Die Anleihe in der Insolvenz: Die Abwicklung von Insolvenzverfahren im Spannungsverhältnis zwischen Schuldverschreibungsgesetz und Insolvenzordnung [1 ed.] 9783428556830, 9783428156832

»The Bond in Insolvency – The Handling of Insolvency Proceedings in the Relationship of Tension between the German Act o

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German Pages 242 [243] Year 2019

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Die Anleihe in der Insolvenz: Die Abwicklung von Insolvenzverfahren im Spannungsverhältnis zwischen Schuldverschreibungsgesetz und Insolvenzordnung [1 ed.]
 9783428556830, 9783428156832

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 309

Die Anleihe in der Insolvenz Die Abwicklung von Insolvenzverfahren im Spannungsverhältnis zwischen Schuldverschreibungsgesetz und Insolvenzordnung

Von

Josepha Rüberg

Duncker & Humblot · Berlin

JOSEPHA RÜBERG

Die Anleihe in der Insolvenz

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 309

Die Anleihe in der Insolvenz Die Abwicklung von Insolvenzverfahren im Spannungsverhältnis zwischen Schuldverschreibungsgesetz und Insolvenzordnung

Von

Josepha Rüberg

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-15683-2 (Print) ISBN 978-3-428-55683-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-85683-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im August 2018 von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten in dieser aktualisierten Fassung bis Dezember 2018 berücksichtigt werden. Großer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Stephan Madaus, für die hervorragende Betreuung bei der Erstellung dieser Arbeit, die unkomplizierte und konstruktive Zusammenarbeit und nicht zuletzt für sein umfangreiches Erstgutachten. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Lucas Flöther für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. In besonderer Weise möchte ich mich bei Herrn Dr. Raik Kilper für seine Anregungen, Ratschläge und Kritik bedanken, ohne die diese Arbeit in der Form nicht entstanden wäre. Von Herzen danken möchte ich meinem Freund Martin Biebl für seine endlose Geduld und Nachsicht mit mir, seine unermüdliche moralische Unterstützung und für seine Gabe, mich jeden Tag zum Lachen zu bringen. Mein größter Dank gilt meinen Eltern für ihre bedingungslose Unterstützung nicht nur bei der Erstellung dieser Arbeit, sondern – viel wichtiger – während meines gesamten Lebenswegs. Alles Erreichte ist Ergebnis ihrer unendlichen Mühen und Fürsorge. Ihnen ist diese Arbeit in Liebe und Dankbarkeit gewidmet. München, im April 2019

Josepha Rüberg

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 A. Einführung in die Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Die Entwicklung der Mittelstandsanleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Der Mittelstandsanleihemarkt in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Die Anleihe in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Kapitel 1 Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

24

A. Die Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Begriff der Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Definition und Erscheinungsformen der Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Verbriefung der Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Begründung der Gläubigerrechte einer Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Definition und Ablauf einer Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Wesentliche Rechtsbeziehungen bei einer Anleiheemission . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Entstehungsgeschichte und Ziele des SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Anwendungsbereich des SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Zwingender Charakter des § 19 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Opt-in-Beschluss gem. § 24 Abs. 2 SchVG nach Insolvenzeröffnung . . . . . . 35 II. Das Gläubigerorganisationsrecht außerhalb des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . 37 1. Mehrheitsbeschlüsse der Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 III. § 19 SchVG als zentrale Regelung im Insolvenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Regelungszweck und -inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

6

Inhaltsverzeichnis

C. Der Anleihegläubiger in der Insolvenz – die unterschiedlichen Leitbilder des SchVG und der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Der anonyme Anleihegläubiger als Leitbild des SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Handel mit Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Leitbild des Schuldverschreibungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Der bekannte Insolvenzgläubiger als Leitbild der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . 47 1. Bestmögliche Gläubigerbefriedigung/Gläubigerselbstverwaltung . . . . . . . . . . . 47 2. Leitbild des Insolvenzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Kapitel 2 Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

51

A. Insolvenzeröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Schuldnerantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Gläubigerverzeichnis nach § 13 Abs.1 Satz 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Umsetzbarkeit bei Beteiligung nicht vertretener Anleihegläubiger . . . . . . . . . . 53 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Umsetzbarkeit bei Beteiligung vertretener Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Vorläufiger Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Aufgaben und Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Beteiligung von nicht vertretenen Anleihegläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Beteiligung der Anleihegläubiger durch einen gemeinsamen Vertreter . . . . . . . 61 a) Zulässigkeit der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Mitgliedschaft einer schuldnernahen Person als Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Vorläufige Eigenverwaltung/Schutzschirmverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Eröffnetes Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Der Eröffnungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Zustellung des Eröffnungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Inhaltsverzeichnis

7

2. Zustellung an nicht vertretene Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Erfüllung der Ermittlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Weiterleitung des Eröffnungsbeschlusses entlang der Verwahrkette . . . . 69 3. Zustellung an den gemeinsamen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Forderungsanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Anmeldung ohne gemeinsamen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Individuelle Geltendmachung der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Zum Nachweis der Inhaberschaft vorzulegende Unterlagen . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Problem der anonymen Übertragbarkeit der Anleihe über die Börse . . . . . . 77 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Anmeldung mit gemeinsamem Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Sonderproblem: keine zeitliche Abstimmung zwischen InsO und SchVG . . . . 81 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Feststellung zur Tabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Feststellung ohne gemeinsamen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Problem der anonymen Übertragbarkeit der Anleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Unmöglichkeit der Änderung der Insolvenztabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 cc) Gefahr der Doppelfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 dd) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Vorläufiges Bestreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Bedingte Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (3) „Wertpapierrechtliche Verfahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

8

Inhaltsverzeichnis (4) Einschränkung der Handelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Problem der rechtlichen Zulässigkeit des vorläufigen Bestreitens 89 (2) Problem der rechtlichen Zulässigkeit der bedingten Feststellung . . . 90 (3) Unvereinbarkeit des „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ mit Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (4) Einschränkung der Handelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Feststellung mit gemeinsamem Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Problem der Feststellung nachrangiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Sonderproblem: Beendigung des Mandats des gemeinsamen Vertreters nach Feststellung der Anleiheforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 IV. Insolvenzgläubigerversammlung als Entscheidungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Aufgaben und Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlung ohne gemeinsamen Vertreter 98 3. Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlung mit gemeinsamem Vertreter . . 99 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Sonderproblem: Mehrheitsbeschlüsse der Anleihegläubiger außerhalb der Insolvenzgläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Herrschende Literaturansicht: Keine Mehrheitsbeschlüsse gem. § 5 Abs. 3 SchVG nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Gegenansicht: Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen gem. § 5 Abs. 3 SchVG nach Insolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 V. Ausschüttung der Quote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Ausschüttung ohne gemeinsamen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Problem des rechtmäßigen Empfängers der Quote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Problem der Doppelausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Abwicklung der Ausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Sonderproblem: Aufhebung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis

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bb) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Ausschüttung mit gemeinsamem Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 C. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Zulässige Planregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Gruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Ausgangslage und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 IV. Teilnahme am Debt-Equity-Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses der Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG in der Insolvenz . . . . . . . . . 125 a) Ausgangslage und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Kapitel 3 Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

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A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Eignung für das Amt des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Schuldnernahe Personen gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 SchVG . . . . . . . . . . . 129 a) Ausgangslage und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Der gemeinsame Vertreter als Berater anderer Beteiligter . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

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Inhaltsverzeichnis II. Ablauf der ersten Anleihegläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Im eröffneten Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (1) Bei vor Insolvenzeröffnung gefasstem, nicht vollziehbarem Bestellungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Bei nach altem Recht bestelltem gemeinsamen Vertreter . . . . . . . . . 137 (3) Bei fehlendem Opt-in in den Anleihebedingungen . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Im Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Entfallen der Einberufungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Nachrangige Schuldverschreibungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO 141 (2) Vielzahl von Anleiheserien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Modalitäten der Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Frist und Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (1) Beschlussfassung über Vertreterbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (2) Weitere Beschlussgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Sonderproblem: „Einberufung“ einer Abstimmung ohne Versammlung 148 2. Durchführung der Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Entsprechende Anwendung der §§ 76, 77 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Auskunfts- und Fragerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Keine entsprechende Anwendbarkeit des § 79 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Beschlussfähigkeit und -mehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 bb) Beschlussmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Stimmberechtigung und -gewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Stimmberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Stimmgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Sofortige Vollziehbarkeit – Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 bb) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Inhaltsverzeichnis

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B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Rechtsmacht des § 19 Abs.3 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Rechtsnatur und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Sonderproblem: Bindungswirkung des Bestellungsbeschlusses bei vorheriger Kündigung der Schuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Aufgaben des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Forderungsanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Problem der Reichweite der Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters 165 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Umfassende Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Zustimmung zu Sanierungsbeiträgen im Insolvenzplan . . . . . . . . . . 166 (3) Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen . . . . . . . 167 c) Sonderproblem: Zustimmung zum Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan . . . 167 3. Informationsrechte des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 II. Im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Rechtsverhältnis zwischen Anleihegläubigern und gemeinsamem Vertreter . . . 169 2. Pflichten des gemeinsamen Vertreters im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Interessenwahrnehmungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Weisungsrecht der Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Pflicht zur Einholung eines Weisungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Zulässige Beschlussgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) Weisungsabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Kein Weisungsabweichungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Antrag auf Aufhebung des Weisungsbeschlusses gem. § 78 Abs. 1 InsO analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 cc) Haftung gem. § 7 Abs. 3 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4. Willensbildung in weiteren Anleihegläubigerversammlungen . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Zulässigkeit weiterer Anleihegläubigerversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Gesetzeshistorische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (2) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (3) Entscheidung des OLG Stuttgart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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Inhaltsverzeichnis (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Einberufung und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. InsO analog . . . . . . . . . . . . . . . 181 bb) Antragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Ablehnung der Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 d) Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Widersprüchlichkeit der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (3) Praktische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 e) Sonderproblem: Beschlussfassung über die Zustimmung zu einem im Insolvenzplan vorgesehenen Debt-Equity-Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Ausgangslage und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Abstimmung in der Insolvenzgläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Ausübung des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Kopfmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Ausgangslage und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Keine Anwendung der bei Individualermächtigung geltenden Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (1) Sinn und Zweck der Kopfmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (2) Kopfstimmenzahl bei kollektiver Geltendmachung von Rechten . . . 194 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Vergütung des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Gesetzliche Ausgangslage: § 7 Abs. 6 SchVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Insolvenzrechtliche Einordnung des Vergütungs- und Erstattungsanspruchs . . . 198 a) Streitstand – Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Inhaltsverzeichnis

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bb) Rechtliche Würdigung der Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Keine Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Keine Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (3) Keine Vergleichbarkeit mit anderen als Masseverbindlichkeit eingeordneten Kostenerstattungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (4) Keine Vergleichbarkeit mit der Pflicht aus § 24 WpHG . . . . . . . . . . 204 (5) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Kritik am Begründungsansatz des BGH – Anwendbarkeit des § 7 Abs. 6 SchVG im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Ausgangslage und Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Wertung des § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG 207 cc) Anleihegläubiger als Kostenschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 c) Praktische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Erfüllung des Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruchs . . . . . . . . . . 208 bb) Beschlussfassung über die Höhe der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 cc) Sonderproblem: Keine Insolvenzquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Sonderproblem: Voraussetzungen einer zulässigen Vergütungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. Kosten der Anleihegläubigerversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Kosten der ersten Anleihegläubigerversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Kosten weiterer Anleihegläubigerversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Zusammenfassung der Ergebnisse und Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 B. Lösungsvorschläge de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Die Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . 220 1. Interessenvertretung im vorläufigen Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Forderungsanmeldungs-, Feststellungs- und Verteilungsverfahren . . . . . . . . . . 220 3. Zulässige Beschlussgegenstände der Anleihegläubigerversammlung . . . . . . . . 221

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Inhaltsverzeichnis II. Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Reichweite des Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

C. Änderungsvorschläge für eine mögliche Neufassung des § 19 SchVG . . . . . . . . . . . . 223 I. Aufzunehmende Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Einleitung Die Anleihe ist wie der Bankkredit ein klassisches Mittel der Fremdfinanzierung.1 Wirtschaftlich betrachtet nimmt der Anleiheemittent als „Kreditnehmer“ auf dem Kapitalmarkt eine Vielzahl von Darlehen auf mit der Besonderheit, dass Rückzahlungs- und Zinsanspruch der Anleger als „Kreditgeber“ durch ein Wertpapier verbrieft werden.2 Dabei gilt: je höher das Ausfallrisiko, umso höher die Verzinsung. Kapitalmarktfähige Großunternehmen haben sich als Alternative zur klassischen Kreditfinanzierung bereits seit Beginn der neunziger Jahre vermehrt über die Anleihemärkte Fremdkapital beschafft.3 Es sorgten aber zunächst nicht Unternehmensanleihen, sondern insbesondere Staatsanleihen für Aufsehen an den Kapitalmärkten. Argentinische Staatsanleihen waren Anfang der 2000er Jahre – nachdem Argentinien seine Zahlungsunfähigkeit erklärte – Auslöser umfangreicher rechtspolitischer Diskussionen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.4 Erst mit Öffnung der Kapitalmärkte im Jahr 2010 durch Einführung spezieller Handelssegmente für den Mittelstand rückte die Unternehmensanleihe in die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit. Das relativ junge Finanzierungsinstru1 Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemission, S. 1; nicht nur Unternehmen finanzieren sich über die Emission von Anleihen, sondern auch Staaten und ihre Körperschaften sowie völkerrechtliche Organisationen wie etwa die Weltbank oder die Europäische Investitionsbank, Ekkenga/Schröer/Hartwig-Jacob, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 9 Rn. 1. 2 FK/Lawall, Anh. zu § 1 Rn. 6; Habersack/Mülbert/Schlitt/Rühlmann, Unternehmensfinanzierung, § 14 Rn. 1; Hartwig-Jacob, Internationale Anleiheemission, S. 1. 3 Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 429; dem vorausgegangen war die Abschaffung der Emissionsgenehmigung und des langwierigen Genehmigungsverfahrens durch das 1. Finanzförderungsgesetz. 4 Die Schuldenkrise Argentiniens war Anstoß für die internationalen Bestrebungen Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) in die jeweiligen Bedingungen von Staatsanleihen aufzunehmen, um eine Umschuldung der Anleihe im Wege der Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss zu ermöglichen, vgl. Bericht der Arbeitsgruppe der Group of Ten (G-10) sowie die Erklärung der Finanzminister der Mitgliedstaaten der EU vom September 2002; diese waren wiederum für den deutschen Gesetzgeber der entscheidende Anstoß, das Schuldverschreibungsrecht zu novellieren, siehe ausführlich hierzu Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 Einleitung Rn. 14 ff.; außerdem fachte die Staatspleite Argentiniens die Diskussion über die Einführung eines Staateninsolvenzrechts an, nachdem sog. Geierfonds Staatsanleihen zu einem gegenüber dem Nominalwert erheblich reduzierten Kaufpreis im großen Stil aufkauften, um deren vollständige Erfüllung wider aller Sanierungsbemühungen des jeweiligen Staates einzufordern bzw. einzuklagen, siehe ausführlich hierzu Paulus, ZInsO 2014, 2315 ff.; ders., ZRP 2016, S. 146 ff.

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Einleitung

ment der Mittelstandsanleihe durchlief innerhalb kürzester Zeit eine dynamische Entwicklung: „Mittelständler drängen auf den Anleihemarkt.“ Die Welt vom 12. November 20105 „Der Anleihemarkt – eine begehrte Geldquelle.“ Handelsblatt vom 28. Dezember 20106 „Der Hype der Firmenanleihen.“ Handelsblatt vom 23. März 20117 „Erste Mittelstandsanleihe vor dem Aus.“ Handelsblatt vom 19. März 20128 „Trotz ersten Pleiten: Mittelstandsanleihen bleiben gefragt.“ Handelsblatt vom 3. April 20129 „Mittelstandsanleihen im Sinkflug.“ Handelsblatt vom 3. Juni 201310 „Etikettenschwindel mit Mittelstand.“ FAZ vom 28. November 201311

5

Die Welt vom 12. 11. 2010, abrufbar unter https://www.welt.de/finanzen/article10885014/ Mittelstaendler-draengen-auf-den-Anleihenmarkt.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 6 Handelsblatt vom 28. 12. 2010, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/mae rkte/anleihen/renditechancen-der-anleihemarkt-eine-begehrte-geldquelle/3749608.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 7 Handelsblatt vom 23. 03. 2011, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/ mittelstand/bond-als-fangeschenk-der-hype-der-firmenanleihen/3931514.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 8 Handelsblatt vom 19. 03. 2012, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/mae rkte/anleihen/siag-pleite-erste-mittelstandsanleihe-vor-dem-aus/6344596.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 9 Handelsblatt vom 03. 04. 2012, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/mae rkte/marktberichte/trotz-erster-pleiten-mittelstandsanleihen-bleiben-gefragt/6470658.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 10 Handelsblatt vom 03. 06. 2013, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/mae rkte/anleihen/mini-bonds-mittelstandsanleihen-sind-im-sinkflug/8295622.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 11 FAZ vom 28. 11. 2011, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zin sen/mittelstandsanleihen/unternehmensanleihen-etikettenschwindel-mit-mittelstand-12684619. html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017.

A. Einführung in die Thematik

17

„Viele Anleger verlieren mit Mittelstandsanleihen.“ Süddeutsche Zeitung vom 2. Mai 201412 „Mittelstand und seine Anleihen: Die große Pleitewelle rollt an.“ Handelsblatt vom 10. Oktober 201413 „Der Markt für Mittelstandsanleihen ist tot.“ FAZ vom 10. Dezember 201414 „Mittelstandsanleihe: Albtraum statt Traumrendite“ Süddeutsche Zeitung vom 21. August 201615 „Mittelstandsanleihen sterben aus.“ FAZ vom 4. Februar 201716

Der Zusammenbruch des Mittelstandsanleihemarkts durch zahlreiche Ausfälle von Emittenten hatte nicht nur wirtschaftliche Folgen. Er brachte erstmals auch die rechtlichen Probleme, die bei der verfahrensrechtlichen Abwicklung insolventer Emittenten entstehen, zu Tage. Diesen widmet sich die folgende Arbeit.

A. Einführung in die Thematik I. Die Entwicklung der Mittelstandsanleihe Obwohl sich der Mittelstand bei Kreditfinanzierungen traditionell an seine Hausbank wandte,17 ging die Bedeutung dieser Finanzierungsform zurück.18 Die 12

Süddeutsche Zeitung vom 02. 05. 2014, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/news/ wirtschaft/verbraucher-viele-anleger-verlieren-mit-mittelstandsanleihen-dpa.urn-newsml-dpacom-20090101-140502-99-02143, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 13 Handelsblatt vom 10. 10. 2014, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/ maerkte/anleihen/mittelstand-und-seine-anleihen-die-grosse-pleitewelle-rollt-heran/10815990. html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 14 FAZ vom 10. 12. 2014, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zin sen/boersen-steigen-aus-handel-mit-mittelstandsanleihen-aus-13314141.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 15 Süddeutsche Zeitung vom 18. 02. 2016, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/wirt schaft/mittelstandsanleihen-albtraum-statt-traumrendite-1.3130451, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 16 FAZ vom 04. 02. 2017, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zin sen/nach-aerger-um-woehrl-sanders-die-mittelstandsanleihen-sterben-aus-14835028.html, zuletzt aufgerufen am 15. 06. 2017. 17 Habersack/Mülbert/Schlitt/Rudolf, Unternehmensfinanzierung, § 1 Rn. 32. 18 Eilers/Rödling/Schmalenbach/Jetter, Unternehmensfinanzierung, Kap. C Rn. 1.

