völlig unterschiedlichen Themen wird, die den Eindruck vermitteln, man spreche mehr aneinander vorbei als miteinander. Denn inwieweit das Anliegen des jeweils anderen wirklich verstanden und v. a. positiv aufgenommen werden kann oder ob es nicht doch Kollisionen grundsätzlicher und eher unauflöslicher Art gibt, ist nicht so deutlich. Es kann sicherlich fast genauso schwierig sein, konkret und v. a. übereinstimmend zu definieren, was in einer Situation (göttliche) Gerechtigkeit ist, wie eine Übereinstimmung bei der Definition von Monotheismus zu erreichen.

3.3.4. Religiöse Toleranz in Libyen: Es hängt sehr am islamischen Recht Eine gewisse Sonderstellung nahm innerhalb der Tagung die Ansprache zur religiösen Toleranz in Libyen ein, gehalten von Fr. Sylvester Magro als offiziellem Reräsentanten der katholischen Kirche in Libyen. Seine Ansprache ist sehr konkret, doch gibt es auch einige Aussagen ganz grundsätzlichen Charakters. So geht er davon aus, dass es ein gottgegebenes Bedürfnis des Menschen gebe, in Brüderlichkeit, Frieden und Freiheit zu leben, wie es eben den Kindern Gottes angemessen sei. Darüber hinaus sei der entscheidende Faktor auf diesem Gebiet die Religion und besonders die religiöse Toleranz. Heutzutage seien auch die meisten religiösen Führer Förderer von Gerechtigkeit und Frieden zwischen den Menschen, wobei sie immer noch mehr tun könnten für eine neue Welt­ordnung ohne Krieg und Zerteilungen. Seinen konkreten Erfahrungen nach würden die Menschen Erziehung zu religiöser Toleranz auch annehmen. Die Religiosität der Christen werde von den muslimischen Libyern akzeptiert und begrüßt und sogar vielfach gefördert, jedenfalls solange es um Personen geht. Diese Toleranz aber erstrecke sich nicht auf religiöse Schriften. Diese würden beispielsweise am Zoll meistens erst einmal konfisziert und zensiert und erst nach Wochen freigegeben.34 Es ist dies eine sehr interessante Feststellung, die sich vielleicht so erklärt, dass der Islam den Juden und Christen einer muslimischen Gesellschaft traditionell einen festen Platz einräumt und Religionsfreiheit innerhalb ihrer Gemeinschaft, dass aber alles, was sich nach außen, an die Muslime wendet oder wenden könnte, verboten ist und die konkreten heiligen Schriften der Juden und Christen ja als gegenüber 34 S. Magro, Sylvester, Religious Tolerance in Libya, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 47–50; die Schlusserklärung findet sich als Final Statement, in: Ponti­ fical Council for Interreligious Dialogue/World Islamic Call Society (edd.), Co-existence between Religions, Reality and Horizons, Vatican City s.a., p. 43–46.

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dem Koran verfälscht gesehen werden. Dies wäre dann wieder ein schlagendes Beispiel dafür, dass Religionsfreiheit keinerlei Problem ist, solange sie mit den traditionellen Vorstellungen des islamischen Rechts übereinstimmt, dass sie aber zum Problem wird, sobald es da Spannungen und Überschneidungen gibt. Die gemeinsame Schlusserklärung versuchte in groben Zügen den Argumentationsgang der Tagung wiederzugeben, zu dezidierten konkreten gemeinsamen Aussagen oder Absichtserklärungen kam es nicht, auch wenn die konkrete Umsetzung diskutiert wurde und man beschloss, in Expertengruppen weiterzuarbeiten.

3.4. Tripolis 1993 – Religion und Massenmedien: ein gemeinsames Überwachungskomitee Vom 3.–6.10.1993 wurde in Tripolis eine Tagung zu Religion und Massenmedien abgehalten. Es ging in drei Runden mit kurzen, prägnanten Referaten um die positive Rolle der Medien bei der Formung eines wirklichen Menschen, aber auch um den zerstörerischen Gebrauch von Medien bzgl. der Glaubenshaltungen anderer und wie religiöse Institutionen dies wieder korrigieren könnten. Unter anthropologischen Gesichtspunkten ist besonders der erste Punkt wichtig, wie die Medien zur Bildung eines wirklichen, auch religiösen Menschen beitragen könnten, wie sie die Grundlage für Tugend, Liebe und Güte legen könnten und dafür, dass jemand alles ablehne, was den Menschen erniedrigt; wie die Medien auch Respekt ausbilden könnten für den Menschen unabhängig von Religion oder Rasse und einem Geist der Toleranz bei der Vorstellung religiöser Lehren Vorschub leisten könnten. Die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit den Medien wurde hervorgehoben und die der Erarbeitung von entsprechenden, auch ansprechenden Programmen, um gemeinsame menschliche Werte zu fördern, also beispielsweise Ehrenhaftigkeit und Familienbande gegenüber Materialismus, Rassendiskriminierung und Streit. Gerade die Medienleute auf beiden Seiten müssten zusammenarbeiten, um positive Initiativen zu ermutigen und falsche Darstellungen zu korrigieren. Auch die Minderheiten sollten die entsprechenden Mittel bekommen. Es herrschte sofort Einigkeit darüber, ein gemeinsames christlich-muslimisches Komitee zu bilden, das die Darstellungen von Religion in den Medien überwachen soll, um gegen unwürdige und verzerrende Darstellungen vorzugehen und solche, die interreligiöses Verständnis und Respekt fördern, zu loben und weiterzuempfehlen. Darüber hinaus wird wieder die Wichtigkeit von Erziehungsinstiutionen betont, wenn es um den Abbau von Vorurteilen und Extremismus geht.35 35 S. LYBIA Symposium on Religion and Mass Media (Tripoli, 3–6 October 1993), Islamochristiana 20 (1994), p. 242 sowie Michel, Thomas, Tripoli – Libya: Seminar on the Media and

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Die christlich-muslimischen Dialoge

3.5. Fortsetzung in Wien 1994: noch mehr gemeinsamer Einsatz Dieses Thema Medien und Religion wurde mit einer Tagung im kleinen Kreis von knapp einem Dutzend Teilehmern im katholischen Presseclub in Wien vom 7.–8.10.1994 fortgesetzt, bei dem fünf Muslime und sechs Christen nochmals die aktuelle Sachlage an positiven und negativen Beispielen analysierten (ohne dass dabei Vorträge gehalten worden wären) und sich dann Gedanken machten, wie man sie positiv beeinflussen könnte. Über das hinaus, was in Tripoli schon beschlossen worden war, einigte man sich noch darauf, dass man den Nachrichtenagenturen geeignetes Material zur Verfügung stellen und gemeinsam auftreten sollte, wenn es zu verfälschenden Darstellungen gekommen sei. Man solle auch gemeinsam die Situation weiter beobachten und generell ein Netzwerk von Experten für christliche und islamische Angelegenheiten ausbilden. Außerdem könnte man ja Seminare für Journalisten sponsern, die sich beispielsweise mit den Gründen und Formen von Missverständnissen, Verfälschungen und Vorurteilen auf diesem Gebiet beschäftigten und mit deren Auswirkungen auf die christlich-muslimischen Beziehungen.36 Dass das Thema grundsätzlich aktuell ist und positive Aktionen nötig sind, ist über zehn Jahre später eher noch deutlicher als damals schon.

3.6. Rom 1997: Das Thema Mission wirft viele Fragen auf Die Tagungsthemen überschneiden oder treffen sich aber auch in anderen Bereichen immer wieder. Vom Vom 27.–30.4.1997 wurde in Rom die Frage nach dem Verständnis von Mission bzw. Da’wah wieder aufgegriffen, konkrete Praxis und Presentation of Religion (3–6 October 1993), BPCDIR 84 (1993), p. 308–310. Die unter anthropologischen Gesichtspunkten besonders interessanten Referate von christlicher Seite waren von Josè Martinez und Hans-Peter Röhlin gehalten worden. Die muslimischen Teilnehmer kamen nicht nur aus Libyen, sondern auch aus Marokko, dem Libanon, Syrien und den USA. Außerdem war der palästinensische Imam des Islamischen Zentrum von Malta anwesend. Was allerdings offensichtlich nicht stattfand, obwohl es so angekündigt war, war die Veröffentlichung der überarbeiteten Referate durch das PCID. Die Tagung war im Oktober 1992 von Vertretern der W. I. C. S. und von Fr. Michel gemeinsam geplant worden, so Michel, Thomas, P. C. I. D. Dialogue with Muslims since the Last Plenary, p. 40, wobei der ursprüngliche Titel lauten sollte: „Media and the Presentation of Religion.“ 36 S. Presscommuniqué of the Workshop on „The Media and Religion“, Jointly Organized by the World Islamic Call Society (Libya) and the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican) (Vienna, 7–8 October 1994), Islamochristiana 21 (1995), p. 142–143, ebenso Press Communiqué, BPCDIR 87 (1994), p.  272 f, zm allgemeinen Verlauf s. Fitzgerald Michael L[ouis], Vienna – Austria: Workshop on „Religion and the Media“ (7–8 October 1994), BPCDIR 87 (1994), p. 271 f., zu beiden Veranstaltungen s. Fitzgerald, Michael L[ouis], Report on the Activities of the PCID: November 1992–November 1995, BPCDIR 92 (1996), p. 170.

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v. a. die Perspektiven für das nächste Jahrhundert ausdrücklich inbegriffen. Zehn Teilnehmer von jeder Seite, aus Ländern und Regionen wie Libyen, Sudan, Nigeria, Jordanien, Irak, Indien, Europa, Nord- und Zentralamerika diskutierten und an einem Tag wurde am PISAI auch eine öffentliche Sitzung abgehalten. Bei dieser Tagung 1997 wurden keine gemeinsamen Schlussfolgerungen erreicht, der offene Austausch hatte lediglich zur Klärung der jeweiligen Positionen beigetragen – man stellte Übereinstimmungen und Unterschiede fest beim Vergleich der grundsätzlichen Konzepte und auch beim Vergleich der Praxis im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, also beispielsweise das Verhältnis von Da’wah und Reform in dieser Zeit oder das Selbstverständnis von Missionaren und Missionskongregationen in Afrika und deren geistliche Sicht der Dinge. Interessant ist dabei, dass die als Quellen dafür herangezogenen Briefe und Tagebücher der Missionare durchaus einen Gegensatz zwischen missionarischen und kolonialen Strategien und Haltungen zeigen. Gemeinsam ist beiden Konzepten, dass sie sich mit ihrer jeweils zentralen Botschaft an alle Völker, an alle Menschen richten. Ferner war es eine Möglichkeit zur kritischen und selbstkritischen Beurteilung der jeweiligen Praxis. Betont wurde immerhin, dass im Blick auf die Zukunft, die Thema einer dritten Runde war und die sich ja auch an manchen Stellen bereits abzeichnet, besonders darauf geachtet werden sollte, die menschliche Würde zu respektieren. Das beinhalte auch Respekt vor der Religion des Anderen, wenn man über diese spreche oder schreibe, und es beinhalte ebenso Gewissensfreiheit als Teil der Religionsfreiheit – beide können sich darauf einigen, dass es, mit der berühmten koranischen Formulierung, keinen Zwang in der Religion geben dürfe. Auch dürfe man wirtschaftliche Notlagen nicht ausnutzen, sondern im Gegenteil, Christen und Muslime sollten gemeinsam Ungerechtigkeit und Ausbeutung bekämpfen und Mission/Daw’ah nicht mehr in Konkurrenz zueinander betreiben, sondern in einem Geist der Zusammenarbeit und als Dienst an der Menschheit. Ein weiterer interessanter Gedanke von muslimischer Seite war, dass es nötig sei, die beiden Sichtweisen von Geschichte miteinander in Verbindung zu bringen. Muslimisches Selbstbewusstsein war aber auch deutlich zu spüren: Ein muslimischer Redner aus Panama betonte die zukünftige Stärke des Islam, weil dieser dem Leben von Individuen und Gesellschaften, die durch die säkulare Freiheit, die den Menschen in die Gottlosigkeit treibe, von der Krankheit des moralischen Zerfalls befallen seien, Richtung und Frieden geben könne. Die letzte Sitzung der Tagung fand im Pontifical Institute of Islamic and Arabic Studies statt und mündete in eine lange Diskussion über Schlüsselfragen, die aufgekommen waren: das Konzept und die Praxis von Dialog und Mission, die Frage nach Diakonie und Mission und der mögliche Missbrauch der Diakonie mit Blick auf spätere Konversionen, die Frage nach einer möglichen gemeinsamen Antwort von Christen und Muslimen auf die Ausbreitung einer säkularen (im Sinn von gottlosen) Ethik und, in Verbindung damit, Wege, um Vernunft und Rechtleitung bzw. Offenbarung miteinander in Verbindung zu bringen. Es gab auch eine Dis-

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kussion um Religionsfreiheit, die freie Wahl und der Wechsel der Religion eingeschlossen (s. auch die oben genannten Ergebnisse), aber eben auch darum, dass ein mögliches Ziel von Da’wah es sein könnte, das System der Scharia zu stärken. Es ging in der Diskussion aber auch darum, dass das richtige Verständnis und der richtige Gebrauch von religiöser Sprache in jedem interreligiösen Dialog wichtig sei. Der wichtigste Punkt in diesem Gespräch aber war, dass Muslime und Christen im Kontext respektvoller Begegnung, geteilter Anliegen und weitestmöglicher Zusammenarbeit ihre Religionen gegenseitig wirklich studieren.37 Das kann insgesamt den Verdacht, die Fronten hätten sich eher verhärtet im Lauf der Jahre und die Dialoge hätten zumindest zu diesem Thema doch keine wirklichen Fortschritte gebracht, nicht ganz ausräumen.

3.7. Tripolis 2002: Dialoge zwischen Auswertung und Zukunftskonzept Es gab allerdings auch Dialoge zu anderen Themen. Am 22.2.2001 gab es ein Treffen in Rom zur Vorbereitung eines Dialogs, bei dem außerdem vereinbart wurde, ein gemeinsames Dokument über den islamisch-christlichen Dialog oder auch eine gemeinsame Dialogcharta auszuarbeiten. Ein weiteres Vorbereitungstreffen gab es vom 28.6.–1.7.2001 in Libyen, der Dialog selbst sollte stattfinden vom 4.–9.3.2002 in Tripolis zum Thema ‚Eine Kultur des Dialogs in einer Ära der Globalisierung‘, wobei sich der genaue Termin noch etwas nach hinten verschob auf den 16.–18. März. Die Teilnehmer kamen aus 15 verschiedenen Ländern und die Organisation durch die World Islamic Call Society wurde ausdrücklich als exzellent gelobt. Es gab verschiedene Vorträge, natürlich zum Tagungsthema direkt, 37 Nach Akasheh, Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, p. 216 u. Colloquium on „Islamic Da’wah and Christian Mission in the Next Century“, Jointly Organized by the World Islamic Call Society (Libya) and the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (27–30 April 1997), Islamochristiana 23 (1997), p. 201–202. Den genauen Verlauf gibt am ehesten wieder Troll, Christian W., Vatican City: Christian Mission and Islamic Da’wa, 27–30 April 1997, BPCDIR 96(1997), p. 394 f. Die Thematik taucht auch anderweitig auf, so bei einem Treffen der Mitglieder und Berater aus dem Bereich Nahost und Nordafrika (30.11.–2.12.1997 in Amman), wo ein Mangel an Gegenseitigkeit festgestellt wird, v. a. was Gewissens- und Religionsfreiheit angeht. Hier wird geäußert, sicher mit Blick auf die Minderheit arabischer Christen in der Region, die noch dazu von Emigration und Automarginalisation bedroht ist, dass weder Mission noch Da’wah Proselytismus werden dürften, der von einer Situation der Armut, der Schwäche und des Unwissens der Menschen profitiert, so Akasheh, Khaled, Amman – Jordanie: Réunion des Membres et des Consulteurs du Moyen Orient et du Nord de l’Afrique, 30 novembre–2 décembre 1997, BPCDIR 99(1998), p. 337. Erst am 10.3.1997 hatten der Heilige Stuhl und Libyen übrigens volle diplomatische Beziehungen aufgenommen, auch wenn aus diesem Anlass betont wurde, wie alt die Beziehungen eigentlich seien, über die Jahrhunderte v. a. von den Franziskanern aufrechterhalten, so Diplomatic Relations Are Established between the Holy See and the Socialist People’s Libyan Arab Jamahiriya (10 March 1997), Islamochristiana 23 (1997), p. 221.

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aber auch zu anderen Themen, so eine Auswertung der letzten christlich-muslimischen Dialoge, einen Vortrag zu mitfühlendem bzw. strategischem Dialog, zu den Erfordernissen und Mitteln des Dialogs, und – erstaunlich, da ein sehr theologisch ausgerichtetes Thema – religiöser Pluralismus und die Herausforderungen von Exklusivismus, Inklusivismus und Globalisierung aus islamischer Perspektive. Außerdem gab es noch zwei Studien mit Entgegnungen und zwar zum Islam zwischen Globalisierung und Universalität und zu einem christlich-muslimischen Dialog im Zeitalter der Globalisierung. Es gab auch eine Diskussion der Vorträge und der Bericht nennt einige der Punkte, die dabei angesprochen wurden: Zunächst einmal gibt es ein Bedürfnis, den bisherigen christlich-muslimischen Dialogprozess auszuwerten und einen Kurs für die Zukunft zu entwerfen – ein Bedürfnis, zu dem vielleicht auch diese Arbeit einen kleinen Beitrag leisten kann. Der Dialog selbst wird als besonders dringend angesehen, da es angesichts der Ausbrüche von Grausamkeit, Ungerechtigkeit, Gewalt und Unterdrückung eine Anwort braucht auf die Behauptung eines Kriegs der Kulturen. Was gefordert wird von den Teilnehmern an einem Dialog ist die genaue Kenntnis der Position des anderen, Aufrichtigkeit und eine geistliche Herangehensweise. Außerdem brauche der Dialog gegenseitige Annahme gerade in der Andersheit, Freiheit von Glauben und Religionsausübung ausdrücklich eingeschlossen. Die Globalisierung, der andere Pol des Tagungsthemas, wird als primär wirtschaftlich gesehen, aber mit vielen kulturellen, politischen und sozialen Aspekten und Implikationen. Die Globalisierung habe sowohl positive als auch negative Seiten. Christen und Muslime wollten zusammen die positiven Aspekte verstärken und den negativen entgegenarbeiten und dabei die Menschenwürde verteidigen. Auch sollte man bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, dass es um eine Botschaft von Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe geht und es daher hauptsächlich um geistliche Werte gehen sollte. Dialog bleibt nicht auf intellektuelle Diskussion beschränkt, sondern schließt positive Beziehungen im alltäglichen Leben ebenso mit ein wie den Willen, im Dienst an der Menschheit zusammenzuarbeiten. Es gebe gerade durch die Globalisierung eine neue Notwendigkeit, in Zusammenarbeit den Armen, Schwachen und Bedürftigen zu helfen, Entwicklung zu fördern, nach Gerechtigkeit zu streben und für den Frieden in der Welt zu arbeiten. Man müsse für den Dialog den Einfluss der Medien beachten und die Jugend, die Erziehungsprogramme zum Dialog braucht. Die beiden Organisationen werden aufgefordert zu gemeinsamen Projekten als Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Was konkret für die schon stattfindenden Treffen gewünscht wird, ist größere Kontinuität. Außerdem sollte der Informationsaustausch noch ausgebaut werden, beispielsweise im Rahmen von Besuchen oder aber anlässlich bestimmter Ereignisse, wo Rat hilfreich sein könnte. Wo es Spannungen zwischen Christen und Muslimen gebe, könnten die beiden Organisationen doch zusammenarbeiten, um diese Spannungen abzubauen. Was die Empfehlung angeht, doch eine Kultur des Dialogs zu schaffen,

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Die christlich-muslimischen Dialoge

denkt man daran, vielleicht ein Treffen von jungen Christen und Muslimen abzuhalten und zwar zunächst in einem afrikanischen Land. Die bei der Tagung vorgebrachten Bitten hatten gleich die konkrete Auswirkung, dass man ein Coordinating Committee einrichtete, das Informationen austauschen, in regelmäßigen Abständen Kolloquia planen und andere Aktivitäten koordinieren sollte. Regelmäßige jährliche Treffen sind vorgesehen.38 Hier fällt wieder einmal auf, dass die Themen und die Strukturen der Dialoge mit verschiedenen Organisationen sich im Verlauf der Zeit immer öfter überschneiden oder sogar fast deckungsgleich sind.

4. Muslime in Europa – bekannte Forderungen in schwieriger Situation Mehr den Charakter und v. a. auch den Namen eines Treffens denn eines Dialogs hatte das Treffen, das vom 19.–21.11.1976 in Wien stattfand. Das Sekretariat für die Nichtchristen lud die Bischofskonferenzen Westeuropas, den Ökumenischen Rat der Kirchen sowie einige in Europa lebende muslimische Persönlichkeiten, insgesamt ein halbes Dutzend, zu drei Studien- und Reflexionstagen ein. Ergebnis war zunächst eine Art Bestandsaufnahme über Zahl und Herkunft der Muslime Europas (knapp zwei Drittel der insgesamt ca. neun Millionen sind Zuwanderer, ein gutes Drittel entfiel auf das damalige Jugoslawien). Der weltweite Gesamtrahmen ist ein Wiederaufleben des Islam, flankiert einerseits von einem Willen zur Erneuerung, andererseits aber auch von einer gewissen Aggressivität. Die Situation der muslimischen Arbeitsmigranten in Europa wird ziemlich negativ gesehen: Die säkulare Gesellschaft, in die sie gekommen seien, gebe ihnen keine juristische Garantie für ein sicheres, menschliches und religiöses Leben. Ihre Menschenwürde und kulturelle und religiöse Identität wird als ständig bedroht angesehen. Es sei von daher dringend geboten, die christliche Öffentlichkeit für die unveräußerlichen Rechte der Immigranten zu sensibilisieren, sprich Recht auf Arbeit, auf Sicherheit, auf gerechte Entlohnung und auf Kultur. Außerdem müssten alle Christen mehr über den Islam und seine positiven Werte wie beispielsweise Unterwerfung unter Gott im Sinne der entsprechenden Erklärungen des Zweiten Vatikanums lernen. Außerdem konnte man bereits auf andere Erklärungen, bilaterale Engagements und Initiativen zurückgreifen und verweisen. Die anwesenden Muslime betonten besonders, dass sie von der Kirche viel erwarteten und eine ernsthafte Zusammenarbeit wollten, um die Probleme ihrer Glaubensbrüder zu lösen. Es wird eine gewisse gemeinsame Herausforderung 38 Nach Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 107, Tripoli – Libya: „A Culture of Dialogue in an Era of Globalization“, 16–18 March 2002, BPCDIR 110 (2002), p. 229–231.

Dialog zum Thema Frömmigkeit: der Durst nach Gott

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aller Gläubigen durch die neuen Fragen der technischen und säkularisierten Welt gesehen. Die Öffnung der katholischen Kirche in Richtung Islam seit dem Zweiten Vatikanum wird ausdrücklich anerkannt und die guten Beziehungen zwischen Katholiken und Muslimen besonders in Jugoslawien werden unterstrichen. Dies führt zu einem besonderen Vertrauen gegenüber der katholischen Kirche, gerade angesichts der schmerzlichen Situation, dass ihre Glaubensbrüder in Europa als Bürger zweiter Klasse, wenn nicht sogar als neue Sklaven betrachtet werden. Von daher äußerten sie folgende Wünsche: Ihren Glauben bewahren und frei ausüben zu dürfen, außerdem geeignete Schulen mit Koranunterricht, der auch den Erfordernissen der modernen Welt angepasst sei. Außerdem wollten sie als religiöse Gemeinschaft öffentlichen Rechts anerkannt werden, um wie die anderen Religionen Europas Recht auf religiöse Sendungen in den Massenmedien Radio und Fernsehen zu haben sowie das Recht auf islamischen Unterricht für muslimische Kinder (soweit überhaupt Religionsunterricht vorgesehen ist) und Anerkennung aller Menschenrechte wie bei anderen Bürgern, wobei dies nicht genauer ausgeführt wird. Sie gingen auch auf Christen in muslimischem Umfeld ein, besonders auf die christlichen Einwanderer, allen voran Techniker, in muslimischen Ländern, und dass diese die Behandlung von Muslimen in Europa zu spüren bekämen. Die Muslime seien in Sachen Gastfreundschaft sehr sensibel wie auch in allen Dingen, die ihre Ehre und Würde verletzten, wobei auch dies nicht genauer ausgeführt wurde, obwohl es gerade unter anthropologischem Gesichtspunkt sehr interessant und wichtig gewesen wäre.39 Gerade unterschiedliche Sensibilitäten und deren Verwurzelungen in den jeweiligen Religionen wären schon ein auch gesellschaftlich wichtiges Thema, heute vielleicht noch viel mehr als damals.

5. Dialog zum Thema Frömmigkeit: der Durst nach Gott Ein besonderes Thema war Frömmigkeit. Es entzog sich dem Dialog mit Institutionen, war aber doch ein Anliegen – der katholischen Seite sowieso, aber über die Jahre hinweg immer wieder auch einzelner Muslime, denn keine Religion lässt sich auf ein Gesetz oder eine Ideologie reduzieren. Was auf diesem Gebiet an Dialog zustandekam, war von daher wenig und in organisatorischer und sonstiger Hinsicht eine Klasse für sich. Für den Bereich der Anthropologie waren die Beiträge zum Thema dagegen besonders ergiebig, denn die Frage danach, wer der Mensch ist bzw. sein oder werden sollte, in seiner Beziehung zu Gott und zu anderen Wesen, wird hier in aller Deutlichkeit gestellt und in einer Tiefe 39 Nach Les musulmans en Europe, BSNC 33 (1976), p. 337–340, s. dazu auch von französischer Seite Dufaux, Louis, Le rôle de l’islam dans les problèmes de l’immigration, BPCDIR 76 (1991), p. 36–38.

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und in einem Umfang, der sonst kaum erreicht wird, geht es doch um den „created thurst for God“40, wie es in der Begrüßung zum ersten solchen Dialog gesagt wird. Dieser fand vom 6.–7.5.1985 in Rom statt in den Räumen des Päpstlichen Instituts für Arabische und Islamische Studien (PISAI). Eingeladen waren (mit einer Ausnahme)  nur Muslime des indischen Subkontinents, also aus Indien selbst, aus Pakistan und aus Bangladesh. Die Idee zu dieser Veranstaltung war nämlich im Dezember 1983 in Indien entstanden anlässlich eines Islamseminars für die dortigen Bischöfe. Das Seminar war verbunden gewesen mit Besuchen in islamischen Institutionen, Gebäuden und Pilgerstätten. Dies hatte die Teilnehmer auf die Idee gebracht, ob man nicht umgekehrt den Muslimen eine ähnliche christliche Erfahrung bieten könnte und sollte, wobei sich Rom als Ort dafür anbot. Praktisch organisiert wurde alles vom Sekretariat für die Nichtchristen, sprich dessen Islambeauftragten, sowie von Christian Troll S. J., einem der Berater des Sekretariats und zu diesem Zeitpunkt tätig am Vidyajyoti-Institut in Delhi. Die Mittel kamen aus verschiedenen christlichen und muslimischen Quellen, wobei die Hauptsponsoren Missio Aachen und Center for World Thanksgiving in Texas waren. Das offizielle Thema war Heiligkeit in Christentum und Islam. Es ging zunächst um die Konzepte und die Vorbilder von Heiligkeit, jeweils mit Antworten eines Partners der anderen Religion. Am zweiten Tag gab es sogar eine Kritik der jeweils anderen Heiligkeit und eine Podiumsdiskussion dazu sowie verschiedene kleine Beiträge von islamischer Seite. Abgerundet wurde dies durch Besichtigungen in Rom selbst (Frühchristentum und Renaissance) sowie durch zwei Ausflüge, einen auf den Spuren des heiligen Franziskus nach Assisi und La Verna und einen zu den Ursprüngen des Benekitinerordens nach Subiaco. Abschließend wurden die Teilnehmer des Kolloquiums noch in Privataudienz bei Papst Johannes Paul II empfangen.

5.1. Heiligkeit in muslimischer Perspektive 5.1.1. Heiligkeit im Islam Doch zunächst zu den Vorträgen, soweit sie für unsere Fragestellung interessant sind. Den Anfang machte Prof. Ziaul Hasan Faruqi aus Delhi, ein Spezialist für Geschichte des Islam und des Sufismus in Indien, wobei gerade Letzteres sich deutlich bemerkbar machte. Er näherte sich der Frage nach dem Konzept von Heiligkeit im Islam zunächst einmal gänzlich unislamisch, nämlich unter Rück 40 Borrmans, Maurice, Welcome to the Participants, Islamochristiana 11 (1985), p. 4, für die übrigen Informationen s. Colloquium on Holiness in Islam and Christianity, Rome, 6–7 May 1985, Islamochristiana 11 (1985), p. 1–3 sowie Michel, Thomas, Rome – Italy: Colloqium on „Holiness in Islam and Christianity“, BSNC 60 (1985), p. 320–322; vgl. dazu inhaltlich auch Michel, Thomas, The Idea of Holiness in Islam, BPCDIR 92 (1996), p. 220–240.

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griff auf Rudolf Otto und Blaise Pascal. Ihm geht es dabei um die nicht-rationale Ebene, die, auf den Menschen bezogen, wohl hervorgerufen oder wachgerufen werden kann, aber nicht gelehrt. Es geht um den Anfang und das Ende der Dinge, die dem Menschen, trotz seiner denkerischen Fähigkeiten, verborgen bleiben, und für die er auf Gott, den Schöpfer, angewiesen ist, um nicht in seiner Unwissenheit falsche und für ihn fatale Schlüsse zu ziehen. Diese Erkenntnisse, die sich sozusagen auch bei christlichen Denkern finden, finden sich eben auch im Islam – und werden erst auf diesem Hintergrund in ihrer islamischen Ausbildung ausgeführt. Es ist dies sicherlich ein geschickter Schachzug, der dem wie auch immer Außenstehenden die Annäherung an und Akzeptanz der Inhalte, erleichtern soll, die dann folgen und die sonst vielleicht fremder und befremdlicher wären. Die Unterscheidung zwischen sichtbar und unsichtbar gebe es auch im Koran, wobei es in der sichtbaren Welt genügend göttliche Zeichen gebe, die den Menschen realisieren ließen, dass dahinter ein Schöpfer stehen müsse, wobei es immer auch Menschen gebe, die sich dieser Erkenntnis verschlössen und im Unglauben verharrten. Die unsichtbare Welt ist dagegen jedem Geschöpf nur durch intuitive Erfahrung zugänglich und auch das nur durch Gottes Gnade. Es folgt ein sehr ausführlicher Abschnitt über Engel, ihr Wesen, ihre Stellung und ihre Funktion nach Koran und Tradition, sozusagen religionsphilosophisch abgesichert durch die eben erwähnte Einleitung, was sich auch ausdrücklich verbal niederschlägt: „The pure rationalist would say that all this is vague, indefinable and cannot be proved: hence unacceptable. But here there is a different feeling, a different faculty that comes into play. It is intuition that comes from a deeper level of human nature, a non-rational level which represents an inner urge for contact with the celestial world.“41 Diese Engel dienen sozusagen als Bindeglied zwischen Gott und den Menschen: Sie bestrafen die bösen Menschen und bringen die noblen Seelen dazu, dass sie Buße tun, vom Bösen Abstand nehmen und recht handeln. Der Zweck ihrer Erschaffung sei gewesen, durch sie den einzelnen Menschen und die Menschheit als ganze zu beeinflussen, etwa so, wie der Geist eines Menschen dessen Körper beeinflusst. Schon wenn ein Mensch Gott denkt, ist dies eine Ausstrahlung des Schattens Gottes, die diese höchste Versammlung weitergegeben hat. Die geistlich hochstehendsten unter den Menschen wie Pro­ pheten und Heilige werden nach ihrem Tod in diesen Kreis aufgenommen.

41 Faruqi, Ziaul Hasan, The Concept of Holiness in Islam, Islamochristiana 11 (1985), p. 10, s.a. p. 7–9 und sein Rückbezug auf Shah Waliullah p. 12.

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5.1.2. Die besondere Stellung des Menschen nach dem Islam – spannungsgeladen Erst nach diesen Ausführungen, deren Details immerhin mehr als drei Seiten umfassen, kommt Faruqi zum Menschen selbst, der nach dem Koran immerhin immense rationale und spirituelle Kapazitäten hat. Gott habe den Menschen aus Lehm geformt und ihm dann seinen Atem eingehaucht und damit die Fähigkeit zu hören, zu sehen, zu fühlen, zu verstehen. Der Mensch ist Gottes Statthalter auf Erden und als solcher lehrt Gott ihm die Namen aller Dinge (Sure 2,30–33), also die innere Natur und die Eigenschaften aller Dinge, Gefühle eingeschlossen. Der Teufel (Iblis) aber sah nur den Lehm, also die niedrigere Seite des Menschen, nicht dessen höhere Seite, die der Geist Gottes in den Menschen hineingebracht hatte. Deswegen verweigerte er die von Gott von allen Engeln geforderte Verbeugung vor dem Menschen und wurde dafür bestraft, aber mit Aufschub bis zum Tag des Jüngsten Gerichts. Diesen Aufschub nutzt er dazu, die Menschen zu verführen. Den Dienern Gottes aber, die durch Gottes Gnade gereinigt sind, kann er nicht schaden. Sure 7,172 wird in der Regel so interpretiert, dass es einen Bund zwischen Gott und dem Menschen gegeben habe, als jener noch eine andere Form der Existenz hatte, die nur Gott kenne und deren sich auch nur Gott bewusst sei, also eine Art göttliche Existenz. Alles andere, das Wissen, aber auch Gefühle, Willensmacht, Verstand und Unterscheidungskraft, komme noch dazu. Das alles mache die Einzigartigkeit des Menschen aus, den Tieren mit ihren nur fünf Sinnen gegenüber und sogar gegenüber den Engeln. Menschsein insgesamt ist ein Spiegel der Eigenschaften Gottes – Ghazali kann sogar davon sprechen, dass Gott Adam nach seinem Bild geschaffen habe. Der vollkommene Mensch ist also der, dessen Leben mehr und mehr Ausdruck der göttlichen Eigenschaften ist. Doch angesichts der Herausforderung durch die Kräfte des Bösen muss der Mensch hart kämpfen (das ist seine Aufgabe), um sein ganzes Selbst zu reinigen und Gott zu unterwerfen, um mit dem Unsichtbaren in Kontakt treten zu können. Hier zeichnet sich ein regelrechtes Drama ab. Obwohl die ganze Schöpfung gut ist und der Mensch sozusagen in der allerbesten Form geschaffen wurde, ist er auch ungeduldig, arrogant, undankbar und sehr leicht allem Übel zugeneigt, weil er von dem begrenzten freien Willen, den er hat, falschen Gebrauch macht. Von Natur aus aber fühlt er eine Nähe zur göttlichen Seele und möchte ihr noch näher kommen. Er ist in ständiger Spannung zwischen den sich eigentlich gegenseitig ausschließenden Elementen seiner Natur, also dem Stofflichen und dem Göttlichen in ihm. Seine Existenz in dieser Welt ist eine entfremdete. Dies beschreibt Faruqi mit ganz erstaunlichen Worten: „Surely, man enjoyed originally a state of bliss and felicity. But he transgressed and was deprived of that bliss. He, however, belongs to God and should return to Him. His worldly existence is, there­fore, a state of separation, estrangement and alienation from his true self which is nothing other than something of God’s spirit. Life, as lived on the mate-

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rial plane, is not at all satisfying for him. Inextricably bound to physical phenomena, it is only futile, absurd and full of sorrow. His soul, therefore, yearns for its original abode. It is a perennial restlessness.“42 Gerade die Sufi-Traditionen sind in dieser Hinsicht sehr anschaulich. Sie erklären dieses Phänomen mit dem Prinzip der gegenseitigen Anziehung durch Dinge, die die gleiche Natur haben. Konkret ist es für sie die Liebe Gottes in ihrem doppelten Sinn, die das einigende Band zwischen dem Menschen und dem Göttlichen darstellt. Anders ausgedrückt: Was immer ein Mensch sucht, die Seele des Objekts, das er sucht, begehrt ihn. Alle Schritte des Menschen, die ihn heraus aus dem geschilderten Dilemma und der göttlichen Welt näher bringen, können als heilig bezeichnet werden. Es gibt dabei drei Stadien der Seele. Im niedrigsten Stadium ist sie dem Bösen zugeneigt, was sie zum Verderben führen würde, wobei der Teufel das Böse so schön aussehen lässt, dass der Mensch schnell bereit ist, das weltliche Leben fälschlicherweise für eine dauerhafte Angelegenheit zu halten. Im nächsten Stadium kämpft die menschliche Seele hart, um die niedrigere Seite der menschlichen Natur unter Kontrolle zu bringen, und nimmt Zuflucht zu Gott als Beschützer der Gläubigen. Im letzten Stadium hat die Seele alle niedrigeren irdischen Gelüste abgelegt, wirft sozusagen dem Teufel die Welt hin wie einem Hund ein Stück Brot, hört den göttlichen Ruf, hat in gewissem Umfang Teil an den Eigenschaften der heiligen Versammlung und wird daher selbst als heilig bezeichnet.

5.1.3. Heiligkeit im Islam: nicht ohne ganz konkrete Taten Dann wird es erst einmal richtig konkret, d. h., es geht um das muslimische Ideal von Rechtschaffenheit und Frömmigkeit, und da wird bereits im ersten Satz erwähnt, dass Gott nicht nur die totale Unterwerfung des menschlichen Selbstbewusstseins will, sondern die totale Unterwerfung des gesamten Lebens unter seinen Willen, wie er in Koran und Sunna festgelegt ist: „Such believers, designated in the Qur’ân as ‚friends of God‘, may be termed as ‚holy‘ and their piety and righteousness, and the moral and spiritual quality of their character as ‚holiness‘ in them.“43 Wieder wird der Charakter des Kampfes betont, auch wenn dies nach außen nicht so aussehen mag. Es handelt sich um ein Sterben vor dem Tod. Gottesdienst kann eben nicht auf das Gebet beschränkt werden, sondern muss das gesamte Leben umfassen, so auch Sure 6, 161 f. Ein weiterer Schlüsselbegriff ist die Gottesfurcht, die (wie ja auch in der jüdisch-christlichen Tradition) als Beginn der Weisheit gesehen wird. Konkret bedeutet sie Zurückhaltung: Man hütet seine Zunge, seine Hand, sein Herz vor dem Bösen, und zwar von innen heraus, nicht durch äußeren Druck oder als äußerliche Show. Diese Reinigung des 42 Ib. p. 15, s.a. p. 10–14. 43 Ib., p. 18, s.a. p. 16–17.

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Willens ist der Liebe zumindest nah verwandt. Laut Ghazali bringt Gottesfurcht einen Menschen dazu, zweifelhafte Dinge aufzugeben sowie alles, was über das absolut Lebensnotwendige hinausgeht, also nur das Haus zu bauen, in dem man selbst wohnt, keine Lebensmittel zu horten, die Welt mit dem Wissen zu betrachten, dass man sie zurücklassen muss, und keine Minute zu verbringen, ohne an Gott zu denken. Der Koran selbst erklärt immer wieder, dass die Menschheit eine einzige sei und alle vor Gott gleich seien und dass der in den Augen Gottes am meisten Geehrte der Rechtschaffenste sei (Sure 22,37), denn nicht Fleisch und Blut, sondern nur die Frömmigkeit könnte Gott erreichen. Und wieder bedeutet Gottesfurcht hier, die Gebote und Verbote Gottes richtig zu befolgen, womit neben der Absage an Dinge wie weltliche Verlockungen und Korruption v. a. das islamische Recht zum Zug kommt. Gute Taten, z. B. die Befolgung der so genannten fünf Säulen, werden belohnt durch vollkommenen Frieden und Ruhe für den, der sie vollbringt, doch wieder sind es Geisteshaltung und Absicht hinter der formalen Erfüllung, die zählen. In einem rechtschaffenen Leben sind Liebe zu Gott und zum Nächsten die höchsten Ideale und das letzte Ziel – was ja durchaus auch sehr christlich klingt. Dies wird in Sure 2,177 dann auch sehr konkret ausgeführt, wo z. B. Waisen, Arme, Wanderer und Sklaven aufgeführt werden. Die Liebe zu Gott sollte durch die Liebe und Barmherzigkeit gegenüber einem von Gottes Geschöpfen ausgedrückt werden – und wenn es ein Sperling ist. Hierzu ist bei Muslim eine Hadith überliefert, die praktisch wie Mt 25 klingt. Auch Standhaftigkeit ist eines der Schlüsselwörter: „Love is a great killer and love of God requires a completely exclusive devotion to Him, renunciating all that is other than God. The lover (the sincere believer) is also tested by God in his sorrow, loss and suffering; and if he faithfully maintains a cheerful attitude of resignation and understanding in his sufferings and misfortunes, he finds God very close to him.“44 Seinen Leidenschaften und natürlichen Instinkten Widerstand zu leisten erfordert eine Menge Geduld, es ist ein dauernder Kampf gegen das eigene niedere Ich. Ghazali schreibt, es gebe für einen Mann der Geduld drei Stadien: Zuerst gibt er sein niedrigeres Selbst auf, dann entsagt er der Welt und ist zufrieden mit seinem Schicksal, was immer es auch sein möge, und im letzten Stadium, im Stadium der Liebe, ist er froh über alles, was Gott, sein Herr, für ihn tut. Es sei, so sagte ein anderer Heiliger, nämlich leichter für einen Gläubigen, diese Welt für das Jenseits zu verlassen als auf alle weltlichen Beziehungen um Gottes willen zu verzichten. Die Armen, so sie rechtschaffen und zufrieden sind, sind nach Mohammed die gesegnetsten von allen Menschen und so sie von dem Wenigen, das sie haben, noch abgeben, sind sie die frömmsten überhaupt. Sie werden durch ihre Geduld und ihr Ertragen Gott am Tag des Gerichts näher 44 Ib., p. 24, für den Rest der Ausführungen s.a. p. 19–23.25 f. Die Erwiderung von Paul Jackson hat keine eigene Überschrift, sondern ist dem Beitrag Faruqis subsummiert und findet sich p. 27 nach dem französischen Resümee des Beitrags.

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sein, deshalb ist die Liebe für die Armen der Schlüssel zum Paradies, wie überhaupt Liebe zu den Armen, zu den Waisen und zu den Nächsten zu den Axiomen eines guten Lebens gehört. Ein Spiegel göttlicher Eigenschaften im menschlichen Leben ist es, zu allen gleich zu sein, wie eben die Sonne, die Wolken und die Erde auch für alle gleich sind. Solche Menschen bezeichnet der Koran als Freunde Gottes und bekannt und erkannt werden sie weniger durch ihre Wundertaten als vielmehr durch Ernsthaftigkeit und Standhaftigkeit im Glauben, durch Gehorsam Gott gegenüber und durch Freundlichkeit nicht nur ihren Mitgeschöpfen, sondern allen lebenden Wesen gegenüber, durch ihr Gebet von innen heraus, Gott möge allen Menschen Barmherzigkeit erweisen, durch ein reines Herz (keine Feindschaft, keine Rache), durch Verzicht auf alle Gier und alle weltlichen Attraktionen, durch Zurückhaltung von Verleumdung und übler Nachrede bis dahin, dass sie sich davor schützen, die Schwächen der anderen überhaupt zu sehen. Man kann die Heiligen noch nach einzelnen Eigenschaften und Taten in vier Kategorien einteilen, doch ist dies für das Bild als gesamtes nicht so wichtig. Die Antwort von Paul Jackson konzentrierte sich unter anthropologischem Gesichtspunkt auf drei Anfragen: Ob man wirklich von einem Abtöten des Ich sprechen könne oder das Ideal nicht vielmehr sei, dieses zu kontrollieren, dass die Pirs, die geistlichen Führer nicht erwähnt worden seien, obwohl sie eine prägende Rolle im indischen Sufismus spielten, und schließlich als die wichtigste Frage, die der Anwendung des reichen geschichtlichen Erbes, um heilige muslimische Männer und Frauen in der Gegenwart hervorzubringen.

5.1.4. Unter den muslimischen Vorbildern: Mohammed mit Abstand am besten Diese Frage wurde dann sozusagen im Folgereferat beantwortet, bei dem es um konkrete Vorbilder der Heiligkeit für Muslime ging. An erster Stelle, und das kann gar nicht genug betont werden, wurde hier der Prophet Mohammed genannt, weil ihn der Koran selbst als solches bezeichnet und sein Verhalten zur Nachahmung empfiehlt. Alle muslimische Heiligkeit nähert sich dem Vorbild Mohammeds an, ohne dieses jemals erreichen zu können. Ja mehr noch, es ist gar nicht möglich, ein Leben als Muslim zu führen, ohne sich an Mohammed zu orientieren, und zwar bis in die Alltäglichkeiten des Lebens hinein, die mit Akribie festgehalten, überprüft und befolgt wurden und werden. Das hat ganz nebenbei auch gewaltige Auswirkungen nicht nur für die Einzelperson, die nach Heiligkeit strebt, sondern auch für das Gemeinschaftsgefühl und die praktische soziologische Ausgestaltung der religiösen Gemeinschaft als solche. Es ist auch nicht nur eine Frage des Strebens nach persönlicher Heiligkeit, es ist eine Frage des islamischen Rechts und damit der Religion als solcher. Einzelheiten können und sollen hier nicht alle genannt werden, denn es blieb praktisch kein noch so intimes Detail ausgespart. Aber es ist doch auffällig (s. u.) wie parallel die beiden

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einander gegenüberstehenden Referate strukturiert sind, und dass an erster und dominierender Vorbildstelle Mohammed bzw. Jesus stehen und alles Weitere davon abgeleitet wird, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung und Ausgestaltung. Über Mohammed und seine Rolle heißt es: „The Qur’ân has reinforced the position of the Prophet in Islam and has declared: ‚Do whatever the Prophet orders you to do, and abstain from what he forbids you from‘. Love of the Prophet has been declared to be an essential and inseparable part of the love of God. The objective test of this love has been declared to be the ­earnest desire to emulate, imitate and follow the Prophet in all the spheres of life. Muslims through the ages have looked upon the Prophet as an Insân-i-Kamil (The Perfect Man) and have aspired to imitate him.“45

Als ‚Heilige‘ werden dann der Gründer des indischen Chishti-Ordens, also eines Sufi-Ordens, und vier aus der Kette seiner Schüler genannt, die den Zeitraum von 1141 bis 1356 in Nordindien abdecken und deren Leben und Wirksamkeit erzählt wird. Ihnen allen gemeinsam und kennzeichnend für diesen Orden ist eine strenge Distanz zu den muslimischen Herrschern, eine große praktische Zuwendung zu bedürftigen Menschen, da nach einer Überlieferung des Propheten Gott an deren Seite zu finden sei, sowie als praktische Folge meist eine große Armut des Heiligen und seiner Familie. Gewisse Parallelen zu den unten angeführten christlichen Heiligen sind nicht zu übersehen, sie gehen bis zur Vergebung für einen tätlichen Angriff.

45 Nizami, K[haliq] A[hmad], Models of Holiness for Muslims, Islamochristiana 11 (1985), p. 53, s.a p. 51 f.54–57 zur Bedeutung Mohammeds, gipfelnd in einer Hadith (p.57) „that ten virtues should be cultivated for moral and spiritual health: (1) truthfulness, (2) curtailment of worldly involvements, (3) sharing food with the hungry neighbour, (4) fulfilling the need of the beggar, (5) reciprocating kindness by kindness, (6) honesty in trust, (7) kindness towards kith and kin, (8) kindness towards friends, (9) kindness towards guests, (10) the root of all these virtues being modesty and penitence (haya).“ Dann folgt p. 57–66 die Lebensbeschreibung der einzelnen Heiligen. Interessant ist dabei z. B. p. 61 zu Scheich Fariduddin (1175–1265): „His private life was a perfect mirror of his public life and he never said or did different things in public and in private. There was a complete harmony between his thought, words and actions.“ Am Ende (p.  67) findet sich eine Entgegnung der Franziskanerin Schwester L. Vagogne aus­ Pakistan, die einerseits nach lebenden Vorbildern und geistlichen Leitern fragt (wobei letztere sich weniger durch ihr Wissen auszeichneten als durch ihre Nähe zu Gott) als auch nach dem Problem, dass Kanonisierungen im Islam aller offiziellen Kriterien entbehrten, sondern sozusagen Volksentscheide seien. Das ziehe das Problem nach sich, dass, allem Dogma zum Trotz, Wundertätigkeit mehr zähle als Vorbildcharakter. Schließlich stellte sie auch noch die Frage nach einer sozusagen erblichen Heiligkeit und ob dann nicht der gemeine Mann, der außerhalb dieses Stromes der Heiligkeit geboren sei, benachteiligt sei.

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5.2. Heiligkeit in christlicher Perspektive 5.2.1. Inkarnation als Schlüsselwort Das christliche Gegenreferat zu Heiligkeit wurde von Father John Carroll Futrell gehalten, der dazu einen beschreibenden, phänomenologischen Ansatz wählt, wie er in der spirituellen Theologie üblich geworden sei. Dieser setzt mit einer anthropologischen Feststellung ein: Alle religiösen Systeme würden Heiligkeit letztlich als eine Einheit mit dem Heiligen begreifen. Das Christentum speziell sehe das Absolute als etwas, das in die Geschichte einbricht, gipfelnd in der Inkarnation in Jesus Christus, durch den wir eingeladen sind, das Leben Gottes zu teilen, jetzt und für immer. Inkarnation ist damit das Schlüsselwort auch für christliche Heiligkeit. Nach biblischen Vorstellungen ist die gesamte Menschheit vom Anfang bis zum Ende der Geschichte aufgefangen in einer atemberaubenden dynamischen Bewegung göttlicher Liebe, die uns wiederum zur Antwort aufruft, dazu, uns für dieses Leben zu öffnen und dieses Leben der Liebe selbst zu leben und damit die Welt zu verändern. Christliche Heiligkeit drücke sich deshalb notwendigerweise in zwischenmenschlichen Beziehungen aus und in „transforming holy action on the world“46, also aktuell z. B. der Förderung von sozialer Gerechtigkeit. Christliche Heiligkeit setze aber auch Buße und Bekehrung voraus, ein Sich-Öffnen für die rettende Liebe des gekreuzigten Christus. Konkrete christliche Heiligkeit drückt die Einheit mit Gott, mit seiner Liebe, im Verhalten anderen gegenüber aus bis hin zur Feindesliebe. Dazu bedarf es eigentlich ‚nur‘ und vor allem einer Betrachtung und Nachahmung des irdischen Lebens Jesu noch über reine Gewissensentscheidungen zwischen Gut und Böse hinaus hin zu einem spirituellen Wissen, was Gott in dieser konkreten Situation möchte, weil man seine Gegenwart, die Gegenwart des göttlichen Geistes in einer bestimmten Entscheidung fühlt, weil man eben im Heiligen Geist lebt. Dies erfordert auch ein geregeltes Gebetsleben und, darauf besteht der Referent, geistliche Anleitung, wobei es da verschiedene Schulen und Techniken gebe, die sich im Lauf der Zeit entwickelt und weiterentwickelt hätten. Weitere Hilfe kämen durch die Gemeinschaft und die Sakramente, v. a. das Abendmahl. Ferner verweist 46 P. 36 noch allgemeiner auf die schwierigen Punkte im ‚Trialog‘ zwischen Juden, Christen und Muslimen eingeht Futrell, John Carroll, The Concept of Christian Holiness, Islamochristiana 11 (1985), p. 31, s.a. p. 29 f und für das Folgende p. 32–34. Der Vortragende ho zunächst sehr stark auf das Reich Gottes ab, so p. 31 in der Fortsetzung des Zitats: „The Kingdom will come when all human persons have formed an interpersonal community of love with one another in communion with Father and Son and Holy Spirit, so that the reign of God is universally real and visible, in all peoples’ social and political and economic organization of human society and in their use of all material things, finally transforming the universe in beauty (Genesis 1) rather than polluting it.“ Die Entgegnung von Riffat Hassan findet sich, wieder ohne eigene Überschrift und auch nur in indirekter Zusammenfassung, nach dem französischen Resumée auf p. 35 f, wobei.

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er auf die Traditionen von Asketentum und Mystik. Die Vollendung christlicher Heiligkeit bringe schließlich nur der Tod selbst, durch den man in die ewige Einheit mit Gott eingehe. Die ‚Antwort‘ darauf kam von Riffat Hassan aus den USA und ging auf den Vortrag selbst höchstens insoweit ein, als sie vermerkte, dass in den westlichen Ländern dem Islam sofort ein sozialer, kultureller und politischer Charakter zugestanden würde, dass man aber größte Schwierigkeiten habe, die religiöse Dimension des Islam zu erkennen und anzuerkennen.

5.2.2. Christliche Vorbilder für Heiligkeit Ergänzend zu dem Grundlagenvortrag gab es einen Vortrag zu Vorbildern von Heiligkeit für Christen, gehalten von Schwester Suzanne Le Gal und von dieser, wie sie schreibt, nach sehr persönlichen Gesichtspunkten ausgewählt. Es lassen sich allerdings doch Strukturen erkennen, beginnend, wie zu erwarten, mit Christus selbst als Vorbild der Heiligkeit. Die Referentin betonte dabei einerseits Jesu völlige Unterwerfung unter den Willen Gottes, andererseits seine besondere Liebe gerade zu denen, die die Gesellschaft an den Rand drängte: Frauen, Häretiker, Fremde. Diese Haltung universeller Brüderlichkeit habe er auch seine Jünger lehren wollen. Ihren besonderen Ausdruck findet diese brüderliche Liebe in Erbarmen und noch konkreter in Vergebung (bis hin zum Tod am Kreuz). Jeder Mensch, der von Christen als Heilige(r) angesehen werde, habe nach diesem Vorbild gelebt. Konkret führt sie Franz von Assisi an, einen der bekanntesten Heiligen überhaupt, Anwarite, eine junge Nonne und Märtyrerin aus Zaire, Giorgio La Pira, den langjährigen Bürgermeister von Florenz, und Pater Maximilian Kolbe, der in Auschwitz zum Märtyrer geworden war. Was über die konkreten Umstände der Nachahmung des Vorbildes Jesu hinaus – wobei häufig seine Armut in den Vordergrund trat – als Gemeinsamkeit aller in die Augen springt, ist die innere und dann auch äußere Freiheit, die sie gewonnen haben, Freiheit zu außergewöhnlichen Taten bis hin zur Aufgabe des eigenen Lebens. Was auch auffällt ist, dass sie wohl alle (auch die Schilderungen zum Leben von Giorgio La Pira legen dies nahe, selbst wenn es nicht ausdrücklich gesagt wird) unverheiratet waren. Leider geht die Entgegnung von Riffat Hassan darauf und auf die Ähnlichkeiten oder Unterschiede zum muslimischen Modell überhaupt nicht ein, sondern beschäftigt sich mit der im Anschluss an das Gegenreferat aufgeworfenen Frage, wer denn im Islam als Vorbilder infrage komme und wer die Normen von Heiligkeit festlege, wo es doch keine offiziellen Heiligsprechungen gebe. Sie bestätigt dabei, es sei die Volksfrömmigkeit, die die Normen festlege, und die lege offensichtlich weniger Wert auf den Vorbildcharakter von Heiligkeit als auf die göttliche Präsenz in Form von Wundern, Segen und der Möglichkeit, als Fürsprecher aufzutreten. Dogmatisch ist dies gerade eine Form von Immanenz des Göttlichen,

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die der Islam sonst strikt ablehnt, die aber vielleicht einem Bedürfnis des Menschen entspricht, Gott doch handgreiflicher in der Nähe zu haben. Bei der Frage nach der Erblichkeit eines speziellen Segens wies sie als Frau darauf hin, dass es seltsamerweise so zu überwiegend männlichen Heiligen gekommen sei.47 Es waren also insgesamt eine Menge interessanter Gesichtspunkte und Fragen aufgetaucht, die genug Stoff für eine weiter gehende Diskussion liefern könnten.

5.3. Die gegenseitige Kritik 5.3.1. Vonseiten der Christen: die unterschiedlichen Schwerpunkte Doch zunächst gab es eingebaute Kritik am Heiligkeitskonzept des jeweils anderen in Form von Referaten. Das christliche Referat, gehalten von Jean-Marie Gaudeul, trug gleich in der Einleitung der Schwierigkeit dieses Konzepts Rechnung, dass dies nämlich eigentlich eine Überforderung ist und leicht darin enden kann, dass man den anderen einfach am Maßstab der eigenen Vorstellungen misst. Gerade beim Thema der Heiligkeit kann der Maßstab nur Gott selbst sein, Heiligkeit ist sein Geschenk, das die Menschen immer nur in kreatürlicher Schwachheit und Mangelhaftigkeit annehmen. So gibt Gaudeul an, sich nicht auf (negative) Kritik einlassen zu wollen, sondern auf (positive) Unterscheidung der Geister. Erfahrungsgemäß übe man Kritik und reagiere besonders sensibel gerade an den Punkten, die auch die eigenen Schwachpunkte seien, sei es als Privatperson, sei es als Religionsgemeinschaft. Er macht also einen Versuch, eine christliche Beschreibung islamischer Heiligkeit zu geben und hebt dabei auf drei Punkte ab. Der erste ist die Einheit und Einzigkeit Gottes, die der Islam so betone, und die – auf der Ebene der Heiligkeit, der Innerlichkeit – vergänglichen Ruhm, Ehrgeiz, Stolz, Streben nach irdischem Gewinn, nach Macht und Vergnügen ausschließt und der es wirklich nur um Gott (nicht einmal um das Paradies) geht. Der zweite steckt schon im Wort Islam – Hingabe, Unterwerfung an/unter Gott und dessen Willen – und könne geradezu als eines der Hauptcharakteristika islamischer Heiligkeit bezeichnet werden, wobei es eine ähnliche Grundhaltung durchaus auch bei christlichen Heiligen gebe, wenn auch mit charakteristischen Unterschieden. Christen nehmen an, dass Gott mit jedem Menschen einen ganz persönlichen Plan habe, und diesen gelte es in den ganz alltäglichen großen und kleinen Entscheidungen zu finden und zu befolgen. Auf islamischer Seite sei so etwas den Propheten vorbehalten und der Alltag ja schon durch die Vorschriften 47 Nach Le Gal, Suzanne, Models of Holiness for Christians, Islamochristiana 11 (1985), p. 37–48, die Zusammenfassung der Entgegnung von Riffat Hassan, die sich in diesem Zusammenhang wohl ausdrücklich als feministische Theologin bezeichnete, findet sich p. 49 f. Interessant ist, dass Suzanne Le Gal im Gegensatz zu ihrem christlichen Vorredner gerade den Geschenkcharakter des Reiches Gottes betont, der auch nicht durch gute Taten erworben werden kann (p. 38).

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des islamischen Rechts hinlänglich geregelt – was leicht dazu führen kann, dass durchaus wichtige Dinge als unwichtig eingestuft werden, weil sie in der Klassifizierung des islamischen Rechts lediglich als gleichgültig eingestuft sind. Schließlich gehe es drittens um die Verwandlung und Reinigung der Person, des Selbst nach außen (durch Gehorsam und Befolgen von Regeln) und innen (durch Annäherung an das Wesen und die Eigenschaften Gottes). Dies ist wiederum beiden Religionen gemeinsam, mit einer gewissen islamischen Betonung auf ersterem und einer ebensolchen christlichen Betonung auf letzterem. Andere Arten von ‚Heiligkeit‘, gebunden an Ämter, Erbfolge, Wunder oder Gelehrsamkeit, lehnt er dagegen ab als zu weit von der ursprünglichen Bedeutung entfernt: „History shows us, in Islam and in Christianity, that holy functions have not always been entrusted to holy people, and that even miracles can be performed by people who are far from holiness. True holiness, the type of holiness which we have been talking about yesterday and today, seems to bring us to a point where we are reminded of our common condition of humble servants called by God to know and do his will. How could we turn holiness into an honorific title?“48 Dies zeigt in der Tat mehr Selbst- denn Islamkritik. Anfrage der Christen: Heiligkeit oder doch nur Scheinheiligkeit? Auch der zweite Teil seines Vortrages, gewidmet den Bedrohungen für Heiligkeit aus christlicher Sicht, geht davon aus, dass diese nicht eine von beiden religiösen Gemeinschaften betreffen, sondern letztendlich, an der Basis, alle beide, weil es gegenüber dem Schöpfer eben immer die Möglichkeit von Vertrauen und Misstrauen, von Liebe und Gleichgültigkeit, von Gehorsam und Aufstand, von Gottzentriertheit und Selbstzentriertheit gebe und trotz aller Unterschiede die Struktur der Probleme doch gleich sei. Das erste sei das Problem der Ausgewogenheit auch von guten Eigenschaften wie Gebet und Handeln. Gaudeuls sehr pointierte Anfrage ist hier: „Is it not one of our problems, at the present time, that we see many of our brethren, in Islam or in Christianity, live that sort of ‚unbalanced‘ faith with the resulting conflict between people who choose militancy as a priority and those who choose mysticism as their first goal?“49 Das zweite sei die Frage nach der Veränderung bei den anderen. Beide, Islam und Christentum, hätten in der Vergangenheit versucht, Gesellschaften zu schaffen, in denen das göttliche Recht befolgt wurde. Viele auf beiden Seiten vergäßen heute gerne, wie unvollkommen diese Gesellschaften waren, und stilisierten sie hoch zu einem goldenen Zeitalter, zu dem man zurückkehren müsste. Stattdessen, so sein Vorschlag, sollte man lieber darüber nachdenken, welche Auswirkungen diese Versuche auf die Heiligkeit einer solchen Gesellschaft hätten sowie auf die Heiligkeit derer, 48 Gaudeul, Jean-Marie, A Christian Critique of Islamic Holiness, Islamochristiana 11 (1985), p. 80, s.a. p. 69–79. 49 Ib., p. 82, s.a. p. 80 f.

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die sie schaffen wollten. Viele legten nämlich auf die Reform der Gesellschaft solchen Wert, dass sie darüber die eigene Bekehrung ganz (gerne) vergäßen. Auch hier wird er ausgesprochen deutlich (und beschränkt sich nicht nur auf das genannte Beispiel): „My fear is that this mobilization of masses of believers against the sins of other people, whoever they may be, may lead to more sinfulness, more violence, and more suffering, because zeal for God will be channelled exclusively towards political or legal reforms or revolutions, and the attention of most believers will be diverted from that other Jihâd which is the struggle of each person against his, or her, own sinfulness.“50 Und mehr Zwang in der Religion habe erfahrungsgemäß nur mehr Scheinheiligkeit hervorgebracht – deswegen wohl auch die berühmte koranische Aussage, es dürfe keinen Zwang in der Religion geben. Überhaupt sei, und das ist sein dritter Punkt, menschengemachte Heiligkeit eine Illusion, die Gott gerade klein mache. Viertens könne man auch die eigene Militanz oder die eigene Religionsgemeinschaft an Gottes Stelle setzen und somit Götzendienst betreiben. Und fünftens und letztens, und dies bezeichnet er selbst als sehr christliche Sichtweise, werde Heiligkeit im Islam vielleicht zu sehr mit ganz bestimmten Verhaltensweisen identifiziert, die gerade heute nicht jedem überall mehr möglich seien. Werde damit Heiligkeit unmöglich, auch für Leute, die sie eigentlich wollten, oder seien viele dieser äußeren Verhaltensweisen („a certain dress, pious language, solemn face, and so on“51) vielleicht gar nicht die eigentliche Heiligkeit? Es ist auffällig, wie die innersten Fragen der menschlichen Einstellung zu Gott mit den äußersten Fragen von Gesellschaft und Politik verbunden sind. Das macht die Relevanz gerade dieses Beitrags und seiner Anfragen aus.

5.3.2. Vonseiten der Muslime: Heiligkeit muss Heiligung sein und bleiben Der muslimische Gegenbeitrag nennt sich bezeichnenderweise nicht Kritik, sondern ‚appreciation‘ christlicher Heiligkeit und versucht sich dieser Heiligkeit von innen zu nähern, über das biblische Zeugnis, das sie als den Zustand einer ‚Sache‘ ausweist, die für Gott und den Dienst an ihm abgesondert worden ist. Über die Unterteilung in und den Zusammenhang von moralischer und kultischer Heiligkeit kommt er zu dem Selbstverständnis der christlichen Kirche als Gemeinschaft der Heiligen, der von der Sünde Erlösten, und von da zur Wichtigkeit der Sakramente für Heiligkeit im Christentum, insbesondere Taufe, für ihn das Zeichen der Heiligung, und Abendmahl, für ihn das Ritual der Heiligung, aber auch Buße, Beichte und Vergebung sozusagen als Sakrament der Wiederherstellung der Heiligkeit nach der Sünde. Er konstatiert  – mit aller Zurückhaltung, was Verein 50 Ib., p. 83. 51 Ib., p. 88, s.a. p. 84–87.

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fachung angeht, aber eben als Gedankenanstoß – eine theologische Entwicklung des Sakramentsverständnisses in den westlichen Kirchen weg von dieser Heiligung und hin zu Gruppenidentitäten stiftenden, abgrenzenden Verfestigungen. Hier habe die mystische Theologie des Ostens mit ihrem östlichen Charakter auch die Kraft der Heiligung besser bewahrt, jedenfalls in den Augen des ebenfalls ‚östlichen‘ Muslims. Ferner neigt Ayoub dazu, den ‚christlichen‘ Heiligen Geist und die ‚muslimische‘ Rechtleitung Gottes gleichzusetzen und im Zusammenhang mit Heiligkeit großen Wert auf rechtes Handeln zu legen im Sinn von heilig als gut und heilsam. Der Sinn dafür sei im modernen Zeitalter von Naturwissenschaft und Technologie im Gegensatz zu früheren, als abergläubisch denunzier­ten Zeiten verloren gegangen. Gerade auch Naturwissenschaft und Technik müssten durch göttliche Rechtleitung geheiligt werden. Die Formulierungen in diesem Zusammenhang sind nicht gerade zimperlich: „The three greatest evils of the human soul are self-centeredness – individual, national, international – arrogance and greed. The sin of regarding man as measure of all things is as old as humanity itself. Since the renaissance this sin has taken on forms of ideology – natio­nalism, Marxism and humanism. This /p. 97 self-centeredness leaves no room for God in our lives.“52 Abschließend betont er nochmals, dass das arabische Wort für heilig im Koran im positiven Sinn allein für Gott verwendet werde. Ein ‚heiliges‘ Leben würde man als rechtgeleitet bezeichnen, ‚heilige‘ Dinge schlicht als gut. Auch Heilige gibt es nicht, ein walî, ein Freund Gottes, ist eher ein Mann Gottes im alttestamentlichen Sinn denn ein Heiliger im Sinn der entsprechenden christlichen Kirchen. Eigentlich seien alle Menschen und Dinge vom Wesen her heilig, sie müssten diesen Status der Heiligkeit, in dem sie von Gott geschaffen wurden, nur wiedergewinnen, indem sie danach trachteten, ein 52 Ayoub, Mahmud [M.], A Muslim Appreciation of Christian Holiness, Islamochristiana 11 (1985), p. 96/97. Sehr deutlich wird seine islamische Sicht (er ist in Ayn Qana im Libanon ge­boren) auch darin: „It is my conviction that Christianity began to lose its power of sanctification as it lost its Eastern home and character. It was in this Eastern piety and spiritual dynamism of the holy desert fathers that Islam was born and nourished. It was not dogma but holiness, victory against the demonic spirits of uncleanness which spoke to the needs of men and w ­ omen. We dismiss as a bit of Eastern superstition that Jesus cast out unclean spirits. Yet it was this piety of healing and sanctification, whose ultimate source Jesus was, which played an important role in the life of the society of the ancient Near East, and which can once again rejuvenate the materialistic society of our world today.“ (p. 96) Auch zum Thema Protestantismus macht er einige interessante Anmerkungen (p.  95): „It is fortuitous that the Reformation has not produced a true mystical tradition with its particular spiritual discipline and philosophical outlook. Holiness is a Divine gift of grace mediated by the people of God. The lack of a mystical tradition in Protestantism may be due to the fact that there are no saints to mediate this gift of sanctifying grace to the people. It is for this reason that so many young Christians who are earnestly seeking have been obliged to look outside their churches for spiritual guidance.“ Es gibt auch noch einen kurzen christlichen Kommentar (p. 98) von der bereits erwähnten Suzanne Le Gal, die die Erwähnung der beiden Sakramente Taufe und Abendmahl sowie die Gemeinschaft der Heiligen, die dadurch begründet und vollzogen wird.

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vor Gott heiliges Leben zu führen. Das heißt wiederum, dass das Leben selbst durch gute Werke, Gedanken und Beziehungen geheiligt werden kann. Ja, es muss sogar als Ganzes im Dienst Gottes den Charakter eines Sakraments bekommen (die entsprechenden Handlungen sind heiligend und die diesbezüglichen Vorschriften ergeben die nötige Disziplin für Heiligkeit), weswegen es im Islam auch keine Sakramente als solche gebe. Hier wird das positive Menschenbild des Islam sehr klar, nach dem der Mensch nur noch göttliche Vorschriften braucht, um einen Gott wohlgefälligen und damit heiligen Status zu erreichen – die aber braucht er wirklich und muss sie befolgen. Trotz aller Hochschätzung des Menschen und der menschlichen Fähigkeiten geht ohne diese göttliche Rechtleitung gar nichts, daher eben auch die Einstufung von Renaissance und Humanismus als de facto gottlose Ideologien. Bei allem Wissen um und Erfassen von christlichen Inhalten und bei aller Nähe zu christlichen Formulierungen gerade in diesem Beitrag gegenüber allen vorhergehenden zeigt sich hier auch sehr deutlich (und ja auch ausgesprochen) die Distanz und Kritik gegenüber dem Westen und den Kirchen westlicher Prägung – ein wohl zumindest teilweise bewusst provozierender Denkanstoß, was man aber bei einem Thema wie Heiligkeit doch nicht so ausgeprägt erwartet hätte.

6. Beziehungen mit der Türkei – starke akademische Zusammenarbeit Die Beziehungen zur Türkei waren zunächst überwiegend akademischer Natur, sieht man davon ab, dass lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, nämlich in den Jahren 1935–1945, ein Wegbereiter des interreligiösen Dialogs in Istanbul wirkte, nämlich Angelo Giuseppe Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII. Angesichts der Feierlichkeiten zu seiner Seligsprechung wurde nicht nur in Rom gefeiert (mit einer hochrangigen Regierungsdelegation aus der Türkei), sondern auch in Istanbul. Besonders zwischen der Universität Ankara und der Gregoriana, einer der päpstlichen Universitäten Roms, entwickelte sich eine rege akademische Zusammenarbeit, die sich im Austausch von Dozenten niederschlug, aber auch in gemeinsamen Seminaren. Diese akademische Zusammenarbeit sollte in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden, gerade was ihre Dauerhaftigkeit und fast Selbstverständlichkeit (seit Oktober 2000 residieren die Jesuiten auch offiziell in Ankara, wo sie Kurse an der Fakultät geben und Studenten und Gelehrte empfangen, während die Dominikaner ein ähnliches Programm in Istanbul haben) angeht, doch kann sie verständlicherweise nicht in ihrer Vollständigkeit in diese Arbeit über ein anderes päpstliches Gremium eingehen, da es nur gelegentliche personelle und organisatorische Überschneidungen gab. Eine dieser Überschneidungen war das vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog mitorganisierte Seminar zu Problemen der religiösen und theologischen Erziehung in der

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Moderne, das vom 10.–13.5.1989 in Rom abgehalten wurde unter dem offiziellen Titel „Communiquer les valeurs religieuses à la jeunesse aujourd’hui“ und unter Mitarbeit der Dekane von sieben anderen theologischen Fakultäten verschiedener türkischer Universitäten (Gaziantep, Erzerum, Bursa, Konya, Izmir, Kayseri, Marmara-Universität Istanbul). Die anderen römischen Universitäten und Institute waren durch Professoren vertreten. Die Referate beschäftigten sich teilweise mit dezidiert anthropologischen Themen, so mit der doppelten Natur des Menschen nach dem Koran oder mit der Notwendigkeit religiöser Überzeugungen in der Erziehung der Jugend zur Wahrung der Menschenrechte. Die anschließenden Diskussionen betonten u. a. die Notwendigkeit vertiefter anthropologischer Studien im Bereich der theologischen Ausbildung53. Ein umfängliches akademi 53 S. Roest Crollius, Ary, Rome 10–13 mai 1989, „Communiquer les valeurs religieuses à la jeunesse aujourd’hui“, BPCDIR 73 (1990), p. 79–81, Séminaire académique de théologiens musulmans et chrétiens à l’université Pontificale Grégorienne: „Communiquer les valeurs religieuses à la jeunesse aujourd’hui“, Islamochristiana 15 (1989), p. 242–243. Zu den Grundlagen dieser Zusammenarbeit s. Signature d’un accord de coopération académique entre l’université d’Ankara et l’université grégorienne de Rome, Islamochristiana 12 (1986), p. 222–223. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit gab Fr Thomas Michel SJ Vorlesungen über christliche Themen an den Universitäten Ankara (1987), Izmir (1988) und Konya (1989), während Prof. Yurdaydin umgekehrt 1987/88 an der Gregoriana und am PISAI unterrichtete, so At the Ankara University: Christian Lessons to Muslims, Islamochristiana 13 (1987), p. 217 und Fitzgerald, Twentyfive Years of Dialogue, p. 118. Eine andere Form akademischer Kommunikation, die sicher Breitenwirkung haben wird, auch wenn diese nicht in einer Studie wie dieser erfasst werden kann, ist die Stiftung Nostra Aetate, gegründet 5.4.1993, die z. B. im Zeitraum von 1991 bis 1999 an 17 muslimische Studenten ein Stipendium für christliche Studien in Rom vergeben hat, verbunden mit einer Unterkunft in einem christlichen Haus und mit einem monatlichen Treffen, bei dem diese Studenten Christen und Muslime der Stadt treffen, die sich im Bereich des Dialogs engagieren, von den Kontakten zum Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog selbst einmal ganz abgesehen, wo auch der Zuständige für den christlich-muslimischen Dialog monatliche Treffen abhält, so Fitzgerald, Michael L[ouis], Report on the Activities of the PCID: November 1998–October 2001, BPCDIR 109 (2002), p.  80 f sowie Akasheh, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), p. 198. So wird ein auch praktisches Verständnis des Christentums gefördert, das sonst kaum zu erreichen wäre; s. dazu Akasheh, Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, p. 219 oder auch als praktisches Beispiel Tabbara, Nayla, A Roman Experience, BPCDIR 108 (2001), p. 393–396 und Demiri, Lejla, My Experience of Dialogue, BPCDIR 114 (2003), p. 375–378, die beide die Kombination von Theorie und Praxis besonders loben. Sie vermittle Einsichten, die keines für sich genommen so bieten würde. Auch der offizielle Bericht von Lejla Demiri kommt zu diesem Schluss, ist aber nicht so persönlich und nachdrücklich: Rome, Italy: 15 March 2003 A Report for „Nostra Aetate“ Foundation, Pontifical Council for Interreligious Dialogue, by a Muslim Student who Had Received a Study Grant, BPCDIR 114 (2003), p. 409–420. Interessant ist, dass ein im Rahmen der Vollversammlung des Päpstlichen Rats vom 14.–19.5.2001 von einem Mann vorgetragene Studienbericht zwar auch den Wert des Zusammenlebens über das rein akademische Studium hinaus erwähnt, aber auch auf das Islambild des Westens und des Christentums eingeht, das v. a. aus Gewalt, Fanatismus und Intoleranz besteht. Als Wurzel von Gewalt, Terrorismus und Konflikt sieht er aus dem Blickwinkel seiner Heimat Tunesien Armut, Ungerechtigkeit und Entfremdung. Er selbst sieht als Schluss aus seinen persönlichen Dialogerfahrungen

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sches Besuchsprogramm und eine Papstaudienz rundeten die hochkarätige Veranstaltung ab. Später gab es dann aber auch Beziehungen zum Amt für Religiöse Angelegenheiten, nämlich eine gemeinsame Absichtserklärung (April 2002) beider Seiten. Diese geht zunächst darauf ein, dass es aus ganz banalen Gründen immer mehr Kontakte zwischen Menschen verschiedener Religionen gibt: Reisen ist leichter geworden, die Kommunikationsmittel überschreiten nationale und religiöse Grenzen und die Menschen sind auch aus wirtschaftlichen Gründen oder bedingt durch Konflikte mehr in Bewegung. In dieser Situation ist man sich bewusst, dass religiöse Unterschiede benutzt werden können, um Feindschaft zwischen Völkern zu säen, obwohl sie doch bei rechtem Verständnis eine Bereicherung sein könnten, so wie eben auch Religionen eine positive Bedeutung in der Gesellschaft spielen können. Aufbauend auf die bereits vorhandenen guten Beziehungen zwischen der Republik Türkei und dem Heiligen Stuhl, verpflichten sich beide Seiten darauf, Missverständnisse und Vorurteile in religiösen Angelegenheiten auszumerzen, die Freiheit von Religion, Glauben und Gewissen hochzuhalten, Trainingsprogramme zur Kenntnis anderer Religionen zu fördern, ebenso wie interreligiösen Dialog, letzteren besonders auf universitärer Ebene, soweit dort eben Religion gelehrt wird, und schließlich die Umsetzung dieser gemeinsamen Absichtserklärung durch regelmäßige Treffen von Repräsentanten beider Seiten zu überwachen. Das Dokument wird von katholischer Seite so eingeschätzt, dass es den Kontakt zwischen akademischen Institutionen signifikant erleichtert.54 Dies ist ja ein bereits bewährter Weg, sowohl, was die den Krieg der Kulturen als Krieg der Ignoranz an. Ein letzter interessanter Hinweis in diesem Bericht gilt der berühmten Heimatuniversität des Studenten, der Ezzitouna und ihren Absprachen mit der Päpstlichen Universität Gregoriana, dem Päpstlichen Institut für Arbistik und Islamwissenschaft sowie der Theologischen Fakultät Siziliens, so Merchergui, Ahmed, Testimony (Muslim, Tunisia), BPCDIR 116/117 (2004), p. 304–306. Am 15.6.2000 bot der Präsident der Abteilung für religiöse Angelegenheiten der Türkei dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog den Austausch von Stipendien zwischen katholischen und muslimischen Studenten an. Wie Akasheh, Khaled, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, BPCDIR 109 (2002), p. 112 (s.a. p.111) schreibt: „Notre Conseil a exprimé sa satisfaction pour cette initiative de réciprocité et sa disponibilité pour l’étude d’un protocole d’accord, mais a insisté sur la nécessité du dialogue au niveau local.“ Auch in diesem Zusammenhang erwähnt werden soll das John XXIII Ecumenical Centre in Ankara, das mit einer Bibliothek und Dialogaktivitäten die Verständigung zwischen Christen und Muslimen fördern soll und im Februar 1990 mit hochkarätiger Beteiligung eingeweiht wurde, so Inauguration of the John XXIII Ecumenical Centre (22 February 1990), Islamochristiana 16 (1990), p. 280. Zu Johannes XXIII und dem gesamten Spektrum der Dialogaktivitäten in der Türkei s. Akasheh, Khaled, Some Reflec­ tions on Islam and Christian-Muslim Relations in Certain Countries, BPCDIR 116/117 (2004), p. 254 f. 54 So Yilmaz, Mehmet Nuri/Arinze, Francis, A STATEMENT OF INTENT between the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Presidency of Religious Affairs, Prime Minister’s Office, Republic of Turkey, BPCDIR 110 (2002), p. 193, zur Einschätzung s. Akasheh, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), p. 198.

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schon vorhandenen Kontakte im universitären Bereich angeht, als auch, was institutionelle Kontakte generell angeht, man denke nur an die Kontakte zur AzharUniversität.

7. Zusammenarbeit mit der Al Albait Foundation 7.1. Start mit religiöser Erziehung Der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog hatte eine langjährige Kooperation mit der Royal Academy for Islamic Civilization Research (die wiederum von der Al Albait Foundation abhängt) in Amman. Diese Stiftung steht unter der Schirmherrschaft Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Al-Hassan bin ­Talal von Jordanien, lange Zeit offizieller Thronfolger seines Landes. Unter allen Dialogunternehmungen des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog ragt diese Reihe dadurch hervor, dass sie als einzige umfassend dokumentiert und publiziert ist. Schon im Februar 1982 hatte es Gespräche zwischen Mgr. Jadot, Mgr. Rossano, Edouard Sami Martin Sabanageh und dem damaligen Kronprinzen gegeben dahin gehend, wie man den christlich-muslimischen Dialog fördern könnte. Im November 1984 nahmen Kardinal Arinze, der inzwischen die Leitung des damaligen Sekretariats für die Nichtchristen übernommen hatte, und­ Sabanageh als Gäste an der ersten Dialogkonferenz teil, die die Stiftung in Windsor (mit der anglikanischen Kirche als Partner) veranstaltete und im September 1985 dann auch an der zweiten in Amman. In diesem Gesamtrahmen und durchaus mit Rückbezug auf die Konzilserklärung Nostra Aetate, die ja Christen und Muslimen nahegelegt hatte, die Konflikte der Vergangenheit zu überwinden und zu einer Zusammenarbeit zu finden, fand dann vom 6.–8.12.1989 eine erste gemeinsame Konferenz in Rom statt (nach der Dialogreihe mit der anglikanischen und der mit der orthodoxen Kirche), die sich mit religiöser Erziehung in der modernen Gesellschaft befasste, besonders an Universitäten und Colleges. Kardinal Arinze betonte in seiner Begrüßung, die religiöse Erziehung beginne schon lange vor der Schule, nämlich im Kreis von Eltern und Verwandten, und sollte eigentlich einen Menschen ein ganzes Leben lang begleiten. Besonders wichtig sei sie für junge Menschen, die noch lernen müssten zu unterscheiden, was positiv und wertvoll sei und wie sie ein Leben in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes leben könnten, das es auch wert sei, gelebt zu werden. Auch umgekehrt wurde zum Auftakt betont, dass weder Dialog an sich noch das Thema speziell dem Islam fernlägen, ganz im Gegenteil. Dialog, ganz unabhängig vom konkreten Thema, sei nötig, um Vertrauen zu entwickeln. Verständnis, und hier werden die beiden Einführungen in den Islam, die das Sekretariat herausgegeben hatte, lobend erwähnt, sei nötig, um Zusammenarbeit für die Gesellschaft und den Fortgang des Lebens zu ermöglichen. Unterschiede seien aber auch nötig,

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um Ideen hervorzubringen und zu entwickeln auf der Suche nach der Wahrheit.55 Nach diesen Einführungen wandte man sich dem Thema selbst zu, und das erste der Unterthemen der Tagung beleuchtete die religiöse Erziehung in einer pluralistischen Welt bezeichnenderweise unter dem Stichwort Identität und Offenheit.

7.1.2. Religiöse Erziehung zwischen Identität und Offenheit 7.1.2.1. Natürliche Gotteserkenntnis im Islam Der muslimische Beitrag dazu steckte zunächst den Begriff pluralistische Welt etwas genauer ab zwischen der historischen Entwicklung der christlichen, muslimischen und anderen Blöcke und der neuen Herausforderung durch die Revolution der Medien, aber auch durch die tatsächliche Nähe der anderen. Obwohl Säkularismus, so Abdul Aziz Kamel, eigentlich kein islamisches Phänomen sei, plädierte er dafür, solche Menschen in die Überlegungen mit einzubeziehen. Überkommene Verhaltensmuster der Religionen allein genügten in dieser neuen Situation nicht mehr. Zielvorstellung ist klar eine friedliche Koexistenz im Rahmen von Toleranz und gegenseitigem Respekt, was bisher historisch eher selten war. Dann schilderte er die islamische Identität als zwei Zirkel, die um das Zentrum des Monotheismus kreisen, der prophetische Zirkel mit Mohammed als dem Siegel der Propheten und – in unseren Zusammenhang interessanter – der weitestmögliche Zirkel von fitra  – gemeinhin als natürliche Gotteserkenntnis, von ihm als Intuition bezeichnet. Es ist jedenfalls der Rückbezug auf die Schöpfung und ihre unwandelbare göttliche Ordnung, die auch den Menschen mit einbezieht. Die Schöpfung ist sozusagen Gottes aufgeschlagenes Buch und nach dieser islamischen Logik, die, wie er auch sonst mehrfach betont, keine Dicho­ thomie zwischen Religion und Wissenschaft kennt, ist Fortschritt in der Erzie 55 S. Arinze, Francis, Greetings to the Participants, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim- Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican s.a., p. 5–7, El-Assad, Nassir El-Din, Inaugural Speech, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s. a., p. 8–11. Zur Vorgeschichte s. Sabanegh, E[douard] S[ami] Martin, L’Église catholique au sein du monde arabo-musulman, BSNC 57 (1984), p. 301, wobei der Artikel auch sonst interessant ist, was die Analyse der Situation in den verschiedenen arabischen Staaten angeht. Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit der Stiftung sind v. a. Fragen rings um die Familie. In diesem Zusammenhang wird ergänzend auf eine Publikation hingewiesen, die, da nicht direkt christlich-muslimisch ausgerichtet, nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist, aber für den Leser u. U. dennoch von Interesse sein kann: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Pontifical Council for the Family (edd.), Marriage and the Family in Today’s World, Interreligious Colloquium Rome, 21–25 September 1994, Vatican City 1995. Wenn es speziell um christlichmuslimische Ehen geht, so sei z. B. verwiesen auf Salama, Andraos, Les mariages entre chrétiens et musulmans approches pastorales, BPCDIR 70 (1989), p. 59–76.

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hung immer auch ein Weg näher zu Gott. Von dieser Vorstellung her sei auch die Kombination von Identität und Offenheit überhaupt kein Problem. Auch seine Ausführungen zu den konkreten islamischen Regeln münden in die Aussage, im Islam werde die Erde mit einer großen Moschee verglichen. Selbst noch in der islamischen Architektur, in den typisch islamischen Dekorationsformen und in der islamischen Kalligraphie entdeckt er diese Spiegelungen der harmonischen Verbindung von Himmel und Erde, der Balance von Individuum und Gemeinschaft, von Recht und Schönheit, der großen Einheit, die die Menschen bräuchten. Was die konkrete Stellung von Nichtmuslimen in einer islamischen Gesellschaft angeht, so wird einfach der klassische Schutzbefohlenenstatus erläutert mit Betonung, dass Muslime nur die nicht zu Freunden haben dürften, die sie aus religiösen Gründen bekriegt hätten und die zumindest mitgeholfen hätten, sie zu vertreiben. Sonst sei Freiheit des Kultus und Schutz nicht nur möglich, sondern sogar geboten, auf dem Hintergrund, dass alle Menschen Teil der großen menschlichen Familie seien, die Gott geschaffen und mit besonderer Würde ausgestattet habe, die er gut versorgt, ja der er die gesamte Schöpfung untergeordnet habe. Dieser Rahmen sei besonders wichtig, um nicht durch eine Engführung Spannungen zu erzeugen und die Beziehungen zu anderen Glaubenshaltungen zu stören. Was nun die Offenheit konkret angeht, so bezieht er sich zunächst auf die Mexiko-Erklärung zu Kultur, die Erziehung sehr breit sieht, als Prozess der Beratung, des Austausches von Gedanken und Erfahrungen, als eine Würdigung der Werte und Gebräuche des Anderen (in der auch die grundlegenden Menschenrechte ihren Platz haben). Besonderen Wert legt er auf die dort ebenfalls angeführte Gleichwertigkeit aller Erziehungen, die durch den Eurozentrismus in der Wissenschaft lange nicht gegeben gewesen sei. Was Religion und Religionswissenschaft angeht, so schließt er sich ausdrücklich dem Ansatz von Mircea Eliade an, der den Menschen als religiöses Wesen beschreibt (hier lässt sich eine Übereinstimmung mit dem Ansatz erkennen, der auch durch Pietro Rossano als grundlegend für das Sekretariat für die Nichtchristen und seine Arbeit herausgearbeitet worden war) und selbst bei denen, die sich von der Religion losgesagt haben, geborgte religiöse Elemente erkennt, die nur ein säkulares Gewand bekommen hätten. Kamel geht den heiligen Orten und heiligen Zeiten (oft sogar miteinander verbunden) nach, um dann zu erläutern, dass jede Religion ihren eigenen Mythos des Universums (im Islam eben das Universum als Schule des Glaubens) und der Entstehung des Lebens habe sowie eine besondere Rolle für bestimmte Elemente des Universums wie beispielsweise Wasser oder Berge. Der letzte Punkt ist die Schlüsselrolle eines oder mehrerer Menschen, wie auch immer sie konkret aussieht und gesehen wird. Außerdem hätten alle Religionen die Existenz eines ethischen Gesetzes mit etlichen übereinstimmenden und etlichen besonderen Gesetzen gemeinsam. Diese Ausführungen sah der Referent als Modell dafür an, wie der Islam Mentalitäten in einem flexiblen Rahmen von Iden­ tität und Pluralismus vereinen könne.

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Am Ende gab er noch einige, wie er meinte, Hilfestellungen im Bereich religiösen Zusammenlebens. Dazu gehörten unter anderem: Man solle Identität und Pluralismus akzeptieren, denn sie gehörten zu den wichtigsten Charakteristika unserer Zeit. Man solle jede Religion und Kultur so darstellen, wie sie sich selbst sehe, und nicht versuchen, ihr das eigene Verständnis aufzudrängen, wie dies gerade in internationalen Kulturzentren und in Publikationen oft geschehe gegenüber schwächeren Nationen. Gerade im religiösen Bereich sei das sehr kritisch und komplex. Anhänger verschiedener Religionen könnten theoretisch und praktisch in vielen Bereichen zusammenarbeiten, besonders was das vorher erwähnte ethische Gesetz angehe. Besonders bemühen wollte er sich auch um säkulare Menschen, die glaubten, dass religiöses Denken der Wissenschaft widerspreche oder entgegengesetzt sei. Wie schon mehrfach betont, entspreche dies nicht dem islamischen Konzept von Wissenschaft, das auch göttliche Inspiration und traditionelle Wissenschaft mit einschließe. Gleichzeitig plädiert er für mehr vergleichende Religionswissenschaft. Bei der gegenseitigen Darstellung sollte man die Religion des Anderen nicht verächtlich machen. Man solle zum Verständnis beitragen, indem man kulturelle Besonderheiten herausarbeite. Man sollte die praktischen Bezüge von Religion beispielsweise zu Arbeit und Produktion mehr herausarbeiten, das würde das menschliche und das religiöse Element gleichzeitig stärken. Man sollte in jeder Hinsicht die Beziehung zwischen den Religions‚führern‘ stärken (bezeichnenderweise ist hier nur von Männern die Rede), sodass sich dies in ihren Schriften und damit auch bei deren Empfängern niederschlage. Auf dem Hintergrund der Tatsache, dass die Anhänger einer großen Religion alle an einem Ort eine Mehrheit, an einem anderen Ort aber eine Minderheit bildeten, sollten alle, die sich für ihre Minderheiten ein friedliches Leben wünschten, sich auch um die anderen Minderheiten kümmern, und zwar mit Betonung nicht auf Stärke oder Schwäche, sondern auf menschlicher Würde. Wobei er insgesamt mit einem Lob schließt für die Länder, in denen Schulbuchtexte zur Darstellung des Islam schon korrigiert worden seien.56 Die Darstellung hat insgesamt die Tendenz, etwas in Einzelteile auseinanderzufallen, die nicht allzu stringent miteinander verbunden sind, doch ist das Konzept einer globalen Ausrichtung auf friedliche Koexistenz der Religionen sehr wichtig und die Anregungen sowohl zur gedanklichen als auch zur konkreten Ausgestaltung weitere Überlegungen wert.

56 S. Kamel, Abdul Aziz, Identity and Openness: Religious Education in a Pluralistic World, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s. a., p. 15–36.

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7.1.2.2. In der christlichen Antwort: auch Nachdruck auf die Ethik Die offizielle Entgegnung dazu kam von Rudolfo Galenzoga, einem philippinischen Priester aus der Problemzone Mindanao, der von seinem eigenen Kulturschock, Identitätskrise inklusive, während eines Studienaufenthaltes in Europa sprach und wie er dabei seine Identität in der zentralen christlichen Wahrheit erfahren habe, dass Gott die Menschheit liebt, auch ihn. Er sei ein Kind Gottes, ein Bruder aller anderen Menschen ungeachtet ihrer Rasse, Religion und Kultur. Das machte ihn seiner Identität sicher und die Begegnung mit anderen Religionen und Kulturen bestärkte dies nur noch: „In God’s mysterious ways, our oneness and identity is in the many.“57 Nur aus dieser Liebe heraus sei es möglich, auch andere, kritische Wahrheiten zu sagen. In diesem Sinn hatte er auch einige Anmerkungen zu dem Nachdruck, den Kamel auf die vergleichende Religionswissenschaft legte: Ihre Stärke sei, dass sie die Parallelen, die Grundmuster des Menschen als ein religiöses Wesen auf der Suche nach Gott deutlich mache. Die Gefahr sei, dass Religionen nicht mehr als Formen von Offenbarung akeptiert würden, sondern behandelt, als wären sie nur Produkte von Kultur und Vernunft, Heilmittel für die menschliche Unsicherheit. Er würde von daher zunächst den Nachdruck auf die Ethik legen als Ausgangspunkt für Dialog, Verständnis und Zusammenarbeit, also z. B. an gemeinsamen Aufgaben wie mehr Gerechtigkeit, Ausrottung der Armut, einem neuen Verhältnis zur Erde arbeiten. Diese Aufgabe, eine neue Welt des Friedens zu schaffen, sei so heilig, dass man sich dabei nie selbst entmenschlichen dürfe. 7.1.2.3. Die christliche Position: Identität und Offenheit – als Ebenbild Gottes kein Problem Wesentlich stringenter als das Referat von Kamel, gerade auch in der anthropologischen Gedankenführung, dafür aber ohne die ganz praktischen und konkreten Schlussfolgerungen, war das katholische Gegenreferat von Michel Sabbah, dem lateinischen Patriarchen von Jerusalem. Auch er stieg zunächst mit einigen kurzen Gedanken zu Pluralismus in die Thematik ein. Pluralismus sei schon immer eine Realität gewesen, die mit der menschlichen Rasse notwendigerweise verbunden gewesen sei, bis hin zu verschiedenen Auffassungen von Wahrheit. Die moderne Informationsgesellschaft mit ihren Kommunikationsmitteln und mit der Erleichterung des Reisens lasse aber buchstäblich keine Grenzen mehr übrig, abgesehen davon, dass die Pluralität sich auch innerhalb der einzelnen Ge­ sellschaften findet in Form von verschiedenen Religionen, Mentalitäten und Minderheiten. Jeder Bürger, jeder Gläubige müsse lernen, mit all diesen verschie­ 57 Galenzoga, Rodulfo M., Response to the Paper of Dr. Abdul Aziz Kamel on the Theme: Identity and Openness: Religious Education in a Pluralistic World, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 110, s.a. p. 109.111.

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denen Einflüssen umzugehen, ohne Aggressionen und auch ohne geistliche Entfremdung. Die Frage sei also, wie religiöse Erziehung damit umgehe, und die führt, in Analogie zum muslimischen Beitrag, erst einmal zur Frage nach dem Verständnis von Identität und Offenheit, bevor sich klären lässt, welche Aufgabe genau religiöse Erziehung hat. Identität definiere sich zuallererst durch die Freiheit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, die Gott jedem Menschen gegeben habe. Er besitze eine einzigartige Würde, die jedes andere Individuum und jede soziale Organisation, sei es Staat, Kirche, Schule, ja sogar die Familie, zu respektieren habe, ja diese müssten dem Einzelnen sogar helfen, dieses Bild weitestmöglich zu verwirklichen. Sabbah zitiert hier den französischen Philosophen Maritain, der Identität mit Hilfe von Totalität und Autonomie definiert. Ein Individuum sei ein komplettes Selbst, nicht der Teil eines Ganzen. Es könne durch Wissen und Liebe das gesamte menschliche und nichtmenschliche Universum in sich begreifen. Es ist sogar der gesamten Welt überlegen, weil es Geist ist und als solcher Gottes Tempel (Letzteres eine paulinische Vorstellung), der für das ewige Leben geschaffen wurde. Die vorrangige Identität des Menschen ist also seine unmittelbare Beziehung zu Gott, dem Absoluten, in den Ausdrucksformen der Existenz, der Wahrheit, Vortrefflichkeit, Schönheit. Der Mensch ist also nicht in erster Linie ein materielles Wesen. Er ist nicht nur Teil eines Ganzen, getrieben von den verschiedensten Kräften und Einflüssen. Er wird von diesen Kräften beeinflusst, doch gleichzeitig ist er ihnen überlegen, ist ihr Herr, und v. a. durch diese Überlegenheit wird die Identität des Menschen definiert. Sie ist die Grundlage von Selbstbestimmung, Freiheit und Würde. Das ist die grundlegende und allgemeine Identität jedes Menschen, zu der dann noch die spezielle Identität hinzukommt, die sich aus den Verbindungen des Menschen zu einer gegebenen Gesellschaft ergibt: Familie, Nationalität, Staat, Religion, Milieu. Von diesen Beziehungen haben wiederum einige grundlegenden Charakter wie Familie, Nationalität und Religion, anderer hängen von letzteren ab, wie Mentalität, Benehmen, Gebräuche und Traditionen. Es sei das Recht und die Pflicht eines jeden, seine Identität in diesen beiden Dimensionen zu bewahren, während er verschiedenen Einflüssen ausgesetzt ist und damit umgeht. Eine der Aufgaben der Erziehung sei es, diese Identität zu respektieren, ja sie in ihren beiden Dimensionen zu fördern. In diesem Prozess muss der Mensch aber auch offen bleiben, offen für das Milieu, das ihn geistlich und materiell trägt und nährt, und für das gesamte Universum, weil das gesamte Universum Gottes Schöpfung ist, das Gott zu seinem Wohl geschaffen hat und über das er ihn als Herrn eingesetzt hat. Alle Menschen sind seine Brüder. Diese Beziehung muss er erhalten, weil Gott der Schöpfer es so gewollt hat, ja nur so kann er als Mensch wachsen. Offenheit bedeutet also in erster Linie Offenheit für die Art und Weise, in der Gott seine Schöpfung sieht, und Annahme des göttlichen Plans für diese Schöpfung: „Fundamental personal identity which is based on totality and autonomy, since its foundation is the image of God in man, is for the same reason based on openness which sees the image of God in

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every human person. For the human being who is an independent whole meets all God’s creatures in God their Creator. Consequently any closing off of oneself from another goes against the authentic definition of identity.“58 Man müsse zwischen dieser Offenheit, die die Form von Wachstum durch Interaktion mit allem, was gut ist im Menschen, annimmt (man hört geradezu die Formulierungen des Zweiten Vatikanums) und einer Auflösung, einem Verlust der Selbstbestimmung und der geistlichen Freiheit unterscheiden, bei der Einflüsse einen Menschen überwältigen und ihm die Identität rauben können. Offenheit bedeute nicht, die Verbindungen zu kappen, die einen in einem bestimmten Milieu (Familie, Nationalität, Religion) verwurzeln, das als Geschenk Gottes angesehen wird. Offenheit bedeute auch nicht, aus dem Gleichgewicht zu fliehen, das durch den Rahmen von Tradition und Brauch gegeben ist. Negative Beeinflussung, v. a. die Gefahr des Skeptizismus und seiner Weitergabe, wird als so weitverbreitet wie ungöttlich angesehen. Dem müsse die Erziehung entgegenwirken durch die Entwicklung einer Persönlichkeit, die sich ihrer eigenen Identität bewusst ist, ihre eigenen Werte hat und richtig und falsch unterscheiden kann, wenn sie etwas Neuem begegnet: „The role of education is to develop and establish a liberty capable of being open, of throwing itself into an adventure which will lead it to spiritual enrichment, not to suicide.“59 Erziehung generell, und hier zitiert er den griechischen Philosophen Pindar, bestehe darin, dem Menschen zu helfen, menschlich zu sein. Religiöse Erziehung hat dabei eine religiöse Sichtweise, je nach der Gnade und Anleitung, die Gott dem Menschen in seinem speziellen Milieu und Umfeld gegeben hat. Hier wird, ganz ähnlich wie auf muslimischer Seite Gott und Welt, Mensch(lichkeit) und Gott als letztlich im Einklang gesehen: „For sound education is that which­ enables a person to interact with God, and to rise to the level of divine logic. A religion which is built on the foundation of a sound humanism is one which brings man nearer to God and to His creation at the same time.“60 Die Würde des Menschen sei von der Würde Gottes selbst abgeleitet durch Schöpfung und Erlösung. Erziehung müsse das Bewusstsein für diese gottgegebene Würde wecken, sodass der Mensch sie bewahren und entwickeln kann. Der Erzieher selbst muss sich dieser Würde bewusst und im konkreten Umgang respektvoll und verantwortungsbewusst sein. Der Mensch besteht aus Geist und Materie und die Erziehung muss diese Balance aufrechterhalten. Körper, Intellekt und Seele müssen wachsen können. Der Mensch steht in Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen, beide Beziehungen müssen wachsen und miteinander verzahnt werden. Richt 58 Sabbah, Michel, Identity and Openness: Religious Education in a Pluralistic World, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s. a., p. 39, ferner p. 37 f. 59 Ib., p. 40. 60 Ib.

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schnur dafür ist das Doppelgebot der Liebe, wobei dessen zweite Hälfte bedeute, dass man den Nächsten so lieben solle, wie Gott ihn liebt, auch wenn er mög­ licherweise ein anderes Verständnis der Wahrheit (Gott) hat. Der Mensch besitzt zuerst und vor allem seine ihm von Gott verliehene Würde. Deshalb ist er Objekt der Liebe, ob seine Einstellung richtig oder falsch ist. Unabhängig von den Umständen ist Liebe das Erste, alle anderen Gebote und Handlungsweisen sind davon abgeleitet. Auch Erziehung bedeute in diesem Sinn Erziehung zur Liebe oder genauer gesagt zu der Sichtweise, die Gott vom Nächsten und von einem selbst hat. Erziehungsziel ist Gottes Vollkommenheit, Gott selbst ist also das Vorbild. Das sei nicht eigenartig, da wir ja sein Ebenbild seien und uns immer nach oben, zu Gott hin, orientieren sollten, auch um unseres eigenen Heiles willen. Das­ Risiko und die Möglichkeit von Fehlern sei dabei einkalkuliert, schon von Gott selbst, wie Patriarch Michel Sabbah gut katholisch formuliert: „God created man capable of being in His image, and He called him to realise this image in himself. He endowed him with the necessary natural powers. Then, through the incarnation and the redemption he put within his reach an increase of grace and power as a means to doing good. (…) [M]an who is the object of trust is a sinner and capable of error. He has a tendency towards evil, just as he is capable of doing good. His nature from the beginning has been wounded by original sin, but he has been redeemed, and the capacitiy of doing good has been capable of rising like the Lord Jesus Christ (…). For this reason he must be given trust.“61 61 Ib., p. 42, s.a. p. 41; Al-Abbadi, Abdul Salam, Response to the Paper of S. B. Mons. Michel Sabbah on the Theme: Identity and Openness: Religious Education in a Pluralistic World, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s. a., p. 112/113 gibt eine Zusammenfassung der Grundlagen christlicher Erziehung, wie er sie im Referat gehört und verstanden hat, wobei er bemängelt, dass der Autor keine Originalquellen angegeben habe, weil so manche Beziehungen unklar geblieben seien – was sehr schön zeigt, dass für einen Hörer derselben Religion vieles nicht oder knapp gesagt werden kann, und es erscheint trotzdem verständlich, während dies nicht für einen Zuhörer oder Leser mit einem anderen religiösen Hintergrund gilt. Hier seine muslimische Kürzestzusammenfassung v. a. der Anthropologie christlicher Erziehung nach dem besprochenen Referat: „A. Education aims at the bettering of man. B. Sound human education is what enables men to relate to God and accept the Creator’s ­design. C. Man’s dignity stems from God Himself. D. Man is made of matter and soul; balance between his spiritual and material potentialities is of paramount importance. The soul is at the basis of any identity, and it is through the soul that man relates to God. (…)/p. 113 F. Love is at the foundation of any attempt to direct man’s behaviour. While worthy of trust, man remains prone to error and inclined to evil, at least as much as he is capable of goodness. His essence was flawed at the outset by Original Sin, but, through the Redemption, he has regained his ability to do good.“

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Summa summarum: Wenn Gott dem Menschen so vertraue, sollten die Erzieher das auch tun, abgesehen davon, dass Erziehung auf Freiheit und Selbstbestimmung basiere und es ohne gar keine Erziehung gebe. Die geschilderten Grundsätze können leicht auch auf Unterschiede im religiösen Bereich übertragen werden, wobei klar unterschieden werden muss bzgl. der Haltung gegenüber der Wahrheit an sich – in der es keinen Kompromiss geben kann – und der Haltung gegenüber Menschen oder auch gegenüber bloßen Ausdrucksformen von Wahrheit. Auch um der Wahrheit willen hat niemand das Recht, die Würde eines anderen Menschen anzufechten oder zu verletzen. Gott selbst ist dabei das Modell: Er hat den Menschen frei und unabhängig geschaffen, wie er selbst es ist, und respektiert diese Freiheit und Unabhängigkeit und zwingt ihn nicht, die Wahrheit anzunehmen oder sich richtig zu verhalten. Sabbah ruft nachdrücklich dazu auf, die Loyalität eines Schülers zu seiner Religion und Nationalität zu respektieren (bei dieser Doppelung stellt sich die Frage, ob sie vielleicht auch etwas von der Situation des palästinensischen Christen Sabbah beeinflusst ist) und das Gute anzunehmen und bekannt zu machen. Man müsse im Herzen der Gläubigen Liebe zur Wahrheit, Liebe zum Nächsten und Freiheit säen, alles miteinander. Die Gläubigen müssten befreit werden von Furcht und Aversion gegenüber den Andersgläubigen. Die Suche nach dem Guten überall (s. Zweites Vatikanum) wird sehr betont, in Treue zur Wahrheit und zu sich selbst und auch in Treue zur Brüderschaft aller Menschen, und dabei ein – in seinen Augen – Idealbeispiel gegeben: „There is a historical model for a successful cultural mix. This is Greek culture which both Islamic and Christian cultures handed on, having been enriched by it, without either loosing their own identity.“62 Schöpfung und Brüderlichkeit aller Menschen – aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten Es ist dies eine wirkliche anthropologische Grundlegung von Erziehung überhaupt, von religiöser Erziehung und von religiöser Erziehung in einer allgemein und religiös pluralistischen Welt. Es ist deutlich sichtbar an der Art der Interpretation der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit, dass sie stark katholisch geprägt ist, auch die Einflüsse des Zweiten Vatikanums sind, wie angemerkt, sichtbar und die Betonung des Milieus (Nationalität etc.) als gottgegeben ist besonders bemerkenswert. Auch die sehr positive Wertung der griechischen Kultur kann man als typisch katholische Tradition bezeichnen, auch wenn sie hier besonders als Brückenschlag zum Islam benutzt wird. Im Gegenüber zur muslimischen Darlegung fällt auf, dass der Gedanke der Schöpfung, der Brüderlichkeit der Menschen und der Welt insgesamt als Spiegel Gottes durchaus als gemeinsam bezeichnet werden können. Was auf muslimischer Seite fehlt, ist der Gedanke der

62 Sabbah, p. 45, s.a. p. 43 f.

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Gottesebenbildlichkeit des Menschen, die hier ja v. a. als Freiheit und Unabhängigkeit interpretiert wurde, die dem Menschen und dem menschlichen Wesen von Gott schöpfungsmäßig mitgegeben worden sei. Hier wird viel mehr die harmonische Einbindung des Menschen in das Ganze von Schöpfung und Gesellschaft betont, die bei der christlichen Darstellung bestenfalls nachgeordnet ist. Auch die christliche Betonung von Liebe als Schlüssel zu sämtlichem Handeln fällt auf, während auf muslimischer Seite doch eher auf rechtliche Vorschriften und Regelungen zurückgegriffen wird. Bei aller Ähnlichkeit werden also doch auch sehr unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei der Sicht des Menschen und damit der Gesellschaft deutlich, Betonung des Einzelnen, seiner Freiheit und Liebe auf christlicher Seite, Betonung der harmonischen, idealen Gemeinschaft, in der alle und alles seinen geregelten Platz hat, auf islamischer Seite – und beides auf der Basis der Schöpfung Gottes. Die größte Verbindung ist, dass von beiden durch diese Schöpfung der Mensch nicht nur als Mitgeschöpf, sondern als Bruder gesehen wird. 7.1.2.4. Islamischer Kommentar: mehr als ausführlich Es ist bezeichnend, dass auch die muslimische Antwort auf dieses Referat durchaus Ideen sieht, die in voller Übereinstimmung mit den islamischen Prinzipien sind und im islamischen Recht verankert sind, worauf Abdul-Salam Al-Abbadi dann auch in einer Ausführlichkeit eingeht, die seiner ‚Antwort‘ fast den Charakter eines zweiten Referats gibt. Er sieht diese Übereinstimmung gegeben in der Unterscheidung zwischen der allgemeinen und grundlegenden und der speziellen Identität. Erstere beziehe sich auf die Zugehörigkeit zur Menschheit, letztere auf die Zugehörigkeit zu einer Nation, einem Staat, einer Religion oder einer Gesellschaft. Auf die persönliche Identität des Menschen bezogen bedeute das, dass auch diese zwei Dimensionen habe, nämlich die der Globalität, die sich darauf bezieht, dass er Teil der globalen menschlichen Identität ist, und die der Autonomie, die er gegenüber anderen Menschen habe. Die menschliche Rasse sei eine, aber jedes Individuum habe seinen eigenen Charakter und seine Eigenschaften. Offenheit sei willkommen, Verlust der Identität sei zu vermeiden. Dann gibt AlAbbadi einen Einblick, warum man überhaupt dieses Tagungsthema gewählt habe: Vernachlässigung oder gar Feindlichkeit gegenüber den geistlichen und moralischen Dimensionen des Lebens bedrohe die menschliche Gesellschaft mit Disintegration, weshalb man heute mehr Wert auf religiöse Unterweisung und Erziehung legen müsse. Außerdem müssten mit Blick auf die pluralistische Natur der menschlichen Gesellschaften zwei Prinzipien gewahrt werden: Die Sicherung der Identität für die Anhänger einer bestimmten Religion und gleichzeitig die Sicherung von Offenheit, Zusammenarbeit und Brückenbauen zwischen den Anhängern aller Religionen, wobei auch er sich gegen komparative Religionswissenschaft aus einer säkularen Perspektive ausspricht, da diese die Religionen nur als soziale Phänomene behandle und nicht als göttliche Inspiration. Si-

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cher sei dies nicht einfach, aber möglich und nötig, und zwar in allen Bereichen, wozu unbedingt das Ausmerzen von Verzerrungen und Kritik gehöre, besonders bzgl. des Islam: „This requirement is particularly urgent as far as Islam is concerned, since knowledge of Islam in non-Muslim countries is, more often than not, flawed by lack of objectivity and by reliance upon hostile sources which are unworthy of trust.“63 Schließlich stellt er noch die Position des Islam zum Thema vor und hiermit wird die Antwort vollends zum eigenen Referat, das eigentlich überflüssig ist, da ein muslimsches Referat dazu ja schon gehalten worden war. Er betont, dass Gott den Propheten Mohammed für die ganze Menschheit gesandt habe. Der Islam sei gegen jede Art von Verwässerung, Identitätsverlust, blinde Nachahmung oder Borgen von Elementen einer Religion, um sie einer anderen einzufügen, weshalb er auch, wie ja vorher schon deutlich geworden war, besonders den Teilen des Referats von Sabbah zustimmt, die auf die Bewahrung von speziellen Identitäten abzielen, mit dem abschließenden Satz dazu: „The truth is that focusing on the specific identity moulded by religion into man’s soul will enable religion to achieve its aims in human society.“64 Nach islamischer Sicht sei der Mensch eigentlich geneigt, das Gute zu tun, wenn er auch danach streben muss, dem Bösen zu widerstehen und es zu bekämpfen. Al-Abbadi gibt hier noch eine interessante Definition von menschlicher Identität, die zugleich erklärt, warum im Islam alle Propheten und deren Nachfolger Muslime genannt werden: „In Islam, man’s distinctive identity is based on his submission to God alone, on his adherence to His precepts and on his surrendering himself to His laws… This is precisely the basis of the terms ‚Islam‘ and ‚Muslims‘ in the Arabic language.“65 Religiöser Pluralismus, nationale Verschiedenheit und die Aufspaltung der Menschen in Völker und Stämme würden vom Islam anerkannt, wobei das, was er dann konkret an Regelungen aus der islamischen Tradition benennt, allen voran den Schutzbefohlenenstatus, sich eigentlich nur auf Juden und Christen bezieht. Und auch die volle Religionsfreiheit für diese sowie einen gesellschaftlichen Status nach den Prinzipien von Gerechtigkeit, Mitleid und Toleranz kann man zumindest in Teilen in Zweifel ziehen. Einen weiteren Kreis erfassen da schon der Respekt für Verträge und Vereinbarungen sowie die Zusammenarbeit zur Organisation praktischer Angelegenheiten. Da koranische Aussagen eben betonten, dass Gott den Menschen von einem Mann und einer Frau geschaffen und zu Völkern und Na 63 Al-Abbadi, p. 115, s.a. p. 112–114. 64 Ib. p. 116, s.a. p. 115. 65 Ib., für das Folgende s.a. p. 117 f. Al-Abbadi zitiert p. 118 auch eine interessante Hadith: „‚All creatures are children of God, and God loves most those of them who are most useful to His children‘ (Related by Abu Ya’ala, Al-Bazzar, and Tabaran.)“, aber auch Sure 8,58, wo es um die Aufkündigung von Bündnissen geht, wenn man Verrat befürchte, was nun nicht gerade vertrauenerweckend ist, wenn im Anschluss gesagt wird, dass dies das Verhalten der Muslime in Zeiten von Krieg und Frieden beeinflusst habe.

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tionen gemacht habe (Sure 49,13), sei der Islam immer sehr gegen jeden Versuch gewesen, Menschen ihrer Rechte und ihrer Würde zu berauben. Der Islam habe auch dazu aufgefordert, fortwährend und mit allen Mitteln Wissen und Kenntnisse zu erwerben, hier erwähnt er z. B. eine Hadith, nach der Mohammed Gefangene freigelassen habe im Austausch dafür, dass jeder von ihnen zehn muslimische Kinder lesen und schreiben lehrte. Im Anschluss an Sure 17,70, die von der besonderen Ehre und herausgehobenen Stellung Adams spricht, bestehe der Islam auf menschlicher Würde und den Menschenrechten auf Leben, Freiheit und Würde. Aus islamischer Sicht bestehe der Mensch aus Seele und Geist (der Körper wird hier nicht genannt) und müsse mit seiner Natur in ausgewogener Weise umgehen. Daher strebe eine islamische Erziehung danach, alle Aspekte des menschlichen Lebens abzudecken und Individuen zu schaffen, die an ethischen und moralischen Prinzipien festhalten, auch wenn diese Interessen und Wünschen entgegenliefen. Außerdem hätten Grundprinzipen des islamischen Rechts den Muslimen erlaubt, das gesamte menschliche Erbe an Wissenschaft und Wissen in die muslimische Zivilisation zu integrieren und dabei doch die spezifisch islamische Identität zu wahren. Insgesamt gibt dieser Beitrag schon einen Einblick in islamische Anthropologie und einen Fundus an entsprechenden Zitaten, auch an solchen, die normalerweise weniger häufig verwendet werden, doch ist er eben gerade in diesen Teilen für die Tagung als solche und für den Leser eine Doppelung.