18

Einleitung

Einführung auf die Anforderungen mittelständischer Unternehmen ausgerichteter Marktsegmente an den Regionalbörsen öffnete dem Mittelstand einen erleichterten Zugang zu den Kapitalmärkten.19 Das Volumen der Mittelstandsanleihen entwickelte sich rasant. Innerhalb von nur drei Jahren stieg das Platzierungsvolumen von 0,8 Mrd. EUR im Jahr 2010 auf den Höchststand von rund 2,1 Mrd. EUR im Jahr 2013.20 Bis April 2017 platzierten 113 Unternehmen insgesamt 153 Mittelstandsanleihen mit einem Gesamtvolumen von rund 6,4 Mrd. EUR im Markt,21 der größte Teil dieser Papiere wurde von Privatanlegern gezeichnet.22 Die positive Entwicklung der Finanzierung über den Anleihemarkt wurde zusätzlich durch die Niedrigzinsphase gestützt. Den Unternehmen bot sich eine günstige Gelegenheit zur Refinanzierung bestehender (Bank-)Verbindlichkeiten,23 den Anlegern eine deutlich höhere Verzinsung von mehr als 7 % im Vergleich zu niedrigeren Kapitalmarktrenditen wie z. B. bei Staatsanleihen.24 Die Verbindung von hoher Rendite und bekannten Namen und Marken von Unternehmen als Emittenten ließen die Mittelstandsanleihe zu einer beliebten Anlageform bei Kleinanlegern werden. Das mit der vergleichbar hohen Verzinsung verbundene höhere Ausfallrisiko schienen die meisten der Kleinanleger nicht beachtet zu haben.25 Die große Nachfrage des Mittelstandes nach alternativen Finanzierungsformen ist allen voran auf die Verschärfung der Bankenregulierung nach der Finanzkrise und die vermehrt restriktiven Kreditvergabeentscheidungen der Banken zurückzuführen.26 Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht führte die Finanzkrise, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, unter anderem auf die zu geringe Eigenkapitalausstattung im weltweiten Bankensystem zurück.27 Die mit „Basel III“ reformierten Baseler Kapitalvereinbarungen legten fest, dass die Kreditinstitute bis 2019 das Mindestkapital von 8 % auf 10,5 % aufstocken müssen,28 um 19 Schmitt, BB 2012, 1079, 1079; Kessler/Werthschulte, Unternehmensfinanzierung Mittelstand, § 1 Rn. 35. 20 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 9. 21 Capmarcon Capital Spezial Nr. 25 S. 4, abrufbar unter http://www.capmarcon.de/publika tionen.html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017. 22 Capmarcon Capital Spezial Nr. 25 S. 4, abrufbar unter http://www.capmarcon.de/publika tionen.html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017; die Mittelstandssegmente sind mit einer vorgeschriebenen Höchststückelung von 1000 EUR auf Privatanleger ausgerichtet, Schroeter, ZIP 2016, 703, 706. 23 Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 2. 24 Capmarcon Capital Spezial Nr. 25 S. 5, abrufbar unter http://www.capmarcon.de/publika tionen.html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017; Ahrens/Gehrhlein/Ringstmeier/Kampshoff, Anhang IX Lit. D Rn. 235; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 2; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 6. 25 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 11. 26 Kessler/ders., Unternehmensfinanzierung Mittelstand, § 2 Rn. 3 ff.; Becker/Böttger/ Müller, DStR 2014, 1247, 1250. 27 Schmitt, BB 2011, 105, 106. 28 Becker/Böttger/Müller, DStR 2014, 1247, 1248.

A. Einführung in die Thematik

19

sich im Krisenfall aus eigener Kraft stabilisieren zu können.29 Bankkredite mussten mit mehr Eigenkapital unterlegt werden, wodurch sich die Kreditkonditionen allgemein erhöhten,30 was insbesondere bei Unternehmen mit schlechteren Ratings zu deutlich höheren Kreditkonditionen führte.31

II. Der Mittelstandsanleihemarkt in der Krise Mit der Zunahme der Unternehmensfinanzierung mit Anleihen stieg in den letzten Jahren auch die Zahl der Insolvenzverfahren mit Beteiligung von Anleihegläubigern,32 die Default Rate lag zwischen den Jahren 2010 und 2015 bei 17 %.33 Obwohl mit jeder Finanzierung ein Ausfallrisiko verbunden ist,34 war der Mittelstandsanleihemarkt überdurchschnittlich von Emittentenausfällen betroffen, weil sich häufig Unternehmen mit schlechterer Bonität über den Kapitalmarkt Fremdkapital beschafften, das sie bei Banken möglicherweise nicht mehr bekommen hätten.35 So erhielten mit unzutreffender Bonitätseinstufung und Unterstützung flexibler Finanzierungsberater und Banken36 Unternehmen Zugang zum Anleihemarkt, den sie auf Grund ihrer Bonität niemals hätten erhalten dürfen.37 Die Börsen Düsseldorf und München versuchten über ihre Geschäftsbedingungen zunächst bis 2013 Emittenten mit schlechter Bonität vom Markt fernzuhalten und forderten ein Mindestrating von „BB“ bzw. „BB+“.38 Unrealistische Ratings der Mittelstandsemittenten konnten jedoch das tatsächliche Ausfallrisiko nicht annähernd korrekt widerspiegeln.39 Von bislang 51 leistungsgestörten Mittelstandsanleihen, bei denen Zins und Tilgung in Folge wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder Insolvenz nicht vertragsgemäß erbracht wurden, erhielten 27 Papiere zum Emissionszeitpunkt eine bonitätsstarke Invest29

Becker/Böttger/Ergün/Müller, DStR 2011, 375, 375. Becker/Böttger/Ergün/Müller, DStR 2011, 375, 375. 31 Becker/Böttger/Ergün/Müller, DStR 2011, 375, 378; Buth/Hermanns/Wilden, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 2 Rn. 96. 32 Ampferl, FS Kübler, S. 11; Wegener, NZI 2017, 54, 54. 33 Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 3. 34 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 11. 35 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 11. 36 Ein verschärfter Wettbewerb um Aufträge im Emissionsgeschäft führte dazu, dass Emissionshäuser nicht nur erstklassige Adressen, sondern auch zweit- und drittklassige Schuldner auf den Markt brachten, Hartwig-Jacob, Die Vertragsbeziehungen und die Rechte der Anleger bei internationalen Anleiheemissionen, S. 3. 37 Wirtschaftswoche vom 11. 03. 2014, abrufbar unter http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/ mittelstandsanleihen-wie-mittelstaendler-in-hochriskante-anleihen-getrieben-werden/9583456. html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017. 38 Seit August 2013 fordern sämtliche Geschäftsbedingungen der Börsen für den Freiverkehr kein bestimmtes Mindestrating mehr, Schroeter, ZIP 2016, 703, 704. 39 Capmarcon Capital Spezial Nr. 25 S. 9, abrufbar unter http://www.capmarcon.de/publika tionen.html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017. 30

20

Einleitung

ment-Grade-Einstufung von BBB.40 Zahlreiche Ratings mussten im Nachhinein korrigiert und abgestuft werden.41 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass vielen Emittenten am Ende der Laufzeit die erforderliche Liquidität fehlte, fällige Anleihen zu tilgen bzw. Zinszahlungen vertragsgemäß zu leisten. Gelingt die Anschlussfinanzierung nicht bzw. scheitern Restrukturierungsmaßnahmen nach dem Schuldverschreibungsgesetz (SchVG), die – anders als beim klassischen Bankkredit – unter Kenntnis der Öffentlichkeit geführt werden, ist die Insolvenz oft unvermeidlich.42 Auch in den kommenden Jahren ist mit weiteren Ausfällen bei Mittelstandsanleihen zu rechnen.43 Erst 1,8 Mrd. EUR des platzierten Anleihevolumens von rund 6,4 Mrd. EUR wurden bislang getilgt, 2,5 Mrd. EUR stehen noch aus und 2,1 Mrd. EUR – etwa ein Drittel aller platzierten Papiere – sind leistungsgestört.44

B. Die Anleihe in der Insolvenz I. Ziel der Arbeit Mit der Zunahme der Insolvenzen von Anleiheemittenten werden Insolvenzverwalter immer häufiger mit Anleihegläubigern im Insolvenzverfahren konfrontiert. Soweit die Anleihe dem SchVG unterliegt und deutsches Insolvenzrecht ein40

Zum Vergleich: typische Emittenten diesen Niveaus sind DAX-Unternehmen wie die Deutsche Post oder Continental, vgl. Capmarcon Capital Spezial Nr. 25 S. 9, abrufbar unter http://www.capmarcon.de/publikationen.html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017. 41 Die Mittelstandssegmente verlangen lediglich ein Rating einer nach der EU-RatingVO zugelassenen Rating-Agentur, jedoch kein Rating der am Markt anerkannten Agenturen (Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch); die Ratings deutscher Agenturen sind im Durchschnitt beträchtlich höher als Ratings durch marktanerkannte US-amerikanische Rating-Agenturen, was zu einem erheblichem Verwirrungspotential auf Anlegerseite führte, siehe ausführlich hierzu Schroeter, ZIP 2016, 703, 707 f. 42 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 11; bei der außerinsolvenzlichen Anleiherestrukturierung nach dem SchVG spielt der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle, nachdem diese ein i. d. R. mindestens 12 bis 14 Monate dauernder, unterschiedliche Interessenträger einbeziehender Prozess ist, siehe ausführlich hierzu Seibt, ZIP 2016, 997, 999 ff.; die Gefahr ist groß, dass während der Sanierung Zahlungsunfähigkeit eintritt, siehe hierzu Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 62 ff. 43 Capmarcon Capital Spezial Nr. 25 S. 3, 5 f., abrufbar unter http://www.capmarcon.de/pu blikationen.html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017; auf diese Entwicklung haben auch die Börsen reagiert: die Börse Stuttgart nimmt in ihrem Mittelstandssegment „bondM“ seit 2014 keine Neuemissionen mehr an; die Börsen Düsseldorf und Frankfurt haben ihre bisherigen Mittelstandssegmente „Mittelstandsmarkt“ und „Entry Standard“ geschlossen und durch die neuen Segmente „Primärmarkt“ und „Scale“/„Basic Board“/„Quotation Board“ ersetzt, die mehr Qualität und Transparenz versprechen sollen. 44 Capmarcon Capital Spezial Nr. 25 S. 4, abrufbar unter http://www.capmarcon.de/publika tionen.html, zuletzt aufgerufen am 08. 06. 2017.

B. Die Anleihe in der Insolvenz

21

schlägig ist, finden in der Insolvenz des Emittenten sowohl das SchVG als auch die Insolvenzordnung Anwendung.45 Zentrale Fragestellung der folgenden Untersuchung ist, ob und wenn ja wie, eine Vielzahl von anonymen Anleihegläubigern unter Beachtung der insolvenzverfahrensrechtlichen Vorschriften in das Insolvenzverfahren einbezogen werden können. Im Fokus der Arbeit stehen die Regelungen des § 19 SchVG, der sich als einzige Norm im SchVG mit dem Insolvenzfall befasst. § 19 SchVG verfolgt das Ziel, einen effizienten Ablauf des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten und die Auslegungsschwierigkeiten in der Abgrenzung beider Regelwerke zu reduzieren.46 Es soll herausgearbeitet werden, dass § 19 SchVG auf Grund seiner Unbestimmtheit und geringen Regelungsdichte diesen Zweck verfehlt. Statt eine rechtssichere Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen, wirft § 19 SchVG zahlreiche offene Rechtsfragen auf, die einer rechtssicheren und zügigen Durchführung des Insolvenzverfahrens entgegenstehen. Es wird gezeigt, dass nach jetziger Rechtslage das Schuldverschreibungs- und Insolvenzrecht nicht aufeinander abgestimmt sind, sondern vielfach in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen, das der § 19 SchVG nicht aufzulösen im Stande ist. Die Arbeit versucht Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die eine gesetzeskonforme Einbeziehung der Anleihegläubiger in die Abwicklung des Insolvenzverfahrens ermöglicht. Auf dieser Grundlage werden Ideen entwickelt, wie die Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren de lege ferenda erleichtert werden könnte. Darüber hinaus wird ein konkreter Regelungsvorschlag für einen Reformgesetzgeber formuliert. Der Gesetzgeber des SchVG versuchte eine effektive und zügige Abwicklung eines Insolvenzverfahrens unter Beteiligung einer sehr großen Anzahl von Anleihegläubigern insbesondere durch die Institution des sog. gemeinsamen Vertreters zu gewährleisten.47 Entscheidet sich die Anleihegläubigermehrheit für einen gemeinsamen Vertreter, nimmt dieser im Rahmen eines sog. verdrängenden Mandats alle Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren kollektiv wahr. Mit der Bündelung der Rechte in der Person des gemeinsamen Vertreters soll dem Insolvenzverwalter ein Ansprechpartner an die Seite gestellt werden, der für eine Vielzahl von Anleihegläubigern sprechen und handeln kann. Es soll gezeigt werden, dass der gemeinsame Vertreter in der Abwicklung des Insolvenzverfahrens große Vorteile bietet. Trotz der großen Bedeutung, die der Gesetzgeber diesem beimisst, ist gleichwohl festzustellen, dass im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren zahlreiche ungeklärte Rechtsfragen existieren, die in der Praxis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Diese gilt es aufzuarbeiten und mit Hilfe einer konsequenten Anwendung der in § 19 SchVG geregelten Grundsätze einer stringenten und rechtssicheren Lösung zuzuführen. 45 46 47

Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 4. FK/Friedl, § 19 Rn. 6; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 4. BT-Drs. 16/12814 S. 25.

22

Einleitung

Die Arbeit will den Fokus der in der Literatur geführten Diskussion über eine Reform des SchVG auch auf die für die Insolvenzpraxis so wichtige Vorschrift des § 19 SchVG lenken. Der am Institute for Law and Finance der Goethe-Universität Frankfurt gebildete „Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts“, der sich aus zahlreichen Professoren und Experten auf dem Gebiet des Anleiherechts zusammensetzt, hat bereits einen Reformentwurf zum SchVG erarbeitet.48 Zu zahlreichen Normen enthält der Reformentwurf Verbesserungsvorschläge – leider aber mit Ausnahme des § 19 SchVG.49

II. Gang der Untersuchung Der Hauptteil der Arbeit gliedert sich in drei Kapitel. Im ersten Kapitel werden Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen dargelegt. Neben der Definition des Begriffs der Anleihe und der Emission liefert das erste Kapitel einen allgemeinen Überblick über das SchVG, gefolgt von Ausführungen zu den zentralen Regelungen des § 19 SchVG. Weiterhin beleuchtet das erste Kapitel die unterschiedlichen Leitbilder des Gläubigers im SchVG und in der Insolvenzordnung Das zweite Kapitel befasst sich mit der Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren. Anhand der einzelnen Verfahrensschritte eines (Regel-)Insolvenzverfahrens soll nach kurzer Einführung zur jeweiligen insolvenzverfahrensrechtlichen Vorschrift herausgearbeitet werden, ob diese bei der Beteiligung von Anleihegläubigern umsetzbar sind. Dabei wird unterschieden, ob die Anleihegläubiger einen gemeinsamen Vertreter bestellt haben oder nicht. Ziel des zweiten Kapitels ist herauszuarbeiten, dass die insolvenzverfahrensrechtlichen Vorgaben nicht auf eine Vielzahl von regelmäßig unbekannten Gläubiger ausgerichtet und die Regelungen des § 19 SchVG nicht auf das Insolvenzverfahrensrecht abgestimmt sind. Es werden Lösungsvorschläge erarbeitet, wie eine gesetzeskonforme Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren begründet und ermöglicht werden kann. Dabei wird zu zeigen sein, dass eine effiziente und zügige Abwicklung des Insolvenzverfahrens nur mit Hilfe eines gemeinsamen Vertreters möglich ist. Anschließend werden die Besonderheiten bei der Einbeziehung von Anleihegläubigern in das Insolvenzplanverfahren erörtert. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem gemeinsamen Vertreter. Zunächst geht es um die Beschlussfassung der Anleihegläubiger über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters in der ersten vom Insolvenzgericht von Amts wegen einzuberufenen Anleihegläubigerversammlung. Anschließend wird die Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters im Außen- und im Innenverhältnis sowie in der Insol48

Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845 ff. Im Vordergrund des Reformentwurfs stehen die grundlegende Umgestaltung des Beschlussmängelrechts sowie die Möglichkeit anleiheübergreifender Gläubigerbeschlüsse (Aggregation), vgl. Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 846 ff. 49

B. Die Anleihe in der Insolvenz

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venzgläubigerversammlung beleuchtet. Schließlich ist auf die entstehenden Kosten der gemeinschaftlichen Bestellung einzugehen. Es wird festgestellt, dass nahezu jede Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren umstritten ist. Grund hierfür ist die unbestimmte Formulierung des § 19 SchVG. Zur Klärung der zahlreichen offenen Rechtsfragen orientiert sich die Arbeit ausschließlich an einer konsequenten Anwendung der in § 19 SchVG geregelten Grundsätze. Die Arbeit schließt mit Änderungsvorschlägen für eine mögliche Neufassung des § 19 SchVG sowie einem konkreten Regelungsvorschlag.

Kapitel 1

Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen A. Die Anleihe I. Begriff der Anleihe 1. Definition und Erscheinungsformen der Anleihe Nach allgemeinem Verständnis – das SchVG enthält keine Legaldefinition – ist unter dem Begriff der Anleihe die massenhafte Begebung gleichartiger Schuldverschreibungen zu verstehen.1 Es ist zu unterscheiden zwischen Anleihen im engeren Sinn, die eine klassische Fremdkapitalaufnahme verbriefen, und strukturierten Finanzprodukten, sog. Zertifikate, die verschiedenste Forderungen verbriefen können.2 Schuldverschreibungen einer Anleihe sind inhaltsgleich und gleichberechtigt, weil sie auf denselben Anleihebedingungen, die gleiche Rechte für alle Schuldverschreibungen vorsehen, beruhen.3 Das SchVG erfasst nur die Gesamtheit gleichartiger Schuldverschreibungen, einzelne Schuldverschreibungen hingegen nicht.4 Dennoch werden in der Praxis die Begriffe der Anleihe und der Schuldverschreibung synonym verwendet.5 Wichtigste Wertpapierform als Rechtsform der Schuldverschreibung (Inhaberschuldverschreibung, Orderschuldverschreibung sowie Namensschuldverschreibung) ist die Inhaberschuldverschreibung gem. § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB.6 Orderund Namensschuldverschreibungen sind auf dem deutschen Kapitalmarkt von un-

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Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 1 Rn. 6. Horn, ZHR 173 (2009), 12, 16; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 7. 3 BT-Drs. 16/12814 S. 16. 4 BT-Drs. 16/12814 S. 16. 5 Horn, ZHR 173 (2009), 12, 17; FK/Hartwig-Jacob, § 1 Rn. 13; Hopt/Seibt/ArtzingerBolten/Wöckener, § 1 Rn. 6; Veranneman/Oulds, § 1 Rn. 3. 6 Habersack/Mülbert/Schlitt/Hutter, Unternehmensfinanzierung, § 15 Rn. 3; FK/HartwigJacob § 1 Rn. 48; Langenbucher/Blieserner/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 1 Rn. 13; MüKoBGB/Habersack, § 793 Rn. 3; Veranneman/Oulds, § 1 Rn. 11. 2

A. Die Anleihe

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tergeordneter Bedeutung.7 Das verbriefte Leistungsversprechen kann auf unterschiedlichste Weise ausgestaltet sein und führt zu einer unbegrenzten Gestaltungsvielfalt.8 Anleihen werden fest oder variabel verzinst, die klassische und auf nationalen sowie internationalen Kapitalmärkten am häufigsten emittierte Form ist die festverzinsliche Anleihe.9 Sie hat für die gesamte Laufzeit einen festen Nominalzinssatz (Kuponrate) und einen festgelegten Zeitpunkt, zu dem der Anleihebetrag in Höhe des Nominalwertes zurückgezahlt werden muss.10 Zinszahlungen erfolgen zu vereinbarten regelmäßigen Terminen,11 bei variabel verzinslichen Anleihen ist der Zinssatz nicht für die gesamte Laufzeit fest, sondern wird in regelmäßigen Abständen von drei oder sechs Monaten an die aktuelle Marktkondition angepasst. Bei festverzinslichen Anleihen sind Laufzeiten zwischen fünf bis zehn Jahren üblich; bei variabel verzinslichen Anleihen fünf bis sieben Jahre.12

2. Verbriefung der Anleihe Schuldverschreibungen werden in Einzelurkunden oder in Sammelurkunden gem. § 9a Abs. 1 Satz 1 DepotG verbrieft, aus Kosten- und Lagerungsgründen erfolgt die Verbriefung nahezu nur als Sammelurkunde.13 In Sammelurkunden – die Praxis verwendet üblicherweise den Begriff der Globalurkunde –14 können eine Vielzahl von Einzelrechten verbrieft werden, ohne dass dabei ihre rechtliche Selbstständigkeit verloren geht.15 Gem. § 9a Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 DepotG haben die Gläubiger entsprechend ihrer jeweiligen Anteilsquote Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren. Nach § 9a Abs. 1 Satz 1 DepotG kann die Globalurkunde nur in die Sammelverwahrung einer Wertpapiersammelbank, der sog. Girosammelverwahrung,16 übergeben werden und ist 7 FK/Hartwig-Jacob, § 1 Rn. 52, 58; Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.261; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 1 Rn. 5. 8 Ausführlich zu den verschiedenen Anleihetypen Ekkenga/Schröer/Koller, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 9 Rn. 32 ff. 9 FK/Lawall, Anh. § 1 Rn. 13; Hartwig-Jacob, Die Vertragsbeziehungen und die Rechte der Anleger bei internationalen Anleiheemissionen, S. 33. 10 Statt vieler Habersack/Mülbert/Schlitt/Hutter, Unternehmensfinanzierung, § 15 Rn. 16. 11 FK/Lawall, Anh. § 1 Rn. 13. 12 Habersack/Mülbert/Schlitt/Hutter, Unternehmensfinanzierung, § 15 Rn. 21; HartwigJacob, Die Vertragsbeziehungen und die Rechte der Anleger bei internationalen Anleiheemissionen, S. 34 f., 38. 13 Ekkenga/Schröer/Hartwig-Jacob, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 9 Rn. 26; Preuße/ders., § 1 Rn. 11; Staudinger/Marburger, Vor § 793 Rn. 34. 14 Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, § 72 Rn. 55; Than, FS für Heinsius, S. 809, 817. 15 Scherer/ders./Martin, DepotG, § 9a Rn. 4; Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, § 72 Rn. 55. 16 Scherer/ders., DepotG, § 1 Rn. 25.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

damit nicht umlauffähig. In Deutschland übernimmt die Clearstream Banking AG als einzige Wertpapiersammelbank die Aufgaben des Zentralverwahrers.17 Kontoinhaber bei der Clearstream Banking AG18 können nur Kreditinstitute sein (Ziff. II der AGB der Clearstream Banking AG).19 Die Banken schließen mit der Clearstream einen Depot- und Treuhandvertrag sowie einen Girovertrag ab, auf deren Grundlage die Clearstream entsprechende Wertpapierkonten (Depotkonten) führt.20 Für die so angeschlossenen Depotbanken verwahrt die Clearstream die Globalurkunde, während die Depotbanken diese wiederum für ihre Kunden verwahren.21 Die Depotbank, mit der der Anleger einen Depotvertrag abschließt, kann ihrerseits weitere Zwischenverwahrer einschalten, sofern sie nicht selbst Depotinhaberin bei der Wertpapiersammelbank sein sollte.22 So kann es zu einer „Pyramide“ von mehreren Depotverträgen kommen.23 Die Emissionsbedingungen nahezu aller Neuemissionen sehen – in Ausnahme zu §§ 7, 8 DepotG, wonach trotz Verbriefung in einer Sammelurkunde die Auslieferung einzelner Wertpapiere verlangt werden kann – einen ausdrücklichen Ausschluss der Ausstellung von Einzelstücken gem. § 9a Abs. 3 Satz 2 DepotG vor.24 Ist der Anspruch auf Auslieferung von Einzelurkunden auf Dauer ausgeschlossen, spricht man von einer sog. Dauerglobalurkunde.25

II. Begründung der Gläubigerrechte einer Anleihe 1. Definition und Ablauf einer Emission Das in der Schuldverschreibung verbriefte Gläubigerrecht wird durch die Begebung des Wertpapiers begründet.26 Dieser Vorgang setzt sich aus der Ausstellung und Unterzeichnung des Wertpapiers (Skripturakt) und dem Abschluss eines Vertrages (Begebungsvertrag) zwischen Aussteller und Übernehmer des Papiers zu-

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Scherer/Rögner, DepotG, § 5 Rn. 18 ff. Im Folgenden „Clearstream“ abgekürzt. 19 Böning, ZInsO 2008, 873, 874; Schwintowski/ders., Bankrecht, § 16 Rn. 26. 20 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 6.120. 21 Scherer/ders./Martin, DepotG, § 9a Rn. 22. 22 MüKoHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 91. 23 Böning, ZInsO 2008, 873, 876 m.w.N.; MüKoHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 91. 24 Ekkenga/Schöer/Hartwig-Jacob, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 9 Rn. 27; FK/ Hartwig-Jacob, § 1 Rn. 62; MüKoHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 56; Scherer/ders./Martin, DepotG, § 9a Rn. 13. 25 Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 9a Rn. 17, 57; MüKoHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 56; Scherer/ders./Martin, DepotG, § 9a Rn. 13. 26 Hartwig-Jacob, Die Vertragsbeziehungen und die Rechte der Anleger bei internationalen Anleiheemissionen, S. 4. 18

A. Die Anleihe

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sammen.27 Die erstmalige Ausgabe und Platzierung von Wertpapieren durch den Wertpapieraussteller (Emittent) auf dem Kapitalmarkt wird als Emission bezeichnet.28 Zwei Formen der Emission sind zu unterscheiden. Bei einer Eigen- bzw. Selbstemission platziert der Emittent seine Wertpapiere direkt bei den Anlegern;29 der Begebungsvertrag wird unmittelbar zwischen Emittent und Anleger geschlossen.30 Regelfall ist die sog. Fremdemission, bei der ein Emittent eine oder mehrere Emissionsbanken einschaltet,31 die sich um den Vertrieb der Anleihe kümmern.32 Entsprechend kommt der Begebungsvertrag zwischen Emittent und Emissionsbank zustande.33 Die auf dem Kapitalmarkt übliche Fremdemission ist Ausgangspunkt dafür, dass der Emittent durch Begebung der Anleihe mit einer Vielzahl, ihm in der Regel unbekannter Anleihegläubiger in eine Rechtsbeziehung tritt.34 Mehrere Emissionsbanken können ein Emissionskonsortium bilden, das das Emissionsgeschäft auf „gemeinsame Rechnung“ abwickelt.35 Verpflichten sich die Emissionsbanken zu einer kommissionsweisen Platzierung, liegt ein Begebungskonsortium vor, werden die Wertpapiere unter Übernahme des Platzierungsrisikos fest übernommen, spricht man von einem Übernahmekonsortium.36 Die in der Praxis gängigste Form ist das Einheitskonsortium, das die Funktionen beider Formen miteinander kombiniert, indem sich dessen Mitglieder sowohl zur festen Übernahme der Wertpapiere als auch zu deren Platzierung bei Investoren verpflichten.37 Weiterhin ist zwischen einer öffentlichen und einer privaten Platzierung zu unterscheiden. Bei der öffentlichen Platzierung werden die Wertpapiere einer unbestimmten Zahl potentieller Anleger angeboten, während bei der privaten Platzierung ein ausgewählter und begrenzter Personenkreis, meist institutionelle Groß-Investoren, die Anleihe übernehmen.38 Die Wertpapiere können, müssen aber nicht zum 27 FK/Hartwig-Jacob, § 2 Rn. 44; ausführlich hierzu MüKoBGB/Habersack, Vor § 793 BGB Rn. 22 ff. 28 Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.2; MüKoBGB/Habersack, § 793 Rn. 54. 29 MüKoHGB/Singhof, Emissionsgeschäft, Rn. 9; Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.81; wobei diese Form wegen des häufig fehlenden Zugangs zu einem breiten Publikum in der Praxis von geringer Bedeutung ist. 30 Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 2 Rn. 19. 31 Hartwig-Jacob, Die Vertragsbeziehungen und die Rechte der Anleger bei internationalen Anleiheemissionen, S. 53; Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.81. 32 Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 2 Rn. 19. 33 FK/Hartwig-Jacob, § 2 Rn. 54; Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 2 Rn. 19. 34 Ekkenga/Schröer/Hartwig-Jacob, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 9 Rn. 2. 35 MüKoHGB/Singhof, Emissionsgeschäft, Rn. 18. 36 Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.90, 15.93. 37 Habersack/Mülbert/Schlitt/Schücking, Unternehmensfinanzierung, § 26 Rn. 21; MüKoHGB/Singhof, Emissionsgeschäft, Rn. 14. 38 Habersack/Mülbert/Schlitt/Diekmann, Unternehmensfinanzierung, § 25 Rn. 10; MüKoHGB/Singhof, Emissionsgeschäft, Rn. 20 f.; Schwintowski/Schantz, Bankrecht, § 22

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

Handel im regulierten Markt einer Börse zugelassen werden. Die Zulassung ist zwar keine Voraussetzung der Emission,39 hat aber den Vorteil, dass neben Privatanlegern auch kleinere institutionelle Anleger angesprochen werden.40 Daneben ist eine Notierung in einem Freiverkehrs-Segment i.S.d. § 48 BörsG möglich. Speziell für den Mittelstand haben sich an den Börsenplätzen Düsseldorf („Primärmarkt“, ehemals „Mittelstandsmarkt“), München („m:access“), Frankfurt („Scale“/„Basic Board“/„Quotation Board“, ehemals „Entry Standard“) Hamburg/Hannover („Mittelstandsbörse Deutschland“) sowie an den Börsen Stuttgart („BondM“)41 entsprechende Plattformen i.S.d. § 48 BörsG gebildet.42 Der Freiverkehr ist ein nicht von der Börse umfassend reglementiertes, auf privatrechtlicher Ebene stattfindendes Marktsegment.43 Die Einbeziehung von Wertpapieren in den Freiverkehr basiert auf den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Börsenträgers, die Voraussetzungen der Einbeziehung und die Folgepflichten des Emittenten regeln. Die vertraglich vereinbarten Folgepflichten betreffen insbesondere Informationspflichten des Emittenten sowie die Pflicht zur Veröffentlichung wichtiger Unternehmensnachrichten und testierter Jahresabschlüsse.44 Darüber hinaus gelten mit unmittelbarem Wirksamwerden der Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates) in den EU-Mitgliedsstaaten am 3. Juli 2016 kapitalmarktrechtliche Folgepflichten nicht mehr nur für Emittenten im regulierten Markt, sondern fortan auch für Emittenten im Freiverkehr. So sind auch für Freiverkehrsemittenten, deren Wertpapire auf ihre Initiative einbezogen sind, insbesondere zur Ad-hoc-Publizität, Führen von Insiderlisten sowie zur Beachtung der Regeln über Directors’ Dealings verpflichtet.45 2. Wesentliche Rechtsbeziehungen bei einer Anleiheemission Rechte und Pflichten des Emittenten und des Konsortiums werden im Übernahmevertrag umfassend geregelt.46 Bei der üblichen Festübernahme verpflichten Rn. 14; während eine privat platzierte Emission gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG meist prospektfrei erfolgen kann, löst die öffentliche Platzierung als ein öffentliches Angebot i.S.d. § 2 Nr. 4 WpPG, eine Prospektpflicht aus, Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.98; MüKoHGB/Singhof, Emissionsgeschäft, Rn. 21, 35. 39 Groß/ders., Kapitalmarktrecht, § 32 BörsG Rn. 7. 40 Kessler/ders., Unternehmensfinanzierung Mittelstand, § 5 Rn. 291. 41 BondM nimmt sei 2014 keine neuen Minibonds im Mittelstandssegment mehr an und lässt die alten Anleihen nur noch auslaufen, Handelsblatt vom 11. 12. 2014, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/anleihen/mittelstandsanleihen-boerse-stuttgartbeerdigt-den-mittelstandsmarkt/11109590.html, zuletzt aufgerufen am 13. 05. 2017. 42 Kessler/ders., Unternehmensfinanzierung Mittelstand, § 5 Rn. 292. 43 Schwark/Zimmer/Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 48 BörsG Rn. 3. 44 Schmitt, BB 2012, 1079, 1081. 45 Rubner/Pospiech, GWR 2016, 228, 228. 46 MüKoHGB/Singhof, Emissionsgeschäft, Rn. 150.

A. Die Anleihe

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sich die Konsorten die gesamte Emission verbindlich zu übernehmen und anschließend weiter zu platzieren.47 Die Vergütung der Konsorten erfolgt durch Abzug eines vereinbarten Prozentsatzes vom Kaufpreis.48 Der Emittent verpflichtet sich im Gegenzug zur Lieferung bzw. Begebung der Wertpapiere.49 Eine Zahlstellenvereinbarung mit Beauftragung eines Konsorten als Zahlstelle zur Abwicklung der Zinsund Tilgungszahlungen an die Anleihegläubiger gem. § 48 Abs. 1 Nr. 4 WpHG kann Teil des Übernahmevertrages sein50 und wird regelmäßig von der Konsortialführerin übernommen.51 Der Erwerber einer Schuldverschreibung steht, außer bei einer Selbstemission, in der Regel mit dem Emittenten in keiner direkten vertraglichen, synallagmatischen Beziehung.52 Diese besteht in Form des ursprünglichen Begebungs- und Übernahmevertrags im Rahmen der üblichen Fremdemission nur zwischen Emittent und der Emissionsbank als Erstnehmer. Zahlungsansprüche der weiteren Inhaber der Schuldverschreibung sind hiervon zu trennen.53 Dennoch begründet die Schuldverschreibung ein Rechtsverhältnis zwischen dem Inhaber und dem Emittenten.54 Laut BGH liegt der Schuldverschreibung als dogmatisches Grundmodell ein abstraktes Schuldversprechen des Wertpapierausstellers gem. § 780 BGB zu Grunde.55 Zwischen Emittent und Inhaber der Schuldverschreibung besteht ein einseitig verpflichtendes Schuldverhältnis, das den Emittenten zur Erfüllung des darin verbrieften abstrakten Leistungsversprechens verpflichtet, ohne dabei dem Inhaber der Schuldverschreibung eine Verpflichtung aufzuerlegen.56 Die Abstraktheit der verbrieften Forderung macht die Anleihe zu einem fungiblen und effektiv handelbaren Kapitalmarktpapier.57 Wem gegenüber der Emittent sein einseitiges Leistungsversprechen zu erfüllen hat, ist ihm dadurch regelmäßig nicht bekannt.58 47 MüKoBGB/Habersack, § 793 Rn. 54; Schimansky/Bunte/Lwowski/Grundmann, § 112 Rn. 70; Schwintowski/Schantz, Bankrecht, § 22 Rn. 69. 48 Schimansky/Bunte/Lwowski/Grundmann, § 112 Rn. 72. 49 Habersack/Mülbert/Schlitt/Diekmann, Unternehmensfinanzierung, § 25 Rn. 45. 50 Habersack/Mülbert/Schlitt/Diekmann, Unternehmensfinanzierung, § 25 Rn. 94; die Zahlstellenvereinbarung kann aber auch in einem separaten Zahlstellenvertrag erfolgen. 51 Habersack/Mülbert/Schlitt/Hutter, Unternehmensfinanzierung, § 25 Rn. 94. 52 Ekkenga/Schröer/Hartwig-Jacob, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 9 Rn. 516; Habersack/Mülbert/Schlitt/Hutter, Unternehmensfinanzierung, § 15 Rn. 69; Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 1 Rn. 7; Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.331. 53 Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407. 54 Ekkenga/Schröer/Hartwig-Jacob, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 9 Rn. 516; Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.331. 55 BGH 15. 07. 2014 XI ZR 100/13 Tz. 32 ZIP 2014, 778; Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407. 56 Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 1 Rn. 7; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 104. 57 Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 407.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

Das Rechtsverhältnis zwischen Emittent und Anleihegläubiger wird durch die Anleihebedingungen ausgestaltet. Nach der Legaldefinition des § 2 Satz 1 SchVG sind Anleihebedingungen die Bedingungen zur Beschreibung der Leistung sowie der Rechte und Pflichten des Schuldners und der Gläubiger. Von der Literatur teils stark kritisiert, sind nach der Rechtsprechung des BGH Anleihebedingungen als allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB einzuordnen.59 Die Anleihebedingungen enthalten umfassende Regelungen über individuelle Ausstattungsmerkmale der Anleihe, wie etwa den Emissionsbetrag, die Währung, den Ausgabepreis, die Stückelung, die Art und Höhe der Verzinsung, Laufzeit, Fälligkeiten, Rückzahlung des Kapitals, Kündigungsmöglichkeiten und das anwendbare Recht.60 Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG können diese auch vorsehen, dass die Gläubiger derselben Anleihe durch Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zustimmen und zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen können. Ergänzend zu den Anleihebedingungen finden die allgemein zivilrechtlichen Regelungen der §§ 793 ff. BGB Anwendung.

B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger I. Allgemein 1. Entstehungsgeschichte und Ziele des SchVG Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert brachte einen stetig wachsenden Kapitalbedarf der Unternehmen, der u. a. auch durch Ausgabe von Industrieobligationen gedeckt wurde.61 Mit zunehmender Bedeutung der Anleihe erkannte man schnell, dass bei größerer Gläubigerzahl, die untereinander regelmäßig unbekannt sind, ein gemeinschaftliches Handeln zur effizienten Interessenwahrnehmung erforderlich ist.62 Bereits vor Inkrafttreten des SchVG 1899 gab es Landesgesetze der deutschen Partikularstaaten über die Rechte der Schuldverschreibungsgläubiger, die Regelungen für Gläubigerversammlungen und der Fassung von Mehrheitsbeschlüssen enthielten.63 Nachdem das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene BGB alle landes58

Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 105. 59 BGH 30. 06. 2009 XI ZR 364/08 Tz. 20 WM 2009, 1500; zum Streitstand siehe ausführlich statt vieler Kümpel/Wittig/Müller, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.335 m.w.N. 60 FK/Lawall, Anh. § 1 Rn. 54. 61 Veranneman/ders., Einführung Rn. 1; Vogel, Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 74. 62 Cranshaw, BKR 2008, 504, 504. 63 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 Einleitung Rn. 1, wobei die Gesetze im Wesentlichen nur für die dinglichen Sicherheiten der Schuldverschreibungen Bedeutung hatten.