7.1.3. Jugend, Naturwissenschaft und Glaube 7.1.3.1. Aus christlicher Sicht: Integration von Evolution in Schöpfung, von Wissen in Glauben Auch die beiden Referate, die der Frage nach Naturwissenschaft, Glauben und den Anliegen der Jugend nachgingen, wurden teilweise nochmals sehr grundsätzlich zu Fragen der Anthropologie. Das christliche Referat wurde von Schwester Rosaleen Sheridan gehalten. Sie betonte gleich zu Anfang, Naturwissenschaft und Glaube seien kein Widerspruch, wie viele meinten, sondern Naturwissenschaft könne zu einem besseren Verständnis der Schöpfung und des Platzes des Menschen in der natürlichen Ordnung führen. Im Detail ist ihr Ansatz stark an Teilhard de Chardin angelehnt, den sie später auch ausdrücklich zitiert. So sieht sie Gott als den Schöpfer des Evolutionsprozesses, der die natürliche Schönheit und Harmonie hervorgebracht, die junge Menschen automatisch nach der Ursache fragen lässt. Der Schöpfergott ist sozusagen die Liebe und Harmonie, die sich in seiner Schöpfung spiegelt, in Perfektion. Gott wollte seine Liebe jemandem gegenüber zum Ausdruck bringen und erschuf deshalb den Menschen, damit er die Liebe Gottes hören und fühlen sollte, dieses Angebot freiwillig annehmen oder ausschlagen, denn Liebe ist eben ein Geschenk, das freiwillig gegeben wird. Freiheit und Liebe wird nach dieser Definition des menschlichen Wesens

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geradezu vollendet vereint: „God wished to become identified with the created object of his love so he had to create  a being that was capable of this unique union, a being that desired that congenial love. Man is called into being so that love might transform him and it is precisely this readiness or attitude that consitutes the central core of what is most authentic and innermost in man. It is based on man’s experience of a self who desires in freedom to be known and loved. (…) Man’s life or spirit is a continual reaching out towards God. Man continually transcends everything in the pursuit and realization of his own becoming – for­ever on the road and journey towards God – man’s very condition is part of creation which can reach beyond itself, and being transformed into God himself be a revelation in time of the very essence of God.“66 In diesem Zusammenhang wird auch die Menschwerdung Gottes in Christus gesehen, der als Gipfel der Schöpfung schon immer in der gesamten geschaffenen Welt und in jedem Menschen gegenwärtig ist. Er ist sozusagen der evolutionäre Durchbruch für alle Menschen aller Kulturen in der Geschichte, weil in ihm Gottes Liebesangebot und die totale menschliche Empfänglichkeit vereint sind. Außerdem ist der Mensch durch diese Rolle der Liebe von Natur aus ein soziales Wesen. Überhaupt wird die Offenbarung von der Schöpfung aus gedacht und von dem Geist, der von daher in den Menschen wohnt: „God is involved were people are. He is present in their growth, in their aspirations in (sic!) their movement away from destructiveness to community awareness, and in the extension of their responsibility to include the whole human family. (…) God’s message, uttered in Christ, reveals the hidden dynamism present in human life everywhere and at all times. It is the message that explains to all men what is going on their lives and what their mission is, enabling them to interpret the ‚inside‘ talk that takes place when they listen and respond to the gratuitous gift of love that is present at their deepest centre. Since man is never totally in possession of himself, never fully what he could be, he must deal with situation after situation, experience after experi-/p. 52 ence in the understanding of self on his journey of becoming. Neither God, nor religion, nor revelation can be adequately communicated from outside as  a message.“67 Religiöse Traditionen und Glaubensweisen können aber eine Hilfe dabei sein gerade für junge Menschen. In dieses Schema lassen sich auch, in Anlehnung an das Zweite Vatikanum, die anderen Religionen gut einfügen mit ihrem Streben nach Vollkommenheit, Wahrheit und Schönheit und ihrem Eingehen auf menschliche 66 Sheridan, Rosaleen, Science, Faith and the Concerns of Youth, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Ponti­ fical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p.50, s.a. p. 49. 67 Ib., p. 51/52, s.a. einen Satz wie p. 51: „Self transcendence and religious openness characteristic of each man and woman find a special intensity in Jesus of Nazareth“ oder die Zusammenfassung von Teilhards vier Glaubenssätzen bzgl. Gott und Universum, darunter der dritte: „I believe that in man spirit is fully realised in person.“

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Grundfragen und -erfahrungen wie Tod und Auferstehung, Leid, Liebe und Mitleid und dem Leben nach dem Tod. Auf diesem Hintergrund versuchte sie dann, auf das Thema selbst einzugehen. Dabei betonte sie, dass besonders junge Leute nach dem Sinn ihres Lebens und nach menschlichen Werten suchten, nach Wahrheit hungerten, die Realität kennen wollten und dass das Schicksal der weniger Glücklichen, z. B. der Dritten Welt, sie heute ernsthaft und vordringlich beschäftige. Sie wollten sich mit einer Gruppe, einem Anliegen identifizieren können und gleichzeitig etwas Besonderes sein. Der Grad der Freiheit in einem Leben sei der Gradmesser für die Reife des Denkens einer Person, und besonders befreiend sei die Erkenntnis, dass jeder Mensch geliebt werden wolle und liebenswert sei. Sehr kritisch wird hier die momentane säkulare Gesellschaft gesehen mit ihrem Wertesystem, basierend auf Konsumismus, Ichbezogenheit und Lustgewinn und Schmerzvermeidung. Dieser Hedonismus sei eine versteckte Form von Götzendienst und der moderne Mensch sich selbst entfremdet mit allen Folgen, dass z. B. ein entfremdeter Mensch weder seinen Nächsten noch Gott lieben kann. Was nun speziell das Wissen angehe, so gebe es verschiedene Formen wie Wissenschaft, Erfahrung, Mythos, Intuition und Glauben. Manches müsse man verstehen, um zu glauben, und manches müsse man glauben, um zu verstehen. Was die Gesamtheit der Realität und Gott angehe, so überstiegen sie das, was ein einzelner Mensch erforschen könne. Wissenschaft befasse sich mit dem ‚wie‘ der Schöpfung, durch den Glauben frage man nach dem ‚wer‘ und ‚wozu‘: „The human is free yet God is in total control of history; we humans are trustees of God’s creation guided by God’s laws. Our aim is to affirm man’s total dependence on the universe on (sic!) people, and in particular on God. (…) For the Christian it is God not persons who is lord of the universe and man’s value is due to the fact that he is created in God’s image as God’s personal representative to continue developing the world according to God’s guidelines and values.“68 Folgerichtig nach all diesen Gedankengängen ist für Rosaleen Sheridan Selbsterkenntnis an der Wurzel der religiösen Erkenntnis und auch das Lernen der Jugend sieht sie v. a. als Erfahrungslernen, wie Gott in durch die Ereignisse und Menschen eines konkreten Lebens spricht. Das Kind müsse sogar in jedem Leben erhalten bleiben, damit auch der Sinn für Wunder, Offenheit und Geschenk erhalten bleibe und für die eigene Einzigartigkeit als Kind Gottes, was Freiheit und Freude bedeute. In der dankbaren Bezie-

68 Ib., p. 56, s.a. p. 53–55.57–59, darunter p. 58: „In conclusion, it must be stated that both faith and science search for truth which in the former is arrived at through love and in the l­ atter is arrived at through analysis and enquiry. Youth seeks truth which is revealed gradually over time through faith, science and personal experience“ und als wirklich letzten Satz p. 59: „The human mind is propelled to grow through energy generated by tension created by extra­verted activity directed toward the external world and by introverted activity directed towards the internal world of values, beliefs and thoughts.“

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hung zum Schöpfer sieht sie dabei abschließend den gemeinsamen Punkt mit anderen Religionen. 7.1.3.2. Muslimische Kritik: Negatives Menschenbild entfremdet Christen von ihrem Glauben Das Referat war starker Kritik vonseiten der offiziellen muslimischen Entgegnung ausgesetzt, die Zainul Abedin hielt. Er hielt ihr zunächst vor, die Dicho­ tomie zwischen Wissenschaft und Religion könne er nicht als traditionell bezeichnen, denn in der Welt des Islam, so wörtlich, „the ages of religious awareness had also been the times of rationalism, scientific development and innovation. Religion, understood in its essential connotation is a system of truth which when sincerely held and believed has efficacy to bring about desirable changes in human affairs. The first 8–9 centuries in the history of Islam bear testimony to this observation.“69 Er sieht die Schuld an dieser Dichotomie zum allergrößten Teil im mittelalterlichen Konzept des Menschen, das die Kirchenväter entwickelt hätten. Die ersten 15 Jahrhunderte des Christentums habe man die Christen angehalten zu glauben, dass der menschliche Körper und alle seine irdischen Verbindungen und Implikationen profan und verachtenswert sei. Er zitiert dazu Augustinus, der sich über die Folgen des Sündenfalls auslässt, nämlich Sünde und Tod, woraus er schließt, dass Augustinus dem Menschen und seinen Angelegenheiten keinerlei positiven Wert zugemessen habe. Noch wesentlich schärfer formuliert ist allerdings, was er aus der Schrift von Papst Innozenz über das Elend des menschlichen Zustands zitiert: „Formed of dust, dirt and ashes and what is lesser, of the most contemptible seed; conceived in sensuality, in the flame of desire, in the stench of lust and, what is worse, in the stain of sin, born to care, pain, worry, and what is more miserable, to death… man does all that is shameful, common and vain… He shall become a heap of putrefaction, riddled with pestilence which shall stick eternally.“70 Offensichtlich hätten die Autoritäten der Kirche nicht nur den Menschen als wesensmäßig böse angesehen, sondern auch alles Menschliche, also seine Handlungen, seine Wünsche, sogar das Hervorbringen von Kindern als schlecht und sündig angesehen. Seiner Meinung nach habe das zwei Implikationen: Es sei ein Verbrechen gegen Gott, eine Familie zu haben 69 Abedin, Zainul, Response to the Paper of Sr. Rosaleen Sheridan on the Theme: Faith and the Concerns of Youth, in: Religious Education and Modern Society, Acts of  a MuslimChristian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 120. 70 Innocent, The Misery of Human Condition, zitiert nach ib., p. 121 – leider sind weder Name noch Fundstelle (im Gegensatz zu der des Augustinus-Zitats) genauer angegeben, was natürlich ein schweres wissenschaftliches Versäumnis ist, so beachtenswert es sonst ist, dass ein Muslim sich in der christlichen Tradition so gut auskennt. Zu den weiteren Ausführungen s.a. p. 122.

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und seine Kinder großzuziehen. Wenn der Mensch sich mit dem Menschen, mit der Natur und mit dem Irdischen befasst, dann ist das böse. Letzteres habe zur Spaltung zwischen Wissenschaft und Religion geführt, Ersteres zur Entfremdung der Menschen von ihrem Glauben. Man könne nicht im Schatten von ewiger Sünde von ewiger Liebe reden und niemand sei imstande, eine Rede von Liebe wirklich zu hören, wenn sein gesamtes Wesen als völlig wertlos verdammt werde. Wenn man das verwirklichen wolle, was Schwester Rosaleen gesagt habe, müsse man die traditionellen Lehren der Kirchenväter völlig beiseitelassen. Sein letzter Kritikpunkt war, dass das Referat – im Gegensatz zu seinem Titel – nicht stringent von Jugendlichen ausgehe, die er als junge Menschen zwischen 16 und 20 definiert, die von der städtischen Gesellschaft noch nicht als ganz erwachsen akzeptiert würden. Diese jungen Menschen seien sicher nicht durch Maschinen entfremdet, sondern im Gegenteil von Technologie fasziniert. Sie seien skeptisch, aber nur bezüglich der erwachsenen Werte und Normen, wie junge Menschen das immer gewesen seien. Er stimmt ihr zu, dass sie Liebe und Sicherheit suchten, glaubt aber nicht, dass der Aufruf zur Nächstenliebe da Hilfe bringen könnte, da er, auch im Anschluss an andere Studien, eher der Meinung ist, dass es diese Liebe in der urbanen, mobilen und kompetitiven, auf Erwerb ausgerichteten Gesellschaft mit ihren kleinen Wohnungen gar nicht geben könne. Diese Erwachsenengesellschaft müsste verändert werden, Politik, Wirtschaft, Päda­gogik, Architektur und noch einiges andere. Der Islam dagegen lege größten Wert darauf, dass das Beste, was Eltern ihren Kindern geben könnten, eine gute Erziehung sei, und dass ein Muslim niemals frustriert sei. Ersteres gebe den Kindern Sicherheit, Letzteres merze Entfremdung aus. Wenn alle sich daran hielten, könnten Ängste und und v. a. Frust bei den Jugendlichen gar nicht aufkommen. Es ist sehr schade, dass die weitere Diskussion nicht dokumentiert ist, denn Zündstoff war genügend da, legt diese Entgegnung doch in der Tat den Finger in die Wunden des Konzepts, das sich einfach zu stark an dem extrem neuzeitlichen Entwurf von Teilhard de Chardin orientierte, ohne auf die Tradition in Fragen Menschen- und Weltbild auch nur mit einer Silbe einzugehen. Dass die Entgegnung, in typisch muslimischer Manier, sich an dem Konzept von Erbsünde in einer Form festmachte, wie sie nun in der Moderne in der Tat nicht mehr vertreten wird, und dabei das wirkmächtige Trotzdem der Liebe und Gnade Gottes völlig aus den Augen verlor (was übrigens der vorherigen muslimischen Entgegnung so nicht passierte), muss aber auch gesagt werden. Kein Christ würde sagen, dass es ein Verbrechen gegen Gott sei, eine Familie zu haben und seine Kinder großzuziehen, weshalb wohl auch die Entfremdung der Christen von ihrem Glauben aus diesem Grund nur als völlig haltlose Vorstellung gelten kann. Umgekehrt hebelt er seine eigene Argumentation aus, wenn er einerseits einen völligen Umbau der Gesellschaft fordert, weil eine bloße Aufforderung zur Nächstenliebe den Jugendlichen nicht zu der Liebe und Sicherheit verhelfen könne, die sie wollten und bräuchten, er aber andererseits nur von guter Erziehung spricht und steil behauptet, ein Muslim könne nicht frustriert

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und damit entfremdet sein: „Frustration does not happen to a Muslim“71, und zu glauben scheint, dass solche islamischen Lehrsätze allein Ängste und Frustration bei Jugendlichen verhindern könnten. Das ist bestenfalls verkürzt, denn ein Satz kann zur fundierten Lösung eines solchen Problems einfach nicht genügen, schlimmstenfalls ist das einfach völlig realitätsblind. Es kann nur betont werden, dass es sehr schade ist, dass der weitere Verlauf der Diskussion nicht nachzuvollziehen ist, denn hier ist in der Tat sehr pointiert einer der typischen Vorwürfe des Islam an das Christentum zur Sprache gekommen, nämlich ein viel zu negatives Menschen- und Weltbild zu haben und zu jenseitig orientiert zu sein, nicht die richtige Balance zwischen dieser und der nächsten Welt und zwischen den verschiedenen Elementen im Wesen des Menschen zu halten, was alles der Islam tue, wie ja auch in anderen muslimischen Beiträgen immer wieder ganz neutral angemerkt wird. 7.1.3.3. Die muslimische Überzeugung: Der Glaube an Gott löst alle Probleme der Jugend Der muslimische Redner zum Thema, Wahbah El-Zuhaili, geht folgerichtig noch stärker davon aus, dass Glaube und Wissenschaft kein Widerspruch, sondern die beiden essentiellen Wahrheiten des Lebens sind und sich gegenseitig unterstützen und zu Gott, dem Einen, dem Schöpfer führen, wobei klar der Glaube die Oberhand und gegebenenfalls die Korrekturfunktionn bezüglich der Wissenschaft hat. Eine der Auswirkungen der Wissenschaft sei die moderne Techno­ logie, die wiederum Rückwirkungen auf den Menschen gehabt habe: Er sei dem Leben, seinen Erscheinungen und Versuchungen mehr verbunden und v. a. geradezu leidenschaftlich dem luxuriösen Lebensstil, den ihm die modernen Maschinen auferlegt hätten, wie El-Zuhaili formuliert. Glaube sei ein angeborener Bestandteil der Natur des Menschen und diese Natur enthülle dem Menschen, dass er schwach und unfähig sei und Gott, den Schöpfer, brauche. Alle gesunde, vernünftige wissenschaftliche Erkenntnis, egal in welchem Bereich, v. a. aber, wo es um das Geheimnis des Lebens und um den menschlichen Geist und Verstand geht, erkennt die eigenen Grenzen an und beweist, dass Gott der Schöpfer und der Allmächtige ist, wobei die absolute Einheit Gottes fast noch mehr betont wird als Gott als Schöpfer des Universums. Glaube and die Einheit Gottes führe auch zu Einheit und Gleichheit unter den Völkern. Die Tendenz, Glauben zu haben, sei seit seiner Erschaffung im Menschen verwurzelt. Glaube an Gott mache die menschliche Seele zufrieden und schenke dem Menschen die Kraft, die er brauche, um das Leben und dessen Probleme zu verstehen. Die Vorsehung bringe der menschlichen Seele Ruhe und Sicherheit, sofern die Dinge, die über die menschlichen Fähigkeiten hinausgehen, Gott überlassen werden. El-Zuhaili betont auch, dass der Islam den Menschen immer angehalten habe, mehr zu lernen und sein Wissen zu vergrößern. Die Verbreitung des Islam basiere geradezu auf der 71 Abedin, p. 122.

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Wissenschaft, das vorislamische Heidentum wird mit Unwissenheit gleichgesetzt, während mit dem Islam das Zeitalter von Zivilisation und Aufklärung begonnen habe. Der Islam übernahm vieles in diesem Zusammenhang von den Griechen, Indern und Römern und entwickelte es weiter. Hier wird eine klare Trennlinie zur mittelalterlichen christlichen Kirche aufgebaut, gegen die der Islam als die Religion von Wissenschaft, Forschung, Wissen, Vernunft und Erziehung erscheint. Die islamische Haltung habe sich auch nie geändert, weder im Mittelalter noch im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der industriellen Revolution im Westen. Gerade für die Jugend habe der Glaube an Gott nur positive Folgen, folgert der Vortrag ziemlich abrupt: „Obedience and surrender to God keep them spiritually healthy and happy and ease pain and anxiety which result from passionate attachment to the world of material. Faith and obedience to God must be combined by the belief in His prophets, Holy books and metaphysics as told in the Holy Qur’an. Sound faith directs man to conclude that Islam is the last of the revealed religions. It also leads to a complete acknowledgement of al-Sunna and to an ideological commitment to Islam as a comprehensive way of life which results in self-esteem. Thus, Islam is deemed  a cause worth fighting for. Once man believes in the monotheism of God (especially the youth), his soul is set free and made independent. He refuses to be dominated by other human beings and f­ ears no one but God, the Almighty. As a result, a young generation emerges ­enjoying distinctive and positive characteristics such as chastity, courage, nobility and honesty. This young generation is fully aware of the fact that God is the only Provider“72. Seine Analyse der Situation der Jugend im Westen ist desaströs und dreht sich  – ganz im Unterschied zu der seiner Vorrednerin  – um die Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit der Jugend, um ihre falsche Orientierung und ihr falsches Benehmen. Den Jugendlichen im Westen fehle generell der Glaube, damit seien sie geistlich leer, unzufrieden und unruhig. Den Jugendlichen in den sozialistischen Ländern würden Menschenrechte, Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Demokratie vorenthalten. Die Jugendlichen in den arabischen Ländern und in der Dritten Welt hätten keine politischen Rechte, seien vom Westen kulturell und ideologisch bedroht und würden an der furchtbaren destruk­ tiven Dreiheit von Armut, Unwissenheit und Krankheit leiden. Sein Rezept lässt an Klarheit jedenfalls nichts zu wünschen übrig: „Youth reformation cannot be achieved without faith in God, the Almighty. Faith in God leads to the prosperity of religious brotherhood, equality and order. Once they believe in one God, and live as one nation under religious brotherhood, they become a generation 72 El-Zuhaili, Wahbah, Science, Faith and the Concerns of Youth, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 64, s.a. p. 60–63.

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capable of fulfilling objectives and dispelling pains out of their country. As a result, there would be no contradictions between the reality of the underdeveloped society and the requirements of true faith. I am inclined to believe that the problems of youth can be cured only if we adopt an education based on religious belief, respect of the Muslim family system and concept of sacrifice. Relating youths to life and society, cultivating in them independence, respect of work, and wish to be productive, helping them to get rid of Western intellectual invasion and making opportunities of work more available, can also be extremely helpful.“ Dann machte er noch konkrete Vorschläge, was diese Erziehung im Elternhaus und an Colleges und Universitäten betraf, unter starkem Rückgriff auf die muslimische Tradition. Besonderen Wert sollten die Eltern auf das Gebet legen, da es die Menschen näher zum Schöpfer und zu guten Taten bringe. Außerdem legt die Tradition besonderen Wert auf die Würde und den Stolz eines Menschen, besonders die Würde, die durch religiöse Zugehörigkeit und nicht durch das Streben nach Geld erworben werde. Was die weitere Ausbildung angeht, so solle sie das unterstützen und fördern, außerdem seien eine gute Beziehung zwischen der jungen und der alten Generation und eine solide Realitätsbindung anstelle von Leben in einer imaginären Welt Grundlagen einer guten Erziehung. Sonst zitiert El-Zuhaili v. a. aus einer Erklärung der Association of Arab Universities, u. a., dass Lehrer Vorbilder sein sollten, dass Schreiben und Lesen gefördert werden sollte, besonders das Lesen von islamischer Literatur und Werken des islamischen Rechts. Auf die Auswahl der Freunde sollte geachtet werden, sie sollten gebildet und gut erzogen sein. Überhaupt wird gefährlichen Einflüssen sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet: „[T]he educators (…) /p. 68 (…) also should warn them against losing their identity and should teach them how to be independent and not to be easily influenced by the cultures, traditions and behaviours which are alien to our good tradition.“73 Es scheint, als werde hier, um an die Thematik der ersten Vorträge anzuknüpfen, die Identität weit mehr betont als die Offenheit, da sie bei aller zur Schau getragenen Souveränität gegenüber der Wissenschaft doch sehr gefährdet erscheint und in der konkreten Realität der Jugend vielleicht doch nicht alle Wirklichkeit ganz so automatisch zum Islam hinführt, wie dies mit so großem Nachdruck immer wieder behauptet wird. Es scheint doch eine Menge Lenkung in die richtige, ‚gesunde‘ Richtung als nötig angesehen zu werden. Hier liegt ein Gegensatz zu dem christlichen Gegenreferat, das zwar über weite Strecken ähnliche Gedankenstränge zur Präsenz Gottes in der Schöpfung und im Menschen verfolgt, letztendlich dieser Präsenz in der Erziehung aber viel mehr vertraut als dies zumindest dieses muslimische Referat tut, das sich aber immerhin auf islamische Autoritäten von Mohammed bis zur Gegenwart beruft.

73 Ib., p. 67/68, s.a. p. 5 f.

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7.1.3.4. Christliche Entgegnung: nochmalige Betonung der Schöpfungstheologie Der christliche Redner, der für die Entgegnung zuständig war, gab (wieder) der Versuchung nach, ein Gegenreferat aus christlicher Perspektive zu halten, also in gewissem Sinn eine Doppelung zu liefern, statt vordringlich auf das Referat selbst einzugehen. Anthropologisch interessant an seinen Ausführungen ist z. B., dass er betont, dass der Mensch den Vorrang vor Wissenschaft und Technologie haben sollte, da er ja Subjekt und Ziel aller wissenschaftlichen Ergebnisse sei. Weiterhin geht er zumindest auf die Probleme der Vergangenheit (z. B. Fall Galileo Galilei) kurz ein und stellt sie als Fehlinterpretation der Heiligen Schrift dar: ­Bibel und Theologie wollten, wenn sie von der Schöpfung sprächen, keine analytischen, horizontalen Aussagen machen wie die Naturwissenschaften, sondern vertikale Aussagen über den Bezug der geschaffenen Realitäten zu der anderen, ungeschaffenen Realität, Gott. Dann klingt er fast muslimisch, wenn er betont, dass es viele Hinweise gebe, dass das ganze Universum sich in einem Gesetz, einer Art Weltformel also, zusammenfassen lasse, was auf die Einheit Gottes zurückschließen lasse, der seine Einheit auch seiner Schöpfung als Stempel aufgedrückt habe. Alles, Wissenschaft, Nationen und Völker, bewege sich darauf zu. In diesen Zusammenhang gehört sicherlich auch, dass geografische Grenzen heute praktisch bedeutungslos geworden sind und dass die Schicksale der Völker, was Wirtschaft, Sicherheit, Stabilität und Frieden angehe, voneinander abhängig seien. Es habe Fortschritt gegeben, aber auch Fortschritt hin zur potenziellen Versklavung und sogar Ausrottung der Menschheit, z. B. in Form von Konditionierung durch die Massenmedien, durch die Degradierung der Umwelt und durch die nukleare Abschreckung. Dies liege aber weniger an der Wissenschaft selbst als an ideologischen, politischen und wirtschaftlichen Faktoren, die den Fortschritt bestimmten. Besonders betroffen von dieser Unsicherheit seien die neuen Generationen, die diese Atmosphäre von Geburt an einatmeten und wie die Gejagten das Leben in all seinen Möglichkeiten jetzt auskosteten in dem verzweifelten Versuch, die dräuende Zukunft zu vergessen. Die Jugend von heute brauche ein neues Ideal, um ihre Energien zu kanalisieren und Antworten auf diese Probleme zu finden. Eine Minderheit habe schon einen Richtungswechsel vollzogen hin auf eine andere Zukunft, geprägt von Nächstenliebe, friedlichem Zusammenleben und einem großen Respekt vor der Natur, womit er wieder beim Thema der Einheit wäre, nicht zu verwechseln mit Einheitlichkeit. Schlüsselfaktor ist wieder Gott als die Basis der universellen Brüderlichkeit: Wenn wir auf ihn sähen, könnten wir alle Menschen als Kandidaten für diese Brüderlichkeit sehen, unabhängig von Rasse, Nation, Ideologie oder Religion. Der christliche Glaube lehre, dass der Mensch nach dem Ebenbild und als Gegenüber Gottes geschaffen sei und daher seine Erfüllung nur in der Beziehung zu Gott finde. Diese Beziehung gebe ihm die Kraft, den anderen Menschen zu lieben und eine Atmosphäre von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen aufzubauen. Die Geschichte der Menschheit sei

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eine langsame und anstrengende Wiederentdeckung der Realität, dass Gott, der Schöpfer, der Vater seiner Geschöpfe sei und wir, Männer und Frauen der ganzen Welt, seine Kinder sind und wir alle als Mitglieder derselben menschlichen Familie Brüder und Schwestern.74 Die Schöpfungstheologie ist eindeutig der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um eine Form der Sicht des Anderen und des Zusammenlebens geht, ganz egal, wie die Problematik dann genauer aussieht.

7.1.4. Religiöse Erziehung an Universitäten 7.1.4.1. Muslimisch: Nur Statthalterschaft des Menschen macht religiöse Erziehung sinnvoll Der letzte Durchgang an Referaten beschäftigte sich mit der religiösen Erziehung an Colleges und Universitäten. Obwohl das Thema eigentlich auf Gegenwart und Zukunft angelegt war, ist der muslimische Beitrag von El-Khayyat ein Rundumschlag, der v. a. für die interessant sein dürfte, die wissen möchten, was es an islamischen Erziehungsinstitutionen jedweder Art in Vergangenheit und Gegenwart gegeben hat und welche Wege sie eingeschlagen haben. Der Einstieg ins Thema ist eher grundsätzlicher Art, sprich, dass religiöse Erziehung im engeren Sinn im Islam definiert werde als verbunden mit der islamischen Rechtswissenschaft. Im weiteren Sinn aber sind auch Medizin, Chemie, Biologie, Astronomie, Philosophie, Pädagogik, Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Sprachen etc. im Islam religiöse Wissenschaften, da der Islam den Menschen dazu auffordert, diese Wissenschaften zu studieren und zu lernen, wie übrigens auch lebenslanges Lernen eine solche Pflicht ist. Es genügt allerdings, wenn einige diese Pflicht der Beschäftigung mit den Wissenschaften stellvertretend für alle erfüllen. So wurde an den klassischen islamischen Universitäten der klassischen Zeit alles gelehrt und kein Unterschied zwischen Religion und anderen Wissenschaften gemacht. Diese Trennung zwischen religiösen und säkularen Wissenschaften kam erst unter dem Einfluss des Westens, ebenso wie eine klerikale Herangehensweise an die Religionslehre, die damit geendet habe, dass sie von der gesellschaftlichen Entwicklung abgekoppelt wurde. Die klassischen islamischen Universitäten lehrten fortan nur noch islamisches Recht. Erst im Laufe der Neuentdeckung des Islam als Religion, die Fortschritt, einen Lebensstil und ein System von Staatlichkeit anbiete, wurden diese Entwicklungen teilweise wieder rückgängig gemacht. Eine Universität wie die Al-Azhar biete inzwischen auch wieder Wissenschaften 74 Nach Aquilina, Oscar, Response to the Paper of Dr. Wahbah El-Zuhaili on the Theme: Science, Faith and the Concerns of Youth, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al ­Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 123–127.

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wie Medizin, Ökonomie oder Kunst an und islamische Erziehung sei auch an den anderen Fakultäten der Universitäten inzwischen sehr wichtig. Als generelle Erziehungsziele einer islamischen Erziehung von Anfang an werden genannt: gute Manieren (die in auffallender Weise immer wieder eine vorrangige Rolle spielen), ideale Werte, Glauben an den allmächtigen Gott und an die Offenbarungsreligionen, Liebe und gute Behandlung anderer Menschen, die Regeln und Lehren der eigenen islamischen Religion und eine Einführung in die islamische Kultur, die dem Kind ermögliche, eine vernünftige Lebensweise zu entwickeln. Die religiöse Bildung auf höherem Niveau „aims at creating a good Islamic person who stands on his own merits, mentally, spiritually and socially, and who has faith in God“75. Aus dem großen Überblick ist interessant, dass dem Autor kein Beispiel einer koedukativen Schule bekannt ist. Er geht im Zusammenhang mit Schulkonzeptionen darauf ein, dass nach islamischer Vorstellung die Pubertät als Übergang zwischen Kindheit und Reife auch das festgelegte Alter für den Beginn der religiösen Pflichten ist, überhaupt das Alter, in dem das praktische und unabhängige Leben beginnt, in dem man imstande ist zu arbeiten, intellektuell produktiv und reif wird. Von daher gebe es eben auch Vorstellungen und Konzepte, diese Zeit nicht ganz an universitäre Ausbildung zu verschwenden, sondern Arbeiten und Lernen enger zu verknüpfen. Neben der geregelten und institutionell, d. h. meist vom Erziehungsministerium überwachten schulischen und universitären Ausbildung gebe es noch, wie er es nennt, ‚irreguläre‘ religiöse Erziehung in Moscheen, islamischen Kulturzentren und Koranschulen, abgesehen von den Predigten und den mindestens zwei Unterrichtseinheiten, die jeweils am Freitag in jeder Moschee der islamischen Welt abgehalten werden. Dann gebe es noch halb-reguläre religiöse Erziehung in Zentren und Institutionen, die der Weiterbildung von Predigern und Imamen dienten. Bezeichnenderweise wird die anthropologische Grundlegung für diese Fülle von Details bis hin zu Curricula der verschiedensten Institutionen erst am Ende, sozusagen als möglicher Ausblick, nachgereicht, dafür aber ausführlich und auch durchaus nachdrücklich. Hier wird dann gesagt, dass religiöse Erziehung überhaupt stattfinde, weil der Mensch Gottes Statthalter auf Erden sei, ausgewählt dazu, die Verantwortung für die Gestaltung der Erde zu tragen. Gott habe den Menschen geehrt, indem er ihm Vernunft, intelektuelle Fähigkeiten und eine Neigung zum Lernen gegeben habe. Als seinen Statthalter habe Gott den Menschen 75 El-Khayyat, Abdul Aziz, Religious Education in the Modern Society: Islamic Education, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s. a., p.  77, s.a. p.  71–73.83. Zu der Frage nach muslimischen technischen Wissenschaften gibt es in der Gegenwart unterschiedliche rechtliche Stellungnahmen  – von pauschaler Ablehnung bis pauschaler Zustimmung ist so ziemlich alles vertreten, die Tendenz ist aber zustimmend, voraus­gesetzt, dass keine islamischen Regeln verletzt werden, s. p. 79–81.

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gewählt, weil er ihn auf die beste Weise geschaffen habe, er war also immer Gottes bestes und liebstes Geschöpf. Alles im Himmel und auf der Erde habe er dem Menschen in Dienst gestellt. Umgekehrt forderte er vom Menschen, die Erde mit Liebe, Glauben und guten Werken zu füllen und zu bereichern. Lohn und Strafe in dieser und der nächsten Welt wurden geschaffen, um sicherzustellen, dass der Mensch diesen Aufgaben auch nachkommt. Voraussetzung dafür, dass er das kann, die Erde gestalten und die Menschen zurechtbringen, sind ein fester Geist, Wahlmöglichkeit, Erkenntnis von Gut und Böse, Gottes Rechtleitung und Unterweisung durch die Propheten und damit eine religiöse Erziehung, die den Menschen nach Seele und Leib ehrt und fördert. Religiöse Erziehung helfe, das Verhalten eines Menschen zu korrigieren und ihn zu einem guten Mitglied der Gesellschaft zu machen. Alles, was ein Mensch tut, um Gott zu gefallen und sein Verhalten in der Gesellschaft zu bessern, wird als gottesdienstlicher Akt angesehen, zu dem er von Gott geschaffen wurde und in dem, wie in ihren Rechten und Pflichten, alle Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Rasse und Sprache, gleich sind, da Gott sie ja alle geschaffen hat. Islamische Erziehung basiere auf Mäßigung und einer toleranten Behandlung der Anderen und kümmere sich um die realistischen Aspekte im Leben eines Menschen. Sie zeigt ihm eine umfassende Sicht der Welt und des Lebens. In einem Satz: „Modern Islamic religious education derives its essence from faith in God, Islamic creed, and the fact that Islam provides for this creed and legislation to guide the humankind regardless of race, colour, and religion in order for everyone to live peacefully under the loving and tolerant teachings of Islam.“76 Es ist schade, dass dies am Ende und nicht am Anfang steht, dass also nicht die Frage gestellt wird, inwieweit die tatsächliche islamische religiöse Erziehung diesen sehr weitgehenden Anspruch auch umsetzt. 7.1.4.2. Christliche Kritik: die kleinen Ungereimtheiten islamischer Erziehung gestern und heute Die offizielle Antwort mahnte an, dass keine Definition von religiöser Erziehung gegeben werde, sondern diese offensichtlich als gegeben betrachtet werde. Ferner sähe er einige Punkte gerne vertieft, so den, dass die ältere islamische Tradition keine Trennung zwischen den religiösen und den anderen Wissenschaften gemacht habe und dass der westliche Einfluss der Lehre von Religion das klerikale Konzept aufgedrückt habe. Außerdem interessieren ihn die Details der diversen Reformbestrebungen, auch zur Verkürzung der Studienzeit, sowie die Gründe, warum etliche religiöse Schulen von den staatlichen Instanzen nicht anerkannt würden und wie er die irreguläre Form von religiöser Unterweisung, also offensichtlich die, die sich außerhalb von Schulen, Colleges und Universitäten abspiele,

76 Ib., p. 87, s.a. p. 74–76.85–86.

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denn nun wirklich beurteile.77 So interessant diese Fragen für die konkrete Praxis sind, so speziell sind sie natürlich auf der anderen Seite. 7.1.4.3. Christliche Position: Erziehung zu bewusst christlichen und damit menschlichen Werten Einen ganz anderen Aufbau der Darstellung wählte der christliche Redner, der Jesuit Vincent Duminuco. Er ging erst einmal kurz auf die sehr alte Tradition und Bedeutung der Lehre im christlichen, katholischen Bereich ein, um dann die gesellschaftlichen Umbrüche zwischen 1940 und 1980 zu schildern, die äußerlich einen ungeheuren Aufschwung katholischer Universitäten brachten bei gleichzeitiger innerer Erosion auf der ganzen Linie, bedingt durch die zunehmende Spezialisierung in der Gesellschaft und damit auch an den Universitäten, aber auch durch den Wegfall von selbstverständlicher religiöser Sozialisation durch Familie und Gesellschaft, die bei den Studenten sichtbar werde. Die katholischen Selbstverständlichkeiten, was Inhalte und Verhalten angehe, seien weggebrochen in Gesellschaften, die immer mehr von Verstädterung, Industrialisierung, Reichtum, Bildung, Medien, Säkularisierung und einem pluralistischen Wertesystem geprägt seien. In dieser Situation müsse sich auch die Katechese ändern. Das Verhältnis von Religion zu allen anderen Aspekten des Lebens sei nicht mehr so organisch wie in den stabilen ländlichen Gesellschaften, wo der Glaube Grundannahmen für das Leben lieferte und half, eine kohärente Weltsicht zu formen. Innerhalb dieser Kulturen gab es relativ gleiche und allgemeine Erwartungen, was die verschiedenen Aspekte menschlichen Lebens, die menschlichen Angelegenheiten anging, also über Art und Dauer von Ehe und Familienleben, über Ethik in Geschäft und Beruf, über soziale Bräuche, über das, was ein gutes Leben ausmacht, kurz, über die Natur des Menschen, seinen Platz im Universum und seine Bestimmung. Da sei das eingetreten, was gemeinhin eine Paradigmenverschiebung genannt werde hin zu einer Aufsplitterung der nunmehr säkularen Gesellschaft und des Lebens in Teilbereiche, von denen einer durchaus noch die Religion sei, die aber beispielsweise mit Wirtschaft und Geschäften nichts mehr zu tun habe. Dieses Modell sei eher mechanisch denn organisch zu nennen und ende oft in der Desintegration von Person und Gesellschaft, in einem Gefühl der Entfremdung, dem Verlust von Verantwortungsgefühl und großer Ungerechtigkeit. Die Entwicklungen des 20.  Jahrhunderts hätten gezeigt, dass ein Mensch sehr wohl gebildet und moralisch bankrott sein kann und dass von daher Erzie 77 Nach Root, Howard, Response to the paper of Dr. Abdul Aziz El-Khayyat on the Theme: „Religious Education in Colleges and Universities: Present Situation and Aspirations for the Future“, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 128–129.

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hung nicht automatisch zu mehr Menschlichkeit und Christlichkeit führe. Es sei nachgerade kindisch zu glauben, dass jede Erziehung zur Tugend führe, und es werde immer deutlicher, dass wer einen moralischen Einfluss in der Gesellschaft ausüben wolle, schon darauf achten müsse, dass Erziehung in einem organischen moralischen Rahmen stattfinde. Diese Überlegungen bilden den Hintergrund für eine theologisch-anthropologisch fundierte Zukunftsvision für katholische Universitäten. Die katholische Weltsicht sei heute klarer als früher, gerade da, wo sie das Wertesystem der gegenwärtigen Gesellschaft herausfordere. Die sogenannte ‚wertfreie‘ Erziehung habe sich als Mythos herausgestellt, nicht einmal die Naturwissenschaften würden heute mehr als neutral gelten. Ein Wert sei etwas Wertvolles, etwas, was einem Grund zum Leben und eventuell auch zum Sterben gebe. Werte brächten dem Leben Sinn, machten es sinnvoll. Sie gäben einer Person Identität, ein Gesicht, einen Namen, einen Charakter. Ohne Werte gerate man ins Schwimmen. Werte seien zentral für das eigene Leben, für jedermanns Leben, ja Duminuco geht so weit, dass er sagt, sie machten die Lebensqualität aus. Außerdem müsste jede akademische Disziplin aus dem Bereich der Human- und Sozialwissen­ schaften zugeben, dass die Werte, die sie transportiere, auf einer Annahme als Ausgangspunkt basierten, nämlich einer Annahme über den idealen M ­ enschen. Hier, so meint er, könne die Vorstellung von Gerechtigkeit aus den Evangelien wirksam werden. Außerdem sollten an katholischen Universitäten wichtige menschliche Probleme und Belange untersucht werden und allgemein jede partielle oder verformte Sicht des Menschen zurückgewiesen werden, während andere Erziehungsinstitute durch die Spezialisierungen oft die Konzentration auf den Menschen aus den Augen verlören. Glaube dürfe nicht mehr nur vertikal, spirituell verstanden und gelebt werden, sondern auch mit konkretem Bezug zu Anliegen wie Gerechtigkeit, Sorge um die Armen in der Welt, Aufmerksamkeit für Fragen von Wirtschaft, Menschenrechten, Ökologie u. Ä. Alles andere sei nicht nur dem katholischen Glauben nicht angemessen, sondern auch in einem säkularen Klima nicht effektiv. Insgesamt gehe es der katholischen Erziehung seit jeher um die intellektuelle Entwicklung jedes Einzelnen nach dem vollen Maß seiner gottgegebenen Begabungen und in einem ganzheitlichen Sinn, der Selbstdisziplin und Initiative, Integrität und Genauigkeit mit einschließt und umgekehrt oberflächliche negative Sichtweisen des Individuums ausschließt. Bleibt die schwierige Frage der praktischen Umsetzung. Viel Wert legt Duminuco dabei auf interdisziplinäres Arbeiten, nicht nur, weil keine einzelne Wissenschaft ausreicht, um die Gesamtheit der Schöpfung zu erklären, sondern auch, weil die menschlichen Probleme an der Schwelle des 21.  Jahrhunderts in ihrer Komplexität diese Zusammenarbeit einfach erfordern, beispielsweise Fragen der Genetik und der Medizintechnologie, vom Anfang und Ende des menschlichen Lebens, von Menschenrechten, Armut, Obdachlosigkeit und viele andere. Die ständigen Fortschritte in unseren menschlichen Möglichkeiten stellten

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uns vor schwierigste moralische Fragen, die nicht von einer Disziplin gelöst werden könnten, da es nicht nur einfach um technische, sondern um menschliche Werte gehe. Die Führungskräfte von morgen müssten mit den Fragen der Konsequenzen von Fortschritt und den moralischen Implikationen von vordergründig finanziellen Entscheidungen konfrontiert werden. Eigentlich sollte ein solcher Gesamtansatz für jede Universität selbstverständlich sein, eine katholische aber dürfe nicht einmal denkbar sein ohne diese Integration von verschiedenen Formen von Wissen mit menschlichen Werten und Theologie, ohne diese umfassende Sicht und Verwirklichung des Menschen. Auch akademisches Erbe und Tradition legten Wert auf menschliche Würde und ein gutes Leben im umfassenden Sinn, so z. B. akademische Freiheit, die Forderung nach Exzellenz bei Schulen wie Studenten, moralische Verantwortlichkeit und Sensibilität eingeschlossen, und indem sie religiöse Erfahrungen und Fragen als zentral für die menschliche Kultur und das menschliche Leben behandelten. Besonderen Wert würde eine katholische Universität dabei auf den Bereich der kontemplativen Kapazität für Gott und die Welt legen, die direkt im Zentrum der menschlichen Existenz liege. Auch der globale Ansatz sei typisch katholisch und außerdem angesichts vieler moderner Herausforderungen im Bereich von Umwelt, Wirtschaft und Genetik einfach nötig. Im Bereich der religiösen Erziehung müsse die Privatheit der Studenten und ihrer persönlichen Glaubenshaltungen und Werte respektiert werden, wie ja auch schon an einer ganzen Reihe von katholischen Universitäten Professoren anderen Glaubens Kurse in ihrer Religion anböten. Religiöse Erziehung dürfe aber nicht nur verkopft werden, es müsse auch Raum für spirituelle und diakonische Praxis sein, bei ersterem wieder mit Rücksicht auch auf Nichtkatholiken unter den Studenten, deren Zahl ja enorm zugenommen hat. Auch Dienst am Nächsten aus rein altruistischen Gründen wird als großes Gut gesehen, das keine eigene Rechtfertigung braucht, doch sollte es einer katholischen Universität auch darum gehen, im Nächsten den leidenden Christus zu sehen und eine Reflexionsmöglichkeit der Erfahrungen im Dienst an den Armen, Alten, Behinderten, Kranken, Ausgestoßenen zu geben, um die Studenten zu Verteidigern christlicher Werte zu machen, die durchaus auch wirtschaftliche und soziale Systeme infrage stellen, die Leid und die Nöte hervorbringen oder zulassen, die sie lindern wollen, und die so Agenten des sozialen Umbaus werden oder ihre eigenen Entscheidungen bzgl. ihres Status und ihres Lebensstils be­ einflussen lassen. Vieles sei schon im Gange, auch unter allerhöchster Aufmerksamkeit, aber wirklich getan werden müsse die Arbeit vor Ort auf dem Campus.78 78 Nach Duminuco, Vincent J., Religious Education in Colleges and Universities: Present Situation and Aspirations for the Future, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 89–105 (vgl. dagegen beispielsweise den Sabanegh,

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Der Beitrag von Duminuco zeichnet sich durch einen klaren, situations- und praxisorientierten Aufbau aus, der wichtige Grundlagen herausarbeitet und in Beziehung setzt zur gesellschaftlichen Situation und ihren Herausforderungen, ganz im Sinn des Zweiten Vatikanums, wie er auch selbst erwähnt. Es fällt der Unterschied in der Situationsbeschreibung zwischen dem muslimischen und dem christlichen Beitrag auf: Während letzterer eine Zunahme des Säkularismus und ein Abbröckeln der geschlossen katholischen Welt beschreibt (konkret v. a. für Nordamerika und Süd- und Ostasien), beschreibt ersterer eher ein Zurückgehen dieses als westlichen Einfluss geschilderten Säkularismus in der arabisch-islamischen Welt und eine Rückkehr zur integrativen Sichtweise des Islam. Hieraus lassen sich sicher auch manche Unterschiede v. a. im Ton erklären in der Darstellung von beiden Seiten. 7.1.4.4. Muslimische Sicht: eine Bestätigung der eigenen Vorbehalte gegenüber Säkularisierung Es ist auch bezeichnend, dass die offizielle muslimische Antwort aus dem Vortrag eine Beschwerde über den Säkularismus heraushört, der die organische Beziehung zwischen Religion und den anderen Aspekten des menschlichen Lebens zerstört habe, obwohl es bewusst nur eine Feststellung sein sollte. Dies trifft sozusagen mitten ins Schwarze für einen Muslim. Der Referent führt auch an, dass wohl sämtliche Säkularisten und selbst etliche religiöse Intellektuelle der Darstellung widersprechen dürften in dem Sinn, dass die religiöse Erziehung alten Stils die säkulare Erziehung für Jahrhunderte überdeckt habe, was zu intellektuellen Verwirrungen und dann auch zu vielen psychologischen Störungen geführt habe. Er führt auch an, dass viele hoch qualifizierte christliche Theologen laut propagiert hätten, dass Säkularisation Befreiung sei und ihre Wurzeln im biblischen Glauben selbst habe, dass sie das Erwachsenwerden des Christen sei, und dass viele Menschen inzwischen eine fast organische Beziehung zwischen Säkularisierung, Humanisierung und Christianisierung sähen. Muslimische Erzieher hätten von ihren christlichen Kollegen immer wieder gehört, dass Säkularisierung Humanisierung sei, und so sei es interessant zu sehen, dass im sogenannten christlichen Westen die Zweifel an dem Wert der säkularen Erziehung wüchsen, besonders was die Humanisierung angehe. Das führt ihn dazu, einige Worte aus islamischer Perspektive zum Thema zu verlieren. Bei der Konfrontation der muslimischen Welt mit den westlichen Ideen bzgl. Wissen und Erziehung habe man sofort gespürt, dass in diesen modernen Konzepten etwas fehle, was islamischerseits als wichtig betrachtet werde. Beispielsweise fehlte der Nachdruck auf die Selbstvervollkommnung des Menschen, der eben nicht nur intellektuelle, sondern [Edouard Sami] M[artin], Pour une meilleure compréhension de la législation matrimoniale en Islam, BSNC 44 (1980), der gleich am Anfang (p. 157) ausführt, dass das, was bisher kein Einfluss der Moderne in islamischen Ländern ändern konnte, das im weitesten Sinne Familienrecht war).

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auch ethisch-religiöse Fortschritte einschließt. Im Gegenteil, sie schienen diese noch zu untergraben, auch wenn sie als wertfrei angepriesen wurden. Auf diesem Hintergrund habe das Konzept der ‚Islamischen Universität‘ begonnen, sich zu entwickeln. Auf dem eben geschilderten Hintergrund der generellen Kritik sei die Idee einer Entwestlichung und damit Desäkularisierung des Wissens entstanden, die momentan von einigen muslimischen Intellektuellen heiß debattiert werde. Der Mythos von der wertfreien Erziehung und das Interesse für die wirklichen menschlichen Probleme seien jedenfalls wichtige Themen für jede religiöse Erziehung. Außerdem sei die Betonung von Gerechtigkeit sehr erfreulich, denn der Koran sehe eine Beziehung zwischen dem Verleugnen der Religion und dem Wegstoßen von Waisen und der Vernachlässigung der Speisung des Hilflosen und habe von Anfang an klargemacht, dass keiner ein Gläubiger im vollen Sinn des Wortes sein kann, wenn er nicht wenigstens versucht, eine gerechte soziale, politische und wirtschaftliche Ordnung zu schaffen. Bei aller Würdigung aber zweifelt er an, dass das angestrebte Programm, alle Formen und Bereiche des Wissens wieder zusammenzuholen, machbar ist, so nötig es wäre. Schließlich mahnt er noch an, dass viele Studenten mit pluralistischem und säkularem Hintergrund mit den traditionellen Formulierungen von Dogmen nicht viel anfangen könnten, wobei er sich zuversichtlich zeigt, dass die katholische Tradition reich genug sei, um andere Erklärungen zu bieten.79 Es ist dies insgesamt eine erneute Bestätigung, wo die jeweiligen Schwerpunkte liegen und wie das das Hören auch beeinflussen kann, dass es aber insgesamt doch sehr hilfreich ist, ein Gegenüber mit einer anderen Sichtweise zu haben, wie eben dieses System der offiziellen Antworten auf einen Vortrag noch viel deutlicher macht, wo entscheidende Punkte sind, generell und im Blick auf eine bestimmte Religion als Gegenüber. Es kann bestätigend sein und damit Gemeinsamkeiten herausstreichen, aber auch kritisch deutlich machen, dass an bestimmten Stellen nicht alles so einfach ist, wie man selbst vielleicht überzeugt ist.

7.1.5. Erziehung der Zukunft: Spagat zwischen eigener Identität und gemeinsamen Werten Christliche wie muslimische Teilnehmer (insgesamt 33 Wissenschaftler und Jugendliche aus 18 Ländern) waren sich am Ende einig, dass Gott die Menschen mit Würde, Freiheit, Rechten und Pflichten geschaffen habe. Für die religiöse Erziehung in der Moderne bedeutet das konkret, dass sie nicht nur die Entwick 79 Nach Aydin, Mehmet, Response to the Paper of Rev. Vincent Duminuco, S. J. on the Theme: „Religious Education in Catholic Higher Education: Present Situation and Aspirations for the Future“, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 130–133.

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lung einer religiösen Identität betonen sollte, so wichtig dies für das Wohlergehen von Individuen (und darüber hinaus sei), sondern auch zu einem besseren Verständnis der gemeinsamen Werte beitragen sollte. Unterschiede sollten dabei nicht ignoriert werden, sondern anerkannt, um zu einem Respekt vor den Glaubenshaltungen und Werten des jeweils anderen zu kommen. Religionslehrer sollten die Jugend ermutigen, die verschiedensten Formen von Wissen zu erwerben, naturwissenschaftliches, menschliches, religiöses und ethisches Wissen, und ihnen helfen, dieses Wissen auch im Licht ihrer religiösen Überzeugungen zu sehen. Jugendliche wollten wissen, was an den modernen Entwicklungen gut und was schädlich sei, gerade auch im Blick auf Religion und ein sinnvolles Leben als Gläubige. Besonders wichtig sei die Betonung von religiöser Identität bei Schülern und von religiösen Werten und dem religiösen Charakter von Erziehungseinrichtungen auf dem Niveau höherer Bildung, wo sich die veränderten, sprich säkularisierten gesellschaftlichen Verhältnisse besonders bemerkbar machten, auf die man auch mit einer Neuformulierung der religiösen Natur und Werte in den Erziehungsinstitutionen antworten müsse. Einig waren sich die Teilnehmer auch, die päpstliche Ansprache bei der Privataudienz in die Dokumente aufzunehmen, in der Johannes Paul II unterstrichen hatte, dass Religionsunterricht eben nicht nur Rede von Gott sei, sondern Begleitung der Jugendlichen in ihrer Suche nach Gott, sodass ihr Wunsch, Ihn zu kennen und Seinen Willen zu erfüllen, vertieft werde.80 Am Ende der Tagung erfolgte gleich die Einladung zu einer nächsten Tagung in Amman zum Thema Rechte und Erziehung von Kindern in Islam und Christentum.

80 S. Fitzgerald, Twenty-five Years of Dialogue, p.  114, Jarrar, F[aruk A.]/Fitzgerald, M[ichael] L[ouis], Islamo- Christian Colloquium on: „Religious Education in Modern Society“ (With Particular Emphasis on Colleges and Universities), BPCDIR 73 (1990), p. 82–83, Jarrar, Faruk A., The Royal Academy of Jordan for Islamic Civilizatio Research: A Continuing Dialogue, Islamochristiana 16 (1990), p. 151, Christian-Muslim Consultation on „Religious Education in Modern Society“ (6–8 December 1989), Islamochristiana 16 (1990), p. 290–292, Colloquium: „Religious Education in Modern Society“, in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican s .a., p. 134–135. Die päpstliche Ansprache findet sich unter John Paul II, Address to Partecipants (sic!), in: Religious Education and Modern Society, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 136–137. Es ist interessant, dass die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Jordanien erst später aufgenommen wurden, so The First Ambassador to the Holy See Is Received by the Pope (19 November 1994), Islamochristiana 21 (1995), p. 188–190.

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7.2. Amman 1990 zu Kinderrechten: von den Ungeborenen bis zu den Schulkindern 7.2.1. Die Rechte des Ungeborenen Diese Tagung zu ‚The Rights and Education of Children in Islam and Christianity‘ fand vom 13.–15.12.1990 in Amman statt. Das Thema war in drei Blöcke aufgeteilt: Die Rechte des ungeborenen Kindes, Rechte und Erziehung des Vorschulkindes und schließlich Rechte und Erziehung von Kindern in Schulen (soweit Regierung und Gesellschaft betroffen sind). Außerdem gab es drei Eröffnungsansprachen, von den Leitern der beiden Institutionen sowie von Kronprinz ­Hassan von Jordanien persönlich. Letzterer meinte, unausgesprochenes Thema der Tagung seien die Verpflichtungen, die die Erwachsenen den Kindern gegenüber hätten. Wann werde man endlich an die Rolle von Kindern in (viel diskutierten) Problemen wie Armut, Umwelt oder (Bürger)Krieg denken? Kardinal Arinze knüpfte in seinem Grußwort an den Dialog über Familie (eigentlich korrekter über Erziehung) an und führte an, die Haltung zu geborenen und ungeborenen Kindern sage viel über eine Gesellschaft aus. Mit Vernachlässigung und Verletzung von Kindern unterzeichne eine Gesellschaft ihr eigenes Urteil, wobei für ihn die hohe Zahl der Abtreibungen klar im Vordergrund steht.81 7.2.1.1. Katholische Morallehre: Leben und Würde von der Empfängnis an Dies war bereits eine klare Überleitung zum ersten Hauptthema der Tagung, den Rechten des ungeborenen Kindes, zu dem Kardinal Arinze selbst das christliche Hauptreferat hielt. Es gehe dabei um das Verhältnis der modernen Medizin zur religiösen Lehre und darum, dass der Mensch von Anfang an eine Person ist und 81 S. H. R. H. Crown Prince Hassan, Inaugural Address, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 3.5–6, Arinze, Francis, The Child Is Precious, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 7. Das letzte Grußwort (El-Assad, Nassir El-Din, Inaugural Address, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim- Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 9–12), ist inhaltlich weniger interessant, bietet aber immerhin einen Überblick, was zu diesem Thema von muslimischer Seite schon geschehen ist, und merkt auch ganz grundsätzlich an, man solle einmal auswerten, was bei den bisherigen Dialogkonferenzen herausgekommen sei (danach würden nämlich viele fragen) und auf dieser Basis weiterplanen. Eine Kurzzusammenfassung der Tagung und ihrer Ergebnisse bietet Amman – Jordan: Christian-Muslim Colloquium „The Rights and Education of Children in Islam and Christianity“, BPCDIR 76 (1991), p. 109–111.

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als solche behandelt werden muss. Aus christlicher Sicht gehe es auch um die Absolutheit des Willens Gottes, doch um in der modernen Welt gehört zu werden, brauche es auch gute Begründungen im Sinn einer menschlichen Basis für eine menschliche Gesellschaft. Nach katholischem Verständnis (er merkt hier gleich an, dass sich darin nicht alle Christen einig sind)  basiert die Morallehre der Christen auf Prinzipien, die abgeleitet werden in besonderer Weise von der göttlichen Offenbarung, aber auch von der rechten Vernunft, die auf das Naturgesetz angewandt wird. Was nun die spezielle Fragestellung angeht, so ist eine Person eine Einheit von Körper und Seele und das menschliche Leben ein Geschenk Gottes. Es beginnt mit der Vereinigung von Ei- und Samenzelle und nur Gott allein hat das Recht, über dessen Anfang und Ende zu bestimmen. Der Mensch aber hat das Recht auf Leben und Würde von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Nach Kardinal Arinze war die katholische Kirche schon immer gegen Abtreibung und findet sich nun sozusagen in der modernen Biologie bestätigt. Das nächste Problem in diesem Zusammenhang sei die Befruchtung im Reagenzglas, da die nicht benötigten befruchteten Eizellen vernichtet würden, was nach katholischer Lehre einer Abtreibung menschlicher Personen gleichkomme. Das letzte Problem sei die pränatale Diagnostik, zumindest insofern, als sie mit dem Ziel betrieben werde, bei missliebigen Ergebnissen eine Abtreibung vorzunehmen. Gerade was die Abtreibung angehe, so sei das Problem inzwischen, dass die staatliche Gesetzgebung vieler Länder sie legalisiere, was aber noch lange keine moralische Rechtfertigung sei, denn die Menschen hätten gar nicht die Macht, Gesetze gegen Gott, unseren Schöpfer zu machen. Werde also der Embryo per Gesetz zur Un-Person erklärt, so bleibe er in den Augen Gottes ein Mensch mit den Rechten jeder menschlichen Person, weswegen das kanonische Recht auch automatisch jeden exkommuniziere, der eine Abtreibung vornehme. Im Gegenteil, der Embryo verdiene besonderen Schutz, sprich dessen Mutter eine gute Ernährung und ebensolche hygienischen Bedingungen. Therapeutische Maßnahmen am Embryo seien in angemessenem Rahmen möglich, Experimente aus den oben genannten Gründen nicht. Befruchtung im Reagenzglas ist nach katholischer Ansicht nicht mit der Würde des Menschen vereinbar, besonders dann nicht, wenn fremdes Sperma verwendet und damit die Heiligkeit der Ehe verletzt wird. Der Hauptgrund liegt aber darin, dass eine Einheit gesehen wird vom ehelichen Verkehr bis hin zur Erziehung des Kindes, die durch eine Befruchtung im Reagenzglas, aber auch durch Leihmutterschaft verletzt wird, weshalb trotz theologischer Diskussion die katholische Kirche die künstliche Befruchtung auch bei Ehepaaren ablehnt, da alle diese Prozeduren den Fortpflanzungsakt seiner Würde entkleiden würden. Weil das menschliche Leben das Leben einer Person ist, kann es kein technologisches Produkt sein. Das ist sozusagen der momentane medizinische Stand der Herausforderungen, wobei neue zu erwarten seien, weshalb solche Tagungen so wichtig seien, um die ethischen Prinzipien bekannt zu machen.

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7.2.1.2. Muslimische Erwiderung: die Feinheiten des islamischen Rechts Die muslimische Entgegnung ist, da sie viele Aussagen des Vortrags erst einmal wiederholt, länger als der ursprüngliche Vortrag, und bedauert, dass im Vortrag nur der katholische Standpunkt benannt wurde. Als islamischer Ausgangspunkt wird zunächst einmal betont, dass ein Widerspruch zwischen religiösen Tatsachen und wissenschaftlichen Entdeckungen nicht erlaubt ist, ja der wissenschaftliche Fortschritt bestätige diese religiösen Tatsachen noch. Konkret betone das islamische Recht das Studium aktueller medizinischer Fragen im Licht der religiösen Vorschriften sogar, da das islamische Recht ja die Menschheit in all ihren Aspekten regeln soll. Ein moralischer Rahmen bewahre die wissenschaftliche Forschung vor Irrtümern und davor, dem menschlichen Leben zu schaden. Konkret sei das menschliche Leben nach Sure 42,49 Geschenk, Segen und Schöpfung Gottes, wobei der Mensch aus dem Mutterleib geschaffen werde mit einer harmonischen Natur, bestehend aus Körper, Geist und Verstand. Der eigentliche Lebensbeginn des Fötus sei die Einhauchung des Geistes durch Gott nach 120 Tagen. (Bei einer Geburt vorher wird z. B. das Überleben nicht als möglich gesehen, im Fall einer Totgeburt wird erst nach diesem Zeitpunkt eine offizielle Bestätigung des Todes nötig.) Diese Unterscheidung wurde traditionellerweise im islamischen Recht gemacht, erst danach konnte für einen Fötus beispielsweise Blutgeld verlangt werden (ein Zwanzigstel des üblichen Blutgeldes) und danach war auch eine Abtreibung absolut verboten. Abtreibung vor diesem Zeitpunkt wurde unterschiedlich gesehen, teils als generell erlaubt, teils als erlaubt, wenn der Fötus als solcher noch nicht erkennbar sei, wobei die meisten Juristen den Beginn des Lebens mit der Einnistung des Fötus identifizierten und eine Abtreibung nach diesem Zeitpunkt als verboten erklärten. Außerdem erleichtere Abtreibung die Unzucht und sei deswegen eine Seuche für die Gesellschaft und zudem würden Föten so leichter zu Ersatzteillagern degradiert. Wann immer El-Abbadi von Moral, menschlichen Werten, Schutz von menschlichem Leben, von Familie und Heiligkeit der Ehe spricht, die er bei den sogenannten himmlischen Religionen als gegeben sieht, so geht es ihm doch in allererster Linie um ganz konkrete Gesetze und Vorschriften des islamischen Rechts allgemein oder eben bestimmter seiner Rechtsschulen. Leben und Würde des Fötus seien im Islam klar geschützt und wissenschaftliche Experimente am Fötus, auch am illegitim abgetriebenen, seien verboten, Abtreibung zu diesem Zweck lohne sich also nicht. Experimente an einer Totgeburt oder einer nicht lebensfähigen Frühgeburt (s. o.) sind dagegen möglich, soweit sie den Fötus nicht verstümmeln und seine Würde nicht verletzen und Rücksicht auf die islamische Vorschrift nehmen, nach der Tote so schnell wie möglich zu begraben sind. Für Organentnahmen gelten die gleichen Vorschriften wie sonst auch. Was Befruchtung im Reagenzglas angeht, so bestehen von islamischer Seite keine Bedenken, sofern es im Rahmen einer bestehenden Ehe geschieht, also ohne Leihmutter und ohne frem-

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des Sperma, wenn das Paar unbedingt Nachkommen braucht. Allerdings werde verschiedentlich davor gewarnt, mehr Eizellen zu befruchten als tatsächlich eingepflanzt würden, denn diese empfingen ja Leben und seien für das Leben vorbereitet. Kritisiert wird schließlich noch, dass die katholische Darstellung nur das Recht auf Leben, Würde und Gesundheit genannt habe, während das ungeborene Kind im Islam noch weit mehr Rechte habe, also z. B. erben oder Stiftungen empfangen könne, aber auch das Recht auf Abstimmung von seinem Vater habe.82 Es zeigt sich also im islamischen Bereich (was dem mittelalterlichen Katholizismus auch nicht ganz unbekannt war), dass eine Schwangerschaft eingeteilt wurde und teilweise noch wird in eine Phase bevor und nachdem sie mit traditionellen Methoden festzustellen war, was einen Unterschied in der Einstufung und im Schutz ausmachte und teilweise noch ausmacht. Von dem Augenblick an, in dem die Schwangerschaft unwiderleglich feststand, ist damit das ungeborene Kind immer geschützt gewesen – nur dieser Zeitpunkt hat sich eben durch medizinischen Fortschritt nach vorne hin verschoben. 7.2.1.3. Der Islam und die Rechte des ungeborenen Kindes: eine Fülle von Detailvorschriften Viele der bereits genannten Punkte kehrten dann auch im offiziellen muslimischen Referat wieder, wenn auch in größerer Ausführlichkeit, beispielsweise die Sache mit der Einhauchung des Geistes durch Gott, die sich auf Sure 23,12– 14 zurückbezieht und auf Sure 86,5–7, nach der das Gehör, das Sehen, die Wahrnehmung, die Bewegung und die Gefühle auf den Geist zurückgehen. Die Frist von 120 Tagen bezieht sich auf eine Überlieferung des Propheten Mohammed, nach der die Erschaffung des Menschen im Leib seiner Mutter 40 Tage dauere, dann sei er 40 Tage lang ein Klümpchen wie ein Blutegel und schließlich 40 Tage lang ein Klumpen. Danach werde ihm von Gott ein Engel gesandt, der ihm den Geist einhauche. Nach Sure 42,49 entscheide Gott darüber, ob es ein Mädchen oder ein Junge werde. Entscheidend sei aber nicht das Geschlecht, sondern die Rechtschaffentheit der Kinder  – wobei ein rechtschaffener Sohn schon als das Höchste gilt, was man sich wünschen kann. Der Rückgriff des Referenten auf die islamische Tradition ist absolut bestimmend in jeder Hinsicht für seine Ausführungen, bis hin zu Sätzen wie „So we must not confuse established Quranic facts with modern scientific theories, however advanced scien-/p.35 tific research

82 Nach Arinze, Francis, The Rights of the Unborn Child, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of  a MuslimChristian Colloquium, Vatican City s.a., p. 15–22, El-Abbadi, Abdul Salam, Muslim Response, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 24–32.

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may be“83 und einem Kapitel überschrieben „The Fetus’s Right to Defining the Pregnancy Period which Decides Its Lineage“84. Dahinter verbirgt sich die Aussage Sure 13,8, dass Schwangerschaft und Stillzeit 30 Monate dauern, wobei als Minimaldauer für die Schwangerschaft sechs Monate angegeben werden. Eine Maximaldauer wird nicht angegeben, weshalb etliche muslimische Gelehrte dafür plädieren, eine solche auch nicht festzulegen. So kommen eine ganze Reihe durchaus besonderer Rechte des Embryos im Islam zustande, beginnend mit der Wahl der Mutter, auf deren Fruchtbarkeit besonderen Wert zu legen ist, aber auch auf deren guten Namen und deren Frömmigkeit. In diesen Zusammenhang gehören auch die Heiratsverbote bei zu naher Verwandtschaft, die Erbkrankheiten verhindern sollen, sowie das Recht, bei Krankheit und Behinderung, v. a. geistiger Behinderung der Mutter, eine Ehe aufzulösen. Dem Kind sollen von Anfang an optimale Entwicklungsbedingungen geboten werden. Dazu sollte man Gott bereits vor dem ehelichen Verkehr bitten, dass er den Teufel auch schon von einem eventuellen Kind fernhält, was sich in weiteren Gebeten für das Kind fortsetzt und in einem besseren Benehmen der Eltern, um diesem ein Vorbild zu sein. Insgesamt wird eine muslimische Familie als so gläubig und gut gesehen, dass die Mutter dieses Glück automatisch auf das Kind übertrage. Dazu komme, dass sie durch das Aussetzen der Menstruation während der Schwangerschaft ständig die Pflichtgebete erfüllen könne, so in dauerndem Kontakt zu Gott stehe und durch das Gebet auch beruhigt und erleichtert sei. Außerdem erfülle der Fötus durch die Mutter ebenfalls bereits die Pflichtgebete, obwohl er noch gar nicht dazu verpflichtet sei. Auch solle man schon dem Ungeborenen aus dem Koran vorlesen, ähnlich wie es ja üblich sei, dem Neugeborenen den Gebetsruf ins Ohr zu sagen, um die angeborene Natur des Menschen zu bestätigen und den Einflüsterungen des Teufels zuvorzukommen. Das schlimmste Verbrechen an einem ungeborenen Kind dagegen sei es, wenn die Mutter verbotenes Fleisch esse  – das verdamme ihr Kind zur Hölle. Allgemein seien jegliche Exzesse verboten, weil sie Mutter und Kind schadeten. Umgekehrt muss eine schwangere oder stillende Frau nicht fasten und sich auch nicht um ihren Unterhalt kümmern, da Arbeit ja immer mit Ärger verbunden ist, der für das Kind schädlich sein könnte, vgl. die allgemeine und nachdrückliche Ermahnung Mohammeds, sich nicht zu ärgern. Selbst bei Streit und Scheidung ist ihre Versorgung garantiert. Auch sollte der Mann ihr in dieser Zeit bei der Arbeit besonders zur Hand gehen, damit es nicht etwa durch zu schwere Arbeit zu einer Fehlgeburt kommt – auch dafür kann man das Vorbild Mohammeds her 83 El-Samerra’i, Faruk, The Rights of the Embryo, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 34/35, s.a. p. 33 f. 84 Ib., p. 40, s.a p. 41–57.

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anziehen. An modernen Phänomen geht der Referent hier auf die Schädigungen Ungeborener durch Aids und durch Alkoholmissbrauch ein, die der Islam verhindern würde, da er außerehelichen Geschlechtsverkehr und Alkoholgenuss verbietet. Als weitere Regelung islamischen Rechts wird angeführt, dass im Fall einer Schwangerschaft Erbschaftsangelegenheiten bis zur Geburt des Kindes ausgesetzt werden, damit dieses dann dem seiner Position und seinem Geschlecht zustehenden Anteil erhalten kann. Erst der allerletzte Teil des Vortrags geht dann auf den Schutz des Lebens des Ungeborenen ein, wobei schon sehr deutlich wird, dass eine Abstufung des Verbrechens von Kindstötung besteht von den verschiedenen oben geschilderten Stadien bis hinauf zum geborenen Kind. Festzumachen ist der Verbrechenscharakter konkret daran, dass der Verursacher einer Fehlgeburt immer Blutgeld zu zahlen hat – in der Regel in der Höhe des Blutgeldes für einen Sklaven/eine Sklavin oder für ein neugeborenes Mädchen, also fünf Prozent des sonst üblichen Satzes, wobei der Abgang nicht nur durch eine konkrete Handlung ausgelöst worden sein kann, sondern beispielsweise auch verbal. Auch darf eine schwangere Frau nicht hingerichtet oder einer Körperstrafe unterzogen werden, um nicht dem unschuldigen Kind zu schaden. Andererseits hat ein Ehepaar im genannten frühen Stadium und in gemeinsamer Übereinstimmung das Recht auf eine Abtreibung. Bei einer außerehelichen Schwangerschaft besteht dieses Recht nicht, da es keinen legitimen Vater gibt, der seine Zustimmung geben könnte. In diesem Fall wird das göttliche Recht auf Leben des ungeborenen Kindes als uneingeschränkt gültig gesehen, ausdrücklich auch, damit nicht ein Verbrechen durch ein weiteres vertuscht werden kann. Eine Frau darf grundsätzlich nichts einnehmen, was ihre Schwangerschaft beendet, tut sie es doch und führt so einen Abgang herbei, ist sie verpflichtet, einen Sklaven freizulassen und dem Vater des Kindes Schadensersatz in Höhe des Schadensersatzes für einen Sklaven zu bezahlen. Es wird summa summarum sehr deutlich, dass, wie so oft, der Denkansatz ein viel juristischerer ist und in schier unendliche Details führt, wobei doch deutlich wird, dass der Schutz des ungeborenen Lebens nicht so absolut ist wie auf katholischer Seite – Abtreibung ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich und selbst wo sie verboten ist, wird sie längst nicht so strikt bestraft. Auch ungeborenes Leben hat seinen Preis – das macht es wertvoll, aber gleichzeitig in gewissem Sinn zur Handelsware, wie ja gerade in diesen Ausführungen sehr deutlich wird, dass bei aller dem Menschen von Gott verliehenen Würde im Islam oder genauer im islamischen Recht der Preis je nach Geschlecht, Alter und Status durchaus unterschiedlich ist. 7.2.1.4. Nichts Neues bei der christlichen Erziehung Die offizielle christliche Stellungnahme geht allerdings auf diese Frage überhaupt nicht ein, sondern bemängelt nur, dass auf die Fragen der modernen Medizin überhaupt nicht eingegangen wurde, und versucht, den katholischen Standpunkt

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hierzu darzulegen mit seinen drei grundlegenden Kriterien: Der Fötus ist vom Beginn seiner Erschaffung an ein menschliches Wesen. Als solches hat er vom Augenblick der Empfängnis bis zum Tod ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Der Fötus hat das Recht, im Rahmen von Ehe und Familie geboren zu werden. Diese Kriterien und die konkreteren Ausführungen stimmen mit dem überein, was Kardinal Arinze in seinem vorangegangenen Referat schon gesagt hatte.85 Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei allen Übereinstimmungen zwischen christlicher und muslimischer Position doch in der Art und Weise der Argumentation – mehr philosophisch-theologisch oder mehr juristisch-theologisch – grundlegende Unterschiede liegen.

7.2.2. Die Rechte des Vorschulkindes 7.2.2.1. Mit unendlicher Genauigkeit: islamische Erziehung des Vorschulkindes Dies erwies sich auch (und wurde praktisch erstmals auch benannt) in der nächsten Argumentationsrunde, bei der es um die Rechte des Vorschulkindes ging. Der islamische Beitrag zum Thema war, da er wie zu erwarten in schier unendliche Details ging, mehr als doppelt so lang wie der christliche und, wie häufig, wenn es um die konkrete Positionierung des Menschen in bestimmten Fragen geht, ein Kurzkompendium des islamischen Rechts zum Thema. Die konkrete Realität schimmerte beim Vortrag von Prof. Abdul Aziz Khayyat nur einmal ganz am Anfang durch, als er  – den Gedanken des Kronprinzen aufgreifend  – feststellte, dass die Rechte der Kinder die Pflichten der Gesellschaft, also konkret der Eltern, Erzieher, Versorger oder des Staates seien, welche in den fortschrittlichen Staaten in der Regel gut erfüllt werden, in den orientalischen, afrikanischen und muslimischen Ländern dagegen am schlechtesten. In der Fülle der ach so detaillierten, modernen und guten Regelungen des Islam geht diese traurige Tatsache aber komplett unter, die Frage nach dem Warum? dieses krassen Missverhältnisses wird nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet. Im Gegenteil, es wird moniert, dass viele, die sich mit dieser Frage beschäftigt hätten, den positiven Einfluss von Koran, Sunna und islamischer juristischer Tradition verkannt hätten. Es gebe in der islamischen Tradition eine ganze Reihe von Erziehungsliteratur, allen voran al-Ghazali, den er ausführlicher zitiert. So beschreibt dieser Kinder quasi als unbeschriebenes Blatt, auf die noch alles geschrieben werden könne. Von der Erziehung der Eltern hänge das zeitliche und ewige Schicksal des Kindes ab. Eltern sollten ihr Kind schützen, indem sie ihm gute Manieren 85 S. Tannous, Nemra, Christian Response, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 60–64.

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lehrten, es vor schlechter Gesellschaft bewahrten, es nicht an ein leichtes Leben gewöhnten und ihm keine Neigung zu Schmuck und Luxusgütern beibrächten. Sonst würde das Kind sein Leben damit verbringen, dem nachzulaufen, und wäre dem Untergang geweiht. Sehr wichtig ist für Ghazali auch, dass die Amme nur erlaubtes Essen zu sich nimmt, da die Milch nach dem Verzehr unerlaubter Speisen keinerlei Segen enthalte (ähnlich wie dies ja auch von der schwangeren Mutter schon gesagt worden war). Außerdem solle das Kind sich bewegen, um nicht der Lethargie zu verfallen. Weitere Zeichen der Lethargie, die ihm abzugewöhnen seien, seien, ein Bein über das andere zu schlagen, die Hand unter das Kinn zu legen und den Kopf auf den Arm zu stützen. Er sollte angewiesen werden, ordentlich zu sitzen und nicht geschwätzig zu sein, denn dies sei rüde und ein Zeichen der Abstammung von schlechten Eltern. Außerdem sollte man ihm beibringen, keine Eide zu schwören, keine dummen, obszönen oder Schmäh-Reden zu führen, nicht zu fluchen und sich auch von denen fernzuhalten, die dies tun. Das sollten Eltern einem Kind beibringen, bevor sie es einem Lehrer anvertrauen. Rechte des Säuglings nach dem Islam Nach diesem interessanten Exkurs wandte sich Khayyat dem Status des Kindes im Islam zu, der grundsätzlich ein sehr hoher ist, denn der Islam lehnt Zölibat und Mönchtum strikt ab und fordert verschiedentlich zur Fruchtbarkeit auf, um die Welt zu bevölkern und weiterzuentwickeln. Neben Reichtum gehören Söhne zu den Reizen dieser Welt. Was nun das Kind in der Phase von der Geburt bis zur Einschulung angeht, so unterteilt sich diese Zeit in die islamischerseits am besten ‚Stillphase‘ genannten ersten zwei Jahre (so lange können und sollen nach Sure 2,223 Kinder gestillt werden) und die Zeit vom Anfang des dritten bis zum Ende des fünften Lebensjahres, also die frühe Kindheit oder das Kindergartenalter. In diesen beiden Phasen hat das Kind das Recht, von Eltern, Verwandten und dem Stadt großgezogen und erzogen zu werden. Noch vorausgehend wird wieder sein Recht auf einen Vater, der seine Mutter sorgfältig aussucht, betont bzw. auf eine Mutter, die einen unpassenden Vater ablehnt, weswegen der Islam ihr ja das Recht gegeben habe, ihren Partner selbst zu wählen. Ja, als die drei Rechte eines Sohnes an den Vater werden summarisch genannt: Seine Mutter sorgfältig auszusuchen, ihm einen guten Namen zu geben und ihm den Koran zu lehren. Doch lassen sich aus der Tradition noch viel mehr Rechte eines Säuglings ablesen (die englische Terminologie lässt die spezifischen Ausdrücke des islamischen Rechts ahnen, was den Grad der Verbindlichkeit angeht, wünschenswert, empfohlen oder eben ein Muss), angefangen damit, dass man ihm den Gebetsruf in sein rechtes und das Gebet selbst in sein linkes Ohr spricht unmittelbar nach seiner Geburt, damit das Kind als erstes Gottes Wort hört und davon getröstet und unterhalten wird. Außerdem hat das Kind ein Recht, einen schönen Namen zu bekommen, entweder am Tag der Geburt oder am siebten Tag danach. Hässliche Namen oder solche, die Dienerschaft gegenüber etwas oder jemandem anderen

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als Gott ausdrücken, sind dabei zu vermeiden. Beschneidung für Männer ist Vorschrift (für Frauen bezeichnet die Tradition sie als ein Zeichen des Anstands). Ein Kind sollte bis zu zwei Jahre von der Mutter gestillt werden, zum Muss wird dies dann, wenn das Kind keine andere Milch annimmt – sofern die Mutter Milch hat. Selbst im Fall einer Scheidung kann der Vater der Mutter dieses Recht nicht nehmen und sollte eine Amme nötig werden, so muss sie ins Haus der Mutter kommen. Dahinter steht die Vorstellung, dass das Kind das Beste bekommen sollte, und die Milch und die Zuwendung der eigenen Mutter sind für es das Beste. Empfohlen wird weiterhin, eine Dattel zu zerkauen (oder etwas anderes Süßes) und etwas davon um den Mund des Neugeborenen zu verreiben, ebenso am siebten Tag nach seiner Geburt ein Schaf zu schlachten oder als besonderes Verdienst sogar zwei. Wünschenswert sei, am siebten Tag auch den Kopf des Neugeborenen zu rasieren. All diese Vorschriften verliehen dem Kind Gesundheit und Stärke und verbänden seine Erziehung mit den unveränderlichen Regeln des Islam. Weitere traditionelle Handlungsweisen betrachtet der Redner dagegen sogar als schädlich und von daher als nicht anzuwenden. Dann kommt die zweite Phase, also eine Phase nach wie vor in der Familie, aber auch in Kinderhort und Kindergarten. Die sechs Grundzüge islamischer Erziehung Was die Erziehung angeht, so sollten folgende sechs Grundzüge jeglicher islamischer Erziehung beachtet werden: Erstens Glaubenserziehung, die den Gottesbezug und den Glauben des Kindes stärkt. Das geschieht einerseits durch Wissensvermittlung, gerade auch darüber, was erlaubt bzw. verboten ist, andererseits durch schrittweises Heranführen an Gebet und Fasten. Nach Mohammed sollten Kinder an drei Dinge herangeführt werden: an die Liebe zu ihrem Propheten, die Liebe zu dessen Haushalt und die Rezitation des Koran. Zweitens Moralerziehung, orientiert an den islamischen Verschriften, die zu gewünschten Eigenschaften und Taten wie Wahrhaftigkeit, Freundlichkeit, Gerechtigkeit, Pflichtgefühl, Mut, Selbstkontrolle, aber auch Schamhaftigkeit führt, während schädliches Verhalten wie Neid, Lüge, Verleumdung etc. vermieden werden sollten. Nach Mohammed ist es eine Form der Ehrerbietung vor den Kindern, sie gut zu erziehen. Drittens körperliche Erziehung, also angemessene Ernährung, Unterbringung und Bekleidung, wieder alles bis hin zum Sport orientiert an islamischen Vorschriften. Viertens geistige Erziehung, wobei betont wird, dass im Islam Glaube und Wissen eng verbunden sind. Fünftens schrittweise soziale Erziehung, damit das Kind ein aktiveres soziales Leben führen kann, wenn es in die Schule kommt. Es sollte spüren, dass es zu einer Familie gehört und diese Familie Teil der Gesellschaft ist, und sich auch so benehmen. Das Kind sollte daheim, im Hort und im Kindergarten helfen, sich gut benehmen und guten Umgang haben. Es sollte ältere Menschen mit Zuvorkommenheit und Respekt behandeln und auch schon sehr früh zur Moschee gehen und am Gottesdienst teilnehmen,

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Koranrezitation und Predigt hören und geistlich zufrieden sein. Last but not least praktische Erziehung, da Islam Lernen immer mit Handeln und Glauben immer mit Taten verbunden habe. Die neun Rechte des Kindes nach dem Islam Dies ist also der generelle erzieherische Rahmen, in dem das Kind aufwachsen sollte, doch es hat auch ganz konkrete Rechte, neun an der Zahl. Das erste Recht ist das Recht auf Unterhalt von den Eltern, v. a. vom Vater, auch wenn die Eltern geschieden sind, sowie, falls beide Eltern nicht mehr leben, von den Großeltern. Zweitens haben sie ein Recht auf gleiche Behandlung wie ihre Geschwister, d. h., kein Kind sollte beispielsweise bei Geschenken bevorzugt werden. Drittens hätten sie das Recht auf Mitleid und echte Liebe, was besonders bei Waisenkindern ein Problem sei, weshalb der Islam immer wieder die Fürsorge und Barmherzigkeit gegenüber Waisen betone. Viertens hätten Kinder ein Recht auf Spiel und Spaß. Auch Mohammed habe mit seinen Enkelkindern gespielt und der Islam verlange, dass Kinder schwimmen, schießen und reiten lernten. Außerdem sei es gut, Kinder an nützliche Spiele in Haus und Hof zu gewöhnen, wie beispielsweise Obst ernten oder sich um Tiere kümmern. Fünftens habe das Kind weiterhin ein Recht auf Fürsorge, die bis zu einem bestimmten Alter hauptsächlich bei der Mutter liegt, auch im Falle einer Scheidung, sofern sie nicht einen anderen Mann heiratet. Welches weibliche Mitglied der Familie dann einspringen muss, ist bis in alle Einzelheiten geregelt. Sechstens hat das Kind das Recht auf väterliche Vormundschaft, d. h., der Vater muss die Interessen seines Kindes mit Vehemenz vertreten, gleich auf welchem Gebiet. Väterliche Vormundschaft können ausschließlich der Vater oder der Großvater haben. Eine Vormundschaft anderer Personen, die ja nötig werden kann und dann ein (siebtes) Recht des Kindes ist, wird im arabisch-islamischen Bereich von der väterlichen Vormundschaft sprachlich und juristisch genau unterschieden. Diese zweite Form der Vormundschaft kann auch von der Mutter, dem Bruder des Vaters oder anderen dafür geeigneten Personen wahrgenommen werden. Das achte Recht eines Kindes ist das auf legitime Abstammung von seinem Vater – nach Sure 33,4 f gibt es im Islam keine Adoption. Diese Abstammung wird normalerweise durch die eheliche Geburt bewiesen, ansonsten ist es Sache des Vaters, zu beweisen, dass dies sein Kind ist. Ein Findelkind hat dasselbe Recht wie jeder andere freie Muslim, wie jedes normale Kind auf Versorgung und Erziehung und Akzeptanz als Zeuge, nur dass bei ihm der Staat die Verantwortung übernimmt oder ihn einem Pflegevater übergibt. Schließlich – und die Reihenfolge ist schon bezeichnend und aus christlicher Sicht auch befremdend – hat das Kind als neuntes und letztes Recht das Recht auf Leben, d. h., es muss vor Aggression, Hunger und anderen Formen des Sterbens bewahrt werden und darf auch nicht in Sklaverei und Schuldknechtschaft verkauft werden. Positiv heißt das, dass das Kind ein Recht auf Essen und Trinken hat, auf Kleidung, medizinische Versorgung und auf Zusammenleben

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mit Familie und Verwandten sowie auf Absicherung gegen Hunger. Im Islam läge dieser Schutz bei der Familie, beim Staat und bei den Institutionen, die für Kinder zuständig seien. Am Ende wendet sich der Referent nochmals dem Thema Erziehung zu, das sozusagen um den Kern der einklagbaren Rechte herumliegt, weniger juristisch abgesichert ist (empfohlen, vorzuziehen, verdienstvoll sind hier die Vokabeln), aber dennoch nicht weniger wichtig. Hier sind es am Ende noch vier Punkte, die Prof. Khayyat wichtig erscheinen: Erstens gutes Beispiel. Hier sollten die Eltern in Wort und Tat vorangehen und versuchen, ihre eventuell vorhandenen schlechten Eigenschaften zu verbergen, nicht zu lügen und keine falschen Versprechungen zu machen. Denn das Kind sei der Spiegel der Familie, besonders der Mutter, und die Eltern könnten einem Kind nichts Besseres mitgeben als eine gute Erziehung, so schon Mohammed, und die weitere Tradition kennt den Spruch, wer nur seinen Besitz weiterentwickle und nicht auch den Charakter seiner Kinder werde am Ende beide verlieren. Der zweite Punkt ist gute Gesellschaft, da schon Mohammed gesagt habe, dass ein Mensch normalerweise seine Freunde nachahme und sie deshalb gut wählen müsse. Die Erziehung des ältesten Kindes sei daher besonders zu achten, da es das Vorbild für seine jüngeren Geschwister sei. Ansonsten sollten die Eltern oder die Familie gut erzogene Gleichaltrige aus guter Familie aussuchen, damit das Kind nicht von schlechter Gesellschaft eine obszöne Sprache und schlechte Gewohnheiten lernt. Das dritte sei Freundlichkeit zu Kindern im Gegensatz nicht zu Disziplin, wohl aber zu Gewalt, denn – so schon islamische Gelehrte – Gewalt in der Erziehung schaffe nur Neigung zur Gewalt und zerstöre das, was wir heute die sozialen Kompetenzen nennen würden. Man könne also sagen, dass die islamische Erziehung zuerst den guten Menschen schaffen wolle und dann den guten Bürger. In diesem Alter (im Gegensatz zu später in Anlehnung an eine Hadith) solle man Kindern lieber nur drohen oder ihnen höchstens einen Klaps auf die Hände geben. Schließlich sollte man Kindern die Eigenschaften beibringen, die der Islam fordere, also Frömmigkeit und Gottesfurcht, öffentlich wie privat, Männlichkeit (also keine Gewöhnung an Bequemlichkeit und Luxus, nicht alle Wünsche erfüllen), Respekt, Fürsorge, Gehorsam und Bedienen der Eltern, Auswendiglernen der Fatihah und anderer Suren, Gewöhnung an Wahrheit, Geduld, Verantwortung, Mut sowie an verschiedene islamische Alltagsrituale daheim, in der Gesellschaft und in der Moschee. 7.2.2.2. Die christliche Nachfrage nach dem Ist-Zustand Die Detailfülle ist, wie schon gesagt, überwältigend, und von daher war die Aufgabe der christlichen Antwort auf dieses Referat keine leichte, die aber Nete Rasmussen mit Bravour bewältigte. Sie machte zum einen deutlich, das heilige Texte, Bibel wie Koran, nicht von unseren Rechten als Menschen sprächen, sondern von unseren Pflichten Gott und den Menschen gegenüber. Erst aus den letzteren leiteten sich dann auch die Rechte ab, beispielsweise der Kinder. Aus der Fülle der

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vom Vorredner genannten Rechte greift sie als das wichtigste (und ja auch prominenteste) das Recht auf Unterhalt finanzieller Art heraus. Dann verweist sie darauf, dass Bibel wie Koran die Kinder noch als zukünftige Erwachsene sähen, also in ihrer Rolle in Familie und Gesellschaft, ähnlich wie sie Frauen als Ehefrauen und Mütter sähen und nicht als und in ihrem Wert als Kinder (oder Frauen) an sich. Letzteres sei eine Entwicklung im Westen und auch da erst in den letzten Jahrhunderten ab der Renaissance, wie sie sich aber in der UN-Charta der Kinderrechte niederschlage. Ebenso würden weder Bibel noch Koran zwischen großziehen und erziehen unterscheiden, zwischen Erziehung und Ethik, schon sprachlich nicht, wie es der Westen heute tue. Für jene war und ist Erziehung v. a. Moral, um aus einem Menschen ein gutes und wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu machen. Dagegen sei heute die Vorstellung, man könne, sowohl als Kind als auch als Erwachsener, ein gutes Leben führen, ohne sich um Ethik wissens- oder handlungsmäßig allzuviel zu kümmern, ziemlich weit verbreitet. Schließlich kommt Nete Rasmussen noch auf den Punkt zu sprechen, der ganz am Anfang der Vorrede kam, aber dann total unterging: die Praxis. Wie sieht nicht der Soll-Zustand aus, also Koran und Sunnah, mit der Muslime üblicherweise auf jede Frage antworteten, sondern wie sehen die tatsächlichen Vorstellungen und deren Umsetzung aus, in verschiedenen Ländern, Umfeldern, sozialen Schichten. Sie bezeichnet dies selbst als vielleicht typisch westlich-christlichen Ansatz, zuerst auf den Ist-Zustand zu schauen und dann zu den Defiziten bzgl. des Soll-Zustands zu kommen, doch hat sie damit tatsächlich einen wichtigen Punkt angeschnitten, der nicht nur dieses Referat betrifft, sondern viele Referate und viele Dialoge überhaupt.86 Die Gefahr ist häufig, dass ein muslimischer Soll-Zustand mit einem christlichen Ist-Zustand verglichen wird, was zu einer Schieflage der Argumentation und manchmal auch der Gemüter führt. Es wäre wirklich erstrebenswert, wenn man sich auf eine gemeinsame Herangehensweise an Themen einigen könnte, um nicht – beim formal selben Thema – am Ende doch Äpfel und Birnen zu vergleichen. 7.2.2.3. Christliche Erziehung in ganz praktischer Herangehensweise So war es beispielsweise typisch, dass die christliche Referentin das Thema als Reflexion ihrer eigenen Praxis als Mutter und als Christin anging, mit einigen grundlegenden Erwägungen zu Beginn, allen voran der, dass die Anerkennung, dass das Kind Rechte habe (wie durch die UN geschehen), bedeute, dass das Kind 86 Nach Khayyat, Abdul Aziz, The Pre-school Child: Rights and Education, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 67–93 und Rasmussen, Nete, Christian Response, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 94–97.

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eine Person sei, ein Subjekt und kein Objekt. Für Gläubige sei das offensichtlich, da für sie Gott der Schöpfer allen Lebes sei und die Menschen nur dessen Übermittler, denen das Leben folglich nicht gehöre. Auch sie sieht die Korrespondenz von Rechten der einen und Pflichten der anderen Seite, die beim menschlichen Nachwuchs besonders offensichtlich sei, sei er doch länger und in größerem Umfang auf Hilfe von anderen angewiesen als jede andere Spezies. Hier seien die Eltern gefordert, unterstützt von der umgebenden Gemeinschaft. Doch da der Mensch nicht nur ein materielles, sondern auch ein spirituelles Wesen ist, geht es dabei von Anfang an auch um die Entwicklung dieser zweiten Seite. Praxistests hätten erwiesen, dass Kinder liebende Fürsorge bräuchten, wenn möglich in Form von individueller Zuwendung, und dass sie Regelmäßigkeit bräuchten, was Zeit, Ort, Personen sowie die Erziehung generell angehe. Das sei am ehesten in einer Familie gegeben. Das Kind sei vom Augenblick seiner Empfängnis ein menschliches Wesen, das bereits über ein ganz spezifisches genetisches Erbe verfüge. Erziehung sei von daher eher etwas herauszuführen (im Wortsinn des englisch-lateinischen education) als etwas hineinzulegen. Erziehung habe das Ziel, einen freien, verantwortlichen Erwachsenen hervorzubringen, der selbst Entscheidungen für sein Leben treffen könne. Dazu seien Sicherheit und Ermutigung nötig. Auch dürfe man ein Kind, so klein es auch sei, nie belügen oder ihm falsche Versprechungen machen, sondern lieber eingestehen, dass auch Erwachsene nicht alles (haben) könnten. Das Kind müsse respektiert werden: Gerade ganz am Anfang bestimme es den Lebenslauf, um dann schrittweise zu lernen, sich auch selbst an andere Menschen und Umstände anzupassen. Auch sein Körper müsse respektiert werden – dies war v. a. gegen sexuellen Missbrauch gerichtet. Man dürfe es nicht erniedrigen, lächerlich machen, ja überhaupt zum Objekt machen. Respekt bedeute aber auch, ihm ehrlicherweise von Anfang an Grenzen aufzuzeigen, ihm Verantwortung und Respekt vor anderen beizubringen. Und schließlich bedeute es, ihm seine spirituelle Seite nahezubringen, seinen Gottesbezug. Autorität ist nötig, aber eher eine feste, ruhige Entschlossenheit, die das Kind an der Hand nimmt, als Despotismus, der einmal dies, einmal jenes fordert. Zunächst geht es um Gesundheits- und Hygieneregeln, dann um das Leben in Gemeinschaft und schließlich um die ersten Schritte in der Gesellschaft. Aus einem Müssen kann allmählich ein Sollen werden, das Raum lässt für Selbstdisziplin, für persönliche Überzeugungen im Leben, für einen eigenen moralischen Rahmen, sprich für Autonomie, die ja als Erziehungsziel angegeben worden war. Je weiter eine Gesellschaft entwickelt sei, was Wissen und Wissenschaft angehe, desto wichtiger sei schon die Vorschulerziehung für die Zukunft des Kindes. Ein Kind sollte konzentriert zuhören können und dazu seien gerade heute Stille und Innerlichkeit notwendig als Gegengewicht gegen Zerstreuung und Oberflächlichkeit und als Hilfe, die eigene Bestimmung zu finden und seine Identität nicht zu verlieren – und letztendlich zu Gott zu finden. Der Erzieher sollte dem Kind auch beibringen, seine Angst zu überwinden, sei es auf physischer oder auf mo-

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ralischer Ebene. Das sei sehr wichtig, denn an der Wurzel von Fanatismus, Gewalt und Aggressivität liege normalerweise schlicht und einfach Angst. Außerdem sei es wichtig, das Kind zu ermutigen, Dinge zu bewundern, ihm Idealismus und Selbstlosigkeit beizubringen. Kein anderes Ziel außer Profit zu haben beraube den Menschen schließlich jeden Adels und führe zu Frustration. Auch Fantasie und Spiel sowie Humor seien sehr wichtig, um Neues zu lernen, verlieren zu lernen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Außerdem müsse man Kinder möglichst vieles selbst enträtseln lassen, sie lernten auch durch Fehler, aber nicht durch Passivität. Das Kind müsse auch lernen, zu teilen (Besitz und Wissen), um Solidarität zu lernen und dass es durch Teilen nichts verliere, sondern etwas anderes hinzugewinne. Ein Kind sollte nicht zu sehr davon besessen sein, zu besitzen. Schließlich sollte ein Kind, gerade als Christ, lernen zu vergeben, da Rache und Strafe für eine böse Tat ihm nicht zustehe. Rache zerstöre, Vergebung baue wieder auf. Der Liebe, sei es die der Eltern, eines Elternteils oder Gottes, die es kennenlernt, kommt eine Schlüsselfunktion zu, außerdem auch dem vorgelebten Beispiel – dadurch können die Erwachsenen ihre eigene Erziehung fortsetzen und sich selbst verbessern. Schließlich sollten Erzieher aber auch nicht zu perfektionistisch sein – Gott sei ja auch noch da. Man solle Kinder als Söhne und Töchter Gottes ansehen, wie umgekehrt Kinder zu Erwachsenen aufsehen als wären sie Gott. 7.2.2.4. Von muslimischer Seite: viele Vorwürfe dazu Die muslimische Entgegnung ergeht sich zunächst in Mutmaßungen über den Einfluss des Islam auf die Erziehung und das Schulwesen in Europa, die aber nicht einmal in sich stringent sind, um dann zu betonen, dass mit Eph. 6,4 das Christentum die erste Religion war, die dazu aufforderte, Kinder liebevoll zu behandeln, und der Islam die erste, die grundlegende Rechte der Kinder anerkannt habe. Dazu gehöre das Recht, betreut und beschützt zu werden, zu lernen und erzogen zu werden, und noch weitere Rechte im Bereich des Erbrechts. Der Geist dieser Rechte habe aber in vielen islamischen Ländern noch nicht Gestalt angenommen. Der Koran sehe die Kindheit als eine Phase des menschlichen Lebens, das sogar schon vor der Empfängnis beginne. Kinder und Geld seien laut Sure 18,45 f die Freuden des Lebens in seiner niederen Phase, die bleibenden Freuden aber seien gute Taten. Erst nach diesen Präliminarien ging Husni ‚Ayesh auf das Referat selbst ein, dem er vorwarf, zu sehr von der Moderne und modernen pädagogischen Vorstellungen geprägt zu sein und dadurch auszublenden, dass Muslime und Christen einander seit Jahrhunderten Vorwürfe machten über die Art und Weise, in der der jeweils andere seine Kinder erziehe. Außerdem wirft er der Referentin vor, keine biblischen, v. a. neutestamentlichen Belege für ihre Ansichten gegeben zu haben, auch wenn er nicht dem Irrtum verfällt, mit einem Zitat wäre das Problem erledigt und auf die Praxis brauche man gar nicht mehr einzugehen. Außerdem wirft er ihr vor, die zeitliche Eingrenzung des

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Themas nicht beachtet und Kindheit bis zur Pubertät behandelt zu haben, ganz offensichtlich, wo Fragen der Konzentration angesprochen sind, die bei kleinen Kindern nur sehr klein sei. Die Wurzeln für Vorurteile lägen aber in den allerersten Jahren und dieses Problem habe sie überhaupt nicht behandelt. Außerdem scheine sie die UN-Deklaration zu Kinderrechten zu unterstützen – ob dies auch für das dort angeführte Recht von Kindern auf Religionsfreiheit gelte und was ein Kind davon habe? Außerdem habe sie nichts dazu gesagt, wer Kinder gegenüber dem tyrannischen Verhalten von Eltern verteidigen könne, wie sie zum Schlagen von Kindern stehe (weil Schulen vielleicht die einzigen Institutionen seien, die dies noch täten, wobei er nicht sagt, wo). Außerdem habe sie nichts zum Verhältnis der Geschlechter gesagt (hier erwähnt er sogar Bibelstellen), nichts zu behinderten oder zurückgebliebenen Kindern sowie den Unterschieden zwischen Kindern und auch nichts zur Koedukation (was allerdings im Vorschulalter noch kein Problem sein dürfte). Schließlich sprach er noch die Problematik Adoption versus Vormundschaft an und die in seinen Augen auch problematische christliche Betonung der Liebe: „Christianity is the religion of love. The emphasis in Islam is on mercy and compassion which protect love from turning into its antithesis in the upbringing of children, e.g. sadism. Islam is the religion of mercy.“87 Dies ist zumindest in christlichen Ohren eine sehr steile These und eine fast schon bösartige Unterstellung, während seine sonstigen Anmerkungen zum Referat, bei viel grundsätzlicher Zu- und Übereinstimmung, durchaus zutreffend sind. Interessant ist auch, dass beide Referate erwähnten, dass durch die automatische Vorbildfunktion der Eltern diese sich bessern sollten bzw. könnten.

7.2.3. Rechte und Erziehung des Schulkindes 7.2.3.1. Die Bildungssituation in der arabischen Welt ist eine Katastrophe Die letzte Diskussionsrunde beschäftigte sich schließlich mit den Rechte und der Erziehung des Schulkindes. Der christliche Referent zum Thema kam aus Ägypten und betonte zunächst, dass es v. a. die Religionen und da wieder der Islam war, der die UN-Erklärung zu den Rechten der Kinder vorangebracht habe und von daher sie wohl logischerweise auch als wünschenswert erachte (mit Ausnahme der Aussagen zur Adoption). Was nun die schulische Erziehung anbelangt, so grenzte er deren tatsächliche Bedeutung erst einmal durch zwei Punkte ein: Zum 87 ’Ayesh, Husni, Muslim Response, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 113, s.a. p. 110–112.114. Er nimmt Bezug auf das vorher zusammengefasste Referat Eisele, Marie-Paule, Rights and Education of the Pre-school Child, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foudation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a MuslimChristian Colloquium, Vatican City s.a., p. 98–109.

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einen dadurch, dass Erziehung nicht mit der Schule beginne, sondern mit dem Elternhaus, und dass viele verschiedene Faktoren aus der Umgebung des Kindes bei der Erziehung mit- und oft auch gegeneinander wirkten. Zum anderen gehe nur die glücklichere Hälfte der Kinder dieser Welt überhaupt zur Schule, um von den behinderten Kindern noch gar nicht zu reden. Dann nahm er sich die UN-Erklärung zu den Rechten der Kinder im Detail vor, um sie in interessanten Einzelpunkten zu beleuchten, einsetzend damit, dass von allen Bedürfnissen der Kinder in dieser Erklärung die Rede ist und diese in Rechte umgemünzt werden, außer von dem Bedürfnis nach Glauben und religiöser Erziehung. Die Begriffe religiös und spirituell seien bewusst vermieden im Blick auf die internationale Staatengemeinschaft (und deren auch atheistische Mitglieder). Stattdessen sei nur neutral von Werten die Rede, die dem Kind vermittelt werden müssten. Das Kind habe (alles nach Artikel 29 der Erklärung) ein Recht auf ein homogenes und umfassendes geistiges, körperliches und kulturelles Wachstum, bei dem seine Talente und Fähigkeiten möglichst zur Geltung gebracht werden sollten (mit besonderem Schutz für Kinder von Minderheiten nach Artikel 30) – was wiederum Pflichten für andere sind. Man könne es auch interpretieren als Aufforderung, am Großziehen eines von Gott geschaffenen menschlichen Wesens mitzuwirken. Nach diesem Artikel müsste man allerdings mit einem Grundschulkind von Anfang an über die Menschenrechte sprechen, was der Referent aus seiner pädagogischen Erfahrung heraus für praktisch undurchführbar hält. Ein theore­tisches Gespräch über die Menschenrechte sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, wohl aber ein Praktizieren in der Schule, was beispielsweise die Nichtanwendung der Prügelstrafe aus Respekt vor dem Kind angeht, wobei dann auch darauf hinzuwirken sei, dass die Elternhäuser mit an diesem Strang zögen. Gerade diese Einheitlichkeit zwischen Regierung, Familie, Schule und Gotteshaus und wie sie erreicht werden könnte ist dem Referenten ein Anliegen und eine Frage, denn allein Überlegungen und Erklärungen, die aber nie an der Basis ankämen, für die sie gerade gedacht und auch nötig seien, nützten ja nichts. Eine weitere Frage sei, wie man Kinder dazu bringen könne, sich nicht nur um sich selbst zu kümmern, sondern auch um hilfsbedürftige Menschen (und beispielsweise abzugeben?) und schließlich als allerwichtigstes, wie man Kinder zum Frieden und zur Nächstenliebe erziehen könne und zur Anwendung der Menschenrechte gerade in Gegenden, die von Gewalt und religiösem Extremismus geprägt sind. Amin Fahim geht dann noch ausführlich auf die besonderen ägyptischen Anstrengungen ein, die sich v. a. in einer zeitlichen Ausweitung der Schulpflicht und einer schrittweisen Abschaffung der Gebühren für Bildungseinrichtungen (seit 1962 sind auch Universitäten kostenlos) niederschlug. Theoretisch sei also alles bestens, die tatsächliche Realität sei allerdings weit davon entfernt – und das seit Jahrzehnten. Der Schulbau, Ausstattung inklusive, hinke dem Bedarf noch immer hinterher, bedingt durch wirtschaftliche Schwierigkeiten und durch das Bevölkerungswachstum. Mindestens die Hälfe der Ägypter über zehn Jahre seien Analpha-

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beten, die als Eltern automatisch bei den Kindern wieder wenig Wert auf Schulbildung legten, besonders dann, wenn ihre Hilfe anderweitig gebraucht werde. Wobei Eltern überhaupt den Sinn der Schulausbildung weniger in der Bildung an sich sähen, sondern in guten Examina, die schlussendlich gut verdienende Posten ermöglichten. Die Lehrpläne seien zwar gut, die Lehrmethoden (reines Wiederholen) aber hoffnungslos veraltet, gerade im Bereich des Religionsunterrichts, wo doch Gewissensbildung und Verknüpfung mit dem Alltag so nötig wären. Und die Ferien seien so lang, dass am Ende nur 120 tatsächliche Schultage verblieben und damit zu wenig Zeit für die Lerninhalte, was wiederum zu einem System von zusätzlichen und teuren Privatstunden führt. Seine eigene Organisation versucht, dem entgegenzuwirken, doch gerade an diesem Beitrag wird deutlich, wie steinig der Weg ist, wenn man ihn nicht nur in der Theorie darlegt, sondern den Mut hat, die Diskrepanzen zwischen Soll- und Istzustand ins Visier zu nehmen, wie es besonders dieser Beitrag tut. So kommt auch der muslimische Kommentator zu dem Schluss, dass ein Kind zwar das Recht auf Lernen und eine angemessene Erziehung hat, dass die schulische Erziehung ägyptischer Kinder aber nicht dem entspreche, was die UN-Erklärung unter einer der Persönlichkeit, der Freiheit, den Fähigkeiten und zukünftigen Aufgaben des Kindes entsprechenden Erziehung verstehe. Prof. Omar El-Sheikh ging sogar noch weiter dahin gehend, dass diese Situa­ tion der der gesamten arabischen Welt entspreche, bei der man von 50 Prozent funktionalem Analphabetismus, 80 Prozent kulturellem Analphabetismus und 99 Prozent technologischem Analphabetismus in der Bevölkerung ausgehen könne. Benachteiligt seien Mädchen gegenüber Jungen, die Landbevölkerung gegenüber den Städtern und die Armen gegenüber den Reichen. Seine Anfrage ist, inwieweit die Gesellschaft dem Staat helfen könne, diese Aufgabe zu schultern, auch finanziell. Die weitere Frage ist, was genau eigentlich die laut UN-Erklärung angemessene Erziehung der Kinder ist, welche Schule(n) ihr entsprechen und welche Position dabei der Religionsunterricht einimmt. Auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen schulischer und außerschulischer Erziehung und ob letztere überhaupt berücksichtigt werden kann, ist ihm wichtig.88 Es sind dies also beides die Beiträge der (selbst)kritischen Fragen: Ein Kind hat das Recht auf eine angemessene Erziehung, doch wie kann und soll sie konkret aussehen, wie lässt sie sich umsetzen unter den in verschiedener Hinsicht schwierigen Bedingungen der arabischen Welt? 88 S. Fahim, Amin, The Rights and Education of Children in Schools, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a MuslimChristian Colloquium, Vatican City s.a., p. 117–126, El-Sheikh, Omar, Muslim Response, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 127–129.

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7.2.3.2. Von muslimischer Seite: das Problem einer identitätsstiftenden Erziehung Das muslimische Referat zum Thema, gehalten von Hani Abdul Rahman, war nicht so handfest praxisbezogen, lieferte dafür aber jede Menge Überlegungen zum theoretischen Unterbau. Erster Ausgangspunkt dabei ist, dass das Gutsein eine inhärente menschliche Eigenschaft ist, was konkret meint, dass der Mensch auch sehr gut imstande ist, durch verschiedene Erfahrungen zu lernen. Erziehung sei eine menschliche Sache, habe menschliche Ziele, die für den Menschen gut seien, und müsse von einer menschlichen Institution umgesetzt werden. Bei der Erziehung geht der (menschliche) Erzieher mit einem rezeptiven anderen Menschen um, um einen guten menschlichen Bürger hervorzubringen, der Informationen, Werte sowie Gewohnheiten und Fertigkeiten besitzt. Gerade was Werte und Trends angehe, so sei ein selektiver Prozess im Erziehungswesen nötig in Übereinstimmung mit dem Bezugsrahmen der jeweiligen Gesellschaft und ihrer spezifischen Moderne. Dies sei in einer demokratischen (oder ähnlichen) Gesellschaft mit klarer Identität und Stabilität kein Problem, könne aber sehr schwierig und sogar gefährlich werden in Gesellschaften, die einem raschen sozialen Wandel unterlägen, keine klare kulturelle Vision hätten und Individuen mit pluraler Loyalität. Dies führt zu einer Verwirrung in der Erziehung, die wiederum die Verwirrung in der Gesellschaft und bei den Individuen noch steigert, v. a. wenn es sowieso schon eine Identitätskrise der Gesellschaft gibt und eine Schwäche der demokratischen Vorgehensweisen. Das führe dann zur Aufspaltung der Gesellschaft in Befürworter und Gegner von Veränderung. Was diesen Prozess angehe, so seien weniger die Probleme unterschiedlich als vielmehr die Art und Weise, in der die verschiedenen Gesellschaften mit diesen Problemen umgingen, sprich die Denkkategorien in der Gesellschaft, bei den Menschen, die schon die Wahrnehmung des Problems bestimmten. Jede Gesellschaft gehe mit Problemen und neuen Entwicklungen im Rahmen ihrer Identität und Philosophie um. Folgerichtig geht es dem Referenten auch in der Kindererziehung v. a. um Harmonie und Ausgewogenheit aller Komponenten. Da die arabische Welt aber im Wandel sei, gebe es konkret genau das Gegenteil. So wichtig Geld sei, um ein Erziehungssystem zu organisieren, noch wichtiger sei die Philosophie, die dahinterstehe, ihre konsequente Umsetzung und ihre Übereinstimmung mit den Spezifika der jeweiligen Gesellschaft (was auch die Akzeptanz und Umsetzung erleichtere, denn meistens seien diese Werte unsichtbar im Sinne von unreflektiert und würden umso fester gehalten). Selbstreflexion auf diese konstituierenden Elemente in Beziehung zu anderen Kulturen und zu den Komponenten und Möglichkeiten des menschlichen Geistes und zum generellen menschlichen Rahmen seien deshalb unerlässlich, gerade angesichts der technologischen Revolution mit ihren menschlichen Nachwirkungen, wie sie die arabische Welt gerade erlebe. Diese Art von philosophischen oder weisheitlichen Überlegungen machten einen Menschen menschlicher, indem sie z. B. Vorurteile beseitigten oder Vernunft in Situa-

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tionen hineinbrächten, die bislang impulsiv und von Emotionen regiert worden seien. Es gebe auch einen himmelweiten Unterschied zwischen echten (reflektierten) Überzeugungen und bloßen Konventionen. Oft gebe es da Brüche und Reden und Handeln stimmten nicht überein, was den Erfolg von Erziehung unmöglich mache. Es sei auch nicht möglich, eklektisch Elemente unterschiedlichster Herkunft zu kombinieren, deren Philosophie sich widerspreche. Der Referent setzt sehr auf die lange vernachlässigte islamische Karte, die die praktische Umsetzung von Werten wie Verantwortung, Hingabe, Ehrenhaftigkeit, Vertrauen, Standhaftigkeit und Produktivität bringen soll, die in den arabisch-islamischen Ländern schon lange diskutiert, aber eben nicht praktiziert wurden. Trotzdem ist in einem folgenden Überblick zum Thema Erziehung in der Geschichte die Sicht des Islam sehr positiv, die des Christentums ausgesprochen negativ (was sich wohl v. a. auf die naturwissenschaftlichen Denkverbote bezog): „In Medieval times darkness engulfed educational concepts in Europe, whereas prosperity and development were characteristic features of the noble educational concepts which prevailed in the Islamic Arab world as a result of the spread of Islam and of adherence to divine guidance.“89 Und wieder: der Islam und seine Gesetzgebung In einem großen Sprung geht die Aufzählung dann direkt zur UN-Menschenrechtserklärung über, die eine Erklärung zur Sorge für Kinder anerkannt habe, die schon 1924 in Genf gemacht worden war. Dieses war sozusagen die Basis für die UN-Erklärung zu den Rechten der Kinder, die auf folgenden Prinzipien beruht, die der Referent anführte: die unterschiedslose Geltung dieser Rechte für alle Kinder und damit der Schutz vor rassischer oder religiöser Diskriminierung sowie das Wohl des Kindes als vorrangiger Belang der Gesetzgebung, konkret dessen Schutz vor Vernachlässigung, Grausamkeit und Manipulation (Kinder sollten immer die Ersten sein, die Schutz und Hilfe bekommen), sowie alles, was notwendig ist, damit es geistig, körperlich, geistlich, ethisch und sozial auf natürliche und gesunde Weise wachsen kann. Dies bedeutet konkret genügend Essen, medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf und auch Unterhaltung. Außerdem hat jedes Kind von Geburt an das Recht auf einen Namen und eine Nationalität. Behinderte Kinder sollten eine ihren Bedürfnissen angemessene Versorgung und Erziehung bekommen. Um eine reife Persönlichkeit zu werden, brauche das Kind Liebe und Verständnis, sprich, das Großwerden bei den Eltern. Außerdem hat das Kind ein Recht auf Erziehung, die verpflichtend und kostenlos 89 Rahman, Hani Abdul, Rights and Education of Children in Schools, as Related to Government and Society, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p. 137, s. a. p. 130–136.

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ist, zumindest in der Anfangsstufe. Kinder sollten auf der Basis von Verständnis, Toleranz, Völkerfreundschaft, Frieden und universaler Brüderlichkeit erzogen werden sowie in dem Bewusstsein, ihre Begabungen und Kräfte in den Dienst seiner Geschwister stellen zu sollen. Der Referent ging dann darauf ein, wie einzelne Gesetze arabischer Länder dies in die Tat umsetzten, um erst nach diesem Anlauf überhaupt zu der Frage zu kommen, welchen Standpunkt denn nun der Islam zur Kindererziehung einnehme. Die islamische Gesetzgebung habe den Schutz von Mutterschaft und Kindheit in einer Weise betont, die umfassender und tiefer gehend sei als moderne Gesetze, womit gemeint ist, dass diese Gesetze auf den Schöpfer selbst zurückgingen und er die ethischen Normen mit Belohnungen in dieser und der nächsten Welt verknüpft habe. Islamischer Erziehung gehe es letztlich immer um die Verknüpfung der endlichen mit der unendlichen Welt. Wieder wird in diesem Zusammenhang Ghazali zitiert mit seiner Aussage, ein Kind sei wie ein ungeschliffener Edelstein – es habe angeborene Anlagen, aber letztlich prägten ihm die Eltern den entscheidenden und unterscheidenden Stempel auf. Das anzu­ strebende Ideal ist wiederum das einer Ausgewogenheit in alle Richtungen. Wieder wird betont, dass die Vorsorge für das Kind im Islam schon vor der Heirat mit der Wahl des richtigen Partners beginne. Außerdem werde das Leben des Kindes geschützt, Kindermord sei selbst im Krieg verboten und Abtreibung streng reguliert. Schwangere Frauen und Kinder vor der Pubertät dürften nicht bestraft werden (wie auch schlafende oder geisteskranke Menschen nicht). Außerdem sei der Islam vorbildlich in der Ablehnung jedweder Diskriminierung was Hautfarbe, Rasse oder Glauben angehe, wenn es um die Mittel zum Leben gehe. Gemeint ist damit ein Leben in Freiheit und Verantwortung: „Man’s right to lead a free life has always been protected in Islam. However, this granted freedom has been guided by Quranic controls.“90 Sodann hat das Kind das Recht auf ein stabiles Familienleben und eine sorgfältige Erziehung. Der Schutz der Familie beginnt wieder schon vor deren tatsächlicher Existenz, nämlich mit der notwendigen Zustimmung von Mann und Frau als Basis für deren Erfolg. Für Frauen sei es eine Hauptaufgabe, Kinder zu gebären und zu versorgen, während es für den Mann ein Verdienst sei, Mutter und Kinder zu versorgen, gerade Mädchen und Waisen. Der islamische Staat hat die Rahmenbedingungen und Regelungen dafür bereitzustellen, bis hin zu den zwei Jahren Stillzeit – auch eine viel zitierte Vorschrift in diesem Zusammenhang. Was nun Lernen speziell angeht, so ist es im Islam eine Pflicht für Männer wie Frauen, deren Nichtbefolgung bestraft wird. Auch sei der islamische Staat der erste mit kostenloser Erziehung für alle gewesen, was noch an den religiösen Schulen erkennbar sei, wo Studenten finanzielle Hilfen zum Lebensunterhalt bekämen. Sehr viel Wert wird auf gute Manieren, besonders auch auf gute Sprache gelegt (aber auch auf Geschichte und Poesie sowie auf Schwimmen, 90 Ib., p. 143, s.a. p. 138–142 und für das Folgende p. 138–150.

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Reiten und Bogenschießen bei Jungen). Grausamkeit und demütigende Sprache sollten aber in der Erziehung vermieden werden, auch bei Jungen, wobei Strenge und Schläge durchaus vorgesehen sind, beispielsweise wenn zehnjährige Kinder die Pflichtgebete noch nicht verrichten. Auf der anderen Seite ist nach der Erfüllung der Pflichten auch Spiel vorgeschrieben – der Islam sei ja eine realistische und deshalb perfekte Religion. Seine praktischen Forderungen zielen – in Übereinstimmung mit seinen ersten Überlegungen  – zunächst und immer wieder v. a. darauf ab, Umfeld, Schule und technologischen Fortschritt und damit auch Theorie und Praxis sowie die verschiedenen Entwicklungsstufen eines Kindes in Gleichklang zu bringen, sodass sie ein einheitlich ausgerichtetes Lernfeld bilden und keine Identitätskrisen bei den Kindern hervorbringen, sondern Zugehörigkeit zu sowie Respekt und Verantwortlichkeit gegenüber Staat und Gesellschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fördern. Dann aber zielen sie auch darauf, wirklich allen Kindern dieselben Möglichkeiten zu geben, auch denen, die in der Sahara aufwachsen, sowie negative Elemente in der Kindererziehung zu vermeiden, wozu für ihn auch das bloße Wiederholen gehört. Besonderen Wert legt er dagegen auf das gute Beispiel und auf alles, was den Mut und die Freiheit eines Kindes födert, angefangen bei der mütterlichen Zuwendung über Meinungsfreiheit des Kindes, verantwortliche Informationsmedien bis hin zu besonderer Förderung für die Armen und Schwachen und zur Zerstörung all dessen, was Stagnation oder Charakterlosigkeit fördert. Kinder sollten lernen, ihre Intelligenz sensibel zur Lösung von Problemen sowie gegen Unterdrückung und Unter­jochung einzusetzen, damit sie nicht Opfer von vorgegebenen Meinungen werden. 7.2.3.3. Eine praktische christliche Gegenfrage: Wo bleiben die christlichen arabischen Kinder? Die Antwort auf diesen Vortrag erfolgte ausdrücklich aus einer arabisch-christlichen Perspektive und hakte zuerst bei der Frage nach dem Mittelalter ein oder vielmehr nach dem, was danach passierte, warum die arabische Welt stagnierte und der Westen sie auf- und überholte: Ob das dann Folge falscher Kindererziehung oder eines Ignorieren Gottes auf arabischer Seite sei? Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass viele christliche arabische Wissenschaftler zu diesen arabisch-islamischen Glanzzeiten beigetragen hätten. Was Antun Naber allerdings voll und ganz bestätigen kann, ist die Aussage Ghazalis, Kinder seien den Eltern anvertraut, wobei er Wert darauf legt, dass es nicht etwa die Gesellschaft ist, die das tut, sondern Gott selbst, der – zumindest nach christlicher Überzeugung – die Ehe eingesetzt hat mit dem Zweck der Fortpflanzung und des Großziehens von Kindern. Von daher sei die Familie auch kaum zu ersetzen, wenn sie ihre erzieherische Pflicht vernachlässige. Gesellschaft und Staat sind auch in der Pflicht, aber eher für die Rahmenbedingungen, nicht als Ersatz für die Familie und deren Erziehungsrecht. Sehr stark sieht er die Rolle und Verantwortung der Kirche.