B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger

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gesetzlichen Vorschriften aufhob, erließ man zeitgleich das SchVG 1899 als reichseinheitliche Regelung.64 Das SchVG 1899 enthielt wie seine landesgesetzlichen Vorgänger Verfahrensregelungen zur Willensbildung der Gläubiger. Darüber hinaus ermöglichte es in engen Grenzen die inhaltliche Änderung der Schuldverschreibung zum Zweck der Abwendung der Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens.65 Der Anwendungsbereich sowie die Befugnisse der Gläubiger des SchVG 1899 mit Mehrheitsbeschluss auf die Rechte gemeinschaftlich einzuwirken, erwiesen sich als zu eng, so dass das Regelwerk kaum praktische Bedeutung erlangte.66 Am 5. August 2009 trat das reformierte Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (SchVG) in Kraft, das auf die Beseitigung der Unzulänglichkeiten des SchVG 1899 abzielte.67 Weiterhin sollte das neue SchVG den Sanierungsstandort Deutschland stärken.68 Durch Einführung von bindenden Mehrheitsentscheidungen sollte auch die vorinsolvenzliche Sanierung erleichtert werden.69 Das SchVG enthält die zur Fassung von Mehrheitsentscheidungen der Anleihegläubiger über die Zustimmung zu Änderungen der Anleihebedingungen materiell- und verfahrensrechtlichen Vorgaben.70 Eine Mehrheit der Anleihegläubiger soll in die Lage versetzt werden, wie andere Gläubiger auch, bei Bedarf einen substantiellen Sanierungsbeitrag zur Rettung des Schuldners leisten zu können.71 Das SchVG besteht aus drei Abschnitten. Der erste Abschnitt (§§ 1 – 4) legt die allgemeinen Vorschriften fest, die auf alle in § 1 SchVG genannten Schuldverschreibungen zwingend anzuwenden sind.72 Die Anwendbarkeit der Vorschriften des zweiten Abschnitts (§§ 5 – 22), der sich mit den Beschlüssen der Gläubiger befasst, ist hingegen dispositiv.73 Sie finden gem. § 5 Abs. 1 SchVG nur dann Anwendung, wenn der Emittent die Anleihegläubiger in den Anleihebedingungen ausdrücklich zur Fassung von Mehrheitsbeschlüssen ermächtigt hat.74 Der dritte Abschnitt (§§ 23 f.) enthält Bußgeldvorschriften sowie Übergangsbestimmungen. 64

Ekkenga/Schröer/Schmidtbleicher, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 30; Regierungsbegründung zum SchVG, Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstages, 10. Legislaturperiode, I. Session 1898 – 1900, 2. Anlagenband, Aktenstück Nr. 105, 908. 65 Cranshaw, BKR 2008, 504, 504. 66 BT-Drs. 16/12814 S. 13; zu den Schwächen des SchVG 1899 siehe Wilken/Schaumann/ Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 34 ff. 67 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 40. 68 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 40. 69 Hopt/Seibt/Dies., Einführung S. 1. 70 Veranneman/ders., Einführung Rn. 18. 71 Hopt/Seibt/Dies., Einführung S. 1; Preuße/Vogel, § 5 Rn. 27. 72 Veranneman/Oulds, § 1 Rn. 35. 73 Mit Ausnahme des § 19 SchVG, siehe hierzu sogleich auf S. 35 f. 74 Veranneman/Oulds, § 1 Rn. 35.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

2. Anwendungsbereich des SchVG a) Allgemein Ist der Anwendungsbereich des SchVG eröffnet und ein deutsches Insolvenzgericht zuständig, finden in der Insolvenz des Emittenten SchVG und Insolvenzordnung Anwendung. Für den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung trifft § 19 SchVG Sonderregelungen, die bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens mit der Beteiligung von Anleihegläubigern zu beachten sind. Allen voran ist den Anleihegläubigern die Möglichkeit gegeben, sich durch Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zu organisieren und ihre Rechte zu bündeln. Der sachliche Anwendungsbereich des SchVG ist gem. § 1 Abs. 1 SchVG für nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen eröffnet. Unter Gesamtemission sind inhaltsgleiche, untereinander austauschbare und damit kapitalmarktfähige Schuldverschreibungen zu verstehen.75 Entgegen der alten Rechtslage ist der örtliche Anwendungsbereich des SchVG nicht mehr vom Sitz des Schuldners abhängig, sondern allein von der Wahl des deutschen Rechts als sog. Wertpapierrechtsstatut in den Anleihebedingungen.76 Unklar ist, ob das SchVG auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Anleihebedingungen hinsichtlich einzelner Klauseln eine Teilverweisung auf ausländisches Recht enthalten.77 Das LG Frankfurt am Main hat dies mit der Begründung einer anderenfalls drohenden Rechtsunsicherheit verneint.78 Nach zutreffender Ansicht im Schrifttum steht es der Anwendbarkeit des SchVG nicht entgegen, wenn einzelne Bestimmungen der Anleihebedingungen ausländischem Recht unterworfen sind, sofern die Anleihebedingungen in ihrem wesentlichen Inhalt deutschem Recht unterstehen.79 Nach Rechtsprechung des BGH ändert eine Teilverweisung in den Anleihebedingungen in eine andere Rechtsordnung nichts am gewählten Wertpapierrechtsstatut, wenn die Begründung und die Existenz der verbrieften Forderung

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Schmidt/Schrader, BKR 2009, 397, 398; FK/Hartwig-Jacob, § 1 Rn. 2; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 §1 Rn. 9. 76 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 1 Rn. 3; hierfür ist ausreichend, wenn die Auslegung der Anleihebedingungen ergibt, dass die Anleihe deutschem Recht untersteht; eine ausdrückliche Rechtswahlklausel ist nicht erforderlich, Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 1 Rn. 55; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 1 Rn. 5. 77 FK/Hartwig-Jacob, § 1 Rn. 97. 78 LG Frankfurt am Main 27. 10. 2011 3-05 O 60/11 Tz. 103 ff. ZIP 2011, 2306. 79 Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 1 Rn. 58; Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 1 Rn. 3; so auch der Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847, 850, der zur Klarstellung der Zulässigkeit einer Teilrechtswahl hinsichtlich einzelner Gegenstände § 1 Abs. 1 SchVG um folgenden Satz 2 ergänzen möchte: „Eine Teilrechtswahl ausländischen Rechts steht der Anwendung dieses Gesetztes nicht entgegen“.

B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger

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selbst davon nicht betroffen sind.80 Gleiches muss für das Wertpapierrechtsstatut im Rahmen des Anwendungsbereichs des SchVG gelten. § 1 Abs. 1 SchVG stellt keine strengeren Anforderungen an die für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des SchVG maßgeblichen Wertpapierrechtsstatute. Eine Unterwerfung der Anleihebedingungen in Gänze unter das deutsche Recht wird nicht vorausgesetzt.81 Dies würde dem Willen des Reformgesetzgebers, den Anwendungsbereich des SchVG durch die Streichung der Maßgeblichkeit des Sitzes des Emittenten zu erweitern, zuwiderlaufen. Der zeitliche Anwendungsbereich folgt aus § 24 Abs. 1 SchVG, wonach das SchVG für Schuldverschreibungen gilt, die am oder nach dem 5. August 2009 ausgegeben wurden. Für Schuldverschreibungen, die vor diesem Stichtag ausgegeben wurden (sog. Altanleihen), finden die Vorschriften des SchVG von 1899 weiterhin Anwendung. Unterliegt die Anleihe nicht deutschem Recht, richtet sich die Abwicklung des Insolvenzverfahrens allein nach den Vorschriften der Insolvenzordnung. Da hier eine Gläubigerorganisation durch Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren nicht vorgesehen ist, müssen die Anleihegläubiger ihre Rechte individuell geltend machen. Die Beteiligung einer breiten, anonymen Anlegermasse im Insolvenzverfahren stellt die Insolvenzverwalter vor erhebliche praktische Probleme, was es im Folgenden zu zeigen gilt. b) Zwingender Charakter des § 19 SchVG Sind die Voraussetzungen des § 1 SchVG erfüllt und wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten im Inland eröffnet, findet § 19 SchVG Anwendung. Wegen seiner systematischen Stellung im Gläubigerorganisationsrecht des zweiten Abschnitts des SchVG (§§ 5 – 22 SchVG) ist unklar, ob § 19 SchVG auch dann Anwendung findet, wenn es an einem Opt-in des Emittenten in den Anleihebedingungen fehlt. Dies hat das AG Hamburg mit Beschluss vom 1. September 2016 verneint.82 Das Gericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine gesonderte Versammlung der Anleihegläubiger zur Wahl eines gemeinsamen Vertreters auch dann vom Insolvenzgericht einzuberufen ist, wenn die Anleihebedingungen der Schuldnerin die Anwendbarkeit des 2. Abschnitts des SchVG (§§ 5 – 22 SchVG) nicht vorsehen. Es führt aus, dass es einer Klarstellung in § 5 SchVG bedurft hätte oder aber die Regelungen des § 19 Abs. 2 SchVG außerhalb des optionalen Gläubigerorganisationsrechts des 2. Abschnitts hätten verortet werden müssen, wenn das Recht der Anleihegläubiger zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im In-

80 BGH 25. 10. 2005 XI ZR 353/04 Tz. 15, 17 ZIP 2005, 2303; FK/Hartwig-Jacob, § 1 Rn. 102. 81 Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 1 Rn. 58. 82 AG Hamburg 01. 09. 2016 67g IN 266/16 ZIP 2016, 2030.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

solvenzverfahren ex lege vorgesehen wäre.83 Dem ist auch das AG Neuruppin mit Beschluss vom 8. Dezember 2016 gefolgt, wonach nicht ersichtlich sei, dass mit § 19 SchVG der Grundsatz einer optionalen Regelung nach § 5 Abs. 1 SchVG ausgeschlossen und eine beabsichtigte Ausnahme für die Bestimmung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren geschaffen werden sollte.84 Die Auffassungen der AGe Hamburg und Neuruppin überzeugen nicht. Der Gesetzgeber versteht § 19 SchVG als eine insolvenzrechtliche Regelung.85 Als solche regelt sie nicht die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, wie Anleihegläubiger mit Mehrheitsbeschluss einer Änderung der Anleihebedingungen zustimmen können. Vielmehr trifft sie Sonderregelungen, die in der Insolvenz des Emittenten zu beachten sind. Die Anwendbarkeit einer insolvenzrechtlichen Regelung kann nach zutreffender herrschender Meinung im Schrifttum nicht zur Disposition des Emittenten stehen.86 Zwar ist zutreffend, dass die Verortung des § 19 SchVG im optionalen Gläubigerorganisationsrecht misslich ist. Doch kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 19 SchVG von einem Opt-in des Schuldners in den Anleihebedingungen abhängig machen wollte. Hierfür sprechen neben dem originären Zweck des § 19 SchVG einer effizienten Durchführung des Insolvenzverfahrens auch gesetzeshistorische Argumente. Nach alter Rechtslage waren Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger zwingend vorgesehen, so dass es eine Einteilung in zwingendes und optionales Recht nicht gab. § 19 SchVG fasst den Inhalt der insolvenzrechtlichen Regelung der §§ 18, 19 SchVG 1899 im Wesentlichen zusammen.87 Neben dem Regelungsinhalt wurde auch die Verortung der alten Regelung im Gesetz übernommen. Dabei scheint der Gesetzgeber den Standort im neu geschaffenen optionalen Gläubigerorganisationsrecht nicht bedacht zu haben. Es ist insofern von einem Redaktionsfehler auszugehen.88

83

AG Hamburg 01. 09. 2016 67g IN 266/16 ZIP 2016, 2030, 2034. AG Neuruppin 08. 12. 2016 15 IN 260/16 NZI 2017, 464. 85 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 86 Brenner, NZI 2014, 789, 790; Kübler, FS Henckel, S. 183, 188; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2396; Hofmann, FS Kübler, S. 265, 267; Horn, BKR 2014, 449, 449; Wegener, NZI 2017, 54, 56; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 8; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 20; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 14; Veranneman/ders., § 5 Rn. 15; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 126. 87 Darüber hinaus enthält die insolvenzrechtliche Sonderregelung des § 19 SchVG mit Blick auf die heute übliche Verbriefung in Globalurkunden notwendige Modernisierungen, FK/ Friedl, § 19 Rn. 1 sowie die Einführung eines Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung, siehe hierzu S. 43 f. 88 Lürken, Anmerkung zu AG Hamburg, Beschluss vom 01. 09. 2016 EWiR 2017, 55, 56; siehe hierzu auch S. 140 f. 84

B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger

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c) Opt-in-Beschluss gem. § 24 Abs. 2 SchVG nach Insolvenzeröffnung Gem. § 24 Abs. 2 SchVG haben die Gläubiger von Altanleihen die Möglichkeit, mit Zustimmung des Schuldners durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss für die Anwendung des neuen SchVG zu optieren,89 sofern die Altanleihe die Kriterien des § 1 Abs. 1 SchVG erfüllt.90 Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 HS. 1 SchVG können sich die Gläubiger entweder für eine Anwendbarkeit des SchVG in seiner Gesamtheit, d. h. für die Geltung der §§ 1 bis 24 SchVG für die Altanleihe entscheiden (sog. Gesamtoption) oder beschließen, die Altanleihen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen auszutauschen (sog. Austauschoption).91 Bislang war umstritten, ob die Möglichkeit des Opt-in-Beschlusses gem. § 24 Abs. 2 SchVG auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht. Das OLG Dresden hatte dies mit Urteil vom 9. Dezember 2015 verneint.92 Es hatte über die Frage zu entscheiden, ob Gläubiger von Altanleihen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für eine Anwendung des neuen SchVG gem. § 24 Abs. 2 SchVG optieren und sodann einen gemeinsamen Vertreter mit den Rechten und Pflichten nach neuem Recht bestellen konnten. Das Gericht führt aus, dass nach einhelliger Meinung der Literatur auf den Opt-in-Beschluss gem. § 24 Abs. 2 SchVG die §§ 5 – 21 SchVG anzuwenden sind, mit der Folge, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefasste Beschlüsse gem. § 19 Abs. 1 SchVG den Bestimmungen der Insolvenzordnung unterliegen.93 Unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zum § 19 SchVG, wonach die Anleihegläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur befugt sind, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen,94 kann die Optierung für die Anwendung des neuen Rechts nicht zur Verfügung stehen.95 Der Auffassung des OLG Dresden ist der BGH mit Urteil vom 16. November 2017 nun entgegengetreten und hat die Zulässigkeit eines Opt-in-Beschlusses der Anleihegläubiger auch nach der Insolvenzeröffnung klargestellt.96 Er führt aus, dass sich weder aus den Gesetzesmaterialien, noch aus dem Wortlaut und Sinnzusammenhang des § 24 Abs. 2 SchVG eine Einschränkung für die Zulässigkeit eines Optin-Beschlusses auf den Zeitraum vor einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens ent-

89

BT-Drs. 16/12814 S. 27. FK/Hartwig-Jacob, § 24 Rn. 13; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 24 Rn. 6; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 132. 91 Langenbucher/Bliesern/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 24 Rn. 2. 92 OLG Dresden 09. 12. 2015 13 U 223/15 [nrkrf] Tz. 24 f. ZIP 2016, 117. 93 OLG Dresden 09. 12. 2015 13 U 223/15 [nrkrf] Tz. 24 f. ZIP 2016, 117. 94 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 95 OLG Dresden 09. 12. 2015 13 U 223/15[nrkrf] Tz. 24 f. ZIP 2016, 117. 96 BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 19 ff. ZIP 2017, 2312. 90

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

nehmen lässt.97 Durch einen isolierten Opt-in-Beschluss, der lediglich das Neurecht für anwendbar erklärt, werden die für die jeweilige Schuldverschreibung konkret vereinbarten Anleihebedingungen nicht berührt.98 Der Ansicht des BGH ist zuzustimmen.99 Das OLG Dresden unterliegt einem faktischen Zirkelschluss, weil § 19 SchVG ohne erfolgreichen Opt-in-Beschluss keine Anwendung finden kann.100 Da das SchVG 1899 einen Vorrang des Insolvenzrechts nicht vorsah, kann auf diesen nicht abgestellt werden.101 Der Argumentation des BGH, wonach die Verweisung des § 24 Abs. 2 Satz 2 HS. 1 SchVG auf § 19 SchVG als Sonderschrift für Beschlussfassungen im Zeitraum nach Verfahrenseröffnung inhaltsleer ist, wenn ein Opt-in-Beschluss in der Insolvenz des Schuldners stets an der damit verbundenen Änderung der Anleihebedingungen scheitert,102 ist jedoch nicht zu folgen. Der Verweis des § 24 Abs. 2 Satz 2 HS. 1 SchVG kann richtigerweise nicht als pauschaler Verweis auf sämtliche Vorschriften des 2. Abschnitts verstanden werden. Wenn die Regelung des § 19 SchVG anwendbar ist, unterliegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefasste Beschlüsse der Anleihegläubiger gem. § 19 Abs. 1 SchVG den Vorschriften der Insolvenzordnung und damit den insolvenzrechtlichen Beschlussfähigkeits- und Mehrheitserfordernissen. Demgegenüber erklärt § 24 Abs. 2 Satz 2 SchVG für die Beschlussfassung die Vorschriften des SchVG für anwendbar und eine qualifizierte Mehrheit für erforderlich. Eine Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften zur Beschlussfassung widerspräche dem eindeutigen § 24 Abs. 2 Satz 2 SchVG. Der Gesetzgeber kann folglich mit seiner Anordnung der entsprechenden Geltung der Vorschriften des SchVG nicht die Vorschrift des § 19 SchVG gemeint haben.103 Trotz

97

BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 21 ff. ZIP 2017, 2312. BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 25 ff. ZIP 2017, 2312. 99 Der Zulässigkeit eines Opt-in-Beschlusses nach Insolvenzeröffnung kann nicht entgegengehalten werden, dass der Zweck des § 24 Abs. 2 SchVG, die außergerichtliche Restrukturierung von Altanleihen zu fördern, nach eröffneter Insolvenz obsolet und damit ein Opt-in nach Insolvenzeröffnung unzulässig sei (so Friedl, Anmerkung zu OLG Dresden, Urteil vom 09. 12. 2015, BB 2016, 272, 275), da vorrangiges Ziel des § 24 Abs. 2 SchVG es ist, die Defizite des SchVG 1899 zu beseitigen, vgl. Baums/Schmidtbleicher, ZIP 2012, 204, 210 f.; das neue SchVG bietet insbesondere im Hinblick auf den gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren gegenüber dem alten SchVG 1899 Vorteile, nachdem der Aufgabenkreis des gemeinsamen Vertreters im neuen SchVG erheblich erweitert wurde; ausführlich zur Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters siehe S. 164 ff. 100 Brenner/Moser, Anmerkung zu OLG Dresden, Urteil vom 09. 12. 2015, NZI 2016, 149, 151; Knauthe, Anmerkung zu OLG Dresden, Urteil vom 09. 12. 2015, EWiR 2016, 117, 118; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 52. 101 Knauthe, Anmerkung zu OLG Dresden, Urteil vom 09. 12. 2015, EWiR 2016, 117, 118. 102 BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 24 ZIP 2017, 2312. 103 In die Richtung wohl auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 24 Rn. 11, die gerade keinen pauschalen Verweis auf die §§ 5 bis 21 SchVG vornehmen, sondern die anzuwendenden Vorschriften einzeln nennen, wobei § 19 SchVG gerade nicht erwähnt wird. 98

B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger

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seiner Verortung im 2. Abschnitt ist § 19 SchVG keine verfahrensrechtliche Regelung zur Beschlussfassung, sondern eine insolvenzrechtliche Regelung.104 Nach einem wirksamen Opt-in-Beschluss steht es den Gläubigern von Altanleihen offen, einen gemeinsamen Vertreter mit dem umfassenden Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG zu bestellen. Auf die Streitfrage, ob die Anwendbarkeit des § 19 SchVG von einem Opt-in in den Anleihebedingungen abhängig ist, kommt es dabei nicht an. Mit dem Opt-in-Beschluss gem. § 24 Abs. 2 SchVG stimmen die Gläubiger der Geltung des ganzen Gesetzes und damit der Anwendung der §§ 5 ff. SchVG zu; es ist kein zweifacher Opt-in erforderlich.105