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Darin bzw. in der christlichen Ethik sieht er auch die Lösung für die Erziehung der christlichen arabischen Kinder, die ja aus dem islamischen Schema des Re­ ferenten völlig herausgefallen waren. Es sei überhaupt das größte Manko des Referats, auf die Frage des christlichen Religionsunterrichts für christliche arabische Kinder überhaupt nicht eingegangen zu sein. Ein Recht darauf als gleichberechtigte Bürger hätten sie ja, die konkrete Handhabung in verschiedenen Ländern sei aber durchaus unterschiedlich und häufig diskriminierend, vielleicht auch bedingt durch versteckten religiösen Fanatismus. Auch wirft er ihm vor, auf die verderbliche Wirkung der Massenmedien, gerade was sexuelle Freizügigkeit und Gewalt betreffe, gar nicht eingegangen zu sein, wogegen schon die Evangelien davor warnten, Kinder zu verderben. Die Schulen seien dagegen der ideale Platz um richtiges Verhalten, also Verständnis, Toleranz und Freundschaft, Frieden und internationale Brüderlichkeit sowie Dienst am Mitmenschen einzuüben. Wenn die Regierung sich um die Schulen ausreichend kümmere, sei die ideale Gesellschaft sozusagen garantiert und Fortschritt und Wohlergehen für die arabische Nation.91 So berechtigt die Anliegen vorher waren, dieser Schluss ist wohl doch etwas zu enthusiastisch, wenngleich der Vorredner erwähnt hatte, dass der Weg zu einer besseren Gesellschaft historisch schon immer in den Kindern und ihrer Erziehung gesehen wurde. Doch ist zu erwarten, dass weder durch die hehren christlichen wie islamischen Erziehungsideale morgen oder übermorgen die ideale Gesellschaft entsteht, sondern dass man sich bestenfalls ihr annähert und im schlechteren Fall zumindest manche negative Entwicklung gestoppt werden kann. Auch die ideale Erziehung ist ja offensichtlich nicht so ganz leicht und einfach zu haben.

7.2.4. Das Beste für Kinder: Frieden, Gerechtigkeit, Entwicklung und Gesundheitsfürsorge Folgende Punkte erwiesen sich im Lauf der Diskussionen nach den Referaten als besonders wichtig und fanden Eingang in den Abschlussbericht: Das Leben des ungeborenen Kindes sollte respektiert werden (ein Weg dazu sei Schwangerschaftsvorsorge), weil Leben ein Geschenk Gottes ist. Deshalb müsse es für alle Anwendungen der Fortschritte im Bereich von Genetik und pränataler Technologie einen moralischen Rahmen geben, der auf göttlichen Vorschriften und ethischen Prinzipien fuße. Die erste Erzieher des Kindes seien die Eltern. Deshalb sollte die Gesetzgebung der Mutter die Zeit und Mittel geben, sich in den ersten Jahren um die Entwicklung ihres Kindes zu kümmern. Für die Erziehung 91 Nach Naber, Antun, Christian Response, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p.152–157.

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durch Vorbild und Spiel seien aber beide Eltern wichtig, weshalb auch die Heiligkeit der Ehe sehr betont wurde. Auf benachteiligte und behinderte Kinder sollte besonders eingegangen werden im Zusammenspiel von Eltern, staatlichen Einrichtungen und Organisationen von Freiwilligen. Schließlich wurde betont, dass vorrangig die Eltern das Recht hätten, über die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden, was der Staat respektieren sollte. Alle Kinder hätten ein Recht auf religiöse Erziehung sowie ein Recht auf eine Erziehung, die ihre Glaubenshaltungen und Werte respektiere. Im Interesse von Harmonie und Toleranz sollten Kinder aber auch lernen, den Glauben anderer zu verstehen und zu achten. Auch die Lehrer sollten das tun und sich dabei bewusst sein, dass es keine wertfreie Erziehung gibt. Deshalb sollten auch Curricula einen Geist von Toleranz und Zusammenarbeit fördern. Insgesamt sollte Erziehung auf nationaler und internationaler Ebene Priorität bekommen, da immer noch Millionen von Kindern keine Schule besuchen könnten. Außerdem sollte all das ausgemerzt werden, was Leben und Wohlergehen von Kindern als den schwächsten Gliedern der Gesellschaft bedrohe. Gut in dieser Hinsicht seien Frieden, Gerechtigkeit, Entwicklung und Gesundheitsfürsorge und damit auch der beste Weg, um die Rechte und Erziehung von Kindern zu sichern92. Die dritte Tagung sollte, so wurde beschlossen, im Juni 1992 in Rom stattfinden zur Frau in der Gesellschaft in Islam und Christentum.

7.3. Rom 1992: Frauen in der Gesellschaft Diese dritte Dialogkonferenz zu ‚Women in Society According to Islam and Christianity‘ fand vom 24.–26.6.1992 in Rom statt mit 30 Teilnehmern und auch wieder in Verbindung mit einer Papstaudienz. Die Referenten waren überwiegend Frauen und es ging um den Status von Frauen grundsätzlich, um die gegen­ wärtigen Probleme und Herausforderungen sowie um Zukunftsaussichten und zukünftige Möglichkeiten.

7.3.1. Eröffnungsansprachen 7.3.1.1. Für die Christen: Zeig mir, wie es den Frauen geht! Kardinal Arinze knüpfte in seiner einleitenden Ansprache mehrfach an die vorhergehende Dialogkonferenz an, in der man bei der Diskussion um die Rechte der Vorschulkinder besonders die Rolle der Mutter betont habe, weil ein Kind, 92 Nach The General Report of the Muslim-Christian Colloquium on the Theme: „The Rights and Education of Children in Islam and Christianity“ (Amman, Jordan, 13–15 December 1990), Islamochristiana 17 (1991), p. 220–222, auch als General Report, in: Pontifical Council for Interreligious Dialogue/Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), The Rights and Education of Children in Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium, Vatican City s.a., p.158–160.

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wie einer es ausdrückte, eben nicht so ganz voll ausgeformt zur Welt komme. Jeder verdanke sein Leben einer solchen Mutter. Als Mütter seien Frauen die Spenderinnen und Ernährerinnen des Lebens, und zwar nicht nur physisch, sondern auch geistlich, religiös wie menschlich-kulturell, indem sie die Kinder großzögen, ihnen ihre Identität und die ersten Lektionen über Gott vermittelten. Aber die Rolle der Frau in der Gesellschaft müsse noch breiter angelegt sein, das Konzept einer Art weiterführenden, geistlichen Mutterschaft eingeschlossen, wie es Nonnen verkörperten, aber auch Lehrerinnen, Krankenschwestern, Sozialarbeiterinnen u. ä. Beide Arten von Müttern lehrten ein Kind den Respekt vor Älteren und Gleichaltrigen, das Interesse und den Dienst an den Schwächeren und weniger Glücklichen der Gesellschaft, Mäßigung, Geduld, Großzügigkeit und Treue. Arinze geht dabei auf Jes. 49,15, wo Gott das Bild der Mutter benutzt, um seine treue, leidenschaftliche Liebe zur Menschheit zu beschreiben, wie ja auch das arabische Wort für barmherzig – eines der häufigsten Attribute Gottes im Islam – auf den arabischen Terminus für Mutterschoß zurückgehe. Die Liebe und schützende Fürsorge der Mutter gebe also den allerersten Eindruck davon, wie Gott sei. Auch wenn es konkret um mehr Respekt, Wertschätzung, Verständnis und Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslime gehe, dürfe man nicht vergessen, wie wichtig die Rolle der Mutter dabei sei. Wenn sie einem Kind beibringe, dass Christen und Muslime Geschwister seien, die von Gott aus einander lieben und miteinander in Frieden leben sollten, dann werde dieses Kind das sein Leben lang nicht vergessen. Erst nach diesem leidenschaftlichen Plädoyer kommt Arinze auch darauf zu sprechen, dass die Frau ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sei und die vollen gesellschaftlichen Rechte habe. Sie sei dem Mann gleichwertig und sollte daher auch die gleichen Chancen haben im Bereich Erziehung, Berufswahl und anderen. Wolle man wissen, wie es in einer Gesellschaft generell um die Menschenwürde bestellt sei, so müsse man nur sehen, wie in dieser Gesellschaft mit ihren einzelnen Bereichen Frauen behandelt würden. Beispiele von Diskriminierung und Ungerechtigkeit gegenüber Frauen seien, sie zu Lustobjekten der Männer zu degradieren in Prostitution, Pornographie und Werbung, oder auch ungleicher Lohn für gleiche Arbeit, ungerechte Arbeitsbedingungen, Diskriminierung bei Beförderungen und Vergünstigungen. Selbst in den Familien gebe es Ungerechtigkeiten gegen Frauen: Wenn die Jungen vorgezogen würden und wenn die Mutter als Dienstmagd und Packesel behandelt wird, deren Dienste selbstverständlich sind und für die man sich nicht bedanken muss. Christentum wie Islam hielten Gerechtigkeit für einen essentiellen Bestandteil des Lebens und den Menschen für mit Würde und unentäußerlichen Werten ausgestattet. Sie sollten sich miteinander überlegen, was sie für die angemessene, würdevolle Rolle der Frau tun könnten, wobei er hier interessanterweise auch die Männer sehr direkt ins Spiel bringt: „Men are called to a conversion whereby aggressiveness is tempered with mercy, where power is mitigated by participation, where pride is restrained by humility, where economic and social

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burdens can be lifted in a joyful, easy familial environment. It could be a worthwhile subject for a future colloquium for us to examine together the proper role of man in society according to Christianity and Islam!“93 Diese Tagung wurde leider nie Wirklichkeit. 7.3.1.2. Für die Muslime: Gelegenheit zur Korrektur von Missverständnissen Die Eröffnungsansprache des Präsidenten der Royal Academy for Islamic Civili­ zation Research hatte dagegen trotz ihres vielversprechenden Titels ‚Woman the Mainstay of Human Life‘ einen viel weniger inhaltlich-persönlichen, sondern überwiegend einen offiziellen Charakter, bis hin zu dem Hinweis, dass sich gleich im Anschluss an die Tagung das Joint Committee treffen werde, um Daten und Thema der nächsten Tagung festzulegen. Lediglich, wo er im Zusammenhang mit Thema Stellung der Frau auf Angriffe auf den Islam zu sprechen kommt, wird er deutlich persönlicher und engagierter. Er sieht diese Tagung v. a. als Möglichkeit, die falschen Vorstellungen über die elende Position der Frauen im Islam zu korrigieren, die doch so weit von der Realität entfernt seien. (Es war zwischen christlichen und muslimischen Gelehrten und Frauenorganisationen zu einer Kontroverse über die Artikel einer UN-Vereinbarung zur Abschaffung jeder Form von Diskriminierung gegen Frauen gekommen, die hier offensichtlich noch deutlich im Hintergrund steht.) Frauen seien positiv eben die Hauptstütze des menschlichen Lebens, von dessen Fortführung und Entwicklung. Sie machten quantitativ die Hälfte der menschlichen Gesellschaft aus. V. a. aber sei der Status von Frauen generell und speziell in der Religion vielen Verzerrungen und Missverständnissen in den Massenmedien und verschiedenen Zirkeln ausgesetzt: „For those who intend to distort the image of religion, and particularly of Islam, find in what they think to be the status of women in Islam an easy means to exaggerate wrong ideas about this religion. In fact what they believe to be the status of women in Islam is derived either from indiviual cases that resulted either from misapplication or misunderstanding, or from the writing of those who are prejudiced against Islam especially the people who are ignorant of the reality of this religion.“94 Die Erwartungshaltungen von dieser Seite sind also klar und deutlich.

93 Arinze, Francis, The Importance of Women’s Role in Society, in: Women in Society Accord­ing to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 9, s.a. p. 5–8. 94 El-Assad, Nassir El-Din, Woman the Mainstay of Human Life, in: Women in Society Accord­ing to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 13, s.a. p. 14.

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7.3.2. Der Status der Frauen 7.3.2.1. Frauen im frühen Islam – stärker als die Durchschnittsfrau von heute? Das erste Referat zum Status der Frauen im Islam bemühte sich auch sichtlich, diesen Vorgaben nahezukommen, was schon am Aufbau sichtbar wird: Der erste Teil befasst sich mit dem theoretischen Status der Frau im Islam, also mit den rechtlichen Regelungen, die Frauen betreffen, während der zweite Teil sich mit deren praktischer Umsetzung in der muslimischen Gesellschaft beschäftigt, bezeichnenderweise unter der Überschrift „Distortion of the Image of Woman’s­ Status in Islam“95. Das legt nahe, dass an dem schlechten Image des Islam in diesem Punkt vielleicht gar nicht missgünstige Außenstehende Schuld haben, wie die Eröffnungsansprache suggerierte, sondern die Muslime selbst mit einer durchgängig anders gestalteten Praxis, die die Theorie vergessen macht. Doch zunächst zu dieser Theorie nach der Darstellung von Prof. Dr. Khayyat, dem Vize­präsidenten der Royal Academy for Islamic Civilization Research. Der Islam, so führt er aus, sehe die Frau als Menschen wie den Mann, ohne Unterschiede bis auf das, was die Natur der menschlichen Struktur, wie er es nennt, vorschreibt. Dazu gehört die unterschiedlichen menschlichen Funktionen der beiden Geschlechter, nach der Frauen darauf vorbereitet sind, schwanger zu werden, Kinder zu gebären, sie zu säugen, sie großzuziehen und sich um sie zu kümmern. Inwieweit die beiden letzten Funktionen noch als rein biologisch zu bezeichnen sind, ist eigentlich eine berechtigte Frage, die aber nicht einmal ansatzweise gestellt wird, sondern der Referent geht von dieser ‚Begründung‘ sofort zu einem Schlüsselsatz über: „Islam’s rulings came to decree equality between males and females with regard to rights and duties except where dictated otherwise by their physical nature and their respective responsibilities.“96 Er fügt dazu Koranstellen an, die sich auf die Schöpfung beziehen und auf den Lohn im Jenseits. Was die religiösen, moralischen und sozialen Pflichten angehe, seien Männer und Frauen gleichgestellt, ebenso was Erziehung angehe, Arbeit, Transaktionen, Heirat und Haus. Ferner habe der Islam die Frau von ihrer Geburt an geehrt, indem er laut Interpretation von Sure 16, 58 f. die verurteilte, die die Geburt einer Tochter verurteilten. Eine Hadith verspricht das Paradies demjenigen, der eine Tochter weder lebendig begraben ließ noch sie verletzte noch ihr seine Söhne vorzog. Auch was Reichtum angehe, würden Männer nicht bevorzugt, sondern auch Frauen erhielten ihren Anteil am elterlichen Erbe. Nach Koran und Sunnah gebe es nichts, 95 Khayyat, Abdul Aziz, Women’s Status in Islam, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 17. 96 Ib.

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was Frauen davon ausschließe, Richter zu sein, einzelne muslimische Rechtsgelehrte haben dies sogar ausdrücklich zugestanden, so al-Tabari, der nur Mordfälle und die Verhängung der hudûd-Strafen ausschloss. Auch Abu Hanifah urteilte ganz ähnlich, dass Frauen so zart und mitleidig seien, dass sie Urteile wie Hinrichtug oder Auspeitschung nicht aussprechen könnten. Beispiele aus der Frühgeschichte des Islam werden angeführt, ähnlich im Bereich der Berufstätigkeit, die bis dahin gingen, ein Handwerk auszuüben, im Handel tätig zu sein, Frauen und Männer zu unterrichten, zu predigen, sich politisch zu betätigen und am Heiligen Krieg teilzunehmen. Es habe sogar prominente weibliche Gelehrte in vielen Fächern gegeben. Der Islam habe den Frauen auch das Recht gegeben, ihren Ehemann selbst zu bestimmen (auch wenn der juristische Vormund noch seine Zustimmung geben muss) und nicht gegen ihren Willen verheiratet zu werden. Außerdem habe der Islam die Frau als Ehefrau geehrt, indem er sie zur Verantwortlichen für den Haushalt gemacht habe, was dem Ehemann wiederum andere Pflichten auferlegt, hauptsächlich hinsichtlich Brautpreis und Unterhalt. Aus islamischer Sicht sei die Ehe kein Mittel zur Versklavung der Ehefrau, sondern ihr werde gute Behandlung zugesichert bis hin zum Schutz ihres Glaubens, sollte sie nicht Muslima sein, sondern einer der Buchreligionen angehören. Besondere Ehre lässt der Islam den Müttern angedeihen, sogar noch vor den Vätern. Die neun Ehren des Islam für die Frau Anschließend listet der Referent eine Serie von neun Punkten auf, die die Referenz des Islam für die Frauen ausdrückten. Erstens habe der Islam sie von dem körperlichen Fluch befreit, mit dem andere Religionen sie stigmatisierten. Das heißt, dass es nach islamischer Darstellung nicht Eva war, die Adam dazu brachte, von der Frucht des verbotenen Baums zu essen, sondern der Teufel selbst. Rein nach dem koranischen Text ist Eva also nicht die Verführerin, sondern im Gegenteil sogar zu würdig, um mit dem Ungehorsam zu beginnen. Zweitens habe der Islam berücksichtigt, dass die Frau von ihrer weiblichen Natur her für Haus und Kinder zuständig sei und daher nicht die Pflicht habe, die Kinder finanziell zu unterstützen, sondern dies dem Mann zukomme, der sie entsprechend seines Standes zu unterhalten habe. Sie sei die Hausherrin und nicht verpflichtet, Hausarbeit zu leisten, es sei denn freiwillig zur Unterstützung ihres Mannes. Drittens habe der Islam der Frau das Zeugenrecht verliehen, und zwar nicht nur in Angelegenheiten, die ausschließlich Frauen beträfen. Die Argumentation bzgl. der Details ist erhellend: „This right was jointly given to two women so that each of them may remind the other concerning the event or the case they are giving evidence about especially in crimes like murder and criminal attack, because women are usually more sentimental and easily moved than men and therefore they must give joint evidence. Men, on the other hand, are in closer contact with societal events and consequently a man was accorded the right to give evidence by himself (…). (…)/p. 25 The one woman

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evidence or testimony is accepted in matters related to women like testimony on birth, descent, suckling etc. It is an honor accorded to the woman that she is not exposed to what the man is made to confront in transactions, sales, debts and other dealings leading to law courts and appearing before the judge and being cross examined by plaintiffs, attorneys and others. Thus woman’s testimony is required only in cases of urgency.“97

Die Richtung war ja vorher schon deutlich geworden, als es darum ging, welche Fälle eine Frau als Richterin potentiell entscheiden dürfe, doch geht dies hier noch weiter in die Richtung, eine Frau der Gesellschaft fernzuhalten, auch wenn sie eigentlich, wie doch oben gesagt, voll teilnehmen dürfte. Es ist sozusagen eine besondere Ehre, die der Islam der Frau gibt – folgt man der hier eingeschlagenen Argumentation –, wenn sie die gesellschaftlichen Rechte, die die Religion ihr eigentlich einräumt, zum Schutz ihrer eigenen Empfindlichkeit möglichst nicht nutzt. Der Widerspruch, der darin angelegt ist, war dem Referenten aber offensichtlich nicht bewusst, denn er ging sofort zur vierten besonderen Ehre weiter, die der Islam der Frau angedeihen lässt, nämlich das Erbrecht, sei es als Witwe, Tochter, Mutter, Schwester oder Großmutter je nach der genauen rechtlichen Lage, wobei Töchter nur die Hälfte des Erbes von Söhnen bekommen, da sie der Familie gegenüber nicht unterhaltspflichtig sind. Die fünfte Ehre des Islam für die Frau sei die Möglichkeit der Polygamie, falls die erste Frau steril oder krank sei oder es schlicht zu viele unverheiratete Frauen gebe, die niemanden hätten, der sie unterstützte und beschützte. Dies bewahre Frauen davor, ihre Ehre zu verkaufen, sei es als Konkubine oder als Prostituierte, wie man dies in vielen europäischen und östlichen Ländern sehen könne. Sechstens habe der Islam der Frau eine unabhängige finanzielle Sicherheit gegeben, sie kann also über ihren Besitz völlig frei verfügen ohne dazu die Erlaubnis des Ehemanns, Vaters, Bruders oder Sohnes zu benötigen, wobei der Referent betonte, dieses Recht habe man der Frau im Westen erst kürzlich zugestanden. Die siebte Form der Würde, die der Islam der Frau zugestehe, sei die Möglichkeit der Scheidung, wobei zuerst ausführlich von der Scheidung gesprochen wird, die dem Mann zusteht, und dann erst die Erwähnung kommt, eine Frau habe die Ehre, sich das Recht auf Scheidung im Ehe­vertrag zusichern lassen zu können, oder das Recht, den Richter zu bitten, sie von ihrem Mann zu trennen auf Grund von Unverständnis, Schlägen, Missbrauch oder Zwang, etwas Verbotenes zu tun oder etwas Gebotenes zu unterlassen. Außerdem habe sie noch das Recht bekommen, ihren Mann zu bitten, ihr gegen die Zahlung einer Entschädigung eine Scheidung zu gewähren, um einem schlechten Eheleben zu entkommen, wobei Scheidung eigentlich verboten ist und man auf diese Möglichkeit nur zurückgreifen sollte, wenn es nötig ist. Der vorletzte Aspekt besonderer Würde sei schließlich der Schleier:

97 Ib., p. 24/25, s.a. p. 18–23.

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„permission of adornment, meeting of men for  a legitimate deed and prevention of secluded meetings that lead to forbidden immorality. (…) The veil was imposed on women by Islam which allowed them to expose their faces, hand palms and feet-nothing (sic!) else. (…)/p. 28 (…) This is enjoined to prevent immorality resulting from woman’s nudity and to enhance her modesty and chastity.“98

Auch diese Argumentation birgt wieder einen gewissen Widerspruch in sich, geht es doch offensichtlich de facto weniger um eine Ehre, die den Frauen erwiesen wird, als vielmehr um etwas, was ihnen auferlegt wird, weil sie sonst nicht moralisch genug handeln würden. Doch auch dieser Widerspruch in seiner eigenen Argumentation entgeht dem Referenten. Er kommt unmittelbar zum neunten und letzten Punkt, der Ehre des Rechts, den Ehemann selbst auswählen (oder auch ablehnen zu dürfen) und überhaupt grundsätzlich heiraten zu dürfen, wobei die Zustimmung des Vormunds schon wichtig sei, um den Zusammenhalt der Familien zu sichern. Es gibt aber auch hausgemachte Probleme … Schon die bisherigen positiven Ausführungen haben gezeigt, dass diese Art der Argumentation für einen Außenstehenden nicht immer so einfach nachzuvollziehen ist, während die folgenden vier Seiten detailgenau aufgeführter unerlaubter Abweichungen davon zeugen, dass die abgrenzenden Tendenzen, was Frauen betrifft, noch viel weiter getrieben wurden. Der Referent bezeichnet sie als Folgen fremder, vorzugsweise persischer und byzantinischer Einflüsse, die v. a. in den Phasen muslimischer Dekadenz und Isolierung, also unter den Mamelucken und Ottomanen die Vorherrschaft gewonnen hätten. Dann sei eine Phase gekommen, in der die Prediger daran interessiert waren, die muslimische Gesellschaft von der Korruption zu reinigen. Und das habe dazu geführt, dass man Traditionen zu Frau und Familie gefälscht habe – wieder eine Logik, die sich zumindest dem Außenstehenden nicht so ganz erschließt. Einleuchtender ist da schon der nächste Punkt zu den Folgen der Begegnung mit dem Westen, v. a. mit der Freiheit, die westliche Frauen genießen, sowie mit ihrem anti-islamischen Verhalten, wobei schon diese Klassifizierung tendenziös ist, unterstellt sie doch eine Absicht, die so wohl nicht vorhanden war. Dies habe wiederum eine ganz andere Reaktion ausgelöst: Imitation „in the same way/p. 29 as the vanquished imitates the victor and as the weak follows the steps of the strong“99 mit dem Ziel, die Barrieren zwischen Männern und Frauen zu stürzen. Man sitze, so das Bild des Referenten, zwischen zwei Stühlen, veraltete Traditionen einerseits und fremde westliche Konventionen andererseits. Die folgende Liste gefälschter Traditionen ist eindrucksvoll, doch fällt auf, dass ausgerechnet bei der Aussage, dass alle Frauen ein Übel seien und dass ihr schlimmstes Übel sei, dass sie unentbehrlich seien, die Angabe fehlt, warum diese 98 Ib., p. 27/28, s.a. p. 26. 99 Ib., p. 28/29, s. ferner p. 32.

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Tradition nicht verlässlich sei. Auch einige falsche Praktiken, die sich eingeschlichen hätten, werden kritisiert, darunter solche, die Frauen die Teilnahme an Gebeten in der Moschee untersagen. Wären Musliminnen auch so apologetisch gewesen? Insgesamt ist dies ein Vortrag mit einer ungeheuren Detailfülle, was Einzelregelungen und -probleme angeht, die gerade in dieser Frage überreich vorhanden sind, die sich aber anthropologisch an dem einen, ganz am Anfang gemachten Faktor festmachen, dass in Bezug auf Ursprung und Bestimmung nach dem Islam zwar Mann und Frau gleich sind, dass sonst aber doch sehr der Geschlechter­ unterschied, sprich die Frau als Mutter, in seinen sehr weit definierten Auswirkungen betont wird. In dieser Rolle wird die Frau sehr geehrt und soll sehr geschützt werden, was aber zur Folge hat, dass dieser Schutz in der Tendenz ihre Rechte auf Partizipation am gesellschaftlichen Leben auffrisst, da dies ja ihrer weiblichen Empfindsamkeit nicht zuzumuten ist. Ferner ist, selbst wenn teilweise als verfehlt dargestellt, die Tendenz vorhanden, die Frau, trotzdem sie im Koran nicht für die Sünde Adams verantwortlich gemacht wird, als sexuell gefährdet/nd zu sehen und von daher vom Mann eher fernzuhalten, wie weit auch immer diese Trennung als nötig angesehen wird. Es fällt auch das Bemühen auf, die scheidungsrechtlichen Regelungen und die Polygamie als positiv, respektvoll, ja eine Ehre gegenüber der Frau zu sehen. Hier wäre es interessant, ob eine muslimische Frau diesen Punkt genauso dargestellt hätte oder ob sie nicht kritischer gewesene wäre  – ohne dass man ihr deshalb gleich haltlose Nachahmung des antiislamischen Westens unterstellen müsste. Es fällt jedenfalls auf, dass die beiden anderen Beiträge, die von muslimischen Frauen gehalten wurden, weit weniger dick auftragen. Da es bei dieser Tagung auch keine offiziellen Antworten gab und die Diskussion nicht weiter dokumentiert ist, muss die Frage, ob und welcher Widerspruch dazu eventuell kam, leider offenbleiben. Vielleicht aber hätte es dem Thema überhaupt gut getan, wenn man die Frauen ganz unter sich darüber hätte diskutieren lassen, auch auf die Gefahr hin, dass in dieser völligen Freiheit von automatisch männlich geprägten Sichtweisen manch’ unkonventionellere Sichtweise geäußert worden wäre, und zwar durchaus auf beiden Seiten. 7.3.2.2. Auch auf christlicher Seite: Frau als gleichwertig, nicht gleich Der christliche Gegenvortrag immerhin wurde von einer Frau gehalten, Schwester Stefania Cantore. Sie näherte sich auf der Basis des biblischen Zeugnisses der Frage nach der Identität der Frau und damit nach der eigenen Identität und verfolgt dabei einen historischen Ansatz, der mit der Schöpfung beginnt. Der Mensch sei nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, und zwar als Mann und Frau. Beide, ob einzeln oder zusammen, stellen also den Menschen dar, den Gott haben wollte. Jenseits und vor allen Unterschieden von Geschlecht, Rasse etc. seien sie durch ihre Ähnlichkeit zu Gott gekennzeichnet, die bedeute, dass man in

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eine quasi familiäre Beziehung zu Gott treten könne, nach seinem Vorbild handeln könne, die Kontinuität, Schönheit und Perfektion seiner Schöpfung sichern könne, sei es durch die Existenz anderer Menschen oder durch Fürsorge für die Natur. Sich selbst als Ebenbild Gottes erkennen bedeute, Gott als seinen Schöpfer anzuerkennen, zu preisen und zu lieben. Diese geheimnisvolle Würde der Ähnlichkeit mit Gott hätten Mann und Frau gemeinsam. Sie seien aufeinander zu geschaffen als Beziehungswesen, wie Gen. 2 noch deutlicher zeige. Als Resümée der Schöpfung ergebe sich also, dass Mann und Frau von Gott mit gleicher Würde, in Vollkommenheit und Harmonie geschaffen seien. Dies stimme aber nicht mit dem aktuellen Zustand überein, an dem die Menschen, Männer wie Frauen, leiden würden. Dies sei darauf zurückzuführen, dass sie die Wahrhaftigkeit von Gottes Wort angezweifelt, das Vertrauensverhältnis des Geschöpfes zum Schöpfer gebrochen, ja überhaupt ihren Stand als Geschöpfe nicht mehr akzeptiert hätten. Dadurch müssten Mann und Frau jetzt Gott fürchten, seien nicht mehr in Harmonie mit sich selbst, mit dem anderen, mit der Natur, könnten sich nicht mehr völlig offen und gleichwertig gegenüberstehen und alle anderen Folgen, wie sie Gen. 3 schildert: „In the lack of harmony, from which all reality suffers, in which the original man-woman mutual understanding is broken and in which relationships of struggle and dominion infect all humanity, woman often came to be subservient to man. Even if man apparently has the upper hand, imposing himself on woman as her master, in his depths he remains ‚alone,‘ (sic!) just as the woman herself also remains alone. Their bond is henceforth falsified and unsatisfying.“100 Als einziges Heilmittel dafür wird die Liebe gesehen, die bei der Frau nicht die untergebene und abhängige Position gegenüber dem Mann sieht, auch nicht ihre Möglichkeit oder Unmöglichkeit, Mutter zu werden, sondern sie um ihres wirklichen Wertes willen ehrt und schätzt. Beispiele für solche Beziehungen und auch für eine Zusammenarbeit von Mann und Frau in gegenseitigem Respekt gebe es, aber als Ausnahmen und sozusagen zeichenhaft. Auch die Weisheitstexte spiegelten dieses Problem, dass Mann und Frau anscheinend unfähig sind, ihr ursprüngliches Verhältnis der Gegenseitigkeit wieder zu erreichen, auch wenn sie sich in einer Art Nostalgie immer danach sehnten. Jesus aber habe diese von Sünden und Ungerechtigkeiten überschattete Würde des Menschen, jedes Menschen wieder hergestellt, und zwar, den Traditionen seiner Zeit entgegen, Männern und Frauen gleichermaßen. Die Anrede an eine Frau als ‚Tochter Abrahams‘, sonst nur im Plural maskulin gebräuchlich, sei ein Zeichen dafür, ebenso die generelle Ablehnung der Scheidung als Rückkehr zu dem, was bei der Schöpfung eigentlich intendiert gewesen sei, wie auch sein 100 Cantore, Stefania, Woman in Christianity, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization­ Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 36, s.a. p, 33–35.

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Verhalten in Fragen der rituellen Reinheit (die ja für Frauen ein ganz besonderes Problem darstellte), wie auch das Lob für Maria, die im Gegensatz zu ihrer Schwester Martha eben nicht den Platz der Hausfrau, sondern der Jüngerin sucht, und andere Beispiele bis hin dazu, dass die ersten Apostel der Auferstehung Frauen sind, all das sind Zeichen für diese neue Haltung, in der Männer und Frauen im Geist Gottes Kinder Gottes sind und die Stellung in der Gesellschaft keine Rolle mehr spielt. Ihr letzter Punkt ist dann Maria, die Mutter Jesu, sozusagen als Archetypus der Frau, „the woman, the original beauty of the feminine person ­created in the image of God“101, „the woman attentive to God and to humans“102 bis über das biblische Zeugnis hinaus. Ihre Schlussfolgerung für die neue, ursprüngliche Rolle der Frau ist folgende: „The woman ‚seen‘ by Christ can live fully her likeness with God. No longer subservient, the woman is free to serve, following the Lord Jesus who did not come to be served, but to serve. Woman, after the experience of subordination, is particularly called to ‚serve‘ society, seeking to prevent the resurgence of every kind of relationships of power and dominion among men. Once her equal dignity with man is no longer seen in terms of equality with him (with the consequent impoverishment of the human communi- /p. 47 ty), woman can find a point of reference for her proper feminine identity in Mary and in the female disciples of Jesus. In the light of the Gospel, gestures dictated by love, ­bearing witness that Jesus is alive – all this appears to be some of the most important characteristics of woman. The precise modalities of putting these into practice are, however, neither defined nor definable.“103 Bei allen Unterschieden im Detail zum muslimischen Vortrag ergibt sich doch eine erstaunliche Übereinstimmung: Auch hier wird die gleiche (ursprüngliche und wieder hergestellte) Würde der Frau betont, dann aber auch betont, dass dies eben nicht Gleichheit bedeute, ganz im Gegenteil, und der Frau in der zu verteidigenden Bandbreite der menschlichen Gemeinschaft doch mehr die dienende Rolle als natürliche und ihrer Natur entsprechende Rolle zugedacht, wobei hier das dienende Element nicht durch rechtliche Regelungen hineinkommt, sondern durch neu gewonnene Freiwilligkeit. Die genauen rechtlichen Regelungen fehlen, sind sozusagen durch das übergroße Vorbild der Maria ersetzt, aber die Tendenz, die Grundstruktur ist sehr ähnlich, wenn auch auf christlicher Seite viel feiner, viel diskreter formuliert – vielleicht weil christlich, vielleicht auch, weil weiblich formuliert.

101 Ib., p. 43, s.a. p. 46: „Mary is the original beauty who reappears in history.“ Zu den übrigen Ausführungen s. p. 37–42. 102 Ib., p. 45. 103 Ib., p. 46/47.

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7.3.3. Konkrete Probleme der Frauen 7.3.3.1. Christlicherseits: von den Problemen zur Anthropologie Die beiden folgenden Referate beschäftigten sich mehr mit den konkreten Problemen und Herausforderungen für die Frauen, oder, wie die christliche Referentin Eleonora Barbieri Masini es formulierte, mit den Wirkungen der Gesellschaft auf die Frauen, aber auch mit den Rückwirkungen der Frauen auf die Gesellschaft, selbst wenn diese nicht so schnell sichtbar sein sollten. Sie unterschied dabei nach Industrie- und Entwicklungsländern: In den Industrieländern hätten Industrie und Staat viele Funktionen der Familie im wirtschaftlichen und erzieherischen Bereich übernommen, so die Produktion von Lebensmitteln und Kleidung und die formale Erziehung, wichtiger sei dagegen die Rolle der Familie im Bereich der Persönlichkeitsbildung geworden. So seien Familien in den Industrie­ländern verletztlicher und gleichzeitig mit höheren Erwartungen konfrontiert als in der Vergangenheit. In den Entwicklungsländern dagegen gebe es kaum Änderungen im Familienbereich, v. a. sähen Frauen in diesen Ländern nach wie vor bewusst ihre Hauptaufgabe im Großziehen der Kinder. Die Verbreitung von Kernfamilien und Großfamilien, manchmal korrekter als ‚beschützende Familien‘ bezeichnet (deren Funktion sonst oft der Staat übernehmen muss), ist dabei von Region zu Region unterschiedlich, letztere sind v. a. in Afrika weit verbreitet und werden nicht zuletzt von den Frauen am Leben erhalten. Generell sei das Heiratsalter gestiegen, in den Industrieländern sogar bis teilweise weit jenseits der dreißig, was auch wieder Rückwirkungen auf die Familienstrukturen habe. Aus diesen und anderen Gründen (höhere Zahl von Trennungen und Scheidungen, uneheliche Geburten, Migration und/oder Verlassenwerden) sei das Familienoberhaupt inzwischen sehr viel öfter eine Frau. Die Hauptherausforderungen seien die höhere durchschnittliche Lebenserwartung, die dazu führe, dass Frauen mittleren Alters sich sowohl um die Kinder als auch um die alten Menschen kümmern müssten, und massive Migrationsbewegungen, in den Entwicklungsländern sichtbar an einer großen Landflucht und Urbanisierung ohne (und das ist der große Unterschied zu den Industrieländern) vorhergehende Industrialisierung. Die großen und sehr großen Städte (über eine bzw. über acht Millionen Einwohner) seien aber ein schwieriges Umfeld für Familien und damit v. a. für Frauen, angefangen damit, dass solche Familien alles kaufen müssten. Das seien jenseits aller feministischer Debatten die großen Herausforderungen v. a. an Frauen aus den Entwicklungsländern nach deren eigener Einschätzung. Auch die Teilnahme an der Arbeitswelt habe nichts von der vorgeblich faszinierenden Erfahrung, wie sie in den Sechziger- und Siebzigerjahren in den Industrieländern propagiert wurde: In den Entwicklungsländern würden Frauen für weniger Geld überwiegend in Bereichen eingesetzt, für die sie aufgrund ihrer Fingerfertigkeit als besonders geeignet gelten, also die elektronische Industrie oder aber Tee-, Kaffee- und Blumenplantagen. Auch sonst seien Frauen mehr in Büros und Verwaltungen zu finden,

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im Service oder Verkauf, in der Landwirtschaft und Viehzucht. Überhaupt seien die Übergänge zwischen Hausarbeit, informeller (Landwirtschaft zum Eigenverbrauch bzw. für den Marktverkauf, Hilfe bei der Buchhaltung, hauswirtschaftliche Dienstleistungen) und formeller Arbeit fließend. Insgesamt arbeiten Frauen mehr als Männer, oft ohne sich dessen bewusst zu sein, weil sie es einfach so gewöhnt sind, ständig zu arbeiten, und die meiste formale Berufstätigkeit gebe es ausgerechnet im gebärfähigen Alter, was eine zusätzliche Herausforderung darstelle. Was den Einfluss der Medien angehe, so sei er besonders bei den osteuropäischen Frauen mit ihrer institutionalisierten und schweren Doppelbelastung von Fabrik und Haushalt erstaunlich hoch, hätten diese Medien doch den Eindruck vermittelt, die Frauen im Westen seien reich, ohne arbeiten zu müssen. Es sei besonders darauf zu achten, dass die Entwicklungen und Herausforderungen der Informationsgesellschaft nicht an den Frauen, die traditionell mehr mit dem materiellen alltäglichen Leben beschäftigt sind, vorübergingen und die Entscheidungen in Bezug auf Familie, Arbeit oder Teilnahme am sozialen Leben ohne sie gefällt würden. Dabei hätten Frauen generell, ob sie sich nun um Kinder kümmerten oder nicht, die Rolle der Unterstützung für die Schwächeren der Gesellschaft übernommen, sich für Umweltbelange eingesetzt und sich in verschiedensten Selbsthilfeguppen erfolgreich eingesetzt, und zwar in Industrie- wie Entwicklungsländern. Was die Herausforderungen durch Migration und Integration angehe, so seien Frauen diejenigen, die tolerante Gemeinschaften schaffen oder zerstören könnten. Sehr viel hänge an der Menschlichkeit und Sensibilität von Frauen und ihrem Umgang mit Problemen, was die Erziehung zu gegenseitigem Respekt angehe. Erst allmählich würden sich Frauen ihrer Wichtigkeit für die Gegenwart und Zukunft der Gesellschaft bewusst. Ihre Fähigkeiten waren immer da und wurden ausgeübt, aber sie und ihre Trägerinnen waren bislang unsichtbar. Außerdem sind ihre Werte überwiegend die einer vorindustriellen, weniger auf die Anhäufung von materiellen Gütern ausgerichteten Gesellschaft, was ihnen in der Industriegesellschaft oft zum Nachteil gereichte, was aber angesichts der neuen Herausforderungen sehr wichtig sein könnte: die Fähigkeit, mit komplexen, sich ständig ändernden Situationen umzugehen, Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Selbstaufopferung, die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, der Einsatz von privater und öffentlicher Macht überwiegend für andere, eine Zeitvorstellung, die weniger fragmentiert, sondern mehr dem natürlichen Kontinuum verpflichtet ist und Frauen mit einer Art Seismograf für kleinste Veränderungen und Warnsignale ausstattet, eine Sensibilität für die Marginalisierten (gerade bei den Christinnen) und ein ganzheitliches Verständnis von Entwicklung.104 104 Nach Barbieri Masini, Eleonora, Contemporary Problems and Challenges that Women Have to Face Specifically as Christian Women, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 52 f.55.58 f.62–68.

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Gerade dieser letzte Teil geht von der Situationsbeschreibung ins Grundsätzliche über und gibt nicht nur eine Zusammenfassung der bisher gemachten Beobachtungen und Studien, sondern, ohne dies unbedingt ausdrücklich zu sagen, damit auch eine anthropologische Beschreibung der Frau(en). Erstaunlich ist, dass auf die Religion dabei kaum eingegangen wird, dass aber der rein empirische Befund doch vieles von dem, was vorher als religiöse, christliche Anthropologie vorgestellt worden war, zu bestätigen scheint, gerade, was die Hinordnung auf das Leben einer nächsten Generation und generell eine eher dienende Funktion angeht. Dies wird aber nicht thematisiert, da die Ausrichtung auf praktische Probleme und deren poten­ zielle Lösungen absolut dominiert. 7.3.3.2. Die muslimischen Frauen in der arabischen Welt – mehr als ein Problem Was den muslimischen Vortrag von Prof. Omaymah Dahhan von der University of Jordan angeht, so nennt sie interessanterweise neben der Explosion von Wissenschaft und Technik, die der Frau andere als die traditionellen Funktionen im Haus ermöglicht hätten, und dem Anliegen einer gleichen Teilhabe an Wohltaten des Wirtschaftswachstums die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 durch die Vereinten Nationen sowie die Erklärung der Dekade der Vereinten Nationen für die Frauen (1976–1985) zur effektiven und schnellen Eingliederung von Frauen in die Entwicklung. Ihr geht es um die Situation der muslimischen Frauen in der arabischen Welt, da dort trotz wirtschaftlicher und politischer Unterschiede die historischen, kulturellen, sozialen und religiösen Bedingungen in der gesamten Region ähnlich seien. Es gebe Probleme in insgesamt fünf Bereichen, beginnend mit dem Erziehungssystem, in dem eine große Anzahl von Mädchen nicht eingeschult wird, was wiederum zu einer großen Zahl von weiblichen Analphabeten v. a. in den ärmeren ländlichen Gebieten führt, erstaunlicherweise selbst in einem so reichen Land wie Saudi-Arabien, während Jordanien und Libanon die niedrigsten Raten an Analphabeten hätten. Am anderen Ende der Skala, bei den Universitätsabsolventen, sei eine große Konzentration der Frauen in den Studienfächern zu beobachten, die ihnen traditionell zugeordnet würden, also Erziehung, Medizin und besonders Gynäkologie, So­zialwissenschaften und Kunst. Im technischen Bereich gebe es für Frauen dagegen kaum Arbeit in der arabischen Welt und im handwerklichen Bereich nur in Gebieten wie Mode und Frisur oder Sekretariatsarbeiten. Was die formale Arbeit angehe, so sei die Beschäftigungsrate der muslimischen Frauen in der arabischen Welt die weltweit niedrigste überhaupt. Das liege zum einen an der hohen Kinderzahl von fünf bis sieben Kindern pro Frau und der damit verbundenen häuslichen Arbeitsbelastung, sodass Frauen oft nur in ganz jungen Jahren arbeiteten, zum anderen eben an der schlechten Ausbildung oder eben der auf bestimmte ‚weibliche‘ Bereiche konzentrierten Ausbildung (in denen auch die Arbeitslosenquote höher ist). Das sei für viele Gesellschaften typisch, jedoch

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in den arabischen Ländern besonders ausgeprägt, wie auch der Einfluss der Tradition (der Ehemann ist für den Unterhalt der Familie zuständig, eine Frau muss nicht arbeiten, das ist bestenfalls die Ausnahme; eine Frau sollte nicht Seite an Seite mit Männern arbeiten müssen, wie ja auch Koedukation nicht möglich ist und überhaupt die Trennung von Mann und Frau im gesellschaftlichen Leben einen enormen Einfluss auf das ganze Leben des Einzelnen hat) und des finanziellen Status der Familie. So sei die Zahl der arbeitenden Frauen in den traditionellen und reichen Golfstaaten sehr niedrig, obwohl es Arbeit gebe und sogar Gastarbeiter ins Land geholt würden. Weitere Faktoren seien die Arbeitsmigration (die zu von Frauen geführten Haushalten führt und zu einer Art Femini­sierung der Familien) und die Rate der männlichen Arbeitslosigkeit, die durch die traditionellen Vorstellung, dass der Mann der Brotverdiener sei, schnell zu einer Bevorzugung der Männer führe ohne zu berücksichtigen, dass es auch Frauen gebe, die Familien durchzubringen hätten. Selbst wenn Frauen arbeiteten, sei oft zu beobachten, dass sie für ihre Tätigkeiten überqualifiziert seien. Hier spiele außerdem auch die gegenüber den Männern geringere Mobilität mit hinein, ja, in vielen Gesellschaften hätten Frauen überhaupt keine unabhängige Mobilität. Das beeinträchtige wiederum auch die Klassenmobilität: Letztendlich ist sozialer Aufstieg für Frauen nicht durch Ausbildung und eigene Leistung möglich, sondern nur durch Heirat. Außerdem würde die Verbesserung des sozialen und wirtschaftlichen Status von Frauen in manchen städtischen Familien dazu führen, dass die Frauen als Statussymbol weggeschlossen würden, ganz ähnlich wie in anderen Gesellschaften Männer die Nichtberufstätigkeit ihrer Ehefrauen als Demonstration ihres eigenen Status sähen. Das seien alles Beispiele für die weit verbreitete Praxis, dass Frauen als Symbol für den Status einer Familie dienten, mit oft negativen Folgen für ihre Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben. Aber auch allgemein seien Frauen bei der Bezahlung, Beförderung und Fortbildung benachteiligt, und zwar im staatlichen wie im privaten Sektor. Gesetzgebung in dieser Richtung stehe nur auf dem Papier, es gehe nach dem vorherrschenden sozialen System, in dem die Führungsrolle in der Machtstruktur Männern zukomme und in dem diese Art von Diskriminierung von Frauen gängige Praxis sei. Frauen, die im informellen Sektor, in Haushalten und in der Landwirtschaft beschäftigt seien, würden meist gar nicht erst berücksichtigt. Wieder spielt bei den Löhnen auch die Vorstellung mit hinein, die Frauen müssten nicht so dringend Geld verdienen, für sie sei es nur ein Zuverdienst zum Lohn des Mannes, deshalb könnten sie auch für weniger Geld arbeiten, abgesehen davon, dass sie durch die Kindererziehung sowieso Ausfälle hätten. In Bereichen, in denen nur Frauen arbeiten würden, sei deshalb das Lohnniveau generell niedriger. Insgesamt stärken die Gesellschaft, aber auch Massenmedien, Filme, Lite­ ratur und Schulbücher das traditionelle Bild der nicht berufstätigen Hausfrau und Mutter, selbst wenn islamischerseits betont wird, Frauen und Männer hätten gleiche Rechte und Pflichten und einer Berufstätigkeit der Frau stehe von daher

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nichts entgegen. Allerdings haben etliche arabische Länder die internationalen Konventionen bzgl. Frauenarbeit nur sehr teilweise ratifiziert, weil sie eben teilweise dem islamischen Recht widersprächen – ein sehr interessanter Punkt, auf den die Referentin aber leider nicht genauer einging, auch nicht, als sie am Ende forderte, dass diese Konventionen ratifiziert werden sollten, soweit sie dem islamischen Recht nicht widersprächen. Politisch seien die Frauen praktisch unrepräsentiert: In manchen Ländern dürften sie von Gesetz wegen weder wählen noch gewählt werden, manchmal würden die Ehemänner sie davon abhalten und überhaupt behandele das vorherrschende soziale Wertesystem sie eher als Untertanen denn als Bürger. Der Vortrag schließt mit einer Reihe von Empfehlungen, was getan werden sollte, bis hin zum Wahlrecht für Frauen, aber auch zu Hilfen, mit denen Berufs- und Familienleben unter einen Hut gebracht werden könnte, also Ganztagsbetreuung und Kindertagesstätten sowie eine umfassende Förderung von Teilzeitarbeit. Die Liste ist lang, was kein Wunder ist, sieht man die Zustandsbeschreibung vorher.105 Interessant ist, dass in diesem Referat von muslimischer Seite die traditionelle auch berufliche Rollenverteilung viel kritischer gesehen wird. Es geht weniger darum, angeblich typisch weibliche Werte in die Gesellschaft einzubringen und die Rolle von Familien wieder zu festigen, als vielmehr darum, konkret die Rolle der Frau in der männlichen Gesellschaft zu stärken. Das mag daran liegen, dass eben keine weltweite Problemsituation im Blick ist wie beim christlichen Referat, sondern nur der kleine, sehr traditionell geprägte Ausschnitt der arabischen Welt. Hier wird anschaulich deutlich, was sich im ersten muslimischen Referat bereits abzeichnete, dass nämlich die theoretische islamische Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Praxis von der naturbedingten Rollenverteilung und der Geschlechtertrennung aufgefressen und ins Gegenteil verkehrt wird in einer weltweit einzigartigen Weise und dass noch ein weiter Weg zu gehen ist, bis das überwunden ist. Interessant wäre, wo nun wirklich nicht von der gesellschaftlichen Tradition, sondern vom islamischen Recht gezogene Grenzen sind, die aber leider nur pauschal erwähnt und eben an keiner Stelle im Detail genannt werden.

7.3.4. Wie könnte es weitergehen? 7.3.4.1. Wie könnte ein muslimisches Modell für die Zukunft aussehen? Die nächste muslimische Referentin, Samira Khawaldeh, setzt für ihren Blick in die Zukunft bei einer Beschreibung der gegenwärtigen Zustände in der islamischen Welt ein, sozusagen bei einer Kurzzusammenfassung dessen, worum 105 S. Dahhan, Omaymah, Muslim Women in the Arab World, in:Organized Women in­ Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City)and the Royal Academy for­ Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 71–93.

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es dem vorhergehenden Referat gegangen war, und diese Zusammenfassung ist ebenso kurz wie niederschmetternd: „The woman is still in the stage of awakening. And she is still a branch on the tree of man deprived of personal independence which could enable her to make her own decisions and to interact in society on her own. Many phenomena in our society are deceptive. They indicate that woman is financially and personally independent, that she is beginning to play a growing political role as a member of government, of the parliament and of some political parties. They also indicate that girls surpass boys in number at the university level. But, as it has been mentioned, these phenomena will be found deceptive and contradictory after scrutiny.“106 Die Frauenbewegung in der muslimischen Welt habe eine lediglich oberflächliche Form angenommen als Rebellion gegen die islamische Kleidung und diese durch westliche ersetzt. Ansonsten aber kreise das Interesse der Frauen immer noch um so oberflächliche Dinge wie Kochrezepte, Wohnungsdekoration und die neueste Mode, jedenfalls, wenn man den Frauenzeitschriften glauben dürfe. Intellektuelle Unabhängigkeit sei noch kaum erreicht, es sei sehr selten, eine Frau zu finden, die eine andere Meinung vertritt als ihr Ehemann oder Vater, und das sei wohl weniger auf die intellektuelle Harmonie in einer erfolgreichen Ehe zurückzuführen denn schlicht auf Abhängigkeit. Auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit, die die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen vorspiegele, sei in Wirklichkeit nur eine Erweiterung der dienenden Stellung der Frauen im Haus. Sie habe eben jetzt eine doppelte Verpflichtung, in Haus und Beruf, während der Mann weiterhin nur einfach erwerbstätig ist. Außerdem gehöre ihr das verdiente Einkommen nicht. Manchmal treffe der Vater mit dem zukünftigen Ehemann eine Vereinbarung, um das Einkommen unter sich aufzuteilen, wobei der Frau dann nur ein Taschengeld bleibe. Auch in der Politik gebe es keine wirklich aktive Rolle der Frauen. In Jordanien sei beispielsweise keine einzige Frau ins Parlament gewählt worden und die Ministerien, die von Frauen besetzt würden (soziale Entwicklung und Information), könne man nur als peripher betrachten. Was die relativ hohe Zahl von Universitätsabsolventinnen angehe, so sei sie auch darauf zurückzuführen, dass Frauen einfach keine große Auswahl hätten und so das Studium zum Hobby machten, während die jungen Männer, denen es eben erlaubt sei, auszugehen, dann häufig das süße Leben der Universität vorzögen. Das alles könne einfach nur als unfair gegenüber den Frauen bezeichnet werden. Ihrer Meinung nach war es falsch, dass die Frauenbewegung so sehr die Besonderheiten der Frauen betonte und dabei ihre wesentliche Natur als denkendes und vernunftbegabtes Wesen über 106 Khawaldeh, Samira F., Future Opportunities and Prospects for Women in Islam, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 97.

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sehen habe. Die Frauen hätten sich an der Seite der Männer für die nationalen Probleme einsetzen sollen, statt um Kleiderfragen zu kämpfen. Auch den Kampf für eine absolute Gleichheit der Geschlechter hält sie offensichtlich für ähnlich sinnlos, ohne allerdings zu sagen, wie genau sie das Verhältnis der Geschlechter und die Natur der Frau sieht und welche Konsequenzen das ihrer Meinung nach haben müsste: „There is also the radical demand for absolute equality between the/p. 99 sexes, and opening up every opportunity for woman regardless of her psychological and physiological differences. Some even claim that those differences are no more than the outcome of ages of sex-discrimination which ultimately drove her to the back rows when it comes to serious business and responsibility.“107 Genauso ist der Kampf gegen Polygamie, den sie in einem Atemzug mit dem Kampf gegen das Scheidungsrecht nennt, ihrer Meinung nach überflüssig, eine Kraftverschwendung, mit der schlichten Begründung, das sei gegen das islamische Recht und damit gegen die Religion. Auf der anderen Seite aber wird als Ursache für den beklagenswerten Zustand der Frau auch die Diskrepanz zwischen Islam und Muslimen genannt, v. a. den muslimischen Reformern, die jede Teilnahme der Frau am öffentlichen Leben als unerlaubte Vermischung der Geschlechter und damit als unislamisch ablehnten, was aber den eigentlichen Sinn des Verbotes nicht treffe. Es zeigen sich also an dieser Analyse noch etwas deutlicher die Punkte, die sich bereits bei den beiden vorhergehenden Referaten abgezeichnet hatten: Es geht darum, was genau das islamische Recht bestimmt und was nicht, denn das allein entscheidet über die genaue Stellung und die genauen Rechte von Frauen, nicht etwa deren vielleicht verständliche Wünsche (z. B. nach der Abschaffung der Polygamie), und an diesem Punkt geht es auch nicht unbedingt um Fortentwicklungen, sondern schlicht darum, wer die richtige, die eigentliche Interpretation hat. Und zumindest in der Praxis, das wird immer und immer wieder deutlich, haben die Frauen dabei schlechte Karten. Dies ist auch ein Teil der Herausforderungen, vor der sie die Frauen in Gegen­ wart und Zukunft gestellt sieht und zu denen sie auch die Moderne generell sieht, die aber eine Herausforderung auch an den Mann, sozusagen an den Menschen und die Menschlichkeit an sich sei. Zu diesen Herausforderungen gehöre aber auch die Frage nach der wahren Natur und Identität der Frau. Was mache sie anders, besonders – und sind diese Charakteristika nun wesensmäßig oder aber zufällig und umweltbedingt? Definitionen und Sichtweisen von Frau und Weiblichkeit gibt es ja genug. Eine letzte Herausforderung ist die moderne Naturwissenschaft und die Möglichkeiten, die sie eröffnet, und die, denkt man beispielsweise an neue Empfängnistechniken, das traditionelle Verständnis von Mutterschaft völlig umkrempeln, wie es die sozialen Veränderungen ja schon bezüglich der erzieherischen Rolle der Mutter getan haben. Es eröffnet sich also 107 Ib., p. 98/99.

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ein weites und nicht immer verheißungsvolles Feld. Als Möglichkeit, die der Islam angesichts dieser Herausforderungen biete, steckt die Referentin zunächst ein Feld von unveränderlichen Werten ab, an deren erster Stelle der Glaube steht. Trennung von und Schuld gegenüber dem Schöpfer seien die eigentliche Ursache der modernen Misere des Menschen. Den Menschen heute fehle nicht materieller Wohlstand, wohl aber gute Absichten und Friede mit Gott, mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit dem Universum. Die Muslime hätten dieselben experimentellen wissenschaftlichen Methoden benutzt wie heute und eine herrliche Zivilisation geschaffen ohne die Erde zu entstellen und die Umwelt zu verschmutzen. Durch die immerwährenden Werte und die unzweideutigen moralischen Standards biete der Islam eine bessere Möglichkeit, richtige Entscheidungen zu treffen. Indem sie an die Werte des Islam glaube, könne eine Frau sich, den künftigen Generationen und der Menschheit den größten Dienst erweisen. Als Mensch vor Gott sei die Frau dem Mann im Islam absolut ebenbürtig. Sie habe auch alle bürgerlichen Rechte im Islam und könne selbstverständlich jemanden mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragen und jeden Posten in der Regierung innehaben außer dem des Staatschefs, aber auch darüber gebe es jüngst Diskussionen. Allerdings wurde dieser Weg in die Politik der Frau jahrhundertelang von Religionsvertretern versperrt und die Islamisten begrenzten die Frau noch heute auf einen sehr engen Bereich, auch wenn der erste Märtyrer im Islam doch eine Frau war, was nur geschehen konnte, weil sie sich eben nicht auf den Bereich ihres Hauses beschränkte. Der Islam erkenne die Unabhängigkeit und den freien Willen der Frau an und mache bezüglich finanzieller Transaktionen keine Unterschiede zwischen Mann und Frau. Aber andererseits sei es ein grundlegendes Prinzip des Islam, dass Mann und Frau verschiedene Naturen haben. Das sei ein himmlisches Gesetz. Eine Frau werde immer die sein, die die Kinder austrägt und zur Welt bringt und sich auch um sie kümmert. Der Islam gebe ihr dazu die Möglichkeit, indem er Versorgung bzw. regelmäßige Zahlungen für jedes Neugeborene vorsehe. Die Referentin geht an diesem Punkt konkret darauf ein, dass etliche die Gleichheit von Mann und Frau als Mensch nicht damit vereinbaren können, dass die Frau in der Natur verschieden sei. Sie sieht Mutterschaft als die Rolle und den Beruf, der der Frau durch ihre Weiblichkeit zugedacht sei, die spezielle Verantwortung, die für sie Priorität haben sollte. Außerdem sei sie körperlich schwächer und ihre Psychologie sei etwas anders als die des Mannes, beispielweise neige sie dazu, vergesslicher zu sein als der Mann. Für beides werden Stellen aus Koran und Sunna als Beleg angeführt, für die Vergesslichkeit selbstredend die, in der es darum geht, warum als Zeugen zwei Frauen statt eines Mannes gebraucht würden. Neben diesen unveränderlichen Prinzipien gebe es aber auch welche, die zeitgebunden seien und der Interpretation unterlägen. Besonders wichtig sei dabei, Extremismus zu vermeiden, wenn es darum gehe, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, konkret also nicht Frauen von den Männern weg in die Vergessenheit

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zu drängen und ihnen jede Möglichkeit gesellschaftlichen Handelns zu nehmen, um Sünde und soziale Probleme zu verhindern. Aus diesem Grund würden auch viele den Schleier zur Vorschrift machen und muslimische Mädchen daran hindern, gemischte Universitäten zu besuchen. Teilweise sei das eine Gegenreaktion auf das westliche Konzept des völlig freien Umgangs der Geschlechter miteinander und auf das Stereotyp der westlichen Frau, das die Medien propagiert hätten. Aber das große Vertrauen, das Gott in seine Diener gesetzt habe durch seinen Auftrag, werde sehr gemindert durch die, die sich zum Schützer der Religion machten – ein Eindruck, der sich auch dem Außenstehenden so schon aufgedrängt hatte. Ein weiteres Beispiel der Referentin dafür ist, dass den Frauen eine Scheidung unnötig schwer gemacht werde mit der Begründung, dass sie zuwenig Verstand und Religion hätten und aus trivialen Gründen eine Scheidung verlangen könnten. Ihr Argument ist, dass der Islam göttlich und damit nicht in Gefahr sei, die Muslime seien es aber schon, nämlich in der Gefahr, zu Kuratoren eines historischen Museums zu werden. Insgesamt habe der Islam der Frau eine zentrale Stellung in der Gesellschaft gegeben, die sie in Zukunft auch wiedergewinnen könne. Im Einzelnen bedeute das: Dem Mann als Mensch ebenbürtig zu sein, volle Rechte als Ehefrau und Mutter zu haben, politisch aktiv zu sein, wirtschaftlich unabhängig, das eigene Leben zu leben und eigene Entscheidungen zu treffen, wirksam am öffentlichen Leben teilzunehmen, moralisch gegen die gegenwärtige Korruption und Freizügigkeit immun zu sein und v. a. mentale Stabilität und spirituellen Frieden zu haben.108 Das anthropologisch Interessanteste an diesem Vortrag und Konzept ist sicherlich, dass hier erstmals ein konkretes Modell zur Vermittlung zwischen der grundsätzlichen Gleichheit von Mann und Frau bei gleichzeitiger Verschiedenheit beider Natur geboten wird, indem Mutterschaft zum naturgegebenen Beruf der Frau erklärt wird. Dies wirft gleichzeitig, zumindest bei einem christlichen, einem westlichen Zuhörer Fragen auf: Ist Mutterschaft dann quasi ein Zwang für ein sinnvolles Frauenleben (wie es ja im christlichen Grundsatzreferat als Gedanke aufgetaucht war, allerdings als Beispiel für die negative Entgleisung eines Konzepts) und was ist dann mit den Frauen, die vielleicht ungewollt nie Mutter werden? Schließen die Schutzbedingungen des islamischen Rechts für eine Mutter mit Kindern wirklich alternative Lebensentwürfe von Frauen als unweiblich von vorneherein aus? Gerade im Gegenüber zu katholischen Gesprächspartnern ist dies ja eine Frage von ganz besonderem Gewicht.

108 Nach ib., p. 99–106.

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7.3.4.2. Christlicherseits: Was trennt ist klarer als wie weit die Gemeinsamkeiten gehen Das Abschluss- und Ausblicksreferat von christlicher Seite hielt Borrmans und orientierte sich dabei an der Abschlussbotschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils an die Adresse der Frauen, in der es u. a. heißt, die Kirche sei stolz, die Frau geehrt und befreit zu haben und ihre grundlegende Gleichheit mit dem Mann herausgearbeitet zu haben. Es komme die Stunde, in der dies vollendet werde und in der die Fau in der Welt einen Einfluss und eine Macht erlange, wie sie sie nie zuvor gehabt habe. Vielleicht beeinflusst durch diese Sichtweise und Formulierung fällt sein Blick auf die Situation der Frau in der Welt von heute, die arabischen Länder ausdrücklich eingeschlossen, ganz anders aus als der der Vorrednerin: Schulausbildung sei heute allen Mädchen zugänglich, alle Berufe, nicht nur Haus- und Landwirtschaft stünden den Frauen heute offen, Presse, Radio, Kino und Fernsehen seien ihnen genauso zugänglich wie den Männern. Frauen würden heute ganz anders wahrgenommen, hätten einen ganz anderen Zugang zu politischer Verantwortung. Sie hätten heute eine Stimme (hier zitiert er einen Aufsatz von Catherine Leroudier), die auch außerhalb des Hauses wahrgenommen werde. Frauen hätten begonnen, im politischen, sozialen und bürgerlichen Bereich gleiche Rechte mit den Männern zu fordern und dies habe aufgedeckt, wie männlich dominiert diese Strukturen der Gesellschaft sind und in welchem Ausmaß die Gesellschaft von Männern geformt wurde. Damit habe der Kampf die Form eines Kampfes von Frauen gegen die männliche Vorherrschaft angenommen. Dies habe sich ausgeweitet auf andere Bereiche, beispielsweise auf die Hausarbeit, für die Frauen nicht länger allein verantwortlich sein wollten, und auf die Religion, in der soziologisch die Frauen dominieren, aber hierarchisch die Männer die Macht ausüben. Indem sie Anerkennung für sich und ihre Fähigkeiten verlangte, habe die Frau die Frage nach ihrer eigenen Identität gestellt und danach, wie sie sich vom Mann unterscheide. Auch im Folgenden, wo es genauer eben um diese Frage geht, ob es Weiblichkeit gebe oder ob sie von Männern gemacht sei, fällt auf, dass Borrmans praktisch fast nur zitiert – Frauen und ihre unterschiedlichen Ansichten zu dieser Frage zitiert, vielleicht, um bewusst selbst als Mann in den Hintergrund zu treten. Die erste, die er zu Wort kommen lässt, ist Simone de Beauvoir, die ja den Fehdehandschuh in den Ring geworfen hatte mit der Aussage, als Frau werde man nicht geboren, zur Frau werde man gemacht – mit der Begründung, dass der Platz einer Frau immer davon bestimmt gewesen sei, dass sie in einer Männerwelt lebe. Was als typisch weiblich erscheine sei nicht von natürlichen Faktoren wie Hormonen bestimmt und noch weniger von der vorgeblich mysteriösen Natur der Frau. Dieser Mythos helfe nur dazu, die vorhandene Situation zu festigen. Der Mann habe immer danach gestrebt, die Frau auf eine besondere weibliche Welt zu begrenzen, auf Heim, Familie und Ehe. Das Ziel sei es also, wirklich menschlich zu sein, jenseits jeder Unterscheidung zwischen männlich und weiblich. Freiheit könne eine Frau nur erlangen, wenn sie

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sich von den Faktoren distanziere, die sie in ihrer Weiblichkeit einsperren wollten und die sie daran hinderten, ein Mensch zu sein, also wirklich frei zu sein. Solche Theorien würden auch von den Forschungen einer Anthropologin wie Margaret Mead gestützt. Aber der Autor neigt doch mehr zu anderen Einstellungen, die ihm, wie er es ausdrückt, weiser und passender erscheinen, dahin gehend, dass es doch einen wesensmäßigen Unterschied zwischen Mann und Frau gebe und eine unwandelbare weibliche Natur. Frauen seien genauso effizient wie Männer, zitiert er­ Suzanne Villeneuve, aber sie hätten ihre eigene Weise zu leben und eine Aktivität auszuführen. Ihre großen Schwierigkeiten in der heutigen Welt kämen weniger von ihrer Unfähigkeit, bestimmte Posten auszufüllen, als durch den Zwang, dies nach männlichem Modell zu tun. Dann kommt in großer Ausführlichkeit Edith Stein zu Wort, die nach einer langen Meditation über dem Genesistext zu dem Schluss gekommen war, dass man Heirat und Mutterschaft eben nicht als die einzig mögliche Berufung der Frau sehen könne (hier wird eine Grundlinie sichtbar, die der auf islamischer Seite aufscheinenden Grundlinie entgegenläuft). Nach ihrer Überzeugung entwickelt sich die menschliche Art als eine doppelte, zusammengesetzt aus Mann und Frau. Der Charakter des Menschen, der irgendeinen wesensmäßigen Zug haben muss, entwickelt sich in beiden, aber eben auf zwei verschiedenen Wegen, sozusagen dual, wie eben das ganze menschliche Wesen von der Struktur her dual ist. Im Weiteren ging es Edith Stein um die Berufung und den Beruf der Frau und die dazugehörige Ethik. Eine Frau werde von allem angezogen, was lebendig, persönlich sei, und sie habe eine Tendenz, dieses global wahrzunehmen, also als ein konkretes Ganzes. Ihr natürliches Bedürfnis sei authentisch mütterlich. Abstraktion sei ihr von Natur aus fremd. Neben dem Beruf der Mutter als solchem aber zieht Edith Stein auch andere Berufe in Erwägung, die der mütterlichen Qualitäten bedürfen bis hin zu den Naturwissenschaften. Eigentlich könne jeder Berufszweig von den Frauen profitieren, so weit es ihnen erlaubt sei, ihrer weiblichen Berufsethik zu folgen, wobei letztere, zumindest in den zitierten Stellen, nicht genauer definiert wird. Und obwohl der Unterschied von Mann und Frau schon vom Schöpfungsbericht an ins Spiel kommt, hätten beide nach der Betonung von Edith Stein die gleiche dreifache Pflicht auferlegt bekommen, Ebenbild Gottes zu sein, sich fortzupflanzen und die Erde zu beherrschen, aber die Frau habe eben eine weibliche Art, diese Pflicht zu erfüllen. Den Einfluss der Frau als Gefährtin des Mannes sieht sie dabei hauptsächlich als helfend und harmonisch, der den Mann von einer Aktivität abhalten würde, die ihn ganz auffräße. Der genannte Text des Zweiten Vatikanums ist in seinen Formulierungen etwas vorsichtiger, weniger grundsätzlich anthropologisch, sondern spricht nur in einer gewissen Blumigkeit davon, dass die Frauen immer als ihr Los den Schutz des Heimes, die Liebe für die Anfänge und das Verständnis für die Wiegen gehabt hätten. Aber auch er kommt dann zu der Aufforderung, die Frauen sollten die Männer mit dem Leben versöhnen und über

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Zukunft der menschlichen Rasse wachen. Außerdem betont er, dass nicht einmal Familien ohne die Hilfe derer leben könnten, die keine Familie hätten, sowie die Wichtigkeit der Reinheit, Selbstlosigkeit und Frömmigkeit von Nonnen gerade in einer Welt, in der Egoismus und Lustgewinn zum Gesetz zu werden scheinen. Auch Papst Johannes Paul II habe in Aussagen zur Würde der Frau betont, dass wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt heute drohten, den menschlichen Stolz mit seinem Gefühl der Selbstzufriedenheit noch zu verstärken bis hin zur Selbstzerstörung in der einen oder anderen Weise, und dass es eben die Würde der Frau sei, diesem Mann zu helfen, demütig und weise im Umgang mit seiner Intelligenz zu werden. Insgesamt kommt Borrmans zu einer ganzen Reihe von Werten, die schon das Konzil genannt habe und die auch die Grundlage für den Dialog und die Zusammenarbeit von christlichen und muslimischen Frauen schon sind und noch mehr werden könnten: „Transmit life, defend it in all its aspects; respect the continuity of tradition while enriching it through creativity; promote service to others as a response to the value of self-giving; fulfil religious consecration in order to honour God, the ‚first served’; show maternal or sisterly compassion to those who are suffering of dying – these are the essential values which the Council, in its message, deems to belong particularly to /p. 114 woman’s vocation. In fact it is in these domains that there are many excellent examples of collaboration between Christian and Muslim women.“109 Was auffällt ist, dass in dem Abschnitt, der auf die Tagungsdiskussion eingeht, aber auch klare Abgrenzungen vorgenommen werden für Bereiche, in denen keine Zusammenarbeit möglich sei wie Polygamie, Verstoßung und Scheidung und dass betont wird, dass es sehr schwer sei, zwischen Natur und Kultur zu unterscheiden, und dass gerade Gläubige oft Dinge dem Gesetz Gottes und der von ihm geschaffenen Natur zuordneten, sei es Verhalten oder Formen von Diskriminierung, die in Wirklichkeit nur Folgen des Lebens in verschiedenen Gesellschaften seien. Hier liegt auch, betrachtet man die Beiträge insgesamt und das Wenige, was von der Tagungsdiskussion durchschimmert, der wunde Punkt der gesamten Fragestellung: Gibt es natur-, also gottgegebene Unterschiede zwischen Mann und Frau und, 109 Borrmans, Maurice, Christians and Muslims Working Together for the Improvement of Woman’s Condition: Possibilities and Prospects, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 113/114, s.a. p. 107–112.116. Die Bemerkungen zur Diskussion finden sich p. 117 f, darunter p. 118 eine eindeutige Aussage zur Miterlöserschaft Marias, die bezeichnenderweise als christlich und nicht etwa nur als katholisch apostrophiert wird: „For us Christians, if Eve took the initiative of sinning while the man Adam was in immediate agreement (thus, equality in sin), Mary participated with Jesus her son in the work of universal redemption (equality in the redemption) and became the first human model of holiness for all.“

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wenn ja, worin genau bestehen sie und welche Auswirkungen sind damit verbunden? Es ist von christlicher wie muslimischer Seite eine deutliche Tendenz da, zu sagen, es gebe diese Unterschiede, und sie mit der potenziellen Mutterschaft und einer damit grundsätzlich verbundenen Mütterlichkeit und damit auch Natürlichkeit oder Naturverbundenheit der Frau in Verbindung zu bringen. Doch schon über die Frage, was dazu vielleicht noch hinzutritt (Gefährdungspotenzial und Schwächen der Frau) bzw. welche gesellschaftlichen und religiösen Konsequenzen das hat oder haben sollte, herrscht Uneinigkeit, nicht nur zwischen Christen und Muslimen, sondern diachron auch innerhalb der Religionen selbst. Gerade innerhalb des Islam ist dies ganz offensichtlich ein Streitpunkt von allerhöchster Sprengkraft, dem das moderne westliche Frauenbild noch ordentlich Zunder gegeben hat.

7.3.5. Eine elegant formulierte gemeinsame Erklärung Es gab, so der Schlussbericht, drei Arbeitsgruppen (wie ja auch an den Referaten sichtbar), in denen man sich am Ende auf folgende Punkte einigte: Beide Religionen sind sich einig, dass Gott den Menschen geschaffen hat und ihm eine besondere Würde gegeben hat, an der Mann und Frau gleichen Anteil haben. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen würden, wieder von beiden, als von Gott gegeben gesehen. Sodann betonten beide Religionen den Status der Familie als Keimzelle der menschlichen Gesellschaft und würdigten die Leistung, die Eltern und speziell Mütter für die zukünftige Generation erbringen. Daneben hätten Letztere auch Einfluss auf andere Aktivitäten im erzieherischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich, was aber oft nicht ausreichend gewürdigt und unterstützt werde. Dies führt zu dem schönen Satz: „While participants emphasize the essential role of woman in the family and appreciate the woman’s work at home, they also recognise her full right to engage in any other activities in keeping with her capabilities and circumstances, within the principles and guidelines given by each religious tradition.“110 Das lässt einen weiten Interpretationsrah 110 General Report of the Muslim-Christian Colloquium of 24–26 June 1992 on the Theme „Women in Society according ot Islam and Christianity“, Islamochristiana 18 (1992), p. 319, s. a. p. 318.320; der Bericht findet sich auch unter General Report, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of  a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 119–121 sowie unter Rome – Italy: Women in Society (24–26 June 1992), BPCDIR 81 (1992), p. 378–380. Auch die Ansprache des Papstes beim Empfang für die Tagungsteilnehmer wurde in den Tagungsband mit aufgenommen: H. H. Pope John Paul II, Address of H. H. Pope John Paul II to Participants in the Colloquium „Women in Society According to Islam and Christianity“, in: Women in Society According to Islam and Christianity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Vatican City s.a., p. 123–124.

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men offen und es wurde auch angemerkt, dass viel falsche Praxis existiere, die die Würde von Frauen untergrabe und ihre Möglichkeiten einschränke. Dies sei Endergebnis kumulativer sozialer Traditionen und müsse durch richtiges, nicht unterdrückerisches Schriftverständnis korrigiert werden  – wie ja alles auch in den Referaten deutlich wurde. Ausdrücklich genannt als negativ wird aber nur die Ausbeutung von Frauen, die deren Würde verletze, besonders in der Unterhaltungsindustrie und in der Werbung, was den islamischen Bereich, um den es ja in dieser Frage hauptsächlich ging, kaum betrifft. Außerdem gebe es rechtliche Lücken in Sachverhalten wie z. B. Anstellung, Bezahlung, Ausbildung, Mutterschaftsurlaub. Religion wird als generell von größter Wichtigkeit für die Ausbildung einer ausgewogenen Persönlichkeit von höchsten Werten angesehen, weshalb die Förderung von religiösen Werten bei allen auch die Würde der Frauen schützen würde und ihnen helfen würde, ihre Rolle zu erfüllen. Auf das Thema der nächsten Tagung konnte man sich noch nicht einigen, doch sie sollte im Januar 1994 in Amman stattfinden.

7.4. Amman 1994: Nationalismus Vom 18–20.1.1994 fand in Amman die vierte Dialogkonferenz statt zu ‚Nationa­ lism Today: Problems and Challenges‘. Von katholischer Seite ist das Bestreben, einerseits eine gewisse Kontinuität der Teilnehmer zu gewährleisten, andererseits auch immer Experten zum jeweils verhandelten Thema heranzuziehen. Gerade von Letzterem erwartet man sich einen doppelten Vorteil: Für die Muslime die Beiträge führender katholischer Experten, für diese Experten der manchmal erste Kontakt mit Muslimen.

7.4.1. Die Begrüßungsansprachen 7.4.1.1. Ein Thema von besonderem Interesse für die Haschemiten Schon in der Begrüßungsansprache durch Prof. Nassir El-Din El-Assad wurde deutlich, dass das Thema von 1994 nicht einfach im luftleeren Raum schwebte, sondern mit den konkreten politischen Problemen der Gegenwart zu tun hat und besonders auch mit der hervorgehobenen Stellung, die die haschemitische Königsfamilie innerhalb der islamischen Welt und bezüglich der heiligen Stätten Jerusalems innehat. Beides zusammen ergab offensichtlich die Motivation zu einer Konferenz mit gerade diesem Thema, kombiniert mit der Erkenntnis, dass es zwischen Religion und Nationalismus eben doch ein gewisses Konfliktpotenzial gibt, und dass man nicht einfach sagen kann, die Beziehung eines Individuums zu seinem Volk und zu der Gesellschaft, in der er lebt, sei einfach nur natürlich und menschlich, habe sozusagen mit dem Überlebens- und Fortpflanzungstrieb zu tun. Wohl hätten die Religionen die Nationalitäten nicht einfach aufgehoben,

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aber sie hätten sie auch gereinigt (was ja fast eine katholische Formulierung sein könnte) z. B. bzgl. der menschlichen Werte und hätten sie von Konflikt, Zwietracht und Fanatismus fern gehalten.111 Der Weg soll also von den aktuellen Problemen ins mehr Grundsätzliche gehen, um so dann hoffentlich wieder zu besseren Lösungen für die aktuellen Probleme zu kommen. 7.4.1.2. Katholisch: Nationalismus zwischen eigener Identität und gesamtmenschlicher Solidarität Substantieller war da schon die zweite Begrüßungsansprache durch Kardinal Francis Arinze, der praktisch gleich eine umfassende, wenn auch knappe Darstellung des katholischen Standpunkts bot. Es gehe um die Beziehung zwischen religiöser Identifikation und nationalen Bewegungen, so brachte er nochmals die Problematik auf den Punkt. Seine Aussagen gipfelten in der Aussage: „[T]he Christian view is to confirm a healthy patriotism, which serves to build and strengthen the personal values of self-identity and self-worth with /p. 14 the social goods of solidarity, self-sacrifice, and discipline for the good of the whole, while distinguishing it from  a destructive nationalism or chauvinism, which seeks to oppose, dominate, and destroy others and to make one’s nation absolute.“112 Dies bringt zugleich die beiden anthropologischen Angelpunkte ins Spiel, die angemessen zu berücksichtigen sind, nämlich die eigene Identität und das Selbstwertgefühl einerseits und die Identität der anderen und ihr Selbstwertgefühl andererseits, oder anders ausgedrückt: die Einheit und Solidarität der ganzen Menschheit. Beide haben in ihrem Rahmen ihre Berechtigung und ihren Sinn und sind in Bibel und Tradition verankert. Arinze bringt damit, wenn auch expressis verbis erst ziemlich am Ende, eine Unterscheidung ins Spiel, die Johannes Paul II gemacht hatte in einer Botschaft an religiöse Führer in Sarajewo, und zwar die Unterscheidung zwischen Patriotismus (positiv) und Nationalismus (negativ). Patriotismus wird dabei durchaus großzügig ausgelegt bis hin zur Unterstützung der jeweiligen Nationalmannschaft bei internationalen Wettkämpfen, wobei er auch versucht, Spuren dieser Haltung unbefangenen Stolzes in der Bibel zu entdecken. Negativ und ungöttlich werde es, wenn diese Haltung zu einer gedanklichen oder praktischen Abwertung der anderen führe. Dies aus 111 S. Fitzgerald, Report on the Activities of the PCID: November 1992–November 1995, p. 170 sowie El-Assad, Nassir El-Din, Inaugural Address, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 6 f. 112 Arinze, Francis, Inaugural Address, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 13/14, s.a. p. 9–12.

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dem Neuen Testament heraus zu belegen, ist relativ einfach, steht doch dort die religiöse Zugehörigkeit eindeutig vor und über allen anderem, menschlichen Zugehörigkeiten, wie eben Gott immer mehr Gehorsam beanspruchen kann als ein Mensch oder menschliches Gebilde. Dies für die Gesamtheit der hebräischen Bibel genauso zu behaupten ist schwieriger, was er zumindest andeutet, um sich dann auf die Stellen in der prophetischen Tradition zu konzentrieren, die Israel daran erinnern sollten, dass Gott ein Gott aller Menschen ist und alle Völker ihm gehören. Am Ende gibt Arinze seiner Hoffnung Ausdruck, dieser Tagung möge es gelingen, jeweils die Elemente zu identifizieren, die zur Einheit und Solidarität der Menschheit führten und die, die zu Teilung, Unordnung und Zerstörung führten – was vielleicht doch eine vereinfachende Sicht auf ein komplexes Phänomen mit nicht immer so eindeutigen Grenzen ist.

7.4.2. Die historische(n) Perspektive(n) 7.4.2.1. Der Islam als Erüllung und Aufhebung des Nationalismus? Dies wird gleich deutlich beim ersten Referat, das versucht, aus muslimischer Perspektive einen Überblick über die Geschichte des Verhältnisses von Nationalismus und Religion zu geben. Es beginnt schon damit, dass es gar nicht so leicht oder vielmehr fast unmöglich ist, eine allgemein gültige Definition von Nationalismus zu geben, die auf die verschiedensten Staaten zu ganz unterschiedlichen Zeiten gleichermaßen zuträfe. Eine Mehrheit kann sich immerhin darauf einigen, dass Nationalismus ein soziales Konzept sei, welches das Band bezeichne, das die Mitglieder einer Nation zusammenhalte, und dass Nationalismus eine kreative, bewegende Kraft sei, ohne die eben eine Nation gar nicht erst entstehen würde. Dies ist sehr abstrakt, doch die Geschichte zeigt eben, dass es nicht unbedingt Bande eines gemeinsamen Ursprungs sein müssen, die zu einer Nation führen und sie zusammenhalten. Seine außerordentliche Wichtigkeit und Bedeutung erhielt der Nationalismus relativ spät, im 19. Jahrhundert in Europa und Amerika, im 20.  Jahrhundert in Asien und Afrika, wobei die geistesgeschichtlichen Wurzeln in der Renaissance zu suchen seien, genauer gesagt bei Macchiavellis berühmtem Hauptwerk. Interessant ist, dass die vom Referenten zitierte Stelle die Loyalität zum eigenen Land und dessen Freiheit höher stellt als alle moralischen Überlegungen, was nach den vorhin dargelegten Überlegungen Kardinal Arinzes tatsächlich den Nationalismus als christlicherseits zu tolerierendes Konzept eigentlich aushebeln müsste. Diese Überlegung stellt Mahmoud Al-Sartawi begreiflicherweise nicht an, sondern führt lediglich aus, dass die Rechnung, Nationalismus führe zu Frieden, weil selbstbestimmte Völker keinen Krieg führten, bekanntlich nicht aufging und tatsächlich viele Einzelindividuen dem nationalistischen Gedanken geopfert wurden. Nach einem Exkurs zur marxistischen Kritik am Nationalismus als der jeweils herrschenden Klasse dienend, analysiert er genauer die nationalistischen Bewegungen Asiens und Afrikas, die

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ja auch viele muslimische Staaten betreffen, die eben aus ihnen entstanden sind (Libyen, Ägypten, Pakistan, Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien, Irak, Pakistan, Indonesien). Auch hier bietet er wieder verschiedene Erklärungsmodelle, konzentriert sich dann jedoch auf die Rolle, die der Islam dabei spielte, dem er eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung nationalistischer Gefühle zugesteht, was man an Einzelfiguren nachweisen könne, aber wichtiger noch darin, dass die Muslime sich eben nicht den Kolonialherren anpassten, sondern einen unabhängigen Charakter bewahrten, der übrigens insgesamt sehr einheitlich war, was wohl auf die prägende Kraft des Koran zurückzuführen sei. Letztlich schließt er sich aber der Definition von Muhammad Baqir Al-Sadr an, nach der Nationalismus nur ein rein historisches oder linguistisches Band sei und keine eigene Philosophie oder ein eigener Glaube, sondern weltanschaulich neutral und erst einer Philosophie bedürfe, um eine Zivilisation, soziale Ordnung u. Ä. zu formen. Die islamische Botschaft und in ihrem Gefolge die islamische Zivilisation sind weltweit, nicht nationalistisch, sondern betreffen und befreien alle Menschen, sodass sie nur noch Gott dienen. Alle anderen, vorhergehenden Zivilisationen werden als Zivilisationen der Sklaverei beschrieben, während der Islam Brüderlichkeit, Gerechtigkeit, Mitleid und Toleranz zu bieten habe, ein freies, brüderliches, freundliches Leben, jedenfalls, solange er sich an seine eigenen Regeln gehalten habe. In dieser Hinsicht sei auch der sog. arabische (statt eines islamischen) Nationalismus ein Fehlschlag gewesen, der nur zur Zersplitterung und dazu geführt habe, dass man wieder das Opfer von Imperialismus und Zionismus geworden sei.113 Wo die politische Aktualität und Brisanz dieser Darstellung liegt, ist jedenfalls deutlich. Es stellt sich auch die Frage, ob Nationalismus tatsächlich so formal und weltanschaulich neutral ist, wie Al-Sadr und in seinem Gefolge Al-Sartawi behaupten, und von daher in den Dienst einer guten Sache, sprich des Islam gestellt werden kann, oder ob nicht gleichzeitig immer auch der Nationalismus im Sinne des Macchiavelli-Zitats den Islam in den Dienst seiner Territorialität stellt. Al-Sartawi ist außerdem zwar sehr kritisch dem westlichen Nationalismus gegenüber, der für ihn vielfach fast gleichbedeutend ist mit Imperialismus, eine grundsätzliche Kritik, wie beispielsweise Kardinal Arinze sie deutlich machte, am eigenen Überlegenheitsgefühl aber gibt es nicht. An einem Islam, der alle Nationalismen dieser Welt ausfüllt und sie seinem Ordnungssystem unterwirft, kann die Welt genesen und frei und brüderlich werden, das wäre sozusagen die ideale Welt für jeden Menschen, wobei dies schon eine sehr islamische Sicht der Dinge und des Menschen ist. 113 Nach Al-Sartawi, Mahmoud, Nationalism and Religion: An Historical Overview, A Muslim Perspective, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 17–26.

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7.4.2.2. Arabische Christen: Kämpfer für Säkularismus und Nationalismus Sehr interessant ist die Gegenüberstellung zum christlichen Referat, dessen Thema, ganz konkret, die Rolle der christlichen Araber bei der Ausbildung des frühen arabischen Nationalismus (19. Jahrhundert) war, was zu einer ganz anderen Art von Darlegung mit völlig anderer Stoßrichtung führte, bei der sich aber trotzdem interessante Querverbindungen herstellen lassen. Zunächst betont ­Adnan Musallam, dass er die Bezeichnung ‚Christ‘ nicht nur rein religiös verstehe, sondern auch sozial und psychologisch, da der Einzelne eben immer nur in einem menschlichen Umfeld lebe und agiere. Seine weiteren Ausführungen machen dann deutlich, dass er damit auf die spezielle Situation von Christen (und anderen Minderheiten) im osmanischen Reich und seinem (islamischen) Millet-System anspielt, die auch einer der Hauptgründe war, warum ausgerechnet den Christen eine so tragende Rolle bei der Entwicklung des arabischen Nationalismus zukommt. Genauer gesagt entwickelte er sich in der Gegend von Großsyrien als Plädoyer für den Säkularismus, da es dort so viele religiöse Sekten und ethnische Gruppierungen gab, dass dieser das Einzige war, was alle vereinen konnte. Im muslimischen osmanischen Reich dagegen war Religionszugehörigkeit die entscheidenden Größe. Solange beispielsweise die Christen Tribut bezahlten, nicht durch irgendwelche Koalitionen den Staat bedrohten oder gegen die Regeln verstießen, die das islamische Recht ihnen auferlegte, mischte der Staat sich nicht in ihre inneren Angelegenheiten ein, sondern diese wurden von ihrem eigenen Oberhaupt geregelt, welches den Tribut eintreiben musste und ansonsten die Autorität in praktisch allen Fragen war, ob sie Gottesdienst, Erziehung und Wohlfahrt betrafen oder aber Finanzen, Verwaltung und Rechtsangelegenheiten. Die arabischen Christen brachten, so die Auffassung Musallams (und damit praktisch direkt konträr zu der seines Vorredners) die Befreiung von diesem geschlossenen System und damit eine kulturelle Erneuerung der gesamten Nation und den Anschluss an eine größere Welt, die eben schon eine Welt der Nation war, wobei sie dies zunächst einmal im eigenen Interesse taten. Hilfreich waren dabei zuerst (seit dem 16. Jahrhundert) die kirchlichen Kontakte zu Rom (die u. a. auch zur Gründung von Schulen führten, aus denen dann viele Reformer hervorgingen), dann auch die Handelskontakte, die allmählich auf die einheimischen Christen übergingen (die so direktes Wissen vom europäischen Leben bekam) bis hin zu solchen Einzelheiten, dass die ersten arabischen Werke in syrischen Lettern gedruckt wurden, bis es auch im Nahen Osten eine arabische Druckerpresse gab – wichtig für die Verbreitung neuen Gedankenguts und beides wieder auf Betreiben christlicher Geistlicher. Später kamen protestantische Missionen hinzu, die u. a. zur Gründung der American University of Beirut führten. Gemeinsam war allen, dass sie die arabische Sprache und Kultur sehr wichtig nahmen und gleichzeitig mit Fremdsprachen wie Englisch und Französisch neue Horizonte eröffneten, wissenschaftliches Denken förderten und kritische

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Curricula boten – für christliche Araber. Diese wissenschaftlichen Bestrebungen lösten sich aber allmählich von diesem fremden und auch einseitig konfessionellen Hintergrund und brachten erstmals zumindest seit der osmanischen Herrschaft über Syrien die sich bekämpfenden Glaubensrichtungen zusammen in einer aktiven Partnerschaft für ein gemeinsames Ziel. Als weiterer äußerer Punkt kam noch hinzu, dass es auch im Osmanischen Reich selbst Veränderungen in Richtung auf moderne westliche Systeme hin gab: Schutz des Lebens, der Ehre, des Eigentums der Bürger, Gleichheit aller Bürger ungeachtet ihres Glaubens. Auch innerhalb des Millet-Systems bekamen die Bürger mehr Gewicht. Der entscheidende Anstoß in Richtung auf ein säkulares nationales System kam aber durch die Massaker von 1860, die beinahe die gesamte christliche Gemeinde ausradiert hätten, und die die türkischen Behörden nicht in den Griff bekamen, ja im Gegenteil, türkische Soldaten bis hin zum Gouverneur von Damaskus beteiligten sich noch daran. Diese Lektion lernten auch Intellektuelle wie Butros al-Bustani, der fortan dafür eintrat, dass alle erkennen müssten, dass alle Religionen letztendlich gleich seien: Alle hätten eine menschliche Natur, stammten von den Ureltern ab und (erst an dritter Stelle) beteten denselben Gott an. Gesetze müssten gerecht sein, gleich, den Zeitläuften angepasst – und sie müssten auf einer Trennung der beiden Reiche beruhen, des religiösen und des weltlichen. Die Liebe zum Heimatland sei ein Akt des Glaubens und müsse alle anderen religiösen Bindungen übersteigen. Insgesamt ist dies die klarste Formulierung des christlich-arabischen Konzepts von Säkularismus und eine grundsätzliche Kampfansage an das gesellschaftliche System, das traditionell als islamisch bezeichnet wurde und wird. Aus dem Kontext gelöst klingen die Spitzensätze auch so, dass Christen, s. die Stellungnahme von Kardinal Arinze zum Thema letzte Loyalität, damit Schwierigkeiten bekämen. Doch in der Tat sind die besonderen Umstände, das macht auch der Redner deutlich, entscheidend für die Form und dann wiederum das Verständnis des Protestes. Insgesamt spielten die christlichen arabischen Intellektuellen bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts, ja bis zum Zweiten Weltkrieg eine tragende Rolle, auch wenn die eigentliche Führerschaft schrittweise auf die muslimischen Araber überging, die aber, zumindest vor christlichem Publikum, die nationalistische im Gegensatz zur religiösen Argumentation übernahmen. Der Mehrheit der muslimischen Araber, und auch das muss man sich immer wieder vor Augen halten, war dagegen gar nicht bewusst, dass es um nationale Einheit ging. Besonders die Idee des Säkularismus, Eckstein der ganzen Sache für die christlichen Araber, und damit die Trennung der Religion vom Leben, die der Islam ja normalerweise gerade vehement ablehnt, erreichte ihr Bewusstsein nicht. Sie hatten ja auch nicht die Erfahrung gemacht, dass Religionszugehörigkeit eine Gefahrenquelle sein kann und dass sie eben nicht die Basis für Staatsbürgerschaft oder für die Gleichheit bei Rechten und Pflichten sein sollte. Diese beiden Referate sind ein schönes Beispiel dafür, dass sich eben nicht nur zwei religiös verschiedene Ansätze begegnen, sondern vielmehr ein überwiegend

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idealtypischer Ansatz der einen religiösen Prägung mit einem sehr real-historisch orientierten Ansatz der anderen Prägung. Das Ergebnis ist sozusagen typisch: Der eine landet beim Islam als Schutz und Befreiung für alle Menschen, der andere beim Säkularismus als dem einzigen Schutz und der einzigen Befreiung und Gleichberechtigung für religiöse Minderheiten. Beide sprechen aber, wohl gemerkt, von der gleichen historischen Situation, wobei noch zu ergänzen wäre (eine Information, die der christliche Beitrag liefert), dass die ersten, die auf die Gefahr des jüdischen Nationalismus hinwiesen, die christlichen Araber waren – aber eben ohne jede religiöse Konnotation, nur von dem Faktum ausgehend, dass zwei Nationalismen ein und dasselbe Territorium beanspruchten und damit ein Dauerkonflikt vorprogrammiert sei.114 Kaum etwas könnte besser zeigen, wie sehr unterschiedliche Konzepte und Erfahrungen die Wahrnehmung ein und derselben Situation bestimmen können, wobei man den Eindruck gewinnen kann, die muslimische Wahrnehmung sei geradezu imprägniert gegenüber selbst massiven gegenteiligen Erfahrungen. Es ist äußerst bedauerlich, dass aus den Konferenzakten nicht hervorgeht, wie die Diskussion im Anschluss an die beiden Referate verlaufen ist.

7.4.3. Nationalismus: aktuelle Probleme und Herausforderungen 7.4.3.1. Nationalismus – eine grundsätzliche Begriffsklärung von christlicher Seite Die zweite Runde der Referate beschäftigte sich mit den aktuellen Problemen und Herausforderungen des Nationalismus, wobei Rückgriffe auf die Geschichte und allgemeine Begriffsklärungen unvermeidlich waren, sodass sich der Bezug zu den vorhergehenden Referaten fast automatisch ergab und sich lediglich die Gewichtungen verschoben. Für die christliche Seite referierte Jørgen Nielsen von den Selly Oak Colleges in Birmingham. Er setzte ein bei den großen Veränderungen, die es, bedingt durch die wirtschaftliche und politische Lage, in der Einschätzung des Nationalismus in den letzten gut drei Jahrzehnten gegeben habe, bis hin dazu, dass nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und damit einer ganzen Weltordnung ethnisch, nationalistisch und religiös exklusivistische Bewegungen weltweit an die niedrigsten Instinkte der Menschheit appellierten – gerade wo doch Nationalismus und der alte Nationenbegriff für überwunden erklärt worden waren bzw. ungenügend erschienen – und das mit traurigem Erfolg. Auch Nielsen schließt daran eine Begriffsklärung an, die zeigt, dass der heute so 114 Nach Musallam, Adnan, Nationalism and Religion: An Historical Overview, A Christian Perspective, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 27–44.

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genannte Nationalismus in Europa ab dem 17. Jahrhundert entstand, als dort alte Identitäten und Autoritäten wie Kirche, Feudalherrschaft oder Handwerkergilden ihre formende Kraft verloren, angestoßen und bedingt v. a. durch die fortschreitende Technologisierung. Vor und außerhalb dieses historischen Zusammenhangs seien einfache Vergleiche nicht möglich, da dort der Nationalismus bestenfalls ein europäisches Exportgut sei. Die gesamte Darstellung kommt immer wieder darauf zurück, wenn sie allgemeingültige Trends und besondere europäische Verhältnisse auszuweisen sucht. Von dieser geschichtlichen Eingrenzung abgesehen, versucht Nielsen den Begriff auch noch historisch-linguistisch abzugrenzen, v. a. angesichts der Tatsache, dass man zwar einerseits europaweit von Nationalismus spricht, konkret aber von dem oder jenem Volk. Dies ist zurückzuführen auf zwei verschiedene Arten und Weisen, in denen man die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer Gemeinschaft mit gemeinsamen sozialen und politischen Interessen definieren kann: als Blutsverwandtschaft oder durch gemeinsamen Wohnsitz oder gemeinsame Klassenzugehörigkeit im weitesten Sinn (beides findet sich schon im alten Rom, das denn auch, zumindest in den romanischen Sprachen, die sprachliche Basis dafür geliefert hat). Auf dem Niveau des Volkes ist die gemeinsame Abstammung wichtig, auch wenn diese in der Regel mythologischen Charakter hat – besonders starken Einfluss hatten die Nationen formenden Mythen der Romantik im Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts, doch ähnliche Gründungsmythen gibt es auch in anderen europäischen Nationen und auch sie fordern bis in die Gegenwart Identifikation. Besonderheiten des europäischen Nationalismus Besonders europäisch ist, dass Nationalität und Staatsbürgerschaft praktisch immer zusammenfielen, was in anderen Kontinenten und zu anderen Zeiten nicht der Fall war und ist. Das nächste Kriterium (und auch dieses tauchte schon in einem vorhergehenden Referat auf)  ist das der Sprache: In Nord- und West­ europa ist es in der Regel nicht bekannt, dass menschliche Gemeinschaften normal eher zwei- oder mehrsprachig sind denn einsprachig. Auch das hängt damit zusammen, dass die Romantik und die sich entwickelnde Linguistik im 19. Jahrhundert so in den Nationenbildungsprozess einbezogen wurden (und hier wiederum besonders in Deutschland), dass Sprache und Blut in der öffentlichen Wahrnehmung fast identisch wurden. Man spricht heute noch von germanischen, semitischen, arischen und arabischen Völkern spricht, definiert also Stämme linguistisch. Das, was sich in Europa herausgebildet hat, entspricht also gerade nicht dem Großteil der menschlichen Realität, sondern verdeckt ihn und macht eher zu seiner Wahrnehmung unfähig, wobei die angelsächsische Tradition, sei es in Großbritannien, sei es in den USA, grundsätzlich offener ist, was wiederum notwendigerweise auch zu anderen Definitionen von Nation und Staatsbürgerschaft führt. Für den arabischsprachigen Bereich führt Nielsen aus, dass sich das entsprechende Vokabular erst habe herausbilden müssen, da die potenziell geeig-

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neten Begriffe entweder stark religiös geladen (umma, milla)  oder aber unbedeutend waren,wobei bei letzteren auch wieder Unterscheidungen entlang den Linien Abstammung oder Territorium festzustellen sind. Interessant ist auch, dass, bedingt durch die damaligen politischen Konstellationen, es gerade die deutsche Variante war, die auf die sich Anfang des 20. Jahrhunderts ausbildenden Nationalismen im islamischen Raum den entscheidenden Einfluss nahm, von der arabischen Welt über die Türkei Mustafa Kemal Atatürks bis zu M ­ uhammad Iqbal und Pakistan. Andere, offenere Definitionen von Nation wie beispielsweise die des Dänen Grundtvig, dass, wer eine Zugehörigkeit zu einem besonderen Volk fühle, dadurch auch Teil dieses Volkes sei (in etwa auch die Definition der Arabischen Liga für Araber), hatten in der politischen Praxis so gut wie keine Auswirkungen. Konkrete und potenzielle Auswirkungen des Nationalismus Weltweit aber lässt sich beobachten, dass wirtschaftliche und technologische Modernisierung zur weiteren Verbreitung von Alphabetisierung und Bildung und zu Arbeit außerhalb der traditionellen Strukturen führen und so zur Herausbildung einer neuen Identität, nämlich der der Nation. Gerade der Bildung kommt ein Schlüsselfaktor zu bei der Überwindung von regionalen, Minderheiten- oder Immigrantenmentalitäten, was aber auch tendentiös werden kann bis hin zum Vermitteln von bestimmten Feindbildern. Hier kommt hinzu, dass Nationenbildung praktisch nie ohne Gewalt nach innen und/oder außen abgegangen ist. In einem modernen Staat ist das Band, das das Individuum mit dem Staat verbindet, das der Staatsbürgerschaft. Normalerweise umschließt das das Recht auf einen Wohnsitz und den Zugang zu verschiedenen Wohltaten, die der Staat zur Verfügung stellt, wie beispielsweise Erziehung, Gesundheits- und Sozialfürsorge sowie die Erwartung, Arbeit finden und die Familie zusammenhalten zu können. Ganz abgesehen von den einzelnen Umständen ist eine Person oder Gemeinschaft, die nicht den vollen Staatsbürgerstatus hat, benachteiligt. Was die Europäische Union angeht, so ist der Hauptvorwurf in Richtung Menschenrechtsverletzungen an sie das Chaos, das in punkto Staatsbürgerschaft und der Kriterien dafür vorliegt, ein Erbe der Geschichte und Tradition der verschiedenen Mitgliedsstaaten, um nicht gleich Gründungsmythen zu sagen. Diese Gründungsmythen können (weltweit) die grundverschiedenen Interpretationen ein und desselben historischen Ereignisses sein, was die Brisanz solcher Identität stiftender Mythen ausmacht und die Frage aufwirft, wie sie überwunden und neue, Einheit stiftende Mythen gebildet werden können. Ähnlicher Punkte könnten das internationale Privatrecht werden, das sowohl in den westlichen Gesellschaften als auch im islamischen Bereich bekannt ist, sich aber an unterschiedlichen Kriterien festmacht, bzw. das darunter liegende Konzept von Familie, das instinktiv immer im Zentrum einer kollektiven Identität steht, egal ob eine Kultur sich sonst religiös, abstammungsmäßig oder säkular definiert. Wenn die muslimischen Minderheiten in Europa bezüg-

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lich Familienrecht zunehmend mehr Forderungen stellen sollten, was durchaus denkbar ist, könnte dies leicht zu einer wie auch immer genau gearteten (nationalen, ethnischen, religiösen) Mobilmachung führen. All dies führt vor Augen, dass etwas auf den ersten Blick so scheinbar Einfaches wie die nationale Zugehörigkeit bei genauerem Hinsehen schnell zur kollektiven Pathologie werden kann. Dies kann eventuell auch zur Selbstzerstörung führen, wie Bürgerkriege zeigen, die erfahrungsgemäß emotionsgeladener und damit grausamer sind als Auseinandersetzungen zwischen Fremden, sprich verschiedenen Staaten. Und die Rolle von Christentum und Islam ist zumindest in der kollektiven Erinnerung dabei eine negative, sprich: Die lange Serie von Auseinandersetzungen ist allgemein bekannt und kann politisch schnell mobilisiert werden, während die langen Zeiten von friedlicher Koexistenz und Austausch nicht im Gedächtnis sind und kein Gegengewicht bilden können. Im Gegenteil, der Konflikt scheint noch exportiert zu werden in Gegenden, die diese Art von christlich-muslimischen Auseinandersetzungen gar nicht kannten. Dabei spielt teilweise mit, dass man eher Sympathien und Unterstützung von außen gewinnen kann, wenn man einen (sonst herzlich uninteressanten) ethnischen Konflikt als religiös verkauft. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der oft gehörte Appell an die Christlichkeit Europas. Wobei die fast noch interessantere Frage ist, auf welche Elemente der Christlichkeit dann wirklich zurückgegriffen wird. Auch die geistlichen Führer sind ja in diese kollektiven Pathologien hineingeboren, bei denen die unterschiedlichsten Stränge schier unentwirrbar zusammenlaufen, und bleiben immer auch ein Teil davon. Im Prinzip sei es weder christlich noch muslimisch, den eigenen Glaubensbruder gegen jeden Fremden zu unterstützen, v. a. nicht, wenn es um Aubeutung geht oder um materielles oder körperliches Unrecht. Die große Herausforderung, die sich beiden Religionen unter den Verhältnissen der Gegenwart stellt, könne nur gemeinsam bewältigt werden, nur so könne man die Religion aus dem Gefängnis solcher Verhältnisse befreien und dann die allgemeingültigen Werte (an die er glaubt) wieder einbringen115. Dieses Referat zeigt klarer auf als alle bisherigen, wie kompliziert die Verhältnisse sind, wie viele Faktoren mit hineinspielen und wie schnell der einzelne Mensch oder auch eine Gruppe von Menschen, ja sogar eine Religion zum Gefangenen von Verhältnissen und Konstrukten werden, aus denen nur schwer herauszufinden ist. Weil man immer auch Teil des Systems ist, das sehr zerstörerische Kräfte entfalten kann (und es häufig schon getan hat), kann man nur in gemeinsamer Anstrengung einen neuen Weg finden, den beide Seiten gehen können. 115 Nach Nielsen, J[ørgen] S., National Ties Today: Problems and Challenges, A Christian Viewpoint, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 47–61.

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7.4.3.2. Das Referat des Justizministers – ein klassischer islamischer Ansatz Das Gegenreferat, gehalten vom jordanischen Justizminister, befasst sich mit der Lage im Nahen Osten und ist, vergleicht man es mit den beiden vorangegangenen Referaten, eher vereinfachend, um nicht zu sagen beschönigend, was in sozusagen dreifacher Hinsicht an der Person des Vortragenden liegen könnte. Seine Wahrnehmung als Muslim ist deutlich vom islamischen Gesellschaftsund Staatsideal geprägt, Abweichungen davon werden weniger stark wahrgenommen und ganz anders verortet als bei einem Christen, der in derselben Gesellschaft behei­matet ist, außerdem kommt er nicht aus der universitären Forschung und bekleidet ein sehr hohes gesellschaftliches Amt – auch das könnte dazu beitragen, dass die Sachlage etwas weniger differenziert und insgesamt appellativ-positiver gesehen wird. Dafür sind auch die anthropologischen Aussage klarer und einfacher und auch viel leichter auszumachen als dort, wo nationale Zugehörigkeit als ein kompliziertes und in Teilen eigentlich imaginäres Geflecht gesehen wird, bei dem verschiedenste Faktoren auf die Identität eines Menschen einwirken und es schwierig sein kann, alle diese Faktoren und ihren Anteil zu bestimmen, geschweige denn, eine einfache Lösung zu finden, wenn Konflikte auftreten. Dies alles stellt sich bei Dr. Taher Hikmat einfacher dar: Der Islam ist eine universale oder internationale menschliche Religion, jeder Mensch kann von daher ein Muslim sein. Aber die Araber haben innerhalb des Islam eine besondere Rolle und Stellung, da Gott aus ihnen einen Apostel gewählt und dann sie selbst gewählt hatte und weil die Einigung dieser Nation eine religiöse Einigung war, oder genauer gesagt, eine religös-politische, mit dem Ziel, ihnen Sicherheit, Unterstützung, Sieg und Lebensgrundlage zu geben. Wieder wird betont, wie hoch diese Gemeinschaft über allen kleinen Unterscheidungskriterien steht, was typisch islamisch ist, und es wird bezeichnenderweise für Nation der sehr islamisch geprägte Begriff der ‚umma‘ gewählt und zwar zunächst in der Form des Vertrags von Medina, wo sie neben den Muslimen auch die Nichtmuslime umschloss, die sich ihnen angeschlossen hatten. Diese Nation basierte auf den Prinzipien von Gleichheit und Zusammenarbeit. Spätere Definitionen sehen schon ganz anders aus, Mitgliedschaft in der ‚umma‘ verlangt, bestimmte Dinge anzuerkennen, so die Schöpfung der Welt, die Einheit ihres Schöpfers, dessen Ewigkeit, Gerechtigkeit und Weisheit sowie das Fehlen von Anthropomorphismen bei ihm, das Prophetentum Mohammeds für alle Menschen und seiner Botschaft als richtig, wofür man sich einzusetzen habe, dass der Koran die Quelle des islamischen Rechts ist und die Kaaba die Gebetsrichtung. Das sind nicht gerade wenig Glaubenssätze, von denen diese Nationszugehörigkeit abhängt, doch kann man dasselbe auch anthropologisch sehr positiv ausdrücken: Die muslimische Staatsangehörigkeit ist sehr leicht zu erwerben, man braucht dafür keine besondere Erlaubnis und keine Mindestaufenthaltsdauer in einem Land, sondern nur Glauben des Herzens und

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Bekenntnis des Mundes. Fremd und Fremder seien im Islam nicht etwas Natürliches, unabänderlich Angeborenes wie Farbe, Rasse oder Sprache, sondern nur eine persönliche Sache, die dem Willen des Einzelnen unterworfen sei, wobei eben immer wieder besonders betont wird, Rasse sei für den Islam kein Unterscheidungs- oder Diskriminierungskriterium. Es ist damit klar und wird auch gesagt, dass der muslimische Staat kein Nationalstaat im westlichen oder modernen Sinn war und dass diese erwähnten Verschiebungen immer zu berücksichtigen seien. Der Nahe Osten sei zu einem panislamischen Staat geworden, in dem die Religion alle Stammes- und sonstigen Bande ersetzte, was am Anfang auch unproblematisch gewesen sei. Erst mit dem Aufkommen muslimischer Sekten und mit der Vormachtstellung politischer Uneinigkeit gegenüber der essenziellen lehrmäßigen Einheit des Glaubens, die religiös, politisch und unitarisch sei, kamen auch die Probleme. Die Probleme derer, die nicht in diese Glaubenseinheit hineinpassten, werden bezeichnenderweise nicht erwähnt. Islam und Nationalismus – eine muslimische Sicht Der Nationalismus im modernen Sinn sei in der arabischen Welt erst im 20. Jahrhundert aufgetaucht, abgesehen von einigen literarischen Anspielungen im 19. Jahrhundert (dies bestätigt in frappanter Weise das mehr historische Referat von Adnan Musallam insoweit, als der arabische Nationalismus des 19. Jahrhunderts eine christliche Angelegenheit war, die literarischen Niederschlag fand, aber sonst von der muslimischen Öffentlichkeit, die Hikmat hier allein im Blick zu haben scheint, nicht wahrgenommen wurde). Der türkische Nationalismus sei auf europäische Einflüsse zurückzuführen (hier war Nielsen noch genauer), der arabische auf die Unterdrückung durch den imperialistischen Kapitalismus (wobei die europäischen Kolonialmächte und das Osmanische Reich in seiner Spätphase praktisch in einen Topf geworfen werden), wodurch letzterer (islamisch) gerechtfertigt erscheint. Es wird auch betont, der arabische Nationalismus sei nie anti­ religiös gewesen, sondern im Gegenteil dem Islam immer sehr verbunden, da der Islam das Größte sei, was die Araber je hervorgebracht hätten (und umgekehrt ist der Islam immer den Arabern verbunden, da der Koran in arabischer Sprache ist und die Araber die ersten Muslime waren). So spiele der Islam eine große Rolle im Kampf gegen neuere Formen der Hegemonie, womit sich der Kreis schließt. Hikmat sieht im gegenwärtigen System des Nahen Ostens zwei Sicherheitsventile: Das eine ist der Islam, der nationale Spannungen entschärft (beispielsweise zwischen Arabern und Berbern oder Arabern und Kurden), das andere ist der Nationalismus, der Christen und Muslime zusammenbindet (wobei er betont, dass der libanesische Bürgerkrieg letztlich ein politischer und kein religiöser Konflikt war). Beide könnten helfen, Menschen zusammenzuhalten, wobei auch er sehr ausführlich und fast schon aggressiv darauf eingeht, dass ein Gegensatz zwischen Christen und Muslimen konstruiert werde, der so nicht der Wahrheit entspreche, sondern unmoralischen wirtschaftlichen Interessen diene. Für diese

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Werte müssten sich Christen und Muslime einsetzen und sie könnten es auch: „[W]e, both Muslims and Christians, have a moral legacy and an ethical religious heritage sufficient to ward off the most flagrant violations of the freedom of man who is honored by all religions.“116 So sind gerade auch am Schluss Parallelen zum Referat von Nielsen unüber­ sehbar, allerdings ist der Ton verschoben: Die Wahrnehmungsverschiebung hin auf Konflikt und nicht friedliches Zusammenleben ist allein Schuld des Westens und die Zusammenarbeit für gemeinsame Werte wird recht einfach und positiv gesehen (als ob etwa fehlende Religionsfreiheit im Islam keine flagrante Verletzung der Freiheitsrechte des Menschen wäre, jedenfalls nach einer nicht-islamischen Sicht des Menschen). Man könnte es Naivität nennen oder aber Ausfluss der Politik, in der für Zwischentöne und Unsicherheiten oder gar Selbstkritik kein Platz ist.

7.4.4. Die Rolle der Gläubigen 7.4.4.1. Die Menschheit als eine Nation in muslimischer Sicht Die beiden letzten Referate beschäftigten sich mit der Rolle von Gläubigen im Umgang mit Fragen rings um den Nationalismus und versuchten sozusagen einen Blick in die Zukunft, allerdings immer auf der Basis der Vergangenheit. Beim muslimischen Redner fällt von Anfang an auf, dass er zwar davon spricht, dass es gerade in diesen Fragen einen christlich-muslimischen Dialog geben müsse, um zu einem gemeinsamen Konzept zu kommen, und dass die Frage nach dem Säkularismus in Vergangenheit und Zukunft die entscheidende Frage zwischen islamischem und nationalistischem Denken sei (was sich so ja auch im christlich-arabischen Denken herauskristallisiert hatte), dass er aber auch ganz selbstverständlich von einer islamischen arabischen Identität ausgeht und dass er ebenso selbstverständlich annimmt, die islamische arabische Einheit sei das Ziel sowohl des islamischen als auch des christlichen Denkens – in beidem dürfte ihm der Widerspruch christlicher Araber eigentlich sicher sein. Doch wie seine muslimischen Vorredner sieht er die große Harmonie zwischen nationalistischem Denken, islamischem Denken, interreligiösem Dialog und arabischer Einheit als eine Gegebenheit an, die – mit muslimischer Logik gesehen – immer wieder zum Vorschein komme. Denkerischer und anthropologischer 116 Hikmat, Taher, National Ties Today: Problems and Challenges, A Muslim Viewpoint, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 68, s.a. p. 63–67. Man meint in der Tat den Politiker zu hören, der die Massen beschwört, wenn man die daran anschließenden abschließenden Sätze liest: „The Middle East, and particularly our country, is the birthplace and radiation focus of monotheistic religions. It is the beacon of tolerance and love and will never be a new Yugoslavia, Bosnia-Herzegovina or Serbia./p. 69 Let our slogan be: ‚inter-communion of civilizations not conflict between civilizations‘.“

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Ausgangspunkt ist für ihn dabei Sure 2,213, nach der die Menschheit als eine einzige Nation geschaffen wurde und erst danach die Unterschiede kamen, weswegen Gott Propheten mit einem Buch sandte, damit es Richter sei in den Dingen, in denen sie sich unterschieden, wobei die Völker des Buches sich lediglich aus Widerspenstigkeit voneinander unterschieden. Er interpretiert das so, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Religionen auf deren Verbindung zu bestimmten Nationen zurückzuführen seien, wobei der Islam den anderen monotheistischen Religionen, bei denen er eine Gleichheit nicht nur im Gottesglauben, sondern auch in der Eschatologie und in gewissem Sinn in der Ethik sieht, sehr tolerant gegenübersteht, mitunter toleranter als gegenüber gewissen eigenen Rechtsschulen oder gar Sekten. Was das Verhältnis Gesellschaft und Religion generell sowie Islam speziell angeht, so entwickelt der Referent dazu den Gedanken, dass das menschliche Individuum für sich sowie in Vergesellschaftung vor zwei großen Herausforderungen stehe: entweder zu überleben oder zivilisatorisch ausgerottet zu werden. Häufig würden dabei psychologische Faktoren überwiegen und dazu führen, dass das Gefühl der menschlichen Brüderlichkeit sich konsolidiere. Dies sollte auch so sein und das individuelle und soziale Denken und Handeln kontrollieren, denn sonst könne es weder Frieden noch Gerechtigkeit geben. Die monotheistischen Religionen hätten dieses Prinzip der menschlichen Brüderlichkeit fest in ihren Glaubensbekenntnissen verankert, um damit direkt und umfassend zu den verstandes- und verhaltensmäßigen Großtaten der menschlichen Zivilisation und der sozialen Beziehungen beizutragen. Manche Denker glaubten sogar, es sei die Religion, die die Menschen zum Nachdenken bringe und sie damit zur Entwicklung von Weisheit und Zukunftsvisionen stimuliere. Als Essenz aller monotheistischen Religionen könne man zusammenfassen: menschliche Brüderlichkeit als Folge der Tatsache, dass alle Menschen aus demselben Lehm von demselben Schöpfer geschaffen wurden, Altruismus als Ausgangspunkt für soziale Reformen und schließlich generell Selbst-Reformierung, um überhaupt eine nennenswerte Reform erreichen zu können. Zwei von diesen drei Punkten sind also dezidiert anthropologisch. Freilich seien die Aufrufe zu sozialer Gerechtigkeit sowie menschlicher Brüderlichkeit und Gleichheit immer individuell menschlich eingefärbt gewesen, aber Selbstheiligung, Einladung zu Wohltätigkeit und rechtem Handeln sowie das Erreichen von sozialer Gerechtigkeit, Sicherheit und Stabilität gehörten zu den grundlegenden Zielen aller Religionen. Sie alle würden dem menschlichen Gewissen die erhabensten Gedanken nahebringen und die Menschen dringend dazu auffordern, sich an die Bande von Brüderlichkeit, Liebe und Frieden zu halten. Seine Aussagen in dieser Hinsicht sind sehr weitgehend: „[A] true believer is the nearest to perfection regardless of the faith he believes in. If people turn to religions as a means of rapprochement and amity through their sublime vocation, love and peace in society will be attained. The most outstanding characteristic of the message of religions is perhaps the universal love based on the general moral code of humanity that aims

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at openness to world cultures and thoughts and the common elevated notions of humanity and human progress.“117 Es ist sehr interessant, wie weit er an dieser Stelle mit der Gleichheit auf anthropologischer Basis geht, nämlich hin bis zu einem allen Menschen gemeinsamen Moralkodex. Dass dies nicht nur eine zwar durch die Schöpfung logische und erklärliche, letztlich aber mehr oder weniger theoretische Größe ist, sondern auch aktuell in der Welt aller Religionen und nicht mehr nur der monotheistischen, wie weiter oben gesagt, zum Tragen kommt, das ist in der Tat auch nach islamischem Verständnis nicht unbedingt selbstverständlich. Trotz der Vorstellung vom angeborenen Hanifentum wird sehr viel Wert auf die Notwendigkeit der Offenbarung des Willens Gottes gelegt. Erst mit dem nächsten Unterabschnitt wendet sich Izat Jarradat konkret der Frage des Nationalismus zu oder wie er es formuliert, dem Problem heutiger arabischer Gesellschaften, dass es nämlich zu einer Konfusion über das islamische Konzept und das nationale Konzept gekommen sei. Unter Letzterem versteht er das auf Rousseau zurückgehende Konzept eines sozialen Vertrages zwischen Bürgern, das letztlich zu einem ethnologischen Nationalismus bzw. Chauvinismus geführt habe und das von Anfang an im Konflikt mit dem Geist der Religion allgemein und des Islam im Besonderen stand. Für ihn ist der Kern der arabischen Zivilisation der Islam. Er hat idealistische und humane Ziele und ist in jeder Hinsicht universell, gerade auch in seinem Herangehen an das Leben. Und er ist eben von der Sprache und vom Sitz im Leben her originär arabisch, während das Christentum nach diesen Kriterien nicht in derselben Weise europäisch sei. So wurde er als Glaube und als Kultur zur Botschaft des arabischen Volkes. Jarradats Ausführungen gipfeln in dem schon sprachlich nicht ganz korrekten Satz: „So it is religious doctrine which forms the national ethos while the array consisting of (religion, language, culture and geographic and economic unity) may form the basic constituents of the national concept which does not conflict with the Islamic concept.“118 Es hat den Anschein, als würde hier ein sehr offenes Konzept dazu benutzt, um im konkreten arabischen Kontext dann aber die Religion des Islam mit ihrem Glaubens- und v. a. Regelwerk als die einzige natürliche Grundlage von Gesellschaft und 117 Jarradat, Izat, The Role of Believers in Dealing with Questions of Nationalism, A ­Muslim Viewpoint, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 77, s.a. p. 73–75 und für den speziell islamischen Standpunkt zu Religion und Gesellschaft p. 76: „For from an Islamic angle, the call of religions for belief represents the invitation of man to maintain his human dignity and feeling equal to others in terms of human and value distinctive qualities and his deep conception of the possibility of intellectual, social and cultural understanding and agreement at both individual and collective levels.“ Dies geht ja, wenn auch holpriger ausgedrückt, in dieselbe Richtung wie die im Text selbst zitierte. 118 Ib., p. 78.

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Nation zu nehmen. Was als Nicht-Widerspruch geradezu angepriesen wird, ist aus anderer, nämlich christlich-arabischer Sicht eher die Vereinnahmung der arabischen Nation durch den Islam, ohne darauf zu achten, dass es eine mehr oder weniger große arabische Minderheit gibt, die die Problemlösung Islam weder gebraucht noch gewollt und dessen Universalität und Humanität völlig anders eingestuft hat. Es zeichnet sich also ab, dass die zunächst so offen formulierte islamischanthropologische Begründung einer gemeinsamen Ethik der Menschheit aus Sicht von Nichtmuslimen auch zu einer bösen Falle werden kann, wenn sie nämlich einfach mit dem konkreten islamischen System in eins gesetzt und dann zum Ziel aller arabischen Menschen (wenn nicht überhaupt aller Menschen) erklärt wird. Wer es wagt, etwas anders zu sehen, läuft Gefahr, zu einer Person erklärt zu werden, die die höchsten Werte der arabischen Kultur oder gar des Menschseins überhaupt verfehlt und das in einer Gesellschaft, in der die Religion (und damit auch ein religiöses Urteil) der bestimmende Faktor ist. Werte und Ziele für diese Menschheit Jarradat aber geht von der Harmonie zwischen den islamischen und nationalen Konzepten aus, die der Islam geschaffen habe dadurch, dass er die Araber auf die internationale Bühne brachte. Diese Verbindung sei auch positiv entscheidend für das Erreichen von Einheit, Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie in der Zukunft. Das zivilisatorische islamische Erbe gehöre beiden, Muslimen und Christen, und beide hätten ihre gemeinsamen Rollen beim Aufbau desselben gehabt und hätten sie noch. Jarradat sieht in einer noch zu erreichenden arabischen Gesellschaft die nationalen arabischen und die zivilisatorischen islamischen Kräfte am Werk – der Islam werde wegen seiner Werte wie sozialer Gerechtigkeit, sozialen Zusammenhalts und Einheit gebraucht, der Nationalismus, weil die soziale und gefühlsmäßige Bindung des Einzelnen an seine Nation durch ein Nationalgefühl gestärkt werden müsse, das der geistlichen wie der materiellen Entwicklung im Leben dienlich sei. Letzteres ist ein Gedanke, der so ähnlich ja auch schon in den Ausführungen Kardinal Arinzes ganz zu Beginn aufgetaucht war. Noch anthropologisch grundsätzlicher wird die Argumentation, wo es um die Rolle des interreligiösen Dialogs in diesen Zusammenhängen geht: „This makes interreligious dialogue a necessity dictated by a civilizational challenge for contributing to the one human civilization. Such contribution comes from the points of similarity and agreement among mankind in search of a better future for humanity. Through this dialogue monotheistic religions will contribute to the enhancement of good, the values of faith and the principles of brotherhood amid the humanity which Almighty God has created and through the natural disposition he has deposited in man leading him towards belief in the Creator.“119 Dem

119 Ib., p. 80.

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Islam seien dabei konkret besonders wichtig: Gerechtigkeit, sozialer Zusammenhalt, Beratung (shura)  bzw. Demokratie sowie Mäßigung bzw. Mittelweg. Gerechtigkeit sei nötig, um den Einzelnen und die Gesellschaft vor Ungerechtigkeit und Aggression zu schützen. Sozialer Zusammenhalt gehöre ebenfalls zu den Vorbedingungen für ein würdiges menschliches Leben, wobei dabei auch an den Zusammenhang von spiritueller, intellektueller und materieller Dimension des Lebens gedacht ist. Beratung/Demokratie sei die Möglichkeit, verschiedene Gesichtspunkte und Meinungen zu einer Angelegenheit zu bekommen und Solidarität und Freiheit in einer Gesellschaft zu erreichen, sodass jeder unabhängig von der Religionszugehörigkeit seine Meinung äußern kann. Mäßigung schließlich betrifft das gesamte Leben, ob es nun um das Gemeinwohl geht, um Meinungsverschiedenheiten, Toleranz oder sogar gottesdienstliches Leben. Diese alle seien wiederum notwendige Voraussetzungen für menschliche Entwicklung, sozialen Fortschritt und die Förderung moralischer Werte. In allen diesen Punkten träfen sich die monotheistischen Religionen, besonders aber Islam und Christentum. Spannungen und Probleme – nur eine Sache der Nichtmuslime Kritische Punkte im Dialog werden u. a. gesehen bei historischen Studien, besonders wenn sie die Verbindung von und Unterstützung missionarischer Aktivitäten durch imperialistische Hegemonie betrifft. Doch auch in diesen heiklen Bereichen seien positive, sprich objektivere Trends spürbar. Als besonders durch interreligiösen Dialog klärungsbedürftig wird die Frage des Säkularismus genannt – doch kann es sich dabei wohl nur um ein Erklären für die Nichtmuslime handeln, denn der eigene Standpunkt wird mit seltener Entschiedenheit und Schärfe klar gemacht: Säkularismus ist nur etwas für Gesellschaften, in denen Religion nur ein Teil von deren sozialer Struktur und wesentlichen Grundbausteinen ist und der Säkularismus die Voraussetzung für Einheit, Fortschritt, Freiheit und Befreiung in der Gesellschaft. Im arabisch-islamischen (das wird hier praktisch gleichgesetzt, wie ja schon oben gezeigt) dagegen ist die Religion die Basis des menschlichen sozialen Lebens, des Nationalismus und auch der Wissenschaft und des wissenschaftlichen Denkens. Alles andere wäre im arabischen Kontext extremistisch. Die Gründe der Entstehung säkularen Denkens auch in der arabischen Gesellschaft interessieren ihn nicht, sie haben sich erledigt und der Säkularismus in der arabischen Gesellschaft von heute für ihn damit auch noch reaktionär. Wo der Säkularismus umgekehrt den Muslimen aufgewungen wurde, da haben sie ihn zurückgewiesen und konnten ihn nicht assimilieren. Die für ihn völlig logische Schlussfolgerung, auch wenn sie ein Schlag ins Gesicht für jeden christlichen Araber und besonders für den gewesen sein muss, der auf der Konferenz über die Rolle der christlichen Araber bei der Ausbildung des islamischen Nationalismus referierte: „If secularism does not suit Muslim peoples in general, it does not suit the Arab nation in particular; because religion, and particularly Islam, is the basic constituent of this nation and the message it carries

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to humanity.“120 Der Referent selbst hat dafür allerdings keinerlei Gespür, er sieht zwischen regionalen, nationalen (also pan-arabischen), zivilisatorischen, islamischen und globalen Zugehörigkeiten, die sich auf die ganze Menschheit beziehen, überhaupt keine Spannungen. Er sieht auch keine Spannungen zum Christentum in diesem Punkt (oder zu konkreten Christen) oder zur Demokratie, ganz im Gegenteil. Und zumindest ganz am Ende betont er nochmals, woher diese Haltung kommt: Der Islam sieht sich selbst als die letztgültige göttliche Botschaft an die Menschheit  – und diese Botschaft stimmt mit der natürlichen Disposition des Menschen überein und weist auch den anderen monotheistischen Religionen und deren Botschaft ihren Platz zu. Genau das hatte er in seinem Referat vorexerziert. 7.4.4.2. Von christlicher Seite: Nationalismus als Konzept der imagined communities Das christliche Gegenreferat von Ian Linden ging dagegen nicht von einem bestimmten christlichen Konzept aus, sondern von dem Konzept der imagined communities in der Nationalismus-Analyse von Benedict Anderson, das den Aufstieg des Nationalismus als eine Entwicklung innerhalb des menschlichen Bewusstseins sah, nämlich dass eine neue imagined community entstand, im Gegensatz zur religiösen Gemeinschaft und auf anderen Vorstellungen von Raum und Zeit basierend als diese. Verbunden war diese Entwicklung u. a. mit der Entstehung einer nationalen Schriftsprache und sie trat einen richtiggehenden Siegeszug an, so dass es nach kaum 200 Jahren weltweit als natürlich, als essenziell menschlich angesehen wird, eine Nationalität zu haben. Weiterhin unterscheidet er zwischen volkstümlichem Nationalismus auf der Grundlage des Herderschen Zugehörigkeitsgefühls, den er als Schrei der Unterdrückten und als Hoffnung auf die Wiederherstellung von Wohlergehen in bestimmten kulturellen Formen definiert, und dem offiziellen Nationalismus, der die Symbole und Bilder des Ersteren manipuliert. In der Regel bekommt dieser Nationalismus viel mehr Aufmerksamkeit während die andere, die genuin anthropologische Seite des Phänomens, die mit verschiedenen Formen menschlicher Zusammengehörigkeit zu tun hat, eigentlich kaum diskutiert wird, wobei im Blick auf den Nationalismus die politische Macht des Phänomens sowieso im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu seiner geistig-philosophischen Dürftigkeit zu stehen scheint. Auch wenn Linden davon ausgeht (und er ist sehr korrekt darin, darzulegen, welche Annahmen er jeweils macht), dass die Möglichkeit zu kultureller Selbstbestim 120 Ib., p. 83, s.a. p. 78–82.84–86. In seiner Zusammenfassung p. 85 fallen solche Sätze wie: „(a) Islamic Arab civilization is the message of the Arab nation. (b) The civilizational content of Arab nationalism is Islam and not secularism. (c) The Arab national feeling, far from being an extremist, is a humane one. (…) (f) Fighting the danger of atheism is a common target for Islamic as well as for national thought.“

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mung für ihn die Voraussetzung für die Ausbildung einer wirklich menschlichen christlichen Spiritualität ist, so gibt er doch klare Bedingungen für das Engagement von Christen in nationalistischen Bewegungen (Option für die Armen). In diesem Rahmen ist es ausdrücklich möglich, Konflikte zwischen den Forderungen der religiösen und der nationalen Gemeinschaft zu diskutieren und Manipulationen, Grenzüberschreitungen und Missbräuche von Nationalismus und Religion anzuprangern, was er auch tut. Beim Vorredner dagegen ging es (wie bei anderen muslimischen Rednern in ähnlicher Weise) mehr darum, ein im Prinzip bereits vorhandenes ideales Konzept von Nationalismus, nämlich den islamischen (oder vielleicht noch oder sogar den arabisch-islamischen) in die Tat umzusetzen. Der Spielraum für Kritik, v. a. für grundsätzliche Systemkritik, war dadurch sehr begrenzt, denn man war einem einzigen System fest verbunden. Was ist imagined an nationalen Gebilden? Bei Linden dagegen gab es breiten Raum für sehr grundsätzliches Hinterfragen aller Phänomene im Bereich Nationalismus, beginnend damit, wie eine imagined community eigentlich zu denken ist, gerade, was das imagined angeht. Es sei gerade das Gegenteil von privat und passiv und auch nicht in dem Sinn eine reine Erfindung, dass man sich einen Erfinder vorstellen müsse, der manipulativ nichtsahnende Subjekte in Ethnien verwandelt. Vielmehr handelt es sich um weit verbreitete, intensiv diskutierte kollektive Fiktionen, die immer wieder neu erfunden werden. Im Geist eines jeden Vertreters einer Nation lebt eine Vorstellung von Gemeinsamkeit mit anderen Vertretern dieser Nation, obwohl er konkret nie die Gelegenheit haben wird, mit ihnen in eine persönliche Beziehung zu treten. In diesem Sinn kann alles, was über die Dorfgemeinschaft hinausgeht, nur eine imagined community sein. Hier kommt eine zweite Definition ins Spiel, die ebenfalls von Anderson stammt, dass nämlich die Nation eine politische Gemeinschaft sei, die als gleichzeitig souverän und begrenzt vorgestellt wird. Diese Vorstellung entstand, als unter dem Druck von französischer Revolution und Aufklärung alte Systeme wie Dynastien oder auch religiöse Konzepte von Hierarchie, Raum und Zeit zusammenbrachen oder zumindest nachgaben. Gerade daraus ergibt sich ein scharfer Kontrast zwischen Nation und religiöser Gemeinschaft. Letztere ist auf die Gemeinschaft mit dem Heiligen ausgerichtet und wird deshalb am besten als vertikal und zum Mittelpunkt hinstrebend beschrieben, während erstere horizontal und auf Grenzen hin orientiert ist. Gerade im christlich-muslimischen Bereich hat sich religiöser Führungsanspruch hauptsächlich durch die Kontrolle über die Auslegung heiliger Texte in einer bestimmten, besonders ‚wahren‘ Sprache ausgedrückt. Der Raum wird durch Pilgerfahrten erfahren und vorstellbar, seien es die der Gläubigen oder des religiösen Oberhaupts (im christlichen Bereich trifft diese Definition besonders auf die katholische Kirche zu) und es gibt eine gewisse Zeitlosigkeit zwischen den Menschen von heute

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und einem göttlichen Geschehen vor langer Zeit. In dieser Hinsicht war z. B. das Aufkommen von gedruckter Umgangssprache (oder die Frage der Legitimität von Übersetzungen im religiösen Bereich) eine ernsthafte Herausforderung für die religiösen Gemeinschaften. Oft wurden auch aus solchen Sprachgemeinschaften schließlich Nationen oder aber die Grenzen einer Nation wurden durch geografische oder verwaltungstechnische Gegebenheiten bestimmt. Schließlich war der Nationalismus auch deshalb eine Herausforderung für die religiöse Identität, weil er starke Gefühle hervorruft, die mit Zugehörigkeit zu tun haben. Menschen lieben diese Gemeinschaft und sterben sogar dafür und weil diese natio­ nale Identität als natürlich, als im Blut liegend vorgestellt (imagined) wird, haben die Menschen auch das Gefühl, gar keine Wahl zu haben bzgl. der Opfer, die eventuell von ihnen gefordert werden. Dies kann sogar innerhalb einer religiösen Gemeinschaft zu unterschiedlichen Beurteilungen derselben Sachlage führen, je nachdem, ob die nationale oder die internationale Ebene betroffen ist. Solche Differenzen gab es beispielsweise bzgl. der stillschweigenden Billigung bzw. dem offenen Anprangern des Golfkrieges zwischen einem englischen Kardinal und dem Papst. Herder – eine philosophische Begründung des Nationalismus? Was eine auch philosophische Begründung des Nationalismus angeht, so ist sie am ehesten bei Johann Gottfried Herder zu finden, der ein Zugehörigkeitsgefühl als grundlegend für ein menschliches Konzept von Wohlbefinden sah. Er glaubte an einen Volks- oder Nationalgeist als Form kultureller Selbstbestimmung und war ein Gegner des Universalismus der Aufklärung, lehnte aber auch jede Form der Herrschaft einer Gruppe über eine andere strikt ab. Im Gegenteil, die Kehrseite dessen, dass Menschen in einzigartigen Kulturen leben, ist, dass sie sich von denen trennen, die sie berauben, ausschließen und klein machen. Dies war sozusagen die anthropologische Beschreibung von Nationalismus, wobei schon aus dem historischen Befund deutlich wird, dass er offensichtlich doch keine natürliche Kategorie des Menschen ist, nachdem das Zusammenleben der Menschen über die längste Zeit ihrer Geschichte von ganz anderen Faktoren bestimmt wurde und, sieht man gerade auf den muslimischen Bereich, ganz offensichtlich heute noch bestimmt wird oder zumindest bestimmt werden soll. Vielleicht rühren auch daher die Schwierigkeiten einer philosophischen Begründung und Beschreibung des Phänomens, denn auch Johann Gottfried Herder ist ja eigentlich kein Philosoph, sondern ein Dichter und passt von daher ganz gut in das Umfeld von imagined communities. Nationalismus in der Moderne – ein christlicher Ansatz Wichtig ist aber auch, festzuhalten, und das betont Linden immer wieder neu, dass dieser populäre Nationalismus dem offiziellen Nationalismus zur Legitimierung eines Nationalstaats und seiner Herrscher (eventuell auch aus vornatio-

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nalen Dynastien) zeitlich vorausging und von ihm zu unterscheiden ist, auch wenn sich Letzterer bei den Symbolen des Ersteren bedient  – nie ganz gleich, aber doch immer ähnlich, auch im Nahen Osten. Der Nationalismus ist sozusagen ein Kunstprodukt der menschlichen Gesellschaft. Eine religiöse Gemeinschaft existiert dagegen in einer ganz anderen Dimension und hat, so es sich um eine Weltreligion handelt, immer eine weltweite Dimension. Eine nationalreligiöse Identifikation hält Linden in der Neuzeit für nicht mehr denkbar, ja gefährlich. Dazu gebe es zu viele konkurrierende Weltreligionen und außerdem noch Millionen Menschen, die einen wie auch immer gearteten säkularen Staat bevorzugten. Eine moralisch-spirituelle Kritik der staatlichen durch die religiöse Gemeinschaft, gleich welcher Art, hält er für legitim, nicht aber eine grundsätzlich theokratische. Dabei kommt sicherlich ins Spiel, dass islamische Vorschriften wesentlich konkreter sind als katholische und der Spielraum für menschliche christliche Spiritualität damit größer. Er geht dann noch auf das Problem ein, dass kulturelle Selbstbestimmung, die für ihn zum menschlichen Wohlergehen genauso gehört wie materielle Güter, heute praktisch automatisch als das Recht auf einen eigenen Staat verstanden werde, was politisch oft Probleme mit sich bringe und auch Ansatzpunkte für Manipulation. Auf die Frage nach einem genuin christlichen Konzept in diesem Zusammenhang plädiert er gegenüber dem offiziellen Nationalismus für eine radikale Offenheit gegenüber dem Fremden sowie eine radikale Gerechtigkeit, denn die Wurzeln des Schreis nach kultureller Identität liegen für ihn in Unterdrückung, Angst und Armut. Dabei müsse man auch gegenüber den eigenen Strukturen immer selbstkritisch sein, nicht nur gegenüber staatlichen. Er sieht durchaus, dass von islamischer Seite zunehmend der Islam als die Lösung der genannten Probleme und Ungerechtigkeiten genannt wird. Im Gegensatz zum Islam biete das Christentum nicht einfach die Lösung, die blaupausenmäßig anzuwenden sei. Auch er selbst sieht seinen Vorschlag als nur einen möglichen christlichen und ist sich dessen bewusst, wie fremd das vom Grundansatz her den Muslimen sein muss. Doch es geht ihm um Gesellschaften, die auch in Zukunft menschliche Würde, Solidarität, Verschiedenheit und Kultur bewahren, und das hält er durch die Liebe Gottes, die uns allen gilt, doch für möglich.121 Insgesamt kann dieses Referat als ein Schlüsselbeitrag gelten, der einzige, der wirklich versucht, das Phänomen des Nationalismus auf einer grundsätzlich anthro­ pologischen Ebene zu klären und zu erklären, während die anderen in ihrer Analyse mehr an der Oberfläche bleiben. Hier wird auch deutlich, warum Christen und 121 nach Linden, Ian, The Role of Believers in Dealing with Questions of Nationalism, A Christian Viewpoint, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of  a MuslimChristian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 87–99.

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Muslime in dieser Frage während der gesamten Tagung aneinander vorbeizureden schienen – sie argumentieren sozusagen auf verschiedenen Stufen der anthropologischen Entwicklung und die Christen sind historisch, aber v. a. im Akzeptieren dieser Entwicklung eine Stufe weiter, da ihr Gesellschaftsmodell auch weit weniger festgelegt ist. Ob dieses Grundproblem zu lösen ist, ist nicht unbedingt sicher, man kann es nur im Interesse des weltweiten Zusammenlebens hoffen, wie ja auch Linden es tut.

7.4.5. Die abschließenden Kommentare – in jeder Hinsicht unterschiedlich Am Ende der Tagung gab es noch von beiden Seiten Kommentare allerdings sehr unterschiedlichen Charakters. Der aus christlicher Perspektive, geschrieben von Lambert Ejifor aus Nigeria, erreichte den Umfang der größten Beiträge vorher und war auch von der Art her fast ein neuer Beitrag, nahm er doch überhaupt keinen direkten Bezug auf die Vorredner und brachte nochmals eine Fülle völlig neuer Gedanken, die  – da aus einer anderen nationalen Perspektive geschrieben – die christliche Sicht völlig anders definierten und sich gleichzeitig, da er eine nationale Perspektive eigentlich nicht gelten lassen wollte, absolut setzten genau in der Art und Weise, in der dies vorher vonseiten des Islam geschehen war. Es wurde sozusagen eine neue – andere oder zusätzliche – Aporie aufgemacht und es ist immerhin bemerkenswert, mit welchen Argumenten und wie Ejifor sie entwickelt. 7.4.5.1. Eine christliche Stimme aus Nigeria: Nationalismus Aus einer Kürzestanalyse – so man dies überhaupt so nennen kann – von angedeuteten Situationen kommt er zu dem Schluss, dass es sich beim Nationalismus um ein Phänomen und einen Faktor handelt, der tief in der menschlichen Motivation verankert und von beispielloser Ausdauer ist. Er sieht Nationalismus als stark ideologisch, also als umfassendes Konzept von Werten, das den Menschen in seinem Handeln und Leben total in Anspruch nimmt, wie ja auch die Religion es tut. Religion und Nationalismus hätten auch sonst noch vieles gemeinsam: Beide seien gleichzeitig abstrakt und konkret, geheimnisvoll und praktisch, von enormer Energie, unermesslich und manchmal unfassbar. Sie stützen sich beide sehr auf Mystizismus und die Macht der Gefühle. Wobei er Religion als dem Menschen noch unmittelbarer einstuft, da Atheismus und Agnostizismus erwiesenermaßen gerade in Zeiten der Krise schwer durchzuhalten seien. Dies und die ungezählten Formen von Anbetung Gottes rings um die Welt sind für ihn Zeichen für das tiefe Gottesbewusstsein des Menschen und für dessen Bedürfnis nach Religion als Seele des Lebens und einer sinnhaften Existenz als Mensch. Demgegenüber sei Nationalismus künstlicher. Auch Ejifor unterscheidet, vielleicht in einer gewissen Anlehnung an Linden oder dessen Gewährsleute, wobei

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er dies aber nicht ausdrücklich so sagt, ebenfalls zwischen einer genetischen oder anthropologischen und einer politischen Bedeutung des Nationalismus. Auf der ersten Ebene ist er ein Gefühl oder eine gefühlsmäßige Hingabe an den eigenen Ursprung, verstärkt durch eine unerschütterliche Identifikation mit allem, was aus diesem Ursprung hervorgeht. Nationen, Kriege und Verträge Nation definiert er als die Gemeinsamkeit miteinander geteilter Ursprünge und Nationalismus von daher auch als Enthusiasmus für, Hingabe an oder Kultivieren der eigenen Nation oder des Prinzips von Nationalität ganz allgemein. Der sehr wörtlich zu nehmende genetische Aspekt dominiert bei ihm eindeutig, gemeinsamer genetischer Ursprung führt zwangsweise, wenn auch bewusst, zu einer Allianz miteinander und gegen andere, indem die Identifikation sozusagen zum psychologischen Reflex auf die Integration des Menschen und die Vollendung seines Ichs wird und auf alles, was die Selbsterhaltung des Menschen garantiert. Dazu kommen dann auch noch nicht-menschliche Faktoren wie Land, Mythen, Werte, gemeinsame Pläne und Ziele von der Verteidigung gegen feindliche Übergriffe, Desorganisation und Desintegration. Der Einzelne oder die Gruppe verteidigt dieses verwandschaftliche Miteinander (wobei, zumindest sprachlich, nur die männliche Linie gesehen wird), als sei es ein größeres Selbst, das angegriffen wird. Dieser ursprüngliche Nationalismus, der aber normalerweise seinen eigenen Staat besitzen will (so zumindest ein Zitat, das er bringt und das weiter ist als seine eigene Definition, in einem anderen Zitat heißt es sogar, dass die Gemeinsamkeiten durchaus nicht real sein müssen, sondern auch ein Konstrukt, wörtlich imaged sein können, was sehr an die imagined communities bei Linden erinnert), kann auch auf eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Religion, die Tradition eines gemeinsamen Ursprungs oder den Glauben daran zurückgehen. Nach seiner Vorstellung und Aussage duldet dieser ursprüngliche Nationalismus keine Auflösung von innen oder außen. Er sei spontan und eifersüchtig besitzergreifend und könne sich vom Patriotismus auch zum Chauvinismus entwickeln. Überhaupt gehe er grundsätzlich immer auf Kosten der Umgebung, wobei er jede Menge historischer und aktueller Beispiele anführt, vom Kolonialismus bis zur aktuellen Zersplitterung, und sich nicht einmal scheut, die Juden und deren Zionismus nach dem Fall Jerusalems hier mit einzuordnen. Auch findet er – im Gegensatz zu Linden – durchaus philosophische Begriffe für diesen unteilbaren Gruppengeist, der mit einem pragmatischen Zusammensein von Einzelnen nichts zu tun hat. Angemessen erscheinen ihm Hegels Rede von der Seele der Rasse und der Panpsychismus von Kant. Erstaunlicherweise, und das ist offensichtlich seine ganz private Hypothese, sieht er diesen ursprünglichen Nationalismus als Ursache unzähliger Kriege  – die allerdings zwischen durchaus sekundären Nationalstaaten stattfanden. Ejifor sieht das so, dass der übergroße Hass und der Exklusivismus aus dem sich (schon) der (primäre)  Natio-

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nalismus speist, sich geradezu anbieten für Manipulation durch Propaganda, Indoktrination und unaufdringliche Vorurteile. Historisch sieht er eine Art Wasserscheide im Wiener Kongress, bei dem erstmals Werte und Tugend keine nationalen Monopole mehr waren, sondern die zivilisierte Welt sich zusammentat, um für das Wohl der Menschheit im großen Stil zu denken und zu fühlen. Ab da gab es Verträge, Konventionen und multilaterale Verhandlungen auf internationaler Ebene bis hin zur Charta der Vereinten Nationen, mit der es nun neuen fundamentale Freiheiten und Rechte von einzelnen und moralischen Personen gebe, deren Einhaltung auch wirksam überwacht werden könne, wobei er zumindest zugibt, dass ein Gesetz, das nicht gebrochen werden könne, nicht für Menschen gemacht sei. Doch egal, ob er die Rolle und die Kraft der internationalen Organisationen vielleicht als zu positiv einschätzt, bevor er überhaupt offiziell zu den Problemen kommt, wird schon deutlich, dass er den Nationalismus schon in seiner ursprünglichen, anthropologischen Form als wohl natürlich, aber nicht ethisch neutral einschätzt, sondern ihn als in doppelter Hinsicht unentrinnbar negativ einstuft. Das ist – in gewissem Sinn erstaunlicherweise – die negativste Einschätzung, die bis dahin begegnete. Die aktuellen Probleme durch den Nationalismus Egal, wie es sich gerade konkret auswirkt, ob in großen imperialistischen Aggregaten oder in der Atomisierung, politisch häufig Balkanisierung genannt, sind für ihn die Schlüsselprobleme des Nationalismus Souveränität und Territorialiät, und es sind massive Probleme. Insgesamt macht er eine Liste von fast 20 Problemen aus seiner Sicht auf, von denen einige sich auf der primären, anthropolo­ gischen Ebene bewegen und indirekt auch schon angesprochen wurden: Nationalismus schreibt von Natur aus Selbstbezogenheit und Diskriminierung anderer vor und betont die Unterschiede zwischen den Menschen, atomisiert also die Welt, wobei das aktuelle Problem eben die Verbindung zu einem System von souveränen Staaten ist, also die Möglichkeit, auf dem Weg über die Gesetzgebung Werte festzulegen oder zu zerstören. Nationalismus ist niemandem von außerhalb verantwortlich, auch keinem universellen oder göttlichen oder natürlichem Recht, sondern ist ideologisch, also weitgehend selbst ein Glaubenssystem, das den jeweiligen nationalen Eliten dient. Sowohl auf der primären als auch auf der sekundären Ebene will Nationalismus wachsen, selbstverständlich auf Kosten der anderen (was zwangsläufig zu Konflikten bis hin zum Krieg führt), und verbittet sich jegliche Einmischung, die als Infragestellung der eigenen Macht gesehen wird. Da aber der derzeitige Nationalismus eingesehen hat, dass Religion unzerstörbar ist, hat er ihr gegenüber eine instrumentell-pragmatische Haltung angenommen, sprich, er neigt dazu, sich die Religion auszusuchen, die seinen Zielen am ehesten entspricht. Aber Nationalismus enthält Elemente religiöser Diskriminierung und Verfolgung. Da er sich des Prinzips der Universalität und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bewusst ist, vermeidet er deren blutige

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Auslöschung zugunsten eines unblutigen Todes. Nationalismus ist ferner soweit intellektualisiert und verfeinert worden, dass er den Bedürfnissen von Menschen mit religiösem Bewusstsein wenigstens halbwegs entgegenkommt und dadurch positive Religion überflüssig macht bzw. zumindest in Teilen ersetzt. Was ­Ejifor hier auf der Basis des sogenannten primären, anthropologischen Nationalismus aufbaut ist eine massive Frontstellung gegen Religion. Diese sei im Menschen eigentlich noch tiefer und ursprünglicher verankert und stelle sich aber von ihrem weltweiten Wertesystem dem Nationalismus entgegen, weswegen es sozusagen zum Kampf zwischen beiden kommen muss, der vonseiten des Nationalismus mittlerweile nicht mehr offen, sondern auf der Ebene von innerer Aushöhlung und Manipulation geführt wird: Den religiösen Bedürfnissen des Menschen wird sozusagen eine nationalistische Ersatzbefriedigung angeboten. Das sind schwerwiegende Vorwürfe, v. a. weil sie eben nicht gegen Auswüchse des Systems erhoben werden wie vielleicht bei anderen auch, sondern gegen vorgebliche oder tatsächliche innere Notwendigkeiten. Die Probleme und Herausforderungen an die Religion sieht er v. a. in drei Punkten: Machtkampf zwischen zwei Hierarchien (es fällt seine Formulierung auf, die religiöse könne entweder durch Ordination oder Wahl gebildet werden) und damit automatische Spannungen, wenn religiös und säkular aufeinanderstoßen, zumindest bei den Lösungen, die heute noch möglich erscheinen. Er betont nochmals die Erkenntnis, Nationalismus habe sich als einer der stärksten Faktoren in der modernen Psychologie erwiesen, um dann zu beklagen, dass, während die säkulare Welt den großen Fragen der Menschheit nahekomme, sich die religiöse, und damit meint er wohl v. a. die katholische und/oder die westlich-christliche, im Bestreben nach Akkulturation immer mehr aufspalte. Er geht dabei, und das lässt wiederum an die Ausführungen von Linden denken, zwar auch auf verschiedene Wertkonzepte ein, aber zuerst und v. a. auf die Volkssprachen, deren Durchsetzung auch im religiösen Bereich sozusagen der Sündenfall schlechthin wird, auch im christlich-muslimischen Dialog. Seine Argumentation und Wortwahl in diesem Punkt lässt an Schärfe nichts zu wünschen übrig: „As people splinter away in their vernacular they tend to add more doctrines by sheer dint of rolling home. This fission phenomenon has become institutionalised in the Western and ­Christian world, where state Constitutions delight in ‚secular state‘ axioms and ­Christian religion is basking in fissiparous acculturations and adaptions. It is now an ­anachronism to advise peoples to contemplate and worship through a shared linguistic medium. Eccentrics are practically inaugurating  a tower of b ­ abel in Christianity. With religion sundered from the secular state and immersed in a liturgy of incommunicable tongues, most of the Western and Christian world cannot be disposed to dialogue with fused societies. The indivisibility and totality of the man in nationalism rooted and cultured in positive religion is unthinkable aberration from enlightenement, development and scientific rationality. This is the major stumbling block to sincere dialogue with the Muslim world which still

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strives to maintain unity of belief with unity of religious worship. Idiomatic communication has consequently suffered a fatal blow.“122 Reintegration des Nationalismus in die Religion? Auf diesem Hintergrund wundert es, dass er überhaupt noch Chancen für eine Versöhnung zwischen beiden sieht. Er sieht sie, in einer gewissen Anlehnung an Linden (aber wieder ohne das ausdrücklich zu sagen) darin, dass für ihn der Nationalismus von heute ein Aufschrei gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit ist. Es müssten nur alle die internationale Erklärung der Menschenrechte (und einiges andere in dieser Richtung) einhalten, das wird immer wieder betont, dann hätte das Problem sich erledigt, wobei er dazu Kardinal Arinze zitiert, wonach es nicht verschiedene Klassen von Staatsbürgerschaft geben könne – ohne allerdings zu sagen, dass dieser Satz auch Sprengkraft in religiösen Systemen haben kann und nicht zuletzt im islamischen. Auch bei Ejifor folgt ähnlich wie bei Linden für die Religion daraus eine Option für die Armen um Verteilungsgerechtigkeit gegen politische und wirtschaftliche Faktoren, deren Hauptfaktor wiederum der Säkularismus ist. Besonders sollte die Religion ihre prophetischen Qualitäten wahrnehmen, wenn es um das Anprangern von rassischer Diskriminierung und der Diskriminierung von Minderheiten geht – das ist areligiös bzw. das größte aller Verbrechen. Doch er rät auch von Kooperation nicht gänzlich ab, wenn sie seinem Ziel dient, der Versöhnung von Religion und Nationalismus in dem Sinn, dass eine Integration von Nationalismus wieder hergestellt wird, was für ihn das Leben des Menschen in seiner Gesamtheit darstellt. Dafür wird er wieder sehr deutlich und sogar poetisch: „A nation ruled by godly dictators is better than one ruled by ungodly democrats.“123

Es lässt sich denken, dass dieser Kommentar gerade unter den Christen selbst mehr aufgewirbelt als geklärt hat. Leider enthält der Tagungsband keinen Artikel zum Gang der Diskussionen, obwohl dieser sicher einer der spannendsten und aufschlussreichsten des ganzen Bandes geworden wäre. 122 Ejifor, Lambert, A Christian Comment, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 114, s.a. p. 103–113. In eine ähnliche Kerbe schlägt, wieder aus christlicher, aber eben nicht westlicher, sondern diesmal pakistanischer Perspektive und Dialogerfahrung der Aufsatz von Charles Amjad-Ali, Towards a New Theology of Dialogue, AlMushir 33 (1991), p. 57–69. Auch er plädiert für die prophetische und politische Dimension von Religion, um gerade die Inkarnation sicherzustellen, und greift die philosophisch-theologischen Erkenntnisse ab der Aufklärung vehement als zu verengt und in anderem Kontext, sprich im Dialog mit Muslimen, als nicht geeignet an so p. 64: „So dialogue is not just a concern for setting relationships in motion with people of other faiths, but much more significantly it is a challenge to the epistemological foundations upon which we have operated at a very fundamental level.“ 123 Ib. p. 118, s.a. p. 114–117.

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7.4.5.2. Der muslimische Kommentar – eine deutliche Frage nach der Zukunft Demgegenüber ist der muslimische Kommentar aus der Feder von Frau Hanan Ibrahim von der Universität Amman sehr kurz. Sie streicht von allen Beiträgen besonders den von Linden als positiv heraus wegen dessen analytischer Tiefe und umfassender Sichtweise und versucht, sie sprachlich und inhaltlich auf den arabischen Bereich zu übertragen, was allerdings nicht ganz gelingt und was wiederum zu ihrem Hauptkritikpunkt an diesem Ansatz führt: Er sei zu einseitig westlich, d. h. Nationalismus werde zu eng nur auf Staaten bezogen gesehen. Sie sieht den arabisch-islamischen Nationalismus mehr auf der primären Ebene von Lindens Konzept, also auf der des Zugehörigkeitsgefühls zu einer betimmten Kultur als anthropologische Notwendigkeit, wobei sie betont, dass in diesem Rahmen immer Platz gewesen sei für andere Ethnien und Religionen und deren kulturelle Beiträge. Allerdings gesteht sie ein, dass die Situation im Westen eine andere gewesen sei, möglicherweise weil sie sich aus christlichen und hellenistischen Elementen zusammensetze, welche auf der Trennung von Religion und Staat beruhten, und dadurch die Religion nicht dazu gekommen sei, nationale und politische Einheiten von Anfang an und als Ganzes zu formen, was für sie eine Vernachlässigung darstellt. Hinzu kommt für sie, dass es eben neben dem Latein immer noch Muttersprachen gab, die sich und auf deren Basis sich verschiedene Kulturen entwickeln konnten – ganz abgesehen davon, dass die Kirchen selbst direkt zur Aufspaltung beigetragen hätten. Die wahren Fragen sieht sie – und da ist sie deutlicher und nachdrücklicher als alle anderen – in der Zukunft: Was wird in der Zukunft aus dem Nationalismus angesichts des wirtschaftlichen Drucks, der alle gleichzumachen droht, angesichts wachsender religöser Bewegungen, die religiöse Einheit an die Stelle von nationalen und regionalen Einheiten setzen möchte (immerhin eine erstaunliche Bemerkung aus dieser Richtung!) sowie angesichts des rasanten Fortschritts von Kommunikationsmitteln, durch die die Menschen von den Werten des Westens überwältigt werden. Sie sieht mehr Erneuerungschancen, wenn ein Nationalismus in der primären Ebene wurzelt und mehr Chancen auf Einflussnahme für die Religion, wenn diese mit Nationalismus verbunden ist, wie eben im arabischen Bereich. Die ganzen Widersprüche zwischen nationaler und religiöser oder zwischen nationaler und regionaler (was genau sie mit letzterem meint, bleibt allerdings unklar) Zugehörigkeit gebe es nicht, nur historisch verschiedene Modelle des Gleichgewichts zwischen islamischen und lokalen Erfordernissen, sozusagen zur Auswahl.124 Bis in diesen Kommentar hinein bleibt spürbar, dass man trotz allen Hörens aufeinander zumindest zwischen westlichem Christentum und Islam aneinander vor 124 Nach Ibrahim, Hanan, A Muslim Comment, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim- Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 119–121.

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beiredet, da man sich nicht auf eine gemeinsame Rolle einigen kann, die die Religion für den Menschen im gesellschaftlichen und politischen Bereich spielen sollte. Von einer gemeinsamen Sicht der Dinge, ja gar einer gemeinsamen Lösung ist man weit entfernt.

7.4.6. Die abschließenden Worte – erstaunlich versöhnlich Die Tagung endete mit einem Empfang beim damaligen jordanischen Kronprinzen, bei dem Kardinal Arinze nochmals seinen Dank für die Veranstaltung aussprach und sie als Schritt hin auf richtige Lösungen würdigte. Dies könnte allerdings auch eine spezifisch christliche Sicht der Dinge sein, die den Islam an dieser Stelle einfach großzügig mit einschließt, obwohl der sich selbst vielleicht eher direkter am Werk sieht als nur durch den Umweg über die Beeinflussung menschlicher Herzen, wie Arinze es formuliert: „The religions do not pretend to have all the answers to world problems in matters political, economic, social, cultural and otherwise. But the religions can motivate, convert, heal, conscientize, reconcile, suggest, and dispose human hearts towards the correct solutions. Our colloquium which is about to conclude its fourth session is a step in that direction.“125 Ausführlicher und konkreter wurde da schon der damalige jordanische Kronprinz Hassan, auch ganz abgesehen davon, dass er seiner Hoffnung Ausdruck gab, dass der Augenblick kommen werde, in dem ein Zentrum für interreligiöse Studien in der Region errichtet werden könne. Er lässt auch durch Kardinal Arinze Papst Johannes Paul II für seinen kontinuierliche Verurteilung von Gewalttaten, v. a. an Muslimen, im ehemaligen Jugoslawien danken. Er sei darin deutlicher geworden als selbst die Vertreter der muslimischen Welt. Immer wieder hebt Kronprinz Hassan auch die Bedeutung der (auch zu dieser Konferenz eingeladenen) Jugend hervor, wenn das Begonnene weitergehen soll – in dieser Hinsicht ähnelt seine Denkweise der, die Johannes Paul II gegenüber den muslimischen Jugendlichen in Casablanca so deutlich gemacht hatte. Er legt auch großen Wert auf menschliches Empfinden und ein gemeinsames Achten auf Werte, gerade wenn es um grundlegende Entscheidungen bzgl. anderen Menschen oder auch der Natur geht, bis dahin, dass er einen neuen Begriff prägt: „anthropolitics, politics for people“126, für ihn der Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts.

125 Arinze, Francis, Concluding Discourse Together for Better Times, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 123. 126 H. R. H. Crown Prince Hassan, Concluding Discourse, in: Nationalism Today: Problems and Challenges, Acts of  a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 125, s.a.

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Das Schlusskommuniqué geht zwar darauf ein, dass es eine rege Diskssionsbeteiligung gab, zählt aber ansonsten nur die Punkte auf, auf die man sich einigen konnte, und die erscheinen angesichts der Vorgaben in den verschiedenen Beiträgen eher banal: Man müsse unterscheiden zwischen der natürlichen und gesunden Liebe zu seinem Land und einem destruktiven, chauvinistischen Nationalismus, der andere auszuschließen, zu erniedrigen und zu unterjochen suche. Einen Widerspruch zwischen Religion und Nationalismus gebe es nicht. Nach islamischer wie christlicher Lehre sei vor Gott keine Rasse und kein Volk höher einzustufen als ein anderes – vor Gott werde der Mensch allein nach Glauben und Gehorsam beurteilt. Gläubige beider Religionen anerkennen, dass die positiven Werte des Nationalismus zur Ausbildung und Stärkung von Identität und Selbstwertgefühl beitragen könnten. Daher müssten sie diese Werte stützen und es umgekehrt verurteilen und dagegen arbeiten, dass nationalistische Impulse zu Mitteln der Beherrschung oder Zerstörung anderer würden.

7.5. Rom 1996 – die Ressourcen der Erde richtig nutzen Gleichzeitig mit diesen Ergebnissen wurde bekanntgegeben, dass die nächste gemeinsame Tagung in Rom stattfinden sollte, und zwar in der zweiten Hälfte des Jahres 1995. Thema sollte Religion und Umwelt sein, mit Unterthemen wie religiöse Grundlagen für den Umgang mit Umweltbelangen, gerechtes Teilen der Gaben der Schöpfung und die Rolle der Gläubigen beim Beeinflussen von Entscheidungen bzgl. Umwelt und Teilen von Ressourcen. Diese Tagung fand letztendlich vom 18.–20.4.1996 statt mit 30 Teilnehmern von beiden Seiten und dem offiziellen Titel Religion and the Use of the Earth’s Resources. Wie üblich, gab es Eröffnungsansprachen beider Präsidenten, wobei im Gegensatz zu der von Prof. El-Din El-Assad diejenige von Kardinal Arinze bereits einen großen inhaltlichen und v. a. anthroplogischen Tiefgang hatte und gleich mit dem Satz einstieg, es sei unsere Pflicht als Menschen, Gott als den Schöpfer alles Seienden, des Sichtbaren und des Unsichtbaren, anzuerkennen. Alles außer Gott brauche Gott, um zu existieren. Es war Gottes Wille, dass die Ressourcen der Erde dem Menschen anverp. 126 f; das Folgende nach: Nationalism Today: Problems and Challenges Final Communique, 20 January 1994, in: Nationalism today: Problems and Challenges, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 129 f, für eine Kurzzusammenfassung der gesamten Tagung s.a. JORDAN Final Communiqué of the Muslim-Christian Colloquium of 18–20 January 1994 on the Theme „Nationalism Today: Problems and Challenges“, Islamochristiana 20 (1994), p. 239 bzw. Nationalism Today: Problems and Challenges, Final Communiqué, BPCDIR 87 (1994), p.266 f, für eine Kürzestzusammenfassung s. Amman – Jordan: Christian-Muslim Colloquium on „Religion and Nationalism“ (18–20 January 1994), BPCDIR 87 (1994), p. 266.

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traut werden, damit er sie nutzt, sich um sie kümmert, v. a. durch diesen Verwalterdienst Gott preist und sie auch mit seinen Mitmenschen teilt, da die Natur des Menschen nach Gottes Willen eine soziale ist und die Güter der Schöpfung für alle bestimmt sind. Der Grund für diese herausgehobene Position (in der Bibel symbolisch dadurch beschrieben, dass der Mensch von Gott die Aufgabe bekommt, den Tieren Namen zu geben) ist besonders die Intelligenz des Menschen, seine rationale Struktur, die Tatsache, dass er Intellekt und Willen hat, aus Körper und Seele, Materie und Geist besteht. Schon allein auf diesem Hintergrund lasse sich erkennen, dass einige einzelne Menschen und Länder in der Praxis ihres Handelns nicht akzeptieren, dass alle Menschen Brüder und Schwestern in der gemeinsamen Pilgerfahrt des Lebens sind und dass sie sich wahrscheinlich nicht klar machen, dass sie einmal vor dem Richterstuhl Gottes für den Verwalterdienst an den von Gott geschaffenen Gaben Rechenschaft werden ablegen müssen.127 Damit war im Kern gesagt, was über die Position des Menschen gegenüber den Ressourcen der Erde nach christlicher Vorstellung zu sagen ist, im Bogen von der Schöpfung bis zum Gericht Gottes.

7.5.1. Aussagen zum Gebrauch der Ressourcen 7.5.1.1. Gebrauch von Ressourcen – ein großes Thema für den Islam Die erste Runde bildeten Referate und Entgegnungen zur Frage, was die beiden Religionen zum Gebrauch der Ressourcen der Erde sagen. Es fällt ins Auge, dass der Umfang der muslimischen Stellungnahmen dazu das Drei- bis Vierfache dessen erreicht, was die christlichen Beiträge an Seitenzahl umfassen. Die muslimische Entgegnung beispielsweise ist fast so lang wie das christliche Referat selbst. Das zeigt, dass es sich hierbei offensichtlich um ein Thema handelt, das dem Islam und den Muslimen besonders am Herzen liegt, zu dem sie viel zu sagen haben. Das liegt sicher daran, dass der Islam viel mehr als das Christentum nicht nur Grundlagen und Grundlinien vorgibt, sondern die Dinge des Alltagslebens wirklich bis ins Einzelne regelt und ein Redner bei einem so gelagerten Thema auf eine breit aufgefächerte und detaillierte Rechtstradition zurückgreifen kann. Entsprechend gliederte auch der muslimische Referent, Abdul-Salam 127 Nach Arinze, Francis, For a Responsible Use of the Earth’s Resources, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of  a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 5–6; die andere Ansprache findet sich unter El-Assad, Nasir (sic!) El-Din, Inaugural Address, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 7–9, doch sind ihre Aussagen mehr allgemein schöpfungstheologisch denn speziell anthroplogisch interessant.

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Al-Abbadi, seinen Vortrag: Die generelle islamische Haltung zu Universum, Leben und Mensch ist nur der Ausgangspunkt, ein zweiter Punkt beschäftigt sich damit, dass das Thema der Ressourcen dem Islam besonders wichtig ist und er danach trachtet, das Verhältnis Mensch – Ressourcen bis ins Detail zu regeln, der dritte Punkt sind dann die wichtigsten tatsächlichen Regeln für die Beziehungen des Menschen zu seiner natürlichen Umwelt, sei es der Einzelne, eine Gemeinschaft oder die ganze Menschheit, und der vierte und letzte Punkt sind schließlich Beispiele für die historische Anwendung dieser Regeln. Kein Wunder also, dass man bei einem Referat von fast 40 Seiten landet und einem Paradebeispiel dafür, dass man die Welt und das Verhalten des Menschen sehr gründlich regeln kann – oder aber im Gegensatz dazu viel Spielraum offen lassen kann. Das ist den Beteiligten auch bewusst. Die Statthalterschaft des Menschen – der umfassende Ansatz im Islam Mit besonderem Stolz aber ist es dem muslimischen Referenten bewusst, schreibt er doch am Anfang seiner Ausführungen: „In this context, it has to be noted that the most significant characteristic of this religion is that it has  a comprehensive outlook towards existence, life and man, which had the greatest effect on all­ Islam’s moral orientations and legal principles. It is a perfect outlook that explains all that is related to human life, clarifies the numerous facts of existence and answers all the questions that may occur to man’s mind about his existence and the dimensions of such existence. This outlook is different from all the views and envisionments known to humanity about this existence in the past as well as in the present.“128 Speziell im Blick auf das Thema der Dialogkonferenz ist der grundlegende Punkt der, dass Gott alle Lebewesen geschaffen hat (aus Wasser) und den Menschen zu seinem Statthalter gemacht hat und ihn dafür mit allem versorgt hat, was er zur Erfüllung seiner Pflichten braucht, die darin bestehen, dass er die Erde entwickeln und die völlige Herrschaft Gottes auf der Erde aufrichten soll: Die ganze Erde soll Gott dienen in allen Dingen. Diese Statthalterschaft des Menschen ist deshalb auch nicht absolut, sondern hat Prinzipien und Regeln, die im islamischen Recht dargelegt sind. Ihr einziges Ziel ist der richtige Gottes-Dienst, also das Verharren bei allem, was Gott vorgeschrieben hat. Sollten die Menschen davon abweichen, haben sie die Bedingungen für die Statthalterschaft nicht erfüllt und sich damit selbst disqualifiziert. Die Menschen sollen also richtig und gerecht handeln, genau so, wie Gott es vorgeschrieben hat, bevor der Besitz  – denn Eigentümer sind sie ja nicht, das ist Gott allein, der das alles geschaffen 128 Al-Abbadi, Abdul-Salam, Religious Teachings on the Use of the Earth’s Resources, A Muslim Perspective, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of  a Muslim-­ Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 15, s.a. p. 13 f.

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hat – ihnen wieder genommen und anderen anvertraut wird. Gott sind die Menschen auch verantwortlich und er wird sie für falsches Handeln bestrafen. Diese Statthalterschaft ist auch keine dauernde, sondern von Gott auf eine bestimmte Zeitspanne festgesetzt, wie er auch die Lebenszeit der Menschen auf der Erde festgesetzt hat und so dieses Leben zu einem Übergang, einer Testphase für das andere Leben nach dem Tod gemacht hat. Gott hat den Menschen geehrt, indem er ihn auf die beste Weise geschaffen hat und ihm qualitativ mehr gegeben hat als dem größten Teil der Schöpfung, so dass der Mensch seinen Aufgaben auch gewachsen ist. Dazu gehören Verstand und Vernunft und die Möglichkeit, dadurch ganz neues Wissen zu erwerben. Kein anderes System nehme auf die wahre Natur des Menschen so umfassend Rücksicht wie der Islam: „[I]t is clear that man, according to Islamic outlook, consists of body, mind and spirit, each of which has its requirements and needs that have to be satisfied and met to enable man perform the duties linked with his vicegerency on this earth. Hence various Islamic institutions have organized and regulated human life in a way that gives due observance to this human many-sided and harmonious innate character (fitrah), under which man has led a happy, serene and secure life. For the institutions that survive in the regulation of human reality and achieve happiness, rest and equanimity for man are institutions that pay due attention to man’s innate nature. Such an outlook is one of the many characteristics that distinguish Islamic from other ancient and modern institutions.“129 Materie und Geist – kein Widerspruch im Islam Nach muslimischem Verständnis ist es auch der Koran selbst (Suren 10,101 u. 7,185), der zur Entwicklung der experimentellen Methode und von naturwissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen generell geführt habe. Für den Islam sei das eine Form von Gottesdienst, für die der Mensch großen Lohn erhalte. Es könne nicht angehen zu behaupten, der Islam sei gegen die Naturwissenschaften, im Gegenteil, die Europäer hätten in dieser Hinsicht alles von den Arabern übernommen, es gehe dem Islam nur um eine moralische Lenkung der Naturwissenschaften weg von allem, was die Ordnung und Harmonie stören könnte, die Gott dem gesamten Kosmos gegeben hat. Der Mensch dürfe auch alles benutzen, was Gott geschaffen hat, und sich daran erfreuen, nur sei es selbstverständlich, dass er Gott auch dafür danken müsse. Diese islamische Haltung richtet sich auch gegen alle Behauptungen, Materie und Geist seien nicht miteinander vereinbar, also vehement gegen den westlichen Materialismus als geistliche Verelendung und Krise von Werten und Moral. Die weisen Menschen im Westen würden sich geradezu nach dem Islam sehnen, indirekt zumindest: „Wise people living under the umbrella of this civilization complain loudly because of individual as well as social deviation, chaos and problems as a result of the absence of spiritual 129 Ib., p. 19, s.a. p. 16–18.26.

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and moral values in politics, economics, and mutual relations of people whether as individuals or as states. They yearn for an order that combines spiritualism with materialism and coordinates between them in a manner that ensures human elevation in material as well as in spiritual spheres. They want an order that maintains the advancement achieved so for (sic!) by humans while it insures human progress in the world of values and spirit. Islam, in fact, combines materialism with spiritualism through a special outlook that makes a person who performs all the requirements of his life on this earth in terms of benefitting and enjoyment, in accordance with what God /p. 24 has prescribed, a true worshipper of Almighty God for which he deserves the most generous reward. This will also provide him with the means that make his life on this earth a path of man’s welfare and happiness in this life and in the hereafter.“130 Bis hierhin bewegen wir uns im Bereich des Allgemeinen, der Grundlagen. Ressourcen – einige konkrete Regeln des islamischen Rechts Dann geht es in den Bereich der genaueren Regelungen hinein, die hier nicht alle aufgeführt werden können, denn praktisch alles, was den Besitz betrifft, ist geregelt. Klar aber ist, dass es verpflichtend ist, das Land zu entwickeln, also es für Felder, Obstplantagen und Gebäude geeignet zu machen. Besonders interessant aber sind die Regelungen, die eine Generation daran hindern, in die Rechte einer anderen einzugreifen. Umweltschutz ist im Islam sozusagen eine Sache göttlichen Rechts, ein Umweltverstoß ist zugleich ein Verstoß gegen Gottes Gebote und Gesetze. Der Koran verbietet nämlich Exzesse beim Gebrauch der ­Güter, also Extravaganz, Luxus und unnötige Verschwendung, und fordert zur Mäßigung auf. Ganz allgemein kann man sagen, dass die Nutzung der Umwelt von Sicherheitsaspekten abhängig gemacht wird, v. a. davon, dass anderen kein Schaden zugefügt wird, als goldene Regel des islamischen Rechts gilt der Ausspruch Mohammeds, dass der Islam Schaden und Behinderung nicht gestatte, und so sei das gesamte islamische Recht darauf ausgerichtet, Wohltaten hervorzubringen und Schaden abzuwehren, was im Abwägensfall sogar noch wichtiger sei. Die Gesamtheit, die Gemeinschaft ist im Islam sehr wichtig, wie ja schon mehrfach betont, und so haben öffentliche Interessen auch die Vorfahrt vor privaten Interessen, es wird also privater Schaden in Kauf genommen, um öffentlichen Schaden zu verhindern. So ist es beispielsweise in der islamischen Tradition verboten, Gewässer, Straßen und schattige Plätze als Abtritte zu benutzen. Im Gegenteil, Straßen sollten gesäubert werden. Auch sollten z. B. Wohngegenden und Industriegelände getrennt werden, de facto wurden den einzelnen Handwerken in den Märkten sogar spezielle Plätze zugewiesen. Für Gewerbe wie Metzger, Wasserverkäufer, Bäcker oder Drogisten gab es spezielle und genaue Hygienevorschriften. Generell legt der Islam großen Wert auf eine schöne Umgebung (bis hin zu 130 Ib., p. 23/24, s.a. p. 20–22.

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der Vorschrift, der Mensch habe ordentliche Kleider und saubere Schuhe zu tragen), weil sie die menschliche Seele tröste und so den Menschen motiviere, von ganzem Herzen und auch härter zu arbeiten. Selbst im Kriegsfall galten noch Vorschriften: Niemand sollte (bewusst) verstümmelt werden, Kinder, Frauen und alte Menschen sollten nicht getötet werden, Palmen und Obstbäume sollten nicht gefällt werden, Brunnen nicht zerstört, überhaupt keine Politik der verbrannten Erde betrieben werden. So seien die Araber auch nach dem Urteil der Außen­stehenden die gerechtesten Eroberer der Geschichte gewesen, wie es dem Islam ja überhaupt um eine gerechte Gesellschaft gehe: „In reality, Islam has been careful to set up its society on bases of mutual dependence, cooperation, love, benefaction, mercy, justice and combatting injustice and all forms of aggression and harm against others.“131 7.5.1.2. Die christliche Entgegnung: ähnlich, aber weniger Details Die christliche Entgegnung durch Jamal Khader betont sehr die gemeinsame Perspektive von Schöpfung und Erhaltung der Schöpfung, die auch die Zusammenarbeit zum Wohl der Menschheit ermögliche. Der biblischen Schöpfungsbericht beinhalte, dass Gott einen Plan hatte, den der Mensch folglich auch respektieren sollte. Der Mensch solle die Herrschaft haben und den Garten bebauen, alles im Rahmen der Beachtung des göttlichen Gesetzes in Gerechtigkeit und Heiligkeit und mit Respekt dafür, dass er zum Ebenbild Gottes geschaffen ist. Dadurch sollte Gott auf der ganzen Erde erhöht werden (so Ps. 8,7.10). Der Mensch sei dabei der Repräsentant Gottes, nicht sein Ersatz, wie das ja auch der Islam sage. Was allerdings das Verhältnis von materieller und geistlicher Realität angehe, so habe die Kirche eine andere Sichtweise, sie glaube an die Autonomie der irdischen Angelegenheiten. Durch die Schöpfung selbst habe die materielle Welt eine eigene Stabilität, Wahrheit und Vortrefflichkeit, sie habe ihre eigenen Ordnungen und Gesetze, die der Mensch zu respektieren und auch zu befolgen habe. Genauer benannt werden diese aber nicht, es bleibt in der Schwebe, was Autonomie des Menschen und was göttliches Gesetz ist. Das Problem heute sei, dass die Menschen mehr haben und genießen wollten als zu sein und zu wachsen und dass sie deshalb die Ressourcen der Erde und auch ihr eigenes Leben exzessiv und ungeordnet nutzten. Statt seine Aufgabe als Mitarbeiter Gottes an der Schöpfung zu erfüllen, setze der Mensch sich an die Stelle Gottes. Gerechterweise aber sollten die reichen Nationen mit den anderen Mitgliedern der menschlichen Rasse teilen und alle sollten zusammen helfen, um die Natur zu schützen und sie für die zukünftigen Generationen zu bewahren, wie Gott es wollte und nach seinen Gesetzen. Technischer Fortschritt an sich wird als weniger wertvoll angesehen als Fortschritte hin auf mehr Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und eine menschlichere soziale Umgebung. Es gibt auch eher unklare Ausführungen zur 131 Ib., p. 34, s.a. p. 28–33.35.37–41.

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Arbeit und zur sozialen Verantwortung des Eigentums und dessen Verhältnis zum Gemeinwohl.132 Bei aller Betonung der Gemeinsamkeiten durch den Menschen als Geschöpf und die ganz ähnliche Aufgabe und Verantwortung, die ihm in Islam und Christentum übertragen wird, erweist es sich doch wieder, dass bei der konkreten praktischen Umsetzung große konzeptionelle Unterschiede bestehen in dem Sinn, dass das Christentum große Freiheiten, dafür aber auch manche konkreten Unklar­heiten bietet, während der Islam mit dem Anspruch des ausgewogenen und ausgeklügelten Gesamtkonzepts göttlicher Herkunft auftritt und mit einem beachtlichen Regelwerk aufwarten kann. 7.5.1.3. Grundlagen einer christlichen Schöpfungsethik Auch der offizielle grundlegende christliche Beitrag von Msgr. René Coste ging von der Schöpfungstheologie aus, warf von dort aus einen Blick auf den Menschen und die Ressourcen der Erde, um dann nur noch ein paar Referenzpunkte im Rahmen einer theologischen Schöpfungsethik zu geben. Auch er betont, dass der Schöpfungsglaube den abrahamitischen Religionen gemeinsam ist und dass man von dort aus weitergehen könne zur Frage, wie diese Schöpfung ökologisch zu behandeln sei, in ihren dogmatischen, ethischen und spirituellen Dimensionen und überhaupt zu vielfältiger Zusammenarbeit. Der Schöpfergott werde nicht überwältigend gesehen, sondern eher anziehend. Er ist die Erfüllung der Menschen und der Ausdruck ihrer Freiheit. Die Christen hegten dankbare Bewunderung und Anbetung für ihn, da sie überzeugt seien, dass alles von ihm käme, sie selbst und alles, was sie besäßen. Im Danken müsse man sich als Geschöpf und die Erde und ihre Ressourcen als Gottes Geschenk erkennen. Gott habe aus Liebe und sehr gut geschaffen, eine Degradierung der Natur sei daher auch eine Beleidigung des Schöpfers. Weiter sei noch die herausragende Würde des Menschen, jedes Menschen, auch des verworfensten, grundlegende biblische Lehre und Anthropologie, wie auch die Gleichheit der Würde von Mann und Frau, denn beide seien nach dem Ebenbild Gottes geschaffen. Die Würde des Menschen sei Teilhabe an der Würde Gottes des Schöpfers: „The affirmation of the fundamental dignity of a person, inherent in each human being as God’s image, is one of the essential elements of the biblical conception of man. Its consequences are of capital importance for the ethical principles regarding the use of the earth’s resources: not only no human being must be excluded, but each must have the same fundamental right fo participate as well.“133 132 S. Khader, Jamal, A Christian Commentary on Dr. El-Abbadi’s Paper, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 43–45. 133 Coste, René, Religious Teachings on the Use of the Earth’s Resources, A Christian Perspective, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Collo-

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Die Stellung des Menschen in der Schöpfung Die Bibel betone außerdem die Einheit der Menschheit in Gott, die Menschen würden nie als isolierte Einzelne betrachtet, sondern als Mitglieder einer großen Familie, die sich zueinander wie Brüder und Schwestern verhalten sollten. Sie seien berufen, in Frieden und Solidarität miteinander zu leben und zunächst einmal auf Gewalt und Verbrechen gegeneinander zu verzichten. Die Menschheit sollte unser Horizont sein, wir sollten jeden Menschen als ein Mitglied dieser Menschheit sehen. Was die Ressourcen angehe, so sei ethisch eine Solidarität in Zeit und Raum erforderlich, besonders gegenüber den armen Menschen und all denen, denen das Lebensnotwendige fehle. An dieser Stelle geht er auch auf den Vorwurf ein, der sogenannte biblische und christliche Anthropozentrismus habe aus dem Menschen nicht nur ein privilegiertes Geschöpf gemacht, sondern den absoluten Herrn der Erde und das Zentrum des Universums. V.a. die westliche Christenheit habe sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, sie habe gelehrt, dass es Gottes Wille für den Menschen sei, die Natur nach seinen Interessen auszubeuten. Diese Auffassung habe die aggressive Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik gegenüber der Natur entscheidend beeinflusst und sei deshalb verantwortlich für die derzeitige Degradierung der Natur. Diese Haltung wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen. Sicher stehe der Mensch an der Spitze der Hierarchie der Geschöpfe, aber in dem Sinn, dass er die größte Verantwortung trägt und dabei Gottes Geschöpf bleibt und als Gottes Diener handeln sollte: „We should not speak here of anthropocentrism but rather of theocentrism with regard to the whole creation and therefore for man himself in its midst.“134 Dass allerdings viele Christen zur gegenwärtigen Versklavung der Natur beigetragen hätten und die Bibel zu ihrer Rechtfertigung herangezogen hätten, leugnet er nicht. Aber die Wortwahl der Genesis an diesem Punkt begründe keine tyrannische Herrschaft oder missbräuchliche Ausbeutung. Hier kommt wieder die Liebe des Schöpfers zu seiner Schöpfung und die Gottesebenbildlichkeit des Menschen ins Spiel, nach der die Menschen eben auch liebend handeln sollten gegenüber der Schöpfung. Menschliche Eigeninitiative ja, aber gleichzeitig auch eine untergeordnete und notwendigerweise gehorsame Rolle gegenüber dem Schöpfer, der für die Menschen Solidarität und Frieden wünscht und diese auch von ihnen erwartet. Die eigentliche Rolle des Menschen ist eine dienende, gegenüber Gott und gegenüber der Schöpfung – auch wenn er diese Rolle oft nicht erfüllt hat. Außerdem hätten alle Menschen das fundamentale Recht, in gleicher Weise von den Ressourcen der Erde zu profitieren. Die Bibel klage deswegen dauernd das Unrecht gegenüber den Armen an, weil ihnen eben dieses Recht genommen werde. quium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 50, s.a. p. 48 f. 134 Ib., p. 51.

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Eckpfeiler einer christlichen Schöpfungstheologie Eine Theologie der Schöpfung fordert ja eine Ethik der Schöpfung, die aber für alle, auch die Nichtgläubigen zugänglich sein müsse, da die ökologischen und Umweltprobleme ja die ganze Schöpfung beträfen. Diese Art von Ethik sei eine Spezialität der katholischen Soziallehre: Vernunft ruft nach Morallehre und der monotheistische Glaube kann diese Lehre nur verstärken. Eine Ethik der Schöpfung habe die Verantwortung des Menschen in einem ganz bestimmten Kontext zu definieren und zu konkretisieren. Einige Pflöcke in dieser Richtung versucht der Referent einzuschlagen: Im Licht des Glaubens an Gott den Schöpfer sei kein Eigentumsrecht absolut, denn nur Gott allein sei der wahre Eigentümer, wir Menschen seien immer vor ihm und unseren Mitbrüdern und -schwestern verantwortlich. Eine praktische Definition des Eigentumsbegriffs sollte immer den ökologischen Ansatz und die universelle Bestimmung der Güter mit umgreifen. Jeder Gebrauch, den wir von den Ressourcen der Erde machen, sollte voraussetzen, dass wir dabei die Rechte und Bedürfnisse anderer Menschen nicht ignorieren. Daraus resultiere auch das Prinzip des Rechts der zukünftigen Generationen im ethischen und juristischen Sinn, denn aus theologischer und philosophischer Sicht gehöre die Erde per Geburtsrecht genauso ihnen wie uns. Der ökologische Ansatz sei auch im Interesse der Wirtschaft selbst, die eine Wirtschaft für den ganzen Menschen und für alle Menschen sein sollte. Die sogenannte ‚Option für die Armen‘ sei im Schoß der katholischen Kirche entstanden und inzwischen eine ethische Forderung der christlichen Kirchen allgemein geworden. Sie zeige gerade die Universalität der Kirche und ihrer Mission. Die grundsätzlich zu beachtenden Werte seien Respekt vor dem Leben, besonders vor der Würde des Menschen, Gerechtigkeit und Solidarität auf weltweitem Niveau sowie Nächstenliebe als den spezifisch christlichen und auch fundamentalen und globalen Wert, der auch einen radikalen Ruf nach Gerechtigkeit hervorbringt. Abschließend sagte Msgr. Coste auch noch einiges zum Primat der Ethik auf dem Gebiet von Naturwissenschaft und Technik, wobei er v. a. Dokumente und Papstreden zitierte und betonte, dass das Glück und die Gesundheit der Menschen weniger an materiellen Gütern hänge als vielmehr an den Gaben der Natur und an anderen Geschöpfen, an menschlichen Beziehungen und an der Beziehung zu Gott. Er schließt, indem er einen päpstlichen Aufruf für einen anderen Lebensstil, für mehr Einfachheit, Bescheidenheit, Disziplin und Opfergeist wiederholt, damit die moderne Gesellschaft das ökologische Problem lösen könne.135 Insgesamt fällt auf, dass in Parallelität zum muslimischen Schwerpunkt auch hier sehr viel Wert darauf gelegt wird, Schöpfung im Sinn der Brüderlichkeit in Raum und Zeit zu verstehen und dass auf die Gemeinschaft, das System als Ganzes und die primäre Rücksichtnahme darauf großen Wert gelegt wird. Mgr. Coste machte dabei auch deutlich, dass das durchaus nicht immer so selbstverständlich 135 S. ib., p. 52–57.

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war, dass es aber dem eigentlichen Sinn der biblischen Botschaft und dem Willen Gottes für den Menschen entspricht. Hier kann man von einer großen Nähe bzw. Annäherung von christlichem und muslimischem Standpunkt sprechen, auch wenn der Stand der Ausformung unterschiedlich ist. 7.5.1.4. Die muslimkische Stellungnahme dazu – weitgehende Übereinstimmung Die muslimische Stellungnahme dazu war denn auch pauschal bestätigend, bevor sie in aller Ausführlichkeit in islamische Details ging: „If I am required to comment on this presentation from an Islamic standpoint, I will readily say that I have found that these foundations and teachings are essentially almost the same in terms of their ideological reference and jurisprudential teachings starting from God’s aim of creation, through man’s relation with God and the universe, and ending up with the creation system which necessitates that man should look at life with respect, dignity and integrity and within the framework and the responsibility that man assumes in existence.“136 Er ließ es sich nicht nehmen, dies nochmals in einem Detail auszuführen, das, wie erwähnt, fast den Umfang des Referats selbst erreichte. Erstaunlich ist, wie weit er sich dabei schon beim allerersten islamischen Ausgangspunkt, der Würde des Menschen, den christlichen Formulierungen annähert bis hin zur Rede von der Gottesebenbildlichkeit: „Thus in addition to the honor bestowed by God on man in creating the latter in His own Image and the blessings and bounties He conferred on him, He gave him/p. 60 preference through making him learned and civilized, and apt to acquire more knowledge and achieve development and progress in all aspects of his life, which is lacking in animals or other creatures.“137 Ferner kommt noch hinzu, dass der Mensch der Statthalter Gottes ist, dass der Islam besonders die Gemeinschaft sieht und zu Zusammenleben und Zusammenarbeit auffordert. Zwei völlig neue Aspekte sind, dass der Islam die Gesellschaft realistisch sehe und wahrnehme, dass es einfach reiche und arme Menschen gebe, weil Gott nach Sure 16,71 seine Gaben den einen freigebiger gegeben habe als den anderen. Der Islam predige auch nicht die Abschaffung von Armut oder Reichtum, sondern versuche, die Kluft zwischen beiden zu verringern und Demütigung, Ausbeutung, Gewalttätigkeit, Tyrannei, Groll und deren Gründe zu beseitigen. Die Muslime seien eine Gemeinschaft der Mitte, völlig ausgewogen, die auf Arbeit als Grundlage des Wohlstands setze und darauf, dass niemand um seine Rechte und seinen Lohn betrogen wird, v. a. Waisen und Tagelöhner nicht. Extreme sind ver 136 El-Jerrari, Abbas, A Muslim Commentary on Mgr Coste’s Paper, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Ponti­fical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 59. 137 Ib., p. 59/60.

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boten, wie Extravaganz und Knauserigkeit, Ausgaben für wertlose Nichtigkeiten, worunter auch jeglicher ungesetzliche Profit verstanden wird wie Zins, Glücksspiel, Bestechung und Betrug, sowie Monopole und Horten von Gütern. Die Ursache dafür sei, dass der Islam versuche, die harten Auswirkungen des Kapitals zu verringern. Dies geschehe beispielsweise durch die Almosensteuer und verschiedene Sühnezahlungen, aber auch generell fordere der Islam dazu auf, fromme Stiftungen zu machen und für religiöse Zwecke Geld auszugeben. Diese Gelder werden als eine Art Darlehen an Gott betrachtet, das Gott mehrfach zurückgeben werde. Außerdem habe Mohammed festgelegt, dass die lebensnotwendigen Dinge (ohne die auch an Gottesdienst nicht zu denken ist) wie Wasser, Weideland und Feuer, also Energie, Allgemeingut sein sollten, für das kein Preis verlangt werden darf. Solche Bestimmungen würden auch einem Klassenkampf vorbeugen, denn wenn es die Gesellschaft gefährde, wenn Menschen ihre Pflichten nicht erfüllten, so gefährde es sie auch, wenn sie ihre Rechte (Essen, Sicherheit, Gerechtigkeit, Wohlergehen, Glück, Würde usw.) nicht bekämen. Auch das führe zu sozialer Instabilität. Es dürfe weder das Gegenüber von Unterdrückern und Unterdrückten, Hungrigen und Übersättigten oder Sicheren und Verängstigten geben in einer Gesellschaft, in der sozialer Frieden und Glauben herrschten. Mohammed habe schon gesagt, dass der kein wahrer Gläubiger sei, der die Nacht mit vollem Magen verbringe, während sein Nachbar hungrig sei und er um dessen Lage wisse. Dankbarkeit gegenüber Gott würde das eigentlich alles automatisch mit einschließen, aber der Mensch hat einen Hang zur Undankbarkeit und überhaupt dazu, negativ und zerstörerisch zu sein und sich in seinem Denken und Handeln von moralischen Werten zu lösen.138 Wieder werden die grundlegenden Übereinstimmungen ganz deutlich, aber eben auch, dass der Islam viel konkreter ist und viel mehr direkt regulierend eingreift, dabei aber (notwendigerweise) an den Idealen eher Abstriche macht, was ja von Muslimen als die sogenannte mittlere Haltung gepriesen wird.

7.5.2. Schutz der Ressourcen 7.5.2.1. Katholisch: eine ethische Frage Dann wandten sich die Referate der konkreteren Frage zu, was die beiden Religionen zur Frage des Schutzes der Ressourcen der Erde sagen, wobei der katholische Referent Kevin Irwin herausstreicht, dass er nur für den katholischen Teil  der Christenheit sprechen kann und dass für diesen bemerkenswerter ist, was lehramtlich nicht oder kryptisch gesagt werde. Die Aussagen zu dieser Frage nähmen in jedem Fall eine ethische oder anthropologische Perspektive (menschliche Verantwortung, Gottesebenbildlichkeit, Würde des Menschen und der menschlichen Arbeit) ein, nämlich den Menschen als Zentrum der Schöpfung 138 S. ib., p. 61–67.

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sähen, verantwortlich dafür, die Autonomie der Schöpfung zu respektieren und für die gerechte, brüderliche Verteilung ihrer Güter zu sorgen. Die menschliche Kontrolle über die Schöpfung habe so zu erfolgen, dass eine Wirtschaftsordnung entsteht, die die Würde aller Menschen respektiert, dass also die Erde und ihre Ressourcen erhalten werden, weil sie auch für das Leben künftiger Generationen wichtig sind. Die Menschen seien Wächter der Schöpfung. Ihre unvergleichliche Würde und ihre besonderen Gaben entsprächen ihrer hohen Verantwortung. Sie sind, als Bauern z. B., aber auch ganz allgemein durch ihre Arbeit, Mitarbeiter des Schöpfers, die ihren Auftrag erfüllen. Doch sie könnten nach ihrem freien Willen ihre Gaben auch missbrauchen, ihrem Auftrag nicht nachkommen, zerstören, Armut und Angst verbreiten damit und sich am Ende selbst schaden. Johannes Paul II habe ausdrücklich davon gesprochen, dass Umweltschutz eine ethische Frage sei und die Menschen von heute für die vorsorgen müssten, die nach ihnen kämen. Auch er betonte den, wenn auch beschränkten, Auftrag des Menschen (von Anfang an gab es auch Verbote Gottes) und die Wichtigkeit einer gerechten Verteilung der von Gott geschenkten Güter, gerade zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern, mahnte einen anderen Lebensstil an, auch deshalb, weil der Mensch ja eine geistliche Natur und eine transzendente Bestimmung habe. Und schließlich habe er selbst die Verantwortung für die Schöpfung auch zu einer Angelegenheit ökumenischer und interreligiöser Zusammenarbeit erklärt. Auch habe er den Bogen zu den Menschenrechten geschlagen, da Entwicklung erst die Ausübung der Menschenrechte ermögliche. Umgekehrt sei es ein anthropologischer Irrtum, wenn der Mensch vergesse, dass die Ressourcen der Erde Gottes Geschenk seien, und glaube, dass er nach Belieben von ihnen Gebrauch machen könne. Leider wollten die Menschen Dinge eher besitzen als sie mit der Wahrheit in Verbindung zu bringen (diese Verbindung war verschiedentlich auch schon an ganz zentraler Stelle in islamischen Referaten aufgetaucht, allerdings mit dem Ziel, die Wissenschaftsfreundlichkeit des Islam unter Beweis zu stellen, von katholischer Seite bezeichnet der Referent sie als sakramentale Sicht der Wirklichkeit). Wieder ist es die anthropologische Achse, wie der Referent es nennt, von herausgehobener Stellung und Verantwortung des Menschen, um die alles andere rotiert, gepaart mit einer besonderen Betonung der globalen, auch interreligiösen Verantwortung. Mit den Worten des Referenten zusammengefasst: „John Paul II has been very concerned to support the intrinsic worth of the human person and concomitantly to articulate responses human beings owe to God their creator and to fellow human beings. It is in this connection that contemporary papal teaching stresses responsibility for creation. This teaching can be characterized as overwhelmingly theocentric and anthropological. Creation is God’s good work; humans must respect it and preserve it for future generations. (…) This anthropocentric vision grounds a contemporary rereading of the scriptural theme of stewardship. Here ‚dominion‘ means responsibility for creation. (…) [T]he problem with destruction of nature is not that nature itself is injured but

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that it is a symptom of our lack of obedience to God, of sin, of the perversion of what our human nature ought to be – rational, sensible, humble. Given the fact that creation itself has traditionally had a privileged place in Catholic theology and belief and that in Islam due acknowledgement is paid to God the Creator, it would be helpful if this appropriate anthropological foundation could be broadened to include respect for the world’s resources precisely because they are resources from the world as created and blessed by God as ‚good‘.“139 Weitere christliche Begründungslinien Der Referent zog auch noch andere mögliche Linien aus, so die des Noah-Bundes, oder, als spezifisch katholisch, die sakramentale Sicht der Welt, also dass die Menschen Gott in und durch die Welt erfahren, in der sie leben, und dass er dort wirklich erfahrbar ist und erfahren wird, vielleicht noch mehr, wenn die Umwelt von ihrer Degradierung teilweise wieder befreit wäre. Die oben schon genannte Parallele zum Islam wird hier ganz ausdrücklich erwähnt, auch wenn der Terminus Sakramentalität schon ausgesprochen unislamisch sei. Er geht auch auf die Frage von Schöpfung und Erlösung ein und dass ihr genauer Zusammenhang mit Blick auf eine Theologie der Schöpfung und der Ökologie noch theologisch zu klären sei. Gott der Schöpfer erlöse und Gottes Erlösung erstrecke sich auf die gesamte Schöpfung. Auch das Bild der Pilgerschaft sei sehr angemessen, um uns daran zu erinnern, dass wir die Ressourcen der Erde für künftige Generationen bewahren sollten, da wir alle nur eine bestimmte Zeit hier seien. Schließlich verweist er noch auf die benediktinische Tradition des Mönchtums mit ihrer Betonung auch von menschlicher Arbeit, gerade im Bereich der Urbarmachung von Land, sowie auf Franz von Assisi als ein gutes Beispiel für den staunenden Zugang zur Schöpfung und für die gesamte sakramentale Sicht der Schöpfung. Zu Recht sei er deshalb auch der katholische Patron der Ökologie.140 Es ist dies insgesamt mehr eine Brockensammlung, die mit innerer Notwendigkeit immer wieder um bestimmte Punkte kreist, als schon eine voll ausgebildete Theologie zu dieser Frage, aber insofern im Rahmen dieser Untersuchung doch ganz besonders bedeutsam, als sie dadurch noch sehr anthropozentrisch und anthropologisch ausgerichtet ist.

139 Irwin, Kevin W., Religious Teachings on the Protection of the Earth’s Resources, A Christian Point of View, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 83, s.a. p. 71–82. 140 S. ib., p. 85–90.

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7.5.2.2. Der Islam – sehr geeignet für eine Zusammenarbeit in Sachen Natur und Ökologie Auch die muslimische Entgegnung von Mai Muthaffar betont zunächst sehr die besonders herausgehobene Aufgabe des Menschen (die alle anderen abgelehnt hätten) und seine ebenso hervorgehobenen Eigenschaften und dass die Erde für den Menschen geschaffen sei. Sie sieht die Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum an diesem Punkt und auch die Möglichkeit, gemeinsam aufzu­ treten, gerade in der jetzigen Situation, in der der Mensch, dem die Erde anvertraut wurde, sie ruiniert durch Zerstörung und Verschmutzung und die Verletzung menschlicher Werte, weil er auch jede Moral verlassen hat, als er sich von Gott abkehrte. Der Mensch könne heute gar nicht mehr allein gegen diese Zerstörung auftreten, internationale Zusammenarbeit sei nötig. Der Islam und das islamische Recht werden in diesem Zusammenhang wieder sehr positiv gesehen, u. a. sei es ja der Islam gewesen, der die Nomaden sesshaft gemacht habe. Überhaupt bringe der Glaube die Möglichkeit mit sich, das Äußere zu gestalten, denn dieses Leben selbst verlange ja Opfer und Selbstverleugnung. Kurz, der Islam sei sehr geeignet für diese Zusammenarbeit, in der es darum gehen müsse, eine Ethik von Natur und Ökologie zu entwickeln und zusammenzuarbeiten für mehr Gerechtigkeit, eine gerechtere Verteilung der Lebensmöglichkeiten, was als eines der ganz großen Probleme gesehen wird.141 Alles in allem ist dies eine sehr positive und zukunftsweisende Antwort. 7.5.2.3. Die grundlegende islamische Frage: Wer ist ein wahrhaft Gläubiger? Das muslimische Referat zum Thema, das Sufian El-Tall hielt, versuchte erst einmal grundsätzlich zu klären, was ein Gläubiger sei und wie die Erde im Islam gesehen werde, um dann beides miteinander in Beziehung setzen zu können. Zwangsläufig wurden dabei viele Aspekte wiederholt und damit verstärkt, die auch vorher schon eine zentrale Rolle gespielt hatten. Die Latte für Gläubigkeit wird zunächst einmal sehr hoch gelegt: Glaube sollte nicht nur in der Psyche des Menschen so fest verwurzelt sein, dass er den Willen, die Gefühle und die Wahrnehmung von Welt, Leben und Menschheit der betreffenden Person kontrolliert, sondern nach Sure 49,15 auch einen solchen Grad an Entschiedenheit und Gewissheit erreichen, dass Zweifel nicht mehr möglich ist. Der Glaube führt auch zum Handeln, denn der Gläubige kann die Diskrepanz zwischen dem Bild des Glaubens in sich und dem aktuellen Bild um sich herum nicht ertragen, ohne immer schockiert und verletzt zu sein. Der Glaube bestimmt also die Rolle 141 Nach Muthaffar, Mai, A Muslim Commentary on Fr. Irwin’s Paper, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 91–94.

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des Menschen in der Welt, wobei der Islam die Freiheit des Menschen und seine Verantwortung für sich und seine Taten immer betont habe. Der Gläubige liebe und achte die Natur, weil Gott sie für ihn geschaffen habe. Gott habe ihm die Natur aber zur Erfüllung seiner Aufgaben auch untertan gemacht, er dürfe sie nutzen, genießen usw., insofern er sie auch schütze, wie es seine Aufgabe sei. Dabei wird der rationale Umgang mit der Umwelt besonders betont, da das Recht der Nutzung eben genauso auch den kommenden Generationen gehöre. Der Gläubige liebe alle Geschöpfe und alle Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe und Rasse. Er betrachte sie als Brüder, die mit ihm zusammen aus einem Menschen geschaffen wurden: „His faith does not permit him to get involved in ethnic, racial or gender conflicts, or to envy him or fanatically side against him; because he believes/p. 99 that all men descend from Adam and that Adam is made from the soil of this earth.“142 Außerdem glaubt der Gläubige an die Arbeit, liebt sie und führt sie ohne obrigkeitlichen Zwang aus, denn Glaube ist ohne Arbeit nicht denkbar. Diese Arbeit ist mit den rechten Werken verbunden, die der Koran oft anführt. Als Kurzzusammenfassung kann man sagen: „[A] believer according to Islam believes in God, His Books and Apostles, and makes no distinction between one and another. He is unfamiliar with fanaticism. He loves his fellow-men and respects their freedom and beliefs. He likes and seeks righteous work. He loves nature and its creatures and is contented with the universe and life.“143 Die islamische Sicht der Welt – vom Wasser bis zur Umweltverschmutzung Dies alles wird in dieser fast apodiktischen Weise gesagt, die sich eher noch verstärkt, als es um die islamische Sicht der Welt geht. Hier wird in einer Verschränkung von Korantexten und Aussagen naturwissenschaftlicher Provenienz besonders die Wohlausgewogenheit der Welt als Lebensraum betont sowie die Tatsache, dass alle an ihr Anteil haben, auch zukünftige Generationen. Jede Generation habe die Erde nur geliehen, ihr Eigentümer sei Gott. In diesem Zusammenhang wird auch wieder der Ausspruch des Propheten zitiert, nach dem Wasser, Weideland und Feuer (im Sinn von Energie und Energiequellen, s. o.) allen gehörten, ferner noch sein Ausspruch, dass unkultiviertes Land dem gehöre, der es urbar mache. Das wird als Ansporn gesehen, alles Land urbar zu machen, ohne allerdings auf die Frage einzugehen, ob das unter heutigen Umweltgesichtspunkten nicht eher schädlich wäre. Dass die weltweiten Anstrengungen um den Umweltschutz bisher zu keiner Verbesserung geführt haben, wird darauf zurück 142 El-Tall, Sufian, Religious Teachings on the Protection of the Earth’s Resources, A Muslim Point of View, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 98/99, s.a. p. 96 f. 143 Ib., p. 99.

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geführt, dass die (eigenen) Interessen stärker seien als der Glaube, der betone, dass man auch die Interessen des anderen berücksichtigen müsse. Dann geht er auf die Einzelbereiche der Ressourcen ein, beginnend mit dem Menschen selbst. Seine Rolle als Statthalter Gottes bedeute v. a., dass er Gott gehorsam sein und die Erde schützen müsse, erst dann komme die Entwicklung. Dabei sollte er seinen Mitmenschen Liebe und nicht Neid entgegenbringen, auch wenn Gott in seiner Allwissenheit seine Gaben unterschiedlich verteilt habe Sure 17,30 u. 59,9). Dies steht allerdings in einer gewissen Spannung zu der Vehemenz, mit der er vorher Armut angeklagt und Gerechtigkeit (nicht Mildtätigkeit) eingeklagt hatte angesichts der Tatsache, dass etliche Völker wesentlich mehr an Ressourcen verbrauchten und an Umweltverschmutzung verursachten als andere. Was das Wasser angeht, so wird betont, dass der Koran es als Ursprung des Lebens sehe, aus dem Gott alles geschaffen habe, dass es für den Islam auch religiös wichtig sei (rituelle Waschungen) und dass, wie schon betont, Mohammed seine Reinheit besonders geschützt habe. Spätere Juristen hätten das ausgebaut bis hin zu einem Verbot von Massenvernichtungswaffen. Die Tiere seien, wie der Mensch, Gottes Geschöpfe, Zeugen seiner Schöpferkraft, und zumindest zum Teil dem Dienst des Menschen unterworfen, sofern es sich eben um Nutztiere handelt. Umgekehrt habe der Mensch aber auch den Auftrag, die Tiere zu schützen – wieder bis hin zu einem Ausspruch Mohammeds, brütende Vögel in Ruhe zu lassen. Was die Pflanzenwelt angeht, so wird ebenfalls die Kultivierungs- und Schutzfunktion des Menschen betont, die selbst im Krieg noch gelte, wie ja auch schon erwähnt worden war. Was Luft und Luftverschmutzung angeht, so bringt der Referent den ebenfalls schon bekannten islamischen Rechtsgrundsatz zur Anwendung, dass die Abwehr von Schaden Vorrang vor der Förderung von Interessen habe, im Klartext: keine Industrialisierung, wenn diese mit Luftverschmutzung verbunden sei. Was Nahrung angeht, so wird auf islamisch verbotene und als schädlich angesehene Nahrungsmittel eingegangen, ferner auf die Regelungen, die vorsehen, den Armen und Bedürftigen einen Anteil an der Ernte zu geben, sowie auf das islamische Verbot der Verschwendung von Nahrungsmitteln, das ja sehr aktuell sei. Mit der Schwäche und dem Fehlen von Glauben habe der Mensch begonnen, der Welt zu schaden bis hin zur Gefährdung der menschlichen Rasse selbst, und vergessen, dass Gott ihm die Erde in guter Verfassung gegeben habe und ihm befohlen habe, sie nicht zu verderben. Hier nun kommt das eigene religiöse Selbstbewusstsein voll zum Tragen: „Modern science and technology have been unable to stop corruption or to protect the earth’s resources from wastage and depletion, while we can see from what has been said above that belief according to the Islamic faith is sufficient to tackle the problem and stop the onslaught of corruption in this earth and protect its resources from mishandling and deterioration. There are Islamic legislative principles that can be taken as starting points for the protection of the earth’s resources. These principles and points of departure will be based on the enhancement of Islamic religious awareness, emphasis on the

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creation of faith within people’s souls and hence commitment to Islamic concepts in dealing with nature, environment and the earth’s resources. These concepts are based on avoidance of extravagance, wastage, ruining, depletion and pollution of resources. Public welfare should, of course, be given priority to individual interests. Private or individual harm can be tolerated in order to avoid public harm or damage. Harm cannot be removed through causing a similar harm, and the State is entitled not to license the projects which do more harm than good (…). It is our duty, therefore, to give the believers their chance to tackle the problem from the Islamic perspective.“144 Was angesichts dieses massiven Selbstbewusstseins doch zu wünschen wäre, ist ein zumindest ganz kurzer kritischer Ausblick, was von diesen Regelungen wirklich umgesetzt wurde und wird, oder ob eben auch viele Gläubige nicht unbedingt so handeln und damit gar nicht so gläubig sind, wie sie es für eine ideale Welt sein sollten. Sonst besteht die (häufige) Gefahr, dass man die eigene wunderbare Theorie mit der schlechten Praxis in diesem Fall der säkularen Seite vergleicht, was nicht gerade fair ist. 7.5.2.4. Christlicher Kommentar: ethische Übereinstimmungen und theologische Unterschiede Die offizielle christliche Antwort ging ganz allgemein und positiv darauf ein, dass ein großer Wert auf Religion (in diesem Fall eben Islam) gelegt worden sei als psychologisch tief verwurzelte und lebendige inspirierende Kraft für Einsatz im Bereich des Umweltschutzes, wie dies eben auf katholischer Seite auch so sei, dass die Religion dazu bringe, sich für die Umwelt und ihren Schutz vor Gott verantwortlich zu fühlen, wofür die Belege ja nur wiederholt zu werden brauchen. Dann aber gibt Bernard Przewozny einen kundigen und interessanten Detail­ vergleich der beiden Systeme und ihrer Ansätze in dieser Frage. Während es auf islamischer Seite gerade die absolute Einheit Gottes ist, die dazu führt, dass Gott der Einzige ist, der die menschlichen Beziehungen zur Schöpfung regeln kann, ist es im Christentum gerade die Vorstellung von der liebenden innertrinitarischen Beziehung, die in der Schöpfung nach außen sichtbar wird und der Schlüssel zum liebenden Verhältnis zu dieser ist, sichtbar in der Erschaffung des Menschen nach dem Bild Gottes. Die islamische Vorstellung ist hier die eines Wächters oder Statthalters, was häufig in Verbindung gerbracht werde mit der rationalen­ Natur des Menschen und mit der Pflicht des Menschen, das Werk Gottes zu bewahren (seine Interpretation von fitra). Hier zeigt er sehr schön, dass christliche und muslimische Schemata nicht nur sehr nahe beieinander liegen, gerade was die praktischen Konsequenzen angeht, sondern dass sie, fragt man nun wirklich nach der ureigensten theologischen Fundierung, doch Welten auseinanderliegen, was sich aber auf der ethischen Ebene gar nicht so sehr bemerkbar 144 Ib., p. 116, s.a. p. 99–115.

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macht. Deshalb bietet Przewozny auch eine durchaus kritische Analyse der (ideell auf der Aufklärung basierenden) industriellen Revolution, die eine Tendenz hat(te), Werte und ethische Normen zu verlassen und sich stattdessen auf rein materielle Dinge zu konzentrieren, was zu einer zunehmenden Säkularisierung des Lebens geführt habe. Es sei nötig, eine neue Beziehung zwischen Religion und moderner Naturwissenschaft, Technologie und Wirtschaft aufzubauen. Sie sollten als Ausdruck der menschlichen Kreativität nicht an sich als negativ gesehen werden, aber auch als Mittel und nicht als Selbstzweck, sollten also so eingesetzt werden, dass u. a. eine Gesamtvision von menschlicher Würde gewahrt bleibt und auch der Blick auf die Möglichkeiten zukünftiger Generationen. Entwicklung sollte in mehr spirituellen und geistlichen Begriffen definiert werden, denn, wie ja auch Johannes Paul II vor den Vereinten Nationen schon gesagt habe, können materielle Dinge allein den Menschen nicht befriedigen.145 Es verwundert an dieser Stelle nur, dass nicht schlicht auf die Aussage Jesu verwiesen wurde, der Mensch lebe nicht vom Brot allein.

7.5.3. Die gerechte Verteilung der Ressourcen 7.5.3.1. Die islamische Rolle des Menschen: die Wichtigkeit der Arbeit Eine letzte Runde beschäftigte sich ganz konkret mit der Rolle der Gläubigen bei der gerechten Verteilung der Ressourcen der Erde, die ja von Christentum wie Islam eindeutig gefordert wird auf der Basis, dass Gott die Erde allen Menschen als seinen Geschöpfen und Brüdern und Schwestern untereinander gegeben habe. Gerade das islamische Referat, gehalten von Khayyat, griff zunächst einmal die Großartigkeit dieses Geschenkes Gottes an den Menschen als seinen Statthalter nochmals in aller Ausführlichkeit auf, beginnend mit dem Tag für die Arbeit und die Nacht für die Ruhe des Menschen. Die Wichtigkeit und der Segen der Arbeit für den Menschen werden überhaupt sehr betont, erkennbar an einer Überlieferung Mohammeds, die er zitiert und nach der sieben Taten eines Menschen ihm nach seinem Tod zum Lohn gereichen: nutzbringendes Wissen lehren, einen Wasserweg bauen oder einen Fluss zum Fließen bringen, einen Brunnen graben, Pflanzen und Getreide anbauen, eine Moschee bauen, jemanden ein Exemplar des Koran vermachen und Nachkommen hinterlassen, die Gott nach seinem Tod für ihn um Vergebung bitten.

145 S. Przewozny, Bernard, A Christian Commentary on Dr. El Tall’s Paper, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 119–122.

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Die islamische Logik des Teilens Bevor er dann in Details bzgl. der Aufteilung geht, betont er zwei Dinge, die dem Islam v. a. wichtig seien: dass die Ressourcen der Erde und die Umwelt sauber und für das Leben geeignet bleiben und dass mit diesen Ressourcen sparsam umgegangen wird, sodass sie nicht aufgebraucht werden, mit anderen Worten: eine Rationalisierung des Konsums (was wiederum auf die rationalen Qualitäten des Menschen anspielt, die ja in diesem Zusammenhang von muslimischer Seite schon öfter genannt worden waren). Die schlimmste Form von Verschwendung sei nach muslimischer Tradition unbilliges und ungerechtfertigtes Ausgeben von Geld. Die Aufteilung selbst vollzieht sich auf drei Ebenen, zwischen den Staaten, innerhalb des Staates und zwischen Einzelpersonen. Zunächst wird davon ausgegangen, dass die Ressourcen der Erde für deren Bewohner ausreichen, ganz unabhängig davon, wie stark diese sich vermehren, denn auch die Ressourcen seien erneuerbar und würden wachsen. Es sei die Aufgabe der Gläubigen, durch entsprechendes Management und angemessene Verteilung dafür zu sorgen, dass das Essen für alle Lebewesen ausreicht. Hier wird wieder die Regelung mit dem Allgemeingut an bestimmten Dingen angeführt, wobei pauschal alle Bodenschätze dem Bereich des Allgemeingutes Feuer zugerechnet werden. Deshalb seien solche Ressourcen legitimerweise in nationalstaatlichem Besitz und könnten von den Nationalstaaten genutzt werden. Klare Abgrenzung herrscht hier z. B. von jeder Form von Kolonialisierung oder nachkolonialer Ausbeutung der Rohstoffe schwächerer Länder durch stärkere. In anderen Bereichen, die nationalstaatliche Souveränität über bestimmte Dinge betreffen, herrscht überwiegend Übereinstimmung mit internationalem Recht und entsprechende Verträge werden anerkannt. Die Erträge aus der Ausbeutung nationaler Rohstoffe sollten in den Staatsschatz gehen und für offentliche Interessen und die Wohlfahrt des Staates ausgegeben werden in Übereinstimmung mit einem Grundsatz des islamischen Rechts, in dem es um die öffentliche Wohlfahrt geht. Teile des öffentlichen Besitzes können aber auch an Privatpersonen vergeben werden, damit diese ihn nutzen. Auch kann Land an arme Bewohner verteilt werden oder der Staat kann ungenutztes öffentliches Land an die geben, die es kultivieren – in Übereinstimmung mit der schon öfter zitierten Überlieferung Mohammeds. Der Umgang mit Staatsschatz und Almosensteuer Geld aus dem Staatsschatz oder der Almosensteuer kann auch direkt an Bedürftige gegeben werden oder zinsfrei verliehen werden, um Entwicklung zu fördern und Armut und Hunger gegenzusteuern. Hier gibt es fünf Kategorien: Als erste bekommen die Armen Unterstützung, die nicht arbeiten können wie beispielsweise Behinderte, Witwen oder Waisen. Sie sollten nicht nur das Existenzminimum bekommen, also Essen und Trinken, Kleidung und Unterkunft, sondern zusätzlich noch einen gewissen Lebensstandard, je nach den Umständen, die von Zeit und Ort vorgegeben sind, nach dem

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rechtlichen Grundsatz, der besagt, Notwendigkeiten seien nach den Umständen einzuschätzen. Genannt werden von muslimischen Juristen dabei angemessene Unterbringung, aber beispielsweise auch Vergnügen als wichtiger Teil der menschlichen Bedürfnisse. Zweitens bekommen diejenigen, deren Ausgaben die Einnahmen überschreiten, aus dem Topf der Almosensteuer, was sie unbedingt brauchen und was darüber hinausgeht, als da wären Heirat, Beförderung, Reitpferde und angemessene Einrichtung. Drittens bekommen die, die ihr Vermögen durch Katastrophen oder Bankrott verloren haben, aus der Almosensteuer soviel Geld, dass sie ihr Geschäft oder ihren Hof wieder hochbringen können. Viertens wird das Erbrecht angeführt, das das Einsetzen eines einzigen Erben verbietet, sondern die Erbmasse unter der Familie aufteilt. Fünftens soll der Staat intervenieren, um das wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen, wenn eine Klasse eine andere beherrscht. Als Beispiel wird eine Tradition Mohammeds angeführt, dass jemand, der Land besitzt, es entweder bebauen oder aber einem seiner Brüder übergeben muss. Ziel all dessen ist, dass alle bekommen, was sie brauchen, selbst wenn dann alle nur noch das Notwendigste haben sollten. Die praktkischen Grundlagen des islamischen Verteilungsverfahrens Die Verteilung zwischen den Gläubigen erfolgt auf freiwilliger Basis durch Spenden, wozu der Islam auffordert, besonders für Arme und Bedürftige, Verwandtschaft, Waisen, Reisende und alle, die in Schwierigkeiten sind. Dann gibt es noch die Möglichkeit, über bis zu einem Drittel der Erbschaft völlig frei zu verfügen. Schließlich wird auch der Austausch von Geschenken dazugerechnet. Daneben gibt es auch verpflichtende Zahlungen. Dazu gehören Unterhaltszahlungen innerhalb der Familie, Zahlungen bei Verstößen gegen das göttliche Gesetz (hier gibt es eine ganze Reihe von sehr genauen Bestimmungen), finanzielle Ersatzleistungen, wenn jemand beipielsweise das Fasten nicht einhalten kann, und schließlich Stiftungen für wohltätige Zwecke wie Bedürftige, Waisen, Moscheen, Schulen oder Krankenhäuser. Hier wird wieder eine Überlieferung Mohammeds zitiert, dass mit dem Tod einer Person alles zu einem Ende kommt, was diese zu ihren Lebzeiten erreicht hat, mit drei Ausnahmen: fortdauernde Wohltätigkeit, nützliches Lernen und ein frommes Kind, das für diesen Menschen betet.146 Hier zeigt sich wieder einmal das Charakteristikum islamischen Rechts, wirklich keinen Bereich des menschlichen Lebens ohne meist sogar sehr detaillierte Vorschriften zu lassen.

146 Nach Khayyat, Abdul-Aziz, The Role of Believers in Ensuring an Equitable Distribution of Earth’s Resources, A Muslim Point of View, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 125–141.

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7.5.3.2. Der christliche Kommentar: Weitgehende Übereinstimmung? Für den christlichen Kommentator, Ignazio Musu, traten besonders die Übereinstimmungen hervor, die auf die gemeinsamen Wurzeln von Christentum und Islam zurückschließen lassen, v. a. auf Gottes Liebe zu allen Menschen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (wobei Muslime wohl für das Verhältnis Gott – Mensch niemals das Wort Liebe benutzen würden, das Musu hier verwendet). Wieder wird betont, dass auch nach christlicher Überlieferung Gott die Erde allen Menschen gegeben habe, ohne jemanden auszuschließen oder zu bevorzugen, was aber nicht den tatsächlichen Stand der Dinge widerspiegele, weshalb Kampf gegen Armut und Förderung von sozialer Gerechtigkeit sehr nötig seien. Auch die soziale Verantwortung des Eigentums wird in diesem Zusammenhang wieder angeführt. Ansonsten zeichnet er den Argumentationsgang des Referats nach und merkt nur an, dass man den generationenübergreifenden Effekt hätte noch mehr betonen müssen, der den Umweltschutz so notwendig­ mache. Manches Mal macht er den muslimischen Redner vielleicht auch etwas zu schnell und einfach zu seinem Verbündeten: „[A] very important point made by Prof. Khayyat is that God has created the world having in mind, so to speak, the needs of nourishment and adequate living for every human being. Hence it is man’s responsibility to preserve the balance between what is available and what has to be used, through an accurate management to make resources sufficient for all living being. The conclusion is immediate: we should not reject new born human beings for fear of poverty.“147 Dies ist zumindest ein Beispiel dafür, dass man beim Anderen besonders das hört, was für einen selbst gerade wichtig und aktuell ist, ob es nun der zentrale Punkt des Gegenübers war oder auch nicht. 7.5.3.3. Eine Problembeschreibung aus christlicher Sicht Das offizielle christliche Referat zum Thema wurde von Anis Muasher gehalten, der wieder ansetzte bei der Aussage, Gott habe den Menschen durch Weisheit und verschiedene Fähigkeiten, die Natur zu nutzen, von den anderen Geschöpfen hervorgehoben und ihm die Natur anvertraut, aber eben nicht einem Menschen oder einer Generation, sondern allen Menschen und allen Generationen. Es sei eine offene Ungerechtigkeit, dass wenige Menschen Güter im Überfluss anhäuften und dabei die vorhandenen Ressourcen verschwendeten, während viele Menschen kaum überleben könnten. Der drohende ökologische Zusammenbruch lehre, wie sehr individuelle und kollektive Gier und Selbstsucht gegen die Schöpfungsordnung seien, die von gegenseitiger Abhängigkeit gekennzeichnet 147 Musu, Ignazio, A Christian Commentary on Prof. Khayyat’s Paper, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1994, p. 146, s.a. p. 145.147 f.

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sei, die alle Menschen und auch zukünftige Generationen einbeziehe: „Man is not permitted to exploit his private capability which the Creator had granted to him, to aggress nature and other creatures and to cause an imbalance or to appro­ priate and monopolize them.“148 Tatsächlich aber sei der Umgang des Menschen mit der Natur von Generation zu Generation und auf Kosten der zukünftigen Generationen immer schlechter geworden, in dem Ausmaß, in dem er seine Fähigkeit entwickelt habe, grundlegende Veränderungen auf dem Planeten hervorzurufen. Was nun die Frage der Gleichheit angehe, so seien alle Menschen Kinder Gottes und damit Geschwister. Im Vaterunser werde der Christ dazu aufgefordert, sich mit dem täglich Notwendigen zufriedenzugeben (unser täglich Brot gib uns heute), nicht gierig oder verschwenderisch zu sein, nicht Dinge anzuhäufen, nicht übermäßig zu konsumieren und dabei die natürlichen Ressourcen überzustrapazieren. Die geschilderte Umweltgefahr sei die direkte Folge der Abweichung der menschlichen Gesellschaft von diesem christlichen Weg bis dahin, dass die unmäßige Produktion geradezu zum Kennzeichen v. a. der westlichen Gesellschaften geworden sei, wie sich der Referent ausdrückt. Wirtschaftliche Prosperität seien das Maß geworden und nicht mehr echte Bedürfnisse und gerechte Verteilung, was das gesamte Gleichgewicht gerade für kommende Generationen durcheinandergebracht habe. Vielfältige kirchliche Aussagen zu gerechter Verteilung Hier wird wieder der Aufruf Johannes Pauls II zu mehr Bescheidenheit und Einfachheit wiederholt, auch im Interesse eines weltweiten Friedens, aber es werden auch viele Bibelstellen zitiert, die betonen, dass alle Menschen Geschwister sind, dass die Liebe keine Grenzen kennt, dass Gerechtigkeit auch verlangt, dass die Armen Anteil an den irdischen Gütern bekommen müssen und dass es eine schwere Verletzung der Rechte des Armen ist, ihm nicht zu helfen, und ein religiöses und soziales Verbrechen obendrein, bis hin zum Verhalten der Urgemeinde. Auch Aussagen der Kirchenväter gehen in diese Richtung, von Basilius über Ambrosius, Johannes Chrisostomos bis Augustinus. Die modernen Industriegesellschaften aber hätten das alles gründlich über den Haufen geworfen, auf Kosten der armen Menschen und unterentwickelten Länder. Dieses strukturelle Armutsproblem, so schon Johannes Paul II, müsse angegangen werden, wolle man das ökologische Problem lösen und auch das Problem des Friedens/Krieges – sprich die drei aktuell größten Probleme der Menschheit. Doch nicht erst Johannes Paul II hatte sich wiederholt diesem Thema gewidmet, schon ­Johannes XXIII hatte die 148 Muasher, Anis, The Role of Believers in Ensuring an Equitable Distribution of Earth’s Resources, A Christian Point of View, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 150, s.a. p. 149.

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Verantwortung der reichen Nationen für die armen Länder, deren Bewohner Opfer von Elend wären und keine Menschenrechte hätten, eingefordert, mit der Begründung, Reichtum basiere nicht auf einem Überfluss an Gütern, sondern auf deren tatsächlicher Verteilung an die Einzelnen. Über den Fragen, wie Reichtum, Erziehung, Wissenschaft und Technologie gerechter verteilt werden könnten, dürfe man aber auch die seelischen Werte nicht vergessen, denn oft steige mit dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt und dem materiellen Reichtum auch die Ausschweifung. Die eigentliche Gefahr für die Gesellschaft sei die Tyrannei von materieller Arbeit und Profitgier über die Seele und die Werte. Das Zweite Vatikanum hatte auch angesichts der großen gesellschaftlichen Ungleichheiten die fundamentale Gleichheit der Menschen betont, auch wenn deren körperliche, geistige und ethische Fähigkeiten durchaus nicht gleich sind. Es sollte eine internationales wirtschaftliches System formuliert werden, dass der Ausbeutung, der Profitgier und dem Willen nach politischer Beherrschung ein Ende setze und sie durch Freundschaft und Brüderlichkeit ersetze. Jeder Mensch sollte in Würde leben können mit Essen, Kleidung und gesunder Unterbringung sowie Wahlmöglichkeit für das eigene Leben, Aufbau einer Familie, Arbeit und Religionsausübung in Frieden. Johannes Paul II hatte sich, wie ja schon deutlich wurde, vielfach zum Thema geäußert und dabei auch die Würde des Menschen und die brüderliche Einheit betont, die als Zielvorstellungen für den Menschen noch weit über die Vervielfachung materieller Produktion hinausgingen. Die irdischen Güter seien für die gesamte menschliche Familie und könnten nicht das Privileg eines Einzelnen sein, während andere nicht einmal die Hoffnung auf das Allernötigste für ein würdevolles Leben hätten. Es sei von daher nötig, die Menschen über ihre Begrenztheit und eventuelle Folgen von Industrie aufzuklären. Die reichen Industrienationen widersprächen in einigen grundlegenden Angelegenheiten der Lehre der Kirche und dem Gesetz von Liebe und Gerechtigkeit, das diese Kirche von Anfang an vertrete. Der Mensch habe die Gebote des Schöpfers zu respektieren, sonst wachse automatisch die Gier nach Gewinn und Macht, um anderen seinen Willen aufzwingen zu können. Doch Umkehr sei jederzeit möglich. Solidarität wird als christliche Tugend gesehen, die aus freien Stücken im Licht von Glauben, Vergebung und Versöhnung Gerechtigkeit schafft. Es sollten allerdings auch wirtschaftliche Regelungen geändert werden, die Gier, Anhäufen von Geld und Besitztümern und Verschwendung beförderten. Ein spezieller Problempunkt: Rüstungsausgaben Ein eigener Abschnitt ist des Referats ist den Rüstungsausgaben gewidmet, die sozusagen doppelte Zerstörung anrichten: Zunächst kosten sie Geld, das besser anders ausgegeben würde, dann zerstören sie auch noch Existenzen direkt. Zusammengefasst: „If man adhered to the teachings of the Creator and behaved ­according to His will and partook the morsel of life and the surplus of his need with others, if the North cooperated with the South, if humans cooperated with

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one another and spread science and culture especially among women, if they were content with their need and avoided the surplus which has become a burden on them and if they were committed to recycle and use materials several times instead of transforming them to garbage and neglecting them and making of their disposal a burden on people, if they stopped manufacturing the instruments of war, destruction and fighting, if they partook the yield and production of the earth, gift of God to all mankind, human society would alienate the specter of destruction from this planet, and the human society would become as God wanted it, a peaceful welfare society.“149 7.5.3.4. Der muslimische Kommentar: Übereinstimmungen wieder anders Wieder, wie so oft bei diesem Thema, sieht der Autor der Entgegnung große und grundlegende Übereinstimmungen, hier schon davon ausgehend, wie Gott die Menschen geschaffen hat: „In many instances Mr. Anis Mouashir starts from entrenched human principles, uncontested by none of the human race, regardless of their positions of their religious beliefs. From the totality of these principles comes the love of peace, the love of others, justice in the distribution of wealth (of which the resources of the earth are part), the love of helping those in need and the poor, and the maintenance and conservation of the comprehensive environmental balance. Such principles represent the innate disposition of mankind, the moral constitution that Allah (God) created man upon.“150 Betont wird dabei die Wohlfreiheit, die Gott dem Menschen gegeben habe zwischen Gut und Böse, Dankbarkeit oder Untreue. Das sei das Kennzeichen, das den Menschen von den anderen Geschöpfen Gottes unterscheide. Auch der Grundansatz bzgl. einer gerechten Verteilung der Güter und dem Verhältnis zu den Armen sei gleich, wobei die Aussagen zu arm und reich im Islam doch nicht so ganz klar und eindeutig zu sein scheinen. Einerseits wird betont, dass es am Anfang weder Arme noch Reiche gegeben habe, andererseits wird gesagt, Gott habe die Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und unterschiedlichem Reichtum geschaffen als Zeichen des irdischen Pluralismus, aber er habe Gerechtigkeit befohlen als eine der Prüfungen für den Menschen. Hier liegt eine gewisse Spannung, die wohl nicht aufzulösen ist. Was das Verhalten gegenüber der Umwelt angeht, so sieht er wieder grundsätzliche Übereinstimmungen, mit einem großen Unterschied: Es werde aus dem christlichen Vortrag nie ganz klar, über welche Mechanismen die nötige Umverteilung laufen sollte. Das sei im Islam ganz klar und einfach geregelt 149 Ib., p. 165, s.a. p. 151–164. 150 Hani, Abdul Razak Bani, A Muslim Commentary on Dr. Muasher’s Paper, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 167.

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durch Almosensteuer, Wohltätigkeit und Nutzung der Ressourcen der Erde und außerdem habe der Staat die Möglichkeit, die Durchsetzung der guten Prinzipien zu garantieren. Hier ist wieder der Unterschied im Grundkonzept der beiden Religionen bzgl. des Grades, in dem menschliches Leben geregelt werden sollte (obwohl auch die Entgegnung betont, dass Muslime das selbstverständlich alle aus Überzeugung täten und nicht unter Zwang) oder eben nicht. Die Entgegnung endet mit einer letzten und etwas abrupten Übereinstimmung, die der Redner glaubt feststellen zu können: „This excessive waste in production and consumption of resources and products is pushing our natural resources to their limits. This flow/typhoon cannot be stopped except when mankind gives up its Darwinism, and undoubtedly this is where Islam and Christianity meet again.“151 Es könnte sein, dass es bis zu einem gewissen Grad geht wie umgekehrt bei der letzten christlichen Entgegnung, dass nämlich der Wunsch Vater des Gedankens, sprich der gesehenen Übereinstimmung, ist.

7.5.4. Kronprinz Hassan von Jordanien: ein sehr ausgewogener Vortrag Ein besonderer Höhepunkt war die öffentliche Vorlesung zum Thema Islam und Umwelt, die S. K. H. der jordanische Kronprinz an der Gregoriana gab. Auch er betonte, dass der Islam viel zum richtigen Verhältnis des Menschen zur Umwelt zu sagen habe und erwähnte dabei das Konzept der Statthalterschaft und der damit verbundenen Verantwortung des Menschen, die Gier, Verschwendung und Verschmutzung ablehnt. Auch er sah die Rolle der Aufklärung und des von ihr ausgelösten Aufschwungs der Wissenschaft und dem damit verbundenen Fortschritt und der damit verbundenen Umweltzerstörung kritisch, allerdings nicht in so absoluter Form wie der eben erwähnte Redner. Er sah auch die Rolle des Islam bei der Bewahrung der Natur nicht so glorreich wie viele der anderen muslimischen Darstellungen, sondern anerkannte, dass auch ganz andere Umstände dabei mitgespielt hätten: „The little share that Muslims have had so far in spoiling the earth has been due to the prevalent underdevelopment of the Muslim countries rather than the contrary. The fact that much of the Muslim world remains preindustrial in character, (sic!) has helped preserve much of the environment, but for how long? As a Muslim in a position of responsibility, I fear the consequences of development as much as I am aware of its urgent need.“152 151 Ib., p. 171, s.a. p. 168–170. 152 His Royal Highness Crown Prince El Hassan Bin Talal of the Hashemite Kingdom of Jordan, Islam and Environment, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p.174, s.a. p. 175–178.