II. Das Gläubigerorganisationsrecht außerhalb des Insolvenzverfahrens 1. Mehrheitsbeschlüsse der Anleihegläubiger Nach § 4 Satz 1 SchVG können Anleihebedingungen nur durch gleichlautenden Vertrag mit allen Gläubigern oder durch Mehrheitsbeschlüsse unter den Voraussetzungen der §§ 5 ff. SchVG geändert werden. Ersteres ist in der Praxis regelmäßig ausgeschlossen. Die Zustimmung aller Anleihegläubiger ist nicht nur aus logistischen Gründen kaum zu erzielen,106 sondern dürfte regelmäßig am sog. Kollektivhandlungsproblem scheitern.107 Aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG folgt, dass das Gläubigerorganisationsrecht optional ist. Der Emittent kann ex ante wählen, ob er von der Möglichkeit zur Änderung der Anleihebedingungen Gebrauch machen möchte oder nicht.108 Es steht in seinem Ermessen, ob er Änderungen der Anleihebedingungen und die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zulassen will, unter welchen Voraussetzungen Änderungen möglich und welche konkreten Maßnahmen, insbesondere die aus dem Katalog des § 5 Abs. 3 SchVG, einem Mehrheitsbeschluss zugänglich sein sollen.109 Nach zutreffender Auffassung können die Anleihebedingungen nur zu Mehrheitsbeschlüssen oder nur zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters ermächtigen.110 Das Beschlussorgan zur Willensbildung der Gläubiger ist die Abstimmungsgemeinschaft 104

Vgl. BT-Drs. 12/12814 S. 25, siehe hierzu S. 35 f. Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 11; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 24 Rn. 10 f. 106 Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 1. 107 Schmolke, ZBB 2009, 8, 8; ausführlich zum Kollektivhandlungsproblem siehe Ekkenga/ Schröer/Schmidtbleicher, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 9 ff. 108 Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 6. 109 Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 8. 110 Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 10; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 55. 105

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

der Gläubiger.111 Gem. § 5 Abs. 6 Satz 1 SchVG können die Gläubiger Beschlüsse in einer Versammlung oder durch Abstimmung ohne Versammlung fassen. Neben dem Beschluss der Gläubigermehrheit bedarf es zur Änderung der Anleihebedingungen zwingend einer korrespondierenden Willenserklärung des Emittenten.112 Bei der Bestellung oder Abberufung eines gemeinsamen Vertreters bedarf es einer solchen nicht.113 Nachdem die restriktive Ausgestaltung der Gläubigerbefugnisse im SchVG 1899 ein Hauptgrund für seine Bedeutungslosigkeit war,114 kann die Gläubigermehrheit nunmehr – ungeachtet einer wie auch immer gearteten Notlage des Schuldners –115 jederzeit jedwede Änderung der Anleihebedingungen beschließen, solange dadurch gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG keine Leistungspflicht begründet wird. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 10 SchVG führt mögliche Beschlussgegenstände beispielhaft auf. Die Zulässigkeit der international in Anleihebedingungen üblichen Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses = Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss)116 im deutschen Recht wurde damit ausdrücklich geklärt.117 Von besonderer Bedeutung ist die Umwandlung der Kapitalforderung in Eigenkapital nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG, dem sog. Debt-Equity-Swap. Nach alter Rechtslage konnte dieser von der Gläubigermehrheit nicht beschlossen werden, da der Umtausch zwingend mit einer Aufhebung der Kapitalansprüche einhergeht, auf die gem. § 12 Abs. 3 SchVG 1899 nicht verzichtet werden durfte.118 Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG ermöglicht eine Zwangsumwandlung von Forderungen aus den Schuldverschreibungen in Gesellschaftsanteile kraft Mehrheitsbeschluss. Dissertierende Gläubiger können dadurch gegen ihren Willen in die Rolle eines Gesellschafters mit sämtlichen damit einhergehenden Rechten und Pflichten gezwungen werden.119

111

Horn, BKR 2014, 446, 450. FK/Friedl/Schmidtbleicher, § 5 Rn. 21. 113 FK/Friedl/Schmidtbleicher, § 5 Rn. 23; Preuße/Vogel, § 5 Rn. 1. 114 Vogel, ZBB 2010, 211, 212; gem § 11 Abs. 1 SchVG 1899 durften die Gläubiger mit Dreiviertelmehrheit nur eine Ermäßigung der Zinsen und eine Stundung der Hauptforderung höchstens für die Dauer von drei Jahren und nur zur Abwendung der Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beschließen; außerhalb eines Insolvenzverfahrens durfte auf die Hauptforderung gem. § 12 Abs. 3 SchVG 1899 nicht verzichtet werden. 115 BT-Drs. 16/12814 S. 18. 116 Cranshaw, BKR 2008, 504, 506 f.; Podewils, DStR 2009, 1914, 1915. 117 BT-Drs. 16/12814 S. 1. 118 Ansmann, § 12 SchVG 1899 Anmerk. 13; Vogel, ZBB 2010, 211, 213. 119 FK/Friedl/Schmidtbleicher, § 5 Rn. 44. 112

B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger

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2. Der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger Das Institut des gemeinsamen Vertreters nimmt im SchVG eine wichtige Rolle ein. Bedient sich der Schuldner zur Fremdkapitalaufnahme des Kapitalmarkts, steht dieser bei einer Anleiheemission einer Vielzahl ihm regelmäßig nicht bekannter Anleger gegenüber. Durch die Verkehrsfähigkeit der Schuldverschreibungen ist die Gläubigergesamtheit regelmäßig stark fragmentiert und in ihrem Bestand fluktuierend.120 Daraus folgende erhebliche praktische Probleme hinsichtlich einheitlicher Kommunikation, Information und Willensbetätigung der Gläubiger,121 können mit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters vermieden werden. Durch die Interessenbündelung beim gemeinsamen Vertreter wird den Gläubigern ermöglicht mit „einer Stimme zu sprechen“ und zu handeln.122 Der gemeinsame Vertreter ist Koordinationsinstanz und ermöglicht eine effiziente Verwaltung.123 Es ist zwischen dem sog. Wahlvertreter gem. §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 SchVG und dem sog. Vertragsvertreter zu unterscheiden, der gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SchVG bereits in den Anleihebedingungen bestellt werden kann. Obwohl der Gesetzgeber die Bestellung eines Vertragsvertreters als sinnvoll erachtet,124 hat sich dieser in der Praxis bislang nicht durchgesetzt, weil sich Emittenten häufig vor einer frühen (vergüteten) Bestellung des gemeinsamen Vertreters scheuen, solange sich kein konkreter Sanierungs- oder Restrukturierungsbedarf abzeichnet.125 Gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SchVG kann jede geschäftsfähige Person oder eine sachkundige juristische Person zum Wahlvertreter bestellt werden. Anders als im SchVG 1899 können auch Personen aus der Interessenssphäre des Schuldners das Amt des gemeinsamen Vertreters übernehmen. Einem damit einhergehenden möglichen Interessenkonflikt begegnet das neue SchVG lediglich mit der Pflicht zur Offenlegung der für die Schuldnernähe maßgeblichen Umstände gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 SchVG.126 Der gemeinsame Vertreter ist ein rechtsgeschäftlicher Vertreter, dessen Vertretungsmacht gesetzlich überlagert ist.127 Er hat nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchVG die Aufgaben und Befugnisse, die ihm durch Gesetz oder von den Gläubigern durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt wurden. Die gesetzlichen eingeräumten Aufgaben und Befugnisse, wie etwa die Berichtspflicht gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG gegenüber den Gläubigern, sowie die Wahrnehmung von Informationsrechten gem. § 7

120

Schmolke, ZBB 2009, 8, 11; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 2. Ekkenga/Schröer/Schmidtbleicher, Handbuch der AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 244. 122 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2393; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 1. 123 Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 212. 124 BT-Drs. 16/12814 S. 20. 125 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2394, Schmolke, ZBB 2009, 8, 12. 126 Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 196; zum Problem der schuldnernahen Person als gemeinsamer Vertreter im Insolvenzverfahren siehe S. 131 ff. 127 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 2. 121

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

Abs. 5 SchVG gegenüber dem Schuldner, sind nicht entziehbar.128 Darüber hinaus gehende Aufgaben und Befugnisse leiten sich außerhalb eines Insolvenzverfahrens allein von den Anleihegläubigern ab.129 Im Insolvenzverfahren ergeben sich die Aufgaben und Befugnisse demgegenüber ausschließlich aus § 19 Abs. 3 SchVG, wonach der gemeinsame Vertreter allein berechtigt und verpflichtet ist, die Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Der gemeinsame Vertreter hat dabei die Alleinvertretungsmacht inne.130 Bei der Aufgabenwahrnehmung und Wahrnehmung seiner Befugnisse hat der gemeinsame Vertreter gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 SchVG die Weisungen der Gläubigergesamtheit zu befolgen.131 Gem. § 7 Abs. 4 SchVG kann der gemeinsame Vertreter durch die Gläubiger jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen werden.

III. § 19 SchVG als zentrale Regelung im Insolvenzfall 1. Ausgangslage Anleihegläubiger nehmen in der Regel als Insolvenzgläubiger gem. § 38 InsO am Insolvenzverfahren teil.132 Unabhängig von einer Kündigung gilt die in der Schuldverschreibung verbriefte Forderung gem. § 41 Abs. 1 InsO ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens als fällig.133 Wie alle Insolvenzgläubiger können sie gem. § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen, indem sie ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden und dadurch an der Verteilung der Masse teilnehmen. Ihnen ist untersagt, Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner zu ergreifen.134 Den Anleihegläubigern kommen im Insolvenzverfahren grundsätzlich dieselben Teilnahme- und Mitwirkungsrechte wie allen Gläubigern zu. In der Insolvenz des Emittenten finden von Beginn des Insolvenzverfahrens an sowohl die Insolvenzordnung als auch das SchVG Anwendung.135 Die Vorschrift des § 19 SchVG ist die einzige Regelung im SchVG, die sich mit dem Verhältnis zwischen beiden Regelungsmaterien auseinandersetzt. § 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG setzt voraus, dass über das Vermögen des Schuldners im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, also ein deutsches Insolvenzgericht zuständig ist. Neben der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens genügt 128

Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 SchVG Rn. 9. Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 196. 130 Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 34. 131 Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 40. 132 FK/Friedl, § 19 Rn. 17; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 19; Hopt/Seibt/ Knapp, § 19 Rn. 6. 133 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 19. 134 FK/Friedl, § 19 Rn. 9. 135 Cranshaw, BKR 2008, 504, 509; FK/Friedl, § 19 Rn. 6; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 4. 129

B. Das SchVG als Organisationsrecht der Gläubiger

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auch die Eröffnung eines auf das Inlandsvermögen beschränkten Partikularverfahrens gem. § 354 InsO bzw. eines Sekundärinsolvenzverfahrens gem. § 355 InsO.136 Nach dem Grundsatz der lex fori concursus nach § 335 InsO ist das anwendbare Insolvenzrecht das Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wird.137 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte im Anwendungsbereich der EUInsVO ist gegeben, wenn gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EUInsVO das center of main interests (COMI) im Inland liegt.138 Weiter muss das Insolvenzverfahren durch Eröffnungsbeschluss des zuständigen Insolvenzgerichts gem. § 27 Abs. 1 InsO eröffnet worden sein. Das Insolvenzeröffnungsverfahren ist nicht ausreichend, auch wenn ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird.139 Unbeachtlich ist, ob das Insolvenzverfahren als Regelinsolvenzverfahren bzw. als Eigenverwaltungsverfahren oder als Insolvenzplanverfahren durchgeführt wird.140 Wurde das Insolvenzverfahren durch Eröffnungsbeschlus eines deutschen Gerichts eröffnet, ordnet § 19 Abs. 1 SchVG für die Beschlüsse der Anleihegläubiger einen Vorrang der Bestimmungen der Insolvenzordnung an, soweit in den Absätzen 2 bis 5 nichts anderes geregelt ist. Damit vollzieht der Gesetzgeber eine Abkehr von der bisherigen Rechtslage, nach der die Vorschriften des SchVG auch im Insolvenzverfahren Anwendung fanden, sofern in den §§ 18 ff. SchVG 1899 nichts anderes geregelt war.141 2. Regelungszweck und -inhalt Der amtlichen Begründung zu § 19 SchVG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber – über den eigentlichen Wortlaut des § 19 Abs. 1 SchVG hinaus – den insolvenzrechtlichen Vorschriften insgesamt einen grundsätzlichen Vorrang einräumt.142 In den Absätzen 2 bis 5 finden sich Sonderregelungen, die diejenigen der Insolvenzordnung vorgehen sowie teilweise Sondervorschriften zu den Vorschriften der §§ 5 ff. SchVG darstellen. § 19 Abs. 1 SchVG regelt das Verhältnis zwischen dem SchVG und der Insolvenzordnung, indem er eine Rangordnung zwischen den beiden Regelungsmaterien

136

Preuße/Scherber, § 19 Rn. 13. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 6. 138 Außerhalb des Anwendungsbereichs der EUInsVO sind die deutschen Gerichte gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO zuständig, wenn der Schuldner hier seinen allgemeinen Gerichtsstand oder den Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit hat, Uhlenbruck/Pape, § 3 Rn. 20. 139 FK/Friedl, § 19 Rn. 13. 140 Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktecht, § 19 SchVG Rn. 1. 141 Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 179. 142 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 5. 137

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

festlegt.143 Ziel ist, die aus der Anwendbarkeit beider Regelwerke resultierende Gemengelage zu entschärfen und Auslegungsschwierigkeiten im Interesse einer effizienten Durchführung des Insolvenzverfahrens unter der Beteiligung von Anleihegläubigern zu reduzieren.144 Ab Eröffnung des Verfahrens sollen laut Gesetzgeber die Vorschriften der Insolvenzordnung in ihrem Anwendungsbereich denen des SchVG vorgehen, soweit in den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes geregelt ist.145 § 19 SchVG ist als eine insolvenzrechtlich zu qualifizierende Regelung damit lex specialis zu den übrigen Vorschriften der Insolvenzordnung.146 Trifft die Insolvenzordnung zu einzelnen Fragen keine Regelung, sind die Vorschriften des SchVG anwendbar, wenn sie der Insolvenzordnung nicht widersprechen. So finden etwa die schuldverschreibungsrechtlichen Vorschriften zum Innenverhältnis zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den Anleihegläubigern auch nach Insolvenzeröffnung weiterhin Anwendung. Daneben ist das SchVG anwendbar, soweit dies § 19 SchVG selbst zulässt. Die Reichweite des Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung ist auf Grund der unbestimmten Formulierung umstritten und Ursache zahlreicher Unklarheiten bei der Abwicklung eines Insolvenzverfahrens, wie im Folgenden zu zeigen ist. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG können die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG muss das Insolvenzgericht zu diesem Zweck eine Gläubigerversammlung nach den Vorschriften des SchVG einberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger noch nicht bestellt wurde. Nachdem nach alter Rechtslage streitig war, ob die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzfall zwingend erfolgen musste,147 hat der Gesetzgeber mit der Reform des SchVG klargestellt, dass die Gläubiger nicht verpflichtet sind, diesen Schritt zu gehen.148 Er betont aber gleichzeitig, dass eine Bestellung eines gemeinsamen Vertreters wünschenswert ist.149 Denn der gemeinsame Vertreter dient nicht nur den Interessen der Anleihegläubiger, sondern dem praktischen Bedürfnis nach einem einzigen Ansprechpartner im Insolvenzverfahren.150 Die Versammlung der Anleihegläubiger nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG ist strikt von den Insolvenzgläubigerversammlungen zu trennen. Sie ist unabhängig von dem 143

Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 4. FK/Friedl, § 19 Rn. 6; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 5. 145 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 146 FK/Friedl, § 19 Rn. 6; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 5; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 12. 147 So Delhaes, FS Metzeler, S. 39, 48; FK/Friedl, § 19 Rn. 2; a.A. Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 5; Vogel, Die Vergemeinschaftung der Anleihegläubiger, S. 204. 148 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 149 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 150 Thole, ZIP 2014, 293, 296. 144

C. Der Anleihegläubiger in der Insolvenz

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Berichts- und Prüfungstermin nach § 156 InsO und darf diesen nicht vorwegnehmen.151 Da sich die Beschlüsse der Gläubiger nach Insolvenzeröffnung gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG nach der Insolvenzordnung richten, können die Gläubiger ohne besondere Anforderungen an die Beschlussfähigkeit der Gläubigerversammlung einen gemeinsamen Vertreter mit einfacher Mehrheit bestellen. Gem. § 19 Abs. 3 HS. 1 SchVG ist ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Ist ein gemeinsamer Vertreter bestellt, sind die einzelnen Gläubiger nicht mehr befugt, ihre Rechte im Insolvenzverfahren selbst zu verfolgen. Die Möglichkeit des § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG, wonach einzelne Gläubiger zur selbständigen Geltendmachung durch Mehrheitsbeschluss weiterhin befugt sind, schließt der Gesetzgeber ausdrücklich aus.152 Mit der Bündelung der Rechte in der Person des gemeinsamen Vertreters verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, ein Insolvenzverfahren auch unter Beteiligung einer sehr großen Anzahl von Anleihegläubigern rechtssicher und zügig durchzuführen und dabei die Gleichbehandlung aller Gläubiger zu gewährleisten.153

C. Der Anleihegläubiger in der Insolvenz – die unterschiedlichen Leitbilder des SchVG und der InsO I. Der anonyme Anleihegläubiger als Leitbild des SchVG 1. Handel mit Schuldverschreibungen Der Geltungsbereich des SchVG erfasst ausschließlich austauschbare und am Kapitalmarkt handelbare Schuldverschreibungen. Die in § 1 Abs. 1 SchVG geforderte Gleichartigkeit aller Schuldverschreibungen schafft die Voraussetzung für deren Verkehrsfähigkeit.154 Die Aufrechterhaltung der inhaltlichen Austauschbarkeit aller Wertpapiere einer Emission und der Schutz der damit einhergehenden Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts ist ein wesentliches Grundprinzip des SchVG.155 Die Abwicklung des Handels mit Kapitalmarkttiteln erfolgt völlig anonym. Da private Anleger keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben, werden die Transaktionen unter Mitwirkung einer Bank oder eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens als Marktintermediär abgewickelt.156 Hierbei verpflichtet sich die Bank regelmäßig im 151 152 153 154 155 156

HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 26. BT-Drs. 16/12814 S. 25. BT-Drs. 16/12814 S. 25. BT-Drs. 16/12814 S. 18. BT-Drs. 16/12814 S. 17. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 4.1.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

Rahmen eines Kommissionsvertrages157 im eigenen Namen und für Rechnung des Anlegers Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern.158 Dazu schließt die Bank mit einem anderen zum Börsenhandel zugelassenen Handelsteilnehmer einen Wertpapierkaufvertrag ab.159 Wegen der zwischengeschalteten Marktintermediäre kennen sich Verkäufer und Käufer nicht, das Computerhandelssystem XETRA führt automatisch Angebot und Nachfrage zusammen.160 Sind die Wertpapiere wie üblich zur Girosammelverwahrung bei Clearstream zugelassen, erfolgt die Abwicklung der Transaktionen im Rahmen des von Clearstream organisierten Effektengiroverkehrs durch Umbuchung vom einen Wertpapierkonto auf das andere – ohne körperliche Bewegung von Wertpapierurkunden – „stückelos“.161 Die Ausgestaltung der Anleihe als handelbares Wertpapier sowie die Mechanismen des Effektengiroverkehrs führen dazu, dass die Gläubiger des Emittenten fortwährend anonym bleiben.162 Anders als bei einer Zession, bei der der Schuldner etwa durch Abtretungsanzeige vom Wechsel des Forderungsinhabers Kenntnis erlangt, ist ein Wesensmerkmal der Inhaberschuldverschreibung, dass der Emittent nicht weiß, wem gegenüber er sein einseitiges Leistungsversprechen zu erfüllen hat, solange derjenige durch Innehabung des Papiers legitimiert ist. Das Anleiheschuldverhältnis ist kein „personengeprägtes Rechtsverhältnis“.163 Ist die Anleihe wie üblich als Inhaberschuldverschreibung begeben, die ein Vermögensrecht verbrieft, ohne den Namen des Berechtigten zu nennen, kann jeder Inhaber der Urkunde das Recht geltend machen.164 Auf die Person kommt es dabei nicht an. Auch die Einlösung von Zinszahlungen und rückzahlbaren Wertpapieren erfolgt über das Clearingsystem ohne direkten Kontakt zwischen Anleger und Emittenten völlig anonym: Im Rahmen des mit dem Anleger abgeschlossenen Depotvertrags verwahren und verwalten die Banken die Wertpapiere. Die depotverwahrende Bank übernimmt gem. Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte165 Inkassofunktion und kümmert sich für ihre Kunden um die Einlösung von Zins-, Ge157