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Schnelle Entwicklungen auf diesem Gebiet hätten, das habe die Vergangenheit gezeigt, zu Umweltbelastung und menschlicher Entfremdung geführt. Ein Umdenken in den Industrieländern sei nötig, auch ein Transfer von Umwelttechnologie. Entscheidend werde wohl die Energiefrage sein. Sehr anerkennend äußerte er sich zu der Ansprache von Papst Johannes Paul II vor den Vereinten Nationen, wo dieser betont habe, dass jede menschliche Kultur danach trachte, die grundlegenden Fragen des Seins zu beantworten und dafür Anerkennung und Respekt verdiene. Auch Kronprinz Hassan betonte die vielen Prinzipien und Werte, die Christen und Muslime gemeinsam hätten, und dass diese menschlichen Werte der Schlüssel zum Umweltproblem seien. Dies kann sicher auch als gutes Schlusswort der gesamten Tagung gelten.

7.5.5. Am Ende: wenig Theologie, viele praktische Empfehlungen In den offiziellen Empfehlungen einigte man sich darauf, dass Gott die Erde zum Wohl aller geschaffen habe und dass sie immer noch genügend Ressourcen habe, um alle Menschen zu ernähren, auch wenn in einigen Ländern weniger produziert werde, um die Preise stabil zu halten, während die Bewohner anderer Länder nicht genug zu essen hätten. Das führt zu dem gemeinsamen Appell, dass alle Arten von Ressourcen, erneuerbare wie nicht erneuerbare, vernünftig und verantwortlich genutzt werden sollten und man einen entsprechenden Lebensstil fördern sollte. Christen wie Muslime sollten sich als Einzelne und als Gemeinschaft dafür einsetzen. Nahrungsmittelproduzenten, v. a. Bauern, sollten ermutigt werden, umweltverträglich und ethisch korrekt Nahrung für die Bedürfnisse aller Menschen zu produzieren. Noch ungenutztes Land sollte mit Mitteln aus religiösen Stiftungen nutzbar gemacht werden und politisch sollten alle Völker Zugang zu den lebensnotwendigen natürlichen Ressourcen bekommen, um einen Mindestlebensstandard zu sichern, alles andere sei unmoralisch. Was Umweltschutz generell angeht, so wird er als Sache der Zusammenarbeit bis hin zum internationalen Niveau gesehen, v. a. müssten die Regierungen die Industrie und die korrekte Entsorgung von gefährlichen Abfällen kontrollieren. Immense natürliche und v. a. menschliche Ressourcen würden durch Krieg und Gewalt zerstört, weshalb man sich strikt dagegen aussprach. Waffenproduktion und -verkauf sollten zugunsten von Entwicklung eingeschränkt werden und auf Dialog zur gerechten und friedlichen Konfliktlösung gesetzt werden. Die gegenseitige Abhängigkeit in der Welt wurde als positiv gesehen, sie spiegle die Einheit der menschlichen Rasse, wie sie der Schöpfer gewollt habe. Allerdings sollten die entwickelten Länder ihre finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer nicht an die Einführung von Familienformen knüpfen, die nicht mit Gottes Willen für die Menschheit übereinstimmten, oder mit der Annahme von Regierungsformen, die ihren Traditionen fremd seien. Auch über die Preise von Rohmaterialien und die Verwendung der Gelder dafür sollten die Länder selbst bestimmen können.

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Auch auf die Problematik des Kolonialismus wurde eingegangen u. a. dahin gehend, dass zum Ende des Jahrhunderts doch ein kompletter oder weitgehender Schuldenerlass erfolgen sollte, unter Berücksichtigung der Idee, dass im Gegenzug dazu Land als Naturreservat ausgewiesen wird. Schließlich, und das betrifft den Menschen wieder direkter, wird auf die Pflicht der politischen Führer der Entwicklungsländer hingewiesen, die richtigen Prioritäten zu setzen, die vorhandenen Mittel und Ressourcen weise einzusetzen, Korruption auf allen Ebenen zu bekämpfen und selbst ein Beispiel an Ehrenhaftigkeit und Effizienz, verbunden mit echter Vaterlandsliebe, zu geben. Wieder einmal wird auf die Wichtigkeit von Erziehung hingewiesen, die, in Anlehnung an Formulierungen der UNESCO, auf Respekt vor der Natur, der Würde des Menschen sowie der Zukunft basiere und auf dem Willen, eine Lebensqualität zu schaffen, die allen in partizipatorischer Weise offen sei. Das beginne bei den Eltern, v. a. bei den Müttern, die für solche Fragen oft sensibler seien und daher ihre Kinder eher entsprechend beeinflussen könnten, und laufe durch alle Stufen formaler Erziehung, schließe aber auch private Vereinigungen, religiöse Institutionen, die Medien und die Regierungen mit ein. Gerade Letztere hätten wichtige Aufgaben der Bewusstseinsbildung bzw. der Bereitstellung der Mittel dafür.153 Nutzung von Ressourcen ist insgesamt ein Thema, bei dem der Mensch als solcher von seiner Verantwortung her im Mittelpunkt steht, von seiner Einbindung in die Gesamtheit der menschlichen Familie und der Schöpfung als ganzer aber gleichzeitig zurücktritt. Das gilt es letztlich anzuerkennen und v. a. auch konkret in die Tat umszusetzen und dies ist auch ein wichtiger Aspekt für eine christliche wie islamische Anthropologie des beginnenden 21. Jahrhunderts. Die nächste Konferenz, so beschloss man, sollte Ende 1997 in Amman stattfinden und sich mit dem Thema Menschenwürde als solchem beschäftigen.

7.6. Die vorläufig letzte Dialogkonferenz – Amman 1997 Diese sechste und zumindest vorläufig letzte gemeinsame Konferenz fand vom 3­ .–4.12.1997 in Amman statt zum Thema Menschenwürde in Christentum und Islam. Drei Aspekte dieses umfangreichen Themas wurden aufgegriffen: das Konzept der Menschenwürde, ein historischer Überblick über christliche und muslimische Haltungen zur Menschenwürde und schließlich Perspektiven.154 (Was 153 S. Christian-Muslim Colloquium on Religion and the Use of the Earth’s Resources (Rome, 18–20 April 1996), Islamochristiana 22 (1996), p. 231–233 oder Recommendations, in: Religion and the Use of the Earth’s Resources, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1996, p. 181–183. 154 S. Akasheh, Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, p. 215. Interessant ist vielleicht auch, dass man diese Dialogtagung nutzte, um auch gleich ein Treffen

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diese Tagungen, wie schon erwähnt, generell positiv heraushebt, ist die Tatsache, dass sie publiziert werden, in englischer und arabischer Sprache, und so auch einem weiteren Publikum zugänglich sind und mehr Nachwirkungen haben können.) Allerdings wurde die Tagung zu Kultur und Religion in der Gesellschaft, die für den 2. bis 4.7.2001 in Rom schon geplant war, von der muslimischen Seite abgesagt mit der Begründung, es habe Änderungen in der Leitung und der Politik der Stiftung gegeben.155 Das ist schon allein deshalb bedauerlich, weil die gemeinsamen Tagungen mit der Al-Albait-Stiftung die einzigen waren, die in immerhin sechs Tagungsbänden dokumentiert vorliegen und es somit erlauben, den Gang der Gespräche von 1989 bis 1997, also über fast zehn Jahre, relativ umfangreich und gleichzeitig einfach zu verfolgen.

der regionalen Mitglieder und Berater abzuhalten, so Akasheh, Khaled, Amman-Jordanie: Réunion des Membres et des Consultuers du Moyen Orient et du Nord de l’Afrique, 30 novembre–2 décembre 1997, p. 337 f. In der Diskussion tauchte wieder das altbekannte Thema der fehlenden Reziprozität auf, v. a. was Gewissens-, Religions- und Zeugnisfreiheit angeht. Eigentlich gingen die Hauptreferate aber um Spiritualität im Dialog, wobei einige interessante Gedanken auftauchten. So bei Couvreur, Gilles, Spiritualité du Dialogue dans un Contexte Pluraliste, BPCDIR 99 (1998), p. 324 auf dem Hintergrund der französischen Erfahrungen die Bestätigung, es gebe ein Band zwischen dem Glauben an Gott und dem Zusammentreffen mit dem Armen. Das Engagement für Gerechtigkeit sei nicht einfach fakultativ für jemanden, der an Gott glaube. Die Auswirkungen können sehr konkret sein: „Les enjeux sont importants pour l’avenir: les jeunes musulmans des banlieues seront-ils les seuls à dénoncer l’exclusion dont ils sont victies? Ne risquent-ils pas, alors, d’être conduits à nommer ‚Société occidentale‘ la source de leurs maux et de rêver à une contre-société qui serait un état islamique?“ Sabbah, Michel, Spiritualité dans un milieu arabo-musulman, BPCDIR 99 (1998), p.  312–316 ist dagegen mehr von einer schon fast islamischen christlichen Spiritualität geprägt, auch wenn auch bei ihm die Frage nach Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit auftaucht mit dem weisen Zusatz, deren Definition sei an die großen Interessen der Völker und ihrer Mächtigen und an die verschiedenen Weltsichten geknüpft. Eine andere Spitzenaussage ist (p. 314): „Accepter l’autre dans sa différence, c’est reconnaître la dignité de tout être humain et sa vocation à la vérité de Dieu. Dans le Christ, il y a la plénitude de la divinité. Tout être humain est en voie vers cette plénitude, mais selon la grâce que Dieu lui donne.“ Bemerkenswert ist, dass von katholischer Seite schon sehr früh (1976) die gemeinsame Vorstellung von der Menschenwürde als besonderer Grund für die besondere Wichtigkeit christlich-muslimischer Dialoge genannt wurde, so Report on Mgr. Rossano’s Journey in South-East Asia, p. 56: „To which I answered that I believe that the dialogue between Islam and Christianity is the urgent task of the years ahead because their prophetic and historical monotheism offers the most solid spiritual guarantee for the dignity of Man, his inviolability, sacral character, equality and liberty against the impending menace of materialism, of totalitarianism and of technocracy.“ 155 Nach Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 107.

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7.6.1. Die Grußworte Die Veränderung zeichnete sich allerdings bei der letzten Konferenz bereits ab, waren doch die drei Grußworte zu Beginn (von den Leitern der beiden Institutionen und von Kronprinz Hassan von Jordanien selbst) weniger vom Thema Menschenwürde direkt geprägt als vielmehr von der Frage, was man mit diesen Dialogkonferenzen wollte und inwiefern man es erreichen konnte. 7.6.1.1. Kronprinz Hassan von Jordanien: Was es bisher noch nicht gibt So betonte Kronprinz Hassan, man sei nicht hier, um ein internationales Ethos zu befördern (was vielleicht die Identiät des Einzelnen gefährden könnte), sondern um miteinander am einem gemeinsamen Kodex menschlichen Verhaltens zu bauen. Konkreter noch: „We assemble in the spirit of convenience to speak to each other to identify what ­aspects of tradition are relevant to each other while retaining our particular identity. In the context of the rules of conduct discussed in the interfaith meeting, in one of the working groups’ proposals the following attracted my attention: firstly, the importance of emphasising the association between theology and practicality – to begin with commonality; to take into account the Enlightenment tradition; to embrace the principle of ‚No Coercion’; to uphold the right to proclaim one’s own religion; to reconsider the contempt of education. (…) May I entreat you all to be courageous in looking afresh at first our own, and secondly each other’s texts, heritage and history  – to develop  a framework for disagreement. If we claim to be living, at the end of this millenium and the beginning of the new century, according to civilised norms – let us develop a respectful framework for disagreement. To accept responsibility for words and for actions at all levels, and (…) to recognise the political and economic dimensions of interfaith dialogue. (…)/p. 8 (…) I think it is crucially important not to allow our value system to be trammelled, tainted and misused by vested interests, whether those vested interests are concerned with the selling and buying of weapons or concerned with the selling and buying of people’s human dignity.“156

Was konkret die Frage des Rechts auf Menschenwürde angeht, und zwar unabhängig von der sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Position, so ist er der Überzeugung, dass Islam und Christentum hierin völlig übereinstimmen würden, mit Unterschieden nur darin, wie diese Tatsache theologisch ausgedrückt werde, wobei die Basis wieder dieselbe sei, nämlich das Interesse Gottes am Menschen, das uns das liebende Interesse an unserem Nächsten und der ganzen Menschheit vorschreibt. Im Christentum lässt sich das auf die Formel des 156 Prince el Hassan bin Talal, Inaugural Address, in: Human Dignity, Acts of  a MuslimChristian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 7/8, s.a. p. 5 f.9 f.

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Liebesgebotes bringen, während die islamische Theologie die Erschaffung des Menschen als freies Wesen, fähig zu unabhängigen Entscheidungen, betont, Voraussetzung für die Aufgabe als Statthalter Gottes. Rangunterschiede zwischen den Menschen seien dabei sozusagen ein göttlicher Test für die Menschen. Zur Statthalterschaft gehöre es nämlich, die Menschen gerecht und gleich zu behandeln und nicht etwa die Schwächeren zu unterdrücken. Die Sache der Schwachen und Unterdrückten werde mit der Sache Gottes gleichgesetzt, und zwar in Bibel und Koran. In diesem Zusammenhang machte Kronprinz Hassan darauf aufmerksam, dass alle Gesetze, die Flüchtlinge betreffen, mit dem Kriegsrecht zusammenhängen und es gar kein Friedensrecht gibt, also eigentlich keinen Verhaltenskodex nach einem Konflikt, dass es nur Menschenrechte gibt, aber (noch) nirgendwo einen Kodex von menschlichen Verpflichtungen und wie man konkret und situationsbezogen Frieden schaffen sollte, sozusagen eine real existierende, aber sehr traurige Ironie und ein Denkanstoß von seiner Seite für die konkrete Zukunft des Menschen und der menschlichen Würde, wie er bei aller theologischen Fundierung doch v. a. auf die konkrete und schnelle Umsetzung Wert und Nachdruck legt. Der Präsident der jordanischen Stiftung ergänzte die Ausführungen zur Menschenwürde noch um den Gedanken, dass Gott das Töten eines Menschen verboten und mit dem Töten eines ganzen Volkes gleichgesetzt habe, befasste sich ansonsten aber auch mehr mit Fragen von Dialog an sich. 7.6.1.2. Kardinal Arinze: Gottes Rechte widersprechen Menschenrechten nicht Kardinal Arinze suchte zwar Anknüpfungspunkte an frühere Dialoge, so gerade an den zur Frage nach den Rechten der Kinder, aber ansonsten eher eine Kurzzusammenfassung dessen gab, was von christlicher Seite zum Thema Menschenwürde gesagt werden kann. Vielleicht deutet sich in diesen unterschiedlichen Betonungen schon an, dass die jordanische Seite, nach einer Reihe von Dialogen auch mit anderen christlichen Denominationen, nun doch eine etwas andere Arbeitsform sucht. Die knappen und prägnanten Formulierungen Kardinal Arinzes sind jedenfalls der Erwähnung wert: „Human dignity is therefore an honour which comes from the fact of being man. It is God’s gift. It is not a concession coming from other human beings, or associations or the State. It is part and parcel of being human, whether that human being be learned or unlettered, rich or poor, healthy or sick, young or old. This dignity is the foundation of the right of every human being to life, to freedom of religion to work, to possession of property, to self expression and to the founding of a family. (…) Human dignity carries with it corresponding responsibilities. The human being has the duty to know God and to worship him. Every human being should recognize and respect the dignity of other human beings and their rights. This recognition begins in the family and extends to the whole of one’s country and indeed to the world. (…) When

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human dignity is properly recognized and respected, God is honoured. The rights of man are in no way opposed to the rights of God. It is /p. 17 God who gave man all the rights that he or she has. When we respect our fellow human beings, we are giving glory to God who created them.“157

Es ist erkennbar, dass dies nicht nur einfach eine christliche Begründung und Formulierung von Menschenwürde ist, sondern dass es eine solche im Gegenüber zum Islam ist, v. a. an der Stelle, an der sie menschliche und göttliche Rechte eindeutig positiv zueinander in Beziehung setzt, während sie, wenn es um die UN-Menschenrechtskonvention und deren Reichweite und Gültigkeit geht, von islamischer Seite gerne gegeneinander ausgespielt werden in dem Sinn, dass sie eben doch nicht deckungs­ gleich seien und dann selbstverständlich die Rechte Gottes den Vorrang hätten.

7.6.2. Die Grundlinien der Menschenwürde 7.6.2.1. Drei vehemente Abgrenzungen von muslimischer Seite Erst danach ging es an die eigentlichen Hauptreferate, die die vorab skizzierten Grundlinien noch weiter ausbauten und untermauerten. Von islamischer Seite (Ammar El-Talebi) ist der Ausgangspunkt zunächst, dass der Mensch überhaupt nur existiert, weil Gott ihm seinen Atem eingehaucht hat, wobei die daraus resultierende menschliche Seele als selbstevident betrachtet wird. Dann aber kristallisiert sich im Lauf einer ausführlichen sprachlichen Untersuchung der Verwen 157 Arinze, Francis, Inaugural Address, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 16/17, s.a. p. 15; vgl. a. El-Assad, Nassir El-Din, Inaugural Address, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 13, interessanter sind aber fast die grundsätzlichen Erwägungen zu den Dialogen p. 11/12: „The aim was quite obvious to us from the start, namely, to organize symposiums for  a cultural civilizational interlocution that embraces the value syste and social issues as seen by the faithful followers of both religions in order to make known such values and issues and propagate knowledge through the attitude of both faiths towards them. Other aims include discernment of contemporary challenges that face the followers of these two religions in those topics and an attempt to have a future envisionment of how to deal with them, and to coordinate and cooperate to make this envisionment materialize as much as possible. We all know that these aims involve correction of the image of each party in the eyes of the other. /p. 12 (…) The principle of matchability and equivalence, it must be said, between the two parties has been achieved without requiring direct verbal statements. It has been achieved in practice by the very holding and frequency of these meetings. Had it not been for that, meetings would not have been held in such frequency while ideas, information and experience would not have been so actively exchanged. Reasons why these two points have been so clearly and emphatically underlined include avoidance of discussing issues of doctrine and worship, keeping away from missionary and preaching practices and restriction of dialogue to social values and matters that concern both Muslim and Christian sides“.

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dung von Würde und verwandter Begriffe (Wurzel karam – was eigentlich mit vornehmer Abstammung zu tun hat und beispielsweise auch für Pferde, Kamele und Bäume verwendet werden kann) im Koran heraus, dass diese Seele sehr stark verbunden ist mit dem Wissen, das den Menschen dazu befähigt, Gottes Statthalter zu sein, aber auch mit dem korrekten, frommen Verhalten, was schlussendlich auf islamisches Recht hinausläuft. Dies führt wiederum (was ja inzwischen nicht mehr neu ist) zu langen Ausführungen, dass im Islam keine Trennung und schon gar kein Konflikt zwischen Mensch und Natur existiert und dass es im Gegenteil einen tiefen Zusammenhang zwischen Glauben und Vernunft gibt, die Anerkennung Gottes dem Menschen quasi angeboren oder vielmehr anerschaffen ist. Richtig verstandene Wissenschaft liegt in der Natur fitra des Menschen und ist sogar das Geheimnis seiner Würde und Überlegenheit über die anderen Geschöpfe. Fast interessanter als diese größtenteils geläufigen positiven Formulierungen sind die damit verbundenen negativen Abgrenzungen: Die erste richtet sich gegen die Evolutionstheorie, und zwar im Namen aller monoheistischen Religionen, die doch schon alles über Ursprung, Natur, Aufstieg, Platz, Zweck und Bestimmung des Menschen gesagt hätten. Alle seien sich darüber einig, dass der Mensch von den anderen Lebewesen unterschieden sei und über ihnen stehe. Hier kommen eben vor allem seine vernünftige Seele und seine Intelligenz zum Tragen, aber auch mehr körperliche Elemente wie Sprache, Arbeit und aufrechter Gang und schließlich das wahre Wissen, das Gott ihn und nur ihn gelehrt hat (Sure 2,31). Auch der freie Wille spielt mit hinein, ohne den es keine Verantwortung gebe, wobei der Koran gleichzeitig sehr den dienenden Status des Menschen betone. Leben und Besitz des Menschen seien sakrosankt (s. o.). Die zweite klare Abgrenzung richtet sich gegen die Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Es gibt eine Überlieferung Mohammeds, dass Gott Adam nach seinem Ebenbild geschaffen habe: Dies sei aber ein metaphorischer Ausdruck dafür, dass Gott dem Menschen seinen Geist eingehaucht habe, also Intellekt und Zugang zu Wissen gegeben habe (s. o.) und noch andere Eigenschaften, v. a. Willenskraft, die Gott absolut und der Mensch nur relativ besitze und andere Lebewesen eben übrhaupt nicht. Außerdem sei das ‚sein‘ vor Ebenbild am sinnvollsten auf Adam selbst zu beziehen in dem Sinn, dass alle Menschen ihm ähnelten. Auch Genesis 1,27 sei von christlichen und jüdischen Philosophen metaphorisch verstanden worden, wobei er konkrete Belege dafür schuldig bleibt. Die letzte sehr starke Abgrenzung ist die vom Westen, der Mensch und Natur ganz anders sehe und sich an Gottes Stelle setze. Weil im Islam alle Bereiche des Wissens völlig mit dem Prinzip des Monotheismus verbunden seien, hätten muslimische Länder die rein materialistische Wissenschaft des Westens abgelehnt. Sein Gang durch die europäische Geistesgeschichte läuft darauf hinaus, dass praktisch nichts und niemand so ausgewogen war wie der Islam und fast sämtliche muslimischen Gelehrten. Nach der westlichen Wissenschaft habe der Mensch einen hoffnungslos schlechten Platz. Um also seine Menschlichkeit und Würde wieder zu gewinnen, sollte der Mensch

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also als Erstes die Welt und die Wissenschaft von ihrem Bruch mit Gott retten, es sei höchste Zeit dazu. 7.6.2.2. Entgegnung von christlicher Seite Die christliche Entgegnung (Roman Stäger) stimmt dem zu, dass in der Tat viele in der westlichen Welt die Abhängigkeit des Geschöpfes vom Schöpfer geleugnet hätten, stellt aber die kritische Frage, inwieweit die genannten Geistesgrößen (u. a. Nietzsche und Freud) als Vertreter des Christentums gelten könnten. Auch sieht er eine gewisse Engführung auf die Dimension des Wissens als Basis für die Würde des Menschen, die andere Dinge wie menschliche Beziehungen, Mitleid etc. ausblende. Der Bedeutung des Tötungsverbotes kann er nur zustimmen, fragt aber kristisch nach den (fehlenden) praktischen Konsequenzen: „This seems to be a very modern statement not only in relation with preservation of nature, but more important with events in Algeria, Egypt, Somalia, Burundi, Bosnia, etc., as Christians as well as Muslims are concerned. If thus violence /p. 38 kills human dignity in how far has any conquest of power in the name of a religion, whatever its name is, the right to exist? And in how far has modern science the right to experimentation, in modern technology, in biotechnics?“158 Hiermit sind schon wichtige Fragen gestellt, die alles andere als einfach zu beantworten sind. 7.6.2.3. Menschenwürde und Menschenrechte – nicht abhängig vom Christentum Das christliche Grundsatzpapier zur Menschenwürde, gehalten von Ignazio Sanna, Professor an der Lateran-Universität, fiel – auch im Rahmen der bisherigen christlichen Ausführungen  – durch seine ausgesprochen christologische Orientierung auf, die auch die schöpfungstheologischen Aussagen strikt christologisch interpretierte, ja geradezu der Christologie unterordnete. Zunächst aber unterzog er sich – was ihm durchaus von muslimischer Seite hoch angerechnet wurde – der Aufgabe, die verschiedene Quellen des Konzeptes von Menschenwürde und Menschenrechten auseinanderzudividieren und in ihrem historischen Zusammen- oder auch Gegenspiel zu erläutern. Neben der christlichen Ethik seien auch Gedanken der klassischen, also griechischen Philosophie und des europäischen Humanismus eingeflossen. Der Beitrag der christlichen Botschaft bestand aus zwei miteinander verbundenen Ideen: der natürlichen Gleich 158 Stäger, Roman, The Concept of Human Dignity According to Islam, A Christian Comment, in: Human Dignity, Acts of  a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 37/38, ferner El-­ Talebi, Ammar, The Concept of Human Dignity According to Islam, A Christian Comment, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 21–36.

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heit aller Menschen und der Idee, dass für Gott jedes Individuum die Würde der gesamten Menschheit verkörpert. Es habe allerdings eine Art Säkularisierung des religiösen Verständnisses von menschlicher Würde stattgefunden. Dabei gebe es aber zwischen den genannten Beiträgen unterschiedlichen Hintergrunds eine substantielle Übereinstimmung über wichtige anthropologische Grundsätze. Allerdings habe es immer schon verschiedene Konzepte der Menschenrechte gegeben, sodass bereits bei der Annahme der Universalen Menschenrechtserklärung 1948 jemand sagte, man stimme darin überein, aber unter der Vorbedingung, dass niemand nach dem Warum frage (schon damals hielt man sie offensichtlich für „rather Western and generally middle class“159). Sanna hielt diese Weigerung, sich auf eine gemeinsame Rechtfertigung von Menschenrechten und Menschenwürde einzulassen allerdings für einen gefährlichen Mangel bezüglich ihrer tatsächlichen Gültigkeit. Ihre konkrete Realisierung setze eben doch einen gemeinsamen Glauben an ihre universale und absolute Gültigkeit voraus und so werde ihre Begründung zur absoluten Voraussetzung ihrer Realisierung. Er sieht eine sozusagen natürliche Begründung der Menschenrechte: „[T]he concept of human dignity does not depend in a particular or indeed exclusive manner on any one historical cultural movement which may have left its mark on modern culture. Instead, like the modern ethos of human rights in general it is still compatible with all the philosophico-religious bases which have in some way contributed to its formation. The personal dignity of man and his specific natural vitality can be recognized without any need to resort to God or to have recourse to the answer given to this question by a historical revealed religion like Christianity. This dignity is already founded on the original parity of all members of a community based on the rule of law, and founded as well on man’s experience of himself as a moral being, even before being rooted (…) in a specifically theological basis. If one makes a distinction between the historical genesis and the normative /p. 42 validity of a particular reality, and one applies this distinction to the relation between Christianity and the modern ethos of human rights, one can affirm that the idea of human dignity, which is the basis of our democratic culture, has definitively been decisively influenced by Christianity, but this historical influence does not establish a permanent systematic dependence, in the sense that accepting this idea should somehow bind one to the intellectual assumptions of the Christian faith. From the point of view of  a pluralistic society, this means 159 Sanna, Ignazio, The Dignity of Man, A Christian Perspective, in: Human Dignity, Acts of  a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 37/38, ferner El-Talebi, Ammar, The Concept of Human Dignity According to Islam, A Christian Comment, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 40, s.a. p. 39.

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that the idea of human dignity, even though its roots are embedded in a religious vision of life, is part of the undeniable core of a rational natural ethos that lays claim to universal recognition. On the other hand, the idea of man as ‚corresponding to God‘, a modern translation of the biblical and patristic theme of the ‚image of God‘, is, in the final analysis, present in the heritage of religion generally and can be accepted also within purely rational and philosophical vision of man, because the starting point of the experience of the sacred and of a consequent anthropological concept based on it is common to all people from all civilizations and cultures, whereas the conceptualization of this experience can develop in diverse ways and reach different destinations, according to whether the conceptualization takes place within an immanentist or a transcendent vision of reality. The West has contributed to the formation of this natural ethos, for example, by promoting the understanding that the human body belongs to the individual and is not to be manipulated by anyone, neither by the State, nor by the Emperor nor by any charismatic leader“160. Die Lehre von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen wird also ausdrücklich inklusiv gesehen, sie schließt andere religiöse oder kulturelle Rechtfertigungen der grundsätzlichen Würde des Menschen nicht aus. Christliche Begründung der Menschenrechte – die langen Anfänge Umgekehrt ist aber die theologische Begründung der Menschenrechte auch nicht einfach ein Überbau, der den modernen Menschenrechten übergestülpt wird. Hier setzt die theologische und v. a. christologische Argumentation ein. Die letzte Begründung für die Würde des Menschen liege darin, dass er nach Eph. 2,18 und 2.  Petr. 1,4 Anteil habe an der Natur Gottes, in anderen Worten, sie liege in der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, die auch das Neue Testament aufgreife. Philosophisch ausgedrückt, basiert sie auf der Tatsache, dass der Mensch sich von Natur aus durch seinen Glauben an jemanden ausbildet und verwirklicht. Nicht das Schicksal und nicht die Kräfte der Evolution, sondern der Heilige Geist machten ihn zu einem lebendigen Wesen und zu seinem Selbstverständnis brauche er nicht den Kosmos, sondern Gott selbst: „Man is not a little cosmos, a microcosmos, but a little God.“161 Gedacht ist dabei besonders an die Intelligenz des Menschen, an sein Gewissen und an seine Freiheit. Es sei besonders die (indirekte) anthropologische Überzeugung von Johannes Paul II „that the Christian is the successfully realized person“162. Nur die Theologie führe zu einer korrekten Anthropologie, die den Menschen in seinen beiden Dimensionen und nicht nur in der biologischen erfasst. Aus diesem Grund sei es auch sinnlos zu fragen, wann ein Mensch anfange bzw. aufhöre, eine Person zu sein. Anfang und Ende verschwinden im ewigen Willen Gottes und sind einer historischen Defini 160 Ib., p. 41/42. 161 Ib., p. 43. 162 Ib., p. 44.

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tion durch die menschliche Wissenschaft entzogen. Der eigentliche Ursprung des Personenbegriffs sei also ein theologischer, mache das Personsein des Menschen am Personsein Gottes fest (hier zitiert er beispielsweise Albertus Magnus). Erst danach wurde der Personenbegriff schrittweise säkularisiert und von Philosophie und Recht besetzt. Da Gott den Menschen als Ziel und nicht als Mittel geschaffen habe, habe er einen absoluten Wert in sich, den Gott ihm gegeben habe und der von nichts sonst abhänge. Er sei einzigartig und unwiederholbar. Christus habe das bestätigt, indem er für jeden gestorben sei. Dieser Wert werde außerdem darin sichtbar, dass in der Liturgie die Taufe mit der Salbung verbunden worden sei, einem Ritual, das vorher Königen vorbehalten war. Hier wird auch die talmudische Aussage zitiert, dass die Tötung oder Rettung eines einzelnen Menschen wie die Tötung oder Rettung eines ganzen Volkes gewertet werde (eine Aussage, die ja auch die muslimische Tradition kennt und betont, s. o.). Dann wendet sich Sanna in seiner Argumentation dem christologischen Herzstück zu im Anschluss an die Aussage Tertullians, dass Gott an Christus als Modell gedacht habe, als er den Menschen erschuf. In Sannas Worten: „[I]n the actual order of the history of salvation, man was constituted a person from the very beginning because he was created in Christ, the perfect image of God. Hence he is not simply a being that is open to the transcendence of the mystery of God, but is instead, first of all, a Christocentric being because he is historically defined as person on account of his relationship to Christ.“163 Die eigentliche Würde des Menschen also sei es, in Christus eine Person zu sein. Seine Berufung und Aufgabe sei es, eine Person in Christus zu werden. Sanna geht dann noch auf das Geschaffensein als Mann und Frau ein, um auf den Menschen nicht nur als Individuum, sondern auch als soziales Wesen besonders hinzuweisen. Sie verweise auf die innertrinitarischen Beziehungen und das wiederum verweise darauf, dass soziale Beziehungen, die auf Besitz, Macht oder Privilegien aufgebaut seien, dem nicht entsprächen, sondern nur solche, die auf Gegenseitigkeit und innerer Bedeutung beruhten. Dann geht das Referat einen Schritt weiter zu den konkreten Beiträgen der Kirche zur Verteidigung der Menschenrechte. Die zeigt sich v. a. darin, dass der Mensch niemals die Kontrolle über menschliches Leben haben dürfe, auch nicht in Konfliktsituationen, weil er immer von Gottes unermesslicher Macht unterstützt werde und weil er vor Gott verantwortlich sei, ja ohne ihn überhaupt nicht wirklich wissen kann, wer er selbst ist. Dann geht Sanna kurz darauf ein, dass die katholische Kirche unter Pius VI, Gregor XVI und Pius IX den Menschenrechten sehr kritisch gegenüberstand, v. a. der Religionsfreiheit und den bürgerlichen Freiheiten, was auf die antikirchlichen Aspekte der Aufklärung zurückgeführt wird, die sich die Menschenrechte auf ihre Fahnen geschrieben hatte, und auf den individualistischen Kontext (dass hier Konvergenzen mit ganz typisch heutiger islamischer Kritik an den Menschenrechten bestehen, erwähnt er nicht). 163 Ib., p. 47.

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Katholische Kirche und Menschenrechte heute Erst Pius XII gab im Zusammenhang mit der Würde des Menschen auch eine Liste von Menschenrechten  – bezeichnenderweise in der Weihnachtsradioan­ sprache des Jahres 1942 – und wurde zu einer der einflussreichsten Figuren der neuen Ära, die zur Annahme der Universalen Menschenrechtserklärung durch die Vereinten Nationen führte. Konzil und Päpste nach ihm führten diese Linie weiter, besonders Johannes Paul II. Sanna sieht die kirchliche Arbeit als eine Schildwache der Menschlichkeit, die der Welt eine Anthropologie der Person biete, die die menschlichen Werte respektiere und offen für die Transzendenz sei. Letzteres wird besonders betont mit Blick auf die Entwicklungen der Moderne mit ihrer technologischen Rationalität, die nur noch die physische Realität sehe und so den Menschen erst zum Schöpfer und dann zu seinem eigenen Objekt gemacht habe. Dafür stehe beispielsweise die Gentechnik oder aber die Tatsache, dass es zwar eine höhere Lebenserwartung und eine gesunkene Kindersterblichkeit gibt, gleichzeitig aber die Einzigartigkeit des ungeborenen Kindes und des alten Menschen angesichts des Todes aus dem Gedächtnis gelöscht wurden. In Anlehnung an Johannes Paul II seien rationale Ethik und christliche Offenbarung nötig. Am Ende gibt Sanna nochmals eine Zusammenfassung seiner Gedanken zum Thema: „Human dignity, in itself, is not an absolute, since it is not connected to any quality or value that man possesses in himself, like his soul or his intelligence or his virtues, but derives from the fact that man is always considered on the basis of his relationship with God, a relationship that can either be positive or negative. Man is great not so much as God’s creature, but rather as His personal interlocutor, in freedom and love. His dignity does not consist exclusively in being the image of God, but in being His child, who shares, starting down here and continuing forever, in divine life. Man in God’s image is a manifestation and revelation of God in a role which surpasses all visible creation. Whereas other created things exist only as a result of a relationship of causal dependency on God and therefore manifest His power to the utmost, yet not His nature, man is a re­ flection of the mystery of God Himself, and in the profoundest essence of his spirit he renders visible who and how God is, i. e. pure person in perfect love and freedom is the only place in the visible world in which God is recognizable as personal spirit, because he indicates God not only in his existing, but also in his being such. The relative autonomy of the human spirit in the likeness of God is the highest form, although indeed still obscure, concealed and incomplete, of the natural revelation of God.“164 Dass dies weit über alles hinausgeht, was von christlicher Seite in den bisherigen Dialogen gesagt worden war, in denen man sich praktisch auf eine Auslegung der Genesistexte beschränkt hatte und Gottesebenbildlichkeit de facto relativ nah an das islamische Konzept der Statthalterschaft gerückt war, ist leicht erkennbar. 164 Ib., p. 52.

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Hier kommt die Theologie, die man doch bisher so entschieden und erfolgreich vermieden hatte, in Höchstform unter der ja auch genannten Vorgabe: ohne Theologie keine Anthropologie oder noch genauer – ohne Christologie keine Anthropologie. 7.6.2.4. Die muslimische Entgegnung: In der Praxis sind wir besser Es ist interessant und beispielhaft, die muslimische Antwort dazu zu lesen: Sie endet mit den Worten, dass er dem Vorredner an etlichen Punkten nicht zustimme, allerdings ohne noch genauer zu werden. Die theologische Kritik, die doch zu erwarten gewesen wäre, wird also nicht genannt und die Kritik bewegt sich auf der praktischen Ebene: „However, I wish that the writer fully explained to us the meaning of dignity and how the image of God was in man particularly with the regard to the relative and moral outlook. Mgr Sanna did not, either, show clearly how this dignity can be safeguarded within the international community while he did not condemn the violations perpetrated by strong powers against weak peoples. It would certainly have been better had he stated that Almighty God has called for liberation of all peoples without any discrimination. To mention Israel more than once is not without significance (…).“165 Man hat den Eindruck, hier hätten zwei aneinander vorbeigeredet, v. a. da Prof. Khayyat anschließend die Gelegenheit nutzt, um praktisch ein zweites Referat fast gleicher Länge zu halten des Tenors, wie das alles in Koran und Islam genau ausgesagt und geregelt sei, von der Erschaffung des Menschen in der besten Form, über dessen Ausstattung v. a. mit Verstand, seine erhabene Stellung über die Schöpfung, seine Statthalterschaft und schließlich die rechtlichen Regelungen, typischerweise belegt nicht mit theologischen Überlegungen, sondern mit direkten Koranzitaten, die alle belegen und beweisen, dass Gott den Menschen geehrt hat ohne Unterschiede nach Rasse, Hautfarbe oder Geschlecht zu machen. Dann werden die Regelungen des islamischen Rechts ausgeführt, mit besonderer, seitenlanger Betonung des humanen islamischen Kriegsrechts: Dabei wird, so scheint es, kein normativer Präzedenzfall ausgelassen. Originalton: „In order to safeguard human dignity, Islamic Shari’a (Canon Law) called for respecting man’s rights, and securing his liberties and banning any encroachment on these liberties at any time, unless such a person commits a punishable crime, in which case he will receive due punishment that deters him as well as others without any molestation done to his dignity, person and rights that are not related to the crime he has committed. Islam has guaranteed for man his dignity, liberty and belief.“166 Dies kann man als eine elegante Umschreibung für Strafen bezeichnen, die direkt in die körperliche Un 165 Khayyat, Abdul Aziz, A Muslim Comment, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 53. 166 ib., p. 57, s.a. p. 54–56.58–63.

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versehrtheit, ja sogar in das Leben des Menschen eingreifen. Dennoch: „Many are the rights secured and guaranteed for man by Islam at all times and places and under all circumstances.“167 Und was Unterdrückte angeht, so kommt er sogar zu dem Schluss: „In this outlook, Islam is a long distance ahead of the present human laws and conventions in defining humanity while they are, as a whole, in conformity with the Islamic humanitarian outlook.“168 Hier stehen in besonders ausgeprägter Weise Orthodoxie gegen Orthopraxie, verstärkt vermutlich durch einen guten Schuss Nahostkonflikt, und kommen zu keiner Kommunikation.

7.6.3. Menschenrechte historisch konkret 7.6.3.1. Menschenrechte im Christentum konkret umgesetzt Der nächste Durchgang war den konkreten historischen Ausformungen dieser Konzepte von Menschenwürde gewidmet und noch umfänglicher. Aus diesem Grund wurde das christliche Referat (gehalten übrigens von einem Laien, einem Ingenieur und Journalisten) nur in gekürzter Version wiedergegeben. Sein Ausgangspunkt war wiederum ein doppelter: einerseits die Zugänglichkeit der Menschenwürde für jeden, auch den ungläubigen Menschen, andererseits eben der speziell christliche Ansatz. Vielleicht ist ersterer sogar noch interessanter, da noch nicht so ausführlich behandelt bisher und im globalen Zusammenhang sogar noch entscheidender. George Ajaiby formuliert seine Überzeugung dazu gleich zu Beginn seiner Ausführungen so: „It is possible for every human being, be he a believer or an unbeliever, who is genuinely open to reality and good through the light of reason and internal action of bliss, to discover in the natural law inscribed in hearts the sacred value embedded in human life from its beginning and until it come to an end. He can also emphasize the sublime human dignity enjoyed by each and every human being. Undoubtedly respect of human life and dignity constitutes two mainstays that are indispensable for human coexistence and social stability of all communities.“169 Für einen Gläubigen dagegen sind alle Menschen unterschiedslos Kinder Gottes, der sie nach seinem Ebenbild geschaffen hat und sie über alles liebt. Deshalb sind sie alle Geschwister, ein Punkt, den das Christentum besonders betont, aber auch mit vielen anderen Religionen teilt. Der Glaube, dass Gott die Quelle der Menschheit sei, sei die größtmögliche Bestätigung der Menschenwürde und genau dies sei die biblische Sicht und Begründung der unveräußerlichen Menschenrechte für alle Menschen unabhängig der sonst zwischen ihnen bestehenden Unterschiede. Christus habe 167 Ib., p. 58. 168 Ib. p. 57. 169 Ajaiby, George, Attitude of Christians towards Human Dignity, A Historical Review, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 67, s.a. p. 68–79.

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das nochmals bestätigt und den Menschen sogar über religiöse Systeme (Sabbat) gestellt. Weder Christus noch die Apostel hätten daraus ein System und genaue Gesetze für eine bestimmte Form von Gesellschaft gemacht. Aber jede Gemeinschaft, die von Dauer sein wolle, organisiere sich schrittweise in Übereinstimmung mit ihrer Botschaft an die Welt. Als Botschaft und Auftrag der Kirche formuliert er, in sich selbst die Einheit der Menschheit jenseits von ethnischen, kulturellen, nationalen, sozialen und anderen Grenzen zu erreichen (eine andere Formulierung der Vorstellung von Kirche als Sakrament der Einheit aus dem Zweiten Vatikanum), als deren Ziel, die Perfektion des Einzelnen und der Menschheit als Ganzes zu erreichen. Indem sie das tue, fördere sie brüderliches Zusammenleben aller Völker und habe auch eine spezielle Form und einen speziellen Inhalt der Förderung der Menschenwürde herausgebildet, der am ehesten an den Heiligen und Märtyrern und anderen aufrechten Menschen sichtbar werde. Umsetzung der Menschenrechte durch die Kirchengeschichte Epochenweise arbeitet das Referat sich dann vor, beginnend mit den ersten drei Jahrhunderten des Christentums, die verständlicherweise nicht so leicht fassbar sind. Klar erscheint der Widerstand der Christen gegen bestimmte, dem Evangelium zuwiderlaufende Verhaltensweisen wie Verachtung des Lebens, Unzucht, Liebe von Luxus und Reichtum. Ausgeprägt war auch das Geben von Almosen, v. a. für Witwen und Waisen, sowie der Besuch und die Fürsorge für diejenigen Glaubensgeschwister, die im Gefängnis waren. Sklaverei wurde nicht abgelehnt, aber christliche Sklaven wurden als Geschwister gesehen und schlechte Behandlung von Sklaven abgelehnt und sogar kirchenintern bestraft. Freigelassene Sklaven konnten Priester und sogar Bischof werden. Mit der konstantinischen Wende änderten sich die Rahmenbedingungen völlig, was allerdings blieb und sich sogar noch auf die gesamte Gesellschaft ausweitete, war die Wohltätigkeit, die zur Sozialarbeit für alle wurde. Besonders taten sich dabei bereits die Klöster hervor. Die Kirche nahm auf Einfluss auf die Familiengesetzgebung: Fortan war Geschlechtsverkehr mit Sklavinnen verboten, ebenso Kindermord. Die Scheidung wurde erschwert, aber nicht gänzlich abgeschafft. Auch das Gefängniswesen wurde menschlicher gestaltet: Gefängnisaufseher durften Häftlinge nicht mehr verhungern lassen, außerdem mussten diese einmal am Tag ans Tageslicht gebracht werden. Der Besuch von Geistlichen im Gefängnis wurde offiziell erlaubt. Ein Verbot der Gladiatorenkämpfe allerdings fruchtete nicht viel und auch die Sklaverei wurde nach wie vor als unerlässlich für die Wirtschaft angesehen, auch wenn die Kirche sich weiterhin für die Verbesserung ihrer Lebenbedingungen einsetzte. Auch viele Kirchenväter nahmen zu solchen Fragen Stellung. Ihre Soziallehre könnte ungefähr so zusammengefasst werden: Soziale und wirtschaftliche Beziehungen haben sich den Kriterien der Gerechtigkeit und des Guten zu unterwerfen. Das öffentliche Interesse geht vor dem privaten Interesse (was ja

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auch schon als Grundsatz des islamischen Rechts begegnet war). Alle Menschen sind gleich, unabhängig von ihrem sozialen Status. Gott möchte, dass die Ungleichheit, die aus den natürlichen Unterschieden und der menschlichen Freiheit erwächst, durch die Entwicklung und das Wachsen sozialen Lebens ausgeglichen wird. Für den Dienst an anderen sollte man alles einsetzen. Was das Mittelalter angeht, so wurde zunächst betont, dass die Kirche überhaupt die einzige Institution war, die sich noch für das menschliche Wohlergehen einsetzen konnte und einsetzte, allen voran die Klöster und die Mönche als Verkörperung des christlichen Ideals. Doch habe es auch eine große Distanz zwischen evangelischem Ideal und gelebter Wirklichkeit der breiten Masse der Gläubigen gegeben. Aus heutiger Sicht sei es schwer, überzeugend zu erklären, wie eine Kirche, die das Evangelium hochhielt, gleichzeitig die bei lebendigem Leibe verbrennen konnte, die ihre Lehren ablehnten. Das ist dem Zeitgeist geschuldet, für den Folter und Todesstrafe normal waren, aber auch der engen Verschränkung von Religion und Gesellschaft. Religiöse Unterdrückung sei, so urteilt der Autor abschließend, ein Zeichen zivilisatorischer Rückständigkeit aus einem Missverständnis von Religion heraus und werde damit gerechtfertigt, die Gemeinschaft vor Häresien schützen zu müssen. Dieses Phänomen sei keineswegs auf den Katholizismus oder die Christenheit beschränkt. Dann geht er auf das Zeitalter der Entdeckungen und den damit einhergehenden neuen Aufschwung der Sklaverei ein. Immerhin gebe es von kirchlicher Seite einige leuchtende Beispiele des Widerstands dagegen wie den Dominikaner Bartolomeo de las Casas und andere. Letzte historische Etappe war die Französische Revolution, die die Kirche pauschal der Intoleranz und der Unterstützung aller Formen von Tyrannei anklagte. Zunächst versuchte die Kirche sich auf traditionelle Weise zu wehren, also z. B. durch Zensur, Intervention oder Verteidigungsschriften, schlussendlich aber ging sie völlig verändert aus dieser Bewährungsprobe hervor: Der meiste Kirchenbesitz wurde säkularisiert, Religionsfreiheit wurde Teil des Gesetzes und nur noch der Papst blieb auch eine weltliche Macht. Es entstand ein effizienter Klerus und Bischöfe, die nicht auch mit zivilen Angelegenheiten beschäftigt waren. Auch die Theologie wurde erneuert und man ging toleranter und versöhnlicher auf die Protestanten zu. Schließlich kommt Ajaiby auf die moderne Soziallehre der Kirche zu sprechen, die mit Rerum Novarum von Leo XIII einsetzt (1891), der sich für die Rechte der Arbeiter in der Industriegesellschaft aussprach. Er zählt die lehramtlichen Dokumente auf, die sich seither mit diesen Fragen beschäftigt und sich für die Realisierung von sozialer Gerechtigkeit und für die Verteidigung der Würde, der Rechte und Freiheiten des Menschen ausgesprochen haben. 7.6.3.2. Das islamische Urteil: doppelte Standards der Christen Die muslimische Entgegnung, gehalten von Frau Muthaffar, ging auf die zentrale Stellung des Koran ein, wenn es für Muslime um eine so diffizile und vielschichtige (jedenfalls ihrem Urteil nach) Angelegenheit wie Menschenwürde geht, denn

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an diesen Aussagen macht sich die konkrete Definition von Menschenwürde für Muslime fest, deren erhabenstes Modell der Prophet Mohammed selbst ist. Im Isalm wird der Mensch von Gott geehrt, solange er die Werte seiner Religion bewahrt und an Gottes Vorschriften glaubt. Der Glaube ist das Kriterium der Ethik und Menschenwürde ein moralisches Konzept, aus dem Rechte und Pflichten folgen, die wiederum zu sozialen Konventionen und Normen geworden sind wie beispielsweise gegenseitige Solidarität unabhängig von Glaube, Rasse und Religion. Alle göttlichen Schriften seien sich einig in Bezug auf den Wert des Menschen und darin, dass dieser bei Gottes Vorschriften verbleiben sollte, doch die konkrete Realität habe in allen monotheistischen Religionen oft ganz anders ausgesehen. Trotz der Unterschiede bei der konkreten Interpretation sieht sie letztendlich eine große Gemeinsamkeit, was die Auswirkungen im zivilisatorischen und humanitären Bereich angeht. Was den Westen angeht, so merkt sie allerdings kritisch an, dass er, was die Menschenrechte angehe, durch Materialismus und in dessen Folge durch Konkurrenz und Ausbeutung eine Art doppelten Standard hervorgebracht habe: „[S]o we have a society that deserves honor and elevation while another society is subjugated to starvation and humiliation all at one and the same age and in accordance with one and the same rationale!!“170 Dies ist in der Tat eine Anfrage und ein Vorwurf, der nicht nur vom Islam erhoben wird, sondern von den Ländern der Dritten Welt generell und der zeigt, dass sich ein Konzept, will man es von einem System in ein anderes übertragen, nicht nur an der globalen Einsichtigkeit seiner Begründung messen lassen muss, sondern auch an der globalen Umsetzung durch die, die es vertreten – eben auch dann, wenn es sie selbst etwas kostet. Dass das der Fall sein kann und auch war, hatte ja gerade auch die christliche historische Darstellung betont und wird auch immer wieder von muslimischer Seite gesagt. 7.6.3.3. Sehr viel Streit um ein muslimisches Referat – typisch? Das muslimische Gegenreferat und die Diskussion darum, sichtbar in Entgegnung und Antwort darauf (der muslimische Referent, der libanesische Schiit Saud El-Mawla, hatte durch einen vorherigen Autounfall an der Tagung selbst nicht teilnehmen und die Anfragen dadurch nicht mehr in den ursprünglichen Text einfügen können, sondern eine eigenständige Antwort geschrieben), sind ein Musterbeispiel dafür, wie tief die Gräben bei und trotz aller Dialoganstrengungen sind und wie schnell man aneinander vorbeiredet und der eine die Grundkonzepte des anderen nicht versteht. Dies begann damit, dass der muslimische Referent überhaupt nicht verstand, was der Titel ‚Attitude of Muslims 170 Muthaffar, Mai, Comment, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 82, s.a. p. 81.83.

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towards Human Dignity, A Historical Review‘ überhaupt sollte und bewusst statt eines intendierten Referats über geschichtliche Entwicklung und Umsetzung des Konzepts von Menschenwürde im Islam und der muslimischen Welt ein erneutes Grundsatzreferat hielt, das zwar einige neue und durchaus interessante und wichtige Gesichtspunkte brachte, aber nicht die, um die es hatte gehen sollen. Die (in sich selbstkritische)  Frage nach der historischen Umsetzung von Theorie in Praxis wurde nicht gestellt, stattdessen wurde wieder das islamische Idealkonzept geboten, basierend auf meist schon oft wiederholten Koranzitaten und – dies war formal neu, aber nicht so sehr inhaltlich – ihrer schiitischen Auslegung. Dieser Block wurde dem christlichen und westlichen Verständnis entgegengestellt, wobei letzteres wesentlich stärker hervortrat als ersteres, um dann ein arabisches (muslimisches wie christliches) Verständnis heraufzubeschwören. Dies hielt der Referent für einen konstruktiven Ansatz im christlich-muslimischen Dialog um die Frage der Menschenwürde und der Menschenrechte und wunderte sich, warum dies beim Islambeauftragten des Päpstlichen Rats für den Interreligösen Dialog, Mons. Khaled Akasheh, als wirre, hochmütige, undialogische und obendrein vielfach schlecht informierte Themenverfehlung ankam. Doch gerade die Kritik an der Kritik zeigt das Ausmaß des Missverständnisses erst wirklich, bestätigt sie doch mehr oder weniger alles, was im Vortrag gesagt wurde, und stellt sich dabei auf den Standpunkt, der Kritiker hätte doch wissen müssen, dass er eigentlich ein selbstkritischer und vom christlich-muslimischen Dialog überzeugter Mensch sei, aber dass es darum hier gar nicht gehe. Es stellt sich die ernsthafte Frage, ob dies wirklich nur ein unglückliches Missverständnis war oder eben doch ein Beweis dafür, dass der Islam in hohem Maße gegen Kritik generell und besonders von außen immun ist, weil er für sämtliche Fragen die einzig richtige und bereits perfekt ausgeformte Lösung bereithält. Sollten andere etwas Positives beizutragen haben, so ist dies eigentlich im Islam auch schon enthalten, und die zahlreichen Verfehlungen gehen auf das Konto der anderen, besonders des atheistischen und materialistischen Westens und noch mehr auf das Konto Israels. Aus dezidiert muslimischer Sicht: Menschenwürde im Islam und im Westen El-Mawla betonte zunächst, dass sich Würde – im Gegensatz zur Bevorzugung – koranisch nur auf Eigenschaften bezieht, die jemanden gegeben wurden, und zwar allein und eben nicht nur in besonderem Umfang. Dies sei beim Menschen die Vernunft und damit die Lernfähigkeit sowie der Willen und die Entscheidungsfreiheit. Dies mache aus ihm, einem Zwitterwesen zwischen Staub und Lehm einerseits und göttlichem Geist andererseits, den Statthalter Gottes auf Erden, vor dem sich auch die höchsten Geschöpfe, die Engel, beugen mussten. Der Mensch sei konkret für Arbeit und Wissenserwerb geschaffen, schlussendlich aber für die Anbetung Gottes, also für die zukünftige Welt als dem eigentlichen Ziel der Schöpfung überhaupt. Was den Menschen so hoch über alle anderen We-

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sen erhebt, ist, dass er sich nur Gott unterwirft, also der absolute Monotheismus. Der Mensch sei von Natur aus religiös, diese natürliche Religion, die de facto mit dem Islam übereinstimmt, werde fitrah genannt, abgeleitet vom arabischen Wort für Schöpfung fatr. An diese natürliche Religion appelliere die Botschaft aller Propheten, auch Mohammeds. (Das Wort din für Religion bezeichne dagegen nur den Islam und komme im Koran deshalb nicht im Plural vor.) Im Vergleich kommt er zu folgendem Schluss: „In Islam, human dignity, like all moral values (truth, learning, knowledge, beauty, good, justice, virtue, creativity, originality, love and worship), are innate and, consequently, constant, absolute and common to all people and at all times in terms of their origins. Their ramifications, on the other hand, are transformed into what we call ‚rights‘. If we divest these values from constancy and absoluteness, they will be part of good manners and become a code of relative rules like laws. Constant and absolute moral values precede laws and Arabic language, therefore, distinguishes justice from law. This is unlike other languages; because societies not based on Islam regard justice to be law and whatever law may be, it is justice; whereas in Islam, the basic concept and ruler is justice and not equality or rights. Human beings, for example, are not equal but brethren, because equality is a legal term while brotherhood is more profound and comprehensive, because it emphasizes the same nature and substance. Women and men in Islam are not equal but made of the same substance because ‚rib‘ in Hebrew as well as in Arabic means the same nature and the same mix. Woman was created from man’s rib i. e. from his nature and mix. What the West views as a right (like the right of life and the right of learning) which can be relinquished by its possessor, is viewed by Islam as a /p. 91 divine precept and legal obligation which should not be compromised even by its own holder even if he had to struggle and die for it. Man’s dignity is embodied in his inborn search for knowledge; in his commitment to high morals, virtue or good; and in his propensity towards absolute physical as well as moral beauty, ending with love and adoration. (…) In the Western philosophical perspective, on the other hand, man is a given being, existent in this way, in this world without roots, without source, without ties linking him to the universe, nature and the course taken by life therein, and in human kind i. e. a vain creature. Man’s perfection here is realized through the acquisition of control over nature, environment and his fellowmen. The most perfect being is, thus, the strongest being who is capable of maintaining his existence (according to Darwin, Nietzsche, Freud and Marx). The relation of this human being to others is one of eviction; expulsion, usurpation and predominance; for it is the fittest, i. e. the most powerful, who survives. The theory of material and physical indulgence and enjoyment in this life is the dominating one according to this concept. Even learning or science is good only because it is a means to attain power which, in turn, is the source of enjoyment.“171 171 El-Mawla, Saud, Attitude of Muslims towards Human Dignity, A Historical Review, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civiliza­

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Zwei völlig verschiedene Anthropologien: Islam und der Westen Es gebe also zwei Sichtweisen, ja zwei verschiedene Menschen, den religiösen und den säkularen, atheistischen. Von welchem solle man ausgehen, wenn man der Frage der Menschenwürde nachgehe? Beim einen sei alles, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, vom Glauben geprägt. Der andere glaubt nichts oder glaubt, dass der Glaube mit all dem eigentlich gar nichts zu tun hat und zu tun haben sollte, oder interessiert sich für diese Beziehungen gar nicht, weil sowieso nur die wirtschaftlichen, soziologischen, politischen und materiellen Vorteile zählen. Es folgt ein ausführlicher Vergleich der beiden Menschen, der hier zumindest in wichtigen Abschnitten wiedergegeben werden soll: „A person without faith either because he does not care for that or because he absolutely does not believe in that, can mould his life in accordance with various visions. But the person who starts his life from a philosophical and spiritual point of departure usually takes a homogeneous course in his life. The former human being may be just and unjust within the same setting. He can be moral and at the same time a savage beast. The latter human being, on the other hand, cannot but be the same under all circumstances. (…) The former is torn among divided loyalities, various wishes and different norms; while the latter follows a clear and sound direction. The former is confused, perplexed and a victim of whims and caprice while the latter is rightly guided. We believe that man within the cultural perspective cannot be the human who is an outcome of social reflections according to some psychological schools of thougt; nor can he be the human who is the product of chemical and physiological reactions that build up his psychological, mental and emotional ­systems as behaviourists think; nor the man that has resulted from the Oedipus complexas the psychoanalysis school holds, nor the person who is equivalent to his socio-economic output according to materialist Marxism. This is not real man. He is a distorted one. The cultural perspective of such man cannot be but of the same material of which this person has been made, and of the same womb from which he has been born. Under such conditions, we find no suitable cultural environment for such a man except alienation from/p.  93 the world, from himself and from others in the fullest sense of the term ‚alienation‘ and all the spiritual and psychological torment, shallowness and aridity it entails.“172

Islamisches und jüdisch-christliches Weltbild – eine scharfe Gegenüberstellung Hiermit ist er bei seiner Antithese zur menschlichen Würde angelangt, bei der Entfremdung, festgemacht an dem Fehlen der ausgewogenen Kombination von Selbsterkenntnis, Welterkenntnis und Gotteserkenntnis, die – wie ja schon öfter tion Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 90/91, s.a. p. 85–89, zur Kritik s. Akasheh, Khaled, Comment, in: Human Dignity, Acts of  a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 101–102. 172 El-Mawla, p. 92/93.

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betont – den Islam so auszeichnet: „Islam is a conception of the universe and life, supported by logic and science and at the same time characterized by faith and a target. Human dignity lies in freedom and knowledge and in justice and piety, all of which are embodied in religion i. e. inner nature; i. e. human dignity lies in the complementarity and sublimation of religion’s line between what is permissible and what is taboo between this world and the next and between science and faith.“173 Dagegen sei in der jüdisch-christlichen Tradition die Basis des Widerspruchs zwischen Religion und Wissenschaft schon im Konzept der Erbsünde grundgelegt, da der verbotene Baum der Baum der Erkenntnis gewesen sei. So hätten die Menschen vor der Wahl zwischen Religion und Wissen gestanden. Der Teufel sei also die Stimme von Vernunft und Wissen gewesen. Das Wissen werde als heilig, als göttlich angesehen und Unwissenheit als menschlich. Im Islam sei der verbotene Baum dagegen das Symbol der Gier, also das Symbol für die Tierhaftigkeit, nicht für die Menschlichkeit des Menschen. Wissen sei gerade das, was Gott den Menschen gegeben habe, indem er ihm die Namen aller Dinge lehrte, und womit er ihn vor allen ausgezeichnet habe: „Hence religion and ­science or learning in Islam are synonymous while atheism is rejection and refusal to comply with learning and knowledge. In the Judeo-Christian Western civilization separation or conflict between science and religion has led to a division of history into the age of religion and faith and the age of learning or science. The former is the age of darkness and ignorance and the latter is the age of enlightenment and knowledge. In Islam, meanwhile, they did not separate: they flourished together and declined together.“174 Das westliche Menschenrechtskonzept: unter Anklage als scheinheilig Auf letzteres und seine etwaigen Ursachen wird allerdings überhaupt nicht eingegangen, dafür werden die Lehren aus der von ihm erstellten Sündenfallinterpretation sehr weit ausgezogen: „The concept of man and human dignity in the contemporary Western cultural perspective carries the meaning of deification; violence, sensual pleasures, visual sensory culture, and direct interests. It is this type of man who produced the colonial age, the Marxist devil and the vanity and meaninglessness in existentialism. This man is a distorted image of human beings. It is indeed paradoxical to talk about dignity and human rights in accordance with this perspective of man. What is being said about dignity and human rights is an outcome of the religious and spiritual dimension of man. It is the product of a moral world and of a philosophy which sees in the creation of the universe, life, the world, nature and man, reason and the aim. (…) /p. 96 (…) Therefore what may explain the failure at a global international or national level, results from the assumption that the systems charged with the implementation of 173 Ib., p. 94. 174 ib., p. 95.

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these rights are distorted ones which are not born from the same womb that gave birth to these rights, but from another womb. From here we see that human dignity and rights are being violated by the institutions and states which advocate these rights and punish other nations and states violating them. We notice practical examples in the international attitude towards Zionism and Israel on the one side and in Iraq, Libya, Iran and Sudan on the opposite side. Human rights with regard to these powers or to national, regional or international institutions, are being exploited as a political weapon used or overlooked according to needs and circumstances.“175 Das sicherste und einfachste für Menschenwürde und Menschenrechte wäre also eine Rückkehr zur Religion, sprich zum Islam, damit seien alle Probleme gelöst: „Dealing with others from a Muslim perspective may be exercised on the basis of justice, beneficence, righteousness and balance and as has been commonly held by many researchers, on the basis of tolerance. For tolerance is something supplementary which is annexed to another thing which is primary, and it means that the other is to be under the tolerant party’s mercy, and that the Muslim should have done him a favor. No!! Islam treats others just as they deserve and not on sufferance, or as a favor or condescension or charity. We all treat one another on the basis of ­human dignity.“176

Dass er diese dem zweiten, anderen, dem Missbild vom Menschen gerade abgesprochen hat, fällt dem Schreiber anscheinend gar nicht auf, und welche Behandlung dieser entfremdete statt würdige Mensch dann wohl verdient, kann nur gemutmaßt werden. Für ihn genügt es, die arabische Denk- und Lebensweise von allem Unislamischen zu reinigen, um die ideale Lösung aller jetzigen und zukünftigen Probleme zu haben, von Umweltschutz über Gentechnik bis hin zur Nukleartechnologie und biochemischen Waffen. Die arabischen Christen werden großzügig in diese Lösung mit eingeschlossen: „Speaking about human dignity in Islam and Christianity would lead us to asking questions about the cultural change required of the Arab-Muslim world in order that it may get a good-conduct certificate in the spheres of human rights, democracy and other components of genuine human dignity. We may ask here: Is the Arab world required to change its cultural constants and the character of its culture that emanates from its human belief, be it Christian or Muslim, in favor of a primitive conception of man which confines complete humanity to particular people while depriving all other humans of it pursuant to the mythical doctrine of the ‚chosen people of God‘ and in accordance with the fabulous precept which claims that the deity has selected and given preference to one particular people to the exclusion of all other peoples and ethnicities? Is the Arab world and the Arab individual to cast aside their cultural 175 Ib., p. 95/96. 176 Ib., p. 97.

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mainstays in order to provide an opportunity for coexistence with another human of this type who is not content with mere coexistence but wants to impose his hegemony over the region, its destiny, inhabitants and their fate?“177 7.6.3.4. Heftige Diskussionen und tiefe Missverständnisse Das war deutlich, und dass die Reaktion von Mons. Khaled Akasheh, immerhin auch Araber, so deutlich negativ ausfiel, war es auch. Er forderte u. a. eine Revision des Geschichtsunterrichts, sodass sich auch andere Religionen und Zivilisationen darin wiederfinden könnten. Er konnte sich in den Generalisierungen des Referenten offensichtlich nicht wiederfinden und in dessen Definition von Erbsünde schon gar nicht. Die jüdische Tradition hätte sich in dessen Definition von Erwählung und ihrem Bezug zur Menschenwürde sicher auch nicht wiedergefunden, konnte sich aber wegen Abwesenheit gar nicht erst wehren. Der Referent fühlte sich von der Empfehlung, doch besser vorher bei den Betroffenen (gemeint waren in puncto Erbsündenlehre die Christen) selbst nachzufragen, pauschal auf den Schlips getreten und sich seines Rechtes auf freie Äußerung von Interpretationen im Dialog beraubt. Er betonte seine kritische Sicht auf die islamischen Eroberungen und einen erobernden und nicht rein verteidigenden Heiligen Krieg, aber kritische Geschichtswissenschaft und die Schwierigkeiten des sine ira et studio schienen ihm so fremd zu sein wie summum ius, summa iniuria als fester Bestandteil der westlichen Tradition, noch bevor die arabisch-islamische Welt dergleichen überhaupt formulieren konnte. Die unendliche Selbstsicherheit seiner Äußerungen, die Mons. Akasheh Lk. 6,42 zitieren ließ, ließ die Undifferenziertheit seiner Argumentation bis hin zu klaren Wissenslücken umso deutlicher hervortreten: „Finally I do not agree with Rev. Khaled’s call ‚to remodel history teaching so that it may be acceptable to other religions and cultures’… and I cannot understand how he wants to twist history in such a manner as to make it acceptable to the West and to Israel, for example. History is history and we can neither change nor modify it.“178

Wer es sich so einfach macht, braucht sich nicht zu wundern, sollten am Ende auch die Argumente nicht gehört werden, die eine gewisse Berechtigung haben. Man kann die Angelegenheit wenden, wie man mag, sie ist Zeugnis für ein tiefes Missverständnis zwischen zwei Herangehensweisen an eine wichtige Frage und trägt leider typischere Züge als man sich das wünschen möchte.

177 Ib. 178 El-Mawla, Saud, Explanatory Remarks, in: Human Dignity, Acts of a Muslim-Christian Colloquium Organized Jointly by the Pontifical Council for Interreligious Dialogue (Vatican City) and the Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (Amman), Rome 1999, p. 105.

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7.6.4. Herausforderungen für die Zukunft 7.6.4.1. Nochmals: der Mensch in islamischer Sicht Die letzte Gesprächsrunde drehte sich um die Herausforderungen für die Zukunft, die für die beiden Religionen im Bereich der Menschenwürde vorhanden sind. Auch hier war es so, dass zumindest beim muslimischen Referat von Muhammad El-Sammak die Darstellung der Grundlagen genausoviel Raum einnahm wie die eigentliche Hauptfrage. Der Mensch wird in Anlehnung an koranische Aussagen als jemand geschildert, der in Versuchung geraten ist, eine Sünde begangen und dann Reue gezeigt hat. Seine jetzige Existenz nach diesen Vorfällen sei so zu beschreiben: Der Mensch werde nicht für etwas schuldig befunden, was er nicht getan habe, d. h., er werde nicht schuldig geboren, sondern habe einen angeborenen Charakter, nach dem er bestimmt sei, Gott zu suchen und an ihn zu glauben. Der Mensch werde als Gottes Statthalter auf Erden sehr geehrt, deshalb seien ihm auch alle Dinge auf Erden untertan, damit er sie entwickeln könne, nicht aber zerstören solle. Gott habe dem Menschen die Herrschaft über Völker und über die Natur, also die Umwelt, übertragen. Das sei eine schwere Verantwortung. Deswegen sei der Mensch bei seiner Schöpfung von Gott auch mit dem entsprechenden Verständnis und damit Wissen ausgestattet worden. Der Mensch ist sozusagen der Aufseher, Kontrolleur und Wächter seiner selbst, der Richter oder Schiedsrichter seiner eigenen Taten und Absichten, wobei letztere nach einer Tradition Mohammeds schwerer wögen. Damit ist der Mensch wichtiger als die Natur, d. h., er ist wichtiger und größer als Sonne, Mond, Feuer, Wind oder ähnliche vergängliche Phänomene. Er ist Gott direkt verbunden und ihm allein gehorsam und nicht blind, sondern durch Vernunft, Lernen und Nachdenken. Glaube werde nach Sure 2,256 als etwas angesehen, das nicht durch Zwang entstehen könne, sondern von Gott geschenkt werde. Auch dies verweist wieder auf die hohe Ehre menschlicher Freiheit, die dem Menschen verliehen worden ist. Deswegen gebe es im Islam auch keinen Mittler mehr zwischen Gott und dem Menschen, der absolute Monotheismus zeigt also auch die hohe Stellung des Menschen. In Sachen des persönlichen Glaubens gebe es nur die Autorität des Menschen im Diesseits und Gottes Autorität im Jenseits. Apostasie als solche wird also im Islam nicht bestraft. Was bestraft wird, ist das Verlassen der Muslime, um zu deren Feinden überzugehen, denn dies sei innerweltlicher Verrat, für den per Gesetz innerweltliche Strafen vorgesehen seien, die von den zuständigen Justizbehörden verhängt würden. Die islamische Gesetzgebung wiederum basiere, wie hinlänglich bekannt, auf Koran und Sunna sowie rationalen Überlegungen in Übereinstimmung mit der Tradition nach bestimmten Kriterien. Diese islamische Gesetzgebung lege auch Wert auf den Schutz der Menschenwürde, besonders auf die Gleichheit der Menschen und auf den Schutz des menschlichen Lebens. Allein die Möglichkeit zu einem juristisch unabhängigen Urteil (der genannte Fachterminus ist ijtihad) sei in sich ein hervorragendes

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Zeichen für den Respekt vor der menschlichen Würde in der konkreten Ausübung der menschlichen Gedanken-, Meinungs- und Forschungsfreiheit. Diese Freiheit geht so weit, dass sie verschiedene Meinungen bzgl. des Verständnisses des Korans selbst anerkennt. Daher die verschiedenen Rechtsschulen im Islam – innerhalb eines gewissen wissenschaftlichen und religiösen Rahmens sind Abweichungen sozusagen sogar gesund. Der Islam habe sich nicht mit Gewalt aufgezwungen und sich seinen Weg in die Herzen und Köpfe auch nicht durch Wunder erzwungen, denn Mohammed habe nichts Übernatürliches getan, also keine Kranken geheilt, keine Toten auferweckt, keinen Stab in eine Schlange verwandelt. Sein einziges Wunder sei der Koran, aus dem unendliche Bedeutungen abgeleitet werden könnten, um der menschlichen Entwicklung zu allen Zeiten und an allen Orten gerecht zu werden. Wichtig ist auch, dass die Würde des Menschen absolut ist, sie hängt nicht an der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, Rasse, Hautfarbe, Sprache oder Religion, sie hängt nicht einmal daran, ob ein Mensch an Gott glaubt oder nicht. Islamische Vorbehalte gegen die Menschenrechtserklärung von 1948 Auf diesem Hintergrund ging der Referent die beiden Fragen an, die s. E. die großen Herausforderungen darstellen: Menschenrechte einerseits und Pluralismus und die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten andererseits. Der Islam werde angeklagt, sowohl Menschenrechte zu missachten als auch Pluralismus nicht zuzulassen. Islamintern werde dies oft als bewusste Kampagne gegen den Islam als den neuen Feind gesehen und entsprechend sentimental und unüberlegt falle die Entgegnung und Verteidigung des Islam aus. Der Referent nähert sich dem Thema rein sachlich mit der Frage, welches islamische Land welcher Erklärung nicht oder nur mit Vorbehalt zugestimmt habe und mit welcher Begründung. Von den Mitgliedsstaaten von 1948, dem Jahr der Verabschiedung der UN-Menschenrechtserklärung, habe nur Ägypten Vorbehalte geäußert, und zwar bzgl. der Art. 16 und 18, die die freie Wahl des Ehepartners und den freien Religionswechsel betreffen. Beide stünden im Widerspruch zum islamischen Recht, das einer muslimischen Frau (im Gegensatz zum muslimischen Mann) die Ehe mit einem Juden oder Christen nicht gestatte, da diese Religionen den Islam nicht anerkennen würden, wie dies umgekehrt der Fall sei. Außerdem betrachte das islamische Recht jeden Muslim, der die Religion wechsle, als einen Apostaten, weshalb eben freier Religionswechsel ebenfalls nicht zulässig sei. Vorbehalte gegenüber den Rechten der Kinder und ein ganz eigenes Konzept dazu Was die Erklärung zu den Rechten der Kinder von 1989 angehe, so hätten etliche islamische Staaten ihre Vorbehalte zu einigen Punkten deutlich gemacht, so besonders bzgl. Art. 14 zur Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit von Kindern, Art. 16, der Belästigung der Privatsphäre des Kindes und der privaten Korrespondenz verbietet, Art. 17, nach dem das Kind Zugang zu Informationen

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nationaler und internationaler Herkunft haben sollte mit besonderer sprachlicher Rücksicht auf Minderheiten, Art. 20 zur Adoption, Art. 29 zum Respekt vor anderen Kulturen z. B. des Herkunftslandes oder Art. 30, der unter anderem den Kindern von religiösen Minderheiten das öffentliche Bekenntnis zu ihrem Glauben und die Praxis von dessen Ritualen zugesteht. Wieder sind es die Konflikte mit dem islamischen Recht, die zu diesen Vorbehalten führten und die zu der Behauptung führen könnten, das islamische Recht missachte die Rechte der Kinder oder sei gar nicht daran interessiert. Deswegen hätten die islamischen Länder dazu eine eigene Stellungnahme erarbeitet, die zunächst einmal betone, dass soziale Werte und Prinzipien auf der göttlichen Offenbarung beruhten und dass das grundlegende Heilmittel darin liege, dass Individuen, Gesellschaften und Regierungen sich auf diese himmlischen Werte bezögen und nicht auf solche, die ihnen von außen übergestülpt würden. Konkret begännen die Rechte des Kindes im Islam schon (lange) vor der Geburt: „They begin with restricting the sexual relation between man and woman to legal marriage (which non-Muslim communities lack). Islam also forbids adultery, sexual perversity and concubinage. Islam, furthermore, urges that the spouse be chosen from those who have good character and a sound faith and calls for freedom from hereditary diseases to safeguard the child even before birth.“179 Weiter wird verwiesen auf das Abtreibungsverbot, auf das Besitz- und Erbrecht des ungeborenen Kindes und darauf, dass die werdende Mutter von etlichen religiösen Pflichten entbunden ist, weshalb man sie auch von einigen bürgerlichen und praktischen Pflichten entbinden sollte. Das Neugeborene hat als göttliches Geschenk ein absolutes Recht auf Leben und auf Abstammung von einem bestimmten Vater, weshalb Adoption verboten ist, aber die Fürsorge für Waisen genau geregelt. Das Kind hat ein Recht darauf, von der eigenen Mutter gestillt und in der eigenen Familie erzogen zu werden, Fürsorge und Schutz zu bekommen und sogar spielen zu dürfen. Umgekehrt ist das Kind den Eltern v. a. Gehorsam schuldig. Außerdem sieht das Dokument spezielle Regelungen für körperlich und geistig behinderte Kinder, für Flüchtlingskinder, illegitime, obdachlose, bettelnde, arbeitende und staatenlose Kinder vor. Die muslimischen Staaten sollten diese Regelungen in ihrer Gesetzgebung umsetzen. Politisch besonders schwierig: Rechte von Minderheiten Was die Erklärung zu den Rechten der Minderheiten von 1993 angeht, so profitieren einerseits muslimische Minderheiten davon, andererseits müssten auch nicht-muslimische Minderheiten in muslimischen und nicht-arabische Minder 179 El-Sammak, Muhammad, Muslims Faced by the Challenges of Human Dignity, in: The Pontifical Council for Interreligious Dialogue/The Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), Human Dignity, Acts of a Christian-Muslim Colloquium, Vatican City 1999, p. 118.

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heiten in arabischen Ländern davon profitieren, denn man könne nicht dieselbe Sache einerseits einfordern und andererseits verweigern. Was nun die Rechte der Völker des Buches bzgl. Religionsfreiheit in einer muslimischen Gesellschaft angehe, so seien sie immer schon legitim gewesen. Was die arabischen Länder angeht, so sieht der Referent die Frage der Minderheitenrechte als Vorwand zur Einmischung in deren innere Angelegenheiten, was Europa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts getan habe, als es die Christen in der arabischen Welt für sich gewann sozusagen als Fuß in der Tür. Die Verteidigung der Minderheitenrechte war mit kolonialer und imperialistischer Politik vermischt und sei es bis heute, wenn Amerika und Europa in der neuen Weltordnung die Rechte der muslimischen nichtarabischen oder der arabischen nichtmuslimischen Minderheiten verteidigten. Deswegen und nicht weil das islamische Recht gegen Minderheitenrechte sei, hätten etliche arabische und muslimische Länder solche Vorbehalte gegenüber der Erklärung zu den Rechten der Minderheiten. Die von Menschen gemachten Menschenrechte unterschieden nach politischen und bürgerlichen Rechten einerseits und nach sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechten andererseits. Der Islam dagegen unterteile die Menschenrechte in drei Kategorien: die Rechte Gottes (die religiöse Observanz betreffend), die menschlichen Rechte und eine Kombination von beidem: „Islamic Shari’a reflects the high value accorded to man basically with regard to both liberties and rights, at individual and societal levels, and in delicate balance between religious, moral and interactive behavorial controls of these liberties and rights. Such controls include avoidance of excess in exercising rights, and avoidance of encroachment on the rights and liberties of others.“180 All dies wurde in der Kairo Deklaration zu den Menschenrechten im Islam (4.8.1990) von allen muslimischen Ländern einstimmig angenommen. Am Ende sprach der Referent sich positiv über die UN-Menschenrechtserklärung und die UN-Erklärung zu Minderheitenrechten aus als Basis für eine neue, friedliche Weltordnung, warnte aber vor doppelten Standards in der Anwendung v. a. im Mittleren Osten, die die Menschenrechte wiederum zu einem politischen Mittel oder gar zu einem Instrument von politischer Unterdrückung und Unterjochung machen würde. Menschenrechte und Menschenwürde seien eine Aufgabe für alle Gesellschaften, nicht nur für die muslimischen und arabischen. 7.6.4.2. Von christlicher Seite: hauptsächlich Widerspruch Der christliche Kommentar beschränkte sich auf den zweiten Teil des Referats mit einer Zustimmung, dass die säkulare Sicht des Menschen ihre Grenzen unter Beweis gestellt habe, gerade in ihrer Unfähigkeit, die Ungeborenen, Alten und Schwachen zu schützen. Aus christlicher und speziell katholischer Sicht sprach

180 Ib., p. 120.

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Sandra Keating auch die Frage von Scheidung und Monogamie an. Nach christlicher Sicht sei es kein Statusverlust, ein adoptiertes Kind zu sein, denn jedes Kind bleibe ein Kind Gottes und alle Eltern seien nur Wächter des Geschenkes, das Gott gegeben habe. Scharfe Kritik kam am Verbot für eine Muslima, einen Nichtmuslim zu heiraten mit der Begründung der Nichtanerkennung ihrer Religion. Es sei nicht korrekt zu sagen, der Islam anerkenne das Christentum, wenn er zwei grundlegende Dogmen desselben, nämlich die Trinität und die Inkarnation Christi, nicht anerkenne. Deshalb sei die gesamte Argumentation in dieser Frage schief und das Verbot schlicht gegen das grundlegende Recht einer Person, sich einen Partner zu wählen und eine Familie mit ihm zu gründen. Sie verwehrte sich auch gegen die Unterstellung, Minderheitenrechte seien lediglich ein Mittel, sich in arabische Regierungsangelegenheiten einzumischen. Außerdem bezweifelte sie, dass gegenseitiger Respekt zwischen zwei Religionen möglich sei, wenn nur eine dieser Religionen ihre Botschaft offen verkündigen dürfe, denn zwar dürften Muslime fast überall auf der Welt die Lehren des Koran ohne Einschränkungen verbreiten, Muslime in muslimischen Ländern aber dürften sich nicht dem Christentum zuwenden.181 Ergänzt werden könnte hier noch, dass von anderen Religionen als Judentum und Christentum ja überhaupt nicht die Rede war und die heikle Frage, welche Religionsfreiheit denn Anhänger solcher polytheistischer Religionen in muslimischen Ländern genießen konnte, nicht mit einer Silbe angesprochen, geschweige denn beantwortet wurde. 7.6.4.3. Die Würde des Menschen – ein christliches Konzept Auffallend am christlichen Referat, gehalten von Andrea Pacini, ist zunächst, dass es die grundlegenden Überlegungen wesentlich kürzer hielt und dass es sich v. a. auf zwei völlig andere Fragen für die Zukunft konzentrierte, nämlich auf Bioethik und das Gesellschaftsmodell im Angesicht zunehmender Globalisierung. Als Basis für die Würde des Menschen im Christentum nannte er, dass der Mensch nach dem Ebenbild Gottes erschaffen wurde, konkret sichtbar an Intelligenz, Spiritualität, Willen, Gewissen und Freiheit des Menschen. Es bedeute auch, dass es der Zweck des Menschen sei, Gottes Partner zu sein. Der Mensch sei das einzige Wesen, das eine freie und intelligente Subjektivität habe und daher gerufen sei, in einen Dialog mit Gott zu treten und in eine Beziehung des Gehorsams zu ihm und seinem Willen. Jesus Christus sei das Modell des Menschen nach Gott, also in Übereinstimmung mit Gottes ursprünglichem Willen, mehr noch, er ermöglicht es den Menschen erst wieder, in eine wirkliche Beziehung mit Gott zu treten. 181 Nach Keating, Sandra, Comment, in: The Pontifical Council for Interreligious Dialogue/ The Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), Human Dignity, Acts of a Christian-Muslim Colloquium, Vatican City 1999, p. 123–125.

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All dies wird in einem philosophischen Begriff zusammengefasst, dem Personbegriff, welcher die gesamte Würde des Menschen in sich begreift. Der Personbegriff hat zwei Dimensionen: Zum einen den der individuellen Subjektivität (individuum subsistens), die auf nichts anderes reduziert werden kann, auch nicht instrumentalisiert werden kann, da sie Freiheit und Gewissen hat. Person ist der Ausdruck für die transzendentale Dimension des Menschen im Gegensatz zu allen anderen Geschöpfen. Deshalb muss der Mensch auch immer als Zweck und darf nie als Mittel behandelt werden, wie Kant es säkular formulierte. Die Kategorie der Person umfasst aber nicht nur diese freie und bewusste Subjektivität, sondern auch die Relationalität des Menschen. Gerade weil er Freiheit, Gewissen und Intelligenz hat, ist der Mensch auch offen für andere, für Gott, für den Menschen, für die Schöpfung insgesamt. Er ist keine isolierte Monade, sondern ein rationales, verantwortliches Wesen. Er hat eine subjektive und eine soziale und relationale Dimension und gerade das macht ihn nach Gottes Willen so einzigartig. Seine auf freier Vernunft basierende Würde legt ihm eine große Verantwortung auf, nämlich die Verantwortung, immer wieder die Umstände zu schaffen, die es jedem ermöglichen, in Übereinstimmung mit seiner Würde zu leben. Der Mensch hat also Pflichten, Gott gegenüber, sich selbst und anderen und der Schöpfung gegenüber. Dass der Mensch eine Person ist, bedeutet aber auch, dass er Träger von grundlegenden Rechten ist, die ihm nicht von der Gesellschaft verliehen werden, sondern die ihm als objektive, also in seinem Personsein begründete Rechte gehören. Die Menschenrechte, wie sie in internationalen Dokumenten formuliert würden, seien von ihrer Entstehung her nicht spezifisch christlich, brächten aber für die Öffentlichkeit rechtsverbindlich die Würde des Menschen zum Ausdruck. Aus christlicher Sicht seien diese Rechte immer mit Pflichten verbunden, denn die Rechte eines anderen bedeuteten Pflichten für mich. Reproduktionsbiologie – auf dem Weg zur Instrumentalisierung des Menschen? Auf diesem Hintergrund werden nun die beiden Problemfelder angegangen, zunächst das der Bioethik, das sich für den Referenten wiederum in die Fragen nach der Reproduktionsbiologie und nach der Gentechnik aufteilt. Immer geht es dabei um die Grundfrage, ob eine konkrete oder häufig erst potenzielle Praxis mit der Würde des Menschen in Übereinstimmung ist. Was die Reproduktionsbiologie angeht, so stimmt die katholische Kirche, wie ja schon im Dialog zu den Rechten der Kinder dargelegt, allen rein kurativen Maßnahmen vorbehaltlos zu, lehnt aber jegliche Abtrennung des Aktes der Fortpflanzung vom ehelichen Verkehr genauso strikt ab, besonders aber die Praxis, mehr Eizellen zu befruchten als nötig und diese dann, ungeachtet ihrer Würde als embryonales menschliches Leben, zu zerstören. Generelle Vorstellung dahinter ist auch, dass gerade die Zufälligkeit der natürlichen Empfängnis, abgesehen vom Aspekt der gegenseitigen freien Liebe der Eltern, den Personcharakter und den Geschenkcharakter des werdenden Menschen noch verstärkt und damit einer Instrumentalisierung

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des Menschen, die ihn zu einem austauschbaren Produkt macht, entgegenwirkt. Sonst bestehe die Gefahr, dass eine Gesellschaft gar nicht mehr in der Lage sei, die Würde des Menschen in ihrer Gänze zu fassen und damit auch in späteren Stadien zu respektieren. Außerdem seien für einen Christen Kinder ein Geschenk Gottes und kein Recht des Menschen und auch noch mehr als die Frucht des Willens der Eltern. Hier besteht die Gefahr, dass das Familienbild ganz existenziell verändert wird, und hier greift eben, gerade im Bereich der Bioethik, die Aufgabe des Menschen, die Gesellschaft so zu gestalten, dass die Würde des Menschen auch in Zukunft gewahrt bleibt. Gentechnik – eine gemeinsame ethische Herausforderung Auch im Bereich der Gentechnik werden therapeutische Maßnahmen ausdrücklich gebilligt, jedoch alles abgelehnt, was den Menschen auf ein Mittel reduzieren würde und mit seiner Würde nicht kompatibel wäre. Dies erfordere ein spezielles ethisches Training für damit befasste Menschen, aber auch die Einrichtung von nationalen Ethikkommittees wird hier positiv erwähnt. Es sei auch kein Wunder, dass diese Fragen zu einem bevorzugten Thema des interreligiösen und interkulturellen Dialogs geworden seien, damit man gemeinsam definieren könne, was moralisch schädlich für die menschliche Würde sei. Die Würde des Menschen angesichts der Globalisierung – eine weitere Herausforderung Die zweite Herausforderung befasste sich weniger mit dem physischen und mehr mit dem sozialen Leben des Menschen. Jeder Übergang schaffe ethische und soziale Probleme, so auch die zunehmende Globalisierung, die mit zunehmender Urbanisierung und neuen Formen der Arbeit einhergehe. In traditionellen Gesellschaften sei die Würde des Menschen durch traditionelle Formen der Solidarität gesichert worden, also v. a. durch die Großfamilie und die lokale Gemeinschaft. Auch die Veränderungsprozesse, die ja sogar über die Zuständigkeiten von nationalen Regierungen hinausgingen, müssten so gesteuert werden, dass die Würde des Menschen nicht nur gewahrt werde, sondern sogar noch gestärkt würde, also eine Art ethisches Management. Das bewegt sich einmal auf der mehr kulturellen und spirituellen Ebene der Gewissensbildung, zum anderen aber auch auf der Ebene struktureller Aktion, also auf der Ebene von Gesetzen und Politik. Im Zusammenhang mit dem, was vorher gesagt wurde, wird besonderer Wert auf das Zusammenspiel von Rechten und Pflichten gelegt. In den letzten Jahrzehnten seien die Pflichten im Westen etwas vernachlässigt worden, was die Gesellschaften des Ostens z. T. zu Recht angeprangert hätten, auch wenn es durchaus auch eine säkulare Ethik der Pflicht gebe, für die Kant ein Beispiel sei. Andererseits gab es für diese Schwerpunktsetzung auch gute historische Gründe, den Schutz der menschlichen Person in Gesellschaft und Staat betreffend. Im augenblicklichen Übergang zur Moderne bestehe die Gefahr, dass die Würde des

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Menschen z. B. gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung zweitrangig wird. Aus christlicher Sicht gebe es zum Schutz der menschlichen Würde in modernen Gesellschaften keine Alternative zu den Menschenrechten, gerade zur Verteidigung des Einzelnen und seiner Freiheit, auf dem geistigen (Gewissensfreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung, politische Rechte)  wie auf dem wirtschaftlich-sozialen Niveau (Arbeiterrechte, soziale Rechte), eingebunden in den größeren Rahmen einer Pflichtenethik. Rechte und Pflichten seien komplementär, im Christentum ausgedrückt durch eine Ethik der Rechte und eine Verantwortungsethik. Und wieder geht es sowohl um das Gewissen der Einzelnen als hauptsächliche moralische Akteure als auch um die Schaffung von Gesellschaftsmodellen, die die Würde des Menschen widerspiegeln. 7.6.4.4. Der islamische Kommentar: ethische Übereinstimmungen und viele Arbeitsfelder Der islamische Kommentar stellt weitgehende Übereinstimmungen gerade mit der Entwicklung des islamischen Rechts fest, spricht angesichts der Herausforderungen durch die Gentechnik beispielsweise von einer Veränderung der angeborenen Natur des Menschen (fitrah) und betont nochmals die Elemente, die von islamischer Seite die Würde des Menschen sichern, als da sind der Status als Statthalter Gottes, die Unterwerfung unter Gottes Willen, die Erhabenheit des Menschen über die übrige Schöpfung, die Unterwerfung oder Instrumentalisierung der übrigen Geschöpfe sowie die Verantwortlichkeit vor Gott, vor sich selbst, vor den Mitmenschen und vor allen anderen Geschöpfen. Er nennt auch noch Themen, die man in diesem Bereich vertiefen könnte, so die Frage nach dem Verhältnis von Prädestination und freiem Willen (nach Mohammed solle man an die Prädestination mit qualifizierter Wahlfreiheit glauben, ohne sich in dieser Frage zu sehr zu engagieren) oder in der Frage nach der nötigen göttlichen Unterstützung, die Pacini nur pauschal erwähnt hatte und unter der Abdul Hafiz Balarabi die Sendung von Propheten mit ein und derselben Botschaft (worüber man, wie er selbst meint, noch genauer diskutieren könnte und müsste), die Unterwerfung des Universums unter den Menschen (s. o. zu Fragen der Umwelt) sowie Ethik und Pflichten rechnete. Der Ausschluss von Offenbarung als Quelle von Wissen und Wissenschaft hat seines Erachtens im Westen zu einer naturalistischen Methodik und zu einer Konzentration auf die Rechte des Menschen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Pflichten und der Ethik geführt. Dem wird die Islamisierung des Wissens mit islamischer Wirtschaft als Vorreiter entgegengesetzt, die Offenbarung zur Quelle von Wissen und Wissenschaft macht und so zu einem komplexen System von Rechten und Pflichten der Gesellschaft und des Einzelnen kommt. Für noch weiterhin offene und zu diskutierende Fragen hält er allerdings das Verhältnis von göttlichem und menschlichem Willen im Blick darauf, dass der Mensch Gottes Statthalter und Ebenbild ist, das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung im Blick auf die Verantwortlichkeit des Menschen,

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das Verhältnis von Ethik und Naturwissenschaft sowie den großen Bereich der Wirtschaftsethik.182 In der Tat waren die Darstellungen insgesamt vielleicht etwas zu glatt, etwas zu positiv, ohne Rücksicht darauf, dass manches schon innerhalb der eigenen Religion theologisch-ethisch auch anders gesehen wird, von säkularen Sichtweisen einmal ganz abgesehen. Gerade der Bereich der postulierten und tatsächlichen praktischen Freiheit des Menschen zwischen Vernunft und Offenbarung ist ja eine spannende Frage, wie andere Diskussionen schon bewiesen haben.

7.6.5. Ein positives Resümee für alle Dialoge mit der Al Albeit Foundation Der gemeinsame Bericht gab den Aufbau der Konferenz ziemlich detailliert wieder, während er inhaltlich eher knapp ist. Der Dialog wird als erfolgreich eingestuft und das Thema der Menschenwürde als eines, was schon den früheren Dialogen zugrunde gelegen habe (was in der Tat zutrifft und notwendigerweise zu einer Reihe von Wiederholungen auch in dieser Darstellung geführt hat, die aber als Verstärkung zu sehen sind). Christen und Muslime teilten v. a. die Ansicht, dass die Menschen von Gott geschaffen seien und dieser ihnen Würde gegeben habe. Diese Würde sei absolut und unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Sprache und Überzeugungen. Es wurde sehr darauf gedrungen, nicht Werte und Ideale mit der gelebten Realität von Menschen und Gesellschaften zu verwechseln, die oft dahinter zurückblieben. Ein besonderes Augenmerk gilt denen, die – ob als einzelne oder Gesellschaft – Ungerechtigkeit und Entbehrung dieser göttlichen Menschenrechte zu tragen haben, also die Armen und Unterdrückten und da wieder besonders die verlassenen Kinder, die verfolgten Minderheiten sowie Flüchtlinge. Man erwähnte aber auch die Herausforderung durch den wissenschaftlichen Fortschritt und drückte seine Hoffnung auf eine neue ethische Weltordnung aus, die die menschliche Würde überall respektieren würde.183 182 Nach Pacini, Andrea, Christians Facing the Challenge of Human Dignity: Prospects for the Future, The Pontifical Council for Interreligious Dialogue/The Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), Human Dignity, Acts of a Christian-Muslim Colloquium, Vatican City 1999, p. 127–139 (es ist vielleicht auch signifikant, dass hier die Aktivform gewählt wird, während der muslimische Beitrag die Passivform wählte, möglicherweise als sinnbildlicher Ausdruck dafür, dass die Herausforderungen mehr als aufgezwungene gesehen werden denn als solche, an die man offen und mit einer gewissen Zuversicht herangeht) und Balarabi, Abdul- Hafeez, Comment, in: The Pontifical Council for Interreligious Dialogue/ The Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), Human Dignity, Acts of a Christian-Muslim Colloquium, Vatican City 1999, p. 141–146. 183 General Report, The Pontifical Council for Interreligious Dialogue/The Royal Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), Human Dignity, Acts of a Christian-Muslim Colloquium, Vatican City 1999, p. 153–155, zur Manöverkritik s. El-Assad, ­Nassir El-Din, The Closing Address, The Pontifical Council for Interreligious Dialogue/The Royal

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Im Nachhinein gesehen war diese Konferenz wie eine anthropologische Bündelung vieler Aspekte, die in den früheren Dialogen zur Sprache gekommen waren, und bildet daher einen gewissen logischen Abschluss, auch wenn dies anfänglich nicht so geplant war und auch sehr zu bedauern ist. Kein anderer Dialog ist eben so gut dokumentiert worden und damit so – durchaus aufschlussreich und gewinnbringend – nachvollziehbar wie dieser.

8. Kontakte zum Sekretariat für Interreligiösen Dialog, Teheran 8.1. Die Anfänge noch unter dem Schah Die ersten Kontakte in den Iran, d. h. zum schiitischen Islam reichen zurück in die Zeit des Schah. Vom 1.–7.6.1976 waren auf Einladung des stellvertretenden Premierministers Kardinal Pignedoli, Sekretär Rossano und Pater Abou Mokh in Teheran zu einem umfangreichen Besuchsprogramm mit zahlreichen Begegnungen. Die Begegnungen mit den Größen des schiitischen Islam, um die es dem Sekretariat im Blick auf Dialoge (in Rom oder im Iran) hauptsächlich ging, verliefen durchaus unterschiedlich. Das damalige Oberhaupt der Schiiten weltweit, Ayatollah Mohammad Kazem Chari’at Madari, war sehr zurückhaltend, während Ayatollah Taqui-Al-Coumi, Generalsekretär des Hauses der Annäherung zwischen den verschiedenen muslimischen Sekten mit Hauptsitz in Kairo, dem Anliegen sehr offen gegenüberstand, sodass man bereits über potenzielle Themen diskutieren konnte. Die Anliegen des Sekretariats waren v. a. Jugend, soziale Gerechtigkeit und das religiöse Phänomen. Auch vonseiten des Staates wurde das Dialoganliegen positiv gewertet und betont, dass im Iran jede Religion totale Religionsfreiheit genieße, solange sie sich nicht in staatliche Belange einmische. Von Seiten des Sekretariats war man bestrebt, nicht mehrere verschiedene Gesprächspartner zu haben, sondern ein Gegenüber, das sich einig ist, was als Anliegen verstanden und akzeptiert wurde.184 Am 3.–4.12.1977 gab es dann ein Treffen im Academy for Islamic Civilization Research Al Albait Foundation (edd.), Human Dignity, Acts of a Christian-Muslim Colloquium, Vatican City 1999, p. 150 f, der v. a. kritisiert, wenn die Deutungshoheit der jeweiligen Religion, also des Dialogpartners verletzt wurde, aber auch positiv die Bedeutung beispielsweise des Dialogs über die Rechte der Kinder hervorhebt, der eine echte Wissenslücke auf muslimischer Seite geschlossen habe. 184 Mokh, Francois Abou, Voyage d’une délégation du Saint-Siège en Iran, BSNC 33 (1976), p. 319–326. Auf dieser Reise wurden auch entscheidende Kontakte für eine Reise vom 15.–17. 9.1976 in ein anderes schiitisch geprägtes Land getroffen, den Jemen. Dort wurde man zwar ausgesucht freundlich empfangen, die Regierung stellte sogar ein Militärflugzeug zur Verfügung, doch auf das Dialoganliegen ging man erst einmal nicht ein, so Mokh, Francois Abou, Visite de Son Éminence le Cardinal Pignedoli au Yémen, BSNC 33 (1976), p. 327–330. Auch wenn man die Liste der nichtchristlichen Besucher während des Heiligen Jahres durchgeht, so stellt man fest, dass die Muslime sehr schwach und ausgesucht vertreten waren (Türkei und Indone-

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Vatikan zwischen dem Sekretariat und einer iranischen Delegation, bei dem sich trotz aller Kürze ein interessanter Austausch über anthropologische Fragen ergab. Man betonte, dass der Glaube an Gott Christen und Muslime doch zu einer ähnlichen Sicht auf verschiedene Aspekte des Menschen, seine Pflichten und das von ihm zu erreichende Ideal bringe. Allerdings sahen die Christen da eine gewisse Spannung zwischen der Religion als konservierendem Element und der Religion als kritischem, prophetischen Element, das darauf ziele, die Rechte des Menschen zu stärken. Man fragte, ob es das auch im Islam gebe, und diese Frage wurde ziemlich deutlich verneint. Im Gegenteil, die Theorie der Menschenrechte könne sich als Falle erweisen: Da sie von westlichen Bewegungen verbreitet werde, sei es eine Theorie, die ihre Ausbildung außerhalb des Islam erfahren habe. Solch eine Ideologie erkenne der Islam nicht an. Der Mensch habe im Islam keine angeborenen Rechte, er habe im Gegenteil eine radikale Verpflichtung Gott gegenüber, alles andere sei nur eine Folge dieser Beziehung. Die katholischen Teilnehmer sahen eine größere ontologische Dichte, wie sie es ausdrückten, in Bibel und in Christentum als im Koran. Man konnte sich aber immerhin darauf einigen, zu erklären, die Basis der Menschenrechte liege in der Beziehung des Menschen zu Gott (ganz im Gegensatz zu den marxistischen und kommunistischen Theorien, die offensichlich auf iranischer Seite eine Hauptmotivation waren, das Gespräch mit der katholischen Kirche zu suchen, was durchaus auf Gegenliebe stieß). Man stellte die Frage, ob man ein gemeinsames Ideal des Menschen entwickeln könne und schlägt konkret zunächst die Frage nach dem Dialog bzw. allgemeiner der Beziehung des Menschen zu Gott vor sowie die Frage nach den grundlegenden Menschenrechten im Sinn christlicher bzw. muslimischer Offenbarung. Ziel war eine gemeinsam organisierte Tagung unter Beteiligung auch von Jugendlichen sowie eventuell von ökumenischen sowie sogar von jüdischen Vertretern. Ergebnisse sollten selbstverständlich adäquat veröffentlicht werden. Vor Ort im Iran wollte man sich v. a. gemeinsam um solche Fragen wie Mischehen kümmern. Was auch gleich vereinbart wurde war ein allerdings eher symbolischer Studienaustausch mit der Gregoriana.185

8.2. Ein Dialog zur theologischen Beurteilung der Moderne Später (nach umfänglichen Vorbereitungen auch mit der örtlichen Kirche und zeitlicher wie örtlicher Verschiebung für den Anfang) gab es zwischen dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und dem Secretariate for Inter-Religious sien) und sich auch nur an das Sekretariat wandten und nicht etwa um eine Papstaudienz nachsuchten, so List of the Non-Christian Visitors During the Holy Year, BSNC 31 (1976), p. 78–79. 185 Nach Rossano, Pietro, Report of the Conversation between the Iranian Delegation and that of the Secretariat for Non- Christians, BSNC 37 (1978), p. 25–28.

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Diaologue, Organisation for Islamic Culture and Communications, Teheran, Islamische Republik Iran verschiedene Dialoge, den ersten vom 30.10.–2.11.1994 in Teheran zur theologischen Bewertung der Moderne. Es nahmen teil eine vatikanische Delegation, muslimische Gelehrte aus Teheran und Ghom sowie daneben noch etwa 60 andere Teilnehmer. Die Herangehensweisen an das Thema waren durchaus unterschiedlich. Viele Vorträge auf muslimischer Seite konzetrierten sich auf die Frage von Moderne und religiöser Gesellschaft bzw. waren sehr grundsätzlich theologischer Art, während die christlichen Referate auch soziologische, historische, kulturelle und geistliche Perspektiven aufgriffen und auch die Situation in Asien und Afrika eigens in den Blick nahmen. Die Unter­lagen sollten vom Center for International Cultural Studies in Teheran in persischer und englischer Sprache publiziert werden und so ist nur einer der Vorträge greifbar, der von Felix Machado, einer der Vorträge aus christlicher Perspektive. Insgesamt war man in Rom zufrieden, dass es einen Dialog mit Teheran überhaupt gab, aber nicht damit, wie er verlief: zu viel Publikum, zu wenig Zeit für Diskussion. (Man hoffte aber, diese Probleme würden sich bei zukünftigen Dialogen beheben lassen.)186

186 S. Michel, Thomas, IRAN In Tehran, the Muslim-Christian Colloquium on „A Theological Evaluation of Modernity“ (30 October–2 November), Islamochristiana 21 (1995), p. 172, id., Teheran – Iran: Christian-Muslim Colloquium on „A Theological Evaluation of Modernity“ (30 October–2 November 1994), BPCDIR 87 (1994), p. 275 f (im ersten Teil sind die Berichte identisch, der Bericht in BPCDIR fügt noch einen Abschnitt „Meetings and visits“, p.  275 f hinzu), Fitzgerald, Report of the Activities of the PCID: November 1992–November 1995, p.  170, zur Vorbereitung id., P. C. I. D. Dialogue with Muslims since the Last Plenary, p.  43. Damals war ein generelles vorbereitendes Treffen für den November 1992 geplant. Generell scheint ein Interesse der Schiiten zu bestehen, in Kontakt mit dem PCID zu kommen, speziell über Fragen des Nahen Ostens. Als Kardinal Arinze Syrien besucht hatte, war das geistige Oberhaupt der libanesischen Hizbollah eigens nach Damaskus gereist, um den Kardinal zu treffen und dies zu bekräftigen. Was wiederum die erste These bestätigt, die Michel am Ende seines Berichts aufstellt (p. 44): „In its relations with Muslims, the PCID works on the principle that dialogue should also be carried out within situations of ambiguity and even conflict. Dialogue cannot wait until good relations with Muslims are established throughout the world.“ Wobei er sich etwas später schon offen Gedanken macht, wie die Sache mit dem islamischen Fundamentalismus sich verhält: Wird er von den Medien übersteigert, ist es eine vorübergehende Erscheinung der muslimischen Geschichte oder aber ein Ausdruck des ‚wahren‘ Islam? Kontakte speziell in den Iran hatten aber schon wesentlich früher bestanden, so Cuoq, J[oseph M.], Iran: (sic!), BSNC 14 (1970), p. 103 f, der in einem Reisebericht über Kontakte zu interessierten religiösen und universitären Autoritäten berichtet. Als entscheidend schildert er dabei eine freundliche und positive Haltung gegenüber dem Islam und den Muslimen, die eine Atmosphäre von Brüderlichkeit und Zusammenarbeit schaffe. Ergänzend dazu Gardet, L[ouis], A Few Notes on My Journey, BSNC 15 (1970), p. 175–178, der auch die christlich-ökumenische Dimension seiner Begegnungen eindrücklich schildert.

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8.2.1. Die Entwicklung der Moderne im Westen Felix Machado verband in seinem Vortrag den Begriff der Moderne mit dem Begriff der Humanität. Das mit der Aufklärung im 18.  Jahrhundert beginnende Zeitalter sei angetreten, um allen Menschen eine friedliche und soziale Existenz zu sichern und darüber hinaus jedem einzelnen Menschen höchste Würde. In dieser Zeit standen der Mensch, seine Würde und seine Rechte absolut im Mittelpunkt, der Mensch als ganzer sollte befreit werden. Die katholische Kirche allerdings stufte die Aufklärung negativ ein, den von ihr entwickelten Humanismus durchaus eingeschlossen, wobei man auch sehen muss, dass die Vernunft verabsolutiert und auch auf den politischen und religiösen Bereich angewandt wurde und diese Zeit mitnichten von Eintracht und Frieden geprägt wurde, sondern eher von furchtbaren Konflikten und Atheismus. Darüber hinaus erwähnt Machado als Beginn der Moderne noch den Konflikt von 1524/25 zwischen­ Luther und Erasmus um die menschliche Freiheit. Insgesamt sei die Moderne ein eurozentrisches Phänomen mit christlichen Wurzeln, in Gang gebracht durch die gefühlte Notwendigkeit, die Sprache der christlichen Tradition und des scholastischen Denkens zu überarbeiten. Daraus aber entwickelte sich ein scharfes Gegenüber von Glaube und Vernunft. Zufälligerweise falle der Beginn der europäischen Moderne mit dem Beginn des Kolonialzeitalters zusammen, durch die auch Asien von der westlichen Moderne betroffen wurde. Umgekehrt sei Asien immer schon von einer Vielzahl von Kulturen und Religionen geprägt, ein Phänomen, das auch die Moderne betreffe. Die religiöse Harmonie Asiens könne aber nicht einfach mit westlicher Säkularisierung, einem Phänomen der Moderne, gleichgesetzt werden. Es sei das Ideal des asiatischen Ethos und eher mit dem gleichzusetzen, was heute im Westen als religiöser Pluralismus bezeichnet werde. Diese ethnische, kulturelle, religiöse und sprachliche Vielfalt Asiens sei aber immer als Einheit empfunden, ja geradezu als authentisches Zeugnis für das letzte Geheimnis des Lebens verehrt worden. Dagegen wird Säkularisierung oft mit Materialismus gleichgesetzt. Gott scheint für den modernen Menschen, der sich emanzipiert, abgetan zu sein. Religion ist nur noch das Opium des Volkes und deshalb auch dem sozialen, politischen und kulturellen Leben der Gesellschaft entfremdet, deren moralisches und ethisches Verhalten nur noch von ihrer eigenen Autorität abhängt. Die Moderne zelebriere zwar den Tod Gottes, aber der Mensch sei nicht so göttlich geworden, dass er an die Stelle Gottes treten könne.

8.2.2. Asien und die Moderne Durch die kolonialen und postkolonialen Strukturen habe dieses System auch Asien beeinflusst und das Primat der Vernunft und die zentrale Stellung des Individuums und seiner Rechte als eines freien Subjekts hätten die Praxis von Religion in Asien grundlegend verändert. Die Idee der Demokratie und auch die

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Trennung der Religion vom sozialen, politischen und kulturellen Leben habe Asien bereits beeinflusst und das sei bei der Diskussion eines so komplexen Phänomens wie der Moderne zu berücksichtigen. Was aber nicht bedeute, dass das heutige Asien weniger religiös sei, im Gegenteil, die Bindung an die jeweils eigenen Religion sei gewachsen, ebenso wie die Kritik am Westen. Die Menschen Asiens seien nach wie vor der Meinung, Religion sei eine Antwort auf ihre praktischen Nöte und gebe ihnen die nötige Motivation und letzten Sinn im Leben. So könne man sagen, dass Asien den Konflikt zwischen heilig und säkular, Glaube und Vernunft, Staat und Religion vermieden habe. Umgekehrt sei der Einfluss der Moderne nicht nur negativ, er habe auch Hingabe an diese Welt, Humanismus und soziales Bewusstsein gefördert. Die Priorität der menschlichen Person wird nicht nur anerkannt, sondern hochgeschätzt. Trotz aller Traditionen, die Menschen unterdrückten (die Moderne sieht diesen Menschen als Gefangenen eines heiligen Universums), werden die Menschenrechte wichtig und Volksbewegungen gewinnen Unterstützung. Die ausgebeuteten Gruppen sind jetzt selbst zu politischen Kräften geworden. Machado sieht auch Herausforderungen für die Zukunft: Nun, da die Früchte der Moderne geerntet werden können (wissenschaftlich-technisch, politisch und kulturell), ist die Frage der Gerechtigkeit besonders wichtig. Dabei ist der Mensch nicht mehr der Natur und der Tradition unterworfen, sondern Vernunft und Freiheit sind nun zur Norm geworden. Es sei inzwischen auch klar, dass die Moderne nicht unproblematisch ist, dass Wissenschaft und Technologie nicht einfach als neutral übernommen werden können, sondern Auswirkungen auf Gesellschaft, Religion und Kultur haben. Die Moderne setzt eine Demythologisierung und eine Rationalisierung voraus, während es eben vorher ein mythisches Verständnis von einer Mensch-Gott-NaturRealität, einem Anthropotheokosmos gab. Die fundamentalistischen und revolutionären Gegenströmungen würden beide nicht wahrhaben wollen, dass Asien sich unter dem Einfluss der Moderne verändert hat, sondern die Moderne nur als einen Zerstörer der Tradition sehen, als gewaltsames Ereignis für die Menschheit und als einen Feind der Asiaten. Dagegen ist die Moderne den Asiaten selbst unbegrenzt und unkritisch willkommen. Die Folge ist ein totales Durcheinander, ein Zusammenbruch von Familie und Gesellschaft, Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Traditionen, Verlust kultureller Identität, gefährliche ökologische Probleme, Arbeitslosigkeit, Konzentration von Macht und Reichtum, Gewalt im politischen Bereich. Es sei aber wichtig anzuerkennen, dass es bereits eine Umformung der Mentalität gegeben hat und dass die Moderne ein globales, nicht ein rein westliches Phänomen ist. Zu den Zeichen der Moderne gehöre die ungeordnete Verstädterung, das neue Wirtschaftssystem und die Veränderungen durch die Technologie. „Modernity is here to stay in Asia.“187 Das sollte man erken 187 Machado, Felix, A Theological Evaluation of Modernity: An Asian Point of View, BPCDIR 89 (1995), p. 181, s.a. p.176–180.

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nen und von daher die Zukunft im Licht des positiven Einflusses der Moderne gestalten. Ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Moderne und Asien sei­ Japan. Besonders betont Machado, dass Wissenschaft und Technologie nicht von der ihnen zugrunde liegenden Philosophie und Ideologie zu trennen sei. Die Moderne aber sei charakterisiert durch: „primacy and importance accorded to the individual and his rights; separation between the public and private spheres of society, object and subject, and priority given to subjectivity; pluralism and ideology; linear conception of history; relation between science and technology and priority given to its own rationality; political reorganization of society“188. Machado sieht durchaus Probleme darin, dass der emanzipierte Asiate mehr in Europa oder Amerika daheim sei als in seinem Heimatland und dass die politischen, wirtschaftlichen oder gar religiösen Institution aus dem Westen in Asien sehr zerbrechlich seien, betont aber trotzdem, dass alle diese Herausforderungen annehmen und auf eine gemeinsame menschliche Zukunft zugehen müssten. Es ist sehr schade, dass die geplante Gesamtveröffentlichung offensichtlich nicht erfolgte und von daher dieses mehr ostasiatisch geprägte Referat nicht durch andere, mehr auf den christlich-muslimischen Dialog zugeschnittene Beiträge ergänzt werden kann.

8.3. Ein Dialog zur religiösen Pluralität – Fortsetzung nötig Vom 7.–23.6.1999 machten dann der Sekretär des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog sowie der Islambeauftragte einen Besuch im Iran, um den Kontakt mit den Verantwortlichen wieder aufzunehmen im Blick auf die Vorbereitung eines neuen Dialogs. Dieser zweite Dialog fand dann vom 7.–9.2.2000 in Rom statt, und zwar zum Thema: Islam and Christianity Confronted with Religious Plurality. Es gab insgesamt fünf Referate jeder Seite, zur grundsätzlichen Lehre, aber auch zu neueren theologischen Überlegungen zu religiösem Pluralismus und den historischen Erfahrungen damit, zu den Rechten der religiösen Minderheiten in der Islamischen Republik Iran und gemäß der neuesten Lehren des Heiligen Stuhls und zur momentanen Situation und den zukünftigen Perspektiven von Koexistenz und Zusammenarbeit. Man war sich einig, dass das Phänomen des religiösen Pluralismus heutzutage erhöhte Aufmerksamkeit genießt wegen seiner neuen Dimensionen, die wiederum mit der größeren menschlichen Mobilität und dem Fortschritt im Bereich der Kommunikationsmittel zusammenhängt. Ansonsten stellte man inhaltliche Differenzen fest, was die islamische Republik Iran im Gegenüber zu traditionell katholisch geprägten Ländern angeht, und dass etliche Themen noch einer Vertiefung in weiteren

188 Ib. p. 182, s.a. p. 183.

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Treffen bedürften,189 wie auch allgemein ein Austausch von Professoren und Studenten katholischer und islamischer Universitäten viel zu besserem und tieferem gegenseitigen Verständnis beitragen würde. Das ist ein Weg, den der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog ja bereits auf vielfältige Weise beschreitet durch die Partnerschaft mit der Universität Ankara und durch die Stiftung ­Nostra Aetate. Schließlich wollte man den stattgefundenen Dialog auch gemeinsam publizieren, in Italienisch und in Persisch, was sicherlich erst eine wirkliche Auswertung unter anthropologischen Gesichtspunkten möglich machen würde.

8.4. Ein Dialog zur Jugend und viele alte Fragen Vom 11.–12.5.2000 gab es dann ein weiteres Vorbereitungstreffen in Rom, um das Programm und die Modalitäten des nächsten Dialogs festzulegen. Diese dritte Veranstaltung fand vom 18.–20.9.2001 in Teheran statt. Es ging um Jugend und deren Identität und religiöse Erziehung. Beide Seiten stellten Referate zu den Unterthemen vor, als da waren die Identitätskrise der Jugend, deren augenblickliche Hoffnungen, Religion und Identität und schließlich Jugend und religiöse Erziehung. Erwähnenswert (und in gewisser Weise typisch) war, dass die christlichen Referate schriftlich ausgearbeitet und somit zugänglich waren, während die Muslime mit Stichwortzetteln arbeiteten, die den anderen eben nicht zugänglich gemacht wurden. Auf jedes der Referate gab es eine lebhafte Diskussion, wobei die christliche Seite dabei anmahnte, die sogenannten religiösen Minderheiten im Iran sollten ihre heiligen Bücher publizieren und ihre Religion auch anderen vorstellen dürfen, wie dies im Libanon und in den meisten anderen Ländern der Fall sei (wobei die Wahl des multireligiösen und für den Nahen Osten sehr liberalen Libanon sowie die pauschale Nennung anderer Länder selbst dem Außenstehenden nicht unbedingt überzeugend erscheint). Es ist auch generell bezeichnend, dass ein christlich-muslimischer Dialog, der eigentlich über ein ganz anderes Thema geführt wird, doch wieder bei der Frage der Rechte der religiösen Minderheiten und damit bei den jeweils unterschiedlichen Definitionen von Religionsfreiheit landet. Darüber hinaus wird aber auch die Angelegenheit einer breiteren universitären Zusammenarbeit weiterverfolgt durch ein Angebot des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, für Religionsstudenten in Qom Kontakte zu einer oder mehreren katholischen Universitäten herzustellen. Insgesamt einigte man sich auf die Wichtigkeit religiöser Erziehung an den Schulen, um religiöse und ethische Werte bei der Jugend zu fördern und einen authentischen Sinn für Religion zu wecken. Um der Jugend bei ihrer Suche nach Gott 189 S. Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 107 f sowie ders., Rome: Islam and Christianity Confronted with Religious Plurality, 7–9 February 2000, BPCDIR 104/105 (2000), p. 228–229.

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zu helfen, sei Spiritualität sehr wichtig. Außerdem konnte man sich auf die Notwendigkeit einigen, die Rechte der Menschen auf ihren persönlichen Glauben zu fördern in einem Geist von Respekt und Dialog (was immer das dann konkret heißen mag oder eben auch nicht) und darauf, dass man auf diesem Weg des Dialogs weitermachen wolle, um größeres Verständnis und größere Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen zu fördern190. Es wäre sicher hochinteressant, die Einzelheiten des Dialogverlaufs genauer verfolgen und analysieren zu können, nur aus genannten Gründen eben bedauerlicherweise nicht möglich.

9. Islamic-Catholic Liaison Committee 9.1. Die Schaffung des Islamic-Catholic Liaison Committee Nachdem das informelle Liaison Committee, an dem neben dem PCID auch der ÖRK, die World Muslim League, der World Muslim Congress und die World­ Islamic Call Society beteiligt gewesen waren, mehr oder weniger eingeschlafen waren, unternahm man vonseiten des PCID im Februar 1993 einen Vorstoß in Jeddah und traf die Verantwortlichen der World Muslim League und auch der Organisation der islamischen Konferenz. Daraus entstand eine kleine Tagung der Beteiligten im Juni 1994, um den Entwurf zur Conference on Population and Development in Kairo zu diskutieren. Daraus entstand wiederum der Wunsch nach weiteren Kontakten und am 22.6.1995 wurde anlässlich der Einweihung der Moschee in Rom das Abkommen zur Einsetzung eines sogenannten Islamic-Catholic Liaison Committee unterzeichnet, das die Verbindung herstellt zwischen dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und vier wichtigen internationalen islamischen Organisationen, der World Muslim League, dem World Muslim Congress, dem Conseil Islamique Mondial pour la Da’wa et le Secours­ Humanitaire und der I. S. E. S. C. O., also dem islamischen Ableger der UNESCO. Es wurde festgelegt, dass sich dieses Kommittee mindestens einmal jährlich treffen sollte, abwechselnd auf Einladung der einen oder der anderen Seite, um ein Thema zu diskutieren, das für Christen und Muslime von Bedeutung ist, und den Stand der Beziehungen zwischen Christen und Muslimen weltweit unter die Lupe zu nehmen. Am Ende solle es jeweils eine gemeinsame Presseerklärung in englischer und arabischer Sprache geben. Teilnehmen sollten von jeder Seite theoretisch sechs Personen, mit der Tendenz, mehr Muslime einzuladen. Von katholischer Seite aus sollten vier Vertreter der Kurie teilnehmen, konkret des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog und der zweiten Sektion des 190 S. Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p.  108 u. ders., Tehran, Iran: The Third Colloquium, 18–20 September 2001, BPCDIR 108 (2001), p. 406–407.

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Staatssekretariats, sowie ein Experte und ein Vertreter der jeweiligen lokalen Kirche. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass es sich bei dem Unternehmen um eine hochrangige und repräsentative Sache von beiden Seiten handelt. Die vatikanische Seite fordert die Mitglieder des PCID bei der nächsten Vollversammlung ausdrücklich dazu auf, die Dinge zu benennen, die sie die Muslime wissen lassen möchten, damit diese dann an das neu gegründete Liaison Committee weitergegeben werden können. Gleich am nächsten Tag gab es ein Treffen mit World Muslim League, World Muslim Congress, International Islamic Council for Da’wa und Vertretern der Al-Azhar zur Frage der Stellung von Frauen in der Gesellschaft in Vorbereitung zur UN-Konferenz zur Frauenfrage im September 1995 in Peking. Es gab sowohl Übereinstimmungen als auch Abweichungen in den geäußerten Meinungen. Insgesamt bekräftigte man die Notwendigkeit, die Würde, Rolle und Rechte der Frauen in der Gesellschaft anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen zu treffen und bedauerte, dass der Vorentwurf für Peking dies positive Rolle der Religionen dabei nicht berücksichtige.

9.2. Das erste Treffen in Kairo – Themen können nur angerissen werden Das erste Treffen des Liaison Committee fand am 30.5.1996 in Kairo statt und wurde von muslimischer Seite aus vom International Islamic Council for Da’wah and Humanitarian Relief organisiert. Es ging um drei Themen, die alle anthropologische Fragestellungen zumindest berührten: die Beziehung zwischen Gerechtigkeit und menschlicher Würde (wobei auffällt, dass als Erstes die Gerechtigkeit genannt wird noch vor der Menschenwürde, was offensichtlich auf den Einfluss muslimischer Gewichtung zurückzuführen ist), ferner Umwelt und menschliche Sicherheit und schließlich Armut und humanitäre Hilfe. Dass diese Themen an einem Tag nicht erschöpfend behandelt werden konnten und es nur zu allgemeinen Resolutionen kam, versteht sich fast von selbst. Man war sich einig, dass alles in die Zuständigkeit staatlicher und religiöser Institutionen falle und dass gemeinsame Studien und Zusammenarbeit nötig seien, um diese Probleme effektiv anzugehen, z. B. die Armen mit grundlegenden Notwendigkeiten wie Obdach, Gesundheit und Essen zu versorgen. Experten sollten spezialisierte Treffen im Themengebiet vorbereiten. Bei der Gelegenheit gaben auch alle Teilnehmer ihrer Betroffenheit über die Ermordung der sieben Mönche in Algerien Ausdruck und verurteilten jegliche Gewalt im Namen der Religion aufs Schärfste.

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9.3. Das zweite Treffen in Rabat: viele heikle Punkte Das nächste, hochrangige Treffen vom 18.–20.6.1997 in Rabat wurde von der katholischen Seite organisiert, und zwar bewusst in einem islamischen Land und bewusst zwei Tage länger und das für nur zwei Themen: Wie Muslime und Christen übereinander sprechen und über Minderheitenrechte (um die man sich annehmen wollte – vom Verständnis her und auch praktisch). Im Gespräch ging es um viele heikle Punkte wie Gewissensfreiheit, Gegenseitigkeit und Mischehen, wobei die abschließende Presseerklärung alle diese Fragen vermied und von daher auch als „very anodyne“191 bezeichnet wurde.

9.4. Das dritte Treffen: sehr anthropologische Themen Das dritte Treffen (wenn man die Unterzeichnung in Rom mitzählt, das vierte) des Kommittees fand vom 17.–18.7.1998 in Kairo statt und wurde wiederum von den Muslimen organisiert. Es ging um dezidiert anthropologische Fragestellungen, und zwar wieder in sehr typischer Ausformung  – und Reihenfolge: 1. Pflichten von Mann und Frau in Familie und Gesellschaft 2. Menschenrechte und -pflichten 3. Die Rechte des Kindes in Familie und Gesellschaft. Dass in diesem Bereich als erstes die Frage nach den Pflichten steht (und nicht etwa nach den Rechten) zeigt deutlich islamischen Einfluss, verstärkt noch dadurch, dass sie präzisiert werden nach Mann und Frau sowie nach Familie und Gesellschaft, was bereits suggeriert, dass diese Pflichten für Mann und Frau unterschiedlich ausfallen werden, was beide Bereiche angeht, was ja gerade eine islamische Grundannahme ist. Sozusagen erst nach Abklärung dieser Frage wird gefragt, darf gefragt werden nach den Menschenrechten, aber auch diese ergänzt um die Pflichten des Menschen. Nur um die Rechte schließlich geht es bei den Kindern – wohl weil es hier von beiden Religionen noch nichts oder noch nicht 191 Akasheh, Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, p. 214, s.a. p. 213 u. ders., Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 105, ferner Press Statement of the 1st Meeting (22 June 1995), Islamochristiana 21 (1995), p. 178, zur Vorgeschichte Fitzgerald, Report of the Activities of the PCID: November 1992–November 1995, p. 171, wo er an anderer Stelle (p. 180) zu den Auswirkungen interreligiöser Beziehungen auf die ökumenischen Beziehungen folgendermaßen beschreibt: „It can surely be said that relations with people of other religions is a spur to ecumenism, both in so far as it brings out the urgent need for overcoming the divisions among Christians, and also as it leads us to see in a clearer light the really essential elements of our faith.“ Zu den weiteren Treffen Press Statement of the 2nd Meeting (28 (sic!) June 1995), Islamochristiana 21 (1995), p. 178, EGYPT The 2nd Meeting of the Islamo-Catholic Liaison Committee (30 May 1996), Islamochristiana 22 (1996), p.  209, MOROCCO The Third Meeting of the Islamo-Catholic Liaison Committee (Rabat, 18–19 June 1997), Islamochristiana 23 (1997), p. 223–224.

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sehr viel gefordert wird und v. a. weil man hier in der modernen Gesellschaft als einem sozusagen gemeinsamen Gegenüber die Gefahr sieht, dass die Kinder vernachlässigt werden, sei es in den Familien, sei es in der Gesellschaft als ganzer. Dies kann aber aus den Themen für die vorgelegten Papiere nur geschlussfolgert, nicht aber bewiesen werden, denn die Presseerklärung spricht nur ganz allgemein und sozusagen en passant von Divergenzen, um dann nachdrücklich auf die gemeinsamen Werte zu verweisen, wobei drei besonders betont werden: Die menschliche Würde, die vom allmächtigen Gott komme und die Quelle der menschlichen Rechte und Pflichten sei. An diese Aussage schließt sich sogleich folgender Satz an: „These are correlated and complementary for the realization of the Divine will.“192 Weiter sehen beide in der auf die Ehe gegründeten Familie die Grundeinheit der Gesellschaft und für beide hat das Kind ein Recht auf Leben, auf eine gute familiäre Umgebung, auf Erziehung und religiöse Unterweisung. Die Presseerklärung schließt mit einem Appell an die Medien, religiöse und moralische Werte zu respektieren und zu fördern sowie mit der sozusagen üblichen Erklärung, man werde weitermachen, in diesem Fall sogar mit dem Ziel einer konkreten Zusammenarbeit auf lokaler oder internationaler Ebene, um diese Prinzipien auch in die Tat umzusetzen. Bezeichnend ist im Gegenüber zur offiziellen Erklärung wiederum die Einschätzung des Islambeauftragten innerhalb des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog: „There was not much exchange on these subjects, and even less on questions of common interest, as had been foreseen. the atmosphere was however relaxed, and there was a growth of mutual understanding, respect and friendship. This is perhaps the real, if humble, contribution of these meetings.“193 Das wäre sozusagen ein Fortschritt auf menschlicher Ebene zwischen allerhöchsten Vertretern auf beiden Seiten, wenn schon ein Fortschritt bei den anthropologischen Fragestellungen nicht möglich scheint.

9.5. Das vierte Treffen: die Dialogkultur und religiöse Werte Das vierte (bzw. nach anderer Zählung fünfte) Treffen fand vom 1.–3.7.1999 in Paris statt zu den Fragestellungen, wie man in der jetzigen Generation eine Kultur des Dialogs formen könne und was man gemeinsam tun könne, um dauerhafte religiöse Werte in einer sich ändernden Weltordnung zu unterstützen, also anders gesagt ging es um ‚den dritten Weg‘. Was ersteres betreffe, so sei es zunächst wichtig, über die Natur des Dialogs selbst Klarheit zu gewinnen, dahingehend, dass er alle Formen der Begegnung umfasse, die gegenseitiges Ver 192 Cairo-Egypt: Annual Meeting of the Islamic-Catholic Liaison Committee, 17–18 July 1998, BPCDIR 99 (1998), p. 342. 193 Akasheh, Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, p. 214.

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ständnis und gegenseitigen Respekt förderten. Eine Kultur des Dialogs sollte auf wachsendem gegenseitigen Vertrauen aufgebaut sein, um Gerechtigkeit herstellen, Frieden fördern, Respekt für die Menschenwürde sichern und ein sicheres Zusammenleben der menschlichen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit verwirklichen zu können. Dazu sollte diese Kultur des Dialogs u. a. auf der Erfüllung von (göttlichen) ethischen Prinzipien beruhen. Was die religiösen Werte angeht, so sollten sie v. a. die politischen Führer leiten bei ihrem Versuch, eine Weltordnung herzustellen, die das Gute für alle Menschen sicherstellt. Und wieder appellieren beide Seiten am Ende an die Medien, was die Förderung von religiösen Werten und einer Dialogkultur angeht.194 Diese Themenstellung hat sicherlich auch ihre anthropologischen Elemente, alldieweil es um den Dialog zwischen Menschen und den Aufbau eine Kultur des Zusammenlebens geht, in der bestimmte Werte als dauernd wichtig eingestuft werden. Offensichtlich sind sowohl die Förderung von Dialog an sich als auch die Förderung von ethischen Werten weniger umstritten, da sie eine praktische Ebene darstellen, als die Nachfrage, was genau diese Werte jeweils für beide Seiten sein könnten und wo nicht nur die Überschneidungen, sondern eben auch die Differenzen liegen, gerade auch, was das Idealbild vom Menschen und seinem Verhalten angeht.

9.6. Die Entwicklung: weniger Themen, mehr Diskussion Vom 4.–5.7.2000 in Kairo ging es um die Rechte und Pflichten von Bürgern nach Christentum und Islam. Vom 21.–22.2.2001 wurde ein außerordentliches Treffen in Rom nötig, bedingt einerseits durch die Lage im Heiligen Land, andererseits durch die Situation der Muslime in Europa. Beim nächsten regulären Treffen vom 3.–4.7.2001 in Rom ging es um die Rolle der Religion im Dialog der Kulturen in der Ära der Globalisierung. Die Referate hielten P. Joseph Ellul op und Dr. Hamid bin Ahmad al-Rifaie, der Präsident des International Islamic Forum for Dialogue. Nach den Gesprächen einigte man sich darauf, dass die Zivilisationen ein gemeinsames Erbe der Menschheit sind. Ihre positiven Elemente sollten bewahrt und ihre Vorteile allen zugänglich gemacht werden. Sie sollten auch entwickelt und gefördert werden im Interesse der Sicherheit und des Wohlergehens der gesamten menschlichen Gesellschaft. Außerdem bestätigten beide, dass religiöse Werte der Ausgangspunkt sein sollten, von dem aus die Menschheit dazu gebracht werden sollte, die menschliche Würde zu bewahren und das friedliche Zusammenleben zwischen den Völkern und den Schutz der Umwelt zu fördern. Auch wurde die Wichtigkeit des Dialogs zwischen Zivilisationen betont 194 S. Paris, France: Islamic-Catholic Liaison Committee, 1–3 July 1999, BPCDIR 102 (1999), p. 345 f u. Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 106.

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für die gegenseitige Kenntnis und für einen gemeinsamen Einsatz in Harmonie und Frieden, um die menschlichen Gesellschaften vor Katastrophen, Armut, Unwissenheit, moralischem Abstieg, dem Zerbrechen der Familie, Kriegen und der Auswirkung der Massenvernichtungswaffen bewahren. Was abgelehnt wird, ist die These vom unausweichlichen Kampf der Zivilisationen und dem gesellschaftlichen Konflikt. Die Globalisierung und ihre Vorteile sollten als wichtig erkannt werden, aber man müsste auch auf ihre Gefahren für die Verwirklichung einer gerechten Weltordnung, ja für die Akzeptanz von gerechten Kriterien für das Erreichen des Wohlergehens aller und für den Respekt vor religiösen und kulturellen Werten in menschlichen Gesellschaften aufmerksam machen. So will man zusammenarbeiten, um die Kultur des Dialogs weiter zu verbreiten und einen Geist der Verantwortung für die Gesellschaft zu fördern, um der Konsumgesellschaft zu widerstehen, um menschliche Würde und Menschenrechte zu bewahren, Aggression, Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu verhindern, um die Rechte der Flüchtlinge auf eine Rückkehr in ihre Heimat zu sichern und jeder Form von Diskriminierung gegen Menschen entgegenzutreten. All diese Prinzipien sollten durch die Massenmedien, durch Erziehungs- und Kulturinstitute und andere erreichbaren Kanäle kommuniziert werden. Für den 12.–13.7.2002 wurde ein Treffen auf muslimische Einladung hin geplant, in London oder Stockholm. Außerdem gab es auf Initiative von Mons. Michael Fitzgerald nach den Attentaten des 11. September eine gemeinsame Erklärung, erstellt von den beiden Sekretären, die diese Gewalttaten verurteilte. Insgesamt, das wurde hier auch deutlich, beschloss man im Verlauf der Jahre, der Diskussion mehr Raum zu geben und sich deshalb auf ein Thema und jeweils ein Referat von christlicher wie von muslimischer Seite zu beschränken. Wie schon nach einzelnen Veranstaltungen festzustellen, ist die Diskussion in der Regel offen und freundschaftlich, aber eben auch nicht ohne Schwierigkeiten. Einheit herrscht, wenn es um die Zusammenarbeit zur Verteidigung der großen Werte der Menschheit geht, Spannungen gibt es, wenn es um die spezielle Situation von Ländern geht, in denen die Christen verfolgt werden. Schwierigkeiten gibt es auch, will man vertieft an Grundsatzfragen arbeiten, wie eben eine Kultur des Dialogs zu schaffen sei, oder aber an prinzipiellen Fragen wie der der Freiheit zum Religionswechsel. Trotz dieser Schwierigkeiten wachse generell das Dialogbewusstsein und auch das Bewusstsein des dafür nötigen Einsatzes und der Austausch zwischen den Mitgliedern werde gleichzeitig freier und tiefer.195 Es scheint, als seien gleichzeitig sehr viel 195 Nach Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 105 f; Michael Fitzgerald fand persönlich noch offenere Worte bei einem Treffen, das in Reaktion auf den 11. September vom International Islamic Forum for Dialogue zusammen mit dem World Muslim Congress einberufen worden war: „To condemn and to show sympathy is how­ever not enough. There is a need to analyse the causes and the consequences of the events of 11 September. If this can be done together, the better it will be. Hence the importance of our meeting these days.“ Es gehe, wie auch die Tagesordnung zeige, um die Notwendigkeit, mensch-

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Geduld und Bescheidenheit nötig, um mit einer schwierigen Situation umzugehen, in der große und wohl sehr grundsätzliche Unterschiede in der Sicht auf den Menschen und seine Freiheiten wirklich nicht zu leugnen sind.

9.7. Erstaunliche Einigkeit zum Heiligen Land: Zwei-Staaten-Lösung Aber es gibt auch Situationen, in denen man sich ganz offensichtlich einig ist, wie die gemeinsame Stellungnahme zur Situation im Heiligen Land am 21.4.2002 zeigt. Es könne allen nur um die Schaffung eines gerechten und dauerhaften Friedens gehen. Konkret geht es um ein sofortiges Schweigen der Waffen, um Menschenleben zu retten, besonders unschuldige Kinder, Frauen und Alte. Außerdem wird gemeinsam appelliert, doch nicht länger die Lebensgrundlagen von Menschen zu zerstören, also beispielsweise Pflanzungen abzuholzen. Auch in einem bewaffneten Konflikt sollten Menschen Zugang zu Wasser, Nahrung, medizinischer Versorgung und anderen Lebensnotwendigkeiten haben. Es läuft auf ein Plädoyer für zwei unabhängige Staaten hinaus mit der flankierenden Begründung, Gewalt könne nur Gewalt hervorbringen und Dialog sei der einzige Ausweg aus der momentanen Situation und hin zu Freiheit, Sicherheit und Frieden für alle, eben im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung. Wie öfter an anderer Stelle wird der konkrete Einsatz für den Frieden parallel gesehen zum Gebet um den Frieden, der doch als erstes Gabe Gottes ist.196 Sozusagen überlagert damit die theologische Komponente die anthropologische, ohne sie jedoch auszuschalten.

liches Leben zu schützen, um die Definition von Terrorismus im Gegenüber zu legitimer Selbstverteidigung, um die Notwendigkeit von Gerechtigkeit als Grundlage von Frieden, um die Rolle der Medien bei der Beeinflussung der Gesellschaft und um die Möglichkeiten von Zusammenarbeit im humanitären Bereich, die ihm offensichtlich besonders am Herzen liegt. Hier geht es ihm darum, Religion vor Manipulation zu bewahren, aber auch um Erziehung zu gegenseitigem Respekt und v. a. gemeinsamen Dienst an der Menschheit: Konfliktprävention, gemeinsames Handeln zur Beschränkung des Waffenverkaufs und der Entwicklung und des Einsatzes von chemischen und biologischen Waffen, eventuell bei Hilfsprogrammen für Flüchtlinge, und besonders beim Wiederaufbau der Kriegsgebiete und noch mehr bei der Stärkung der Zivilgesellschaft, denn der Wiederaufbau des Vertrauens zueinander sei die allerwichtigste Voraussetzung für alles andere (Fitzgerald, Michael L[ouis], Cairo-Egypt: Cairo Encounter, 28–29 October 2001, BPCDIR 109 (2002), p. 156, s.a. p. 157). Zu der normalen Tagung im Juli s. Al-Sharif, Kamel/Arinze, Francis, Religion and the Dialogue of Civilizations in an Era of Globalization (Islamic-Catholic Liaison Committee), BPCDIR 108 (2001), p. 325 f. 196 So Fitzgerald, Michael L[ouis]/Al-Rifaie, Hamid A., Islamic Catholic Liaison Committee: Joint Declaration on the Present Situation in the Holy Land (21st April 2002), BPCDIR 110 (2002), p. 192.

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9.8. Menschenwürde und -rechte in bewaffneten Konflikten Das neunte Treffen mit den vier islamischen Organisationen World Muslim­ League, World Muslim Congress, International Islamic Council for Da’wa and Relief und Islamic Educational Scientific and Cultural Organisation fand vom 19.–20.1.2004 im Vatikan statt. Chef der muslimischen Delegation war Al-Rifaie, Präsident des International Islamic Forum for Dialogue in Jiddah. Thema des Treffens waren Menschenwürde und Menschenrechte in bewaffneten Konflikten. Man einigte sich dabei darauf, dass die Menschenwürde eine Gabe des allmächtigen Gottes ist. Deshalb fordern beide zu beständigem Gebet für den Frieden auf und bestätigen, dass Gerechtigkeit und Frieden die Basis für Beziehungen und jegliches Handeln zwischen Menschen sind. Gemeinsam wird auch appelliert, alle Konflikte und jede Aggression gegen die Sicherheit und Stabilität von Völkern sofort zu beenden. Beide bestätigen das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, sodass menschliches Leben geschont wird, besonders das unschuldiger Menschen, von Kindern, Frauen, älteren und behinderten Menschen. Beide fordern auf zu vollem Respekt für humanitäres Recht und die Rechte der Zivilbevölkerung und der Gefangenen in bewaffneten Konflikten und dass außerdem niemandem der Zugang zu Wasser, Nahrung, Medikamenten und medizinischer Hilfe verwehrt werden dürfe. Außerdem wird appelliert, die Infrastruktur zu erhalten, also Besitz, Häuser, Bäume, Tiere und alles Lebensnotwendige. Basis für diesen Appell sind religiöse Werte und die Notwendigkeit, internationale Konventionen einzuhalten. Auch gottesdienstliche Orte sollten respektiert werden und es sollte im Frieden und im Krieg ein Recht auf Gottesdienst geben. Aus der Überzeugung heraus, dass Gewalt nur Gewalt hervorbringt, sollte diese Spirale der Gewalt durch eine Kultur des Dialogs aufgebrochen werden. Nur so lasse sich Gerechtigkeit und Frieden zwischen Menschen und Gesellschaften verwirklichen und deshalb ermutige das Islamic-Catholic Liaison Committee dazu.197 Auch hier zeigen sich wieder Übereinstimmungen mit anderen, ähnlich gelagerten Dialoggremien.

197 Nach Fitzgerald, Michael L[ouis]/Al-Rifaie, Hamid bin Ahmad, Vatican City: 20 January 2004 Joint Declaration of the Islamic-Catholic Liaison Committee, BPCDIR 115 (2004), p. 37–38.

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10. Gemeinsames Dialogkomitee mit der Al-Azhar-Universität 10.1. Die ersten Kontakte zur Al-Azhar-Universität Die ersten Kontakte nach Kairo waren sehr früh, bereits im Dezember 1970, als das dortige Supreme Council for Islamic Affairs zu einem offiziellen Besuch nach Rom kam, der vom 9.–16.9.1974 von Kardinal Pignedoli und zwei seiner Mitarbeiter erwidert wurde. Dabei ging es u. a. um Frieden, Zusammenarbeit und das neue Dialogklima, ausdrücklich nicht um theologische Fragen und auch nicht um Politik, also v. a. die Palästinafrage, aber sehr wohl darum, dass Glaube nicht nur aus Worten, sondern auch aus Handeln bestehe. De facto wurde sehr viel über das Verhältnis der Jugend (es waren ja noch die Zeit der Jugendrevolten) zum Glauben gesprochen und wie diesen Problemen und kritischen Fragen positiv zu begegnen sei, damit die Jugend nicht dem Atheismus verfalle. Es erwies sich, dass die Situation auf islamischer Seite wesentlich weniger kritisch war (der Glaube an Gott sei zu tief in jedem Moslem verwurzelt, als dass eine Gottist-tot-Theologie denkbar sei), die islamische Geistlichkeit auch wesentlich weniger mit solchen aktuellen Fragen beschäftigt, dafür aber umso ängstlicher. Die katholischen Gesprächspartner waren zumindest teilweise selbstkritisch in dem Sinn, dass die Jugend nicht gegen den Glauben an Gott selbst revoltiere, sondern gegen vieles, was die Menschen fälschlicherweise drumherum gemacht hätten, und dass es wichtig sei, eine Form zu finden, die sie in ihren spirituellen Bedürfnissen anspreche. Hier sahen die Muslime viel schneller und direkter den wahren Glauben an den wahren Gott gefährdet und die Ursache v. a. bei den Familien – ohne intaktes Familienleben könne es bei den Jugendlichen keinen intakten Glauben geben. Doch die Gespräche selbst fanden insgesamt in einem Klima großer Offenheit und großen Respektes, ja sogar der Herzlichkeit, der Freundschaft und Brüderlichkeit statt, wie man später formulierte. Schon beim ersten Gespräch in Rom gab es die klare Intention, von nun an regelmäßig Kontakte zueinander zu pflegen in allen Fragen, die die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen betreffen, und dafür jeweils einen Repräsentanten zu benennen. So ist es kein Wunder, dass es schon vom 11.4.–14.4.1978 zu einem erneuten Besuch Kardinal Pignedolis und einer vatikanischen Delegation in Kairo kam. Es gab ein Zusammentreffen mit den religiösen und akademischen Würdenträgern der Al-Azhar-Universität und erstmals eine gemeinsame Verlautbarung über die insgesamt drei gemeinsamen Sitzungen. Wieder steht die Suche nach einem Heilmittel gegen Materialismus und Atheismus im Vordergrund, doch auch die Zusammenarbeit gegen Rassendiskriminierung und überhaupt alle Verbrechen gegen den Menschen als solchen wird als nötig angesehen. Gerade im Kampf gegen den Atheismus und für den Frieden betont man die gemeinsamen religiösen Werte, allen voran Gerechtigkeit, Liebe, Respekt vor dem Recht auf Leben und

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den Menschenrechten. Nur der Weg des Gehorsams Gott gegenüber könne helfen, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme zu lösen. Aus islamischer Sicht habe Gott die Menschen ausdrücklich geschaffen, damit sie sich gegenseitig helfen in allen guten Dingen und in der Gerechtigkeit, um so Frieden zu erreichen. Fanatische Tendenzen als Gefahr für den Frieden werden zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht gesehen, man ist völlig konzentriert auf den Atheismus als Gefahr und sieht in der Entfernung von religiösen Werten den Grund für die typischen Probleme moderner Gesellschaften wie Hektik, Unordnung und Orientierungslosigkeit. Christen wie Muslime könnten durch ihre jeweiligen religiösen Werte gut zusammenarbeiten und mithelfen, dass sich die Wünsche der Menschheit nach Wohlergehen, Frieden und Glück erfüllten. Engere Kontakte und eine wissenschaftliche Zusammenarbeit werden dazu ins Auge gefasst. Eine der ersten Amtshandlungen von Kardinal Pignedolis Nachfolger, dem Belgier Mgr. Jean Jadot, war ein Besuch in Kairo, um diese Kontakte zur Al-Azhar zu erneuern. Auch dessen Nachfolger Kardinal Arinze machte Anfang Februar 1989 sowie im Mai 1995 einen Besuch beim Sheikh Al- Azhar.198 Seitdem gab es zwischen dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und der renommierten islamischen Al-Azhar-Universität, genauer gesagt deren Permanentem Kommittee für den Dialog mit den monotheistischen Religionen, Kontakte im Blick auf die Schaffung eines gemischten Komitees für den Dialog. Vertreter der Al-Azhar waren auch bei den Treffen im Juni 1996 in Rom anwesend. Während des Treffens des Catholic-Islamic Liaison Committee in Kairo 1996 kam der frisch ernannte Sheikh al-Azhar Dr. Mohammed Sayed Tantawi in Person ins Büro des Päpstlichen Nuntius, um Kardinal Arinze, den Präsidenten des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, zu treffen und seine Zustimmung zur Schaffung eines solchen gemischten Komitees mitzuteilen, die schon unter seinem Vorgänger diskutiert worden war.

198 So Fitzgerald, The Secretariat for Non-Christians Is Ten Years Old, p. 90 und sogar noch ausführlicher id., Twenty- five Years of Dialogue, p. 111.113.119, außerdem Visit of Cardinal Arinze to Egypt (3–10 February 1989), Islamochristiana 15 (1989), p. 190. Ein zeitnaher Bericht dieses ersten Treffens ist Lanfry, J., Rome-Vatican: Muslim Delegation at the Secretariat, BSNC 16 (1971), p. 41–44, mit der christlichen Selbstbesinnung (p.44): „when we do act, let us remain men of faith. We must not be believers only when we pray, and mere technicians and administrators when it comes to doing something.“ Der Gegenbesuch ist ausführlich beschrieben unter Visite du Secrétariat pour les Non-Chrétiens au Conseil Suprême pour les Affaires Islamiques, BSNC 28/29 (1975), p. 174–180. Die gemeinsame Stellungnahme findet sich unter Rencontre islamo-chrétienne du Caire: 12–13 avril 1978, BSNC 38 (1978), p. 157–160.

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10.2. Das Gründungsabkommen Das Abkommen zur Schaffung dieses Komitees wurde schließlich am 28.5.1998 in Rom von beiden Seiten unterzeichnet. Das Abkommen umfasst gut zwei Seiten, die sich in elf kurze Paragrafen unterteilen. Ausgangspunkt des Dokuments und des gesamten Prozesses ist die Notwendigkeit einer genauen Kenntnis und eines richtigen Verständnisses der Glaubensinhalte und der Praxis der jeweils anderen Religion. Auch und gleich an zweiter Stelle soll es darum gehen, dass die Religionen in den menschlichen Gesellschaften ihre Rolle spielen können, was die Förderung von Brüderlichkeit, Solidarität, Zusammenarbeit, Gerechtigkeit und Frieden angeht sowie die Lösung von Fragen im Zusammenhang mit dem Wohl der ganzen Menschheit und den gemeinsamen Kampf gegen religiösen Fanatismus. Sehr ausführlich geht das Dokument auch auf seine eigene Vorgeschichte ein, vom Besuch einer Delegation des damaligen Sekretariats für die Nichtchristen an der Al-Azhar, über den Austausch von Briefen, die teilweise bis ins Detail ausgeführt werden, bis hin zu den gemeinsam besuchten Gesprächen und Kolloquien. Nun also sollen diese Beziehungen noch verstärkt und die bisher erreichten Ergebnisse noch gesteigert werden. Arbeitsbereich des gemischten Komitees ist die Forschung zu gemeinsamen Werten, die Förderung von Gerechtigkeit, Frieden und Respekt für die Religionen. Es soll den Austausch fördern über Themen von gemeinsamem Interesse wie die Verteidigung der Menschenwürde und der Menschenrechte und die Förderung der gegenseitigen Kenntnis und des Respekts voreinander, also Ziele mit auch ausgeprägt anthropologischem Charakter. Bei alldem soll das Komitee seine eigene Methode der Zusammenarbeit entwickeln, festgelegt werden zunächst nur maximale Größe, Zusammensetzung und Vorsitz sowie der jeweils diesbezüglich notwendige Informationsprozess sowie mindestens ein jährliches Treffen, wobei Reise- und Unterbringungskosten von den Delegationen selbst getragen werden. Weitere Treffen, beispielsweise um die Tagesordnung der jährlichen Treffen festzulegen, sind aber möglich. Auch Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit werden gleich verbindlich festgeschrieben: Es wird am Ende eines jeden Treffens eine Presseerklärung geben. Ohne Zustimmung beider Seiten wird es keinerlei öffentliche Information über dem Komitee vorgelegte Papiere geben.199 Das lässt darauf schließen, dass die Informationen insgesamt eher spärlich fließen könnten und manches Interessante und Kontroverse unter Verschluss bleiben könnte.

199 Nach Akasheh, Report on the Activities of the PCID: Relations with Muslims, p. 214 f u. Cité du Vatican: Accord entre le Conseil Pontifical pour le Dialogue Interreligieux et le Comité Permanent d’Al-Azhar al-Sharif pour le Dialogue avec les Religions Monothéistes, 28 mai 1998, BPCDIR 99 (1998), p. 338–340.

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10.3. Die Entwicklung der Zusammenarbeit: trotz Schwierigkeiten immer besser Das erste Komitee ist prominent besetzt, vonseiten des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog dessen Präsident und Vizepräsident, vonseiten der al-Azhar der emeritierte Assistent des Großen Imams und der Vizepräsident des Permanenten Komitees für den Dialog mit den monotheistischen Religionen. Es fanden statt das jährliche Treffen am 13.–14.4.1999 in Kairo, desgleichen am 28.3.2000 in Rom und ein außerordentliches Treffen am 6.7.2000 in Kairo. Nach dem historischen Besuch von Papst Johannes Paul II an der al-Azhar beschloss man, den Tag dieses Besuchs, den 24.  Februar, zum ‚Tag des Dialogs‘ und der jährlichen Treffen zu erklären. Also fand ab 2001 das jährliche Treffen jeweils am 24.2. statt. 2001 in Kairo wurde schon eine Art Rückblick auf das bisher positiv Erreichte gehalten (v. a. eine gemeinsame Erklärung zum Balkan und v. a. zum Kosovo), außerdem kam es dabei am Ende zu einer gemeinsamen Erklärung zur Lage im Nahen Osten. Das gemischte Komitee zog eine Bilanz der menschlichen Situation, die sich aus dem Konflikt im Heiligen Land ergeben hatte, und drückte sein Erschrecken aus angesichts der immer zahlreicheren Opfer an Menschenleben, der Verletzten, der materiellen Schäden, der Zerstörung von lebenswichtigen Einrichtungen und Dingen und anderer Leiden in der Bevölkerung (besonders, so wird betont, in den unrechtmäßig besetzten Gebieten), seine Nähe und Solidarität gegenüber allen Opfern und deren Familien sowie die Hoffnung auf einen Frieden, gegründet auf Gerechtigkeit und internationale Legitimität. In diesem Zusammenhang appellierte das Komitee auch an die religiösen Führer, dass die wahre Basis des Friedens eben die Gerechtigkeit und der gegenseitige Respekt seien. Jeder Versuch, die Situation (besonders, was die Heiligen Stätten in Nazareth betrifft, sprich die Moschee, über die es vorher schon einen intern als ausdrücklich positiv bewerteten Briefwechsel gegeben hatte) auszunutzen, um Trennung und Uneinigkeit zwischen Christen und Muslimen zu säen, wird verurteilt, wie überhaupt jeder Angriff auf die Religionsfreiheit, wobei es wieder einmal besonders um Jerusalem und seine Heiligen Stätten und den Zugang zu ihnen200 200 Nach Déclaration commune d’Al-Azhar et du Conseil pontifical pour le Dialogue interreligieux sur la situation au Moyen-Orient, BPCDIR 107 (2001), p. 193 u. Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 106 f; s. dazu auch Arinze, Francis, Visit to Jerusalem: 26 Feb.–3 March 2001, BPCDIR 107 (2001), p. 264–266, das wie auch die Dialogkonferenzen zu Jerusalem (s. u.) das vielfältige Engagement des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog für das Heilige Land belegt, aber auch zeigt, wie nötig und schwierig ebendieses ist, wird doch hier beispielsweise offen gesagt, dass der Anteil der christlichen Bevölkerung auf ganze 1,5 Prozent gesunken ist – damit dürfte jedem klar sein, dass die Zahl der Christen im Land in keinerlei Beziehung mehr steht zum Gewicht der christlichen Stätten im Heiligen Land und damit zur ‚gefühlten Christlichkeit‘ dieses Landes. Dass dieses Engagement nicht ohne Problematik war und dass gerade der Dialog mit den Muslimen von Anfang an in

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geht – alles in allem ein traditionell schwieriges Pflaster, bei dem auch in dieser gemeinsamen Erklärung die Linien durchgehalten werden, wie sie sonst von päpstlichen Stellungnahmen bekannt sind, den Blick besonders auf das menschliche Leid eingeschlossen. Besonderheiten einer Stellungnahme mit Muslimen sind das ausdrückliche Eingehen darauf, dass eben nicht Trennung und Uneinigkeit zwischen Christen und Muslimen heraufbeschworen werden sollten, und die ausdrückliche Bezeichnung der besetzten Gebiete als unrechtmäßig besetzt. Weitere Erklärungen zu den Terroranschlägen des 11. September folgten später. Es wird das Bedauern mit den Opfern ausgedrückt und den trauernden Familien kondoliert. Es sei kein Weg zum Frieden, eine Erklärung spricht von inhumanen Akten des Terrorismus. Das nächste offizielle Treffen in Rom zur Kultur des Dialogs in der Erziehung wurde erstaunlicherweise schon auf den 23.2.2002 festgelegt (und dann zu genau diesem Zeitpunkt auch abgehalten). Nach einigen Treffen ähnelt deren generelle Einschätzung sehr der der Treffen des Catholic-Islamic ­Liaison Committee: Das Klima der Treffen sei entspannt, herzlich, vertrauens- und respektvoll, man höre sich gegenseitig zu und das alles von Treffen zu Treffen mehr – trotz gewisser Schwierigkeiten. Und man sei jedes Mal vom Großen Imam herzlich empfangen und ermutigt worden.201 Die Schwierigkeiten werden nicht genauer benannt, sondern bleiben den Schlussfolgerungen des Lesers überlassen.

10.4. Das Zeugnis der Al-Azhar beim Friedensgebet in Assisi 2002 Zwischen hinein fällt der Tag des Gebetes um den Frieden in Assisi am 24.1.2002, zu dem der Papst Vertreter aller Religionen eingeladen hatte, aber angesichts der Situation speziell Muslime. So kommt auch dem muslimischen Zeugnis für den Frieden bei dieser Veranstaltung besonderes Gewicht zu. Es war verfasst von Scheich al-Azhar Tantawi und wurde verlesen von dessen Stellvertreter Dr. Ali Elsamman. Es ging um die (fünf)  Anstöße, die laut Tantawi der muslimische Glaube für die Schaffung einer besseren Welt gibt. Zunächst wird dabei wieder darauf verwiesen, dass Gott alle Menschen geschaffen habe, und zwar von einem der Gefahr stand, von der Gegenseite politisch (aus)genutzt zu werden, zeigt schon der Kommentar der saudischen Zeitung Oukaz vom 23.4.1974 anlässlich des Besuches von Kardinal Sergio Pignedoli im Königreich: „Il n’y a pas de doute que l’établissement d’un dia- /p. 204 logue entre les musulmans et les chrétiens renforcera les requêtes islamiques dans les rencontres internationales et aboutira à une prise de position commune dans les discussions sur les lieux saints de Jérusalem“ (zitiert nach Rencontres avec les non-chrétiens, POC 2 (1974), p. 203/204). 201 So Akasheh, Bureau pour l’Islam Rapport d’activités: novembre 1998–octobre 2001, p. 106 f; Declaration of the Joint Committee of the Permanent Committee of Al-Azhar for Dialogue with the Monotheistic Religions and the Pontifical Council for Interreligious Dialogue, BPCDIR 108 (2001), p. 332, Al-Rifaie, Hamid Ahmad/Fitzgerald, Michael L[ouis], Declaration of the Joint Islamic-Catholic Liaison Committee (12 settembre 2001), BPCDIR 108 (2001), p. 333; Fitzgerald/Borelli, p. 93: „It is therefore a young body, one which has still to find its way.“

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einzigen Vater und einer einzigen Mutter. Außerdem könnten sich alle monotheistischen Religionen auf den Respekt vor Werten einigen, was wiederum zum Guten der Menschheit sei. Die Religionen verkündigten ethische Werte wie Ehrenhaftigkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlstand, außerdem den Ausstausch von guten Taten, die Zusammenarbeit von Völkern für das Wohlergehen und die Frömmigkeit (und nicht für Angriff und Aggression). Gott habe sodann die Menschen als Stämme und Völker geschaffen, damit sie sich untereinander kennen würden, wobei der nach Gottes Maßstab Vornehmste der Frömmste sei. Außerdem fordern alle monotheistischen Religionen den Menschen dazu auf, Recht und Gesetz hochzuhalten, indem man rechtmäßigen Besitzern wieder zu ihren Rechten verhilft. (Um jeden Zweifel auszuräumen, wie das gemeint sein könnte, dankte Tantawi anschließend dem Vatikanstaat für seine ehrenhafte Unterstützung für das palästinensische Volk.) Sein letzter Punkt ist sodann, dass es keinen Zwang in der Religion gebe und dass in Ägypten Christen und Muslime seit 14 Jahrhunderten friedlich zusammengelebt hätten, gleich in Rechten und Pflichten. Vom unmittelbaren und untrennbaren Bezug auf die Gerechtigkeit her, so der Schlusssatz, stimmten die Ulemas der al-Azhar mit Überzeugung dem Appell für den Frieden zu.202 Das waren eindeutig starke Worte, wobei man zu den gleichen Rechten auch gerne die koptischen Brüder gehört hätte, was aber nicht möglich war, da dies ja kein Dialog im eigentlichen Sinn war.

10.5. Treffen 2002 – ein Auftakt zum Einsatz gegen religiösen Extremismus Die beiden Dialogkomitees treffen sich dann, wie schon erwähnt, am 23.2.2002 wieder, dem Vorabend des historisch gewordenen Besuchs von Papst Johannes Paul II an der al-Azhar im Jahr 2000. Das Treffen fand in den Büros des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog statt und beschäftigte sich mit dem Thema des religiösen Extremismus und dessen Auswirkungen auf die Menschheit. Von beiden Seiten gab es ein Referat dazu. Von christlicher Seite war dessen These, Fanatismus entstehe aus einer Haltung von „divisiveness“203, näherhin so erklärt, dass jeder, der nicht ausdrücklich dafür sei, als Gegner betrachtet werde. Es sei notwendig, dass um des Friedens, der Zusammenarbeit und der Harmonie zwischen den Religionen Christen wie Muslime die Herausforderung der religiö 202 So Sheikh Al-Azhar Mohammed Tantawi (Islam), BPCDIR 109 (2002), p. 148 f, s. a. DAY OF PRAYER FOR PEACE IN ASSISI (24th January 2002), BPCDIR 109 (2002), p. 135. 203 Rome – Italy: Annual Report of the Committee for Dialogue of the Pontifical Council for Interreligious Dialogue and the Permanent Committee of al-Azhar for Dialogue with Mono­ theistic Religions, BPCDIR 110 (2002), p. 228, s.a. p. 227; was das Datum angeht, das bis auf den Tag genau festgelegt ist, s.a. Akasheh, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A Report), p. 198.

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sen Pluralität annähmen. Der Referent der muslimischen Seite, Scheich Zafazaf, betonte die Großherzigkeit und den moderaten Standpunkt des Islam. Die anschließende Diskussion drehte sich um folgende Punkte: Extremismus sei zu verdammen, da er mit den Lehren beider Religionen nicht übereinstimme. Die Extremisten, gerade die religiösen Extremisten, können manchmal durchaus ernsthafte Absichten haben, aber eben mit der Tendenz, nur sich selbst im Recht zu sehen und anderen gegenüber, die nicht mit ihnen übereinstimmten, intolerant zu sein, sie eben nicht in ihrer Unterschiedlichkeit anzunehmen und auch ihre Rechte zu verletzen. Dialog könne hilfreich sein als Gegengewicht zu Extremismus, allerdings mit der Einschränkung versehen, dass die Bedingungen so sein müssten, dass ein positives Ergebnis garantiert sei. (Man wüsste wirklich gerne, wie der positive Ausgang eines Dialogs zu garantieren ist, doch leider schweigen die Quellen an dieser Stelle und verraten nicht, was genau da alles vorgeschlagen wurde – wenn überhaupt.) Dialog allein aber genüge sowieso nicht, man müsse die grundlegenden Aspekt der Gesellschaft mit einbeziehen: Familienleben, Erziehung, soziale Entwicklung, die Massenmedien, die Förderung von Gerechtigkeit und Solidarität in den entsprechenden Ländern und auch auf internationalem Niveau. Unabhängig voneinander beschlossen beide Gremien, weiterhin den Weg des Dialogs zu verfolgen und die öffentliche Meinung dahin gehend zu beeinflussen, dass sie Extremismus ablehnt. Dies ist sicherlich alles gut und richtig, doch bleibt es angesichts eines so brisanten Themas doch auch sehr schwammig und unkonkret. Etwas genauer im Blick auf Schwierigkeiten ist dann schon die gemeinsame Erklärung des Treffens vom 24.–25.2.2004 im Vatikan. Es ging um die Ablehnung von Generalisierungen und die Wichtigkeit von Selbstkritik, wozu es Vorträge von beiden Seiten gab. Das Referat von muslimischer Seite wurde von Scheich Fawzi al-Zafazaf selbst gehalten, dem Präsidenten des ständigen Komitees der alAzhar für den Dialog mit den monotheistischen Religionen. Beide Religionen lehnten Generalisierungen beim Urteil über Menschen ab: Wo ein Einzelner oder eine Gemeinschaft eine Sünde begehe, sei auch nur diese(r) verantwortlich. Beide Religionen sprechen sich auch für Selbstkritik sowohl auf der Ebene der Einzelnen als auch der Gemeinschaften aus, für die Gewissensprüfung und für die Bitte um Vergebung, was ein Vorbild für andere werden könnte. In diesem Sinn appelliert das Joint Committee, jegliche Generalisierungen zu vermeiden, nur die zur Verantwortung zu ziehen, die auch wirklich falsch gehandelt haben und nicht unschuldige Menschen für die Untaten anderer an den Pranger zu stellen. Außerdem appelliert es an alle, Gewissenserforschung zu betreiben und wo immer möglich, Schuld zuzugeben und so zum richtigen Verhalten zurückzukehren. Damit möchte das Komitee Gerechtigkeit, Frieden und Liebe bei allen verbreiten.204 204 Al-Zafazaf, Fawzi/Fitzgerald, Michael L[ouis], Vatican City, 24–25 February 2004 Joint Committee of the Permanent Committee of al-Azhar for Dialogue with Monotheistic Religions and the Pontifical Council for Interreligious Dialogue, BPCDIR118 (2005), p. 52 f.

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11. Regionale Dialoge 11.1. Die regionalen Dialoge: von Anfang an eine Aktivität der gesamten Kirche Es gab auch eine Reihe von Dialogen, die sich nicht auf ein festes Gegenüber bezogen, sondern die jeweils eine ganze Region einbezogen. Diese Art von Dia­ logen war sehr wichtig, wurde aber eher selten von Rom direkt durchgeführt, sondern eher nur angestoßen. Es geht dabei v. a. um den Dialog des Lebens und die erste christlich-muslimische Begegnungsphase hat bereits in den jeweiligen Heimatländern stattgefunden, sodass nicht erst Probleme miteinander diskutiert und Vertrauen aufgebaut werden muss, sondern gemeinsame Probleme angegangen werden können. Laut der Aussagen des Verantwortlichen, Kardinal Arinze, gibt es diese Rolle der lokalen Kirchen in der Förderung des interreligiösen Dialogs besonders seit 1980. Die entscheidende Rolle kommt dabei wiederum dem Diöszesanbischof zu, denn es ist seine Stadt, sein Land, in dem die Beziehungen zwischen den Gläubigen gedeihen sollen. Deshalb zieht man es vonseiten des Päpstlichen Rats vor, nicht mit religiösen Führern in Verbindung zu treten, bevor diese nicht Dialoge mit den lokalen Kirchen abgehalten haben. Auch Einladungen werden eher erst angenommen, wenn auch die lokale Kirche sich daran beteiligt oder dies zumindest billigt. Die dahinterstehenden Motive sind relativ klar: Es geht nicht um rein diplomatische Aktivitäten des Heiligen Stuhls, sondern um Aktivitäten der Kirche, sei sie lokal oder universal. Als solche beginnen sie da, wo die Menschen leben. Der Päpstliche Rat als ein Büro des Heiligen Vaters als des weltweiten Hirten ermutigt, macht Vorschläge, arbeitet zusammen, erinnert und drängt auch manchmal, aber es ersetzt nicht die Diözese, die Kongregation, das Kloster oder die Bischofskonferenz. Wo Christen in der Minderheit sind, versuchen die Besuche oder sonstigen Aktivitäten des Päpstlichen Rats immer die Rolle der lokalen Kirche zu respektieren und in den Augen der Nichtchristen zu stärken.205 Durch das spezielle Projekt der lokalen christlich-muslimischen Dialoge wurde allerdings in manchen Ländern die Dialogarbeit erst angestoßen.

205 So Machado, Felix, Harmony among Believers of the Living Faiths: Christians and Muslims in Southeast Asia, BPCDIR 87 (1994), p. 216, zu regionalen Dialogen allgemein s. Arinze, Francis, Forty Years of Developing Theological and Dialogical Engagement, BPCDIR 116/117 (2004), p. 285 f.

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11.2. 1988 zu Nordafrika – auch mögliche Anstöße für andere Die erste solche Tagung, die eben regional vorbereitet und fortgeführt, aber mithilfe des nunmehr Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog durchgeführt wurde, fand vom 24.–28. Oktober 1988 in Assisi statt, gleichzeitig als Veranstaltung zum zweiten Jubiläum des Friedensgebets. Arbeitstitel war ‚Co-existence in the midst of Differences‘, die 25 Teilnehmer kamen aus Nordafrika (Mauretanien, Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten – Sudan erwies sich leider als nicht machbar), dessen Bischofskonferenz das Treffen auch angeregt und zusammen mit den zuständigen Instanzen des Sekretariats beschlossen hatte, wenn auch mit Blick auch auf andere Teile der Welt, z. B. Europa, dessen christliche Mehrheit mehr gegenseitiges Wissen, Respekt und Zusammenarbeit mit den Muslimen durchaus gebrauchen könne. Die Gesamteinschätzung auf katho­lischer Seite war, dass der interreligiöse Dialog generell nur langsam vorankomme und viel Geduld und Großzügigkeit erfordere. Im christlich-muslimischen Dialog sei mit einem gewissen Abstand vom Zweiten Vatikanum und seinem Neueinsatz eine neue Besinnung auf die Unterschiede und damit eine gewisse Abkühlung und sogar Desillusionierung eingetreten, die aber nun wieder von neuem Schwung auf der Basis realistischer und ausgewogener Einschätzung abgelöst werde. Das Teilnehmerfeld am Dialog von Assisi war breit gestreut und lediglich nach dem ehrlichen Interesse am christlich-muslimischen Dialog zusammengestellt, nicht mit Blick auf offizielle Funktionen, wie sich ja überhaupt offizielle religiöse Institutionen mit Blick auf den Dialog eher zurückhielten oder ihn gar offen ablehnten. Was die Teilnehmer aber de facto einte, war der geistliche Weg, den sie gegangen waren: Von einer wie auch immer negativ geprägten Sicht des Anderen hin zu einer echten Kenntnis. In anderen Worten: Der Glaube an den einen Schöpfer führte zu einer größeren Offenheit (und wurde auch gestärkt!), bis dahin, dass es als Versuchung bezeichnet wurde, sich als alleinigen Besitzer der Wahrheit und des Guten zu sehen, wo doch alle nur einfache Zeugen und Mitarbeiter Gottes seien. Unter anthropologischen Gesichtspunkten ist noch erwähnen, dass die Notwendigkeit einer respektvollen Haltung sehr betont wurde, sei es in der religiösen Erziehung von der Familie bis hin zu Lehrbüchern und der Lehrerausbildung (aber auch noch über die offizielle Ausbildung hinaus, wobei v. a. auf die Übereinstimmung zwischen familiärer Prägung und offizieller Bildung zu achten sei), sei es in der sozialen Kommunikation generell, wobei hier auf die Begegnungsmöglichkeiten Jugendlicher großer Wert gelegt wird und noch mehr auf eine angemessene Darstellung in den Medien, sowie schließlich die Ausrichtung auf die Förderung von Gerechtigkeit und Frieden unter allen Menschen. Ausgangspunkt dieser Reflexionen waren die Begründungen für das Recht auf Unterschiedlichkeit in der Bibel und im Koran. Gemeint ist damit im Kern das Recht auf religiöse Unterschiedlichkeit und damit auf Religions- und

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Gewissensfreiheit. Das ist auch und zuvorderst mit Respekt und Liebe gemeint. Interessant ist ferner, dass Christen und Muslime der jeweiligen Länder diese Konferenz vorbereitet hatten und dann auch bei der Rückkehr zu Kerngruppen wurden, die die Zusammenarbeit weitertreiben. Die Konferenz selbst war sehr vom Gebet geprägt, es gab keinerlei Vorträge, sondern nur gemeinsame Schriftbetrachtung und Gelegenheit zum praktischen Austausch.206

206 Nach Jean Paul II reçoit les participants de la rencontre d’Assise, Islamochristiana 15 (1989), p. 245 u. Arinze, Greetings to the Participants, p. 6, sowie v. a. Arinze, Francis, Believers Walking and Working Together, BPCDIR 70 (1989), p. 43–45 (Opening and Welcome Address vom 25.10.1988). Den umfassendsten Bericht aber gibt Peteiro, Antonio, Chrétiens es Musulmans constructeurs de la Paix, Pontificium Consilium pro Dialogo inter Religiones 70 (1989), p. 37–42 – übrigens eigentlich für die spanische Bischofskonferenz. Im offiziellen Bericht Rapport de Synthèse, BPCDIR 70 (1989), p. 42 liest sich die entscheidende Stelle so: „Les Écritures Saintes insistent sur l’importance du respect de l’Autre (…). Nous devons donc approfondir ­l’esprit des Livres Sacrés et reconnaître le droit de l’Autre à la différence religieuse, au nom de la liberté des consciences, afin de vivre en paix et en bonne entente.“ Einzelne Muslime gingen in ihren Aussagen durchaus wesentlich weiter, so Rahal, M. Redouane, Réponse d’un participant musulman, BPCDIR 70 (1989), p. 46: „Notre engagement découle de la foi en l’homme. (…) Nous croyons au même Dieu qui a fait l’Homme à son image c’est-à-dire plein de mansuétude et de concorde. (…) Ces Écritures en tant que parole divine ne visent-elles pas la promotion de l’homme qui est notre préoccupation majeure? (…) Que Dieu nous inspire pour travailler dans la sérénité et aboutir ainsi à des conclusions qui seront des jalons dans l’édification d’une communauté humaine tolérante où les valeurs morales, Essence de nos Écritures, auront la première place.“ Ergänzend sei noch verwiesen auf den Artikel, der diesen Berichten auch im Bulletin beigesellt ist, Michel, Thomas, Christian and Muslim Minorities: Possibilities for Dialogue, BPCDIR 70 (1989), p. 47–58. Die abschließenden (p. 56–58) Einschätzungen zeugen von einer guten und aktuellen Analyse und münden in diese Schlussfolgerung (p. 58): „The alternatives to dialogue – political pressures, power strategies, armed struggle – all simply defer the problem to a later age. It is only when Christians and Muslims agree to live together in a relationship of mutual trust and respect for the persons and rights of the other that the situation of minorities can be hoped to improve. this slow and painful process is the path to which the Holy See, the World Council of Churches, and many Muslim individuals and organizations are committed.“ Was Gebet angeht, so seien hier auch einige Sätze aus anderem Zusammenhang zitiert (Shirieda, J[ohn], Editorial, BPCDIR 80 (1992), p. 129): „On the occasion of the recent hospitalization of Pope John Paul II to undergo serious surgery we received many messages, letters and telegrams, from religious leaders round the world. They expressed their concern and assured the Holy Father of their prayers for his prompt and complete recovery. (…) It is a great comfort and joy to know that those who believe in God, the Giver of life and health, are united in prayer in times of suffering and difficulty. Our brothers and sisters of other religions can be sure of the Holy Father’s prayers for them.“ Ein schönes anderes Beispiel nennt Vatican City: Visit to the Vatican of Sh. Ahmed bin Mohamed Zabara, Grand Mufti of the Yemen (28 April–5 May 1993), BPCDIR 83 (1993), p. 199: Father Thomas Michel, der Islamreferent des Hauses, begleitet den Gast zum Freitagsgebet in die Moschee von Rom.

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11.3. 1991 Westafrika – der entscheidende Punkt: Demokratie Die zweite Tagung führte vom 4.–8.8.1991 zwei Dutzend Christen und Muslime aus Ghana, Gambia, Nigeria und Sierra Leone, also dem englischsprachigen Westafrika, nach Ibadan in Nigeria. Die Tagung begann mit einem Austausch über die Situation in den verschiedenen Ländern und teilte sich dann in Workshops auf zu den Themen Entwicklung, Demokratie und Beziehungen zur Regierung, Mischehen und Einfluss der Medien auf die Beziehungen zueinander. Die größten Übereinstimmungen, gerade auf anthropologischer Ebene, gab es im Bereich der Entwicklung. Es kristallisierte sich heraus, dass Christen und Muslime eine sehr ähnliche Vorstellung von menschlicher Entwicklung haben, nämlich Entwicklung des ganzen Menschen in allen seinen Aspekten, wirtschaftlich, sozio-kulturell, politisch, gefühlsmäßig, moralisch und geistlich, und alles in Übereinstimmung mit dem Ziel der Schöpfung des Menschen: Die Menschen wurden geschaffen und über die anderen Geschöpfe erhoben, um Gott anzubeten und den Namen ihres Schöpfers zu verherrlichen und nach seinen Vorschriften von Liebe, Gebet, guter Nachbarschaft, Friede und Erbarmen in der Welt zu leben und danach bei ihm zu sein. Entwicklung in all ihren Facetten sollte für alle sein, Arme wie Reiche, und dabei auch die Natur respektieren. Es wurde allerdings auch festgestellt, dass die Motivation für ein solches Engagement je nach Religion unterschiedlich sein kann und dass v. a. die Vorstellungen bzgl. politischer Entwicklung unterschiedlich sind, da Christen und Muslime unterschiedliche Vorstellungen haben, was das Verhältnis von Religion und Staat angeht. Im Bereich der Entwicklung gibt es schon viel Zusammenarbeit, bis hin zur gegenseitigen Hilfe beim Bau von Moscheen und Kirchen. Ein Ausbau dieser Zusammenarbeit wäre aber noch möglich und wünschenswert, z. B. im Bereich der Frauenarbeit, zur Förderung von Leben und Gesundheit, im Kampf gegen Drogen und gegen die Ausgabenexzesse bei Beerdigungen. Der Ansatz im Bereich Mischehen war dagegen eher pragmatisch. Es fehle an gegenseitigem Wissen, v. a. im Bereich des Eheverständnisses der Religionen. Generell sollten die religiösen Führer dazu anhalten, im Bereich der eigenen Religion zu heiraten. Die Wahl des Lebenspartners sei aber ein grundlegendes Menschenrecht, deshalb müssten auch gemischte Paare unterstützt werden, v. a. was Erziehung, Unterhalt und Sorgerecht für Kinder angeht. Ehevorbereitungskurse seien gerade für Mischehen unerlässlich. Was schließlich Demokratie angeht, so wurde diese als der entscheidende Punkt angesehen, was das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen angeht. Gerade hier liegt aber der große Unterschied zwischen der Kirche, die sich grundsätzlich mit keinem politischen System identifiziert, und dem Islam, der Religion und Politik als untrennbar betrachtet, da der Koran eben auch ein Gesetzbuch ist, das das Leben aller Muslime in allen Bereichen menschlicher Existenz und menschlichen Handelns regelt, auch im Bereich des­

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Regierens. Konkret gibt es in Ghana, Gambia und Sierra Leone eine Trennung von Staat und Religion, was zur Folge hat, dass die religiösen Führer sich nicht in staatliche Angelegenheiten einmischen. In Nigeria erscheint die Situation anders, weshalb viele auf beiden Seiten Politik v. a. als Mittel sehen, Macht für ihre religiöse Gruppe zu bekommen.

11.3.1. Eine ganze Reihe von Empfehlungen Die Konferenz sprach auch Empfehlungen aus, zunächst die allgemeine, doch auf die Überwindung von Vorurteilen hinzuwirken und darauf, die Angehörigen der jeweils anderen Religion nicht als Ungläubige zu bezeichnen, sondern sie mit Achtung zu behandeln. Auf der Basis der gemeinsamen Glaubenshaltungen bzgl. des Sinns menschlicher Existenz werden Christen und Muslime ermutigt, im Bereich der Entwicklung für die gesamte Bevölkerung, besonders aber für die Armen zusammenzuarbeiten in Bereichen wie Erziehung, Gesundheit, soziales Wohl und besonders bei Problemen wie Drogen, Verteidigung des Wertes der Familie, Kampf gegen unnötige und übertriebene Ausgaben (s. o.). Was den heiklen Bereich der Demokratie angeht, so wird betont, dass zur Demokratie die Achtung der Rechte jedes Menschen gehöre, ohne Ansehen von Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Geschlecht. Ganz besonders betont wird, dass jeder Bürger das Recht auf Religionsfreiheit hat und Religionsgemeinschaften das Recht auf Handlungsfreiheit haben. Als besonders heikle und konfliktträchtige Bereiche, die eines besonders sorgfältigen Umgangs bedürften, werden benannt: die Ernennung und Beförderung von Beamten, die Zuweisung von Land für gottesdienstliche Zwecke und der Zugang zu und Gebrauch von Medien. Auch im Bereich der Mischehen wird betont, dass die Religionsfreiheit beider Partner zu respektieren sei. Die Medien, möglichst auch die säkularen Medien mit ihrer größeren Reichweite, sollten benutzt werden, um Verständnis und Harmonie zu fördern. Auch hier beschließt man, ähnliche Dialoge zukünftig in den verschiedenen Ländern selbst abzuhalten207.

11.4. 1994 Südostasien 11.4.1. Eine sehr positive Würdigung von Kardinal Arinze Der dritte dieser Dialoge fand zwischen Christen und Muslimen in Südostasien statt, und zwar vom 1.–5.8.1994 in Pattaya/Thailand zu dem sehr asiatischen, um nicht zu sagen fernöstlichen Thema Harmonie zwischen Anhängern verschiedenen Glaubens. Eröffnet wurde diese Tagung durch eine Ansprache von Kardinal 207 Nach Report of the Christian-Muslim Dialogue Meeting in Ibadan (4–8 August 1991), Islamochristiana 17 (1991), p. 249–252.

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Arinze. Darin betonte der Kardinal nochmals, dass nur das Arrangement der Tagung beim Päpstlichen Rat liege, das Treffen selbst aber von den Teilnehmern gestaltet werden müsse. Diese Tagung bringe Christen und Muslime aus den Philippinen, Indonesien, Malaysia und Thailand zusammen, leider nicht aus Singapur und Brunei. Der Kardinal bezeichnete Religiosität als ein Charakteristikum der Menschen Asiens. Asien habe viele verschiedene Religionen und Kulturen hervorgebracht, aber auch Harmonie und Toleranz zwischen ihnen. In diesem Sinn könne es als Pionier der interreligiösen Beziehungen bezeichnet werden, von dem die ganze Menschheit profitiere. Dies sollte noch verstärkt werden, gerade angesichts von wachsendem Materialismus, Ausbeutung, Abwertung der Werte, Ungerechtigkeit, Armut und Egoismus von Einzelnen oder Gruppen. Für den Dialog seien gegenseitiger Respekt und dahinter vor allem der Respekt für die Religionsfreiheit nötig. Der Dialog wachse dann mit der Zusammenarbeit, für die wiederum Asien mit seinen vielen interreligiösen Gruppen auf lokaler Ebene vorbildlich sei, weshalb man auch davon lernen wolle. Harmonie wirke sich aus u. a. in der Zusammenarbeit für das Wohl des Menschen, der Familie und Gesellschaft sowie der gesamten Schöpfung. Begründet wird dies, analog zur katholischen Tradition, mit der Einheit der Schöpfung nach Gottes Plan: Gott ist Schöpfer, Retter und Ziel eines jeden Menschen und jeder Mensch trage etwas von dieser Gottesebenbildlichkeit in sich und sei für dasselbe Ziel geschaffen, Gott im Himmel zu sehen, wie er ist. Die Unterschiede zwischen Christen und Muslimen verblassten angesichts dieser grundlegenden und entscheidenden Gemeinsamkeiten, eine Äußerung, die sich wiederum an Johannes Paul II anlehnt. Arinze ging sogar so weit zu sagen, dass nicht nur Christen und Muslime beide glaubten, dass es nötig sei, die Einzelheiten ihres Lebens Gott zu unterwerfen, sondern dass für beide Gebet, Fasten und Almosen nötig seien. Nach einer Aufzählung der verschiedenen Arten des Dialogs und ihrer jeweiligen Möglichkeiten betonte er nochmals die Wichtigkeit der Religionsfreiheit, egal ob es sich um die Mehrheit, eine Minderheit oder eine Einzelperson handle. Die Früchte eines interreligiösen Dialogs erforderten Geduld, wobei hier als positives Beispiel das Verhalten christlichmuslimischer Gruppen während des Golfkriegs 1991 genannt wurde. Umgekehrt werden als Herausforderung nochmals wachsender Materialismus und Konsumhaltung genannt sowie der Egoismus der Reichen, die die Armen zunehmend als störende Eindringlinge sähen – ein Leben in religiöser Gleichgültigkeit und als ob Gott nicht existierte. Interessant ist seine Definition von Dialog: „Dialogue is an invitation to believers of different religions to research together the wholeness of Truth. It is gathering together as a family to listen to the voice of God speaking through every believing person and through every religious tradition.“208 208 Arinze, Francis, In Openness and Collaboration: Opening Address to Christian-Muslim Seminar from ASEAN Countries Gathered at Pattaya, Thailand, 2 August 1994, BPCDIR 87 (1994), p. 228, s.a. p. 224–227.229 f.

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11.4.2. Ein christliches Plädoyer für asiatische Werte Von den gehaltenen Vorträgen wurde leider nur einer in Pro Dialogo veröffentlicht, der von Erzbischof Fernando Capalla von Davao, Philippinen. Auffallend ist, dass Christen und Muslime direkt praktisch nicht vorkommen, sondern es eher um die Rolle der anderen Religionen der Region geht und was von ihnen für die Schaffung von Harmonie oder genauer für einen Modernisierungsprozess zu lernen sei, der sowohl menschlich als auch asiatisch sei. Dabei wurde betont, dass die Einheit Asiens gerade der Diversität der Religionen zugeschrieben wurde, die aber eines gemeinsam hatten: dass die Religion die sozialen Ziele vorgab, denen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft folgten. Weil die Kultur Südostasiens religiöse Werte enthalte, deshalb spiele sie eine humanisierende Rolle. Neben hinduistischen und chinesischen Quellen für die genannte Art von Inklusion der Diversität wurde auch die Praxis des muslimischen Herrschers Akbar (1542–1605) genannt. Mit der westlichen Expansion aber kam die Moderne und mit ihr kamen Industrialisierung, Verstädterung und Kommerzialisierung und in deren Gefolge Säkularisierung und Individualismus. Dies führe zu ernsten Spannungen und Unruhen, denen die Regierungen gegenzusteuern suchten, indem sie eine künstliche, erzwungene Einheit schafften, oft auch auf religiöser Ebene, was sozusagen die relativierten Werte durch Zwang wieder festige. Dialog wird als der Weg gesehen, durch den religiöse Gruppen den Gesellschaften Südostasiens helfen können, in dieser komplexen pluralistischen Situation ihre Identität wiederzufinden. Gemeint ist damit ein Dialog, der die genannten Prozesse kritisch studiert, aber auch ein Dialog, der das religiöse und kulturelle Erbe auf die moralischen und spirituellen Ressourcen hin überprüft. Genannt wird dabei konkret das andere, asiatische Verständnis von säkular und rational im Verhältnis zum europäischen Verständnis. Nach westlichem Verständnis bedeute säkular die Autonomie der zeitlichen Dinge, die sich nach ihrer inneren Logik entwickeln könnten, ganz unabhängig von traditionellen religiösen Ansprüchen in diesem Bereich. Nach asiatischem oder östlichem Verständnis aber bedeute säkular, dass alle, auch alle religiösen Gruppen, ihren Platz in der Gesellschaft haben und keine über die andere herrscht. Ähnliche Unterschiede gelten im Bereich des Rationalen. Nach modernem westlichen Verständnis bedeute das Kontrolle, Theorie und Projekte nach logisch-mathematischer Art, während Asien (hier wird wieder beispielhaft der Konfuzianismus angeführt, nicht der Islam) rational und vernünftig unterscheide: Vernünftig müsse immer auch rational sein, aber rational müsse auch vernünftig sein, um nicht unmenschlich werden zu können. Alles läuft in diesem Beitrag auf eine spezifisch südostasiatische Spiritualität hinaus, die ihren Ausdruck im Christentum, im Islam, aber eben auch im Hinduismus und Buddhismus finden könne. Im Grunde wird diese alte Haltung gesehen als Hoffnung für das Wachsen von menschlichen Werten und als eine Basis für den christlich-muslimischen Dialog. Auch die Philippinen, also die hauptsäch-

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lich christliche Wirkungsstätte des Autors, sollte daran wieder Anschluss finden, um des menschlichen Überlebens und Wohlergehens, wirtschaftlich wie politisch, willen.209

11.4.3. Der Abschlussbericht: ein typisches Plädoyer für Solidarität Im Abschlussbericht wurde besonders betont, dass es auch zu einem Dialog des Handelns kommen müsse. Als besondere Herausforderung wird die Modernisierung gesehen: Technologischer Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum bewirkten einen raschen Wandel sowohl äußerlich in der Gesellschaft als auch innerlich in der Art und Weise, wie die Menschen die Beziehungen zueinander und den Zweck ihres Lebens überhaupt sehen und verstehen. Der Zugang zum Problem der Modernisierung müsse kreativ sein und nicht nur rein negativ. Was allerdings doch sehr negativ gesehen wurde, war der Prozess der Säkularisierung: Er neige u. a. dazu, die Menschlichkeit auszurotten. Als neu wird ein sehr ausgeprägter Individualismus gesehen: Rechte und Erfüllung des Einzelnen auf Kosten von Familie und Gesellschaft als Gesamtheit. Früher waren dagegen Solidarität und Harmonie (so ja auch das Thema) traditionelle Werte der Kultur und Modelle des gemeinsamen Lebens, jetzt gebe es mehr Polarisierung, auch unter den Religionen. Auch diese Entwicklung wird mehr oder weniger deutlich negativ gesehen. Ganz konkrete Probleme sind, dass wenige den modernen Reichtum genießen können, während viele dafür ausgebeutet oder ausgegrenzt werden. Dies würde u. a. zu einer Auswanderungswelle führen, die viele Familien zusammenbrechen ließe und die Emigranten neuer Ausbeutung aussetze. Eine besonders abscheuliche und verachtungswürdige Form der Ausbeutung sei die von Frauen und Kindern für Arbeit oder Sex. Korruption und Bestechung kämen noch erschwerend zu allem hinzu, außerdem gebe es auch eine ökologische Krise in der Region. Die Massenmedien werden auch als Problem gesehen, da sie die oben geschilderten Entwicklungen hin auf eine Entsolidarisierung noch gefördert hätten. Der Schlussbericht sprach sich klar für die Familie gegenüber einem übertriebenen Individualismus aus und gegen alle Versuche homosexuelle Verbindungen auf die gleiche Stufe zu stellen wie heterosexuelle. Die Verantwortung wie die Rechte der Eltern bzgl. der Sexualerziehung der Kinder in Übereinstimmung mit den religiösen Überzeugungen wurden ausdrücklich betont. Die Teilnahme von Frauen am Dialog sei zu unterstützen (leider geht aus dem Dokument 209 Nach Capalla, Fernando R., The Role of Religious Groups in Modern Pluralistic Societies – Ideals and Realities; Traditions of Harmony in Southeast Asia as a Basis for ChristianMuslim Dialogue, BPCDIR 87 (1994), p. 232–239; verwiesen sei hier auch auf Machado, Felix A., A Summary of Reports by the Members: Interreligious Dialogue Promoted by the Church, BPCDIR 109 (2002), p. 126, der auf das Forum zwischen Bischöfen und Ulama in Mindanao hinweist, das so glaubwürdig, effektiv und erfolgreich gearbeitet habe, dass es nun offiziell mit der Inter-Religious Federation for World Peace verbunden sei.

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nicht hervor, wie hoch der Frauenanteil an dieser Konferenz war). Auch auf das Phänomen der Angst und deren unterschiedliche Wurzeln (historisch-soziologische in der Kolonialzeit, Minderheitenphänomen) wurde eingegangen. Besorgt waren die Teilnehmer über ausgrenzende und extremistische religiöse Strömungen. Man wolle gegenseitige Achtung, nicht Misstrauen.210 Dies scheint gelungen zu sein, denn bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog wird ausdrücklich erwähnt, dass nach der Tagung die Kontakte zwischen Christen und Muslimen auf lokaler Ebene erneuert wurden, v. a. in Malaysia. So geht man direkt zu den Planungen für ein Treffen der Länder Ostafrikas Anfang 1997 weiter. Es wird hier deutlich, wie hoch bei Christen und Muslimen generell oder wenigstens in der Region der Wert gegenseitiger Achtung und Solidarität ist und dass beide, trotz aller propagierter Offenheit für moderne Entwicklungen, für ein eher traditionelles Bild von Familie und Gesellschaft eintreten und sich sozusagen in einer gemeinsamen Opposition gegen viele Entwicklungen der Moderne und der Säkularisierung befinden – zumindest solange beide von letzterer in gleicher Weise negativ betroffen sind und das Gegenbild einer harmonischen Gemeinschaft nicht nur der Menschen, sondern auch der Religionen aus der regionalen Vergangenheit heraufbeschworen werden kann. Hier zeigt sich m. E. am deutlichsten der regionale Charakter dieses Dialogs, der unter anderen Vorzeichen durchaus auch zu ganz anderen Ergebnissen kommen könnte.

12. Ausblicke: schwierig, aber doch hoffnungsvoll Gut 40 Jahre nach Nostra Aetate und nach etlichen Dialogen ist auch für den Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog Zeit für einen Rückblick. Akasheh nimmt ihn offiziell vor, was den christlich-muslimischen Dialog angeht, und fragt, was sich inzwischen positiv oder negativ geändert hat und wie die Zukunftsaussichten sein könnten. Akasheh konstatiert in diesen 40 Jahren und speziell nach dem 11. September 2001 eine kritischere Haltung der Muslime gegenüber ihrem Erbe und ihren religiösen Traditionen. Religiöser Extremismus und Gewalt im Namen der Religion sind zu Themen geworden und damit weniger ein Tabu als früher. Auch Menschenwürde und Menschenrechte, das Recht auf Religionsfreiheit eingeschlossen, sind Themen geworden, die in intellektuellen 210 Nach Christen und Muslime in Südasien, Schlussbericht eines regionalen Seminars, Weltkirche 8 (1994), S.  242–244, in englischer Sprache Christian-Muslim Seminar on „Harmony among Believers of Living Faiths: Christians and Muslims in Southeast Asia“ (1–5 August 1994), Islamochristiana 20 (1994), p.  271–273, auch als Final Report, BPCDIR 87 (1994), p. 219–223. Zur Dialogsituation in Asien ist auch die Nummer 71 (1989) des hauseigenen Bulletins interessant, die auch einige Berichte zu christlich-muslimischen Dialogen enthält, beispielsweise in Pakistan, Bangladesh, Indien, Malaysia, Indonesien und auf den Philippinen.

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Die christlich-muslimischen Dialoge

Zirkeln muslimischer Mehrheitsgesellschaften diskutiert werden. Auch sei generell zu beobachten, dass Muslime zunehmend die Initiative zu Dialogen ergreifen, wenn auch oft, nur um das Bild zu korrigieren, das eine bestimmte Presse liefert oder auch religiöse Minderheiten, die Gewalt im Namen der Religion anwenden. Umgekehrt hätte die Antiterrorinitiative des Westens in ihren antimuslimischen Aspekten bei den Muslimen ein Gefühl der Demütigung ausgelöst, das schwer zu überwinden sei. Insgesamt blieben Religion und Politik ein schwieriges Thema. Ein gewisser gesunder Säkularismus scheine in Ländern mit muslimischer Mehrheit schwer zu erreichen. Die Gefahr der Politisierung von Religion und damit der Vermischung von Religion und Politik sei real. Islamische politische Parteien arbeiteten für die Schaffung von islamischen Staaten und die Einführung der Scharia, wobei der Islam als die Lösung mehr ein Slogan sei denn ein politisches Projekt. Länder, die islamisches Recht angewandt hätten, hätten damit nicht, wie vorher angekündigt, die Lösungen für ihre Probleme gefunden. Außerdem ermutige diese Art von Politik keine echte kulturelle und religiöse Pluralität und führe auch nicht zu respektvollen Beziehungen gegenüber wirklich ‚anderen‘. Als besonders heikles Thema benennt Akasheh hier Schulbücher, die sich mit religiösen und historischen Fragen beschäftigen. Sie geben nach wie vor Fragen auf, was ihre Rolle bei der Verbreitung von islamischem Extremismus und sogar Gewalt angeht. Es sei noch nicht möglich, solch heikle historische Themen wie die islamischen Eroberungen, die Islamisierung der eroberten Länder und die Kreuzzüge zu sprechen. Für die Zukunft sieht Akasheh die Aufgabe des christlich-muslimischen Dialogs darin, angesichts des Risikos eines Kampfes der Kulturen die Menschheit vor allem zu bewahren, was zu neuen Weltkriegen führen könnte. Außerdem sollte man miteinander nach den Mitteln suchen für eine gleiche Verteilung der Ressourcen, denn Länder mit muslimischer Mehrheit gehören oft zur Spitze der sogenannten Zweiten Welt auf der südlichen Hemisphäre. Darüber hinaus sei aber auch nicht aus dem Blickfeld zu verlieren, dass Christen und Muslime gemeinsam den einen Gott anbeten. Was den Kreis von Dialogteilnehmern angeht, ist Akasheh überzeugt, dass alle mitmachen werden, die nicht gerade Terrorismus unterstützen oder selbst praktizieren. In einer immer weiter globalisierten Welt wird jede Religion sich auch manchmal auf andere verlassen müssen. Außerdem sei christlich-muslimischer Dialog auch eine Ausdrucksform brüderlicher Liebe.211 211 Nach Akasheh, Considerations on Forty Years of Religious Dialogue with Muslims (A  Report), p.  202–204, was die Einschätzungen bzgl. Terrorismus angeht, so ist im Hintergrund wohl auch der Bericht des lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Michel Sabbah, zu sehen, den dieser bei der Plenumsversammlung des Päpstlichen Rates vom 14.–19.5.2004 gegeben hatte und der sehr stark den Zusammenhang zu Unterdrückung und Armut betonte, die eine Religion in aggressive Gewalt und Krieg verwandeln könnten, was auch Regierungen pragmatischerweise zur Kenntnis nehmen sollten, so bei Akasheh, Some Reflections on Islam and Christian-Muslim Relations in Certain Countries, p. 252 f. Auch ein weiterer Bericht, den er

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Alles in allem also positive Aussichten  – bis auf die, die der Gesellschaft das meiste Kopfzerbrechen bereiten, weil sie sie zerstören wollen um eines religiösen Idealbildes willen, das dann praktisch doch nicht hält, was es verspricht. Doch das Schlusswort soll eine sehr persönliche Erfahrung aus dem Stipendienprogramm der Nostra-Aetate-Stiftung machen, ein junger Moslem aus Tunesien, der nach Studien an der Ezzitouna durch dieses Stipendium auch an der Päpstlichen Universität Gregoriana Christentum und Judentum studieren und dabei mit gleichen Rechten und Pflichten im Hauptkonvent der Weißen Väter in Rom leben konnte. Er schilderte die Diskussionen mit, aber auch unter den Weißen Vätern und kam dann zu folgender Darstellung: hier wiedergibt (p. 256 f) könnte mit hineingespielt haben, nämlich der Bericht von Erzbischof Jan Pawel Lenga aus Kasachstan, der zunächst schildert, dass die gemeinsame Vefolgungssituation unter dem Kommunismus zu einer Art unausgesprochener Solidarität geführt habe. Auch der Besuch von Papst Johannes Paul II vom 22.–25.9.2001 sei aufgenommen worden als ein Zeugnis echter Spiritualität und Heiligkeit, die religiöse Schranken überwinde. Aber die neue Situation der Freiheit habe auch ihre Schattenseiten. Es gebe Haltungen v. a. aufseiten der religiösen Führer, dass die ethnische Zugehörigkeit die Religionszugehörigkeit zu bestimmen habe, was darauf hinausläuft, dass denen, die an einen Übertritt denken, die Gewissens- und Religionsfreiheit abgesprochen wird. Ähnlich und doch anders problematisch ist im selben Bericht die Schilderung der Situation in Algerien (p. 253 f), wo der Islam durch den Unabhängigkeitskrieg zu einem wichtigen politischen Faktor des neuen Staates wurde. Offiziell kennt die Verfassung ein Recht auf Gewissensfreiheit, was sich faktisch aber auf Gottesdienstfreiheit für Ausländer beschränkt. So wird auch der Dialog überwiegend von Ausländern getragen, und zwar entscheidend von christlichen Studenten aus dem Afrika südlich der Sahara, die mit ihren Professoren den lokalen Priestern und Bischöfen den Weg für den Dialog geöffnet haben. Neben sozialen und aktuellen Fragen ist aber der spirituelle Dialog von besonderer Wichtigkeit, traurig bekannt geworden 1996 durch den Mord an den Mönchen von Tibhérine. Hier wird deutlicher als an anderen Stellen, dass die christliche Kirche sich in einer Flut des Islam fühlt, vom benachteiligenden islamischen Familienrecht in Mischehen bis eben zu 19 Todesopfern aus ihren Reihen. Die Lage, auch wenn momentan scheinbar sicher, wird sehr kritisch beurteilt, zwischen durchaus islamkritischen Algeriern und einer neuen Islamisierung, die sich beispielsweise in der Verschleierung der Mädchen zeigt. Besonders problematisch wird die Situation in Bosnien-Herzegowina geschildert (p.257–259): Nach einer Geschichte der Okkupation und Islamisierung von 1463–1878 brach nach dem Zusammenbruch des totalitären jugoslawischen Regimes von Oktober 1991 bis Dezember 1995 ein blutiger Konflikt aus, der die christlich-muslimischen Beziehungen zerstörte. Aus ethnischen Demarkationslinien wurden (s. o. Kasachstan) religiöse, außerdem kamen noch muslimische Guerillas von außerhalb, von denen einige durch Heirat blieben, eine kleinere Anzahl heute noch ein terroristisches Element in der Gesellschaft bilden. Aus den Ölstaaten, v. a. aus Saudi-Arabien, kam finanzielle Hilfe zur Organisation der muslimischen Gemeinschaft. Doch dieses islamische Wiedererwachen mit fremder Hilfe hatte negative Auswirkungen auf die christlich-muslimischen Beziehungen durch antikatholische Bücher und Äußerungen durch fanatische Gruppen. Die World Conference of Religions for Peace hatte an einem Gesetz zur Religionsfreiheit und zum Rechtsstatus von religiösen Gemeinschaften mitgearbeitet, das 2003 verabschiedet wurde, Papst Johannes Paul II hatte vom 12.–13.4.1997 bewusst Sarajewo besucht, aber das Gesamturteil der religiösen Spitzen vor Ort, die trotz allem eine gute Beziehung pflegen, ist, dass der Dialog trotz der Herausforderungen und wegen der Vergangenheit und Gegenwart existiert.

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„I once discussed Qur’anic and Biblical anthroplogy with an elderly priest. I spoke of man as God’s vicar in the Qur’an while he spoke of man as God’s likeness in the Bible, and at a certain point we discovered that we were/p. 305 expressing the same concept of humankind and the same human condition both in the Qur’an and in the Bible.“212

212 Merchergui, p. 304/305.

Auswertung 1. Die Stellungnahmen des Lehramts Es gibt eine Unzahl von Aussagen rings um den Menschen in allem, was im weitesten Sinn mit den christlich-muslimischen Dialogen des Vatikan zu tun hat von den Anfängen im Zweiten Vatikanischen Konzil bis zum Tod von Papst Johannes Paul II. Ich möchte hier nochmals die wichtigen Linien nachzeichnen. Dabei ist zeitlich, aber auch inhaltlich klar, dass es eine Hierarchie gibt, dass Entwicklungen durch das Zweite Vatikanische Konzil angestoßen wurden, fortgeführt wurden besonders von Paul VI und Johannes Paul II auf allerhöchster Ebene, aber auch eine Ebene darunter, mehr ausführend, vom Sekretariat für die Nichtchristen oder, mit späterem Namen, dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog. Erst als die theologischen Vorarbeiten schon bis zu einem gewissen Grad gediehen waren, gab es auch konkrete Dialoge und diese Dialoge wiederum versuchten, sich an die bis dato gegebenen Vorgaben zu halten. Es ist aber die Eigenart des Dialogs, dass zwei Gesprächspartner mit unterschiedlichen Interessen zusammenkommen und nicht einer einfach alles vorgeben kann. Von daher gibt es beim Schritt von den Vorbereitungen zu den konkreten Dialogen die größten Veränderungen der ursprünglichen Agenda.

1.1. Das Zweite Vatikanische Konzil und seine Zeit Doch zunächst zu den Grundintentionen: Was das Zweite Vatikanische Konzil angeht, so sind die Hauptaussagen zu Menschen anderer Religionen zweifellos in Nostra Aetate zu finden und sie vertreten eine klare theologische Anthro­pologie: Alle Völker und damit alle Menschen haben Gott als gemeinsamen Ursprung und gemeinsames Ziel und bilden von daher eine einzige Gemeinschaft, deren Urgrund Gott selbst ist. Nach Aussagen von Ad Gentes und Gaudium et Spes ist Christus das Modell der erneuerten Menschheit und dadurch die Kirche das Verbindungsglied zwischen verschiedenen menschlichen Gemeinschaften und Nationen und eine Zusammenarbeit aller Menschen ein ausdrückliches Muss. Erwähnenswert ist auch die offizielle Anerkennung der Religionsfreiheit durch Dignitatis Humanae: Betont werden dabei das Gewissen des Menschen und seine Verpflichtung zur Wahrheitssuche sowie die soziale Natur des Menschen. Eine Verweigerung der Religionsfreiheit stellt eine Verletzung der menschlichen Person und der göttlichen Ordnung für die Menschen dar und die Religionsfreiheit muss sich ausdrücklich auf Religionsausübung in Gemeinschaft beziehen. Das

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sind zum damaligen Zeitpunkt sehr neue und klare Aussagen, so sehr sie inzwischen auch Allgemeingut geworden sein mögen. Ebenfalls in die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils fällt die Gründung des Sekretariats für die Nichtchristen durch Papst Paul VI mit der Doppelaufgabe, das Thema durch Studien voranzubringen, aber auch wirklich Kontakte zu den Nichtchristen zu unterhalten, wobei auf Letzteres besonderer Wert gelegt wird. In den zeitlichen Bereich des Konzils fällt auch noch die Enzyklika Ecclesiam Suam, die versucht, den neuen Begriff des Dialogs theologisch zu untermauern: Gott bietet der Kirche durch­ Jesus Christus im Heiligen Geist eine dialogische Beziehung an, ja die gesamte Offenbarung Gottes könne als Dialog verstanden werden. Deshalb sollte auch die Kirche eine solche dialogische Beziehung zur Menschheit herstellen. Mehr anthropologisch sei der Dialog die beste Form der Beziehung zu den Menschen der modernen Welt.

1.2. Die offiziellen Stellungnahmen des Lehramts Bereits in die Zeit von Johannes Paul II fällt der neue Katechismus. Auch er betont den gleichen Ursprung und das gleiche Ziel aller Menschen, weshalb diese die Sehnsucht nach Gott in ihrem Herzen trügen, die sich im Gebet, aber auch in Opfer, Kult und Meditation ausdrücke. Man könne deshalb den Menschen mit Fug und Recht als religiöses Wesen bezeichnen. Die Kirche verteidigt dabei ausdrücklich die Fähigkeit der menschlichen Vernunft, Gott zu erkennen – diese ist auch Grundlage des Dialogs mit Menschen anderer Religionen. Auch eine Möglichkeit des Heils für Nichtchristen wird gesehen, wenn diese ohne ihr Verschulden Christus und die Kirche nicht kennen, aber ihrem Gewissen folgen. Auch Gewissens- und Religionsfreiheit als Teil der Menschenwürde werden erwähnt. Diese Aussagen sind in voller Übereinstimmung mit früheren Enzykliken von Johannes Paul II. Ansonsten ist sein Verständnis des Dialogs, wie es sich in seinen Enzykliken zeigt, durchaus breit angelegt: Es müsse dem interreligiösen Dialog immer um moralische Werte, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit sowie um den Schutz des Lebens und der Familie gehen. Auch die Gegenseitigkeit bzw. Problematik von Religionsfreiheit im christlich-muslimischen Kontext wird vielfach genannt. Interreligiöser Dialog war für Johannes Paul II aber nicht einfach nur eine Strategie für ein friedlicheres Zusammenleben der Völker. Er sah die Kirche in einem viel tieferen Sinn als Sakrament der Einheit der gesamten Menschheit und Gebet und Kontemplation im interreligiösen Dialog waren ihm besonders wichtig, deshalb auch das interreligiöse Gebetstreffen in Assisi schon 1986. Sehr schön lassen sich beide Seiten auch in der Enzyklika Vita Consecrata erkennen, wo er den interreligiösen Dialog besonders den Orden ans Herz legt, und zwar von der Spiritualität bis zum gemeinsamen Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

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1.3. Das Lehramt Pauls VI Was weitere lehramtliche Aussagen niedrigeren Ranges angeht, so gibt es sie in großer Fülle. In den Ansprachen Pauls VI zu den Jubiläen der Gründung des Sekretariats für die Nichtchristen findet sich beispielsweise eine Aussage, dass jeder Mensch teilhabe am unergründlichen Geheimnis Gottes, weil er als Gottes Geschöpf Gottesebenbildlichkeit habe und die Menschheit Christi repräsentiere. Der Treffpunkt mit der Menschheit sei eben die Suche nach der Gottesebenbildlichkeit, die ihre Spuren an allen Menschen hinterlassen habe und die auch zur Einheit aller dränge. Paul VI spricht im Anschluss an das Konzil sogar vom religiösen Genie der Menschheit. Daneben gibt es auch viel Lob für die bisher geleistete Arbeit als sichtbares und institutionelles Zeichen des Dialogs mit den Nichtchristen, sichtbar am neuen Klima zwischen katholischer Kirche und den Religionen, und es gibt Ermutigung durch allerhöchste Wertschätzung und allerhöchstes Interesse. Anlässlich der Verlegung des Instituts der Afrikamissionare für arabische Studien nach Rom als Pontificio Istituto di Studi Arabi e d’Islamistica bezeichnete Paul VI kulturelle Unterschiede als göttliche Vorsehung, die der Ergänzung und Bereicherung dienen sollten. Je mehr solche Ansprachen sich an weitere kirchliche Kreise richten, desto werbender, aber teilweise auch fast entschuldigend werden die Töne, die Paul VI anschlägt: Auch andere hätten moralische und religiöse Werte und diesen Bodensatz an Gutheit gelte es zu wecken. Man dürfe daraus aber auch keine falschen Schlüsse ziehen: Der Einheit der Menschheit entspreche die Einheit der Wahrheit und der subjektiven Religiosität der Menschen entspreche eine objektive Religion. In der Präsenz von oder im Gegenüber zu Muslimen wurden solche Aussagen allenfalls in abgeschwächter Form gemacht. Hier sind viele Stellungnahmen Pauls VI von der jeweils konkreten Situation geprägt und es gibt eigentlich nur ein Dauerthema: die Religions- oder noch genauer die Verkündigungsfreiheit für Minderheiten, die wohl theoretisch meist anerkannt, praktisch aber nicht durchgeführt wird. Das Pontifikat von Johannes Paul I war einfach zu kurz, als dass man es an dieser Stelle erwähnen müsste.

1.4. Das Lehramt Johannes Paul II Unter den vielen Reden von Johannes Paul II ist besonders die Rede an muslimische Jugendliche in Casablanca vom 19.8.1985 hervorzuheben, die eine tragende theologiegeschichtliche Rolle bekommen hat und innerkatholisch de facto den gleichen Rang einnimmt wie Nostra Aetate. Johannes Paul II macht dabei gleich zu Anfang klar, dass er ein Glaubenszeugnis geben möchte von Gott und von den menschlichen Werten, die in Gott ihre Begründung haben und die gerade für junge Menschen vor Lebensentscheidungen wichtig sind. Von Denk-

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ansatz und Formulierung her versucht er, Jugendlichen und Muslimen entgegenzukommen. Er sagt, dass der Glaube sich im Respekt für andere religiöse Überzeugungen bezeuge, weil jeder Mensch erwarte, für das respektiert zu werden, was er ist und in seinem Gewissen glaubt. Dann versucht er, eine Brücke zum christlichen Verständnis von Religionsfreiheit zu bauen: Es geht um die freiwillige Huldigung von Verstand und Herz, die die Würde des Menschen ausmacht und die Gott und Mensch gleichzeitig respektiert. Wir könnten auch Gott nicht anrufen, wenn wir uns nicht brüderlich gegenüber den Menschen verhielten, die ja Gottes Ebenbild seien. Auch die Begründung für Respekt, Liebe und Hilfe gegenüber jedem Menschen liege darin, dass er Gottes Geschöpf sei und, in gewissem Sinn, sein Ebenbild und Stellvertreter. Damit werden christliche und muslimische Auffassung vom Menschen nebeneinander gestellt und vorab als interpretierbar eingestuft, um dieser Aussage die Spitze zu nehmen. Die Würde und die Freiheit des Menschen bleiben durch die ganze Rede hindurch präsent und die Jugendlichen werden als Verbündete im Kampf für Frieden und eine gerechtere Welt gesehen. Es ist die Rede von der gegenseitigen Anerkennung religiöser Werte, aber auch davon, dass die theologischen Unterschiede mit Demut und Respekt in gegenseitiger Toleranz angenommen werden könnten. Er, Johannes Paul II, glaube, dass Gott uns einlade, unsere alten Gewohnheiten zu ändern, uns zu respektieren und uns zu guten Werken auf dem Weg Gottes anzustacheln, und er sei auch überzeugt, dass auf diesem Weg eine Welt entstehen könne, in der Männer und Frauen lebendigen Glaubens versuchen, eine menschliche Gemeinschaft nach dem Willen Gottes zu bauen. Dabei fällt auf, wie zentrale Themen katholischer Lehre mit muslimischem theologischen Gedankengut verknüpft werden und wie sie eben nicht nur Lehre, sondern persönliche Überzeugung, Glaubenszeugnis sind: Das, was gesagt wird, wird in diesem Moment auch gemeint und gelebt, dahinter steht der höchste Repräsentant der katholischen Kirche und gleichzeitig ein schlichter Glaubender. Das ist selbst noch bei der Lektüre nach vielen Jahren spürbar und macht die Kraft dieser Rede aus, die sich in einem Stellenwert weit über ihrem offiziellen Rang niederschlug. Eine ähnliche, aber längst nicht so berühmt gewordene Rede hielt Johannes Paul II 1990 in Bamako vor 1.500 christlichen und muslimischen Jugendlichen. Ob man den Menschen als Abbild oder als Stellvertreter Gottes bezeichne, er sei jedenfalls ein Zeichen, das auf Gott verweise. Auch die Menschenrechte seien Ausdruck des Willens Gottes. Aber der Mensch sei auch durch die Abhängigkeit von Gott gekennzeichnet, die seinem Leben erst Sinn geben könne. Christen und Muslime hätten verschiedene Motive und Mittel, um dieses Ideal zu realisieren. In jedem Fall stehe das im Gegensatz zu Ideologien und vergänglichem Glück. Es ist wieder eine anthropologisch grundsätzliche Rede – und wieder wurde sie vor Jugendlichen gehalten, wahrscheinlich bewusst, weil gerade Jugendliche noch Orientierung brauchen und weil man bei ihnen anfangen muss, wenn man eine neue Welt schaffen will.

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Vor den Teilnehmern einer christlich-muslimischen Tagung über religiöse Erziehung in der modernen Gesellschaft brachte Johannes Paul II denn auch zum Ausdruck, dass dies eines seiner Wunschthemen für den Dialog sei. Die Jugend müsse die soziale Natur des menschlichen Lebens wiederentdecken, genauer die unveräußerlichen Rechte und Verantwortlichkeiten des Menschen. Es geht ihm dabei um die bessere Vermittlung von religiösen Werten, besonders Respekt vor den anderen und Offenheit gegenüber allen als Kindern Gottes. Dabei setzt er sich kritisch mit dem modernen Wohlstand auseinander, der zu einer Weigerung führen könne, Gott als Schöpfer und Gesetzgeber anzuerkennen. Fortschritt wird aber aus schöpfungstheologischen Erwägungen heraus (Gottes Auftrag an den Menschen) nicht gänzlich abgelehnt. Die Stellungnahmen Johannes Pauls II gegenüber dem Sekretariat für die Nichtchristen knüpfen an Paul VI an: Das Sekretariat ist Ausdruck des Willens der Kirche, mit den vielen in Kontakt zu treten, die in den nichtchristlichen Religionen nach etwas suchen, um ihrem Leben Sinn und Orientierung zu geben. Als Ziel des Dialogs sowie aller Gläubigen und aller Religionen wird genannt, dass jeder seinen authentischen Glauben verwirklichen und sein transzendentes Ziel erreichen kann. Als auch noch die Repräsentanten des Ökumenischen Rats mit anwesend waren, betonte er, die große Zahl der normalen Gläubigen müsse Menschen anderen Glaubens verstehen und als Brüder und Schwestern annehmen. Außerdem betonte er das Gebet als bestes Mittel, um die Menschheit zu einigen. Überhaupt legte dieser Papst großen Wert auf spirituellen Austausch, um dem Dialog Qualität und Tiefe zu geben und ihn vor der Gefahr des einfachen Aktivismus zu bewahren. Eine echte Spiritualität des Dialogs müsse auch einkalkulieren, dass es Missverständnisse und Vorurteile gebe und eine ausgestreckte Hand zurückgewiesen werden könne. Die Enzyklika Pastor Bonus änderte den Namen in Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog, aber nicht wirklich die Aufgabe. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die vom Papst direkt geforderten Prioritäten, nämlich Studien und Begegnung, umgesetzt werden und die von ihm geforderten Themen tatsächlich als Themen von Dialogen auftauchen. Ein Dauerthema war die Friedensproblematik. Der Untergrund dieses Dialogs sei der gegenseitige Respekt, der zur Religionsfreiheit führe. Vor Fachpublikum im weitesten Sinn und angesichts aktueller Fälle geht der Papst auch auf Probleme wie den muslimischen Fundamentalismus ein. Um dieses Problem zu lösen, müsse man auch auf seine Ursachen eingehen, denn in vielen Fällen werde die Religion ausgenutzt, um von sozialen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten abzulenken. Außerdem differenziert der Papst zwischen dem Phänomen Fundamentalismus, dessen Auswirkungen und den Personen, die es vertreten. Der Versuch, anderen gewaltsam aufzuzwingen, was wir für die Wahrheit hielten, sei nicht nur ein Verstoß gegen die menschliche Würde, sondern letztlich ein Verstoß gegen Gott selbst, dessen Bild dieser Mensch trage. Deshalb sei der Fundamentalismus letztlich eine Haltung, die dem Glauben an Gott genau entgegengesetzt sei.

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Terrorismus beute also nicht nur Menschen aus, sondern eigentlich Gott, denn Terrorismus mache Gott zu einem Götzen, der für die eigenen Bedürfnisse missbraucht werden könne. Was den Nahen Osten angeht, so stehen die Friedensproblematik und auch die Frage nach den Menschenrechten und besonders der Religionsfreiheit im Vordergrund. Es wird deutlich, dass die Krisenherde Johannes Paul II im Detail bekannt sind, wie auch, dass sie oft vereinfacht oder vorurteilsbeladen dargestellt werden, während der Papst sich um Ausgewogenheit bemüht. Auch an diesen Punkten wird deutlich, dass es Johannes Paul II weniger um ausgeführte theologische Argumentationen geht, auch wenn diese im Hintergrund stehen, sondern darum, in einer ziemlich verfahrenen politischen Situation einige grundlegende Dinge mit allem institutionellen und persönlichen Gewicht in die Waagschale zu werfen. Religionsfreiheit bleibt generell in mehrheitlich muslimisch geprägten Staaten ein großes Thema bei päpstlichen Ansprachen, und zwar durchaus auch argumentativ: Die Menschenrechte seien wichtig, um gerechte und stabile Gesellschaften aufzubauen, die den Wunsch der Völker nach Würde und Freiheit umsetzen können. Vor der katholischen Gemeinde in Ankara betonte der Papst ganz klassisch die Wertschätzung der Kirche für die religiösen Werte der Muslime. Für die Christen und Muslime habe ein neues Zeitalter begonnen, in dem Sinn, dass man die geistlichen Bande, die beide verbinden, entwickeln müsste für moralische Werte, soziale Gerechtigkeit, Friede und Freiheit. Schöpfungsglaube sei ein sicheres Fundament für gegenseitiges Verstehen und friedlichen Dialog, für Würde, Brüderlichkeit und Freiheit des Menschen, denn als Geschöpf Gottes hat der Mensch unverletzliche Rechte, ist aber auch gebunden an das Gesetz von Gut und Böse, das der göttlichen Ordnung entspringt. Diese universalen und unwandelbaren Normen, so wird in einer anderen Ansprache noch ergänzt, seien in das menschliche Herz geschrieben und werden so zum eigentlichen Treffpunkt zwischen Menschen verschiedener religiöser Traditionen, also eine konkretere Ausformung der Gottesebenbildlichkeit als Treffpunkt aller Menschen. In Europa dagegen ermutigte Johannes Paul II zum Dialog mit Muslimen, forderte aber auch die Menschenrechte als Schutzrechte für die Fremden ein. Die Haltung der Muslime gegenüber Gott drückt für ihn den existenziellen Zustand jedes Menschen vor Gott aus. Er sprach sogar von einem gemeinsamen Pilgerweg zur Ewigkeit, sichtbar in Gebet, Fasten, Wohltätigkeit sowie gemeinsamen Anstrengungen für Frieden und Gerechtigkeit, für menschlichen Fortschritt und Umweltschutz. Allerdings sprach er auch vom Verzicht auf jegliche Form von Gewalt. Eine ebenfalls sehr exemplarische Rede, die viele der schon genannten Aspekte noch weiterführt, ist die Ansprache anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Vereinten Nationen 1995: Es gebe zwischen den Völkern grundsätzliche Ähnlichkei­ten, weil Kulturen in Wirklichkeit nur verschiedene Wege seien, die

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transzendente Dimension des menschlichen Lebens auszudrücken. Das führt für Johannes Paul II zum Respekt vor den Kulturen und damit logischerweise wieder zum Respekt vor der Religionsfreiheit, auf der wiederum die gesamten Menschenrechte und damit auch jede wirklich freie menschliche Gesellschaft ruhen. Ein Abschaffen der Unterschiede würde die Tiefe des Geheimnisses des menschlichen Lebens rauben. Dabei wird schon noch daran festgehalten, dass es eine unveränderliche Wahrheit über den Menschen gibt, aber diese Wahrheit ist so komplex, dass jede Kultur vermittels respektvollen Dialogs etwas über die eine oder andere Dimension dieser Wahrheit lehren kann. In konkrete Details wird leider nicht gegangen. Ähnlich interessant ist noch die Ansprache zum 50-jährigen Jubiläum der Annahme der Menschenrechte 1999. Die Würde des Menschen wird darin als transzendenter Wert gesehen, der sich auf die Schöpfung zurückbezieht. Die Rechte des Menschen werden ihm also nicht erst von der Menschenrechtserklärung zuerkannt, sie werden nur von ihr proklamiert (was sich ja mit deren Selbstverständnis deckt). Es seien, so Johannes Paul II, alle Menschenrechte gefährdet, wenn eines davon übertreten wird. Als besonders gefährdet sah er das Recht auf Leben und auf Religionsfreiheit. Wo es um die Gefährdung der Religionsfreiheit geht, wird geradezu beschworen, dass Glaube und Gewalt nichts miteinander zu tun haben. Hier sind die Anspielungen auf Divergenzen mit dem Islam sehr deutlich, wenn Johannes Paul II das Recht auf Religionswechsel, auf öffentliche Religionsausübung und auf die Abschaffung der Diskriminierung religiöser Minderheiten fordert. Nicht immer werden Dinge so breit entfaltet, oft ist einfach von der religiösen oder spirituellen Dimension des Menschen die Rede oder auch, darauf aufbauend, von der unantastbaren Würde und damit den unveräußerlichen Rechten des Menschen jenseits vom praktischen Nutzen sowie von der menschlichen Solidarität auch über Religionsgrenzen hinweg. Immer wieder erscheint dabei auch die eher materielle Orientierung des modernen Menschen als ein gemeinsames Gegenbild. Doch ist interessant, dass eine relativ frühe Rede (1981), die sonst noch ausdrücklich auf Paul VI Bezug nimmt, anthropologisch nicht wie sonst bei der Schöpfung, sondern bei der Christologie einsetzt: Jeder Einzelne und jedes Volk seien durch Kreuz und Auferstehung Christi zu Kindern Gottes geworden und damit der göttlichen Natur teilhaftig und Erben des ewigen Lebens. Jeder Mensch erhalte in Christus das volle Maß seiner Würde und seiner letzten Bestimmung. Als besonders verbindend zwischen den Religionen wird dabei das Bedürfnis nach Gebet genannt, da die Spiritualität des Menschen auf ein Absolutes ausgerichtet ist, ein Gedanke, der immer wieder auftaucht. Generell ist zu sagen, dass die Muslime in den päpstlichen Reden schon eine Sonderstellung gegenüber Hindus und Buddhisten einnehmen, dass dies aber auf der anthropologischen Ebene keinen großen Unterschied macht. Umso deutlicher aber wird es, wenn Religionsfreiheit angesprochen wird. Da wird immer wieder nachdrücklich mit dem Bild eines vernünftigen, freien und damit verant-

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wortlichen Menschen argumentiert und damit, dass Gott doch keine religiöse Observanz lieben kann, die von außen aufgezwungen wurde. Anlässlich der Erneuerung eines Vertrags zur Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Ankara und Gregoriana nannte Johannes Paul II als Grundbedingung für diese Zusammenarbeit die Gewissens- und Religionsfreiheit. Was die Gleichheit von Mann und Frau angeht, wird er Muslimen gegenüber allerdings nicht allzu deutlich: Die Unterschiede zwischen beiden dürften nicht dazu benutzt werden, die einen zu unterdrücken und die Überlegenheit der anderen zu erklären. Aber auch beim heiklen Thema Mission sei der Respekt vor der unveräußerlichen Würde und Freiheit des von Gott geschaffenen und geliebten Menschen wichtig. Immer wieder ist die Rede von Respekt, Wissen und Akzeptanz oder aber von Kenntnis, Dialog und Zusammenarbeit. Angesichts der Gleichgültigkeit von Menschen gegenüber Tragödien wie dem jahrelangen Bürgerkrieg im Libanon wird Gott auch ganz stark als der Richter der Menschen betont. Immer wieder geht es um den Frieden, aber nicht nur um den äußeren Frieden, sondern auch um den inneren Frieden des Menschen, der zusammenhänge mit dem Wissen, woher man komme, weshalb man auf der Erde sei und zu wem man eines Tages zurückkehren werde. Auch bei den Begegnungen mit Muslimen auf den Pastoralreisen Johannes Pauls II sind menschliche Würde und Menschenrechte von Anfang an ein Hauptthema. Darauf sollten schon Kinder in der religiösen Erziehung vorbereitet werden und die Würde kann durchaus auch muslimisch als die eines Dieners Gottes formuliert werden, denn das sei der eigentliche Sinn der Bezeichnung als Brüder und Schwestern im Glauben. Gott habe alle Menschen auf die Erde gestellt, damit sie eine Pilgerschaft des Friedens machten, jeder in seiner Situation und in seiner Kultur. Der Dialog wird dabei als Möglichkeit gesehen, die moderne Gesellschaft menschlicher, gerechter und respektvoller zu machen. In diesem Zusammenhang wird interessanterweise mehrmals auch das Gebet genannt, das auf die Begegnung mit dem Nächsten vorbereite und zu Beziehungen des Respekts, des Verständnisses, der Wertschätzung und der Liebe ohne jede Diskriminierung verhelfe. Die Würde der menschlichen Person sei offen für die Transzendenz. Praktisch könnte das zu mehr Disziplin und Ehrenhaftigkeit im privaten und öffentlichen Leben führen und zur Abschaffung jedweder Diskriminierung. Respekt und Brüderlichkeit sollten sogar zur Abschaffung von Armut motivieren. Ferner ist die Würde des Menschen für Johannes Paul II das Kriterium dafür, was von der gegenwärtigen Technologie und Wissenschaft in die Gesellschaft integriert werden sollte. Johannes Paul II kann aber andererseits auch (gegenüber dem Präsidenten des Sudan) davon sprechen, dass der Mensch ein rationales Wesen sei, das zu jeder Konfliktlösung fähig sei, wenn der Wille dafür vorhanden sei. Abschließend zu den Reden Johannes Pauls II sei auch noch auf seine Äußerungen gegenüber am Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten eingegangen. Auch hier kommt die theologische Ableitungsachse: Glaube an Gott den Schöp-

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fer  – Würde des Menschen als Gottes Geschöpf  – Menschenrechte, besonders passive und aktive Religionsfreiheit – Auswirkungen auf der Ebene des Zusammenlebens und gemeinsamen Handelns wie Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden immer wieder zur Sprache. Die Religionsfreiheit stärke die moralische Integrität eines Volkes. Auch die Wichtigkeit des Naturrechts wird betont: Es habe das Recht der Völker inspiriert und sei immer noch fähig, die Einheit des Menschengeschlechts aufscheinen zu lassen. Dabei kann er auf Einzelfälle auch sehr variabel eingehen und durchaus sehr diplomatisch geschickt argumentieren. Was auffällt, ist, dass in den allerletzten Ansprachen die Wichtigkeit und der Nutzen der Trennung von Staat und Religion für die Religionsfreiheit, aber auch für die religiösen und staatlichen Organisationen und für die Gesellschaft allgemein sehr betont wird. Damit zeigt sich abschließend, dass Johannes Paul II die theologische Anthropologie im Dialog gerade mit den Muslimen an vielen Stellen entscheidend weitergebracht hat und seine diesbezüglichen Aussagen immer sehr geschickt auf sein jeweiliges Publikum und damit auch auf unterschiedliche politische Situationen zuzuschneiden wusste. Sein theologisches und praktisches Engagement für den interreligiösen Dialog allgemein und besonders zwischen Christen und Muslimen war ein zutiefst spirituelles, was ihn aber nicht daran hinderte, zugleich, wie schon in geringerem Umfang sein Vorvorgänger Paul VI, ein guter Botschafter für die Menschenrechte, speziell für die Religionsfreiheit, zu sein und dafür auf politischem Parkett zu agieren. Doch darüber hinaus ging es ihm darum, alle Menschen und besonders die Jugend über Religionsgrenzen hinweg für ein spirituelles und damit zutiefst menschliches Leben zu gewinnen.

1.5. Dokumente der Kurie Abschließend sollen noch Gedanken zum Thema aus drei Dokumenten der Kurie einfließen. Dasjenige zur Haltung der katholischen Kirche gegenüber den Gläubigen anderer Religionen wurde 1988 vom Sekretariat für die Nichtchristen herausgegeben. Es stellt fest, dass die christliche Lehre vom Menschen im Rückgriff auf die biblischen Offenbarungen entwickelt wurde, aber auch im ständigen Gegenüber zu den Hoffnungen und Erfahrungen der Völker. Durch Herkunft und Zukunft seien alle Menschen gleich, aber es gebe auch Unterschiede, sogar in den moralischen Fähigkeiten. Die Übereinstimmung wird aber doch als so groß gesehen, dass man gemeinsam Deklarationen, Konventionen und internationale Verträge beispielsweise zum Schutz der Menschenrechte ausarbeiten kann. Ziel ist es dabei, auf demokratischem Weg zur Übereinstimmung von Recht und moralischem Gesetz zu kommen, wobei in einem Staat unbedingt gleiches Recht für alle gelten sollte. Respekt vor den Menschen wird ausdrücklich als Respekt vor deren Grundrechten, Würde und grundsätzlicher Gleichheit gesehen. Lokale Kirchen sollten sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen.

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Dominus Iesus betont ausdrücklich, dass die Parität der Dialogpartner, die Voraus­setzung für den Dialog ist, sich nur auf deren gleiche personale Würde bezieht, und kritisiert darüber hinaus, dass im interreligiösen Dialog so oft dem Thema der Schöpfung der Vorzug gegeben wurde. Der Gesamteindruck des Dokuments ist nicht mehr der eines klaren eigenen Standpunktes, von dem aus man souverän auf andere zugehen und Gemeinsamkeiten suchen kann, wie es eben die neue Bewegung seit dem Zweiten Vatikanum gewesen war. Dieselben Aussagen erscheinen nun umkämpft durch die Entwicklung, die sie genommen haben: Aus Vorreiterpositionen sind Verteidigungsbastionen geworden. Das letzte erwähnenswerte Dokument ist Erga Migrantes Caritas Christi, das ein eigenes Kapitel zu muslimischen Migranten hat und das nach Jahrzehnten intensiver Dialogbemühungen veröffentlicht wurde. Es spricht an, dass für Christen wie Muslime Gott für das Leben des Menschen die entscheidende Rolle spielt, aus allen bisher schon genannten schöpfungstheologischen Gründen. Aber es spricht auch mit vielen Details die Unterschiede an in der Frage, wie genau die Würde und Rechte des Menschen und die Ansprüche an diesen aussehen. Auf dem Hintergrund auch bitterer Erfahrungen kann es nur die Hoffnung ausdrücken, die Muslime möchten in Bezug auf die Menschenrechte immer mehr verstehen, dass man die grundlegenden Freiheitsrechte, die unverletztlichen Personenrechte, die gleiche Würde von Mann und Frau, die demokratischen Regierungsprinzipien und eine gesunde Laizität des Staates sowie eine angemessene Autonomie der Schöpfung nicht aufgeben könne. Klarer als allen anderen lehramtlichen Aussagen ist diesem Dokument die konkrete Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen anzumerken. Hier wird deutlich, was alles konkret hinter dem ausgeprägten päpstlichen Einsatz für die Menschenrechte steht.

2. Die eigenen Veröffentlichungen 2.1. Die Ausgangsbasis Das Sekretariat für die Nichtchristen verstand sich mit seiner Einsetzung durch Papst Paul VI als das äußere Zeichen für das Interesse der Kirche an den Anhängern anderer religiöser Traditionen. Ein Teil seiner Aufgabe war dabei, in der Kirche Interesse dafür zu wecken und Wissen zu vermitteln. In dieser Situation gab es trotz der neuen Anthropologie des Konzils noch viele Unklarheiten. Es zeichnete sich die universale menschliche Brüderlichkeit als Basis des Dialogs ab, außerdem die Wichtigkeit des Naturrechts, der Spuren einer primitiven Offenbarung und der Gnade Gottes, die Gott Menschen guten Willens nicht versagt. Diese ideologische Basis wollte man weiter ausbauen auf der Basis von Bibel, Kirchenvätern, Konzil und nicht zuletzt den päpstlichen Weisungen. In der Tat war die Anfangsphase des Sekretariats praktisch ausschließlich geprägt von der Er-

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arbeitung von Veröffentlichungen, von denen die mehr internen besonders interessant sind.

2.2. Publikationen der Commission pour les Relations Religieuses avec les Musulmans Die Publikationen dieser Kommission, die 1974 ins Leben gerufen wurde, dienen dazu, mit einer Gruppe weltweiter Islamspezialisten bestimmte Themen zu erarbeiten, anfangs noch sehr disparat. Die Veröffentlichungsweisen waren unterschiedlich, der Charakter ist jedoch mehr intern im Sinn von Informationen für Entscheidungsträger.

2.2.1. Harmonie und Konflikt 2.2.1.1. Wahrheit und Gewalt im Islam Diese Studie beschäftigt sich profund mit einem Thema, das an Aktualität nichts eingebüßt hat. Entscheidend für die Fragestellung war das geistige Erbe, das die Mentalität der muslimischen Gemeinschaft prägt. Wie in vielen anderen Fragen ist der Koran bei Gewalt und Toleranz ziemlich ausgewogen, fast neutral. Der Offenbarungstext bietet aber reiches Material für ein Überlegenheitsgefühl der Muslime. Je mehr man von den ursprünglichen Texten weggeht, desto deutlicher wird die Tendenz zur Gewalt. Erst die intellektuelle Tradition beraubt den Islam der ursprünglichen Unschuld, um ihn ausgesprochen einseitig zu interpretieren. Es gibt Koranstellen, die willkürliche Gewalt gegen Ungläubige rechtfertigen und die Mehrheit plädiert für deren uneingeschränkte Gültigkeit. Ein Grundgedanke dahinter ist, dass nur ein mächtiger Gott in überzeugender Weise Gott genannt werden könne. Diese Stärke wirkt sich dann auch auf die muslimische Gemeinschaft aus. Sie ist die beste Gemeinschaft, weil sie das Gute vorschreibt und das Schlechte verbietet und beides in sicherer Weise, sprich durch Kampf. Die Einzigkeit Gottes lässt keinen Platz für irgendjemanden anderes, also auch nicht für Menschenrechte. Abschließend wird versucht, exemplarisch einige häufiger gewählte Wege des Umgangs mit Gewalt zu beschreiben, von denen drei hier genannt werden sollen. Ein Weg ist, die Augen vor der eigenen Gewalt zu verschließen: In einem ersten Schritt versucht man zu zeigen, dass jihad immer nur defensiv gewesen sei. Im nächsten Schritt werden Soll- und Istzustand gleichgesetzt: Weil Zwang im Glauben koranisch verboten ist, kann es ihn gar nicht geben. In einem letzten Schritt wird dann die eigene Gewalt endgültig beseitigt, indem man auf die noch größere Gewalt der Völker des Buches hinweist oder indem man alle muslimischen Autoren anzweifelt oder schlicht verleugnet, die die Legitimität eines offensiven jihad vertreten haben, obwohl dies nicht wenige und nicht unbedeutende waren. Aber

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es gibt auch die bewusste Bejahung von Gewalt für eine neue göttliche Weltordnung, vertreten beispielsweise vom Vordenker der Moslembrüder. Für ihn ist der jihad die totale Revolution gegen jede Art von absoluter Souveränität des Menschen, seien es Regierungen oder Gesetze. Diese Haltung findet sich auch in vielen Schulbüchern. Nach einer weiteren Haltung ist der Rekurs auf Waffengewalt ein willkürlicher und illegitimer Krieg (harb), weil ihm die göttliche Begründung fehlt. Nur der Islam kann den jihad praktizieren und hat ihn sogar zu einer Hauptübung der Hingabe an Gott gemacht. Er sei einfach Ausübung des göttlichen Rechts der legitimen Züchtigung. 2.2.1.2. Die Haltung der Franziskaner Die Franziskaner ziehen aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Verpflichtung zu einem ‚göttlichen‘ Verhalten der Christen und die Überzeugung, die Menschen anderer Religionen könnten uns einen Strahl der Wahrheit bringen. Diese Idee habe sich aber seit dem Konzil sowohl in der Kirche als auch im Islam nur schwer durchsetzen können. Gleichzeitig ist das auch eine Anknüpfung an Franziskus selbst, der mitten in den Kreuzzügen den Sultan von Ägypten besucht hatte. Diese Tradition wurde offiziell zum 800. Geburtstag von Franz von Assisi 1982 mit dem Brief von Assisi wieder aufgenommen. 2.2.1.3. Perspektivenwechsel Der letzte Beitrag bezog auch Erfahrungen aus Ostasien ein und gelangte zu den Thesen, dass es dem Dialog darum gehe, die Ähnlichkeit im Unterschied zu verstehen und dass ein echter Dialog sowohl Harmonie als auch Konflikt brauche. Je nach Mentalität läge die Betonung mehr auf der Unendlichkeit der Wahrheit oder mehr auf dem rechten Erfassen der Wahrheit. Die einen drängten daher mehr zu einer inklusivistischen Lösung, während für die anderen die Wahrheit klar bekannt werden und man den Mut haben muss, sie zu verteidigen. In diesem Zusammenhang sei auch die Entstehung von so etwas wie Heiligem Krieg zu verstehen, und zwar in allen drei monotheistischen Religionen. Zu den drei großen Ähnlichkeiten und damit zu den guten Themenfeldern für den Dialog gehören für den Autor die Frage der Selbstverleugnung, die Erfahrung der Moderne sowie die modernen Technologien, die zu mentalen Assimilationsprozessen führen.