Lenenbach, Kapitalmarktecht, Rn. 6.128. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 4.46. 159 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 4.46. 160 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.8. 161 Kümpel/Wittig/Will, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 18.191; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 6.120. 162 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 105. 163 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 105. 164 MüKoBGB/Habersack, Vor § 793 Rn. 14. 165 Für alle Wertpapiertransaktionen, den Kauf, Verkauf und die Verwahrung von Wertpapieren hat die Bankpraxis die sog. Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte geschaffen, die neben den sog. AGB-Banken von allen Kreditinstituten – mit Ausnahme der Postbank – einheitlich verwendet werden, Bunte/ders., AGB-Banken, SB Wertpapiergeschäfte, Rn. 21; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bergmann, Bankrechts-Kommentar, Kap. 36 Rn. 15. 158

C. Der Anleihegläubiger in der Insolvenz

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winnanteils- und Ertragsscheinen sowie von rückzahlbaren Wertpapieren bei deren Fälligkeit, ohne dass es eines weiteren Kundenauftrags bedarf.166 Die hierfür erforderliche Inkassoermächtigung wird aus Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte hergeleitet.167 Werden die Wertpapiere von Clearstream sammelverwahrt, erfüllt diese gem. Nr. XIV bis XVIII der AGB der Clearstream Banking AG die Verwaltungspflichten.168 Zur Einlösung der Wertpapiere legt Clearstream dem Emittenten die Dauerglobalurkunde vor und schreibt den Banken, die bei ihr Depotkonten unterhalten, die Beträge unter dem Vorbehalt gut, dass sie ihrerseits den Betrag vom Emittenten erhält.169 Die Abwicklung der Zahlungen von Kapital und Zinsen auf die Schuldverschreibung erfolgt über die zwischengeschaltete Zahlstelle an Clearstream oder an deren Order zur Gutschrift auf die Konten der jeweiligen Kontoinhaber von Cleastream (= depotführende Banken).170 Die Depotbanken leiten die von Clearstream erhaltenen Beträge entlang der Verwahrkette an ihre Kunden weiter. 2. Leitbild des Schuldverschreibungsrechts Der Emittent hat kein vollständiges Bild über seine jeweils aktuelle Gläubigerstruktur. Zwar könnte er auf Teilnehmerverzeichnisse bereits durchgeführter Anleihegläubigerversammlungen zurückgreifen, die gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 SchVG die Stammdaten der erschienenen Gläubiger enthalten, doch stellen diese auf Grund der oft in der Praxis niedrigen Teilnehmerzahlen171 sowie des jederzeit möglichen Wechsels der Inhaberschaft keine verlässliche Informationsquelle dar. Ein Vorschlag aus der Literatur, auf ein vom Schuldner geführtes Register zu den Anleihegläubigern als Informationsquelle zurückzugreifen, geht an der Praxis vorbei.172 Es ist nicht klar, woher der Schuldner die hierfür erforderlichen Informationen beziehen soll. Im Regelfall übernehmen die Emissionsbanken die Wertpapiere fest und verpflichten sich zu deren Platzierung am Kapitalmarkt, der Emittent hat zu keinem Zeitpunkt unmittelbaren Kontakt zu seinen Anleihegläubigern. Nur die depotverwaltenden Banken wären in der Lage anhand ihrer Buchungsunterlagen die tatsächlichen Inhaber der Anleihe zu ermitteln, dürfen aber wegen des Bankgeheimnisses deren Identität ohne Einwilligung nicht preisgeben. Nach Nr. 2 Abs. 1 AGB-Banken ist die Bank zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen 166

Bunte/ders., AGB-Banken, SB Wertpapiergeschäfte, Rn. 126; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Binder, Bankrechts-Kommentar, Kap. 38 Rn. 73. 167 Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, § 72 Rn. 175; dabei tritt die Bank als Bevollmächtigter der Hinterleger auf und nimmt in deren Namen Zahlungen für eingelöste Wertpapiere entgegen, BGHZ 26, 167, 171 f., 174. 168 Schimansky/Bunte/Lwowski/Klanten, Bankrechts-Handbuch, § 72 Rn. 168. 169 MüKoHGB/Einsele, Depotgeschäft, Rn. 166. 170 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 15. 171 BT-Drs. 16/12814 S. 14; vgl. Mühe, BKR 2017, 50, 50. 172 Dies vorschlagend Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 8; Horn, BKR 2014, 449, 450.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

Daten und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt. Bereits die Information über das Bestehen der Geschäftsverbindung als solche darf ohne Einwilligung nicht weitergegeben werden. Doch selbst wenn alle Anleihegläubiger ihre Depotbanken vom Bankgeheimnis befreit haben, erfordert eine Anfrage des Schuldners bei den depotführenden Banken ihm die Kontaktdaten mitzuteilen, über die Verwahrkette viel Zeit und Aufwand.173 Eine Ermittlung der Kontaktdaten unter Zuhilfenahme der Depotbanken macht nur Sinn, wenn sichergestellt ist, dass sich der Gläubigerbestand nicht mehr verändert.174 Dies ist der Fall, wenn der anonyme Handel der Anleihe über die Börse eingeschränkt ist.175 Als Gläubigerorganisationsrecht trägt das SchVG der Besonderheit des anonymen Wertpapierinhabers Rechnung. Dem darin verankerten Prinzip der Vergemeinschaftung liegt der unbekannte Gläubiger als Leitbild zu Grunde. Die Möglichkeit der Gläubiger, gesamtverbindliche Mehrheitsbeschlüsse für alle Anleihegläubiger unabhängig davon zu fassen, ob diese an der Beschlussfassung teilgenommen, dafür oder dagegen gestimmt haben, macht die anonyme Masse der Anleger handlungs- und kommunikationsfähig. Das Prinzip der Vergemeinschaftung löst nicht nur die Kollektivhandlungsprobleme, sondern lässt die große Gruppe der Anleihegläubiger gegenüber dem Emittenten wie eine gedachte einzelne Person, dem „single owner“, auftreten.176 Daneben trägt die Institution des gemeinsamen Vertreters den anonymen Anleiheinhabern Rechnung. Durch die Bündelung der Interessen in einer Person wird die Kommunikation zwischen Gläubiger und Emittenten durch den gemeinsamen Vertreter als „Mund und Ohr“ der Gläubigerversammlung ermöglicht.177 Dank der Konzentration der Interessen und Rechte auf eine einzige Person hat ein zwischenzeitlicher Wechsel innerhalb der Anleihegläubigerstruktur keine Auswirkung. Auch die Vorschriften zur Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung belegen das Leitbild des anonymen Wertpapierinhabers, indem § 12 Abs. 2 SchVG auf eine persönliche Einladung verzichtet. Die Einberufung einer Gläubigerversammlung wird unverzüglich im elektronischen Bundesanzeiger öffentlich bekannt gegeben.178 Um daran teilnehmen zu dürfen, müssen die Anleihegläubiger in Form eines Depotauszugs samt Bescheinigung eines Sperrvermerks

173

Vgl. BT-Drs. 16/12814 S. 22. Siehe hierzu auch S. 50. 175 Zur Einschränkung der Handelbarkeit siehe ausführlich S. 90, 93 ff. 176 FK/Friedl/Schmidtbleicher, § 4 Rn. 6; Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 202. 177 FK/Wöckener, § 7 Rn. 6. 178 Über hier veröffentlichte Einberufungen informieren auch regelmäßig die Depotbanken ihre Kunden, FK/Schmidtbleicher, § 12 Rn. 9. 174

C. Der Anleihegläubiger in der Insolvenz

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gem. § 10 Abs. 3 SchVG den Nachweis erbringen, dass ihnen im Zeitpunkt der Abstimmung die Rechte aus der Schuldverschreibung tatsächlich zustehen.179

II. Der bekannte Insolvenzgläubiger als Leitbild der Insolvenzordnung 1. Bestmögliche Gläubigerbefriedigung/Gläubigerselbstverwaltung Hauptziel eines Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche, gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger, § 1 Abs. 1 Satz 1 InsO.180 Dieses unterscheidet das Insolvenzverfahren von der Einzelzwangsvollstreckung.181 Nach dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ist das verbliebene Schuldnervermögen gleichmäßig und damit anteilig auf alle Insolvenzgläubiger zu verteilen.182 Aus der materiellrechtlichen Orientierung des Insolvenzverfahrens an der gemeinschaftlichen Befriedigung folgt das Prinzip der Gläubigerautonomie. Die in ihren Vermögensinteressen betroffenen Gläubiger entscheiden danach über Form und Art der Masseverwertung sowie über den Gang des Verfahrens.183 Hierfür stehen den Gläubigern eine Reihe von Befugnissen durch verschiedenste Antrags-, Stimm-, Einsicht-, Anhörungs-, Informations- und Prüfungsrechte sowie Widerspruchs- und Beschwerderechte zu.184 Die Entscheidungen der Gläubiger müssen sich am gemeinsamen Interesse aller Insolvenzgläubiger messen, vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 InsO, was angesichts der gegenläufigen Interessen innerhalb der zu einer Zwangsgemeinschaft zusammengeschlossen Gläubiger im Einzelfall oft schwierig zu ermitteln ist.185 Das umfassendste Organ der Gläubigerselbstverwaltung ist die Gläubigerversammlung gem. §§ 74 bis 79 InsO, die die wesentlichen Grundentscheidungen des Verfahrens trifft.186 Das zweite Organ der Gläubigerautonomie ist der Gläubigerausschuss nach §§ 67, 69 InsO. Er soll die Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwalterhandelns kontrollieren und ihn bei seiner Ge179 Veranneman/Wasmann/Steber, § 10 Rn. 11; ähnlich Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 10 Rn. 16; a.A. FK/Schmidtbleicher, § 10 Rn. 10 f., wonach der Sperrvermerk nur bis zum Ende der Anmeldungsfrist dauern muss. 180 MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 1 Rn. 20. 181 MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 1 Rn. 51. 182 MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 1 Rn. 52; die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger stellt § 87 InsO sicher, wonach der Schuldner während der Dauer des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung in Anspruch genommen werden kann, Uhlenbruck/Mock, § 87 Rn. 1. 183 HmbKomm/A. Schmidt, § 1 Rn. 50; MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 1 Rn. 53. 184 HmbKomm/Lüdtke, § 38 Rn. 58; ausführlich hierzu Gottwald/Klopp/Kluth/Pechartscheck, Insolvenzrechts-Handbuch, § 19 Rn. 2 ff. 185 Uhlenbruck/Knof, § 78 Rn. 10. 186 Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, Rn. 17.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

schäftsführung unterstützen.187 Die Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses im Eröffnungsverfahren nach §§ 22a, 56a InsO durch das ESUG ermöglicht den Gläubigern bei der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters und einer möglichen Anordnung einer Eigenverwaltung mitzuwirken.188 Damit die Gläubiger zum frühestmöglichen Zeitpunkt in das Verfahren einbezogen werden können, regelt der durch das ESUG neu eingeführte § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO, dass der Schuldner seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Verzeichnis seiner Gläubiger und ihrer Forderungen verpflichtend beifügen muss.189 Daneben ist zu Informationszwecken der Eröffnungsbeschluss, der neben der Festlegung des Berichts- und Prüfungstermins die Aufforderung zur Forderungsanmeldung enthält, nach § 30 Abs. 2 InsO den Gläubigern des Schuldners besonders zuzustellen.190 2. Leitbild des Insolvenzrechts Das Prinzip der Gläubigerselbstverwaltung setzt voraus, dass die wesentlichen Gläubiger bekannt sind. Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens wäre unmöglich, wenn diese Gläubiger anonym und nicht ohne weiteres in das Verfahren einzubeziehen sind. Die neben der öffentlichen Bekanntmachung nach § 30 Abs. 2 InsO besondere Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an jeden Gläubiger macht den der Insolvenzordnung zu Grunde liegende Inbegriff des individualisierbaren Gläubigers deutlich. Der Fall, dass der Schuldner seine Gläubiger nicht kennt, ist in der Insolvenzordnung nicht vorgesehen. Die Insolvenzordnung ist wie das SchVG grundsätzlich auf eine Vielzahl von Gläubigern eingestellt, indem repräsentative Gläubigerorgane gebildet werden, die einen geordneten Verfahrensablauf sicherstellen.191 Im Gegensatz zum SchVG ist die Insolvenzordnung aber nicht auf eine stark fluktuierende Gläubigerstruktur ausgerichtet. Die Systematik des Forderungsanmeldungs- und Feststellungsverfahrens der Insolvenzordnung basiert auf der Annahme des bekannten und beständigen Gläubigers. Die Teilnahme der Insolvenzgläubiger am Verfahren erfolgt nach § 87 InsO durch Anmeldung ihrer Forderungen zur Tabelle gem. §§ 174 ff. InsO. Nach § 178 Abs. 3 InsO wirkt die Eintragung von festgestellten Forderungen in die Tabelle wie ein rechtskräftiges Urteil. Die Rechtskraftwirkung der Feststellung setzt voraus, dass zur Bestimmung deren Reichweite der Rechtsgrund der festgestellten Forderung hinreichend bestimmt ist, wozu auch die Angabe der Person des Forderungsberechtigten gehört.192 Eine angemeldete und festgestellte Forderung gem. § 77 Abs. 1 187 188 189 190 191 192

HmbKomm/A. Schmidt, § 1 Rn. 52. HmbKomm/A. Schmidt, § 1 Rn. 52. BT-Drs. 17/5712 S. 22 f. K. Schmidt/Keller, § 30 Rn. 2. Beck/Depré/Holzer, Praxis der Insolvenz, § 3 Rn. 176. Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 25; § 177 Rn. 14.

D. Zusammenfassung

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Satz 1 InsO begründet das Stimmrecht in der Gläubigerversammlung.193 Ändert sich die Person des Forderungsberechtigten, liegt darin eine Änderung des Grunds des Anspruchs nach § 174 Abs. 2 InsO.194 Will der neue Gläubiger am Verfahren teilnehmen, muss die Tabelle geändert werden, da sonst der Altgläubiger teilnahmeberechtigt bleibt. Wie bei einem Gläubigerwechsel verfahrensrechtlich vorzugehen ist, hat die Insolvenzordnung nicht einmal ausdrücklich geregelt.195

III. Ergebnis Der Vergleich der zu Grunde liegenden Leitbilder des Gläubigers macht die Unterschiede zwischen dem SchVG und der Insolvenzordnung deutlich. Während es im Schuldverschreibungsrecht bei der Koordination der unbekannten Gläubiger darum geht, Kollektivhandlungsprobleme zu lösen und Sanierungsmaßnahmen unter Vermeidung des Einstimmigkeitsprinzips zu ermöglichen, geben die Gläubiger als Hauptakteure im Insolvenzverfahren die Leitlinien der Verfahrensabwicklung vor. Das SchVG ist auf den unbekannten Gläubiger als Teil eines breiten Anlegerpublikums ausgelegt. Die Insolvenzordnung hingegen geht von dem bekannten und erreichbaren Gläubiger aus, der individuell am Verfahren beteiligt wird. Ihre Systematik ist auf den in der Person beständigen Gläubiger ausgerichtet.

D. Zusammenfassung Die Anleihe als Gesamtheit einer Vielzahl gleichartiger Schuldverschreibungen ist ein fungibles und an den Kapitalmärkten handelbares Wertpapier. Die Rechtsnatur der Schuldverschreibung als abstraktes Schuldversprechen und dessen Begründung durch die Begebung der Anleihe im Rahmen einer Fremdemission führen dazu, dass der Emittent mit einer Vielzahl ihm in der Regel nicht bekannten Anleihegläuigern in Rechtsbeziehung tritt. Ist der Anwendungsbereich des SchVG eröffnet, finden in der Insolvenz des Emittenten sowohl das SchVG als auch die Insolvenzordnung Anwendung. Das Verhältnis zwischen den beiden Regelungsmaterien regelt § 19 SchVG, der neben dem grundsätzlichen Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung vorrangig zu beachtende Sonderregelungen trifft. Als insolvenzrechtlich zu qualifizierende Rege-

193 Anderes gilt für Gläubigerversammlungen, die vor dem Ende der Anmeldefrist nach § 28 Abs. 1 InsO stattfinden, dann ist die Forderungsanmeldung keine Voraussetzung für die Stimmberechtigung, K. Schmidt/Jungmann, § 77 Rn. 2; MüKoInsO/Ehricke § 77 Rn. 6; KPB/ Kübler, § 77 Rn. 29; a.A. HmbKomm/Preß § 77 Rn. 4. 194 Uhlenbruck/Sinz, § 177 Rn. 14. 195 Schreiber/Birnbreier, ZInsO 2009, 2377, 2377.

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Kap. 1: Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

lung findet § 19 SchVG im Insolvenzfall unabhängig von einem entsprechenden Opt-in in den Anleihebedingungen Anwendung. SchVG und Insolvenzordnung liegen diametral entgegengesetzte Leitbilder zu Grunde. Während das Schuldverschreibungsrecht als Organisationsrechts der Anleihegläubiger mit dem Prinzip der Vergemeinschaftung und der Institution des gemeinsamen Vertreters einer Vielzahl unbekannter und wechselnder Anleihegläubiger Rechnung trägt, gründet die Systematik der Insolvenzordnung auf den bekannten und in seiner Person beständigen Gläubiger.

Kapitel 2

Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren Das zweite Kapitel untersucht die Frage, ob und wenn ja wie trotz konträrer Leitbilder des Gläubigers beider Regelungsmaterien Anleihegläubiger unter Beachtung der insolvenzverfahrensrechtlichen Vorgaben in das Insolvenzverfahren einbezogen werden können. Dies soll anhand des zeitlichen Ablaufs von Insolvenzverfahren geprüft werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Anleihegläubiger einen gemeinsamen Vertreter bereits vor Antragstellung bestellt haben oder jeder Anleihegläubiger seine Rechte im Insolvenzverfahren individuell wahrnimmt.