2.2.2. Nachschlagewerk zum Islam – Sonderfall Algerien Das Nachschlagewerk zum Islam (1992/93) ist zur Information für einen Kreis von Entscheidungsträgern gedacht. Erstellt wurde es von Fachleuten mit einschlägigen Vorkenntnissen. Von Interesse unter dem Gesichtsband der Anthropologie ist der Einzelband zu Algerien, da er auch auf die Menschenbilder hinter den blutigen Auseinandersetzungen dort eingeht, beispielsweise auf den großen algerischen Denker Malek Bennabi und seine Anstrengungen, als Antwort auf

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das gesellschaftliche Trauma der Kolonialzeit einen vollständigen Menschen zu schaffen, wobei sowohl eine für ihn wahre islamische Tradition einfließt als auch die Autonomie der Vernunft. Eine weitere neue Spielart wird von den Modernisten oder Reformisten vertreten, die für die Rückkehr zum Menschen als vernunftbegabtes Wesen plädieren und sich daher besonders für die Menschenrechte und die Gleichstellung der Frau einsetzen. Man könnte von der Suche nach einem aufgeklärten Islam sprechen, der sein geistliches Erbe an die neuen geschichtlichen Bedingungen anpasst, aus denen die politischen und persönlichen Freiheitsrechte hervorgegangen sind. Im Zentrum der Debatte um Modernität steht genau die Vorstellung von den Rechten der Person. Der Kern dieser Vorstellung, also verschiedene politische Rechte und Demokratie, wird als universelle Errungenschaft betrachtet. Eine öffentliche Debatte über die Religionsfreiheit gab es erst seit relativ kurzer Zeit. Hier wird deutlich, was alles daran hängt, wie von muslimischer Seite der Mensch gesehen wird, und dass es keine einheitliche Sichtweise mehr gibt, sondern dass sich die unterschiedlichen Sichtweisen bekämpfen, in manchen Fällen auch blutig. Die Wichtigkeit und Problematik der Fragestellung wurden ja schon deutlich dadurch, dass die Frage der Menschenrechte von den Päpsten gegenüber Muslimen immer wieder an vorderster Stelle angesprochen wurde.

2.2.3. Gemeinsames Gebet Die Frage nach gemeinsamem Gebet war auch praktisch wichtig. Die ersten Muslime hatten offensichtlich keine Scheu, ihr rituelles Gebet auch an christlichen Kultorten zu verrichten (trotz Ikonen und Statuen), wie umgekehrt die Christen auch in der Moschee des Propheten in Medina beteten. Aktuell ergriffen die Muslime allerdings selten die Initiative zu gemeinsamen Gebeten. Ein liturgisches gemeinsames Gebet wird als nicht möglich gesehen, da es der christlichen Identität Gewalt antue. Aber gemeinsames Gebet verleihe auch den Dialoginitiativen eine spirituelle Dimension, indem es den Dialog auf Gott und auf die Suche nach seinem Willen konzentiere. Von beiden Seiten wird deshalb mehr Spiritualität gefordert.

2.2.4. Religion und Politik Der Sammelband zu Religion und Politik, ein Werk mit hoch konzentrierter Information, erstellt über den Zeitraum 1995–1999, läuft unter anthropologischen Gesichtspunkten auf die Autoritätsfrage hinaus: Welche Autorität steht Gott zu und welche Autorität dem Menschen als Einzelnem oder auch als Kollektiv in Fragen der Gesetzgebung und der Gestaltung der Gesellschaft und des eigenen Lebens? Hat der Mensch einen gewissen Ermessensspielraum, in welchen Bereichen und unter welchen Umständen? Die muslimischen Antworten darauf werden

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selten direkt anthropologisch formuliert, sondern politisch oder noch genauer juristisch. Aber wie der Mensch im Verhältnis zur göttlichen Autorität gesehen wird, bestimmt, was er konkret darf und soll oder nicht. Was ist, wenn Muslime sich im Bereich der öffentlichen Institutionen an die Werte von anderen anpassen müssen, seien diese akademisch, kulturell oder sozial? Wie wird mit diesen konkurrierenden Autoritätsansprüchen umgegangen? Auf der theoretischen Ebene stellt sich damit die Frage, wem gegenüber ein Muslim verantwortlich ist und ob verschiedene Autoritäten überhaupt in einen muslimischen Rahmen passen. Autorität basiert ja nach muslimischem Verständnis darauf, dass Souveränität allein Gott zukommt und er allein der Gesetzgeber ist. Wenn der Mensch in Gestalt des Volkes Souverän ist, steht das in diametralem Gegensatz dazu. Erstaunlich oft fiel in diesem Zusammenhang der Name des Hanbaliten Ibn Taymiyyah, der behauptete, der Islam sei inhärent theokratisch. Doch insgesamt gibt es viele verschiedene islamische Konzepte von Autorität und eine Einheitlichkeit ist gerade nicht zu finden. 2.2.4.1. Interner Streit Ein Beitrag, der etwas aus dem Rahmen fiel, beschäftigte sich mit dem Streit zwischen dem Maulânâ Sayyid Abû’l A’la Mawdûdî, der den Rahmen für die moderne Diskussion um Begriffe wie islamische Revolution, islamischer Staat und islamische Ideologie geliefert hat, und seinem ehemaligen Anhänger Maulânâ Wahîduddîn Khân. Dabei ging es um den Schlüssel zum Verständnis von Religion. Für Mawdûdî liegt dieser Schlüssel in der Ordnung des Lebens. Für Wahîduddîn dagegen erhebt das eine Folge zum Ganzen. Religion sei die Beziehung zwischen Gott und seinem Diener und das sei mehr als nur Gehorsam: Sie ist der Vollzug der menschlichen Natur. Bei Mawdûdî dagegen gebe es mehr Ideologie als geistliche Tiefe. Die Folge sei eine extremistische Haltung mit einem Unwillen, aktiv zu einem friedlichen und gerechten Zusammenleben in pluralistischen und säkularen Gesellschaften beizutragen. Doch auch bei Wahîduddîn weist der Autor des Beitrags drei große Schwachstellen nach: Mohammed als Vorbild der Muslime habe selbst Sure 9,32 f als Aufforderung zum Krieg gegen den Polytheismus und zur Unterwerfung der Buchreligionen verstanden. Auch nach Wahîduddîn müsse man sich für die Religion einsetzen, aber ob unter der Konfrontation mit Nicht-Religion Säkularismus zu verstehen ist, bleibt offen. Ebenso unklar ist die Frage der Menschenrechte und der Gleichberechtigung in einer Situation mit muslimischer Mehrheit und nichtmuslimischen Minderheiten: Gewalt zur äußeren Durchsetzung des Guten und Verhinderung des Bösen scheint dann erlaubt. Es zeigt sich also auch in der internen Auseinandersetzung, dass der Islam eine verhältnismäßig konkrete Vorstellung davon hat, was es im Einzelnen für die Gesellschaft bedeutet, dass Gott der absolute Herr ist und der Mensch ihm untergeordnet. Diese Vorstellung ist selbst für eine muslimische Minderheit schwer zu spiritualisieren und für eine muslimische Mehrheit noch viel weniger.

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2.2.4.2. Journal of Muslim Minorities’ Affairs Das Journal of (the Institute of) Muslim Minorities’ Affairs bildete die Basis für Analysen zu Europa und Westafrika aus muslimischer Innensicht. Dessen früherer Herausgeber Syed Zayn al-Abidin vertrat die Meinung, Muslime könnten als Minderheit komfortabel leben, solange gewisse Minimalbedingungen gegeben seien. So unterstütze die Zeitschrift einen europäischen Islam. Beim europäischen Ländervergleich wird Deutschland sogar als optimal zum Überleben für die muslimische Diaspora genannt: Der Staat sei säkular, aber nicht säkularistisch und eventuell hätten Muslime dort sogar mehr persönliche und politische Rechte als in muslimischen Ländern. Allerdings hätten die Muslime generell den Eindruck, in Europa nie ganz willkommen zu sein. Osteuropa sei nach wie vor in einer Sondersituation. Wirklich gut für die Muslime sei nur die Situation in Polen gewesen. Sonst hätte es teilweise massive antimuslimische Propaganda gegeben, darunter Verbot von Beschneidungen. Der noch größere Sonderfall seien die kroatischen Muslime, weil sie eine Reihe christlicher Bräuche und Praktiken übernommen hätten, also Alkohol tranken, Schweinefleisch aßen und ihre Frauen auch nichtmuslimische Männer heiraten ließen. Was Westafrika angeht, so wird zunächst darauf hingewiesen, dass die Islamisierung im großen Stil erst während der Kolonialzeit erfolgte, was nicht in das grundlegende islamische Schema passt, nach dem Religionsfreiheit sich direkt gegen die islamische Ordnung wendet. Die untersuchten Artikel bieten interessante Einblicke in die religiöse Prägung der Muslime und ihre daraus erwachsenden Reaktionen. Manche Fragen wie der Streit um die Einführung des islamischen Rechts betreffen heute eigentlich alle Länder der Welt, da es muslimische Minderheiten inzwischen praktisch überall gibt. Die Kolonialherren brachten mit dem modernen Staat ein Gesellschaftsmodell in die Region, das dem Islam völlig fremd ist. Dabei gibt es Probleme grundsätzlicher Art und man bräuchte nun ein klares Konzept, wie muslimisches Leben heute auszusehen habe, doch die einzige Gemeinsamkeit ist oft nur die extreme Aversion gegen alles, was aus dem Westen kommt. Will man die muslimischen Minderheiten in Westafrika generell beschreiben, so kann man das am besten tun mit der Aussage, sie seien Minderheiten zwischen Emigration und Kampf. Die bedeutungsschwere Frage ist deshalb, ob Pragmatismus nicht nur eine zeitweilige Lösung sein kann. Typisch ist ein ständiges Hin und Her zwischen dem Wunsch nach einem reinen, authentischen muslimischen Staat und ständigen Kompromissen mit einer viel tieferen afrikanischen Realität. Kann man überhaupt mit politischen Institutionen zusammenarbeiten, deren Gesetze sich über das islamische Recht stellen? Es erscheint intolerabel, wenn das muslimische Leben geregelt wird von einer Verwaltung, die als christlich bezeichnet wird. In dieser grundsätzlichen Verweigerung der Pluralität liegen auch die Gründe für die meisten politischen Forderungen der Muslime in Westafrika, oft vorgebracht im Namen von Religionsfreiheit und Demokratie. Sie sind insgesamt deutlich höher als in Europa oder Nordamerika, auch

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wenn es partielle Überschneidungen gibt, und laufen auf eine islamisch geprägte Gesellschaft im ganz traditionellen Stil hinaus. Dieses Idealbild ist tief verwurzelt und nicht in Deckung zu bringen mit irgendeinem anderen Modell. Zumindest mit einer Debatte um diese Fragen ist zu rechnen und das ist wohl auch der Grund, warum ein Sammelband zu diesem Thema überhaupt als nötig erachtet wurde. 2.2.4.3. Regionale Studien Der letzte Abschnitt des Politikbandes widmet sich, nun aus Sicht christlicher Beobachter, regionalen Studien, zunächst auch in Europa. Die juristische Situation in Europa sei so unterschiedlich wie die juristische Situation der Kirchen in Europa. Aber es ist deutlich, dass es mit dem Umschlag von der vorübergehenden zur dauerhaften Existenz für die Muslime wichtig geworden ist sicherzustellen, dass sie ihre Religion als Ganzes leben können. Dabei stellen sich zwei entscheidende Fragen: Kann Europa auf seinem Territorium die Existenz von Gemeinschaften einer Religion hinnehmen, die sich weigert, sich zu privatisieren, und die Forderungen nicht nur im kultischen, sondern auch im sozialen Bereich hat? Und können die muslimischen Gemeinschaften sich umgekehrt an die Minderheitensituation anpassen? Die Christen verlangten in dieser Situation von den Muslimen, ihre Tradition im Licht der Erfordernisse des modernen Lebens und mit einer Offenheit des Herzens und des Geistes neu zu interpretieren. Auch die Situation in der Türkei wurde unter dem Gesichtspunkt von Islam und Politik analysiert, wobei zwei Phasen deutlich wurden: Zuerst wurde der Islam ins private Leben zurückgedrängt, weil alle Souveränität vom Volk ausgeht. Der Umschwung kam ab 1945, als das Mehrparteiensystem eingeführt wurde, um den Anforderungen der Vereinten Nationen zu genügen. Die Wahlen bewiesen, dass die Reformen bei der Bevölkerung nicht angekommen waren, und führten zu einer Erosion der Laizität. Außenpolitisch ist die Türkei jedenfalls seit Mai 1976 offiziell ein islamischer Staat. Es gibt auch wieder offiziell Stimmen für das islamische Recht, da ja die Gesetze Gottes wichtiger seien als die Gesetze der Menschen. Bei einer zu 99,5 Prozent muslimischen Bevölkerung stellten die Islamisten mit 21 Prozent die stärkste Partei. Die Anpassung des Islam an das 21. Jahrhundert bleibt also auch in der Türkei ein brennendes und schwieriges Problem. Die entscheidende Streitfrage ist wieder, ob die Menschen sich nun den Verordnungen Gottes anpassen oder ob sie den Glauben und die Religion an ihr Leben anpassen, also wie in welchem Islam die Bereiche Gottes und des Menschen gegeneinander abgegrenzt werden und welche Entscheidungsfreiheit dem Menschen dabei verbleibt. Auch von den indischen Muslimen wurden die für den Islam zentralen Fragen nach politischer Macht und sozialer Organisation in der Vergangenheit traditionell immer in entweder-oder-Manier beantwortet. Unter der britischen Kolonial­ herrschaft stellte sich die Frage, ob Muslime loyale Untertanen der britischen

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Krone sein können. Überwiegend wurde sie so beantwortet, dass Zusammenarbeit möglich sei, wenn islamische Werte nicht verletzt würden und der religiöse und kulturelle Charakter der Muslime erhalten bliebe. Es gibt aber auch vier neuere Herangehensweisen: pragmatisch, modernistisch, fundamentalistischmissionarisch und juristisch konstruktiv. Pragmatisch bedeutet, nur in Glaubensdingen zuerst Muslim zu sein. Modernistisch setzt auf Reinterpretation, wobei als Grundproblem gesehen wird, dass islamisches Recht Gesetz und Religion in sich verbindet, wobei das Gesetz sich anpassen muss, während die Religion im Kern unwandelbar ist. Die Frage dabei ist, wie eine gültige Konsensbildung aussehen soll. Der fundamentalistisch-missionarische Ansatz sieht Theokratie bzw. Theonomokratie als essentielle Vorbedingung für volles islamisches Leben an und einen Widerspruch zu Volkssouveränität, Demokratie und Säkularismus. Es geht um eine Art Theo-Demokratie. Muslime sollten ein anderes System nur benutzen und einen friedlichen Systemwechsel herbeiführen. Juristisch-konstruktiv bedeutet konkret, dass das traditionelle islamische Recht signifikant verändert wird. Die Muslime sind aber von Gott selbst durch besondere Rechtleitung abgesondert und müssten es auch bleiben, mit eigenem sozialen und kulturellem System und dem muslimischen Personenrecht. In diesem Bereich Konzessionen zu machen sei gleichbedeutend mit Zurückweisung des Islam. Mit all diesen Einschränkungen stellt sich dann schon die Frage, ob es in Wirtschaft, Erziehung und Kultur noch eine Einheit des Landes geben kann. Juristisch aber wäre heute kein republikanisches Land mit nichtmuslimischer Mehrheit Haus des Krieges. Säkularismus sollte pragmatisch akzeptiert werden, um einen hochgradig pluralistischen Staat zu organisieren und möglicherweise die vollen Ziele und Rechte der Muslime zu erreichen. Es wird an den Ergebnissen dieser Untersuchung deutlich, dass noch große Fortschritte im islamischen juristischen und theo­logischen Denken nötig sind, damit es eine wirkliche Beteiligung am Leben der demokratischen und säkularen Republik Indien gibt. Das gilt auch generell für das gesamte Verhältnis des Islam zu Demokratie und Säkularismus. Den Abschluss des Bandes bildet Afrika, zunächst stellvertretend für ganz Ostafrika der Standpunkt der katholischen Kirche in Kenia: Politik sollte sich innerhalb der Grenzen der Moral bewegen und auf das Wohl der Allgemeinheit ausgerichtet sein. Beides fehlt in der Region. Als momentane Schlüsselthemen wurden gesehen: Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden sowie Machtmissbrauch und Korruption. Es ist eine geradezu spektakuläre Sicht dessen, was in Anlehnung an das Zweite Vatikanum Christentum und Islam aufgrund ihrer anthropologischen Gemeinsamkeiten für die Menschheit tun könnten. Leider ist die Position der Muslime weniger klar. Die Entwicklung in Westafrika weist gewisse Parallelitäten zur Türkei auf: Es gab auch hier eine säkulare Phase, wobei die zunehmende politische Freiheit (Mehrparteiensystem) zu einer schleichenden Aushöhlung dieses Säkularismus zugunsten des traditionellen Islam führte. Mithilfe der arabischen muslimischen Länder und der internationalen

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islamischen Organisationen hat der Islam den neu entstandenen politischen Freiraum weidlich nutzen können, um sich als Lösung für die Krise zu präsentieren. Die neue Redefreiheit erlaubt bestimmten muslimischen Strömungen, sogar im Namen des demokratischen Mehrheitsprinzips die Islamisierung des Lebens und der Strukturen von Ländern zu verlangen. Die Gefahr einer radikalen Infragestellung der Laizität sei real. Diese werde immer als Antiwert dargestellt, importiert aus dem Westen und gleichbedeutend mit Atheismus. Dabei hatten in den Jahrhunderten vorher die afrikanischen Muslime eine große Fähigkeit entwickelt, ohne allzu große Probleme unter nichtmuslimischen Regierungen zu leben  – und ihre Religionsgelehrten und religiösen Führer eine entsprechende Fähigkeit, diese Situation zu rechtfertigen. Während der Kolonialzeit hatte der Islam ja sogar zugenommen. Die heutige Situation in Westafrika ist in etwa die, dass die afrikanische Laizität den religiösen Gemeinschaften einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einräumt. Der Islam und die arabische Kultur sind zu Faktoren geworden, die einerseits die eigene Persönlichkeit stärken, andererseits eben die Opposition gegen die Fremden und deren Kultur ausdrücken. Insgesamt wird deutlich, dass die Situation von Islam und Politik kompliziert und facettenreich ist. Es gibt aber gleichzeitig eine deutliche Tendenz, dass der Bereich der politischen Rahmenbedingungen für den Islam eben nicht völlig gleichgültig und austauschbar ist, sondern damit zusammenhängt, dass der Mensch Gott untergeordnet ist. Wie sehr sich diese Tendenz ausprägt, ist im Einzelnen schwer überschaubar, aber das Ideal eines eigenen muslimischen Modells, konkretisiert oder auch symbolisiert im islamischen Recht, ist sehr wirkmächtig und auch immer wieder in Spannung mit Demokratie und Säkularismus. Auch in muslimischen Minderheitensituationen ist es deutlich präsent. Das liegt sicher­lich auch daran, dass es zutiefst im theologischen Menschenbild des Islam wurzelt. Politischer und rechtlicher Spielraum hängen an dem Spielraum, den der Mensch grundsätzlich gegenüber Gott hat, und da gibt es eben auch eine Tendenz, die Position Gottes gegenüber dem Menschen zu stärken und nicht umgekehrt.

2.2.5. Dialogerfahrungen am Vorabend des dritten Jahrtausends Am Vorabend es dritten Jahrtausends fragte die Kommission, wie die Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil den christlich-muslimischen Dialog gelebt hat und welchen Dialog sich Christen und Muslime für das dritte Jahrtausend wünschen. Eine kleine Auswertung dieser Umfrage wurde publiziert. Von christlicher Seite ergab sich ein breites Spektrum an unterschiedlichen Erfahrungen. Eine der Entdeckungen war, wieviel menschliche Werte Christen mit den Muslimen teilen. Aber im Okzident gebe es nach wie vor Unkenntnis und einen Überlegenheitskomplex, im Orient dagegen zwangsweises Zusammenleben, obwohl eine Beziehung nicht gewünscht werde. Die Auswertung sieht einen schritt-

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weisen Weg von der Beziehung im Leben zu einer theologischen Reflexion und zu einer Infragestellung im Bereich der Evangelisation. Am ehesten erkennen die jungen und die gebildeteren Christen die Notwendigkeit der christlich-muslimischen Beziehungen. Auch die jungen Muslime gelten als offener. Es gibt Dialog auf allen Ebenen: Dialog auf dem Niveau von Personen ist leicht. Austausch über soziale und menschliche Themen ist häufiger, aber manchmal gibt es auch theologischen Dialog. Insgesamt kann die Dialoganstrengung zumindest von christlicher Seite auch frustrierend sein. Die Parallelen auf muslimischer Seite sind auffällig: Auch die Christen sind einfach Menschen. Von muslimischer Seite wird der theologische Dialog Europa zugeordnet, das tägliche gemeinsame Leben dagegen Asien. Die Masse der Muslime sei skeptisch. Als Trägerin des Dialogs wird die interreligiöse Solidarität für eine gerechte Welt gesehen. Der Dialog sei auch eine gute Waffe gegen Gewalt und Hass. Dazu sollte man bei der Erziehung der Kinder anfangen und die bisherigen Ergebnisse des Dialogs weit bekannt machen. Sie könnten allerdings durch Konversionseifer kompromittiert werden. Gefordert wird eine nachdrückliche Erklärung der Kirche, dass es keine geheimen Absichten im Dialog gibt, sowie eine Klärung der Begriffe Dialog und Verkündigung. Von beiden Seiten wird also die menschliche Ebene als sehr wichtig angesehen. Damit bestätigt sich die Richtung, die das Konzil eingeschlagen hatte, auf das gemeinsame Menschsein und auf gemeinsame Werte zu setzen. Auch angesprochen worden war ja das Problem der Absichtslosigkeit der kirchlichen Dialoginitiative mit dem Verdacht, dass sie einem doch nicht geglaubt werde. Nicht eingeplant war wohl die Rückwirkung auf den Bereich der Evangelisation. Jedenfalls hat sich die Wichtigkeit des christlich-muslimischen Dialogs für eine gemeinsame friedliche Zukunft trotz aller Schwierigkeiten bestätigt.

2.2.6. Religionsfreiheit 2.2.6.1. Rechtliche Grundlagen Die nächste und hier abschließende Publikation der Kommission war Religious Liberty: A Theme for Christian-Muslim Dialogue. Sie beschäftigte sich also mit einem Thema, das gerade von päpstlicher Seite gegenüber den Muslimen immer sehr stark gemacht worden war, und behandelt es umfassend und tiefgehend. Das Thema ist deshalb so interessant, weil Christen und Muslime Freiheit unterschiedlich verstehen und daher die praktische Anwendung sowohl auf der Ebene des Individuums als auch der Gesellschaft anders ist. Der erste Beitrag der Publikation beschäftigt sich mit der Entwicklung der Religionsfreiheit als des am längsten anerkannten Menschenrechts überhaupt (Edikt von Nantes). Ein Artikel der universalen Erklärung der Menschenrechte (1948) befasst sich mit dem Recht auf Religionsfreiheit, nämlich der Freiheit zum Religionswechsel und zur Religionsausübung allein oder in Gemeinschaft. Damit

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sei Religionsfreiheit internationales Gewohnheitsrecht für alle Staaten. Es ist ein fundamentales persönliches und damit ein unzerstörbares und unverletztliches Recht. Die Religionsfreiheit ist somit ein absolutes und heiliges Recht und jeder Mensch ein sanctum sanctorum. Die Religionsfreiheit ist in der angeborenen Würde des Menschen verortet. Die Würde der Menschen ergibt sich aus deren Verstand und freiem Willen, die zu persönlicher Verantwortung führen. Die Religionsfreiheit muss in der Verfassung verankert werden. Jede Nation sei verpflichtet, die Unterschiedlichkeit der Ansichten über letzte Dinge anzuerkennen. Wegen der persönlichen Verantwortung des Menschen ist auch psychologische Freiheit nötig. Worum es de facto schon 1948 Auseinandersetzungen gab, ist das Recht zum Religionswechsel – aber die Essenz der Freiheit ist eben die Möglichkeit des Wechsels. Die Gesamtauswertung dieses und weiterer Dokumente betonte, dass es niemals beabsichtigt gewesen sein, eine völlig gleichförmige Praxis hervorzubringen. Die arabische Menschenrechtsbewegung verwarf 1999 jeglichen Versuch, zivilisatorische oder religiöse Besonderheiten zu benutzen, um die Universalität der Menschenrechte zu bestreiten. Da Johannes Paul II für die Kirche ein Apostolat der Menschenrechte sah, setzt die katholische Kirche sich für eine bindende Menschenrechtskonvention mit Überwachungsmechanismen ein. Da diese Konvention noch fehlt, gibt es auch keine internationale Überwachungsorganisation für Religionsfreiheit, obwohl sie dringend gebraucht wird. 2.2.6.2. Katholische Begründung der Menschenrechte Der zweite Beitrag befasste sich damit, wie sich die offizielle katholische Sicht der Religionsfreiheit historisch entwickelt hat: Das Konzept war immer präsent, aber in einem Wandel von Ideen, Kultur und juristischen Quellen. Religionsfreiheit sei nicht, dass der Mensch sein eigenes höchstes Gesetz sein könne oder dass alle Religionen gleichwertig seien. Aus katholischer Sicht sei es das Recht jedes Menschen, seine eigene Beziehung zu Gott in seinem Gewissen aufzubauen und dabei vor jeder Form von äußerem Zwang geschützt zu sein. Ein Mensch ist also nach katholischer Sicht nicht frei von den Verpflichtungen, die aus der Religion folgen, sondern die Freiheit des Menschen besteht darin, in religiösen Angelegenheiten seinem Gewissen zu folgen. Religionsfreiheit ist Gewissensfreiheit. Der Vorrang des Gewissens ist absolut: Selbst dann, wenn es irren sollte, muss der Mensch ihm folgen. Nur eine vollkommen freie Zustimmung respektiert die Würde und Freiheit der Menschen. Religionsfreiheit ist Teil  des Glaubenaktes und von daher ist der Missionsbefehl eine der stärksten Motivationen der Kirche, sich für die Religionsfreiheit einzusetzen. Offiziell aber wird das erst mit Pius XI und seiner Enzyklika Mit brennender Sorge und der Aussage, alle Gesetze, die Bekenntnis und Praxis des Glaubens unterdrückten oder schwierig machten, seien gegen das Naturrecht. Es geht also um die Existenz einer objektiven moralischen Ordnung. Die Kirche gründet die Religionsfreiheit auf rationale Prinzipien der

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persönlichen Würde des Menschen. Die Religionsfreiheit wird dargestellt als eine ununterbrochene Lehre der Kirche: Die evangelische Wahrheit sei in der Gesellschaft wie Sauerteig gewesen, was die Freiheit angehe. Die theologische Anthropologie als Grundlage der Religionsfreiheit ist also wieder deutlich greifbar, allerdings muss man auch sagen, dass diese Argumentation erst im Lauf des 20. Jahrhunderts in den offiziellen Verlautbarungen der Päpste entwickelt wird. Damit findet sie, wie die vorliegende Dokumentation belegt, auch den Weg in entscheidende Schriften für den christlich-muslimischen Dialog. 2.2.6.3. Religionsfreiheit im modernen islamischen Denken Der nächste Artikel gilt dann dem Blick in die Gegenrichtung, dem katholischen Blick auf die Religionsfreiheit im modernen islamischen Denken, und setzt beim langen und steinigen Weg der katholischen Kirche zur Anerkennung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit ein, weil viele der Fragen, denen die katholische Kirche auf diesem Weg begegnete, offensichtlich denen sehr nahe sind, denen der Islam heute begegnet. Bei der Mehrheitsposition traditioneller islamischer Lehre zu den Menschenrechten sind zwei Punkte absolut verbindlich: Die Menschen haben die grundlegende Verpflichtung, den Islam anzunehmen. Die Muslime aber müssen diesem Glauben und Gesetz um jeden Preis treu bleiben, denn sie haben sich selbst für immer gebunden, auch an seine Gemeinde, die umma. Deren Einheit und Wohlergehen sind mit dem Glauben und der Treue der Muslime eng verbunden. Der Grund für die Entrechtung der Apostaten ist daher deren Kampf gegen die Gläubigen, z. B. in Form von Versuchen, sie von ihrem Glauben abzubringen. Die Islamische Charta für Deutschland aber habe das Recht auf Religionswechsel und Religionslosigkeit anerkannt, da der Koran jeden Zwang in Angelegenheiten der Religion verbiete. Anthropologische Reflexionen haben eine neue Bedeutung erlangt, denn nach westlichem Einfluss steht der Mensch im Zentrum, was der vormodernen islamischen Kultur fremd war. Neuer Stand im islamischen Denken ist: Die Konzepte der Würde des Menschen und der persönlichen Freiheiten haben an Einfluss gewonnen. Freiheit mit ihren konkreten politischen und gesetzlichen Implikationen ist für Muslime immer attraktiver geworden. Aber bis jetzt konnte dies weder die Haltung und Lehre einer der großen traditionellen Institutionen muslimischen Lernens noch irgendeiner nennenswerten muslimischen Bewegung ändern. Freiheit in dem Sinn, wie moderne Europäer sie verstehen, ist ein den Muslimen bis vor 50 Jahren fremder Begriff: Freiheit war für sie nur das Gegenteil von Sklaverei. Der moderne arabische Ausdruck für die Würde des Menschen bezieht sich auf die Koranaussage, dass Gott die Kinder Adams geehrt habe. Die Aussage, dass Gott den Menschen als Stellvertreter Gottes eingesetzt hat, ähnelt den jüdischen und christlichen Vorstellungen vom Menschen als Ebenbild Gottes. Die wichtigste und meistzitierte Koranstelle, wenn es um die Rechtfertigung der Menschenwürde geht, ist Sure 33,72, nach der Gott

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dem Menschen Himmel und Erde anvertraut habe, weil alle anderen dies ablehnten. Den koranischen Belegstellen ist gemeinsam, dass die Menschenwürde von Gott selbst geschaffen wurde und dem Menschen nicht auf der Basis der Religion zukommt, also auch nicht verloren werden kann. Doch es gibt Hindernisse: die Fragen der Sklaven, der Frauen und der Körperstrafen. Der Koran setzt die Sklaverei voraus, erklärt sie aber nirgends für verbindlich. Aber schon diese Unterscheidung zwischen sozialen Voraussetzungen und dauernd geltenden Normen wird von den mehr konservativen Theologen nicht akzeptiert, wenn es um die traditionelle Diskriminierung der Frau geht, und für koranisch vorgegebene Körperstrafen kann sie schon gar nicht gebraucht werden. Die Verbindung von Begründung der Menschenwürde und menschlicher Freiheit wird in der Regel nicht gemacht. Freiheit wird bestenfalls sekundär abgeleitet von der Pflicht des Menschen, von seiner gottgegebenen Vernunft Gebrauch zu machen. Es gibt aber auch drei verschiedene Arten, menschliche Würde und Freiheit zu verbinden, die an die Stellvertreterschaft des Menschen anknüpfen: Die erste sieht als entscheidenden Punkt der Stellvertreterschaft die Freiheit Gottes, die zweite die Kreativität und die dritte das eigenständige Handeln. Außerdem wird ins Spiel gebracht, dass die menschliche Freiheit die Voraussetzung des Zeugnisses sei. Erzwungener Gehorsam wäre nicht nur moralisch wertlos und des Menschen unwürdig, sondern Gottes noch viel weniger würdig. Wie aber kann menschliche Freiheit zusammengedacht werden mit der unbedingten Verpflichtung des Menschen, dem Willen Gottes gehorsam zu sein? Gibt es da eine Grenze der Freiheit am religiösen Gesetz, wie eben im klassischen und traditionellen islamischen Denken? Wie verhalten sich Freiheitsrechte und religiöse Pflichten zueinander? Bei konservativen und fundamentalistischen Theologen ist ein Vorrang der Pflichten vor den Rechten zu beobachten: Nur wer seine Pflichten erfüllt hat, kann seine Rechte fordern. Es gibt also keine Freiheit, die so grundlegend wäre wie die Verpflichtung, Gottes Willen zu erfüllen. Für konservative Muslime muss dieses Ja zum religiösen Gesetz wenigstens von denen erfolgen, die bereits Muslime sind: Gegen die religiösen Pflichten, gegen das Handeln nach der Scharia kann es keinerlei Freiheitsrechte geben. Die Freiheitsrechte folgen nur aus dem Befolgen der Scharia und der offenbarten Prinzipien der Sozialethik. Freiheit gehört zu den erstrebenswerten Folgen der Treue gegenüber den gottgegebenen Verpflichtungen, sie ist aber gerade nicht der von Gott gewollte Weg, um die religiösen Pflichten zu erfüllen. Die fundamentalistische Position stimmt zwar mit dem modernen Freiheitsethos insofern überein, dass die offenbarten Normen nur durch persönliche freie Hingabe umgesetzt werden können, landet aber in der Praxis doch bei der oben geschilderten Haltung. Es gibt aber dazu inzwischen auch ganz andere Ansätze, nach denen das Bekenntnis zum Islam nicht automatisch identisch ist mit einer Selbstverpflichtung auf die Scharia. Religiöses Recht würde damit in den Bereich der säkularen Herrschaft über Körper gehören und nicht in den Bereich der spirituellen Herrschaft über Seelen.

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Es stellen sich dann die Fragen: Wie verhalten sich die Pflichten des Individuums und die des Staates zueinander? Was ist überhaupt der Zweck der Rechtsordnung und des Staates? Der ideale islamische Staat wird organisiert auf der Basis einer behaupteten Identität von Staatsvolk und Glaubensgemeinschaft. Nach islamistischem Denken liegt die Verantwortung für die Erfüllung des Willens Gottes hauptsächlich beim Staat, der einzelne Muslime auf den Weg des rechten Glaubens zurückbringen muss, wenn nötig mit Gewalt. Seit 1970 gibt es immer wieder Diskussionen, was zuerst geschaffen werden sollte, eine islamische Gesellschaft oder ein islamischer Staat. Sogar die, die für die letztere Lösung eintreten, haben allerdings inzwischen einen geschärften Sinn für den Wert der Freiheit als Basis für religiöses Engagement und für demokratische Wege, um islamische Werte zu fördern. Auch dafür wird inzwischen die Idee vom Menschen als verantwortlichem Repräsentanten Gottes angeführt. Man müsse fragen, wie Gott unsere sozialen Bedingungen letztlich wollte. Es gibt eben die Historizität des Menschen, sogar bei muslimischen Denkern. Als wichtigstes islamisches Bollwerk zur Verteidigung der Religionsfreiheit wird die koranische Aussage gesehen, das Gericht sei allein Gottes. Die abschließende Meinung zu diesem wichtigen Punkt ist: Es gibt einen Islam, der sich mit den Menschenrechten, Religionsfreiheit eingeschlossen, vereinbaren lässt, aber er wird momentan nur von einer kleinen modernen Minderheit vertreten und gerade nicht in den Ländern mit muslimischer Mehrheit. Diese und der dortige Islam würden sich gewaltig verändern, sollte sich Religionsfreiheit dort wirklich durchsetzen. Die Wahrscheinlichkeiten realistisch einzuschätzen, bleibt jedem persönlich überlassen. Deutlich ist nur, dass hier um ein enorm folgenreiches Konzept von theologischer Anthropologie gestritten wird. 2.2.6.4. Religionsfreiheit praktisch Die übrigen Texte sind etwas weniger grundsätzlich orientiert, sondern eher eine praktische Bilanz, beginnend mit Pakistan und dessen Gründer Muhammad Ali Jinnah. Er war ein glühender Vertreter der Religionsfreiheit gewesen und wollte alle als gleichwertige Bürger mit verfassungsmäßig gleichen Rechten und gleicher Verantwortung. Jinnahs Traum war ein demokratisches und säkulares Pakistan. Er starb im Herbst 1948 und im Frühjahr 1949 wurde der Islam zur Basis des neuen Staates erklärt. Nach der Verfassung von 1973 ist der Islam Staatsreligion und die Religionsfreiheit ist Gesetz, Ordnung und Moral unterworfen, womit das islamische Recht gemeint ist. Unter Zia ul Haq wurde Pakistan zum rigiden islamischen Staat mit Nichtmuslimen als klassischen Bürgern zweiter Klasse. Die Nationalversammlung ist religiös dominiert. Extremistische religiöse und politische Parteien haben großen Einfluss und erzwangen in bestimmten Provinzen die Einführung strikter islamischer Gesetze wie des Blasphemiegesetzes, das zur privaten Abrechnung mit Christen missbraucht wurde. Die Einschätzung summa summarum: Ein schwacher Staat sucht in der Religion Zuflucht.

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Das Erziehungssystem Pakistans ist islamisch ideologisiert, jedes Fach wird nach islamischen Vorgaben gelehrt. Religiöse Toleranz oder Harmonie stehen nicht in den Lehrplänen. Wörtlich ist in dem Text die Rede von einer Erziehung wie bei den Taliban in Afghanistan. Erziehung zur Religionsfreiheit fehlt. Das lässt sich statistisch eindeutig gerade für die Moscheeschüler nachweisen, denen die Massen aus den Unterschichten zuströmen. Am schlimmsten war es kurz nach dem 11.  September: Die Leute auf den Straße sympathisierten gegen die eigene Regierung mit den Muslimen in Afghanistan. Vielleicht war das aber auch ein Wendepunkt, selbst wenn der Weg noch weit ist: Die geltenden Vorschriften und auch die Verfassung sollten an die UN-Charta zu den Menschenrechten angepasst werden und Pakistan sollte die entsprechenden Menschenrechtskonventionen unterzeichnen. Das Erziehungssystem sollte revidiert werden und interreligiöser Dialog sollte einen Platz bekommen. Vor allem aber sollten die diskriminierenden Gesetze revidiert werden. Das zweite Beispiel ist die größte christlich-muslimische Nation der Welt, Nigeria, die allerdings ihren Beobachterstatus bei der Organisation der Islamischen Konferenz einfach in einen Mitgliederstatus umgewandelt hat. In Nigeria hat die britische Kolonialpolitik die Religion zum Konfliktinstrument gemacht. Die Militärherrschaft hat später die ethnischen und religiösen Spannungen noch verschärft. Im muslimischen Norden ist der Grund für die Furcht der Nichtmuslime allein die Religion, aber allgemein ist das gegenseitige Misstrauen der religiösen Vertreter so tief, dass sie nicht zusammenarbeiten können. Auch die ganze Diskussion um die Scharia in Nigeria ist mehr eine Aussage über das Versagen des Staates und über die Korruption, die ihn in die Knie gezwungen hat. Es sei wichtig, dass die Nichtmuslime betonen, dass sie nicht gegen die Scharia sind, weil sie für die Schwächen sind, die die Befürworter der Scharia bekämpfen wollten. Rolle und Platz von Religion in der Demokratie und Religionsfreiheit in einem pluralen Staat bleiben offene Fragen. Auch in Nigeria ist die aktuelle Lage nicht gerade positiv, aber mit Demokratie und Dialog werden Hoffnung für die Zukunft gesehen. Das letzte Beispiel ist Frankreich. Der Islam ist mit zwei Millionen französischer Staatsbürger die zweitgrößte Religion Frankreichs. Nur fünf bis zehn Prozent der Muslime in Frankreich sind praktizierend. Die Stärken und Schwächen der Zugehörigkeit zwischen den Christen und den Muslimen Frankreichs sind sehr parallel, was zu dem Schluss führt, dass Religionsfreiheit zu einem Aufweichen von religiösen Haltungen führt. Die Erziehung ist so gestaltet, dass es an öffentlichen Schulen keinerlei Religionsunterricht gibt. Dalil Boubakeur, der Rektor der Großen Moschee von Paris, meinte, nach Sure 4,62 sei es nötig, denen zu gehorchen, die an einem Platz herrschen. In politischen Verhandlungen erreichten die Muslime, dass eine direkte Erwähnung des Rechts auf Religionswechsel gestrichen wurde in der Erklärung, in der sie ihre Übereinstimmung mit der französischen Verfassung kundtaten. Relativ ausführlich geht der Text auf die

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Kopftuchfrage ein: Das Kopftuch ist auch Ausdruck eines sozialen Systems, bei dem Männer und Frauen nicht den gleichen sozialen Status haben. Eine Kommission untersuchte, ob es noch mehr solche Fälle gebe, wo säkulare Prinzipien und die Gleichberechtigung der Frau verletzt werden in Vorstädten, Schulen und Kliniken. Es stellte sich eine Unterminierung des säkularen Charakters dieser Institutionen und besonders des Status der Frau heraus. Daraufhin wurde ein neues Gesetz erlassen, das alle sichtbaren religiösen Zeichen in Primar- und Sekundarschulen verbot, besonders aber das Kopftuch. Nur eine kleine Minderheit forderte das Kopftuch für Mädchen an der Schule. Feministische muslimische Vereinigungen wollten sogar eine noch strengere Haltung der Schulbehörden und gingen dafür auf die Straße. Aber es gab auch Geiselnahmen und Todesdrohungen. Der Autor des Artikels ist der Meinung, es gehe dabei letztlich darum, sich an einem Punkt zu unterscheiden, wenn man sonst überall konform gehe. Islam und Christentum seien in Frankreich beide mehr und mehr gleichgestellt und dächten gemeinsam über die Rolle und Sichtbarkeit von Religion in der pluralistischen Gesellschaft von morgen nach – die Laizität soll ein neutraleres Gesicht bekommen. Die Öffentlichkeit und die Medien hörten nicht länger auf einen Einzelnen, man müsse gemeinsam sprechen. Der Islam ist eine Religion von französischen Bürgern bzw. Fremden im Integrationsprozess. Praktisch gibt es immer wieder Spannungsmomente und Zusammenstöße zwischen der öffentlichen Ordnung in Frankreich und Lebensweisen, die aus anderen Ländern kommen. Letztlich aber gehe es weniger um Laizität als einen ideologischen Konflikt als vielmehr um Laizität als Möglichkeit zu einem positiven Austausch aller Beteiligten. 2.2.6.5. Überwachung von Religionsfreiheit Der dritte und letzte große Abschnitt beschäftigte sich mit der Überwachung der Einhaltung der Religionsfreiheit: Wer macht das und wie? Nichtregierungsorganisationen hätten kürzlich ihr besonderes Interesse für das komplexe Thema der Religionsfreiheit entdeckt. Wieviel Freiheit in Denken und Handeln ist eine bestimmte Tradition bereit, innerhalb des eigenen Selbstverständnisses zu erlauben? Wird jemand mit einer anderen religiösen Sicht eingeschränkt oder gar aggressiv angegriffen? Die alte, aber immer kompliziertere Schlüsselfrage dabei ist, wer für eine Religion spricht. All diese Überlegungen und Erwägungen zeigen, dass Religionsfreiheit und ihre Überwachung nicht so einfach ist, wie sie zunächst erscheinen mag. Die bisherigen Anstrengungen zur Religionsfreiheit gingen von religiösen Organisationen und deren Menschenrechtsaktivisten aus, die weltweit religiöse Verfolgungen feststellten. Wie könnte man möglichst erfolgreich dagegen vorgehen? Hier entschloss man sich zu einer Anknüpfung an die Standards, die die einzelnen Nationen selbst anerkannt hatten. Involviert waren der amerikanische Kongress, eine eigens geschaffene, kleine Zweiparteienkommission, ein neu eingerichtetes

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Büro für internationale Religionsfreiheit im amerikanischen Außenministerium sowie ein besonderer Botschafterposten, der einen jährlichen Bericht über die Religionsfreiheit in 194 Ländern geben soll. Der Botschafter für Religionsfreiheit ist einer der Hauptberater des Präsidenten und des Außenministers. Schwierig ist ganz offensichtlich das Zusammentreffen einer moralischen Initiative mit der Außenpolitik, was den Vorwurf provoziert, hinter der Definition von Reli­ gionsfreiheit stehe ein westliches Verständnis von Religion. Eigentlich sind internationale Normen und Verträge nötig, denn das Problem der Religionsfreiheit ist von globaler Dringlichkeit. Die umfassendsten Überwachungsmöglichkeiten haben nach wie vor die USA und die Vereinten Nationen, die generell darin übereinstimmen, wer die Religionsfreiheit am schlimmsten verletzt. Es gebe kein einziges Überwachungsgremium in Sachen Religionsfreiheit ohne amerikanische Stimme. Die Berichte der UN und der USA waren etwas unterschiedlich, was die Lage der Christen im Irak anging, wo die USA Versuche sahen, die Identität der Christen zu untergraben. Das nährt den Verdacht, es gebe einen inhaltlichen Zusammenhang der Berichte mit der amerikanischen Politik. Eines der größten Probleme aber ist, dass eine genaue Definition von solchen Begriffen wie Terrorismus, Extremismus im Namen der Religion, radikalen oder militanten religiös-extremistischen Gruppen fehlt. Für die USA und ihr Außenministerium ist eine Politik für die Religionsfreiheit ein Mittel im Kampf gegen den Terrorismus. Diese sei eines der effektivsten und anhaltendsten Gegengifte gegen den potenziellen Kampf der Kulturen. Jemandem die Religionsfreiheit zu nehmen heiße, ihm das Menschsein abzusprechen. Im Zentrum der Freiheit sei das Recht, die ganz grundlegenden Fragen nach Ursprung, Natur, Wert und Bedeutung des menschlichen Lebens zu stellen und dann entsprechend zu leben. Die Amerikaner betonten die individuellen Menschenrechte gegenüber den kulturellen Normen. Der UN-Bericht stellt eine Spannung zwischen dem Kampf gegen den Terrorismus und demokratischen Prozessen fest. Er gibt eine Definition von Extremismus und verlangt, dass er mit einem Minimum an gemeinsamen Verhaltensregeln bekämpft wird. Die Gesamtfolgerungen aus all diesen Erwägungen sind, dass staatliche Organisationen vielleicht nicht ausreichend sind für interreligiöse Probleme, während den Nichtregierungsorganisationen die Kraft zur Durchsetzung von Vorschlägen fehlt. Eine Überwachung auf religiöser Basis sah die Autorin als Korrektiv für eine politische (und für viele Länder fremde) Überwachung, wobei es bereits positiv sei, dass Dokumente erstellt würden und man auf Verbesserungen dränge. 2.2.6.6. Gewissen und Religionsfreiheit Der letzte Beitrag schließlich fragt danach, was im Gewissen eines Gläubigen vorgeht, der Wahlfreiheit einfordert. In Christentum wie Islam gebe es Konserva­ tive, die Menschenrechte als antireligiös denunzierten. Genauso aber gebe es ein

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neues Bewusstsein, das Religionsfreiheit als den Stoff für einen besseren Dienst an Gott sieht. Selbst die Gläubigsten könnten eine Botschaft nicht mehr glauben, ohne sie bewusst zu wählen. So sei innerlich der Wunsch nach Religionsfreiheit gewachsen und dies habe das Zweite Vatikanum anerkannt. Die Gleichzeitigkeit, dass man sich in Europa und Nordamerika von absoluten Monarchien und von missbräuchlichen religiösen Institutionen befreien wollte, habe das Nachdenken vorher paralysiert: Konnte man eine Freiheit annehmen, die die Unterwerfung unter Gott zurückwies? Erst als die Kirche wie am Anfang erneut Ziel von Verfolgungen wurde, entdeckte sie wieder, dass man Religionsfreiheit auch fordern kann, um Gott besser treu zu sein. Ohne Schaden und Tragödie, so sagen es die Muslime selbst, gebe es keinen Übergang zu einer toleranten und pluralistischen Gesellschaft. Der Artikel gibt Beispiele für die Demokratisierung von religiösen Institutionen aus beiden Religionen. Die Laien sind sozusagen erwachsen geworden und die Religion ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Das könne eine Chance für den Islam sein und dazu führen, dass man Gott im Menschen ehre, indem man alte Werte wie Respekt und Toleranz zu neuem Leben erwecke. So empfinden selbst Muslime, dass die ethische Vision des Koran verloren gegangen sei. Man habe viele Gesetze und Institutionen des mittelalterlichen Islam wiederbelebt, sei dabei aber ethisch nur immer weiter heruntergekommen. In vielen Bereichen kann man sein Leben nicht mehr auf die Regeln aufbauen, die von einer religiösen Tradition in ferner Vergangenheit vermittelt wurden. In allen Religionen bildet sich eine gewisse Konvergenz bezüglich ethischer Werte heraus. Die Wahrheit, so die Einschätzung des Autors, gewinnt von selbst die Intelligenz als Anhänger. Jahrhundertelang gehörten Menschen zu einer Religion, wie man zu einer Familie oder Nation gehört. Es gab politischen Druck und abweichende persönliche Entscheidungen wurden verhindert. Der Religionswechsel wurde zum Verrat. Die religiösen Autoritäten aller Religionen müssten sich dringend der Frage stellen, dass sie mit jeder Generation eine ganze Anzahl von Gläubigen verlieren, die nur noch als Katholiken oder Muslime geführt werden. Der Autor prophezeit, dass in Zukunft nur die gläubig würden oder blieben, deren Erziehung sie darauf vorbereitet habe, Nonkonformisten zu sein. Nur mit genug innerer Freiheit könne man sich den immer raffinierter werdenden Indoktrinationstechniken entziehen. Im Islam sei eine solche Haltung am ehesten bei den Sufis zu finden, nach denen mit dem Erwachsenwerden auch ein gebürtiger Moslem das Glaubensbekenntnis aus freiem Willen sprechen sollte, als spräche er es zum ersten Mal. Das Verlangen, zu einer glaubenden Gemeinschaft zu gehören, sei durchaus vorhanden, aber die Einheit könne einfach nicht mehr autoritär oder durch sozialen Druck erzwungen werden. Das bringt die Versuchung mit sich, eine Gruppe durch Hass gegen eine andere Gruppe zusammenzuschweißen. Andererseits fühlen sich die Menschen allein gelassen vor den großen existenziellen Entscheidungen und immer weniger gerüstet für die Prüfungen des Lebens. Die

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Antworten auf Geburt und Tod, Krankheit und Leid kommen nicht mehr einfach aus sozialer Konformität. Heute ist der Mensch einerseits skeptisch und giert andererseits danach allem, wie mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten ihre Existenzentscheidungen treffen. Lehre muss zum Zeugnis werden oder es funktioniert nicht. Der neue Typ des religiösen Menschen ist mehr spirituell als ritualistisch, mehr mystisch als dogmatisch und unsicherer. Das ist ein generelles Phänomen, wenn auch mit unterschiedlicher Schnelligkeit. Die religiösen Spezialisten beider Seiten sind Diener, die manchmal um ihren Rat oder ihr Wissen angegangen werden, deren Einmischung aber mehr und mehr als Indiskretion empfunden wird. Den Menschen zu dienen heißt nicht, sie zu versklaven. Man sollte ihre Sehnsucht nach Religionsfreiheit nicht einfach als Weigerung verstehen, an Gott zu glauben. Gott selbst hat das Risiko auf sich genommen, sich an jeden Menschen zu wenden, damit der ihm persönlich antwortet. Es geht um die außergewöhnliche Freiheit Gottes, der jeden so leitet, wie er will (ein verstecktes Koranzitat). Es geht um eine neue Anthropologie: Bewusstsein und Freiheit gehören konstitutiv zur Natur des Menschen. Gott manipuliert uns nicht. Der Allerhöchste, der Allmächtige nimmt die Freiheit des Menschen ernst. Der Mensch wird respektiert, auch in seiner Freiheit, nein zu sagen. Wie können also wir versuchen, die zu versklaven, zu denen Gott selbst als Partner sprechen wollte? Es ist geradezu undenkbar, dass ich einen Menschen davon abhalte, dass er seine eigene freie Antwort gibt. Gott selber lässt die ungeheure Sehnsucht nach Freiheit in den Herzen der Menschen emporquellen und Erziehung und Predigt sollen die vorhandene Freiheit nicht bekämpfen. Diese Überlegungen hätten bei Tausenden von Gläubigen eine neue Kraft gewonnen. Es erscheint ganz logisch und einfach (wenn auch in der Praxis oft sehr schwierig), dass Gott selbst dem Menschen die Freiheit gegeben hat, damit der Mensch aus freien Stücken Gott suchen kann. Und es zeigt sich sehr schön, dass das Thema Religionsfreiheit nach vielen historischen, juristischen und praktischen Ausführungen wieder zurückführt zu einer dezidiert theologischen Anthropologie, die schon im Zweiten Vatikanum in Grundzügen angelegt ist und auch Grundlage für den weiteren Dialog mit den Muslimen sein könnte.

2.3. Weitere Publikationen des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog Die Publikationen des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog im Bereich Islam deckten noch einen viel breiteren Bereich ab, der in dieser Auswertung nur in aller Knappheit zur Sprache kommen soll. In dieser Breite variierten sie notwendiger- und positiverweise, möge es um grundsätzliche Ansätze oder um Einzelprobleme gehen, um strikt theologische Anthropologie oder um das

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Bemühen, die Bedürfnisse des Gegenübers wahrzunehmen und darauf einzugehen. Das klare Bemühen darum ist in jedem Fall deutlich zu spüren, aber ebenso deutlich die eigene Linie, die eben eine von den Päpsten geprägte Linie ist, besonders von Johannes Paul II. Es fällt fast überdeutlich auf, wie sehr die Gemeinsamkeiten in der Sicht des Menschen (Gott als Schöpfer und Ziel des Menschen) betont werden, wenn die Muslime direkt angesprochen sind, gerade im Gegenüber zu einem rein materialistischen Weltbild. Das ist durchaus richtig und auch berechtigt im Blick auf eine konkrete Zusammenarbeit zum Wohl konkreter Menschen, was ja erklärtermaßen auch das Ziel ist. Aber es übergeht leicht, dass es auch auf dieser menschlich-anthropologischen Ebene Unterschiede gibt, die ansonsten durchaus gesehen werden. Je mehr die Texte informativ nach innen gerichtet sind, desto deutlicher werden sie angesprochen. Selbst wenn beide Religionen den Menschen als Geschöpf Gottes sehen, so macht es eben doch einen großen Unterschied, ob der Mensch Gottes Ebenbild oder aber Gottes Statthalter ist. Die Freiheit des Menschen und die Würde, die er an und für sich, unabhängig von seinem korrekten Verhalten seinem Schöpfer gegenüber hat, sind, sieht man genauer hin, eben doch größer als Gottes Ebenbild denn als Gottes Statthalter. Zwar sollten beide nicht unabhängig von Gott und dessen Weisungen für Menschen und Welt handeln, aber die gestalterische Freiheit, die die biblisch-christliche Tradition dem Ebenbild Gottes zugesteht, ist doch groß, während sie für den Statthalter Gottes, wie es die islamische Tradition sieht, eben in allererster Linie darum geht, den sehr konkreten, sowohl umfassenden als auch detaillierten Willen Gottes umzusetzen. Und genau an diesem Punkt, wo es weniger um die Anthropologie an sich als vielmehr um ihre (notwendigen) Auswirkungen auf Gesellschaft und Staat geht, tauchen immer wieder die großen Schwierigkeiten auf, deren Lösung nicht in Sicht scheint. Sicher sollte man Schwierigkeiten nicht überbetonen, wenn man gemeinsam etwas Wichtiges erreichen möchte, doch es ist auch irreführend und in gewissem Sinn gefährlich, sie komplett unter den Tisch fallen zu lassen und gleichzeitig immer wieder die gemeinsame Front gegen Materialismus und Säkularismus zu betonen. Gerade die Haltung zur säkularen Welt weist heute durchaus Unterschiede auf bei Christentum und Islam und eine gemeinsame Front kann eben nicht so einfach aufgebaut werden, wie es mitunter den Anschein hat, wo Muslime angesprochen werden. Sicher ist es schwierig, genau die richtigen Formulierungen und den richtigen Ton zu finden, aber eine gute Zusammenarbeit ist nur auf einer ganz soliden Basis aufzubauen und es ist von daher besonders schade, dass das eigentlich geplante Buch über den Menschen aus der Selbstsicht der anderen Religionen nicht zustande gekommen war. Es wäre für das hier behandelte Thema geradezu ideal gewesen.

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3. Die christlich-muslimischen Dialoge 3.1. Die Anfänge Der erste Versuch in Richtung christlich-muslimischer Dialoge war, dass man zur zweiten Vollversammlung der Berater in Rom 1972 zwei Nichtchristen einlud, darunter Prof. Muhammad Talbi aus Tunesien. Es gab eine Konfrontation über das Thema der beiden Religionen im Gegenüber zur Moderne. Im Endergebnis bringt die Gegenwartskultur die Religionsvertreter dazu, ihren Blick auf die Anthropologie zu wenden. Die Religionen setzten ihre Ressourcen mehr und mehr für den Menschen und dessen soziale Förderung ein. Zu den kurzfristigen Zielen des Sekretariats sollte die Beschäftigung mit Themen gehören, die gleichzeitig religiös und von menschlichem Interesse seien – wie beispielsweise die Menschenrechte. Diese Nennung zeigt zum einen, dass die Päpste mit ihrem Nachdruck auf dieser Frage in einem religionsübergreifenden Konsens standen, zum anderen zeigt sie, dass man diese doppelte gestellte Aufgabe ernst nahm und sich ausführlich damit auseinandersetzte. Der große Wandel beim Sekretariat trat 1973 ein: Die Publikationen traten merklich in den Hintergrund, dafür gab es viel mehr direkte Kontakte unterschiedlichster Art, auch richtiggehende Dialogkonferenzen. Man sprach vom Arm des Heiligen Vaters, der sich zu den Menschen anderen Glaubens hin ausstreckt. Das ging einher mit einer genaueren Beschreibung des Dialogs. Er ist die Frucht einer Anthropologie, bei der der Mensch als Ebenbild Gottes und Gegenstand seiner Liebe im Mittelpunkt steht. Man spricht im Dialog (s. o.) nicht nur über religiöse Dinge, sondern über das, was die Menschen interessiert, auf einer religiösen Ebene. Eine noch entscheidendere Rolle als der Konferenz in Rom 1972 kam der Konferenz der Berater 1975 in Grottaferrata zu. Durch einen Fragebogen hatte man die aktuelle Lage des Dialogs in verschiedenen Bereichen erarbeitet, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Die Mehrzahl der Berichte ist eine Momentaufnahme der Dialogsituation mit der übergreifenden Frageebene, was den Muslimen Misstrauen oder Unwohlsein verursache. Der christlich-muslimische Dialog steckt noch in den Kinderschuhen oder wird als Sache von Spezialisten und nicht von Gemeinden und Kirchen gesehen. Der den Muslimen gegenüber kritischste Bericht stammt vom Islambeauftragten des Sekretariats, Abou Mokh, der ja aus der Region kommt. Er nennt die Situation schizophren: Gerade die arabischen Muslime erwarteten von den Christen und vom Dialog nichts. Nur der Islam könne die Welt retten und ihr Frieden und Gerechtigkeit geben. Man kann sich die Frage stellen, ob es unter solchen Vorgaben jemals einen Dialog auf gleicher Augenhöhe geben kann, ja überhaupt einen Dialog, der diesen Namen verdient, und wie dieser dann aussehen könnte. Für die katholische Seite bedeutete

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der Dialog eine Akzeptanz des anderen und seiner Rechte, aber man stellte im Gegenüber zu den Muslimen fest, dass dies umgekehrt nicht der Fall war. Die programmatische Beschränkung auf den homo religiosus und die Zurückhaltung bezüglich konkreter Umsetzung wird für den Islam als problematisch angesehen, da dort die Verbindung von Religion zur weltlichen Ordnung eine wesentlich direktere sei. Religion und Praxis griffen so eng ineinander, dass sie sinnvollerweise nicht voneinander zu trennen seien. Religion bzw. Weltanschauung sei erwiesenermaßen der Schlüssel für das Verhalten. Ein Beispiel dafür im Islam ist der volkstümliche Fatalismus: Wer nicht glaube, dass das menschliche Leben vor dem Tod des Menschen verbessert werden könne, weil Gott alles vorherbestimmt habe, bei dem sei der Versuch, das irdische Leben des Menschen zu verbessern, ziemlich nutzlos, wenn er nicht mit einem religiösen Dialog über die Beziehung zwischen Gott und Mensch verbunden werde. Mit den tatsächlichen Dialogen eröffnete sich ein neues und weites Feld gerade unter anthropologischen Blickpunkten. Gerechtigkeit, Frieden und menschliche Entwicklung standen auf der Prioritätenliste der Dialogpartner weit oben. Die Unterschiede zwischen den einzelnen muslimischen Organisationen und Ländern sind mitunter ganz erheblich und von daher waren die Dialoge und deren Ergebnisse ganz unterschiedlich. (Mit den Jahren wurde es beispielsweise immer wichtiger, religiösen Fundamentalismus und Terrorismus mit der Wurzel auszurotten.) Man müsse dabei immer darauf achten, dass die Dialoge vom Gegenüber nicht ausgenutzt werden und man die eigene Sache nicht kompromittiert. Hauptaufgabe des Sekretariats aber war, Dialoge auf regionaler und lokaler Ebene anzuregen und zu unterstützen, ohne jedoch der eigentliche Träger zu sein. Daneben gibt es noch Besuche von Vertretern des Sekretariats, die sozusagen als Gesandte des Papstes angesehen werden. Diese Besuche könnten ein Katalysator sein, denn die christlichen Kirchen seien schwach und in ihrem muslimischen Umfeld wenig verwurzelt, was den Dialog sehr erschwert. Ganz wichtig ist auch die Bekenntnisfreiheit, was soziale Formen des Bekenntnisses angeht. Materialismus und Säkularismus werden auch von islamischer Seite als Gefahr gesehen, an dieser Front wäre man gern zur Zusammenarbeit mit den Christen bereit. Man macht sich auch Gedanken um die jungen Leute. Die Vorschläge sind alles anthropologische Themen auf einem theologischen Hintergrund: eine juristische, ethische und philosophische Zusammenarbeit auf theistischer Grundlage. Bei der ersten Vollversammlung des Sekretariats vom 1979 wird christlichmuslimischer Dialog als schwierig eingestuft, von der Repräsentanz angefangen. Außerdem müsse man akzeptieren, dass viele Muslime dem im Koran vorgegebenen Schema folgten, Nichtmuslime durch die besten Dialoge zum Islam zu führen. Dialog habe für die Muslime auch immer einen mehr oder weniger starken politischen Einschlag, man denke nur an die vielen Versuche, das islamische Recht wieder aufzurichten. Man wünscht sich eine weniger juristisch-politische

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Sichtweise des Islam, die ihn mehr als Weg zu Gott sieht. Bislang gibt es das vor allem bei muslimischen Minderheiten in nichtmuslimischen Ländern. Mgr. Jean Jadot als Pro-Präsident des Sekretariats ermunterte dazu, statt eigener Dialoge an Dialogen anderer Veranstalter teilzunehmen. Das ist eine Linie, die sich von nun an kontinuerlich durchzieht, eine Dreiteilung der Arbeit zwischen Islamstudien (Commission for Religious Relations with Muslims), der Rolle des Animateurs für Dialoge auf lokaler Ebene und schließlich dem eigenen Dialogengagement, das gegenüber den anderen beiden weit zurücktritt und vor allem der internationalen Ebene vorbehalten ist. Es gab aber ganze Reihen von Dialogen mit einem bestimmten Partner, deren wichtigste hier nochmals genannt werden sollen.

3.2. Dialoge mit Libyen 3.2.1. Der fulminante Auftakt 1976 Die erste große Dialogkonferenz fand vom 1.–6.2.1976 auf Einladung von Staatschef Oberst Muammar al-Gaddafi in Libyen statt. Es wurde nicht der vom Vati­ kan erwartete ruhige Expertendialog, sondern eher ein Schauspiel auf großer Bühne. Kardinal Sergio Pignedoli als Präsident des Sekretariats hatte die Bereitschaft zu diesem Dialog erklärt, vorausgesetzt, es gehe um ein religiöses und nicht um ein politisches Thema. Die konkrete Vorbereitung aber lag in den Händen des Sekretärs der Kommission für Islam, Fr. Abou Mokh, und eines Vertreters der libyischen Botschaft in Rom. Die Vorbereitungskommission versprach dem Vatikan, dass man politische Fragen nicht erörtern werde. Vor der Tagung wusste man allerdings nicht einmal, wer die muslimischen Referenten sein würden. Da keimte der Verdacht auf, dies werde keine wissenschaftliche Tagung mehr werden. Bei der Konferenz selbst waren die muslimischen Teilnehmer und Beobachter wesentlich repräsentativer als die der christlichen Seite. Nicht vertreten waren die berühmten muslimischen Hochschulen, zuvorderst die al-­Azhar, und Saudi-Arabien. Bei den christlichen Beobachtern waren die Ostkirchen stark vertreten, die heftig antijüdisch auftraten. Die Gastgeber gaben die Linie für die Tagung vor: Dem Islam die Ehre geben und arbeiten für die Befreiung der Menschheit von allen Formen von Ungerechtigkeit und Sklaverei. Das erste wirkliche Thema (von den Muslimen gewünscht) war Religion und Theologie. Diese Problemstellung wurde von muslimischer Seite gleich anthropologisch verankert: Die Frage, ob Ideologien imstande seien, auf alle Bedürfnisse des Menschen zu antworten, wurde zum Entscheidungskriterium gemacht. Ideologien hätten niemals eine umfassende Sicht des Menschen, der Gesellschaft und des Universums zu bieten. Nur die Religion sei Quelle der Ordnung für das Leben und die Gesellschaft, in besonderer Weise der Islam. Gemeint ist damit das islamische Recht, das auch zwischenmenschliche Beziehungen gleichzeitig

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mit Strenge und Geschmeidigkeit regelt. Auch für die christliche Seite bestand das Unvermögen der Ideologien, auf alle Probleme des Menschen als Person zu antworten. Die Religion sei der einzige Schutz der unveräußerlichen Freiheit des Menschen. Insgesamt brachte man es so auf den Punkt: Die Religion gibt den Christen Orientierung, aber sie gibt ihnen nicht ein für alle Mal fertige Lösungen. Die Muslime dagegen sahen schon in einer zeitlichen Ordnung für das irdische Gemeinwesen eine gefährliche Autonomie für die Vernunft und waren gegenüber der Laizität sehr kritisch. Sie fragten typischerweise, ob ein Christ nicht zu oft hin- und hergerissen sei zwischen den geistlichen Forderungen seiner Religion und der Verwirrung, die er angesichts politischer Wahlmöglichkeiten eines Gemeinwesens empfinde, das sich nicht an der Religion orientiere. Dann ging es um ein von christlicher Seite gewünschtes Thema, nämlich die Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam. Für die Christen ist das der Schöpfer, der die Menschen liebt und deren Erfüllung ist, der barmherzig ist und Barmherzigkeit erweist und von den Toten auferweckt. Das Engagement für den Menschen habe theologische Wurzeln: Der Glaube an den lebendigen Gott führt uns zur Ehrfurcht vor dem Leben, der an den gerechten Gott zum Kampf gegen jede Form von Diskriminierung, der an einen freien Gott zur Verteidigung der Freiheitsrechte. Weil Gott Friede ist, bemühen wir uns um eine international brüderliche Gemeinschaft. Die Muslime lud man zu einem Dialog über Werte ein. Auf muslimischer Seite bezog man sich auf eine natürliche Religion, die gekennzeichnet sei von der Dichotomie zwischen Schöpfer und Geschöpf, der Kommunikation des Schöpfers mit dem Geschöpf durch Offenbarung, dem Geschenk einer Fähigkeit an das Geschöpf, durch das dieses das Projekt des Schöpfers in der Welt umsetzen kann, der Realisierung von moralischen Werten und damit schlussendlich von Verantwortlichkeit und Sanktionierung. Der zweite Teil der Ausführungen bestand allerdings aus Polemik. Der nächste Themenvorschlag der Libyer war Glauben und Gerechtigkeit, Anlass zu einem exzellenten Exposé zur islamischen Rechtsfindung im Bereich Wirtschaft: Auf den Prinzipien des Islam könne man ein ganzes soziales System aufbauen. Der Mensch ist dabei Sklave Gottes, was ihn von anderer, entfremdender Sklaverei befreie. Auch die Brüderlichkeit aller Menschen und die gemeinsame Nutznießerschaft der gesamten Schöpfung leitet sich davon ab. Laut dem Koran seien nichtislamische Kulturen nicht imstande, den Menschen zu schützen. Die islamische Kultur aber betraue den Menschen mit der Aufgabe, Gott mit Arbeit zu danken, ohne jemals ungerecht zu sein. Der Mensch ist Gottes Stellvertreter auf Erden. Gott hat ihm alles untertan gemacht. Es gebe einen Überfluss an Ressourcen, genug, dass alle Menschen menschlich davon leben könnten. Es genüge dafür, dem islamischen Gesetz zu gehorchen. Das christliche Gegenreferat wollte zeigen, welchen besonderen gemeinsamen Bezug zu Gerechtigkeit die monotheistischen Religionen haben. Soziale Gerechtigkeit habe etwas mit dem Glauben an den einen Gott zu tun. Glaube an einen persönlichen Gott,

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positive Wertung der Schöpfung, lineare Konzeption der Geschichte, die auf ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit nach Gottes Plan zugeht, Bewusstsein der sozialen Natur des Menschen, all das fördert die Entwicklung von Gerechtigkeit. Für die Muslime aber ist es ein Defizit, dass das Evangelium nur Vorschläge macht und kein ganz genaues göttliches Recht hat. Dass das Christentum sich einer Theokratie verweigert, ist ein Manko. Es ist auch hier wieder deutlich, dass es für den Islam und die Muslime von ihrem allumfassenden Grundkonzept her viel schwieriger ist, überhaupt irgendeinen Bereich als nicht religiös auszugrenzen, von der Politik gar nicht zu reden. Ein Vergleich der von Christen bzw. Muslimen gewünschten Themen spricht ja allein schon Bände: Die Themenwünsche der christlichen Seite lagen mehr auf theologischer Ebene, auf muslimischer Seite hatten sie alle auch eine praktische, rechtliche, gesellschaftliche, politische Ausrichtung. In den Augen seiner Anhänger ist das gerade das Proprium des Islam, seine Überlegenheit. Eine Ausgrenzung wäre quasi eine Amputation. Die Schwierigkeiten waren also vorprogrammiert. Im letzten großen Thema, wieder ein christlicher Vorschlag, ging es darum, wie man gegen die trennenden Vorurteile und Missverständnisse ankämpfen könnte. Direkt anthropologische Aussagen gab es wenige. Das muslimische Gegenreferat bestand aus klassischen Vorwürfen gegen die Christen sowie aus politischen Forderungen, die Christen sollten sich einer unterdrückerischen und ungerechten internationalen Ordnung verweigern. Gemeint war damit zuerst eine Verurteilung des Zionismus und ein Verzicht auf die päpstliche Forderung nach einem speziellen Status für Jerusalem und dann erst eine gerechte Verteilung der materiellen und technologischen Reichtümer des Westens. Auf diesem Hintergrund offensichtlich grundlegender Differenzen und Interessenkonflikte und der Obsession der Muslime mit politischen Problemen sollte nun eine gemeinsame Abschlusserklärung erarbeitet werden. Am Ende gab es dann Paragrafen über Menschenwürde und ihre Mobilisierung gegen jede Form von Ungerechtigkeit, über die Ablehnung von Rassendiskriminierung, über Religionsfreiheit, aber eben auch über die Unterscheidung von Judentum und Zionismus (die den Zionismus als aggressive rassistische Bewegung ohne Bezug zu Palästina bezeichnet) und über die nationalen Rechte des palästinensischen Volkes wie das Rückkehrrecht der Palästinenser und Jerusalem als arabische Stadt. Spät in der Nacht einigte man sich, die beiden letzten Paragrafen als muslimische Äußerung zu betrachten und sie dem für politische Fragen zuständigen vatikanischen Staatssekretariat vorzulegen. Das lehnte prompt ab. Die Wogen, besonders von jüdischer Seite, waren jedoch schon hochgegangen. Diese BeinaheKatastrophe brachte die katholische Seite und auch einige Muslime dazu, über die Schwierigkeiten des Dialogs und die Notwendigkeiten bei der Vorbereitung nachzudenken. Das katholische Resümee war, dass Dialog mit Muslimen schwierig ist. Das liege an einer Diskrepanz von Geschichte, Kultur, sozialer Entwicklung und religiöser Mentalität, die man erst jetzt voll erkenne. In den Muslimen

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müsse der Geisteszustand des Dialogs erst noch geboren werden. Den stattgehabten Dialog betrachtete man als politischen Missbrauch des Dialogs. Außerdem hätten Dialoge, bei denen es Gastgeber und geladene Gäste gebe, keine Aussicht auf Erfolg. Aber auch die Christen müssten sich erst dahin entwickeln, Islam überhaupt denken zu können. Die gebräuchlichsten Wörter wie Dialog, Gebet, Monotheismus, Offenbarung, Wille Gottes hätten eine unterschiedliche Bedeutung für Christen und Muslime. Für den Augenblick erscheine ein Willkommen als die beste Methode: freundschaftliche Gemeinschaft, in der man nur das Gute des anderen sucht. Erst nach einer Pause von über zehn Jahren kam es wieder zu einem regelmäßigen Kontakt mit gegenseitigen Besuchen und Treffen. Dabei tauchten auch anthropologische Elemente auf, beispielsweise ging es nachdrücklich um die Förderung von menschlicher Entwicklung und Befreiung. Respekt für die menschliche Würde und Freiheit sei nötig. Als problematisch seien dagegen Zwang, Verführung, Manipulation und Spott einzustufen sowie der Materialismus als Problem der modernen Gesellschaft und Migration. Auch die Frage der Gegenseitigkeit von Religionsfreiheit wurde angesprochen.

3.2.2. Koexistenz und Toleranz 1990 gab es dann in Malta ein Symposium zur Koexistenz der Religionen, in anderen Worten zur Frage der Toleranz. Zunächst einmal ging es in den Referatsrunden um die gegenseitige Sicht, dann erst um die konkreten Konzepte von Toleranz. Von muslimischer Seite wurde betont, wie der Islam generell die Menschheit und damit auch deren Religionen oder vielmehr Religion sieht. Der Islam sei eine friedliche Unterwerfung unter die Gesetze, die zu Ruhe und Sicherheit führen. Die übrige Schöpfung gehorcht diesen Gesetzen sowieso, nur der Mensch hat die Möglichkeit zu Ungehorsam. Das Herausfallen aus diesen Gesetzen der Natur ist geradezu die Geburtsstunde des Menschseins. Vom Menschen wird erwartet, dass er freiwillig mit dem gesamten Universum harmoniert. Es braucht (Recht) Leitung, um ein Teil  des harmonischen Universums zu werden. Die Menschheit wird als eine Familie gesehen, deren Unterschiedlichkeit eine Bereicherung, ein Zeichen von Gottes geheiligter Schöpferkraft, darstelle. Jeder Stamm und jedes Volk habe sein eigenes Land und seine auf sich zugeschnittene Botschaft. Im Islam ist die religiöse Toleranz fest in den Pflichten des Muslim verankert. Gott hat den Menschen frei geschaffen und ihm die Freiheit gegeben, seinen Glauben zu wählen. Eben deshalb gebe es unterschiedliche Glaubenshaltungen. Dafür würden die Menschen nur von Gott beim Jüngsten Gericht zur Verantwortung gezogen. Der sogenannte Heilige Krieg sei zum Schutz der Religionsfreiheit vorgeschrieben. So sind nach muslimischer Überzeugung Toleranz und Koexistenz hinreichend gesichert. Die kleinen Probleme wie Umgang mit Polytheisten,

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Schutzbefohlenenstatus, tatsächlicher juristischer und praktischer Umgang mit Kirchenbau, fehlende Religionsfreiheit für Muslime parallel zum Verbot der Mission wurden nicht mit einer Silbe erwähnt. Die katholische Sichtweise auf den Islam war eine Zusammenfassung der Aussagen des Konzils sowie von Ecclesiam Suam, ergänzt von der Casablanca-Rede Johannes Pauls II. Ziel des katholischen Beitrags war darzustellen, wie die katholische Kirche sich unter Johannes Paul II für eine friedliche Gesellschaft einsetzt. Dabei wird durchaus anerkannt, dass der monotheistische Glaube in der Praxis nicht immer ein sicheres Fundament für die Würde, Brüderlichkeit und Freiheit der Personen war. Dies wird auf ein enges Verständnis von Religion zurückgeführt. Demgegenüber müsse man Andersartigkeit würdigend anerkennen sowie mehr Toleranz und Vertrauen in die religiöse und damit auch in die allgemeine Kultur bringen. Das müsse langsam aufgebaut werden. Was an diesem Punkt auffällt, ist die Ungleichgewichtigkeit der Argumentionen: Koran und Sunna gehen beide schon von Situationen aus, in denen eine gewisse Toleranz der Muslime möglich war und festgeschrieben wurde. Das verfolgte biblische Christentum aber war weit entfernt von einer Situation, in der man es sinnvollerweise zur Toleranz Andersgläubigen gegenüber hätte auffordern müssen. Das Problem liegt weniger in den vielen großen Ausnahmen von einer prinzipiellen Toleranz wie beim Islam, sondern darin, wie man die eigene Tradition verstand und mit ihr umging, sobald man Herr im Hause war. Auch der katholische Beitrag gab eine bewusst positive Sicht, aber zumindest in Anerkennung der Tatsache, dass es auch Probleme gab. Das ist vermutlich leichter als zuzugeben, dass es Probleme gibt, die strukturellen Charakter haben und nicht einfach Fehlentwicklungen sind, wenn auch sehr lange währende. Doch es ging auch direkt um die praktische Anwendung. In der Moderne leben überall Menschen unterschiedlichsten religiösen Hintergrunds zusammen, die aber gleichbehandelt werden müssten. Ein Gesellschaftsmodell alten Stils, das Angehörigen bestimmter anderer Religionen einen fest umgrenzten Standpunkt zuweist, sei, so die christliche Überzeugung, in der modernen Welt nicht mehr denkbar, weil es nicht die Rechte aller respektiert. Für Christen ist die Frage, ob sie sich wirklich wohlfühlen und entwickeln können in einem Land, das versucht, islamische Ideale und islamisches Recht umzusetzen. Für Muslime ist umgekehrt die Frage, ob sie sich damit zufriedengeben können, ihren Islam als persönliche Religion zu leben in einer Gesellschaft, in der der Staat die Verantwortung für die religiöse Praxis und ihre Organisation seinen Bürgern überlässt. Könnten die Menschenrechtsdeklarationen als gemeinsame Charta für solche neuen, pluralistischen Staaten dienen? Wieder wird die Casablanca-Rede Johannes Pauls II zitiert. Der Referent sah gewisse Übereinstimmungen, was Gleichheit und Gerechtigkeit für alle angeht, mit dem malikitschen Prinzip der fünf essentiellen Interessen, die für alle geschützt werden müssen: Religion, körperliche Integrität, familiäre Abstammung, mate­

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rielle Güter und geistige Fähigkeiten. Grundvoraussetzung sei, dass eine Gesellschaft Pluralismus auf allen Ebenen organisiere und die Möglichkeit biete, nach dem Gewissen zu entscheiden. Konkretisierungen kehren immer wieder zu der einen Grundfrage zurück, dass eine Trennung von Religion und Staat absolut notwendig sei. In Verbindung mit den Menschenrechten führe das nicht zu einem säkularistischen, sondern zu einem säkularen Staat, der Religion respektiere und schätze. Die muslimische Seite dagegen wandte ein, solange Muslime ungerecht behandelt würden, könne von diesen Menschen auch keine Toleranz gefordert werden. Auf den Ruf nach einer Trennung von Religion und Politik ging der Redner gar nicht ein. Religion sei das Heiligtum der Menschheit, wenn sie gefoltert werde. Religionsfreiheit innerhalb der muslimischen Gemeinschaft ist offensichtlich kein Problem, solange sie mit den traditionellen Vorstellungen des islamischen Rechts übereinstimmt. Wieder erweist es sich, dass die Unterschiede zwischen den Sichtweisen so groß sind, dass schwer zwischen ihnen zu vermitteln ist und dasselbe Thema zu zwei völlig unterschiedlichen Themen wird, die den Eindruck vermitteln, man spreche mehr aneinander vorbei denn miteinander. Es kann sicherlich fast genauso schwierig sein, konkret und noch dazu übereinstimmend zu definieren, was in einer Situation (göttliche) Gerechtigkeit ist, wie eine Übereinstimmung bei der Definition von Monotheismus zu erreichen. Zu gemeinsamen Aussagen kam es bei dieser Tagung nicht.

3.2.3. Religion und Massenmedien 1993 traf man sich zu einer Tagung über Religion und Massenmedien, u. a. zur positiven Rolle der Medien bei der Formung eines wirklichen Menschen. Die Medien könnten Toleranz ausbilden und Respekt für den Menschen unabhängig von Religion oder Rasse. Man müsse gemeinsame menschliche Werte wie Ehrenhaftigkeit fördern. Man wurde einig, ein gemeinsames christlich-muslimisches Komitee zu bilden, das die Darstellungen von Religion in den Medien überwachen soll, um entweder zu loben oder gegen verzerrende Darstellungen vorzugehen. Wichtig seien ferner Erziehungsinstitutionen, um Vorurteile und Extremismus abzubauen. Das Thema Religion und Medien wurde noch mit einer weiteren Tagung fortgesetzt, die die Sachlage analysierte und wie man sie positiv beeinflussen könnte. Nun einigte man sich, Nachrichtenagenturen geeignetes Material zur Verfügung zu stellen und gemeinsam aufzutreten, wenn es um Missverständnisse, Verfälschungen und Vorurteile geht.

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3.2.4. Problemfall Mission Auch das Missionsthema wurde späterhin mit einer Tagung nochmals aufgegriffen, allerdings erreichte man lediglich eine Klärung der jeweiligen Positionen und fand Übereinstimmungen und Unterschiede beim Vergleich der grundsätzlichen Konzepte. Gemeinsam ist beiden, dass sie sich mit ihrer Botschaft an alle Völker und an alle Menschen richten. Es zeigte sich durchaus ein Gegensatz zwischen missionarischen und kolonialen Haltungen und Strategien auf christlicher Seite. Mit einem Blick auf die Zukunft sollte man die menschliche Würde repektieren, also auch die Religion des Anderen, wenn man über diese spreche oder schreibe, und die Gewissensfreiheit als Teil der Religionsfreiheit. Es dürfe, so die Muslime, keinen Zwang in der Religion geben: Man dürfe wirtschaftliche Notlagen nicht ausnutzen, sondern sollte gemeinsam Ungerechtigkeit und Ausbeutung bekämpfen. Die Schlüsselfragen, die aufkamen, waren u. a. das Konzept und die Praxis von Dialog und Mission, Diakonie und Mission und der mögliche Missbrauch der Diakonie sowie die Ausbreitung einer säkularen Ethik. Es gab auch eine Diskussion um Religionsfreiheit, die freie Wahl und den Wechsel der Religion eingeschlossen, aber auch darum, ob es ein mögliches Ziel von Da’wah ist, das System der Scharia zu stärken. Insgesamt hatten sich die Fronten eher verhärtet.

3.2.5. Perspektiven dieses Dialogs Nichtsdestoweniger gab es weitere Dialoge, beispielsweise zur Kultur des Dialogs in der Globalisierung. Es gab ein Bedürfnis, den bisherigen christlich-muslimischen Dialogprozess auszuwerten und einen Kurs für die Zukunft zu entwerfen. Der Dialog selbst wird als besonders dringend angesehen angesichts der These vom Krieg der Kulturen. Gefordert wird die genaue Kenntnis der Position des Anderen, Aufrichtigkeit und eine geistliche Herangehensweise, gegenseitige Annahme gerade in der Andersheit, sowie Freiheit von Glauben und Religionsausübung. Dialog ist nicht nur intellektuelle Diskussion, sondern schließt positive Beziehungen im alltäglichen Leben ein und den Willen, im Dienst an der Menschheit zusammenzuarbeiten. Es gibt eine neue Notwendigkeit, in Zusammenarbeit den Armen, Schwachen und Bedürftigen zu helfen, Entwicklung zu fördern, nach Gerechtigkeit und Frieden zu streben. Man braucht Erziehungsprogramme zum Dialog. Für die bisherigen Dialogtreffen wird größere Kontinuität gewünscht und vorab noch mehr Informationsaustausch. Beide Organisationen könnten zusammenarbeiten, um Spannungen zwischen Christen und Muslimen abzubauen. Dazu wird ein Coordinating Committee eingerichtet, das sich regelmäßig jährlich trifft.

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3.3. Die europäische Situation im Dialog Eine weitere Sparte des Dialogs richtete sich an die Muslime in Europa, zunächst 1976 in Wien. Das Sekretariat für die Nichtchristen lud die Bischofskonferenzen Westeuropas, den Ökumenischen Rat der Kirchen und einige in Europa lebende muslimische Persönlichkeiten zu insgesamt drei Studien- und Reflexionstagen ein. Es war zunächst eine Bestandsaufnahme über Zahl und Herkunft der etwa neun Millionen Muslime Europas, von denen knapp zwei Drittel Zuwanderer waren, ein gutes Drittel im damaligen Jugoslawien lebten. Die Arbeitsmigranten in Europa seien in eine säkulare Gesellschaft gekommen, die ihnen keine Garantie für ein sicheres, menschliches und religiöses Leben gebe. Ihre Menschenwürde sowie kulturelle und religiöse Identität wird als ständig bedroht angesehen. Die unveräußerlichen Rechte der Immigranten seien Arbeit, Sicherheit, gerechte Entlohnung und Kultur. Die Christen müssten (s. Zweites Vatikanum) mehr über den Islam lernen. Die Muslime erwarteten viel von der Kirche. Die Öffnung der katholischen Kirche in Richtung Islam seit dem Zweiten Vatikanum wird ausdrücklich anerkannt, was zu einem besonderen Vertrauen gegenüber der katholischen Kirche führt in einer Situation, in der ihre Glaubensbrüder in Europa als Bürger zweiter Klasse, wenn nicht sogar als neue Sklaven betrachtet werden. Sie wünschen sich, ihren Glauben bewahren und frei ausüben zu dürfen, die Anerkennung als Gemeinschaft des öffentlichen Rechts und islamischen Unterricht für muslimische Kinder.

3.4. Dialog zu Heiligkeit Ein besonderer Dialog widmete sich dem Thema Heiligkeit in Christentum und Islam. Immerhin waren auch einzelne Muslime immer wieder an dem Thema Frömmigkeit interessiert gewesen. Von muslimischer Seite kamen die Teilnehmer an dem Dialog allerdings mit einer Ausnahme nur vom indischen Subkontinent. Die Idee zur Tagung war auch in Indien entstanden, bei einem Islamseminar für die dortigen Bischöfe, verbunden mit Besuchen in islamischen Institutionen, Gebäuden und Pilgerstätten. Nun wollte man den Muslimen eine ähnliche christliche Erfahrung bieten, auf den Spuren des Franziskus und des Benediktinerordens. Praktisch organisiert wurde alles vom Sekretariat für die Nichtchristen. Man beschäftigte sich mit Konzepten und Vorbildern der Heiligkeit und sogar mit einer Kritik der jeweils anderen Heiligkeit. Für den Bereich der Anthropologie war das Dialogthema besonders ergiebig: Es geht in besonderer Tiefe darum, wer der Mensch ist bzw. sein oder werden sollte in seiner Beziehung zu Gott und zu anderen Wesen. Es geht um den erschaffenen Durst nach Gott. Beispielhaft ist der Beitrag eines Spezialisten für die Geschichte des Sufismus

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in Indien. Es ging um die nicht-rationale Ebene, die beim Menschen wohl wachgerufen werden kann, aber nicht gelehrt. Anfang und Ende der Dinge bleiben den denkerischen Fähigkeiten verborgen, dafür ist der Mensch auf Gott, den Schöpfer, angewiesen und auf intuitive Erfahrung. In der sichtbaren Welt gebe es genügend göttliche Zeichen, die den Menschen realisieren ließen, dass dahinter ein Schöpfer stehen müsse. Es gebe aber immer auch Menschen, die sich dieser Erkenntnis verschlössen und im Unglauben verharrten. Intuition kommt aus einer tieferen, nicht rationalen Schicht der menschlichen Natur, die einen inneren Zwang zum Kontakt mit der himmlischen Welt repräsentiert. Die Engel sind Bindeglied zwischen Gott und den Menschen. Sie beeinflussen den einzelnen Menschen und die Menschheit als Ganzes etwa so, wie der Geist den Körper beeinflusst. Der Mensch selbst hat immense rationale und spirituelle Kapazitäten. Gott hat den Menschen aus Lehm geformt, ihm seinen Atem eingehaucht, womit er hören, sehen, fühlen und verstehen kann. Gott lehrt seinen Statthalter auf Erden die Namen aller Dinge, die innere Natur und die Eigenschaften und Gefühle. Das ist die höhere Seite des Menschen. Es gab einen Bund zwischen Gott und dem Menschen, als der Mensch noch eine andere Form der Existenz hatte, eine Art göttlicher Existenz. Alles andere, Wissen, Gefühle, Willensmacht, Verstand und Unterscheidungskraft komme noch dazu und mache in der Summe die Einzigartigkeit des Menschen aus. Menschsein insgesamt ist ein Spiegel der Eigenschaften Gottes. (Ghazali sagt sogar, Gott habe Adam nach seinem Bild geschaffen.) Der vollkommene Mensch ist also der, dessen Leben mehr und mehr Ausdruck der göttlichen Eigenschaften ist. Die Aufgabe des Menschen ist es, sein ganzes Selbst zu reinigen und Gott zu unterwerfen, um mit dem Unsichtbaren in Kontakt treten zu können. Der Mensch wurde in der allerbesten Form geschaffen, er hat eine Nähe zur göttlichen Seele und einen begrenzten freien Willen. Er ist aber auch ungeduldig, arrogant, undankbar und sehr leicht allem Übel zugeneigt. Der Mensch ist in ständiger Spannung zwischen den sich eigentlich ausschließenden Elementen seiner Natur. Seine weltliche Existenz ist daher ein Zustand der Entfremdung von seinem eigentlichen Selbst. Auf materieller Ebene ist das Leben nur flüchtig, absurd und voller Sorgen. Daher ist die Seele von ewig ruheloser Sehnsucht. Es gibt drei Stadien der Seele: Zuunterst ist sie dem Bösen, dem Verderben zugeneigt. Dann soll die niedrigere Seite durch Zuflucht zu Gott als dem Beschützer der Gläubigen unter Kontrolle gebracht werden. Schließlich hört der Mensch den göttlichen Ruf und legt alle irdischen Gelüste ab. Für die Sufis ist Liebe Gottes in ihrem doppelten Sinn das einigende Band zwischen dem Menschen und dem Göttlichen.

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3.5. Dialoge mit der Royal Academy for Islamic Civilization Research, Jordanien 3.5.1. Religiöse Erziehung Die am besten dokumentierten Dialoge gab es mit der Royal Academy for Islamic Civilization Research, einem Teil der Al Albait Foundation. Auch hier gab es mit der ersten Dialogkonferenz von 1989 einen Rückbezug auf die Konzilserklärung Nostra Aetate, die ja den Christen und Muslimen nahegelegt hatte, die Konflikte der Vergangenheit zu überwinden und zu einer Zusammenarbeit zu finden. Besonders für junge Menschen, so wurde am Anfang betont, sei es wichtig, wie sie ein Leben in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes leben könnten. So ging es auch zunächst um religiöse Erziehung unter den Aspekten von Identität und Offenheit. Zielvorstellung ist eine friedliche Koexistenz im Rahmen von Toleranz und gegenseitigem Respekt. Die islamische Identität wird dabei als zwei Zirkel geschildert, die um das Zentrum des Monotheismus kreisen, der prophetische Zirkel mit Mohammed und der weitestmögliche Zirkel von fitra, gemeinhin als natürliche Gotteserkenntnis, hier aber als Intuition bezeichnet. Die Schöpfung und ihre unwandelbare göttliche Ordnung sind sozusagen Gottes aufgeschlagenes Buch. Der klassische Schutzbefohlenenstatus wurde dahin gehend interpretiert, dass Muslime nur die nicht zu Freunden haben dürften, die sie aus religiösen Gründen bekriegt oder zumindest mitgeholfen hätten, sie zu vertreiben. Sonst aber seien Freiheit des Kultus und Schutz geboten, weil alle Menschen Teil der großen menschlichen Familie seien, die Gott geschaffen und mit besonderer Würde ausgestattet habe. Es gibt auch ein allen Religionen gemeinsames ethisches Gesetz. Anhänger verschiedener Religionen könnten in vielen Bereichen zusammenarbeiten, besonders was das ethische Gesetz angeht. Insgesamt könne der Islam so Mentalitäten in einem flexiblen Rahmen von Identität und Pluralismus vereinen. Das Gegenreferat des lateinischen Patriarchen von Jerusalem ist in der anthropologischen Gedankenführung strenger als das Ausgangsreferat, aber ohne praktische Schlussfolgerungen. Pluralismus sei schon immer eine Realität gewesen, die mit der menschlichen Rasse verbunden gewesen sei. Jeder Gläubige müsse lernen, mit diesen Einflüssen umzugehen, ohne Aggressionen und auch ohne geistliche Entfremdung. Die Frage, wie religiöse Erziehung damit umgeht, führt erst einmal zur Frage nach dem Verständnis von Identität und Offenheit. Identität definiere sich zuallererst durch die Freiheit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, die Gott jedem Menschen gegeben habe und die jedes andere Individuum und jede soziale Organisation zu respektieren habe. Die vorrangige Identität des Menschen ist seine unmittelbare Beziehung zu Gott. Die Identität des Menschen wird durch diese Überlegenheit über das Materielle definiert. Sie ist die Grundlage von Selbstbestimmung, Freiheit und Würde. Darüber hinaus ergibt sich die

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Identität jedes Menschen aus seinen Verbindungen zu einer gegebenen Gesellschaft. Nationalität und Religion haben dabei grundlegenden Charakter. Mentalität, Benehmen, Gebräuche und Traditionen hängen davon ab. Es sei das Recht und die Pflicht eines jeden, seine Identität in diesen beiden Dimensionen zu bewahren. Zu den Aufgaben der Erziehung gehört es, diese Identität zu respektieren und zu fördern. Offenheit ist in erster Linie Offenheit für die Art und Weise, in der Gott seine Schöpfung sieht. Man begegnet allen von Gottes Geschöpfen in Gott, ihrem Schöpfer. Folglich geht jegliches Sich-Abschließen gegenüber anderen gegen die authentische Definition von Identität. Offenheit durch Interaktion mit allem, was gut ist im Menschen (man hört geradezu die Formulierungen des Zweiten Vatikanums), ist eine Sache, Auflösung, Skeptizismus eine andere. Offenheit bedeutet nicht, die Verbindungen zu kappen, die einen in einem bestimmten Milieu (Familie, Nationalität, Religion) verwurzeln, das als Geschenk Gottes angesehen wird. Dem müsse die Erziehung entgegenwirken durch die Entwicklung einer Persönlichkeit, die sich ihrer eigenen Identität bewusst ist, Werte hat und richtig und falsch unterscheiden kann. Erziehung besteht darin, dem Menschen zu helfen, menschlich zu sein. Ganz ähnlich wie auf muslimischer Seite werden Mensch(lichkeit) und Gott als letztlich in Einklang gesehen. Erziehung in diesem Sinn befähigt einen Menschen, mit Gott in Beziehung zu treten. Erziehung muss das Bewusstsein für die gottgegebene Würde des Menschen wecken, bewahren und entwickeln. Der Erzieher selbst muss sich dieser Würde bewusst und im Umgang respektvoll und verantwortungsbewusst sein. Erziehung muss die Balance zwischen Geist und Materie aufrechterhalten. Körper, Intellekt und Seele müssen wachsen können. Die Beziehungen zu Gott und zu anderen Menschen müssen wachsen und miteinander verzahnt werden. Man sollte den Nächsten so lieben, wie Gott ihn liebt, auch wenn er möglicherweise ein anderes Verständnis von Wahrheit hat. Es geht also um Erziehung zu der Sichtweise, die Gott vom Nächsten und von einem selbst hat. Summa summarum: Wenn Gott dem Menschen so vertraue, sollten die Erzieher das auch tun. Erziehung basiert auf Freiheit und Selbstbestimmung. Ohne gibt es gar keine Erziehung. Auch um der Wahrheit willen hat niemand das Recht, die Würde eines anderen Menschen anzufechten oder zu verletzen. Gott zwingt den Menschen nicht, die Wahrheit anzunehmen oder sich richtig zu verhalten. Die Gläubigen müssten befreit werden von Aversion gegenüber den Andersgläubigen – wieder in Anlehnung an das Zweite Vatikanum. Hier wird in der Tat eine anthropologische Grundlegung für Erziehung in einer allgemein und religiös pluralistischen Welt gegeben. Man bemerkt eine (erwartungsgemäß) stark katholisch geprägte Interpretation der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit und Einflüsse des Zweiten Vatikanums. Die Betonung des Milieus (Nationalität etc.) wird besonders von muslimischer Seite geteilt, wie überhaupt die Einbindung des Menschen in das Ganze von Schöpfung und Gesellschaft betont wird. Die größte Verbindung beider Seiten ist, dass durch die Schöpfung der Mensch als Bruder

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gesehen wird. Gerade im direkten Gegenüber zu dem muslimischen Text fällt auf, dass der Gedanke der Schöpfung, der Brüderlichkeit der Menschen und der Welt insgesamt als Spiegel Gottes durchaus als gemeinsam bezeichnet werden können. Auf muslimischer Seite fehlt dabei der Gedanke der Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Das christliche Referat zu Glaube und Wissenschaft lehnte sich stark an Teilhard de Chardin an. Der Mensch soll in der Schöpfung die Liebe Gottes hören und fühlen und dieses Angebot freiwillig annehmen oder ausschlagen. Der Mensch musste ein Wesen sein, das diese gegenseitige Liebe wünschte. Die Bereitschaft, sich durch Liebe verwandeln zu lassen, ist das Kernstück menschlicher Existenz. Christus ist als der Gipfel der Schöpfung schon immer in jedem Menschen gegenwärtig. Gottes Botschaft in Christus erklärt allen Menschen, was in ihrem Leben passiert und was ihre Aufgabe ist. Die anderen Religionen lassen sich mit ihrem Streben nach Vollkommenheit, Wahrheit und Schönheit und ihrem Eingehen auf menschliche Grundfragen und -erfahrungen da gut einfügen. Der gemeinsame Punkt mit anderen Religionen sei die dankbare Beziehung zum Schöpfer. Das Referat war starker muslimischer Kritik ausgesetzt, die einen der typischsten Vorwürfe des Islam an das Christentum formulierte: ein zu negatives Menschen- und Weltbild zu haben (Erbsünde)  und zu jenseitig orientiert zu sein, nicht die richtige Balance zwischen dieser und der nächsten Welt und den verschiedenen Elementen im Wesen des Menschen zu halten, was alles der Islam tut. Für den muslimischen Redner zum Thema sind Glaube und Wissenschaft die beiden essenziellen Wahrheiten, die zu Gott, dem Schöpfer, führen. Glaube ist ein angeborener Bestandteil der Natur des Menschen und enthüllt ihm, dass er schwach und unfähig ist und Gott, den Schöpfer, braucht. Wissenschaftliche Erkenntnis erkennt die eigenen Grenzen an, wo es um das Geheimnis des Lebens geht, und beweist, dass Gott der Schöpfer ist. Es bringt Ruhe und Sicherheit, die Dinge, die über die menschlichen Fähigkeiten hinausgehen, Gott zu überlassen. Gerade für die Jugend habe der Glaube nur positive Folgen: Sobald besonders ein junger Mensch an die Einheit Gottes glaubt, weigert er sich, von anderen Menschen beherrscht zu werden, und fürchtet nur den allmächtigen Gott. Als Ergebnis haben die jungen Menschen positive Charaktereigenschaften und sind imstande, Ziele zu erreichen. Besonders die Würde, die durch religiöse Zugehörigkeit und nicht durch das Streben nach Geld erworben wird, sei sehr wichtig. Es könne sehr hilfreich sein, den muslimischen Jugendlichen zu helfen, die westliche intellektuelle Invasion loszuwerden. Hier wird also die Identität weit mehr betont als die Offenheit: In der konkreten Realität der Jugend führt vielleicht doch nicht alle Wirklichkeit so automatisch zum Islam hin. Am Ende ging es auch noch um die religiöse Erziehung an Colleges und Universitäten. Hier wurde von muslimischer Seite betont, dass lebenslanges Lernen eine Pflicht ist, es aber genügt, wenn einige diese Pflicht stellvertretend für alle

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erfüllen. Religiöse Erziehung findet überhaupt statt, weil der Mensch Gottes Statthalter auf Erden ist. Der Mensch wurde durch Vernunft, intellektuelle Fähigkeiten und eine Neigung zum Lernen geehrt. Alles steht im Dienst des Menschen, dafür forderte Gott vom Menschen, die Erde mit Liebe, Glauben und guten Werken zu füllen. Voraussetzungen sind ein fester Geist, Wahlmöglichkeit, Erkenntnis von Gut und Böse, Gottes Rechtleitung und Unterweisung durch die Propheten und damit eine religiöse Erziehung. Die korrigiere das Verhalten eines Menschen und mache ihn zu einem guten Mitglied der Gesellschaft. Inwieweit die tatsächliche islamische Erziehung diesen sehr weitgehenden Anspruch auch umsetzt, wird allerdings gar nicht erst gefragt. Von christlicher Seite wurde gesagt, Erziehung führe nicht automatisch zu mehr Menschlichkeit und Christlichkeit. Auf diesem Hintergrund entfaltete der Redner eine theologisch-anthropologisch fundierte Zukunftsvision für katholische Universitäten. Die sogenannte ‚wertfreie‘ Erziehung habe sich als Mythos herausgestellt. Werte brächten dem Leben Sinn. Sie gäben einer Person Identität, einen Charakter. An katholischen Universtitäten sollten wichtige menschliche Probleme und Belange untersucht und jede partielle und verformte Sicht des Menschen zurückgewiesen werden. Katholischer Erziehung geht es seit jeher um die ganzheitliche intellektuelle Entwicklung jedes Einzelnen. Die Führungskräfte von morgen müssten mit den Fragen der Konsequenzen von Fortschritt und den moralischen Implikationen von vordergründig finanziellen Entscheidungen konfrontiert werden. Eine katholische Universität dürfe nicht einmal denkbar sein ohne diese umfassende Sicht des Menschen. Besonderen Wert würde eine katholische Universität dabei auf den Bereich der kontemplativen Kapazität direkt im Zentrum der menschlichen Existenz. Von muslimischer Seite wurde das als Beschwerde über den Säkularismus verstanden und der Mythos von der wertfreien Erziehung nachdrücklich betont. Dies ist eine erneute Bestätigung, wo die jeweiligen Schwerpunkte liegen und wie das das Hören auch beeinflussen kann. Am Ende waren sich alle Teilnehmer der Dialogtagung einig, dass Gott die Menschen mit Würde, Freiheit, Rechten und Pflichten geschaffen hat. Die religiöse Erziehung sollte nicht nur die Entwicklung einer religiösen Identität betonen, sondern auch zum besseren Verständnis der gemeinsamen Werte und zum gegenseitigen Respekt beitragen.

3.5.2. Erziehung und Kinderrechte Die nächste Dialogtagung beschäftigte sich nicht nur mit der Erziehung, sondern auch mit den Rechten von Kindern, aufgeteilt nach ungeborenen Kindern, Vorschulkindern und Schulkindern. Eine der drei Eröffnungsansprachen wurde von dem damaligen jordanischen Kronprinzen Hassan gehalten, der meinte, es gehe in dieser Tagung um die Verpflichtungen, die Erwachsene Kindern gegenüber hätten, auch bei Problemen. Kardinal Arinze dagegen betonte zur Eröffnung, die

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Haltung zu geborenen und ungeborenen Kindern sage viel über eine Gesellschaft aus, damit unterzeichne eine Gesellschaft ihr eigenes Urteil. Arinze hielt auch selbst das christliche Hauptreferat zu den Rechten des ungeborenen Kindes. Der Mensch ist von Anfang an eine Person, also eine Einheit von Körper und Seele, und muss als solche behandelt werden. Das menschliche Leben ist ein Geschenk Gottes. Es beginnt mit der Vereinigung von Ei- und ­Samenzelle und nur Gott allein hat das Recht, über dessen Anfang und Ende zu bestimmen. Der Mensch aber hat das Recht auf Leben und Würde von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Die katholische Kirche sei schon immer gegen Abtreibung gewesen und findet sich nun sozusagen in der modernen Biologie bestätigt. Zwar legalisiere die staatliche Gesetzgebung vieler Länder die Abtreibung, aber die Menschen hätten gar nicht die Macht, Gesetze gegen Gott, unseren Schöpfer, zu machen. Auch wenn der Embryo per Gesetz zur Unperson erklärt wird, bleibt er in den Augen Gottes ein Mensch mit den Rechten jeder menschlichen Person. Befruchtung im Reagenzglas ist nach katholischer Ansicht nicht mit der Würde des Menschen vereinbar. Da das menschliche Leben das Leben einer Person ist, kann es kein technologisches Produkt sein. Von muslimischer Seite wurde kritisiert, dass die katholische Darstellung nur das Recht auf Leben, Würde und Gesundheit genannt habe, während das ungeborene Kind im Islam noch weit mehr Rechte habe, also beispielsweise erben oder Stiftungen empfangen könne. Nach islamischer Tradition hat der Fötus zunächst das Recht, die Dauer der Schwangerschaft zu bestimmen. (Das geht auf Sure 13,8 zurück, nach der Schwangerschaft und Stillzeit 30 Monate dauern, wobei als Minimaldauer für die Schwangerschaft sechs Monate angegeben werden. Eine Maximaldauer wird nicht angegeben.) Die Rechte des Embryos im Islam beginnen mit der Wahl der Mutter. Dazu gehören Heiratsverbote und das Recht, bei Krankheit und besonders geistiger Behinderung der Mutter eine Ehe aufzulösen. Dem Kind sollen von Anfang an optimale Entwicklungsbedingungen geboten werden. Dafür sollte man für das Kind beten und sich als Eltern besser benehmen, um dem Kind ein Vorbild zu sein. Schon dem Ungeborenen solle man aus dem Koran vorlesen, um die angeborene Natur des Menschen zu bestätigen. Eine schwangere oder stillende Frau muss nicht fasten und sich auch nicht um ihren Unterhalt kümmern, da Arbeit ja immer mit Ärger verbunden ist, der für das Kind schädlich sein könnte bis hin zur Fehlgeburt. Auch moderne Schädigungen Ungeborener durch Alkoholmissbrauch und Aids verhindert der Islam, da er außerehelichen Geschlechtsverkehr und Alkoholgenuss verbietet. Erst ganz zum Schluss geht der Vortrag auch auf den Schutz des Lebens des Ungeborenen ein. Der muslimische Denkansatz ist viel juristischer und der Schutz des ungeborenen Lebens nicht so absolut wie auf katholischer Seite. Abtreibung ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich und selbst wo sie verboten ist, wird sie längst nicht so strikt bestraft. Auch ungeborenes Leben hat seinen Preis (Blutgeld, Schadenersatz) – das macht es wertvoll,

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aber gleichzeitig in gewissem Sinn zur Handelsware: Bei aller dem Menschen von Gott verliehenen Würde ist der Preis je nach Geschlecht, Alter und Status durchaus unterschiedlich. Wieder wird deutlich, dass in der Art und Weise der Argumentation – mehr philosophisch-theologisch oder mehr juristisch-theologisch – grundlegende Unterschiede zwischen der christlichen und der muslimischen Seite liegen. Auch bei den Rechten des Vorschulkindes erging sich der islamische Beitrag wieder in schier unendlichen Details und war de facto ein Kurzkompendium des islamischen Rechts zum Thema. Die Rechte der Kinder seien die Pflichten der Gesellschaft. In den fortschrittlichen Staaten würden diese Pflichten in der Regel gut erfüllt, in den orientalischen, afrikanischen und muslimischen Ländern dagegen am schlechtesten. Die Frage nach dem Grund für dieses krasse Missverhältnis wurde nicht einmal gestellt. Im Gegenteil, es wurde moniert, dass viele den positiven Einfluss von Koran, Sunna und islamischer juristischer Tradition in dieser Frage verkannt hätten. Ein Kind hat das Recht, großgezogen und erzogen zu werden, aber es gibt noch viel mehr Rechte eines Säuglings: dass er als erstes Gottes Wort hört. Er hat als Junge das Recht auf Beschneidung. Das Kind soll das Beste bekommen und die Zuwendung der eigenen Mutter ist für es das Beste. Jegliche islamische Erziehung hat sechs Grundsätze: Der erste ist die Glaubenserziehung – nach Mohammed sollen Kinder an drei Dinge herangeführt werden: die Liebe zu ihrem Propheten, die Liebe zu dessen Haushalt und die Rezitation des Koran. Der zweite ist die Moralerziehung. Danach kommen körperliche Erziehung, geistige Erziehung, schrittweise soziale Erziehung und ganz am Ende praktische Erziehung. Die Kinder haben auch neun ganz konkrete Rechte: Recht auf Unterhalt von den Eltern, Recht auf gleiche Behandlung wie ihre Geschwister, Recht auf Mitleid und echte Liebe, Recht auf Spiel und Spaß (Kinder sollen schwimmen, schießen und reiten lernen), Recht auf Fürsorge, Recht auf väterliche Vormundschaft, gegebenenfalls Recht auf Vormundschaft anderer Personen, Recht auf legitime Abstammung durch eheliche Geburt. Erst das neunte und letzte Recht ist das Recht auf Leben, will sagen, ein Kind muss vor Hunger, Aggression und anderen Formen des Sterbens bewahrt werden und darf auch nicht in Sklaverei und Schuldknechtschaft verkauft werden. Erziehung liegt um den Kern der einklagbaren Rechte herum. Dabei sind dem Referenten vier Punkte wichtig: gutes Beispiel der Eltern, gute Gesellschaft (gut erzogene Gleichaltrige aus guter Familie), Freundlichkeit zu Kindern (Gewalt zerstöre das, was wir heute die sozialen Kompetenzen nennen würden). Als letzten Punkt sollte man Kindern die Eigenschaften beibringen, die der Islam fordere, darunter auch Männlichkeit (also keine Gewöhnung an Bequemlichkeit und Luxus, nicht alle Wünsche erfüllen). Man könnte also sagen, dass die islamische Erziehung zuerst den guten Menschen schaffen will und dann den guten Bürger. Die christliche Seite fragte auch nach der Praxis. Wie sieht nicht der Sollzustand aus, mit dem Muslime überlicherweise auf jede Frage antworten, sondern

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wie sehen die tatsächlichen Vorstellungen und deren Umsetzung aus? Vielleicht ist das ein typisch westlich-christlicher Ansatz, aber es ist ein wichtiger Punkt, der viele Referate und viele Dialoge betrifft. Die Gefahr ist häufig, dass ein christlicher Ist-Zustand mit einem muslimischen Soll-Zustand verglichen wird, was zu einer Schieflage der Argumentation und manchmal auch der Gemüter führt, weil man beim fomal gleichen Thema am Ende doch Äpfel und Birnen vergleicht. Die christliche Referentin ging beispielsweise dasselbe Thema von ihrer eigenen Praxis als Mutter und als Christin. Dass das Kind Rechte habe, bedeute, dass das Kind eine Person sei, ein Subjekt. Für Menschen, die an Gott als den Schöpfer glauben, ist das offensichtlich. Da der Mensch ein materielles und spirituelles Wesen ist, geht es auch um die Entwicklung dieser zweiten Seite. Praxistests hätten erwiesen, dass Kinder individuelle Zuwendung brauchen und Regelmäßigkeit, was Zeit, Ort, Personen sowie die Erziehung angeht. Das ist am ehesten in einer Familie gegeben. Erziehung soll einen freien, verantwortlichen Erwachsenen hervorbringen, der selbst Entscheidungen fällen kann. Das Kind muss respektiert werden, um dann schrittweise zu lernen, sich auch selbst an andere Menschen und Umstände anzupassen. Auch sein Körper muss respektiert werden. Das bedeutet aber auch, ihm Grenzen aufzuzeigen, ihm Verantwortung und Respekt vor anderen beizubringen und ihm auch seine spirituelle Seite, seinen Gottesbezug nahezubringen. Autorität ist nötig. Aus Müssen kann Sollen und schließlich das Erziehungsziel Autonomie werden. Gerade heute sind Stille und Innerlichkeit nötig als Hilfe, die eigene Bestimmung und letztendlich zu Gott zu finden. Man sollte dem Kind auch helfen, die Wurzel von Fanatismus, Gewalt und Aggressivität zu überwinden. Das Kind soll Dinge bewundern, soll Idealismus und Selbstlosigkeit lernen. Kein anderes Ziel außer Profit zu haben beraube den Menschen jeden Adels und führe in die Frustration. Das Kind sollte vergeben lernen. Es sollte durch vorgelebtes Beispiel lernen – dadurch könnten auch die Erwachsenen sich selbst verbessern. Zu den wenigen Gemeinsamkeiten gehörte in diesem Fall, dass beide Hauptreferate erwähnten, dass sich die Eltern durch ihre automatische Vorbildfunktion bessern sollten bzw. könnten. In der letzten Diskussionsrunde ging es um Rechte und Erziehung des Schulkindes. Der christliche Referent betonte, dass die Religionen und da wieder der Islam die UN-Erklärung zu den Rechten der Kinder vorangebracht hätten. Ein theoretisches Gespräch über die Menschenrechte sei bei Grundschulkindern noch nicht möglich, wohl aber ein Praktizieren in der Schule, beispielsweise die Nichtanwendung der Prügelstrafe aus Respekt vor dem Kind. Wie an diesem Punkt eine Einheitlichkeit zwischen Regierung, Familie, Schule und Gotteshaus erreicht werden könnte, ist dem Referenten ein Anliegen und eine Frage, ebenso, wie man Kinder zum Frieden, zur Nächstenliebe und zur Anwendung der Menschenrechte erziehen könne gerade in Gegenden, die von Gewalt und religiösem Extremismus geprägt sind. Der Referent kam aus Ägypten und bezeichnete den Weg als steinig, wenn man den Mut hat, die Diskrepanzen zwischen Soll- und Ist-

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zustand ins Visier zu nehmen: Ein Kind hat zwar das Recht auf Lernen und eine angemessene Erziehung, aber die schulische Erziehung der ägyptischen Kinder entspricht nicht dem, was die UN-Erklärung unter einer Erziehung versteht, die der Persönlichkeit, der Freiheit, den Fähigkeiten und den zukünftigen Aufgaben des Kindes entspricht – und diese Situation entspricht der gesamten arabischen Welt. Es fällt auf, dass in den beiden christlichen Beiträgen sehr (selbst)kritische Fragen gestellt wurden. Das muslimische Referat lieferte dagegen Überlegungen zum theoretischen Unterbau: Gutsein ist eine inhärente menschliche Eigenschaft. Es geht darum, einen guten menschlichen Bürger hervorzubringen. Dazu sei ein selektiver Prozess nötig, was Werte und Trends angehe. Das sei in einer Gesellschaft mit klarer Identität und Stabilität kein Problem, könne aber sehr schwierig und sogar gefährlich werden in Gesellschaften, die einem raschen sozialen Wandel unterlägen, keine klare kulturelle Vision hätten und Individuen mit pluraler Loyalität. Es gehe v. a. um Harmonie und Ausgewogenheit aller Komponenten. In der arabischen Welt gebe es aber konkret genau das Gegenteil. Wichtig für ein Erziehungssystem sei v. a. die Philosophie, die dahinterstehe, ihre konsequente Umsetzung und ihre Übereinstimmung mit den Spezifika der jeweiligen Gesellschaft, denn meistens seien Werte unsichtbar im Sinn von unreflektiert und würden umso fester gehalten. Es geht darum, Vernunft in Situationen hineinzubringen, die bislang impulsiv und von Emotionen regiert wurden. Es sei auch nicht möglich, eklektisch Elemente unterschiedlichster Herkunft zu kombinieren, deren Philosophie sich widerspreche. Der Referent setzte sehr auf die lange vernachlässigte islamische Karte, die die praktische Umsetzung von Werten wie Verantwortung, Hingabe, Ehrenhaftigkeit, Vertrauen, Standhaftigkeit und Produktivität bringen soll. Der Islam betone den Schutz von Mutterschaft und Kindheit in einer tiefer gehenden Weise als moderne Gesetze, weil die ethischen Normen mit Belohnungen in dieser und der nächsten Welt verknüpft seien. Lernen speziell ist im Islam eine Pflicht für Männer wie Frauen, deren Nichtbefolgung bestraft wird. Der islamische Staat sei der erste gewesen mit kostenloser Erziehung für alle, was noch an den religiösen Schulen erkennbar sei, wo Studenten finanzielle Hilfen zum Lebensunterhalt bekämen. Strenge und Schläge sind durchaus vorgesehen, aber auch Spiel ist vorgeschrieben – der Islam sei ja eine realistische und deshalb perfekte Religion. Wichtig ist das gute Beispiel und alles, was den Mut und die Freiheit eines Kindes fördert und Identitätskrisen bei Kindern vermeidet. Der Abschlussbericht erwähnt beispielsweise Schwangerschaftsvorsorge, weil Leben ein Geschenk Gottes ist. Genetik und pränatale Technologie brauchen einen moralischen Rahmen, der auf göttlichen Vorschriften und ethischen Prinzipien fußt. Die Mutter sollte Zeit und Mittel haben, sich in den ersten Jahren um die Entwicklung ihres Kindes zu kümmern. Die Heiligkeit der Ehe wurde sehr betont, weil beide Eltern wichtig sind. Benachteiligte und behinderte Kinder sollten besondere Förderung bekommen. Die Eltern hätten das vorrangige Recht,

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über die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden. Alle Kinder hätten ein Recht auf religiöse Erziehung sowie ein Recht auf eine Erziehung, die ihre Glaubenshaltungen und Werte respektiert. Kinder sollen aber auch lernen, den Glauben anderer zu verstehen. Es gibt keine wertfreie Erziehung. Frieden, Gerechtigkeit, Entwicklung und Gesundheitsfürsorge sind der beste Weg, um die Rechte und Erziehung von Kindern zu sichern.