A. Insolvenzeröffnungsverfahren I. Schuldnerantrag 1. Gläubigerverzeichnis nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO Mit Einführung des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO hat der Gesetzgeber die Einreichung eines Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses zur Zulässigkeitsvoraussetzung erhoben.1 Danach muss der Schuldner bereits mit dem Eröffnungsantrag ein Verzeichnis seiner Gläubiger und deren Forderungen beifügen. Ziel des Gesetzgebers war, dem Insolvenzgericht die Einbeziehung der Gläubiger bereits in einem frühen Verfahrensstadium, insbesondere bei der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zu erleichtern.2 § 13 InsO konkretisiert die inhaltlichen Anforderungen an die Verzeichnisse nicht. Die Gesetzesbegründung fordert lediglich, dass über die vorhandenen Gläubiger und die Höhe deren Forderungen Mitteilung zu machen ist.3 Die Angaben über die beteiligten Gläubiger müssen so konkret sein, dass sie ohne

1 Auch bereits vor Einführung des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO musste der Schuldner im Rahmen seiner allgemeinen Auskunfts- und Mitwirkungspflicht gem. § 20 InsO dem Insolvenzgericht ein Verzeichnis seiner Gläubiger vorlegen, K. Schmidt/Hölzle, § 20 Rn. 11; die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners bestehen gem. § 20 Abs. 1 InsO jedoch nur, wenn der Eröffnungsantrag zulässig ist, MüKoInsO/Schmahl/Vuia, § 20 Rn. 11. 2 BT-Drs. 17/5712 S. 23. 3 BT-Drs. 17/5712 S. 23.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

weiteres individualisierbar sind.4 Neben der Angabe des Namens bzw. der Firmenbezeichnung ist nach zutreffender herrschender Ansicht auch die ladungsfähige Anschrift der Gläubiger mitzuteilen.5 Reicht der Schuldner kein oder ein unvollständiges Verzeichnis ein, setzt das Gericht ihm eine Frist zur Nachbesserung.6 Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht fristgemäß nach, kann der Antrag als unzulässig abgewiesen werden.7 Die Rechtsfolge eines nicht vorhandenen bzw. unvollständigen Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses lässt die Insolvenzordnung offen. In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit, dass das vollständige Fehlen eines Verzeichnisses stets zur Unzulässigkeit des Antrags führt.8 Ist das Verzeichnis lediglich unvollständig, wird dessen Zulässigkeit laut Gesetzesbegründung dann nicht berührt, wenn trotz gebührender Anstrengungen des Schuldners bei der Zusammenstellung des Verzeichnisses vereinzelte Gläubiger oder einzelne Forderungen fehlen.9 In diesem Fall hat der Schuldner darzulegen, was er im Einzelnen unternommen hat, um den gesetzlichen Vorgaben zu genügen.10 Wann die Schwelle zur Unzulässigkeit gleichwohl überschritten ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert.11 In der Praxis sind eingereichte Verzeichnisse häufig unvollständig.12 Die hohen inhaltlichen Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO stehen im Spannungsverhältnis zu der dem Gläubigerschutz dienenden Insolvenzantragspflicht gem. § 15a InsO. Einerseits strebt der Gesetzgeber zur Sicherung der Insolvenzmasse eine frühzeitige Antragstellung an, andererseits können die hohen Anforderungen an einen zulässigen Antrag dem aber entgegenstehen. Daher kann die Schwelle zur Unzulässigkeit erst dann überschritten sein, wenn das Gläubigerverzeichnis derart unzureichend ist, dass eine Beteiligung der Gläubiger wegen zahlreich fehlender Namen oder Anschriften nicht möglich ist oder das Verzeichnis ein gänzlich un-

4

Blankenburg, ZInsO 2013, 2196, 2196; HmbKomm/Linker, § 13 Rn. 28; Uhlenbruck/ Wegener, § 13 Rn. 100. 5 AG Hannover 08. 07. 2015 909 IN 407/15 ZIP 2014, 2088; LG Potsdam 04. 09. 2013 2 T 58/13 ZInsO 2013, 2501; HRI/Neußner, § 6 Rn. 76; KPB/Pape, § 13 Rn. 120; Nerlich/Römermann/Mönning, § 13 Rn. 81; Uhlenbruck/Wegener, § 13 Rn. 100; a.A. Blankenburg, ZInsO 2013, 2196, 2196 f.; MüKoInsO/Haarmeyer, § 22a Rn. 88; so wohl auch HmbKomm/Linker, § 13 Rn. 28. 6 K. Schmidt/Gundlach, § 13 Rn. 19. 7 AG Mönchengladbach 04. 10. 2012 45 IN 90/12 ZInsO 2012, 2299; K. Schmidt/Gundlach, § 13 Rn. 19. 8 Ausführlich hierzu Blankenburg, ZInsO 2013, 2196, 2198 m.w.N.; laut Gesetzgeber soll dies nur in der Regel zur Unzulässigkeit führen, BT-Drs. 17/5712 S. 23. 9 BT-Drs. 17/5712 S. 23; von einer Unzulässigkeit hingegen ausgehend wohl Obermüller, ZInsO 2012, 18, 19. 10 Uhlenbruck/Wegener, § 13 Rn. 103. 11 HRI/Ampferl, § 9 Rn. 72; Müller/Rautmann, ZInsO 2012, 918, 920. 12 FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 34;

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zutreffendes Bild über die Gesamtgläubiger vermittelt.13 Erst dann besteht die Gefahr, dass verfahrensleitende Entscheidungen unter Ausschluss großer Teile der Gläubiger getroffen werden.14 2. Umsetzbarkeit bei Beteiligung nicht vertretener Anleihegläubiger a) Problemstellung Der Schuldner kennt die Anleihegläubiger nicht in persona, nur der GesamtNennbetrag der emittierten Anleihe sowie fällige Zinszahlungen und damit die Gesamthöhe aller Anleiheforderungen sind ihm bekannt. Auch eine vom Gericht zu setzende Frist zur Nachbesserung würde ins Leere laufen. Kann eine ganze Gläubigergruppe nicht genannt werden, ist unklar, ob damit bereits die Schwelle zur Unzulässigkeit überschritten ist. Nach den oben beschriebenen Grundsätzen müssten Insolvenzanträge von Emittenten regelmäßig als unzulässig eingestuft werden. Zum Schutz der Gläubiger ist dies aber in der Praxis nicht hinnehmbar, da sonst eine rechtzeitige Sicherung der Insolvenzmasse durch das Insolvenzgericht und eine frühe Sanierung bereits im Ansatz wesentlich verzögert werden würden. Es ist unklar, ob der Emittent Maßnahmen ergreifen muss, um darlegen zu können, dass er die zur Erfüllung der inhaltlichen Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO gebotenen Anstrengungen unternommen hat. b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern Auf Grund des Bankgeheimnisses ist es dem Schuldner nicht möglich, die persönlichen Daten der Anleihegläubiger ohne deren Mitwirkung zu ermitteln. Dem Emittenten bleibt theoretisch nur der Informationsweg entlang des Clearingsystems, um den Anleihegläubigern im Vorfeld der Antragstellung eine Anfrage zur freiwilligen Mitteilung ihrer Kontaktdaten zu übermitteln. Die Depotbanken sind gem. Nr. 16 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte verpflichtet, Informationen des Emittenten an ihre Kunden weiterzuleiten.15 Doch ist die Kommunikation entlang der Verwahrkette in der Praxis nicht umsetzbar, da diese eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, die Antragstellung nach Eintritt der Insolvenzreife aber unverzüglich erfolgen muss. Befindet sich die Anleihe im Streubesitz, ist ebenso wenig eine Durchsicht der Teilnehmerverzeichnisse vergangener Anleihegläubigerversammlungen gem. § 15 Abs. 1 SchVG wegen deren fehlender Aktualität und Vollständigkeit zielführend, dem Gericht einen Überblick über die aktuelle Gläubigerstruktur zu verschaffen. Die 13

Uhlenbruck/Wegener, § 13 Rn. 104, 136 m.w.N. KPB/Pape, § 13 Rn. 123. 15 Bunte/ders., AGB-Banken, SB Wertpapiergeschäfte, Rn. 143; Scherer/ders., DepotG, Vor § 1 Rn. 28; ausführlich zur Weiterleitungspflicht der Depotbanken siehe auch S. 71 f. 14

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO ist somit bei einer Vielzahl unbekannter Privatanleger nicht umsetzbar. c) Lösungsansätze Obwohl eine große Gläubigergruppe nicht genannt werden kann, ist – entsprechend dem gesetzgeberischen Willen die Unzulässigkeit von Anträgen grundsätzlich zu vermeiden – 16 der Schuldnerantrag dennoch zulässig: Die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO kann bei der Beteiligung nicht vertretener Anleihegläubiger in der Form keine Anwendung finden, da sie auf eine Vielzahl von Gläubigern nicht zugeschnitten ist. Denn selbst wenn der Schuldner in der Lage wäre, sämtliche Anleihegläubiger zu ermitteln und diese im Verzeichnis anzugeben, würde der Zweck des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO, dem Gericht bzw. insbesondere dem Insolvenzverwalter einen Überblick über sämtliche Gläubiger zu verschaffen, nicht erreicht werden. Vielmehr würde entgegen der Vorstellung des Getzgebers ein solches Verzeichnis dem Insolvenzgericht die zügige Ermittlung von zur Mitarbeit im vorläufigen Gläubigerausschuss bereiten Personen, bei einer Vielzahl von Privatanlegern nicht erleichtern, sondern erschweren. In der gebotenen Eile ist es regelmäßig nicht möglich, nur anhand des Verzeichnisses unter der Vielzahl von Anleihegläubigern einen mitwirkungsbereiten Gläubiger zu finden. In der Praxis greift das Gericht für die Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses wegen der Eilbedürftigkeit daher regelmäßig auf die vom Schuldner vorgeschlagenen Personen zurück.17 Der mit Blick auf die Anleihegläubiger insoweit zu weite Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO ist daher im Wege einer teleologischen Reduktion einzugrenzen, wonach der Emittent nur verpflichtet ist, die Kontaktdaten solcher Anleihegläubiger anzugeben, die ihm im Zeitpunkt der Antragstellung bekannt sind. Zwar besteht auch hier die Gefahr, dass Gläubiger in das Verzeichnis aufgenommen werden, die ihre Schuldverschreibungen zwischenzeitlich bereits weiterveräußert haben könnten. Dennoch sollten Gläubiger, die dem Schuldner bekannt sind, in das Verzeichnis aufgenommen werden, da es sich hierbei regelmäßig um Großgläubiger handeln dürfte, die bereits vor Antragstellung in Erscheinung getreten sind. Eine darüber hinaus gehende Ermittlungspflicht des Emittenten besteht nicht. Sie verfehlt ihren Zweck, da sich die Gläubigerstruktur in Folge der weiteren Handelbarkeit jederzeit ändern kann. 3. Umsetzbarkeit bei Beteiligung vertretener Anleihegläubiger Fraglich ist, ob an Stelle der Anleihegläubiger der gemeinsame Vertreter in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen werden kann. Das Insolvenzverfahren gehört 16 17

Müller/Rautmann, ZInsO 2012, 918, 920. Siehe hierzu S. 58 f.

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als Vollstreckungsverfahren zur streitigen Gerichtsbarkeit.18 Soweit die Insolvenzordnung keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält, sind nach § 4 InsO die Vorschriften der Zivilprozessordnung für das Insolvenzverfahren anwendbar. Die Vorschriften über Partei-, Prozessfähigkeit und Vertretung (§§ 50 ff., 80 ff. ZPO) gelten im Insolvenzverfahren entsprechend.19 Gläubiger können sich im Insolvenzverfahren zur Wahrnehmung ihrer Teilnahmerechte grundsätzlich vertreten lassen. § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO setzt voraus, dass die Gläubiger anhand der Angaben im Gläubigerverzeichnis individualisierbar sein müssen. Wird anstatt des Gläubigers dessen Vertreter in das Verzeichnis aufgenommen, ist das Ziel des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO einer frühestmöglichen Einbeziehung der Gläubiger in das Verfahren erreicht, über den Vertreter wird der individuelle Gläubiger gleichermaßen einbezogen. Sollte nur der Vertreter des Gläubigers bekannt sein, ist § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO analog auf diesen anzuwenden. Der Gesetzgeber hatte die besondere Situation des unbekannten Anleihegläubigers beim Erlass des § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht vor Augen, so dass hier eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Es stand zu diesem Zeitpunkt die erste Insolvenz eines Mittelstandsanleiheemittenten noch bevor,20 so dass die rechtlichen Probleme bei der Beteiligung anonymer Kapitalanleger nicht erkannt werden konnten. Dem gemeinsamen Vertreter muss die früheste Möglichkeit gegeben sein, in das Insolvenzverfahren einbezogen zu werden. Die Angabe des gemeinsamen Vertreters im Gläubigerverzeichnis ist zulässig. 4. Ergebnis Das Erstellen eines vollständigen Gläubiger- und Forderungsverzeichnisses nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO ist nicht möglich, diese Regelung ist auf den besonderen Fall einer Vielzahl von unbekannten Gläubigern nicht zugeschnitten. Trotz des in § 19 Abs. 1 SchVG angeordneten vorrangigen Anwendungsbefehls der insolvenzrechtlichen Vorschriften kann § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO in der Form bei der Beteiligung nicht vertretener Anleihegläubiger keine Anwendung finden. Der Emittent ist nur verpflichtet, die ihm im Zeitpunkt der Antragstellung bekannten Gläubiger im Verzeichnis zu benennen. Ist ein gemeinsamer Vertreter gewählt, ist dieser gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO analog in das Gläubigerverzeichnis aufzunehmen.

18 K. Schmidt/Stephan, § 4 Rn. 2; MüKoInsO/Ganter/Lehmann, § 4 Rn. 3; Uhlenbruck/ Pape, § 4 Rn. 1. 19 K. Schmidt/Stephan, § 4 Rn. 9; Uhlenbruck/Pape, § 4 Rn. 4. 20 Handelsblatt vom 19. 03. 2012, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unterneh men/industrie/windkraftzulieferer-siag-schaaf-stellt-insolvenzantrag/6343970.html, zuletzt aufgerufen am 20. 06. 2017.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

II. Vorläufiger Gläubigerausschuss 1. Aufgaben und Zusammensetzung Über den vorläufigen Gläubigerausschuss sollen die Gläubiger von Beginn an auf das Verfahren Einfluss nehmen können, da für das gesamte Verfahren bedeutsame Entscheidungen bereits im Eröffnungsverfahren gefällt werden.21 Neben den allgemeinen Unterstützungs- und Überwachungspflichten nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a i.V.m. § 69 InsO, der Beteiligung bei der Verwalterbestellung, das Recht zur Stellungnahme vor der Anordnung der Eigenverwaltung und der Befugnis im Schutzschirmverfahren die Aufhebung der Anordnungsentscheidung zu beantragen, hat der vorläufige Gläubigerausschuss auch im Antragsverfahren besondere Zustimmungsrechte bei für das Verfahren besonders bedeutsamen Rechtshandlungen.22 Gem. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a HS. 1, 67 Abs. 2 InsO dürfen nur Gläubiger oder künftige Gläubiger in den Ausschuss bestellt werden; Nichtgläubiger gem. § 67 Abs. 3 InsO sind von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen.23 Es liegt grundsätzlich im Ermessen des Insolvenzgerichts, die Anzahl der Ausschussmitglieder festzulegen und zu entscheiden, welche Gläubigergruppen im Ausschuss vertreten sein sollen.24 Nach den §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a und 67 Abs. 2 InsO gehören als repräsentative Vertreter der Gläubiger dem vorläufigen Gläubigerausschuss die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, Kleingläubiger und ein Arbeitnehmervertreter an. § 67 Abs. 2 InsO ist lediglich eine Soll-Vorschrift, schränkt aber das Ermessen des Gerichts bei der Zusammensetzung insoweit ein, als die Interessen aller an dem Verfahren beteiligten Gläubiger ausgewogen vertreten sein sollen.25 Ein Anspruch des einzelnen Gläubigers auf Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss besteht nicht.26 Das Gericht darf von der Soll-Zusammensetzung abweichen, wenn es hierfür einen begründeten Anlass gibt.27 Bei der Auswahl potentieller Mitglieder stützt sich das Gericht auf Personen im Gläubigerverzeichnis.28 Zusätzlich kann es nach § 22a Abs. 4 InsO den Schuldner oder den vorläufigen Insolvenzverwalter auffordern, weitere Personen zu benennen, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen. 21

HRI/Ampferl, § 9 Rn. 208. HRI/Ampferl, § 9 Rn. 208; Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 65. 23 Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 55 f. 24 K. Schmidt/Jungmann, § 67 Rn. 28; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 9 f.; Uhlenbruck/Knof, § 67 Rn. 8, 18. 25 K. Schmidt/Jungmann, § 67 Rn. 31 f.; KPB/Kübler, § 67 Rn. 15 ff.; MüKoInsO/SchmidBurkg, § 67 Rn. 10. 26 MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 10; Uhlenbruck/Knof, § 67 Rn. 9. 27 MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 10; Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 55. 28 Frind, ZIP 2013, 2244, 2244; Nerlich/Römermann/Mönning, § 22a Rn. 35; Uhlenbruck/ Vallender, § 22a Rn. 54. 22

A. Insolvenzeröffnungsverfahren

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Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit des Eröffnungsverfahrens und der Notwendigkeit, kurzfristig einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, ist das Insolvenzgericht in der Praxis oft faktisch gezwungen, auf die vom Schuldner vorgeschlagenen Personen zurückzugreifen.29 Die Zusammenstellung eines repräsentativen vorläufigen Gläubigerausschusses allein durch das Insolvenzgericht führt in der Regel zu erheblichen Zeitverzögerungen.30 In der Praxis nehmen bereits vor Antragstellung insbesondere die Großgläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters Einfluss und machen dem Insolvenzgericht einen entsprechenden Vorschlag.31 Die Beteiligung der Gläubiger nach § 56a InsO setzt einen bereits konstituierten und damit arbeits- und beschlussfähigen vorläufigen Gläubigerausschuss voraus. Wird die Insolvenzantragstellung sofort öffentlich bekannt – wie es insbesondere bei an der Börse notierten Mittelstandsanleihen wegen der Pflicht zur Herausgabe einer Ad-hoc Mitteilung der Fall ist –, erfordert die Sicherung des Vermögens die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters noch am gleichen Tag.32 Nimmt die Konstituierung des vorläufigen Gläubigerausschusses zu viel Zeit in Anspruch, kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 22a Abs. 3 Var. 3 InsO bereits vor dessen Berufung einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen.33 2. Beteiligung von nicht vertretenen Anleihegläubigern a) Problemstellung Verbindlichkeiten aus einer Anleihe haben in der Regel einen hohen Anteil an den Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners, so dass die Anleihegläubiger die größte Gläubigergruppe bilden.34 Eine Vorschrift, die eine Mitgliedschaft der Anleihegläubiger im Gläubigerausschuss zwingend vorschreibt, sieht weder die Insolvenzordnung noch das SchVG vor.35 Der Repräsentationsgrundsatz des § 67 Abs. 2 InsO verlangt aber, dass die Anleihegläubiger im vorläufigen Gläubigerausschuss vertreten sein müssen. Auf Grund der üblichen Stückelung von 1000 EUR und der vorrangigen Platzierung bei Privatanlegern, fallen die Anleihegläubiger häufig unter die Gruppe der Kleingläubiger. Doch können unter den Anleihegläubiger auch Großgläubiger sein, die eine Vielzahl von Schuldverschreibungen halten. Notleidende Anleihen werden mit einem erheblichen Abschlag auf den Nominalwert auch

29 30 31 32 33 34 35

Beck/Depré/Graeber, § 10 Rn. 9. Beck/Depré/Graeber, § 10 Rn. 9. Obermüller, ZInsO 2012, 18, 25; Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 3. HRI/Ampferl, § 9 Rn. 56. Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 34. Wegener, NZI 2017, 54, 55. Wegener, NZI 2017, 54, 55.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

nach Antragstellung am Markt gehandelt.36 Dies ruft Investoren auf den Plan, die mit dem Ziel einer teilweisen oder ganzen Übernahme des Emittenten große Teile der Anleihe aufkaufen, um dadurch eine Stimmmacht im Insolvenzverfahren zu erlangen.37 Bei Anleihegläubigern aus der Gruppe der Kleingläubiger ist mit Blick auf die anspruchsvollen Aufgaben des Ausschussmitglieds und des damit verbundenen Haftungsrisikos gem. § 71 InsO sowie des oft geringen wirtschaftlichen Interesses die Mitwirkungsbereitschaft dieser Gruppe erfahrungsgemäß gering.38 Daneben besteht auf Grund der Handelbarkeit der Anleihe in Kombination mit dem Vorschlagsrecht des Schuldners gem. § 22a Abs. 4 InsO das Risiko der Besetzung des Gläubigerausschusses durch Personen aus dem Kreis „family and friends“, wenn „schuldnerfreundliche“ Personen in den Ausschuss kommen, die einseitig im Schuldnerinteresse und nicht im Interesse der Gesamtgläubiger handeln.39 Durch die Handelbarkeit der Anleihe können Investoren direkt selbst Schuldverschreibungen erwerben, um die für die Mitgliedschaft erforderliche Gläubigerbestellung zu erlangen, ohne dass es dabei auf die Mandatierung durch einen Anleihegläubiger ankommt. Die Bestellung eines Repräsentanten der Anleihegläubiger ist dadurch besonders manipulationsanfällig. b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern Liegt die Anleihe im Streubesitz, ist das Insolvenzgericht mit dem Problem der Anonymität der Anleihegläubiger konfrontiert. Das Gericht kann zwar auf die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters hinwirken, jedoch wird die Anleihegläubigerversammlung gem. §§ 9 ff. SchVG zur Bestellung des gemeinsamen Vertreters im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr rechtzeitig erfolgen, nachdem die Einberufungsfrist gem. § 10 Abs. 1 SchVG mindestens 14 Tage beträgt.40 Ein von Beginn an ausgewogener vorläufiger Gläubigerausschuss lässt sich in diesem Fall nur dann einsetzen, wenn einzelne Anleihegläubiger bereits im Vorfeld ihre Mitwirkungsbereitschaft dem Schuldner oder dem Gericht gegenüber mitgeteilt haben. Ist dies nicht der Fall, wird das Gericht den Gläubigerausschuss ohne einen Repräsentanten der Anleihegläubiger einsetzen. Es besteht keine Pflicht des Insolvenzgerichts bei unzureichenden Angaben des Schuldners zu potentiellen Ausschussmitgliedern im Wege der Amtsermittlung die Grundlage für eine Bestellungsentscheidung zu schaffen.41 Die Anonymität der Anleihegläubiger ist ein objektiver Grund, der eine Abweichung vom Repräsentationsgrundsatz des § 67 Abs. 2 36 37 38 39 40 41

Grell/Kowalewski, FS Kübler, S. 213, 214. Ausführlich hierzu Grell/Kowalewski, FS Kübler, S. 213 ff. FK-InsO/Schmerbach, § 22a Rn. 55; HRI/Ampferl, § 9 Rn. 123. Allgemein zu „family and friends“-Ausschüssen siehe Pape/Schultz, ZIP 2016, 506, 508. Wegener, NZI 2017, 54, 55. Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 54.