3.5.3. Frauen in der Gesellschaft Bei der dritten Dialogkonferenz in Rom ging es um Frauen in der Gesellschaft, um ihren grundsätzlichen Status, um gegenwärtige Herausforderungen und Probleme sowie um Zukunftsaussichten und zukünftige Möglichkeiten, wobei auch die Referenten überwiegend Frauen waren. Was wäre gewesen, wenn man die Frauen ganz unter sich darüber hätte diskutieren lassen? Kardinal Arinze bezeichnete Frauen als Spenderinnen und Ernährerinnen des Lebens. Es müsse aber auch weiterführende geistliche Mutterschaft geben. Beide Arten von Müttern lehrten ein Kind den Respekt vor Älteren und Gleichaltrigen, den Dienst an den Schwächeren und weniger Glücklichen der Gesellschaft, Mäßigung, Geduld, Großzügigkeit und Treue. Auch Gott benutze das Bild der Mutter, um seine treue leidenschaftliche Liebe zur Menschheit zu beschreiben – auch das arabische Wort für barmherzig gehe ja auf den arabischen Terminus für Mutterschoß zurück. Die Liebe und schützende Fürsorge der Mutter gebe also den allerersten Eindruck davon, wie Gott sei. Der muslimische Eröffnungsvortrag sah dagegen die Tagung vor allem als Möglichkeit, die falschen Vorstellungen über die elende Position der Frauen im Islam zu korrigieren, bezeichnenderweise unter dem Titel Distortion of the Image of Woman’s Status in Islam. Die Frau werde als Mensch gesehen wie der Mann, ohne Unterschiede bis auf das, was die Natur vorschreibt: Frauen sind darauf vorbereitet, Kinder großzuziehen und sich um sie zu kümmern. Das sind aus der physischen Natur abgeleitete Pflichten, mit Schöpfungsbezug und Lohn im Jenseits. Anthropologisch machen sich alle Details an dem einen Faktor fest, dass nach dem Islam Mann und Frau in Bezug auf Ursprung und Bestimmung gleich sind, sonst aber doch sehr der Geschlechterunterschied, sprich die Frau als Mutter, dominiert. In dieser Rolle wird die Frau sehr geehrt und soll sehr geschützt werden, sodass dieser Schutz in der Tendenz ihre Rechte auf Partizipation am gesellschaftlichen Leben auffrisst, da dies ja ihrer weiblichen Empfindsamkeit nicht zuzumuten ist. Der christliche Gegenvortrag wurde von einer Frau gehalten und verfolgte einen historischen Ansatz, beginnend bei der Schöpfung als Mann und Frau. Jenseits und vor allen Unterschieden sind sie durch ihre Ähnlichkeit zu Gott gekennzeichnet. Mann und Frau sind Beziehungswesen, von Gott mit gleicher Würde, in Vollkommenheit und Harmonie geschaffen. Dies stimme aber nicht

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mit dem aktuellen Zustand überein. Die Menschen haben ihren Stand als Geschöpfe nicht mehr akzeptiert und sind nun nicht mehr in Harmonie mit sich selbst. Dann wurde die Frau häufig dem Mann untergeordnet. Das Problem ist, dass Mann und Frau anscheinend unfähig sind, ihr ursprüngliches Verhalten der Gegenseitigkeit wieder zu erreichen, auch wenn sie sich in einer Art Nostalgie immer danach sehnen. Jesus habe diese von Sünden und Ungerechtigkeiten überschattete Würde des Menschen wieder hergestellt, und zwar, den Traditionen seiner Zeit entgegen, von Männern und Frauen gleichermaßen. Maria ist der Archetypus der Frau: Die Frau ist nicht länger unterworfen, sie ist frei zu dienen. Bei allen Unterschieden ist hier eine erstaunliche Übereinstimmung feststellbar: Der Frau wird doch mehr die dienende Rolle als natürliche und ihrer Natur entsprechende Rolle zugedacht. Die folgenden Referate beschäftigten sich mit Herausforderungen und Problemen für die Frauen. Frauen haben generell die Rolle der Unterstützung für die Schwächeren in der Gesellschaft übernommen, haben sich für Umweltbelange und in den verschiedensten Selbsthilfegruppen erfolgreich eingesetzt, und zwar in Industrie- und Entwicklungsländern. Die Frauen sind diejenigen, die tolerante Gemeinschaften schaffen oder zerstören können, was die Erziehung zu gegenseitigem Respekt angeht. Ihre Werte sind überwiegend die einer vorindustriellen, weniger auf die Anhäufung von materiellen Gütern ausgerichtete Gesellschaft. Dies ist durchaus eine anthropologische Beschreibung der Frau(en), wobei auf die Religion kaum eingegangen wird. Der empirische Befund scheint aber auf eine Hinordnung auf das Leben einer nächsten Generation und generell auf eine eher dienende Funktion hinauszulaufen. Der muslimisches Vortrag schilderte die Situation der muslimischen Frauen in der arabischen Welt, da dort trotz wirtschaftlicher und politischer Unterschiede die historischen, kulturellen, sozialen und religiösen Bedingungen ähnlich seien. Es gibt fünf Problembereiche, beginnend mit der großen Zahl von weiblichen Analphabeten. Die Beschäftigungsrate der muslimischen Frauen ist die weltweit niedrigste überhaupt. Nach dem Einfluss der Tradition muss eine Frau auch nicht oder nur als Ausnahme arbeiten. Eine Frau sollte nicht Seite an Seite mit Männern arbeiten müssen. Letztendlich ist sozialer Aufstieg für Frauen nicht durch Ausbildung oder eigene Leistung möglich, sondern nur durch Heirat. Im vorherrschenden sozialen System kommt die Führungsrolle Männern zu. Auch die Medien und Schulbücher stärken das traditionelle Bild der nicht berufstätigen Hausfrau und Mutter. Politisch seien die Frauen praktisch unrepräsentiert. Die theoretische islamische Gleichberechtigung von Mann und Frau wird in der Praxis in einer weltweit einzigartigen Weise von der naturbedingten Rollenverteilung und der Geschlechtertrennung aufgefressen und ins Gegenteil verkehrt, was sehr kritisch gesehen wird. Der muslimische Blick in die Zukunft ging davon aus, dass die Frau noch ein Ast am Baum des Mannes ist, keine eigenen Entscheidungen treffen und in

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der Gesellschaft nicht selbständig handeln kann. Allerdings sagte die Referentin nicht, welche Konsequenzen das ihrer Meinung nach haben sollte. Kampf gegen Polygamie ist ihrer Meinung nach überflüssig, mit der schlichten Begründung, das sei gegen das islamische Recht und damit gegen die Religion. Es geht also wieder darum, was genau das islamische Recht bestimmt und was nicht, denn das allein entscheidet über die genaue Stellung und die genauen Rechte von Frauen, nicht etwa deren vielleicht verständliche Wünsche. Zu den Herausforderungen gehört aber auch die Frage nach ihrer wahren Natur und Identität. Was macht die Frauen anders, besonders – und sind diese Charakteristika nun wesensmäßig oder aber umweltbedingt? Als Mensch vor Gott sei die Frau dem Mann im Islam absolut ebenbürtig. Die Frau habe auch alle bürgerlichen Rechte. Aber andererseits ist es ein grundlegendes Prinzip des Islam, dass Mann und Frau verschiedene Naturen haben. Eine Frau bekommt Kinder und kümmert sich auch um sie. Die Referentin sieht Mutterschaft als die Rolle und den Beruf, der der Frau durch ihre Weiblichkeit zugedacht sei. Indem Mutterschaft zum naturgegebenen Beruf der Frau erklärt wird, wird ein konkretes Modell zur Vermittlung zwischen grundsätzlicher Gleichheit von Mann und Frau bei gleichzeitiger Verschiedenheit von beider Natur geboten, Maurice Borrmans orientierte sich im Ausblicksreferat an der Abschluss­ botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dort heißt es, die Kirche sei stolz, die Frau geehrt und befreit und ihre grundlegende Gleichheit mit dem Mann herausgearbeitet zu haben. Nach Suzanne Villeneuve kämen die großen Schwierigkeiten der Frauen in der heutigen Welt weniger von ihrer Unfähigkeit, bestimmte Posten auszufüllen, als durch den Zwang, dies nach männlichem Modell zu tun. Eine Frau werde von allem angezogen, was lebendig, persönlich sei, und sie habe eine Tendenz, dieses als ein konkretes Ganzes wahrzunehmen. Ihr natürliches Bedürfnis sei authentisch mütterlich. Abstraktion sei ihr von Natur aus fremd. Mann und Frau hätten die gleiche dreifache Pflicht auferlegt bekommen, Ebenbild Gottes zu sein, sich fortzupflanzen und die Erde zu beherrschen, aber die Frau habe eben eine weibliche Art, diese Pflicht zu erfüllen: helfend und harmonisch. Die Frauen sollten die Männer mit dem Leben versöhnen und über die Zukunft der menschlichen Rasse wachen. Insgesamt läuft die Botschaft des Konzils darauf hinaus, Leben weiterzugeben und es in all seinen Aspekten zu verteidigen. Keine Zusammenarbeit ist möglich bei Polygamie, Verstoßung und Scheidung. Die entscheidende Frage der gesamten Tagung aber ist: Gibt es natur-, also gottgegebene Unterschiede zwischen Mann und Frau, und wenn ja, worin genau bestehen sie und welche Auswirkungen sind damit verbunden? Die deutliche Tendenz geht zu einem Ja und zu einer Ableitung von Mütterlichkeit (und Naturverbundenheit) aus der potenziellen Mutterschaft. Man einigte sich am Ende u. a. auf folgende Punkte: dass Gott den Menschen geschaffen und ihm eine besondere Würde gegeben hat, an der Mann und Frau

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gleichen Anteil haben. Die Unterschiede zwischen beiden sind gottgegeben. Der Status der Familie wird betont und die Leistung gewürdigt, die die Eltern und speziell die Mütter für die zukünftige Generation erbringen. Frauen hätten das Recht zu Aktivitäten, die mit ihren Fähigkeiten und Umständen übereinstimmten, innerhalb der Richtlinien, die von der jeweiligen religiösen Tradition vorgegeben werden. Religion wird als generell von größter Wichtigkeit für eine Persönlichkeit von höchsten Werten angesehen, weshalb die Förderung von religiösen Werten bei allen auch die Würde der Frauen schützen und ihnen helfen würde. Alles Weitere, also die möglichen Schwächen der Frau und deren gesellschaftliche Konsequenzen, ist nicht nur zwischen Christen und Muslimen, sondern auch innerhalb der Religionen selbst umstritten und besonders für den Islam ein Streitpunkt von allerhöchster Sprengkraft, gerade im Gegenüber zum modernen westlichen Frauenbild.

3.5.4. Nationalismus Die nächste Konferenz in Amman beschäftigte sich mit einem völlig anderen Thema, nämlich mit den Problemen und Herausforderungen des heutigen Nationalismus. Dies hat sicher mit der Stellung der haschemitischen Königsfamilie zu tun. Vonseiten der Gastgeber wurde zur Eröffnung betont, die Religionen hätten die Nationalitäten zwar nicht einfach aufgehoben, sie hätten sie aber auch gereinigt – was fast eine katholische Formulierung sein könnte. Der Weg soll also von den aktuellen Problemen ins mehr Grundsätzliche gehen, um so dann hoffentlich wieder zu besseren Lösungen für die aktuellen Probleme zu kommen. Die zweite Begrüßungsansprache durch Kardinal Arinze bot eine knappe Darstellung des katholischen Standpunkts. Es gehe um die Beziehung zwischen religiöser Identifikation und nationalen Bewegungen. Es geht den Christen um einen gesunden Patriotismus im Gegensatz zu einem zerstörerischen Nationalismus oder Chauvinismus, der versucht, andere zu beherrschen und zu zerstören und die eigene Nation absolut zu setzen. Dies bringt anthropologische Gesichtspunkte ins Spiel: die eigene Identität und das eigene Selbstwertgefühl sowie die Identität der anderen und ihr Selbstwertgefühl, also die Einheit und Solidarität der ganzen Menschheit. Johannes Paul II hatte die Unterscheidung gemacht zwischen Patriotismus (positiv) und Nationalismus (negativ). Ungöttlich ist, was zu einer gedanklichen oder praktischen Abwertung der anderen führe. Gott ist ein Gott aller Menschen und alle Völker gehören ihm. Das erste Referat versuchte, aus muslimischer Perspektive einen Überblick über die Geschichte des Verhältnisses von Nationalismus und Religion zu geben. Der Referent analysierte die nationalistischen Bewegungen Asiens und Afrikas, aus denen ja auch viele muslimische Staaten entstanden sind. Der Islam spielte eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung nationalistischer Gefühle. Wichtig war, dass die Muslime sich nicht den Kolonialherren anpassten, sondern einen unab­

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hängigen Charakter bewahrten, der sehr einheitlich war, was wohl auf die prägende Kraft des Koran zurückzuführen sei. Der Referent schließt sich einer Definition an, nach der Nationalismus ein rein historisches oder linguistisches, weltanschaulich neutrales Band sei und erst einer Philosophie bedürfe, um eine soziale Ordnung zu formen. Die islamische Botschaft befreie alle Menschen, sodass sie nur noch Gott dienen. Alle anderen Zivilisationen werden als Zivilisationen der Sklaverei beschrieben. An einem Islam aber, der alle Nationalismen dieser Welt ausfüllt und seinem Ordnungssystem unterwirft, kann die Welt genesen und frei und brüderlich werden. Das wäre sozusagen die ideale Welt für jeden Menschen. Das christliche Referat beschäftigte sich dagegen mit der Rolle der christlichen Araber bei der Ausbildung des frühen arabischen Nationalismus im 19. Jahrhundert. Die Christen hatten eine tragende Rolle bei der Entwicklung des arabischen Nationalismus. Er entwickelte sich in der Gegend von Großsyrien als Plädoyer für den Säkularismus, da es dort so viele religiöse Sekten und ethnische Gruppierungen gab, dass dieser das Einzige war, was alle vereinigen konnte – im Gegensatz zu Religionszugehörigkeit, die im ottomanischen Reich die entscheidende Größe war. Praktisch direkt konträr zur Auffassung des Vorredners hätten die Christen die Befreiung von diesem geschlossenen System und somit eine kulturelle Erneuerung und den Anschluss an eine größere Welt gebracht. Der entscheidende Anstoß in diese Richtung kam durch die Massaker von 1860, die beinahe die gesamte christliche Gemeinde ausradiert hätten und die die türkischen Behörden nicht in den Griff bekamen. Im Gegenteil, türkische Soldaten bis hin zum Gouverneur von Damaskus beteiligten sich noch daran. Nun ging es darum, dass alle erkennen müssten, dass alle Religionen letztendlich gleich seien. Alle hätten eine menschliche Natur, stammten von den Ureltern ab und (erst an dritter Stelle) beteten denselben Gott an. Es müsse eine Trennung der beiden Reiche, religiös und weltlich, geben. Die Liebe zum Heimatland müsse alle religiösen Bindungen übersteigen. Das ist eine Kampfansage an das traditionelle islamische Gesellschaftssystem. Die Idee des Säkularismus und damit die Trennung der Religion vom Leben erreichte aber das Bewusstsein der muslimischen Araber normalerweise nicht. Das hing ja auch mit der Erfahrung zusammen, ob Religion eine Gefahrenquelle sein kann oder nicht. Die zweite Runde der Referate ging um aktuelle Probleme und Herausforderungen des Nationalismus. Für die christliche Seite referierte ein in England lehrender Däne. Nationalismus sei in Europa ab dem 17. Jahrhundert entstanden. Weltweit kann man beobachten, dass wirtschaftliche und technologische Modernisierung letztlich zur Herausbildung einer neuen Identität, nämlich der der­ Nation führen. Bildung ist dabei ein Schlüsselfaktor für die Überwindung von regionalen, Minderheiten- und Immigrantenmentalitäten. Im arabischsprachigen Bereich habe sich das entsprechende Vokabular erst herausbilden müssen, da die potenziell geeigneten Begriffe stark religiös geladen waren (umma, milla). Die

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Kriterien für die Staatsbürgerschaft sind ein Erbe der Gründungsmythen. Weltweit können das die grundverschiedenen Interpretationen ein und desselben historischen Ereignisses sein, was die Brisanz solcher Identität stiftender Mythen ausmacht und die Frage aufwirft, wie sie überwunden und neue, Einheit stiftende Mythen gebildet werden können. Ähnlich ist es mit dem Privatrecht und dem dahinter liegenden Konzept von Familie, das instinktiv immer im Zentrum einer kollektiven Identität steht. Wenn die muslimischen Minderheiten in Europa bezüglich Familienrecht zunehmend mehr Forderungen stellen sollten, was durchaus denkbar ist, könnte dies leicht zu einer wie auch immer gearteten (nationalen, ethnischen, religiösen) Mobilmachung führen. Etwas auf den ersten Blick so scheinbar Einfaches wie die nationale Zugehörigkeit kann bei genauerem Hinsehen schnell zur kollektiven Pathologie werden. Bei Christentum und Islam ist die kollektive Erinnerung eine negative: Auseinandersetzungen können schnell politisch mobilisiert werden, während die langen Zeiten von friedlicher Koexistenz und Austausch nicht im Gedächtnis sind und kein Gegengewicht bilden können. Im Gegenteil, man kann eher Sympathien gewinnen, wenn man einen ethnischen Konflikt als religiös verkauft. Das Gegenreferat hielt der jordanische Justizminister über die Lage im Nahen Osten. Die anthropologische Aussage ist einfacher als dort, wo nationale Zugehörigkeit als ein kompliziertes und in Teilen eigentlich imaginäres Geflecht gesehen wird. Für den Justizminister ist der Islam eine universale menschliche Religion. Jeder Mensch kann Muslim sein. Wieder wird typisch islamisch betont, wie hoch diese Gemeinschaft (umma!) über allen kleinen Unterscheidungskriterien steht. Die muslimische Staatsangehörigkeit ist sehr leicht zu erwerben, man braucht nur Glauben des Herzens und Bekenntnis des Mundes. Fremd und Fremder sind nichts unabänderlich Angeborenes, sondern nur dem Willen des Einzelnen unterworfen. Die beiden letzten Referate gingen dann um die Rolle der Gläubigen und einen Blick in die Zukunft. Für den muslimischen Redner ist die Fage nach dem Säkularismus in Vergangenheit und Zukunft die entscheidende Frage zwischen islamischem und nationalistischem Denken. Er geht ganz selbstverständlich von einer islamischen arabischen Identität aus. Wie seine muslimischen Vorredner sieht er die große Harmonie zwischen nationalistischem Denken, islamischem Denken, interreligiösem Dialog und arabischer Einheit als eine Gegebenheit an, die – mit muslimischer Logik gesehen – immer wieder zum Vorschein komme. Anthropologischer Ausgangspunkt ist, dass die Menschheit als eine einzige Nation geschaffen wurde und erst danach die Unterschiede kamen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Religionen seien auf deren Verbindung zu bestimmten Nationen zurückzuführen. Als Essenz aller monotheistischen Religionen könne man zusammenfassen: menschliche Brüderlichkeit als Folge der Tatsache, dass alle Menschen aus demselben Lehm von demselben Schöpfer geschaffen wurden, Altruismus als Ausgangspunkt für soziale Reformen und schließlich

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generell Selbst-Reformierung. Zwei von diesen Punkten sind also dezidiert anthropologisch. Alle Religionen würden die Menschen dringend dazu auffordern, sich an die Bande von Brüderlichkeit, Liebe und Frieden zu halten. Die Gleichheit auf anthropologischer Basis geht also bis zu einem allen Menschen gemeinsamen Moralkodex. Der Referent ging von der Harmonie zwischen den islamischen und nationalen Konzepten aus. Das sei positiv entscheidend für das Erreichen von Einheit, Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie in Zukunft. Der Islam werde wegen seiner Werte wie sozialer Gerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt und Einheit gebraucht, der Nationalismus, weil die soziale und gefühlsmäßige Bindung des Einzelnen an seine Nation durch ein Nationalgefühl gestärkt werden müsse. Im Islam sind wichtig: Gerechtigkeit, sozialer Zusammenhalt, Beratung (shura) bzw. Demokratie sowie Mäßigung bzw. Mittelweg. Sozialer Zusammenhalt gehört ebenfalls zu den Vorbedingungen für ein würdiges menschliches Leben, auch der Zusammenhang von spiritueller, intellektueller und materieller Dimension des Lebens. In allen diesen Punkten träfen sich die monotheistischen Religionen, besonders aber Islam und Christentum. Als besonders durch den Dialog klärungsbedürftig wird der Säkularismus genannt. Nach dem Referenten ist Säkularismus nur etwas für Gesellschaften, in denen Religion nur ein Teil von deren sozialer Struktur und wesentlichen Grundbausteinen ist. Im wieder einmal gleichgesetzten arabisch-islamischen Bereich ist die Religion die Basis des menschlichen sozialen Lebens und des Nationalismus. Alles andere wäre im arabischen Kontext extremistisch. Die Gründe der Entstehung säkularen Denkens auch in der arabischen Gesellschaft haben sich erledigt. Säkularismus passt nicht zu den muslimischen Völkern. Ganz am Ende betonte der Referent nochmals, woher diese Haltung kommt: Der Islam sieht sich selbst als die letztgültige göttliche Botschaft an die Menschheit – und diese Botschaft stimmt mit der natürlichen Disposition des Menschen überein. Die so offen formulierte islamischanthropologische Begründung einer gemeinsamen Ethik kann also zu einer bösen Falle werden, wenn sie mit dem konkreten und umfassenden islamischen System in eins gesetzt wird, sodass man dann ganz leicht die höchsten Werte des Menschseins verfehlt, wenn man noch etwas anders sieht. Bei den muslimischen Rednern ging es darum, einen im Prinzip bereits vorhandenen idealen Nationalismus, nämlich den islamischen, in die Tat umzusetzen. Der Spielraum für Kritik, v. a. grundsätzliche Systemkritik, war begrenzt. Das christliche Gegenreferat ging von der imagined communities (Benedict­ Anderson) aus: Der Aufstieg des Nationalismus ist das Entstehen einer neuen imagined community, im Gegensatz zur religiösen Gemeinschaft und auf anderen Vorstellungen von Raum und Zeit basierend als diese. Die Vorstellung von Nation als politischer Gemeinschaft entstand, als unter dem Druck von französischer Revolution und Aufklärung alte Systeme wie Dynastien oder auch religiöse Konzepte von Hierarchie, Raum und Zeit zusammenbrachen oder zumindest nachgaben. Gerade daraus ergab sich ein scharfer Kontrast zwischen Nation und

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religiöser Gemeinschaft. Nationalismus war auch deshalb eine Herausforderung für die religiöse Identität, weil er starke Gefühle der Zugehörigkeit hervorruft, bis hin zu geforderten Opfern. Dies kann sogar innerhalb einer religiösen Gemeinschaft zu unterschiedlichen Beurteilungen derselben Sachlage führen. Der Referent gab klare Bedingungen für das Engagement von Christen in nationalistischen Bewegungen (Optionen für die Armen). So kann man Konflikte zwischen den Forderungen der religiösen und der nationalen Gemeinschaft diskutieren und Manipulationen, Grenzüberschreitungen und Missbräuche von Nationalismus und Religion anprangern. Eine national-religiöse Identifikation hält der Referent in der Neuzeit für nicht mehr denkbar, ja gefährlich. Es gebe zu viele konkurrierende Weltreligionen und Millionen Menschen, die einen säkularen Staat bevorzugten. Eine moralisch-spirituelle Kritik der staatlichen durch die religiöse Gemeinschaft, gleich welcher Art, hält er für legitim, nicht aber eine grundsätzlich theokratische. Aber der christliche Spielraum ist eben größer, verglichen mit den wesentlich konkreteren islamischen Vorschriften. Auf die Frage nach einem genuin christlichen Konzept plädierte der Referent für eine radikale Offenheit gegenüber dem Fremden sowie eine radikale Gerechtigkeit, denn die Wurzeln des Schreis nach kultureller Identität liegen für ihn in Unterdrückung, Angst und Armut. Von islamischer Seite wird zunehmend der Islam als Lösung der genannten Probleme und Ungerechtigkeiten genannt. Das Christentum bietet nicht einfach eine Lösung, die blaupausenmäßig anzuwenden ist. Sein Vorschlag ist nur ein möglicher christlicher Vorschlag und vom Grundansatz her den Muslimen notwendigerweise fremd. Dies war der einzige Beitrag, der versuchte, das Phänomen des Nationalismus auf einer grundsätzlich anthropologischen Ebene zu klären. Christen und Muslime schienen auf der ganzen Tagung aneinander vorbeizureden, weil sie sozusagen auf verschiedenen Stufen der gerade geschilderten anthropologischen Entwicklung argumentierten. Offiziell einigen konnte man sich eher auf Banalitäten: Man müsse zwischen gesund und destruktiv unterscheiden, aber einen Widerspruch zwischen Religion und Nationalismus gebe es nicht. Islamisch wie christlich ist kein Volk höher einzustufen als ein anderes. Die positiven Werte des Nationalismus können zur Ausbildung und Stärkung von Identität und Selbstwertgefühl beitragen. Daher müssten beide diese Werte stützen und dagegen arbeiten, dass nationalistische Impulse zu Mitteln der Beherrschung würden.

3.5.5. Umwelt Die nächste Dialogtagung beschäftigte sich mit Umwelt: Es ging um die religiösen Grundlagen, um gerechtes Teilen und das Beeinflussen von Entscheidungen. Die Eröffnungsansprache von Arinze hatte bereits anthropologischen Tiefgang: Es sei die Pflicht des Menschen, Gott als Schöpfer alles Seienden anzuerkennen. Es war Gottes Wille, dass die Ressourcen der Erde dem Menschen anvertraut

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werden, damit er sich um sie kümmert, sie nutzt und mit seinen Mitmenschen teilt, da die Natur des Menschen nach Gottes Willen eine soziale ist. Diese Stellung des Menschen manifestiert sich in Intellekt, Willen, Seele und Geist. Einzelne Menschen und Länder aber machen sich nicht klar, dass sie Rechenschaft ablegen müssen. Im Kern war damit schon gesagt, was über die Position des Menschen gegenüber den Ressourcen nach christlicher Vorstellung zu sagen ist. Zu Beginn gab es Referate (und Entgegnungen) dazu, was die beiden Religionen zum Gebrauch der Ressourcen der Erde sagen. Der Umfang der muslimischen Stellungnahmen erreicht das Drei- bis Vierfache der christlichen. Offensichtlich handelt es sich um ein Thema, das dem Islam und den Muslimen besonders am Herzen liegt, aber es gibt eben auch wieder eine detaillierte islamische Rechtstradition dazu. Die generelle islamische Haltung zu Universum, Leben und Mensch ist der Ausgangspunkt, der zweite Punkt ist die Frage nach den Ressourcen, der dritte Punkt die wichtigsten tatsächlichen Regeln und der vierte und letzte Punkt sind die Beispiele für deren historische Anwendung. Als das wichtigste Charakteristikum des Islam wird dessen allumfassender Ausblick auf Existenz, Leben und Mensch genannt. Diese Herangehensweise erklärt alles, was mit dem menschlichen Leben verbunden ist, und beantwortet alle Fragen, die aufkommen könnten. Gott hat den Menschen zu seinem Statthalter gemacht und ihn dafür mit allem versorgt, was er zur Erfüllung seiner Pflichten braucht. Diese sind, die Erde zu entwickeln und die völlige Herrschaft Gottes aufzurichten. Diese Statthalterschaft hat deshalb Prinzipien und Regeln, die im islamischen Recht dargelegt sind. Ziel ist das Verharren bei allem, was Gott vorgeschrieben hat. Wer davon abweicht, disqualifiziert sich selbst. Eigentümer ist Gott allein, der Mensch ist nur der Besitzer. Gott legt die Zeitspanne für die Statthalterschaft fest. Gott hat den Menschen geehrt, indem er ihn auf die beste Weise geschaffen hat, sodass der Mensch seinen Aufgaben auch gewachsen ist. Dazu gehören Verstand und Vernunft und die Möglichkeit, dadurch neues Wissen zu erwerben. Kein anderes System nehme auf die wahre Natur des Menschen so umfassend Rücksicht wie der Islam. Islamische Institutionen haben alles so organisiert, dass sie den angeborenen Charakter (fitra) gebührend berücksichtigen. Besonders interessant aber sind die Regelungen, die eine Generation daran hindern, in die Rechte einer anderen einzugreifen. Umweltschutz ist im Islam eine Sache göttlichen Rechts. Der Koran verbietet Exzesse beim Gebrauch der Güter. Die Nutzung der Umwelt wird von Sicherheitsaspekten abhängig gemacht. Als goldene Regel des islamischen Rechts gilt der Ausspruch Mohammeds, dass der Islam Schaden und Behinderung nicht gestatte. Das gesamte islamische Recht ist darauf ausgerichtet, Wohltaten hervorzubringen und Schaden abzuwehren. Nach christliche Vorstellung dagegen hat die materielle Welt durch die Schöpfung selbst eine eigene Stabilität, Wahrheit und Vortrefflichkeit. Sie hat ihre eigenen Ordnungen und Gesetze. Was Autonomie des Menschen und was göttliches Gesetz ist, bleibt in der Schwebe. Gemeinsamkeiten sind der Mensch als Geschöpf

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und die ganz ähnliche Aufgabe und Verantwortung, die ihm in Islam und Christentum übertragen werden, die großen Unterschiede bestehen bei der konkreten Umsetzung. Das Christentum bietet große Freiheiten und manch konkrete Unklarheiten, während der Islam mit dem Anspruch des Gesamtkonzepts göttlicher Herkunft auftritt und ein beachtliches Regelwerk hat. Aus christlicher Sicht hat die fundamentale Würde des Menschen als Gottes Ebenbild sehr wichtige Folgen für die ethischen Prinzipien zum Umgang mit den Ressourcen der Erde. Was diese Ressourcen angeht, ist eine Solidarität in Zeit und Raum erforderlich, besonders gegenüber all denen, denen das Lebensnotwendige fehlt. Die eigentliche Rolle des Menschen ist eine dienende. Eine Theologie der Schöpfung muss auch den Nichtgläubigen zugänglich sein. Diese Art von Ethik sei eine Spezialität der katholischen Soziallehre: Vernunft ruft nach Morallehre und der monotheistische Glaube kann diese Lehre nur verstärken. Die Ethik der Schöpfung muss die Verantwortung des Menschen konkretisieren. Einige Pflöcke sind: Kein Eigentumsrecht ist absolut, denn nur Gott allein ist der wahre Eigentümer. Eine Definition des Eigentumsbegriffs sollte immer den ökologischen Ansatz und die universelle Bestimmung der Güter mit umgreifen. Die Rechte und Bedürfnisse anderer Menschen sollten nicht ignoriert werden. Daraus entsteht das Prinzip des Rechts der zukünftigen Generationen. Die ‚­Option für die Armen‘ sei inzwischen eine ethische Forderung der christlichen Kirchen allgemein geworden. Die grundsätzlich zu beachtenden Werte sind Respekt vor dem Leben, besonders vor der Würde des Menschen, Gerechtigkeit und Solidarität auf weltweitem Niveau sowie Nächstenliebe, die den radikalen Ruf nach Gerechtigkeit hervorbringt. In Parallelität zu den Muslimen wird Schöpfung im Sinn der Brüderlichkeit in Raum und Zeit verstanden. Das wurde von muslimischer Seite pauschal bestätigt, bis hin zur Rede von der Gottesebenbildlichkeit. Dann wandte man sich der konkreteren Frage nach dem Schutz der Ressourcen zu. Johannes Paul II betonte die Wichtigkeit einer gerechten Verteilung der von Gott geschenkten Güter, gerade zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern, und mahnt einen anderen Lebensstil an, weil der Mensch eine transzendente Bestimmung habe. Er habe auch den Bogen zu den Menschenrechten geschlagen, da Entwicklung erst die Ausübung der Menschenrechte ermögliche. Alles rotiert um die (wörtlich) anthropologische Achse, um die herausgehobene Stellung und Verantwortung des Menschen. Die aktuelle päpstliche Lehre betont die Verantwortung für die Schöpfung. Diese Lehre kann als überwältigend theozentrisch und anthropologisch bezeichnet werden, wie es der Referent einschätzte. Diese anthropologische Vision begründet die aktuelle Neuinterpretation des biblischen Themas der Stewardship. Herrschen meint hier Verantwortung. Es wäre hilfreich, wenn man diese angemessene anthropologische Begründung noch um den Respekt vor den Ressourcen der Welt erweitern könnte. Die Parallele zum Islam wird ausdrücklich erwähnt, auch wenn die verwendeten Termini andere sind. Es geht um Schöpfung und Erlösung und den

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noch zu klärenden theologischen Zusammenhang zur Ökologie. Wir sind alle nur eine bestimmte Zeit hier, weshalb der Ausdruck Pilgerschaft angemessen ist, um uns daran zu erinnern, die Ressourcen der Erde für künftige Generationen zu bewahren. Alles in allem war dieser Beitrag sehr anthropologisch ausgerichtet. Das muslimische Referat zum Thema wiederholte viele Aspekte. Weil die eigenen Interessen stärker seien als der Glaube, hätten die weltweiten Anstrengungen um den Umweltschutz zu keiner Verbesserung geführt. Moderne Wissenschaft und Technologie sind unfähig gewesen, die Ressourcen der Erde zu schützen, während der islamische Glaube dieses Problem lösen könne. Die islamischen Konzepte im Umgang mit Natur, Umwelt und den Ressourcen der Erde basieren auf der Vermeidung von Extravaganz, Verschwendung, Verwüstung, Zerstörung, Ausbeutung und Verschmutzung von Ressourcen. Es ist deshalb Pflicht, den Gläubigen die Chance zu geben, die Sache aus islamischer Perspektive anzugehen. Auf katholischer Seite ist es auch so, dass man sich verantwortlich fühlt vor Gott für die Umwelt. Ein kundiger und interessanter Detailvergleich der beiden Systeme und ihrer Ansätze in dieser Frage zeigt: Auf islamischer Seite führt gerade die absolute Einheit Gottes dazu, dass Gott der Einzige ist, der die menschlichen Beziehungen zur Schöpfung regeln kann, während es im Christentum gerade die liebende innertrinitarische Beziehung der Schlüssel zum liebenden Verhältnis zur Schöpfung ist. Die beiden Schemata liegen sehr nahe beieinander, was die praktischen Konsequenzen angeht, aber doch Welten auseinander, wenn es um die theologische Fundierung geht, was sich aber auf der ethischen Ebene gar nicht so sehr bemerkbar macht. Die letzte Runde beschäftigte sich mit der Rolle der Gläubigen bei der Verteilung der Ressourcen. Muslimischerseits wird davon ausgegangen, dass die Ressourcen der Erde für deren Bewohner ausreichen. Es sei die Aufgabe der Gläubigen, durch entsprechendes Management und angemessene Verteilung dafür zu sorgen, dass das Essen für alle Lebewesen ausreicht. Alle Bodenschätze werden pauschal dem Allgemeingut Feuer zugerechnet und sind deshalb legitimerweise in nationalstaatlichem Besitz. Die Erträge aus nationalen Rohstoffen sollten für öffentliche Interessen und die Wohlfahrt des Staates ausgegeben werden. Außerdem soll der Staat intervenieren, um das wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen, wenn eine Klasse eine andere beherrscht. Alle sollen bekommen, was sie brauchen, selbst wenn dann alle nur noch das Notwendigste haben sollten. Die Verteilung zwischen den Gläubigen erfolgt auf freiwilliger Basis, beispielsweise durch Spenden. Das christliche Referat setzte wieder an dabei, dass Gott den Menschen durch Weisheit und verschiedene Fähigkeiten, die Natur zu nutzen, von den anderen Geschöpfen hervorgehoben und ihm die Natur anvertraut hat, aber eben allen Menschen und allen Generationen. Im Vaterunser werden wir dazu aufgefordert, uns mit dem täglich Notwendigen zufriedenzugeben. Die geschilderte Umweltgefahr sei die direkte Folge der Abweichung der menschlichen Gesellschaft von

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diesem christlichen Weg. Er wiederholt den Aufruf Johannes Pauls II zu mehr Bescheidenheit und Einfachheit und zitiert auch viele Bibelstellen, dass die Armen Anteil an den irdischen Gütern bekommen müssen. Auch die Kirchenväter gehen in diese Richtung. Die modernen Industriegesellschaften hätten das alles gründlich über den Haufen geworfen, auf Kosten der armen Menschen und unterentwickelten Länder. Das strukturelle Armutsproblem, so schon Johannes Paul II, müsse angegangen werden, wolle man das ökologische Problem lösen und auch das Problem von Krieg und Frieden, sprich die aktuell größten Probleme der Menschheit. Aber man dürfe auch die seelischen Werte nicht vergessen, denn oft steige mit dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt und dem materiellen Reichtum auch die Ausschweifung. Die eigentliche Gefahr für die Gesellschaft sei die Tyrannei von materieller Arbeit und Profitgier über die Seele und die Werte. Wenn der Mensch sich nach dem Willen des Schöpfers verhalten würde, dann würde die Gesellschaft so werden, wie Gott sie wollte, eine friedliche Wohlfahrtsgesellschaft. Aus islamischer Sicht gibt es große und grundlegende Übereinstimmungen, mit einem großen Unterschied: Es werde aus dem christlichen Vortrag nie ganz klar, über welche Mechanismen die nötige Umverteilung laufen sollte. Im Islam sei das durch Almosensteuer, Wohltätigkeit und Nutzung der Ressourcen der Erde geregelt und der Staat habe die Möglichkeit, die Durchsetzung der guten Prinzipien zu garantieren. Hier ist wieder der Unterschied im Grundkonzept bzgl. des Grades, in dem menschliches Leben geregelt werden sollte. Höhepunkt war die öffentliche Vorlesung des jordanischen Kronprinzen zum Thema Islam und Umwelt an der Gregoriana. Der Islam habe viel dazu zu sagen. Er erwähnt die Statthalterschaft und Verantwortung des Menschen. Auch er sah die Rolle der Aufklärung und des von ihr ausgelösten Aufschwungs der Wissenschaft, des damit verbundenen Fortschritts und der daraus folgenden Umweltzerstörung kritisch, allerdings nicht in absoluter Form. Er sah auch die Rolle des Islam bei der Bewahrung der Natur nicht so glorreich. Das habe mehr mit der Unterentwicklung in den muslimischen Ländern zu tun. Als ein Moslem in einer verantwortungsvollen Position fürchte er die Konsequenzen von Entwicklung genauso, wie er sich ihrer dringenden Notwendigkeit bewusst sei. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass schnelle Entwicklungen zu Umweltbelastung und menschlicher Entfremdung geführt hätten. Der Kronprinz betonte die vielen Prinzipien und Werte, die Christen und Muslime gemeinsam hätten und die der Schlüssel zum Umweltproblem seien. Die offiziellen Empfehlungen einigten sich u. a. darauf, dass Gott die Erde zum Wohl aller geschaffen habe und sie immer noch genügend Ressourcen habe, um alle Menschen zu ernähren. Alle Arten von Ressourcen, erneuerbare wie nicht erneuerbare, sollten vernünftig und verantwortlich genutzt werden. Man sollte einen entsprechenden Lebensstil fördern. Nahrung sollte umweltverträglich und ethisch korrekt produziert werden. Für Umweltschutz sei Zusammenarbeit nötig.

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Immense natürliche und v. a. menschliche Ressourcen würden durch Krieg und Gewalt zerstört, weshalb man sich strikt dagegen aussprach. Es soll auf Dialog zur gerechten und friedlichen Konfliktlösung gesetzt werden. Die gegenseitige Anhängigkeit in der Welt spiegle die Einheit der menschlichen Rasse, wie sie der Schöpfer gewollt habe. Hingewiesen wird auf die Wichtigkeit von Erziehung, die auf Respekt vor der Natur, der Würde des Menschen sowie der Zukunft basiere und auf dem Willen, eine Lebensqualität zu schaffen, die allen in partizipatorischer Weise offen sei. Religiöse Institutionen, die Medien und die Regierungen hätten die Aufgaben der Bewusstseinsbildung bzw. der Bereitstellung der Mittel dafür.

3.5.6. Menschenwürde Die letzte dieser Dialogkonferenzen beschäftigte sich mit der Menschenwürde unter den drei Aspekten: Konzept, historischer Überblick und Perspektiven. Die Grußworte aber stellten sich die Frage, was man mit diesen Dialogkonferenzen wollte und inwiefern man es erreichen konnte. Kronprinz Hassan betonte, man wolle kein internationales Ethos fördern, sondern einen gemeinsamen Kodex menschlichen Verhaltens aufbauen. Man rede miteinander, um die Aspekte der Tradition zu identifizieren, die füreinander relevant sind, während man die je eigene Identität behalte. Er ist der Überzeugung, dass Islam und Christentum in der Frage des Rechts auf Menschenwürde völlig übereinstimmen würden, mit Unterschieden nur darin, wie diese Tatsache theologisch ausgedrückt werde, wobei die Basis, das Interesse Gottes am Menschen, dieselbe sei. Im Christentum wird sie auf die Formel des Liebesgebots gebracht, für die islamische Theologie ist es die Erschaffung des Menschen als freies Wesen, fähig zu unabhängigen Entscheidungen. Die Sache der Schwachen und Unterdrückten werde in Bibel und Koran mit der Sache Gottes gleichgesetzt. Bei aller theologischen Fundierung legt er Wert und Nachdruck v. a. auf die konkrete und schnelle Umsetzung. Das erste Hauptreferat von muslimischer Seite wählte als Ausgangspunkt, dass der Mensch überhaupt nur existiert, weil Gott ihm seinen Atem eingehaucht hat. Aber fast interessanter sind die negativen Abgrenzungen: Die erste richtet sich im Namen aller monotheistischen Religionen gegen die Evolutionstheorie, denn diese Religionen hätten doch schon alles über Ursprung, Natur, Aufstieg, Platz, Zweck und Bestimmung der Menschen gesagt. Alle seien einig, dass der Mensch von anderen Lebewesen unterschieden sei und über ihnen stehe durch die vernünftige Seele, die Intelligenz, körperliche Elemente wie Sprache, Arbeit und aufrechter Gang und das wahre Wissen, das Gott nur ihn gelehrt hat. Auch der freie Wille, ohne den es keine Verantwortung gibt, gehört dazu, wobei der Koran gleichzeitig sehr den dienenden Status des Menschen betont. Die zweite klare Abgrenzung ist die Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Das ‚sein‘ vor Ebenbild ist am sinnvollsten auf Adam selbst zu beziehen. Die letzte sehr starke Abgrenzung

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ist die vom Westen, der Mensch und Natur ganz anders sehe. Um die Menschlichkeit und Würde des Menschen wieder zu gewinnen, sollte man die Wissenschaft von ihrem Bruch mit Gott retten. Das christliche Grundsatzpapier hatte eine ausgesprochen christologische Orientierung, die auch die schöpfungstheologischen Aussagen christologisch interpretierte. Der Beitrag der christlichen Botschaft zum Konzept von Menschenwürde und Menschenrechten waren zwei miteinander verbundene Ideen: die natürliche Gleichheit aller Menschen und die Idee, dass für Gott jedes Individuum die Würde der gesamten Menschheit verkörpert. Allerdings habe eine Art Säkularisierung des religiösen Verständnisses von menschlicher Würde stattgefunden. Zwischen den Beiträgen aus unterschiedlichem Hintergrund gebe es eine substanzielle Übereinstimmung über wichtige anthropologische Grundsätze. Der Referent hielt die Weigerung der Universalen Menschenrechtserklärung von 1948, sich auf eine gemeinsame Rechtfertigung von Menschenrechten und Menschenwürde einzulassen, für einen gefährlichen Mangel bezüglich ihrer tatsächlichen Gültigkeit. Die konkrete Realisierung setze einen gemeinsamen Glauben an ihre universale und absolute Gültigkeit voraus, weswegen die Begründung zur absoluten Voraussetzung ihrer Realisierung werde. Er sieht eine natürliche Begründung der Menschenrechte: Das Konzept der Menschenwürde ist wie das moderne Ethos der Menschenrechte generell kompatibel mit allen philosophisch-religiösen Urgründen, die in irgendeiner Weise einen Beitrag dazu geleistet haben. Die persönliche Würde des Menschen kann ohne Rückgriff auf Gott erkannt werden. Die Würde wird schon durch die Selbsterfahrung des Menschen als moralisches Wesen begründet. Die Idee der Menschenwürde ist vom Christentum entscheidend beeinflusst worden, aber dieser historische Einfluss begründet keine Abhängigkeit in dem Sinn, dass Akzepetieren dieser Idee einen irgendwie an den christlichen Glauben binden würde. Aus Sicht einer pluralistischen Gesellschaft bedeutet das, dass die Idee der Menschenwürde Teil eines rationalen natürlichen Ethos ist, das Anspruch auf weltweite Anerkennung stellt. Die theologische Begründung der Menschenrechte ist aber auch nicht einfach ein Überbau, der den modernen Menschenrechten übergestülpt wird. Die letzte Begründung für die Würde des Menschen liege darin, dass er Anteil habe an der Natur Gottes (Gottesebenbildlichkeit). Zu seinem Selbstverständnis brauche der Mensch Gott selbst. Es sei besonders die anthropologische Überzeugung von Johannes Paul II, dass der Christ die erfolgreich verwirklichte Person sei. Nur die Theologie führe zu einer korrekten Anthropologie, die den Menschen in seinen beiden Dimensionen und nicht nur in der biologischen erfasst. Aus diesem Grund ist es auch sinnlos zu fragen, wann ein Mensch anfange bzw. aufhöre, eine Person zu sein. Das verschwindet im ewigen Willen Gottes. Der eigentliche Ursprung des Personenbegriffs ist also theologisch und macht das Personsein des Menschen am Personsein Gottes fest (Albertus Magnus). Da Gott den Menschen als Ziel und nicht als Mittel geschaffen hat, hat der Mensch absoluten Wert

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in sich. Christus habe das bestätigt, indem er für jeden gestorben sei. Tertullian habe gesagt, dass Gott an Christus als Modell gedacht habe, als er den Menschen erschuf. Der Mensch wurde in Christus erschaffen, dem perfekten Ebenbild Gottes. Der Mensch ist zuallererst ein christozentrisches Wesen, weil er historisch durch seine Beziehung zu Christus als Person definiert wird. Der Mensch ist geschaffen als soziales Wesen, was auf die innertrinitarischen Beziehungen verweist. Dem entsprechen nur soziale Beziehungen, die auf Gegenseitigkeit und innerer Bedeutung beruhen und nicht solche, die auf Besitz, Macht und Privilegien aufgebaut sind. Die konkreten Beiträge der Kirche zur Verteidigung der Menschenrechte zeigten sich v. a. darin, dass der Mensch niemals die Kontrolle über menschliches Leben haben dürfe. Die sehr kritische Haltung der katholischen Kirche gegenüber den Menschenrechten wird auf die antikirchlichen Aspekte der Aufklärung zurückgeführt, die sich die Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hatte, und auf den individualistischen Kontext. Dass hier Konvergenzen mit ganz typischer heutiger islamischer Kritik an den Menschenrechten bestehen, erwähnte der Referent nicht. Erst Pius XII wurde ab 1942 zu einer der einflussreichsten Figuren der neuen Ära, wie auch besonders Johannes Paul II. Die kirchliche Arbeit sei eine Schildwache der Menschlichkeit, die der Welt eine Anthropologie der Person biete, die die menschlichen Werte respektiere und offen für die Transzendenz sei. Seine Würde besteht nicht nur darin, das Ebenbild Gottes zu sein, sondern sein Kind zu sein, das göttliches Leben teilt. Während andere geschaffene Dinge nur die Macht Gottes manifestieren, ist der Mensch ein Reflex des Geheimnisses Gottes selbst und macht sichtbar, wer und wie Gott ist, nämlich reine Person in perfekter Liebe. Die relative Autonomie des menschlichen Geistes in Ähnlichkeit zu Gott ist die höchste Form natürlicher Gotteserkenntnis. Dies geht weit über das hinaus, was von christlicher Seite in den bisherigen Dialogen gesagt worden war, in denen man sich auf die Genesistexte beschränkte und relativ nah am islamischen Konzept der Statthalterschaft lag. Die Theologie, die man bisher so entschieden und erfolgreich vermieden hatte, läuft hier zur Höchstform auf: ohne Theologie, ohne Christologie keine Anthropologie. Dann ging es um die konkreten historischen Ausformungen dieser Konzepte von Menschenwürde. Der Ausgangspunkt des christlichen Referats war ein doppelter: die Zugänglichkeit der Menschenwürde für jeden sowie der speziell christliche Ansatz. Durch das Licht der Vernunft und eine innere Erleuchtung ist es möglich, im Naturgesetz, das in die Herzen geschrieben ist, den heiligen Wert zu entdecken, der im menschlichen Leben von seinem Anfang bis zu seinem Ende eingeschlossen ist. Ohne Zweifel sind der Respekt vor dem menschlichen Leben und vor der menschlichen Würde zwei Hauptstützen, die für das menschliche Zusammenleben und für die soziale Stabilität aller Gemeinschaften unerlässlich sind. Alle Menschen sind Geschwister, betont das Christentum, teilt diese Erkenntnis aber auch mit vielen anderen Religionen. Weder Christus noch die Apostel hätten daraus ein System und genaue Gesetze für eine bestimmte

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Form von Gesellschaft gemacht. Aber jede Gemeinschaft, die von Dauer sein will, organisiert sich schrittweise in Übereinstimmung mit ihrer Botschaft. Botschaft und Auftrag der Kirche ist, in sich selbst die Einheit der Menschheit jenseits von ethnischen, kulturellen, nationalen, sozialen und anderen Grenzen zu erreichen (Kirche als Sakrament der Einheit). Alle Menschen sind gleich, unabhängig von ihrem sozialen Status. Gott möchte, dass die Ungleichheit, die aus den natürlichen Unterschieden und der menschlichen Freiheit erwächst, durch die Entwicklung und das Wachsen sozialen Lebens ausgeglichen wird. Religiöse Unterdrückung sei ein Zeichen zivilisatorischer Rückständigkeit aus einem Missverständnis von Religion heraus. Nach muslimischer Überzeugung sind sich im Wert des Menschen zwar alle monotheistischen Religionen einig, die konkrete Realität habe aber oft ganz anders ausgesehen. Ein Konzept von Menschenwürde muss sich also nicht nur an der globalen Einsichtigkeit seiner Begründung messen lassen, sondern auch an der globalen Umsetzung durch die, die es vertreten. Das muslimische Gegenreferat, Entgegnung und Antwort auch darauf sind ein Musterbeispiel, wie tief die Gräben bei und trotz aller Dialoganstrengungen sind und wie schnell man aneinander vorbeiredet und der eine die Grundkonzepte des anderen nicht versteht. Das gehaltene Referat war ein erneutes Grundsatzreferat über das islamische Idealkonzept und die Frage nach der historischen Umsetzung von Theorie in Praxis wurde nicht gestellt. Dies hielt der Referent für einen konstruktiven Ansatz im christlich-muslimischen Dialog um Menschenwürde und Menschenrechte. Bei Akashe vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog dagegen kam das als wirre, hochmütige, undialogische und obendrein vielfach schlecht informierte Themenverfehlung an. Doch gerade die Kritik an der Kritik zeigt das Ausmaß des Missverständnisses erst wirklich, bestätigt sie doch den Vortrag und stellt sich auf den Standpunkt, der Kritiker hätte doch wissen müssen, dass er eigentlich ein selbstkritischer und vom christlich-muslimischen Dialog überzeugter Mensch sei, aber dass es darum hier gar nicht gehe. Vielleicht ist das doch ein Beweis dafür, dass der Islam in hohem Ausmaß gegen Kritik generell und besonders von außen immun ist, weil er für sämtliche Fragen die einzig richtige und bereits perfekt ausgeformte Lösung bereithält. Sollten andere etwas Positives beizutragen haben, ist dies eigentlich im Islam auch schon enthalten, und die zahlreichen Verfehlungen gehen auf das Konto der anderen, besonders des atheistischen und materialistischen Westens und noch mehr auf das Konto Israels. Die Würde bezieht sich auf Eigenschaften, die jemandem allein gegeben wurden. Beim Menschen sind dies Vernunft, Lernfähigkeit, Willen und Entscheidungsfreiheit und allen voran, dass er sich nur Gott unterwirft. Der Mensch sei von Natur aus religiös, fitra, abgeleitet vom arabischen Wort für Schöpfung fatr, was de facto mit dem Islam übereinstimmt. Im Islam ist die Menschenwürde, wie alle moralischen Werte, angeboren und deshalb gleichbleibend, absolut und allen Menschen zu allen Zeiten gemeinsam. Im Islam ist das grundlegende und ton-

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angebende Konzept die Gerechtigkeit und nicht Gleichheit oder Rechte. Was der Westen als richtig ansieht (Recht auf Leben, Recht auf Lernen), wird im Islam als göttliche Vorschrift angesehen. In westlich-philosophischer Perspektive realisiert sich die Perfektion des Menschen dadurch, dass er die Kontrolle über Natur, Umwelt und seine Mitmenschen gewinnt. Folglich ist das perfekteste Wesen das stärkste Wesen, so Darwin, Nietzsche, Freud und Marx. Die Beziehung dieses Menschen zu anderen ist eine Beziehung von mehr oder weniger legaler Vertreibung, von widerrechtlicher Aneignung und von Vorherrschaft, denn es überlebt der Stärkste. Sogar Lernen und Wissenschaft ist nur gut als Mittel zur Macht, die wiederum die Quelle des Vergnügens ist. Es dominiert materielle und physische Zügellosigkeit in diesem Leben. Es gebe also zwei verschiedene Sichtweisen, ja zwei verschiedene Menschen, den religiösen und den säkularen, atheistischen. Von welchem solle man ausgehen in der Frage der Menschenwürde? Es folgt ein ausführlicher Vergleich der beiden Menschen: Eine Person ohne Glauben kann ihr Leben nach verschiedenen Vorstellungen ausrichten, im Gegensatz zu jemandem mit einem spirituellen Ausgangspunkt. Der Erstere ist ein Opfer von Launen und Kapricen, während der Letztere rechtgeleitet ist. Die Muslime glaubten, dass ein Mensch, der das Produkt sozialer Reflexionen ist, nicht menschlich sein kann. Genausowenig kann jemand, der das Produkt von chemischen und physiologischen Reaktionen ist, die seine psychologischen, mentalen und emotionalen Systeme ausmachen, wie es die Behavioristen denken, menschlich sein oder die Person, die gleichbedeutend ist mit ihrem sozioökonomischen Output wie im materialistischen Marxismus. Das ist nicht wirklich der Mensch. Das ist Entfremdung, die Antithese zur Menschenwürde, festgemacht am Fehlen der ausgewogenen Kombination von Selbsterkenntnis, Welterkenntnis und Gotteserkenntnis, die den Islam so auszeichnet. Die Menschenwürde liege in der Komplementarität zwischen dieser und der nächsten Welt, zwischen Wissenschaft und Glaube. Dagegen sei in der jüdisch-christliche Tradition die Basis des Widerspruchs zwischen Religion und Wissenschaft schon im Konzept der Erbsünde grundgelegt. Am Baum der Erkenntnis hätten die Menschen vor der Wahl zwischen Religion und Wissen gestanden. Das Wissen werde als göttlich angesehen und Unwissenheit als menschlich. Im Islam sei der verbotene Baum dagegen das Symbol für Gier, also das Symbol für die Tierhaftigkeit, nicht für die Menschlichkeit des Menschen. Gott habe den Menschen Wissen gegeben, indem er ihm die Namen aller Dinge lehrte. Von daher sind Religion und Wissenschaft oder Lernen im Islam synonym. In der jüdisch-christlichen westlichen Zivilisation führten Trennung und Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion zu einer Aufteilung der Geschichte in das Zeitalter von Religion und Glaube und das Zeitalter von Lernen und Wissenschaft. Im Islam dagegen blühten sie zusammen und hatten auch einen gemeinsamen Niedergang, auf den allerdings nicht eingegangen wird. Die Lehren aus der von ihm erstellten Sündenfallinterpretation werden sehr weit ausgezogen: Es ist dieser Ty-

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pus von Mensch, der das Kolonialzeitalter, den teuflischen Marxismus und die Sinn- und Bedeutungslosigkeit im Existenzialismus hervorgebracht hat. Es ist in der Tat para­dox, über Würde und Menschenrechte zusammen mit diesem Menschenbild zu reden. Diese Systeme sind gestört und nicht aus dem selben Schoß geboren, aus dem diese Rechte stammen. Von hier aus kann man laut dem Referenten sehen, dass die Menschenrechte als politische Waffe benutzt werden. Das Sicherste und Einfachste für Menschenwürde und Menschenrechte wäre eine Rückkehr zur Religion, sprich zum Islam, damit seien alle Probleme gelöst. Der Islam behandelt andere so, wie sie es verdienen. Man müsse nach dem Wechsel fragen, der von der arabisch-muslimischen Welt verlangt wird, damit sie ein Wohlverhaltenszertifikat für Menschenrechte bekommt. Muss sie zu einem primitiven Menschenbild wechseln, das vollständiges Menschsein auf bestimmte Menschen beschränkt, während alle anderen Menschen, Völker und Ethnien nicht Gottes erwähltes Volk sein können? Akasheh forderte darauf eine Revision des Geschichtsunterrichts, sodass sich auch andere Religionen und Zivilisationen darin wiederfinden könnten (z. B. Erbsünde). Der Referent fühlte sich von der Empfehlung, doch besser vorher bei den Betroffenen (den Christen) selbst nachzufragen, seines Rechtes auf freie Äußerung von Interpretationen im Dialog beraubt. Die letzte Gesprächsrunde drehte sich um die Herausforderungen für die Zukunft. Von muslimischr Seite wurden zwei Fragen als große Herausforde­ rungen gesehen: Der Islam wird angeklagt, sowohl Menschenrechte zu missachten als auch Pluralismus nicht zuzulassen. Die freie Wahl des Ehepartners und der freie Religionswechsel stünden im Widerspruch zum islamischen Recht. Was die Rechte der Minderheiten angeht, so ist die Religionsfreiheit für die Völker des Buches immer schon legitim gewesen. Die Minderheitenrechte waren ein Vorwand zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten, was Europa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts getan hat, als es die Christen in der arabischen Welt für sich gewann. Das war mit kolonialer und imperialistischer Politik vermischt, bis heute, wenn Amerika und Europa die Rechte der muslimischen nichtarabischen oder der arabischen nichtmuslimischen Minderheiten verteidigten. Man sollte einen Exzess im Ausüben der Rechte vermeiden. Aus christlicher Sicht sind die islamischen Heiratsverbote schlicht gegen das grundlegende Recht einer Person, sich einen Partner zu wählen und eine Familie mit ihm zu gründen. Man wehrte sich auch gegen die Unterstellung, Minderheitenrechte seien lediglich ein Mittel, sich in arabische Regierungsangelegenheiten einzumischen. Außerdem wurde bezweifelt, dass gegenseitiger Respekt zwischen zwei Religionen möglich sei, wenn nur eine dieser Religionen ihre Botschaft offen verkündigen dürfe. Das christliche Referat von Andrea Pacini konzentrierte sich auf zwei völlig andere Fragen für die Zukunft, Bioethik und das Gesellschaftsmodell im Angesicht zunehmender Globalisierung. Basis für die Würde des Menschen ist seine Gottesebenbildlichkeit. Der Mensch ist das einzige Wesen, das eine freie und in-

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telligente Subjektivität habe und gerufen sei, in einen Dialog mit Gott zu treten und in eine Beziehung des Gehorsams zu ihm und seinem Willen. Der Personbegriff begreift die gesamte Würde des Menschen in sich: individuelle Subjektivität, die nicht instrumentalisiert werden kann, da sie Freiheit und Gewissen hat, und die Relationalität des Menschen. Er hat die Verantwortung, immer wieder die Umstände zu schaffen, die es jedem ermöglichen, in Übereinstimmung mit seiner Würde zu leben. Personsein bedeutet auch, dass er Träger von grundlegenden Rechten ist, die ihm nicht von der Gesellschaft verliehen werden, sondern ihm als objektive, also in seinem Personsein begründete Rechte gehören. Aus christlicher Sicht sind diese Rechte immer mit Pflichten verbunden, denn die Rechte eines anderen bedeuten Pflichten für mich. Die Bioethik teilt sich in Reproduktionsbiologie und Gentechnik auf. Gerade die Zufälligkeit der natürlichen Empfängnis verstärkt den Personencharakter und den Geschenkcharakter des werdenden Menschen und wirkt der Instrumentalisierung des Menschen entgegen. Sonst besteht die Gefahr, dass eine Gesellschaft gar nicht mehr in der Lage ist, die Würde des Menschen in ihrer Gänze zu fassen und damit auch in späteren Stadien zu respektieren. Die zweite Herausforderung hat weniger mit dem physischen als mit dem sozialen Leben des Menschen zu tun. In traditionellen Gesellschaften sei die Würde des Menschen durch traditionelle Formen der Solidarität gesichert worden (Großfamilie und lokale Gemeinschaft). Veränderungsprozesse müssten so gesteuert werden, dass die Würde des Menschen nicht nur gewahrt, sondern sogar noch gestärkt würde. Es geht um Gewissenbildung, aber auch um strukturelle Aktion in Gesetz und Politik, um Gesellschaftsmodelle, die die Würde des Menschen widerspiegeln. Besonderer Wert wird auf das Zusammenspiel von Rechten und Pflichten gelegt. Die Pflichten seien im Westen etwas vernachlässigt worden. Diese Schwerpunktsetzung hatte aber auch gute historische Gründe, nämlich den Schutz der menschlichen Person. Augenblicklich bestehe die Gefahr, dass die Würde des Menschen beispielsweise gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung zweitrangig wird. Aus christlicher Sicht gebe es zum Schutz der menschlichen Würde in modernen Gesellschaften keine Alternative zu den Menschenrechten. Aus muslimischer Sicht hat der Ausschluss von Offenbarung als Quelle von Wissen und Wissenschaft hat im Westen zu einer Konzentration auf die Rechte des Menschen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Pflichten und der Ethik geführt. Nach dem gemeinsamen Bericht teilten Christen und Muslime besonders die Ansicht, dass die Menschen von Gott geschaffen seien und dieser ihnen ihre Würde gegeben habe. Diese Würde sei absolut und unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Sprache und Überzeugungen. Es wurde sehr darauf gedrungen, nicht Werte und Ideale mit der gelebten Realität von Menschen zu verwechseln, die oft dahinter zurückbleibe. Besonderes Augenmerk galt denen, die Ungerechtigkeit und Entbehrung dieser göttlichen Menschenrechte zu tragen haben: Arme,

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Unterdrückte, verlassene Kinder, verfolgte Minderheiten sowie Flüchtlinge. Man drückte seine Hoffnung auf eine neue ethische Weltordnung aus, die die menschliche Würde überall respektieren würde. Die Konferenz war wie eine anthropologische Bündelung vieler Aspekte, die in den früheren Dialogen zur Sprache gekommen waren und bildete daher einen gewissen logischen Abschluss.

3.6. Dialog mit dem Iran Ab 1976 gab es bereits Kontakte zum Iran, bei denen es um zukünftige Dialoge ging. Die Anliegen des Sekretariats waren Jugend, soziale Gerechtigkeit und das religiöse Phänomen. 1977 gab es einen interessanten Austausch über anthropologische Fragen. Man betonte, dass der Glaube an Gott Christen und Muslime doch zu einer ähnlichen Sicht auf verschiedene Aspekte des Menschen, seine Pflichten und das von ihm zu erreichende Ziel bringe. Die Christen sahen in gewisser Spannung dazu die kritische, prophetische Religion, die darauf zielt, die Rechte des Menschen zu stärken. Man fragte, ob es das auch im Islam gebe. Diese Frage wurde ziemlich deutlich verneint. Im Gegenteil, die Theorie der Menschenrechte könne sich als Falle erweisen, da sie ihre Ausbildung außerhalb des Islam erfahren habe. Das sei für den Islam eine Ideologie, die er nicht anerkenne. Der Mensch habe im Islam keine angeborenen Rechte, er habe im Gegenteil eine radikale Verpflichtung Gott gegenüber – alles andere sei nur eine Folge dieser Beziehung. Die erste Tagung mit dem iranischen Sekretariat für interreligiösen Dialog fand 1994 in Teheran statt zur theologischen Bewertung der Moderne. Nur der Vortrag von Felix Machado ist greifbar. Er verband den Begriff der Moderne mit dem Begriff der Humanität. Die Aufklärung wollte allen Menschen eine friedliche und soziale Existenz sichern. In dieser Zeit standen der Mensch, seine Würde und seine Rechte absolut im Mittelpunkt. Die katholische Kirche stufte das als negativ ein. Die Vernunft wurde ja auch auf den religiösen Bereich angewandt. Es hatte sich ein scharfes Gegenüber von Glaube und Vernunft entwickelt. Die Moderne sei ein eurozentrisches System mit christlichen Wurzeln. Das Primat der Vernunft und die zentrale Stellung des Individuums und seiner Rechte hätten die Praxis von Religion in Asien grundlegend verändert. Die Menschen Asiens seien aber nach wie vor der Meinung, Religion sei eine Antwort auf ihre praktischen Nöte und gebe ihnen die nötige Motivation und den letzten Sinn im Leben. Der Konflikt zwischen heilig und säkular, Glaube und Vernunft, Staat und Religion wurde vermieden. Der Einfluss der Moderne habe aber auch die Hingabe an diese Welt, Humanismus und soziales Bewusstsein gefördert. Die Moderne sei gekennzeichnet durch die Wichtigkeit und den Vorrang, der dem Individuum und seinen Rechten zuerkannt würden. Der zweite Dialog 2000 beschäftigte sich mit Islam und Christentum im Gegenüber zur religiösen Pluralität. Der religiöse Pluralismus hängt mit der größe­

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ren Mobilität und dem Fortschritt im Bereich der Kommunikationsmittel zusammen. Der dritte Dialog 2001 ging um Jugend und deren Identität und religiöse Erziehung, genauer die Identitätskrise der Jugend und deren augenblickliche Hoffnungen. Es war bezeichnend, dass ein christlich-muslimischer Dialog, der eigentlich über ein ganz anderes Thema geführt wurde, doch wieder bei der Frage der Rechte der religiösen Minderheiten und den jeweils unterschiedlichen Definitionen von Religionsfreiheit landete.

3.7. Islamic-Catholic Liaison Committee Am 22.6.1995 wurde anlässlich der Einweihung der Moschee in Rom das Abkommen zur Einsetzung eines sogenannten Islamic-Catholic Liaison Committee unterzeichnet. Es sollte sich mindestens einmal jährlich treffen, um ein Thema zu diskutieren, das für Christen und Muslime von Bedeutung ist, und den Stand der Beziehungen zwischen Christen und Muslimen weltweit unter die Lupe zu nehmen. Es ist von beiden Seiten eine hochrangige und repräsentative Sache. Gleich zu Beginn ging es um die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Man bekräftigte die Notwendigkeit, die Würde, Rolle und Rechte der Frauen in der G ­ esellschaft anzuerkennen. Am ersten Treffen war das Islamic Council for Da’wah and Humanitarian Relief mit beteiligt. Es ging um drei Themen, die alle anthropologische Fragestellungen zumindest berührten: Gerechtigkeit und menschliche Würde, Umwelt und menschliche Sicherheit sowie Armut und humanitäre Hilfe. Arme sollten gemeinsam mit grundlegenden Notwendigkeiten wie Obdach, Gesundheit und Essen versorgt werden. Außerdem verurteilte man jegliche Gewalt im Namen der Religion aufs Schärfste. Beim nächsten Treffen ging es hauptsächlich um Minderheitenrechte und darum, wie Muslime und Christen übereinander sprechen. Das dritte Treffen beschäftigte sich mit dezidiert anthropologischen Fragestellungen: zunächst Pflichten von Mann und Frau in Familie und Gesellschaft, dann Menschenrechte und -pflichten und schließlich die Rechte des Kindes in Familie und Gesellschaft. Hier sieht man offenbar in der modernen Gesellschaft die Gefahr, dass die Kinder vernachlässigt werden. Divergenzen werden erwähnt, um dann nachdrücklich auf die gemeinsamen Werte zu verweisen: die menschliche Würde, die vom allmächtigen Gott komme und die Quelle der menschlichen Rechte und Pflichten sei, die auf die Ehe gegründete Familie, das Recht des Kindes auf Leben, auf eine gute familiäre Umgebung, auf Erziehung und religiöse Unterweisung. Die Atmosphäre des Treffens war entspannt. Man konstatierte, das gegenseitige Verständnis, Respekt und Freundschaft seien gewachsen. Das sei vielleicht der wirkliche Beitrag dieser Treffen, ein Fortschritt auf menschlicher Ebene zwischen allerhöchsten Vertretern auf beiden Seiten. Beim nächsten Treffen ging es um eine Kultur des Dialogs und um dauerhafte religiöse Werte, also um ‚den dritten Weg‘. Dialog umfasse alle Formen der Begegnung, die

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gegenseitiges Verständnis und gegenseitigen Respekt förderten. Grundlage sollte wachsendes gegenseitiges Vertrauen sein, um Gerechtigkeit herstellen, Frieden fördern, Respekt für die Menschenwürde sichern und ein sicheres Zusammenleben in der menschlichen Gesellschaft verwirklichen zu können. Die Kultur des Dialogs sollte auch auf der Erfüllung von ethischen Prinzipien beruhen. Die Förderung von ethischen Werten ist weniger umstritten als die Frage, was genau diese Werte jeweils für beide Seiten sein könnten und wo nicht die Überschneidungen, sondern die Differenzen liegen, was das Idealbild vom Menschen und seinem Verhalten angeht. Beim nächsten Treffen ging es um Rechte und Pflichten von Bürgern. Für beide Seiten sollten religiöse Werte und ein Geist der Verantwortung der Ausgangspunkt sein und gefördert werden, um die menschliche Würde zu bewahren und das Zusammenleben zwischen den Völkern zu fördern. Kampf der Zivilisationen wird abgelehnt. Nach dem 11. September gab es eine gemeinsame Erklärung. Einheit herrscht immer, wenn es um die Zusammenarbeit zur Verteidigung der großen Werte der Menschheit geht, Spannungen bei der Situation von Ländern, in denen die Christen verfolgt werden, oder bei Grundsatzfragen einer Kultur des Dialogs oder prinzipiellen Fragen wie der des Religionswechsels. Die Unterschiede in der Sicht auf den Menschen und seine Freiheiten sind nicht zu leugnen. Das neunte Treffen ging um Menschenwürde und Menschenrechte in bewaffneten Konflikten. Humanitäres Recht sowie die Rechte der Zivilbevölkerung und der Gefangenen in bewaffneten Konflikten sollten voll respektiert werden. Außerdem dürfe niemandem der Zugang zu Wasser, Nahrung, Medikamenten und medizinischer Hilfe verwehrt werden. Auch die Infrastruktur, also alles Lebensnotwendige, müsse erhalten werden. Basis für diesen Appell sind religiöse Werte und internationale Konventionen. Auch gottesdienstliche Orte sollten respektiert werden und es sollte im Frieden und im Krieg ein Recht auf Gottesdienst geben.

3.8. Dialoge mit der Al-Azhar-Universität Bei den ersten Kontakten mit der Al-Azhar-Universität ging es um Frieden, Zusammenarbeit und das neue Dialogklima sowie darum, dass Glaube nicht nur aus Worten, sondern auch aus Handeln besteht. Wichtig war das Verhältnis der Jugend zum Glauben. Auf islamischer Seite war dies wesentlich weniger kritisch – der Glaube an Gott sei zu tief in jedem Moslem verwurzelt, als dass eine Gott-isttot-Theologie denkbar sei. Aus katholischer Sicht revoltiere die Jugend nicht gegen den Glauben an Gott selbst, sondern gegen vieles, was die Menschen darum herum gemacht hätten. Es sei wichtig, eine Form zu finden, die sie in ihren spirituellen Bedürfnissen anspreche. Hier sahen die Muslime viel schneller und direkter den wahren Glauben an den wahren Gott gefährdet: Schon ohne intaktes Familienleben könne es bei den Jugendlichen keinen intakten Glauben geben. Es

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gab gleich die Absicht, von nun an regelmäßige Kontakte zueinander zu pflegen in allen Fragen, die die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen betreffen, und dafür jeweils einen Repräsentanten zu benennen. Bei einem erneuten Besuch einer vatikanischen Delegation in Kairo kam es zu einer gemeinsamen Verlautbarung mit den religiösen und akademischen Würdenträgern der Al-­ Azhar-Universität. Es ging um die Suche nach einem Heilmittel gegen Materialismus und Atheismus, um Zusammenarbeit gegen Rassendiskriminierung und überhaupt alle Verbrechen gegen den Menschen. Man betonte dabei die gemeinsamen religiösen Werte: Gerechtigkeit, Liebe, Respekt vor dem Recht auf Leben und den Menschenrechten. Nur der Weg des Gehorsams Gott gegenüber könne helfen, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme zu lösen. Aus islamischer Sicht hat Gott die Menschen ausdrücklich geschaffen, damit sie sich gegenseitig besonders in der Gerechtigkeit helfen, um so Frieden zu erreichen. Die Entfernung von religiösen Werten ist allgemein der Grund für die typischen Probleme moderner Gesellschaften: Hektik, Unordnung und Orientierungslosigkeit. Christen wie Muslime könnten durch ihre jeweiligen religiösen Werte gut zusammenarbeiten und mithelfen, dass sich die Wünsche der Menschheit nach Wohlergehen, Frieden und Glück erfüllten. Seitdem gab es Kontakte im Blick auf die Schaffung eines gemischten Komitees für den Dialog. Das Abkommen zur Schaffung dieses Komitees wurde am 28.5.1998 in Rom geschlossen. Ausgangspunkt des gesamten Prozesses ist die Notwendigkeit einer genauen Kenntnis und eines richtigen Verständnisses der Glaubensinhalte und der Praxis der jeweils anderen Religion. An zweiter Stelle steht, dass die Religionen in der menschlichen Gesellschaft ihre Rolle spielen können, was die Förderung von Brüderlichkeit, Solidarität, Zusammenarbeit, Gerechtigkeit und Frieden angeht und das Wohl der ganzen Menschheit und den gemeinsamen Kampf gegen den Fanatismus. Die bisher erreichten Ergebnisse sollen noch gesteigert werden. Arbeitsbereich ist die Forschung zu gemeinsamen Werten sowie die Förderung von Gerechtigkeit, Frieden und Respekt für die Religionen. Es soll um Themen von gemeinsamem Interesse wie die Verteidigung der Menschenwürde und der Menschenrechte und die Förderung des Respekts voreinander gehen, also um Ziele mit auch ausgeprägt anthropologischem Charakter. Es soll mindestens ein jährliches Treffen geben und am Ende eines jeden Treffens eine Presseerklärung. Ohne Zustimmung beider Seiten wird es keinerlei öffentliche Information über dem Komitee vorgelegte Papiere geben, was darauf schließen lässt, dass manches Interessante und Kontroverse unter Verschluss bleiben könnte. Nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II an der alAzhar erklärte man den Tag dieses Besuchs, den 24. Februar, zum ‚Tag des Dialogs‘ und der jeweiligen Treffen. Es gab insgesamt eine gemeinsame Erklärung zum Balkan und eine zur Lage im Nahen Osten und später eine zum 11. September. Jeder Versuch, eine bestimmte Situation auszunutzen, und jeder Angriff auf die Religionsfreiheit werden abgelehnt. Auch in dieser gemeinsamen Erklärung

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werden die Linien durchgehalten, die sonst von den päpstlichen Stellungnahmen bekannt sind. Nach einigen Treffen ähnelte deren generelle Einschätzung sehr der der Treffen des Catholic-Islamic Liaison Committee: Das Klima sei entspannt, herzlich, vertrauens- und respektvoll, man höre sich gegenseitig immer mehr zu. Am 24.1.2002 hatte der Papst zum Tag des Gebetes um den Frieden in Assisi eingeladen, angesichts der Situation speziell Muslime. Dem muslimischen Zeugnis für den Frieden kam bei dieser Veranstaltung besonderes Gewicht zu. Gott hat alle Menschen von einem einzigen Vater und einer einzigen Mutter geschaffen. Alle monotheistischen Religionen können sich auf den Respekt vor Werten einigen wie Ehrenhaftigkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlstand, den Austausch von guten Taten, die Zusammenarbeit von Völkern für das Wohlergehen und die Frömmigkeit. Gott habe die Menschen als Stämme und Völker geschaffen, wobei der nach Gottes Maßstab Vornehmste der Frömmste sei. Alle monotheistischen Religionen fordern den Menschen dazu auf, Recht und Gesetz hochzuhalten, indem man rechtmäßigen Besitzern wieder zu ihren Rechten verhilft – konkret gemeint war damit die Unterstützung für das palästinensische Volk. Es gebe keinen Zwang in der Religion. In Ägypten hätten Christen und Muslime seit 14 Jahrhunderten friedlich zusammengelebt, gleich in Rechten und Pflichten. Vom Bezug auf die Gerechtigkeit her stimme die al-Azhar dem Appell für den Frieden zu. Beim nächsten normalen Treffen des Kommittees ging es um religiösen Extremismus und dessen Auswirkungen auf die Menschheit. Die Christen erklärten Fanatismus so, dass jeder, der nicht ausdrücklich dafür sei, als Gegner betrachtet werde. Es sei notwendig, dass Christen wie Muslime die Herausforderung der religiösen Pluralität annähmen. Die muslimische Seite betonte den moderaten Standpunkt des Islam. In der Diskussion wurde Extremismus verdammt, da er mit den Lehren beider Religionen nicht übereinstimme. Extremisten könnten ernsthafte Absichten haben, aber mit der Tendenz, nur sich selbst im Recht zu sehen und anderen gegenüber intolerant zu sein, sie nicht in ihrer Unterschiedlichkeit anzunehmen und auch ihre Rechte zu verletzen. Dialog könne hilfreich sein als Gegengewicht zum Extremismus. Auch die Gesellschaft müsse mit einbezogen werden, also Familienleben, Erziehung, soziale Entwicklung, Massenmedien, Förderung von Gerechtigkeit und Solidarität. Beim Treffen 2004 ging es dann um die Ablehnung von Generalisierungen und die Wichtigkeit von Selbstkritik. Beide Religionen lehnten Generalisierungen beim Urteil über Menschen ab: Nur der jeweils Einzelne oder die jeweilige Gemeinschaft sei verantwortlich. Es sind nur die zur Verantwortung zu ziehen, die auch wirklich falsch gehandelt haben. Unschuldige Menschen dürften nicht für die Untaten anderer an den Pranger gestellt werden. Beide Religionen sind auch für Selbstkritik, für Gewissensprüfung und für die Bitte um Vergebung. Alle sollten Gewissenserforschung betreiben und, wo immer möglich, Schuld zugeben und so zum richtigen Verhalten zurückkehren. Damit möchte man Gerechtigkeit, Frieden und Liebe verbreiten.

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3.9. Regionale Dialoge Das Projekt der regionalen Dialoge war sehr wichtig. Sie wurden aber selten von Rom direkt durchgeführt. Es ging dabei v. a. um den Dialog des Lebens. Die erste Begegnungsphase hatte bereits stattgefunden. Vertrauen muss nicht mehr aufgebaut werden, sondern gemeinsame Probleme können angegangen werden. Die entscheidende Rolle hat der Diözesanbischof. Die Motive dafür sind klar: Es geht dabei nicht um rein diplomatische Aktivitäten des Heiligen Stuhls, sondern um Aktivitäten der Kirche. Der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog drängt auch manchmal, ersetzt aber nicht andere Ebenen oder Institutionen. Wo Christen in der Minderheit sind, versuchen die Besuche oder sonstigen Aktivitäten des Päpstlichen Rats immer, die Rolle der lokalen Kirche zu respektieren und in den Augen der Nichtchristen zu stärken. In manchen Ländern wurde aber durch das Projekt der regionalen Dialoge die Dialogarbeit auch erst angestoßen.

3.9.1. Nordafrika Die Bischofskonferenz von Nordafrika hatte das Dialogtreffen angeregt und zusammen mit den zuständigen Instanzen des Päpstlichen Rates beschlossen, wenn auch mit Blick auf Europa, dessen christliche Mehrheit mehr gegenseitiges Wissen, Respekt und Zusammenarbeit mit den Muslimen gebrauchen könne. Die katholische Gesamteinschätzung war, dass der interreligiöse Dialog generell nur langsam vorankomme und viel Geduld und Großzügigkeit erfordere. In einem gewissen Abstand zum Zweiten Vatikanum sei eine neue Besinnung auf die Unterschiede zwischen Christen und Muslimen und damit eine gewisse Abkühlung und Desillusionierung eingetreten, die nun wieder von neuem Schwung auf der Basis realistischer und ausgewogener Einschätzung abgelöst werde. Die offiziellen religiösen Institutionen hielten sich mit Blick auf den Dialog eher zurück oder lehnten ihn gar offen ab. Der geistliche Weg, den die Dialogteilnehmer gegangen waren, einte sie: von einer wie auch immer negativ geprägten Sicht des Anderen hin zu echter Kenntnis. Es wurde sogar als Versuchung bezeichnet, sich als alleinigen Besitzer der Wahrheit und des Guten zu sehen. Alle seien nur einfache Zeugen und Mitarbeiter Gottes. Anthropologisch wurde die Notwendigkeit einer respektvollen Haltung sehr betont, von der religiösen Erziehung in der Familie bis zu Lehrbüchern und Lehrerausbildung, wobei v. a. auf die Übereinstimmung zwischen familiärer Prägung und offizieller Bildung zu achten sei. Ausgangspunkt waren die Begründungen für das Recht auf religiöse Unterschiedlichkeit in Bibel und Koran und damit auf Religions- und Gewissensfreiheit, was mit ‚Respekt und Liebe‘ eigentlich gemeint sei. Nach der Rückkehr von der Konferenz wurden die Teilnehmer zu Kerngruppen, die die Zusammenarbeit weitertrieben.

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3.9.2. Westafrika Die zweite solche Tagung 1991 führte Teilnehmer aus dem englischsprachigen Westafrika zusammen. Dort gab es Workshops zu Entwicklung, Demokratie und Beziehungen zur Regierung, Mischehen und Einfluss der Medien. Die größten Übereinstimmungen gab es im Bereich der Entwicklung. Christen wie Muslime haben eine sehr ähnliche Vorstellung von menschlicher Entwicklung als Entwicklung des ganzen Menschen in allen seinen Aspekten, wirtschaftlich, soziokulturell, politisch, gefühlsmäßig, moralisch und geistlich. Die Menschen wurden geschaffen und über andere Geschöpfe erhoben, um Gott anzubeten und den Namen ihres Schöpfers zu verherrlichen und nach seinen Vorschriften von Liebe, Gebet, guter Nachbarschaft, Friede und Erbarmen in der Welt zu leben und danach bei ihm zu sein. Entwicklung sollte für alle sein, Arme wie Reiche, und die Natur respektieren. Die Motivation dafür ist allerdings je nach Religion unterschiedlich, da Christen und Muslime unterschiedliche Vorstellungen haben, was das Verhältnis von Religion und Staat angeht. In der Entwicklung gibt es schon viel Zusammenarbeit, ein Ausbau wäre aber noch wünschenswert. Bezüglich Mischehen war man eher pragmatisch. Es fehle an Wissen, v. a. im Bereich des Eheverständnisses der Religionen. Die religiösen Führer sollten dazu anhalten, im Bereich der eigenen Religion zu heiraten. Die Wahl des Lebenspartners aber sei ein grundlegendes Menschenrecht. Demokratie wurde als der grundsätzlich und praktisch entscheidende Punkt angesehen, was das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen angeht. Hier gibt es einen großen Unterschied zwischen der Kirche, die sich grundsätzlich mit keinem politischen System identifiziert, und dem Islam, der Religion und Politik als untrennbar betrachtet, da der Koran eben auch ein Gesetzbuch ist, das das Leben aller Muslime auch im Bereich des Regierens regelt. Die Konferenz empfahl, Vorurteile zu überwinden, die jeweils anderen nicht als Ungläubige zu bezeichnen, besonders aber für die Armen zusammenzuarbeiten im Kampf gegen übertriebene Ausgaben. Zur Demokratie gehöre die Achtung der Rechte jedes Menschen, ohne Ansehen von Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Geschlecht. Ganz besonders wird betont, dass jeder das Recht auf Religionsfreiheit hat und Religions­ gemeinschaften das Recht auf Handlungsfreiheit haben. Als besonders heikle und konfliktträchtige Bereiche werden genannt: Ernennung und Beförderung von Beamten, die Zuweisung von Land für gottesdienstliche Zwecke und der Zugang zu und Gebrauch von Medien. Auch hier will man zukünftig selbst ähnliche Dialoge in den verschiedenen Ländern abhalten.

Die christlich-muslimischen Dialoge

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3.9.3. Südostasien 1994 gab es einen regionalen Dialog in Südostasien (ohne Singapur und Brunei). Kardinal Arinze bezeichnete Religiosität als ein Charakteristikum der Menschen Asiens. Asien habe viele verschiedene Religionen und Kulturen hervorgebracht, aber auch Harmonie und Toleranz zwischen ihnen. Dies sollte noch verstärkt werden. Für den Dialog seien gegenseitiger Respekt und vor allem Respekt für die Religionsfreiheit nötig. Daraus erwachse Zusammenarbeit, für die wiederum Asien vorbildlich sei. Gott ist Schöpfer, Retter und Ziel. Der Mensch sei Gottes Ebenbild und für das Ziel geschaffen, Gott im Himmel zu sehen. Angesichts dessen verblassten die Unterschiede zwischen Christen und Muslimen – eine Äußerung, die sich wiederum an Johannes Paul II anlehnt. Christen und Muslime wollten die Einzelheiten ihres Lebens Gott unterwerfen. Für beide seien Gebet, Fasten und Almosen nötig. Die Früchte eines interreligiösen Dialogs erforderten Geduld. Als positives Beispiel wird das Verhalten christlich-muslimischer Gruppen während des Golfkriegs 1991 genannt. Herausforderungen sind wachsender Materialismus und Konsumhaltung, Egoismus der Reichen, die die Armen zunehmend als störende Eindringlinge sähen, insgesamt ein Leben, als ob Gott nicht existierte. Beim Dialog gehe es darum, miteinander die Fülle der Wahrheit zu suchen. Von den gehaltenen Vorträgen wurde leider nur einer veröffentlicht, in dem Christen und Muslime direkt praktisch nicht vorkamen. Der Abschlussbericht betonte den Dialog des Handelns: Technologischer Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum bewirkten einen raschen Wandel auch in der Art und Weise, wie die Menschen die Beziehung zueinander und den Zweck ihres Lebens überhaupt sehen. Der Prozess der Säkularisierung wurde doch sehr negativ gesehen. Er neige dazu, die Menschlichkeit auszurotten. Ein sehr ausgeprägter Individualismus, also Rechte und Selbstverwirklichung des Einzelnen auf Kosten von Familie und Gesellschaft, werden als neu eingestuft. Früher waren dagegen Solidarität und Harmonie traditionelle Werte der Kultur und Modelle des gemeinsamen Lebens. Jetzt gebe es mehr Polarisierung, auch unter den Religionen. Wenige können den modernen Reichtum genießen, viele werden dafür ausgebeutet oder ausgegrenzt. Besonders abscheulich sei die Ausbeutung von Frauen und Kindern für Arbeit oder Sex. Die Massenmedien hätten die Entsolidarisierung noch gefördert. Man sprach sich klar für die Familie gegenüber einem übertriebenen Individualismus aus und gegen alle Versuche, homosexuelle Verbindungen auf die gleiche Stufe zu stellen wie heterosexuelle. Ausdrücklich betont wurden auch die Verantwortung wie die Rechte der Eltern bzgl. der Sexualerziehung der Kinder in Übereinstimmung mit den religiösen Überzeugungen. Man war besorgt über extremistische religiöse Strömungen. Man wolle gegenseitige Achtung, nicht Misstrauen.

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Auswertung

3.9.4. Ostafrika Bei Planungen für einen regionalen Dialog in Ostafrika Anfang 1997 wurde deutlich, wie hoch bei Christen und Muslimen generell oder wenigstens in der Region der Wert gegenseitiger Achtung und Solidarität ist und dass beide, trotz aller propagierter Offenheit für moderne Entwicklungen, für ein eher traditionelles Bild von Familie und Gesellschaft eintreten und sich sozusagen in einer gemeinsamen Opposition gegen viele Entwicklungen der Moderne und der Säkularisierung befinden.

3.10. Nach 40 Jahren Dialog und dem 11. September Der offizielle Rückblick des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog fragt, was sich in 40 Jahren positiv und negativ geändert hat, und konstatiert nach dem 11. September 2001 eine kritischere Haltung der Muslime gegenüber ihrem Erbe und ihren religiösen Traditionen. Extremismus und Gewalt im Namen der Religion sind zu Themen geworden und damit weniger ein Tabu als früher. Auch Menschenwürde und Menschenrechte, das Recht auf Religionsfreiheit eingeschlossen, sind Themen geworden, die in intellektuellen Zirkeln muslimischer Mehrheitsgesellschaften diskutiert werden. Muslime ergreifen zunehmend die Initiative zu Dialogen, um ihr Bild zu korrigieren. Die Antiterrorinitiative des Westens hätte in ihren antimuslimischen Aspekten bei den Muslimen ein Gefühl der Demütigung ausgelöst, das schwer zu überwinden sei. Religion und Politik blieben ein schwieriges Thema. Ein gewisser gesunder Säkularismus scheine in Ländern mit muslimischer Mehrheit schwer zu erreichen. Die Gefahr der Politisierung von Religion und damit der Vermischung von Religion und Politik sei real. Islamische politische Parteien arbeiteten für die Schaffung von islamischen Staaten und die Einführung des islamischen Rechts. Ein besonders heikles Thema seien Schulbücher, die sich mit religiösen und historischen Fragen beschäftigen, und ihre Rolle bei der Verbreitung von islamischem Extremismus und sogar Gewalt. Es sei noch nicht möglich, über solch heikle historische Themen wie die islamischen Eroberungen, die Islamisierung der eroberten Länder und die Kreuzzüge zu sprechen. Für die Zukunft sah Khaled Akasheh als der Islambeauftragte des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog die Aufgabe, die Menschheit angesichts des Risikos eines Kampfes der Kulturen vor allem zu bewahren, was zu neuen Weltkriegen führen könnte. Nach seiner Meinung werden alle mitmachen, die nicht gerade Terrorismus unterstützen oder praktizieren.

Schlussbemerkungen

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4. Schlussbemerkungen Die Detailfülle gerade der Dialoge in Fragen, die die Anthropologie betreffen, bleibt sehr hoch. Das liegt weniger an der meist strikt schöpfungstheologisch entwickelten Anthropologie der römisch-katholischen Kirche, wie sich in den Ausführungen zu lehramtlichen Stellungnahmen schön zeigt, sondern daran, dass Anthropologie für den Bereich des Islam viel weiter gefasst werden muss. Im Bereich der theologischen Grundlegung der Anthropologie sind Christen und Muslime nicht so weit voneinander entfernt: Für beide hat Gott den Menschen geschaffen, ihm seine Aufgabe gegeben und wird von ihm Rechenschaft verlangen. Die Unterschiede liegen in der Umsetzung. Das Ebenbild Gottes hat aus christlicher Sicht einen großen Gestaltungsspielraum bei der konkreten Umsetzung seiner gottgegebenen Aufgabe. Für den Stellvertreter Gottes im Islam dagegen ist durch das islamische Recht diese Umsetzung ziemlich genau und detailreich vorgegeben, was ja schon sehr früh als Schwierigkeit für den Dialog identifiziert wurde. Die tatsächlichen Freiheiten sind also sehr unterschiedlich und eindeutig größer im christlichen Bereich. Diese christliche Freiheit schien aber aus der Sicht der konkreten muslimischen Dialogteilnehmer nicht erstrebenswert, sondern eher beängstigend. Das Regelwerk des islamischen Rechts wird gerade als die Stärke der eigenen Religion empfunden, die alle Probleme damit eigentlich schon gelöst hat. Dieser Ansatz hat schon allein die Themenwahl der Dialoge stark geprägt, die sich die katholische Seite gerne theologischer gewünscht hätte. Das galt, sobald man in die Details ging, für alle Dialogpartner, seien es Sunniten oder Schiiten, sei ihr Hintergrund politisch konservativ wie in Jordanien oder revolutionär wie in Libyen. Der deutliche Wunsch, den Dialog auf eine möglichst repräsentative Basis zu stellen, erbrachte an diesem Punkt keine Unterschiede bei Themen und Problematik, sondern die Abweichung bei der praktischen Umsetzung der Anthropologie erweist sich als geradezu charakteristischer Zug des Islam. Abweichungen wären allenfalls im stark westlich geprägten Bereich zu erwarten gewesen, der aber gerade nicht repräsentativ für die Mehrheit der Muslime ist. Vertreter dieser Richtung kommen vereinzelt in der Literatur zu Wort, sind aber gerade keine der offiziellen Dialogpartner. Auf diese Weise wurde in den dokumentierten Gesprächen leider oft die christliche Praxis mit einem islamischen Ideal verglichen, was logischerweise den gesamten Dialog in eine Schieflage bringt. Von daher kann man sagen, dass die Dialoge die vorhandenen Gemeinsamkeiten in der Anthropologie beider Religionen klar herausarbeiteten, aber bei den inhaltlichen Unterschieden, sprich der konkreten praktischen Umsetzung, keine Annäherung erbrachten, es wohl auch nicht konnten. Aber es gab eine menschliche Annäherung durch das Wirken von Paul VI und Johannes Paul II, durch die vielfältige Arbeit des heute Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog, darunter besonders die Dialoge. Es war sicher ein manchmal

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Auswertung

auch mit Steinen gepflasterter Weg, aber Wissen, Verständnis und Vertrauen sind trotzdem enorm gewachsen. Das ist ein wichtiger Schritt und sollte eine Fortsetzung des Wegs allemal wert sein. Die Herausforderungen in der Anthropologie stellen sich ja jeden Tag neu und ganz praktisch und bringen Denkprozesse in Gang, die es vorher so nicht gab. Das wird deutlich am langen Anlauf der katholischen Kirche hin zum Dialog, man denke nur an die Frage der Religionsfreiheit, und andere Fragen warten noch. Gerade wenn es um die momentan neu gestellten Fragen von Gerechtigkeit und Bekämpfung von Armut geht, kann ein Dialog zwischen Christen und Muslimen noch sehr interessant, befruchtend und hoffentlich auch folgenreich sein.

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Register Atheismus  68, ­­90–91, 168, 307, 461, 528, 5­­ 40–541, 576, 629 Aufklärung  200, 253, 383, ­458–459, 465, 485, 492, 503, 528, 613, 618, 621, 626 Bekehrung  33, 114, 130, 213, 219, 222, 2­­ 35–236, 357, 361 Christen (regionale Gruppierungen/ Konfessionen) ­37–38, ­41–42, ­62–63, 65, 72, 97, 102, 153, 190, 192, 194, ­­202–203, 206, 233, 238, 249, 298, ­301–302, ­­330–331, 342, 346, 349, 374, 444, 514, 519, 545, 550, 552, 582, 584, 624, 630, 634 Christus –– Christologie  20, 80, 500, 505, 565, 621 Dialog –– Christen und Muslime  19, ­21–23, 26, 37, ­41–42, 44, 47, 51, 53, ­59–61, 64, 67, 74, 82, 89, 95, ­107–109, 112, 114, 116, ­­119–120, 131, ­142–143, 145, 158, 168, 171, ­217–218, 221, ­224–225, 227, 231, 234, ­247–249, 276, ­278–279, 284, 295, 301, ­305–307, 310, 315, 323, 331, 333, 339, 344, ­346–348, ­364–366, 452, ­­455–456, 464, 510, 524, 530, 532, 540, ­547–548, ­550–553, ­555–556, ­576–577, 579, ­559–561, 564, 567, 576, ­588–589, ­596–597, 622, 633 –– Christen und Nichtchristen ­21–22, 25, 27, 41, 46, 51, 56, 106, ­114–118, 232, 365, ­547–548, 560, 568, 631 –– interreligiös (allgemein)  19, ­43–44, 66, 82, 93, 98, ­107–108, 136, 158, 191, 204, 224, 297, 305, 346, 357, 552, 567, 626 Ehe/Mischehe  90, 242, 245, 389, ­396–397, 399, 401, 415, 417, 421, 432, 436, 517, 535, 603, 606, 627 Evangelium  31, 35, ­118–120, 144, 221, 270, 308, 317, 322, ­507–508, 592 Familie  42, 66, 69, 71, 75, 81, 86, ­­89–90, 93, 99, 109, 165, 193, 213, ­213–215,

217, 226, 234, 245, 269, 278, 282, 284, 287, 320, 335, 356, 368, ­371–372, ­­380–381, 386, 389, 395, 397, 399, 401, 403, 430, 436, ­438–439, 448, 475, 487, 490, 494, 518, 520, 529, ­534–535, 537, 548, ­­551–552, ­554–555, 560, 585, 593, ­­599–600, ­­604–605, 610, 612, 624, 627, 631, ­633–634 Feindseligkeiten (Christen und Muslime)  26, 55, 65, 83, 104, 158, 165, 202, 222, 324, 408, 537, 599, 628 Frau, Stellung der  41, 88, 109, 140, 159, ­184–185, ­196–197, 226, 272, 339, ­399–400, 414, ­417–427, ­429–439, 474, 517, 534, 566, 568, 571, 580, 583, 603, ­607–610, 627 Frieden  26, 31, 34, ­36–37, 41, ­43–44, 46, ­49–50, 54, ­59–60, 62, 64, ­66–67, ­69–70, 75, 79, 82, ­84–85, 87, ­91–92, ­95–96, 98, 102, 108, ­116–118, 124, ­130–131, 142, 165, 173, 179, 181, 190, 198, 220, 223, 225, 236, 240, ­245–246, 255, 257, 259, 269, 279, 283, ­286–288, 293, 301, 304, 307, 337, 339, 342, 345, 347, 354, 385, 410, 414, ­416–418, 435, 442, 452, 475, 478, 490, 497, 528, ­536–546, 548, 560, 562, 564, ­566–567, 575, ­588–589, 596, 605, 607, 613, 618, ­628–630 Gebet (interreligiös)  36, 43, 55, 57, 84, 103, ­142–143, 281, 544, 571, 630 Gemeinschaft ­28–29, 31, 34, 36, 53, 68, ­70–71, 102, ­122–124 ­126–127, 129, ­132–134, 137, ­146–147, 153, 158, 161, ­163–164, 166, 170, 172, 181, 187, 198, 214, 218, 220, ­223–225, ­227–229, 231, 233, ­237–240, 245, 247, 255, 262, 266, 271, 282, ­292–294, 317, 319, 321, 335, 338, 340, 342, 349, 355, 357, ­361–362, 368, 375, 379, 381, ­388–390, ­395–397, ­401–403, 407, 426, ­447–448, 450, ­457–460, 470, 472, ­476–477, 493, ­507–508, 522, 546, 555, 557, 559, 562, 569, 577, 585, 591, 593, 595, 597, ­612–614, 622, 625, 630

668

Register

Gesellschaft  20, 28, 40, 55, 57, 64, 67, 69, ­73–75, 83, 88, 91, ­93–94, ­97–98, 102, 117, 125, 131, ­133–134, 140, 143, 147, ­149–150, 153, 156, 161, 165, 167, 171, ­178–181, ­186–187, 193, 198, 208, ­211–212, 222, ­225–227, 229, 238, ­241–245, 249, 255, 269, 282, 290, 293, 295, 302, 317, 333, 337, 339, 342, 348, 358, ­360–361, ­365–366, 368, 371, 375, 379, 381, ­388–390, ­395–397, ­401–403, ­405–407, ­411–412, ­415–420, ­422–423, ­426–428, ­430–431, ­435–436, ­439–440, 450, ­453–456, 460, 473, ­476–478, ­489–490, 495, ­507–508, 512, 519, ­521–524, ­527–529, ­533–538, 546, ­552–555, 557, 563, ­565–567, ­571–572, 574, ­576–577, 579, 581, 583, 585, 587, 590, ­593–595, 597, 600, ­602–604, ­606–609, 613, ­617–618, 620, 622, 625, ­627–630, ­633–634 Gewalt –– und Christentum  75, 79, 135, ­177–178, 192, 202, 269, 416, 475, 533, ­564–565, 571, 627 –– und Islam ­121–133, ­146–147, 155, 170, 182, 187, 192, 198, 206, 240, 294, 405, 517, 556, ­569–570, 572, 581, 627, 634 Glaube  53, 55, 67, 69, 79, 96, 98, 102, 108, 140, 146, 155, ­185–186, 200, ­211–213, 227, 229, 233, 236, 239, 241, ­255–258, 260, 263, 266, ­271–272, 278, 280, 308, 319, 321, 337, 377, ­382–383, 385, ­389–390, 403, 434, 443, 454, 476, ­481–483, 506, 509, 512, 516, 526, ­528–529, 540, 544, 548, 562, ­565–566, 591, 594, 601, ­616–617, 623, 626, 628 Gott –– Barmherzigkeit  55, 319, 354, 355, 591 –– Bund  39, 237, 352, 598 –– Gesetz  29, 53, 67, 167, 177, 185, 228, 238, 254, 263, 266, 271, 281, 286, 321, 385, 434, 438, 473, 487, 490, 564, 580, 591, 615 –– Gericht  53, ­126–127, 187, 216, 228, ­271–272, 336, 469, 581, 593 –– Herrschaft  123, 146, ­186–187, 470, 580, 615 –– Offenbarung  33, 39, 106, 115, 134, 140, ­187–188, 247, 261, 290, 378, 396, 454, 504, 518, ­523–524, 526, 560, 568, 591, 593, 625 –– Schöpfer  26, 51, 69, 75, 78, 81, 83, 85, 88, ­95–96, 102, 108, 115, 165, 237, 247, 252,

2­ 61–263, 268, 271, ­280–284, ­290–292, 295, ­319–320, 334, 339, 351, 360, 371, 377, 380, 382, 384, 386, 396, 407, 414, 425, 434, 453, 468, ­475–476, 480, 493, 500, 548, 552, 563, 587, 591, 598, ­600–601, 603, 605, 612, 614, 619, 633 –– Verehrung  34, 179 –– Wille  41, 88, 162, 188, 271, 282, 290, 468, 475, 593, 614, Heiliger Geist  33, 36, 142, 267, 352, 357, 362, 398, 426, 499, 502, 510, 560, Heilige Orte  19, 36, 41, 43, 47, 52, 57, ­61–62, ­64–65, 74, 76, ­84–86, 95, 104, 114, 122, 136, 142, 161, 163, 202, 267, 277, 281, 291, ­299–300, 313, 315, 333, 344, 346, 350, ­363–364, 366, 417, 450, 468, 495, ­525–526, ­530–532, 534, 536, ­539–540, ­544–548, 557, ­560–561, 571, 588, 607, 627, ­629–631 Ideologie ­146–147, 164, 226, 239, 280, 301, 317, 349, 385, 526, 530, 572, Immigration/Immigranten  31, 39, 74, 136, 149, 152, ­157–158, 199, 340, 348, 597, 626 Islamisches Recht  67, 73, 79, 108, 120, 128, 132, 134, 140, ­144–146, 151, 153, 155, 157, ­160–163, 182, ­188–189, 193, 205, 210, 238, 272, 290, 307, 310, 317, 322, 343, ­354–355, 360, 375, 377, 384, 386, ­397–405, 431, 433, 435, 444, 450, 470, 472, 481, 483, ­486–487, 499, 505, 508, ­517–518, 523, 556, ­573–576, 581, ­589–591, 595, ­603–604, 609, 615, 624, ­634–635 Israel  38, 120, 167, 198, 202, 223, 324, 330, 442, 505, ­514–515 Jerusalem  37, 41, 43, 47, 64, 76, 90, 309, 323, 328, 331, 370, 543, 592, 599, Judentum/Juden  22, 28, 41, 44, 47, 54, 59, 62, 84, 86, 89, 123, 127, 129, 131, ­133–134, 178, ­197–198, 206, 224, ­259–260, 264, 270, 294, 303, 319, ­328–329, 342, 357, 376, 462, 517, 520, 557, 592 Kinder/Jugendliche  39, ­51–55, 57, 66, ­71–72, 74, ­93–94, 109, 124, 129, 142, ­150–151, 154, ­156–157, 170, 173, 175,

Register 204, ­213–214, 245, ­271–272, 279, 281, 284, 289, 349, 377, ­379–383, 387, ­393–396, ­398–418, ­420–421, ­427–431, ­434–435, 467, 473, 494, 497, 504, 507, ­517–518, ­520–522, ­524–526, ­534–535, ­538–540, 548, 550, 554, ­561–562, 566, 577, 597, ­601–607, 609, ­626–628, 633 Katechismus ­38–40, 560 Kultur  31, ­34–35, 47, 65, ­77–78, 116, 119, 140, 149, 154, 157, 163, 167, 174, 176, ­182–183, 191, 196, ­198–201, 213, 222, ­226–227, 229, 233, 243, ­245–246, ­254–255, 285, 309,321, 337, 348, ­368–370, 374, 387, 391, 438, 444, 448, ­454–455, 460, 466, 493, 495, 529, ­553–554, ­565–566, ­575–576, ­578–579, ­591–592, 594, 597, 633 Lehrübereinstimmungen ­19–20, 71, ­89–90, 107, 227, ­230–231, 238, 270, 283, 300, 349, 494, 588, 597, ­635–636 Liberalismus 252 Macht ­29–30, 92, 102, 135, 147, ­160–161, ­167–168, 183, 186, 193, 200, 202, ­239–241, 268, 278, 282, 284, 286, ­290–292, 303, 359, 396, 428, 436, 457, 461, 463, 490, 503, 508, 529, 551, 574, 603, 621, 623 Materialismus  50, ­67–68, 277, 280, 286, 295, 308, ­320–321, 323, 333, 343, 471, 509, 528, 540, 552, 587, 589, 593, 629, 633 Medien  58, 65, 150, 155, 170, 191, 198, 209, 214, 277, ­343–344, 347, 367, 389, 428, 435, 494, 527, ­535–536, 538, 548, ­550–551, 583, 595, 608, 619, 632 Mensch –– Bestimmung  28, 106, 247, 286, 389, 407, 424, 479, 499, 605, 607, 616, 619 –– Gewissen ­29–30, 39, 53, 55, 81, 85, 90, 176, ­178–179, 181, 210, 220, 230, 246, 263, ­268–269, 318, 332, 334, 339, 453, 502, ­520–521, 523, ­559–560, 562, 578, 584, 595, 625 –– Gottesebenbildlichkeit  30, 36, 46, 118, 184, 243, 251, 264, 279, 286, 295, ­373–375, 385, ­424–425, 437, ­473–475, ­477–478, 499, 502, 504, 506, 520, 523, 552, ­561–562, 564, 579, ­587–588, ­600–601, 609, 616, ­619–621, 624, 633, 635

669

Natur ­29–31, 44, 54, 66, 71, 80, ­87–88, 103, 119, 146, 172, 179, 181, 216, 226, 237, 251, 256, 259, 262, 264, 283, 288, 294, 300, 321, 334, ­352–353, 364, ­377–378, ­381–382, 389, 399, ­420–421, 426, ­432–433, ­436–437, 445, 469, 471, 479, 484, 499, 523, 559, 563, 572, 586, 592, 598, 601, 603, 609, 611, 615, 622 –– (Menschen-)Rechte, Erklärung der  27, 35, 40, ­43–44, 58, ­70–71, ­73–74, 76, ­78–80, ­85–87, 93, ­95–96, ­100–103, 106, ­108–109, 130, ­140–141, 147, 165, 168, 171, ­175–176, ­178–181, ­189–191, 199, 203, ­206–210, 231, ­233–234, 236, 241, ­243–244, 246, 283, 300, 304, 310, 313, 339, 349, 364, 368, 383, 410, 429, 465, 479, 490, 497, ­501–503, 506, ­509–510, 514, 517, 519, 521, 524, 526, 529, 534, 537, 539, 542, 550, 555, 562, ­564–569, ­571–572, 575, ­577–579, 584, 588, 605, 616, ­620–622, ­624–629, 634 –– Verantwortlichkeit  29, 177, 221, 223, 237, 239, 266, 270, ­291–292, 320, 391, 523, 591 –– Vernunft ­29–30, 39, 49, 82, ­140–141, 181, ­184–185, ­187–188, 221, 238, 260, 262, 269, 272, 291, 318, 320, 345, 370, 383, 387, 396, 412, 471, 476, 499, 510, 513, 516, 521, ­523–524, 528529, 560, 571, 580, 591, 602, 606, ­615–616, ­621–622, 626 –– Willensfreiheit  183, 185 –– Würde  29, ­34–36, 41, 50, ­53–54, 62, 64, ­66–67, 69, 71, 75, 78, ­80–81, 83, ­87–91, ­93–94, 96, ­101–102, ­106–107, 109, 172, ­176–181, ­183–185, ­187–188, 208, 222, ­236–237, ­244–245, 280, ­283–284, 288, ­294–295, 319, 327, ­333–334, ­336–337, 339, 345, 349, ­368–369, ­371–374, 377, 384, 391, 393, ­396–398, 400, 418, 422, ­425–426, ­438–440, 460, 474, ­476–479, 485, 490, 494, 497, ­499–504, 508, 510, 512, 517, ­520–524, 528, 533, ­535–537, ­562–568, ­578–580, 587, ­593–594, 596, ­599–604, ­607–610, 616, ­619–622, ­624–628 Menschheit  31, 33, 37, 43, 46, 48, 51, 54, 57, 66, 69, 80, 84, 87, 94, 117, 140, 164, 166, 175, 221, 224, ­227–228, ­232–233, 235, ­238–240, 243, ­245–248, ­256–259,

670

Register

261, 265, 267, ­278–279, 282, 284, 303, 317, 327, ­332–333, ­335–336, 345, 347, 351, 354, 357, 370, ­375–376, 385, 397, 418, 434, ­441–442, 446, 453, 455, 457, ­463–464, 470, 473, 475, 481, 489, 493, 496, 501, ­506–507, 529, ­536–538, ­541–542, 545, 552, 556, ­559–561, 563, 575, 590, 593, ­595–596, 598, 607, 610, ­612–613, 618, 620, 622, ­628–630, 634 Mission ­31–34, 48, 90, 105, 112, 116, 119, ­126–128, 131, 136, 157, 163, 243, 320, 333, 337, ­344–346, 476, 566, 594, 596 Moderne  31, 40, 138, 140, 144, 151, ­154–155, 161, 163, 178, 183, 222, 233, 257, 299, 310, ­338–339, 364, 381, 393, 408, 412, 433, 504, 522, ­527–530, 553, 555, 570, 588, 594, 626, 634 Mönchsorden/Mönchtum  21, 41, 43, 61, 65, ­135–136, 294, 307, 356, 402, 480, 508, 533, 560, 570 Moral/Ethik –– Gerechtigkeit  26, ­41–43, 46, 50, 58, ­67–68, 70, ­72–73, 75, ­81–82, 89, 96, 101, 108, 116, 118, 128, ­133–134, 136, 153, 165, 188, 191, ­193–194, 213, 222, ­224–225, 229, 233, 236, 240, 244, 246, 254, ­259–260, 280, ­283–284, ­286–289, 292, 301, 304, 307, 317, ­319–322, ­336–337, 339, 342, 347, 357, 370, 376, 390, 393, 403, ­417–418, 443, 453, ­455–456, 460, 473, 476, 478, 481, 483, ­488–491, 495, ­507–508, 525, 529, 533, 536, ­538–543, 545.546, 548, 560, 564, 567, 575, ­588–589, ­591–592, ­594–596, 607, ­613–614, 616, 623, ­626–630, 636 –– Ökologie  390, ­480–481, 617 –– Solidarität 321 –– Werte  26, 31, 36, ­42–45, 48, 51, 55, 58, ­66–70, ­72–75, ­82–83, 87, 90, 92, 94, 102, 106, 115, ­119–120, 130, 135, 140, 144, 146, 149, 151, 161, 165, 169, 187, ­198–199, ­211–215, 220, ­222–223, ­225–226, ­233–234, ­236–237, 239, 241, ­244–246, 249, ­279–283, 287, 292, 304, 317, 319, 321, 343, ­347–348, 368, 372, 387, ­390–391, 394, 412, 417, 428, 431, 434, 441, 449, 452, ­455–456, 463, ­467–468, 476, 481, 485, 493, 504, 509, 518, 524, 531, ­535–537, ­539–541, 454, ­552–554, ­560–562, 564, 572, ­575–577, 581, 585, 591, 595, 600, 602, ­606–608,

6­ 13–614, 616, 618, ­621–622, 625, ­627–629, 633 Nächstenliebe/Werke der Nächstenliebe  33, 36, 68, 239, ­254–255, 269, 279, 287, 317, 337, 381, 385, 410, 476, 605, 616 Papst  30, 32, ­34–37, ­41–43, ­49–50, ­52–54, ­57–59, ­61–62, 64, 70, 72, 86, ­90–91, 95, 103, 105, 112, ­114–115, ­120–121, 160, 169, 173, 175, 178, 275, 277, ­280–281, 298, 313, 337, ­339–340, 350, 363, 380, 438, 459, 467, 493, 508, ­543–545, 557, ­559–560, ­563–564, 568, ­629–630 Päpstlicher Rat für den interreligiösen ­ Dialog  21, 52, 62, 85,88, ­90–91, 113, 116, 273, 294, 306, 309, 548, 555, 586 Pluralismus  137, 148, 151, 173, 193, ­199–200, 212, 240, 296, 323, 339, 347, ­368–370, 376, 491, 517, 528, 530, 595, 599, 624, 626 Religion –– Religionsfreiheit  27, ­29–30, ­34–35, 39, 41, ­43–44, 49, ­53–54, 59, ­61–63, ­66–70, ­72–73, ­76–77, ­79–82, ­90–91, 93, ­95–103, 112, 120, 141, 145, ­151–152, 155, ­158–160. ­171–182, ­187–191, 193, ­199–205, ­207–211, 213, 216, 236, 243, 304, 312, 323, 327, 333, ­336–337, ­342–343, ­345–346, 376, 409, 452, 503, 508, 517, ­519–520, 525, 531, 543, ­551–552, 555, 557, ­559–560, ­562–567, 571, 573, ­577–579, ­581–586, ­592–596, 624, 627, 629, ­632–634, 636 –– Religionskritik 252 Säkularismus  40, 102, 145, ­147–148, ­163–164, 166, 192, ­290–291, 295, 308, 367, 392, ­444–446, 452, 465, 556, 572, ­575–576, 587, 589, 602, ­611–613, 634 Spiritualität  42, 143, 145, 214, 216, ­227–229, 232, 246, 263, 308, 458, 460, 495,520, 532, 553, 557, 560, 563, 565, 571 Staat  30, 44, 68, 98, ­101–102, ­145–149, 151, ­154–155, ­158–160, ­162–168, 180, 187, ­189–190, 193, 1­ 95–197, 203, 205, 207, 209, 240, 242, 259, 288, 290, 293, 295, 309, ­318–319, ­339–340, 371, 375, ­404–405, 411, ­414–415, 417, 427, 444, 448, 451, 460, 462, 466, ­486–487, 492, 522, 529,

Register 5­ 50–551, 567, ­572–575, ­581–582, 587, ­594–595, 606, 614, ­617–618, 626, 632 Sünde  28, 30, 36, 138, 238, 251, 255, 258, ­266–268, 283, 288, 320, 361, ­380–381, 424, 435, 516, 546 Toleranz ­54–55, 69, 71, 82, 92, 94, ­122–123, ­126–127, ­129–130, 134, 166, 173, ­190–191, 202, 204, 212, 224, 324, ­333–334, ­336–338, 340, ­342–343, 367, 376, 414, ­416–417, 443, 456, 552, 562, 569, 582, 585, ­593–595, 599, 633 Theokratie  43, 134, 162, 191, 322, 575, 592 Überlegenheit, religiöse  127, 147, 260, 322, 592

671

Unterwerfung  53, 75, 123, 130, 146, 185, 211, ­236–237, 239, 243, 248, ­254–255, 270, 281, 321, 335, 348, 353, ­358–359, 523, 572, 585, 593 Völkerrecht  37, 64, 171, 174, ­409–410, 413, 519, 567 Wahrheit  29, 34, 48, 66, ­77–78, 80, 87, 95, 101, ­115–116, ­121–122, 124, 135, 137, 165, 170, ­176–177, ­180–181, ­187–188, 200, 213, 215, 220, ­235–236, ­259–260, 264, 284, 287, ­291–294, 320, 347, 367, ­370–371, ­373–374, ­378–379, 405, 473, 479, 548, 561, 563, 565, 570, 579, 6­ 00–601, 615, 631, 633