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InsO rechtfertigt. Das Gericht kann den vorläufigen Gläubigerausschuss nachbesetzen und erweitern, wenn es das für sinnvoll und angemessen hält.42 Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn das Gericht nachträglich mitwirkungsbereite Anleihegläubiger benennen kann. Die Praxis zeigt, dass sich zahlreiche Vertreter in diesem Beratungsmarkt-Segment für das Amt im vorläufigen Gläubigerausschuss anbieten,43 wodurch sich die Manipulationsgefahr bei der Zusammensetzung des Gläubigerausschusses nicht verringert, sondern eher erhöht. Das Gericht muss daher besonders darauf achten, keine von Eigeninteressen geleiteten Personen, denen es nicht vorrangig um die Vertretung der Interessen der Anleihegläubiger geht, als deren Repräsentant in den Gläubigerausschuss zu bestellen. Die Gefahr von „family and friends“ lässt sich generell nicht vermeiden.44 Wird die Anleihe von professionellen Anlegern oder größtenteils von einem Großgläubiger gehalten, ist es für das Insolvenzgericht einfacher einen mitwirkungsbereiten Gläubiger zu finden. Im Vorfeld einer Insolvenz dürfte eine mit Großgläubigern zusammengesetzte Anleihegläubigerstruktur bereits bekannt sein, wenn – wie es in der Praxis in der Regel geschieht – es Versuche gab, den Emittenten durch Sanierungsmaßnahmen nach dem SchVG vor einer Insolvenz zu bewahren. Unter dieser Voraussetzung ist es dem Insolvenzgericht möglich, bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens einen ausgewogenen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen. c) Lösungsansätze Bei Anleihen in überwiegendem Besitz von Privatanlegern sollten diese die Möglichkeit erhalten, sich im Gläubigerausschuss durch einen hierzu bevollmächtigten sachkundigen Vertreter dauerhaft repräsentieren zu lassen. Zwar besteht auch hier die Gefahr, dass dadurch Vertreter im Gläubigerausschuss tätig werden können, denen es gerade nicht vorrangig um die Interessen der Anleihegläubiger geht. Doch ist diese Gefahr im Interesse eines ausgewogen zusammengesetzten Gläubigerausschusses hinzunehmen, da anderenfalls eine wesentliche Gläubigergruppe außen vor bleibt. Im Übrigen haben es die Anleihegläubiger selbst in der Hand nur solche Personen zu ihrem Vertreter zu bevöllmächtigen, bei denen die Gefahr eines vom Eigeninteresse geleiteten Handelns nicht besteht. Da Ausschussmitglied der Gläubiger selbst ist, ist die fehlende Verweisung in § 22 Abs. 2 Nr. 1a InsO auf § 67 Abs. 3 InsO unbeachtlich. So kann auch bei einer aus Kleinanlegern bestehenden Anleihegläubigerstruktur zügig ein repräsentativer Gläubigerausschuss zusammengestellt werden.

42 43 44

Beck/Depré/Graeber, § 10 Rn. 11; Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 59. Wegener, NZI 2017, 54, 55. Pape/Schultz, ZIP 2016, 506, 509.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Es ist jedoch umstritten, ob eine Vertretung im Gläubigerausschuss überhaupt zulässig ist. Aus § 69 InsO folgt, dass die Pflichten der Ausschussmitglieder ausschließlich individualbezogen sind,45 das Amt des Ausschussmitglieds damit höchstpersönlich ist.46 Eine Literaturansicht schließt daraus die generelle Unzulässigkeit der Vertretung im Gläubigerausschuss.47 Die Gegenansicht bejaht eine Zulässigkeit der Vertretung durch den sich sonst ergebenden Wertungswiderspruch zur Mitgliedschaft der juristischen Person, die sich durch ihre Organe48 – bzw. einer weitergehenden Ansicht nach auch durch jede sonstige natürliche Person –49, ebenfalls vertreten lassen müssen.50 Um Chancengleichheit herzustellen, muss dies auch für natürliche Personen gelten.51 Letzterem ist zuzustimmen. Da die fehlende Verweisung auf § 67 Abs. 3 InsO in § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO den Weg für sachkundige Vertreter in den vorläufigen Ausschuss versperrt, besteht die Gefahr, Personen zu Mitgliedern zu bestellen, die nicht über die erforderliche Qualifikation verfügen.52 Mit sachkundigen Vertretern im Ausschuss steigt indes die Qualität der Arbeit des Gläubigerausschusses und eine effiziente Kontrolle des Verwalters wird ermöglicht.53 Nach überwiegender Meinung ist jedoch eine dauerhafte Vertretung mit dem Grundsatz der höchstpersönlichen Wahrnehmung nicht vereinbar,54 so dass eine Vertretung nur für einzelne Termine in Frage kommt.55 Einer daraus folgenden personellen Fluktuation durch wechselnde Vertreter steht der Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft entgegen. Demgegenüber wird aber teilweise vertreten, dass für eine juristische Person auch verschiedene Personen auftreten können, weil die Insolvenzordnung nicht vorschreibt, dass immer dieselbe Person tätig werden 45

Heeseler/Neu, NZI 2012, 440, 442. KPB/Kübler, § 67 Rn. 28; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 26; Uhlenbruck/Knof, § 67 Rn. 13. 47 K. Schmidt/Jungmann, § 67 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Delhaes, § 69 Rn. 7; Uhlenbruck/Knof, § 67 Rn. 13; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1380, a.A. Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 4; HmbKomm/Frind, § 67 Rn. 6; KPB/Kübler, § 67 Rn. 28; MüKoInsO/ Schmid-Burgk, § 67 Rn. 26; Smid, ZInsO 2012, 757, 768. 48 MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 26; Smid, ZInsO 2012, 757, 768. 49 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 4; K. Schmidt/Jungmann, § 67 Rn. 17. 50 MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 26; a.A. Nerlich/Römermann/Delhaes, § 69 Rn. 8; Uhlenbruck, ZIP 2002, 1373, 1380, wonach auch bei der juristischen Person der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit gilt, so dass diese sich nicht durch wechselnde Personen vertreten lassen kann. 51 MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 26. 52 Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 60. 53 Uhlenbruck/Vallender, § 22a Rn. 60. 54 HmbKomm/Frind, § 67 Rn. 6; KPB/Kübler, § 67 Rn. 28; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 26; Nerlich/Römermann/Delhaes, § 69 Rn. 7; a.A. Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 4 f.; so wohl auch Smid, ZInsO 2012, 757, 768. 55 HmbKomm/Frind, § 67 Rn. 6; KPB/Kübler, § 67 Rn. 28; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 26. 46

A. Insolvenzeröffnungsverfahren

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muss.56 Der Sicherstellung von Kontinuität in der Ausschussarbeit steht ein ständig wechselnder Vertreter entgegen. Eine erfolgreiche Arbeit im Ausschuss ist auch von der Entwicklung eines Vertrauens unter den Mitgliedern abhängig, was bei einer ständig wechselnden Besetzung nicht möglich ist.57 Zusätzlich steigt das Risiko einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bei häufig wechselnden Vertretern.58 Wird für die Gläubigergruppe hingegen stets derselbe Vertreter im Ausschuss tätig („Modell des ständigen Vertreters“),59 ist der Zweck der höchstpersönlichen Wahrnehmung ebenso gewahrt. Der Vertreter nimmt sämtliche Aufgaben persönlich wahr, jedoch mit der Besonderheit, dass er dies für den Vertretenen tut. Der Gesetzgeber sollte de lege ferenda die Zulässigkeit einer dauerhaften Vertretung durch einen ständigen Vertreter im vorläufigen Gläubigerausschuss zulassen. Die Zulässigkeit einer dauerhaften Vertretung im vorläufigen Gläubigerausschuss sollte dabei nicht nur für die Anleihegläubiger, sondern generell für die Gruppe der Kleingläubiger geregelt werden, nachdem es in der Praxis regelmäßig schwierig ist, einen mitwirkungsbereiten Kleingläubiger zu finden.60 3. Beteiligung der Anleihegläubiger durch einen gemeinsamen Vertreter a) Zulässigkeit der Mitgliedschaft Der gemeinsame Vertreter ist als rechtsgeschäftlicher Vertreter im Sinne der §§ 164 ff. BGB61 kein Insolvenzgläubiger, so dass eine Mitgliedschaft gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1a InsO ausgeschlossen ist. Wie beim im Betrieb vorhandenen Gewerkschaftsvertreter gem. § 2 Abs. 1 und 2 BetrVG kann jedoch mit Hilfe einer teleologischen Reduktion die Zulässigkeit der Mitgliedschaft eines gemeinsamen Vertreters hergeleitet werden.62 Das Schrifttum begründet die Zulässigkeit der Mitgliedschaft eines Gewerkschaftsvertreters mit Verweis auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Referentenentwurf zum ESUG. Letzterer sah zunächst eine Verweisung auf § 67

56

MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 69 Rn. 5; a.A. Nerlich/Römermann/Weiß, § 69 Rn. 8; Uhlenbruck/Knof, § 69 Rn. 2. 57 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 3. 58 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 3. 59 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 4; Smid, ZInsO 2012, 757, 769. 60 Siehe hierzu auch S. 60; anders Heeseler/Neu, NZI 2012, 440, 444, die die Schaffung eines institutionalisierten, unabhängigen Vertreters der Kleingläubiger vorschlagen, der kein Vertreter eines einzelnen Gläubigers ist. 61 BGH 14. 07. 2016 IX ZA 9/16 Tz. 12 ZIP 2016, 1684; FK/Wöckener, § 7 Rn. 26; Hopt/ Seibt/Thole, § 7 Rn. 2. 62 Zur Mitgliedschaft des Gewerkschaftsvertreters HRI/Ampferl, § 9 Rn. 121; Obermüller, ZInsO 2012, 18, 22.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Abs. 3 InsO im Eröffnungsverfahren vor,63 ehe diese vom Rechtsausschuss gestrichen wurde. Er begründet dies damit, dass für die im Eröffnungsverfahren unter hohem Zeitdruck zu treffenden Entscheidungen ein unmittelbarer Bezug zum Schuldner und praktische Kenntnisse über dessen Geschäftsbetrieb erforderlich sind, die ein Nicht-Gläubiger erst erwerben muss.64 Solche praktischen Kenntnisse über das Unternehmen hat die im Betrieb vertretene Gewerkschaft durch ihre Arbeit mit dem Betriebsrat.65 Ratio legis der fehlenden Verweisung ist es, Mitglieder ohne praktische Kenntnisse über das Unternehmen abzuwehren. Ein Ausschluss des Gewerkschaftsvertreters, der solche Kenntnisse nachweist, widerspricht dieser ratio legis, so dass eine teleologische Reduktion geboten ist.66 Gleiches muss für den gemeinsamen Vertreter gelten. Wie der Gewerkschaftsvertreter verfügt er im Rahmen seines Auskunftsrechts gem. § 7 Abs. 5 SchVG gegenüber dem Emittenten über wesentliche Kenntnisse des Geschäftsbetriebs, er kann alle Auskünfte verlangen, die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Da der Auskunftsanspruch allein dem gemeinsamen Vertreter zusteht,67 kann dieser als NichtGläubiger größeren Einblick in das Unternehmen haben als der einzelne Anleihegläubiger. Der gemeinsame Vertreter darf somit Mitglied im vorläufigen Ausschuss sein.68 Nach anderer Ansicht ist von einer Mitgliedschaft des gemeinsamen Vertreters – je nachdem wie heterogen die Interessenlage aller Beteiligten und wie sensibel die Informationspolitik des Gläubigerausschusses ist – jedoch abzusehen.69 Es droht eine Interessenkollision, indem der gemeinsame Vertreter gem. § 7 Abs. 2 Satz 4 SchVG einerseits zur Auskunft und Berichterstattung gegenüber den Anleihegläubigern verpflichtet ist, andererseits aber eine unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen durch Ausschussmitglieder an außenstehende Gläubiger nicht erfolgen darf. Weiterhin kann der gemeinsame Vertreter auch eigene Interessen verfolgen. Außerdem sind die Aufgaben eines Gläubigerausschussmitglieds nicht mit denen eines gemeinsamen Vertreters vergleichbar.70 63

Referentenentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 25. 01. 2011 S. 34, abrufbar unter http://rsw.beck.de/docs/librariesprovider5/rswdokumente/2011-01-25_ESUG-RefE, zuletzt aufgerufen am 14. 12. 2016. 64 BT-Drs. 17/7511 S. 33; dies stieß in der Literatur auf große Kritik: Der Rückschluss, dass Nichtgläubigern praktische Kenntnisse vom Unternehmen fehlten, sei ebenso abwegig, wie der Umkehrschluss, dass Gläubiger zwangsläufig Kenntnisse vom Unternehmen haben, vgl. Heeseler/Neu, NZI 2012, 440, 445; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 21a. 65 Obermüller, ZInsO 2012, 18, 22. 66 HRI/Ampferl, § 9 Rn. 121. 67 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 63; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17, § 7 Rn. 35; Preuße/Nesselrodt, § 7 Rn. 87; Veranneman/ ders., §§ 7, 8 Rn. 50. 68 So auch Wegener, NZI 2017, 54, 55; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 40, die die Zulässigkeit der Mitgliedschaft des gemeinsamen Vertreters ohne Begründung unterstellen. 69 Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 40. 70 Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 40

A. Insolvenzeröffnungsverfahren

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Die Argumentation überzeugt nicht. Zwar ist zutreffend, dass die Aufgaben eines Ausschussmitglieds nicht den gesetzlichen Aufgaben eines gemeinsamen Vertreters entsprechen. Jedoch kann die Anleihegläubigerversammlung ihrem gemeinsamen Vertreter über die gesetzlichen Mindestaufgaben und -befugnisse hinaus durch Mehrheitsbeschluss alle erdenklichen Befugnisse einräumen,71 ohne dabei inhaltlichen Beschränkungen zu unterliegen.72 Wird dem Vertreter eine Generalvollmacht erteilt,73 ist die Befugnis zur Interessenvertretung im Gläubigerausschuss als von dieser umfasst anzusehen. Im Übrigen ist ein möglicher Interessenkonflikt bereits in der Funktion des Gläubigerausschussmitglieds als solche angelegt,74 so dass diese Problematik nicht nur auf den gemeinsamen Vertreter zutrifft. Das Gläubigerausschussmitglied ist als Gläubigervertreter immer deren Interessenvertreter und steht im permanenten Konflikt, seine Einzelinteressen, die er als individueller Gläubiger hat, einem abstrakten Interesse der Gesamtgläubiger unterzuordnen.75 Wie von jedem Ausschussmitglied wird auch vom gemeinsamen Vertreter erwartet, seine persönlichen Interessen zurückzustellen, soweit das Ziel der bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger und die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens dies erfordern.76 Das Spannungsverhältnis zwischen der Verschwiegenheitspflicht des Ausschussmitglieds einerseits und der Berichtspflicht andererseits betrifft ebenfalls nicht nur den gemeinsamen Vertreter. So gilt die Pflicht zur Verschwiegenheit grundsätzlich auch zwischen Rechtsanwalt und seinem Mandanten.77 Gleiches gilt im Verhältnis zwischen Arbeitnehmervertreter bzw. Betriebsrat und Belegschaft. Zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses kann sich der gemeinsame Vertreter hinsichtlich geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen, wenn er durch die Berichterstattung gesetzliche Vorschriften verletzen oder sich strafbar machen würde.78 b) Mitgliedschaft einer schuldnernahen Person als Vertreter Es ist unklar, ob eine vom insolventen Schuldner abhängige Person als gemeinsamer Vertreter Mitglied im (vorläufigen) Gläubigerausschuss sein kann. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchVG können auch Personen als gemeinsamer Vertreter bestellt werden, die nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 – 4 SchVG der Interessenssphäre des 71 72 73 74 75 76 77 78

Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 59. BT-Drs. 16/12814 S. 20. Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 61 f. Heeseler/Neu, NZI 2012, 440, 444. Heeseler/Neu, NZI 2012, 440, 444. Uhlenbruck/Knof, § 69 Rn. 15 m.w.N. MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 69 Rn. 7; Uhlenbruck/Knof, § 69 Rn. 35. Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 50 f.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Schuldners zuzuordnen sind. Hierunter fallen Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats oder Verwaltungsrats (Nr. 1), Personen, die am Stammkapital oder Grundkapital des Schuldners mit mindestens 20 % beteiligt sind (Nr. 2), Finanzgläubiger des Schuldners mit einer Forderung in Höhe von mindestens 20 % (Nr. 3) sowie Personen, die auf Grund einer besonderen persönlichen Beziehung zu den in Nr. 1 bis 3 aufgeführten Personen unter deren bestimmenden Einfluss stehen (Nr. 4). Diese müssen gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 SchVG lediglich ihre besondere Beziehung zum Schuldner vor der Bestellung zum gemeinsamen Vertreter den Gläubigern offenlegen, um Interessenkonflikten vorzubeugen.79 Nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen kann eine Person mit Schuldnernähe nicht Mitglied des Gläubigerausschusses werden. Das Verbot erklärt sich aus der Aufgabe des Gläubigerausschusses als Organ der Gläubiger, deren Gesamtinteressen zu vertreten.80 Ausschussmitglieder, die auf Seite des Schuldners stehen, führen zu einem natürlichen Interessenwiderspruch.81 Eine Schuldnernähe wird im insolvenzrechtlichen Schrifttum beim Schuldner selbst, persönlich haftenden Gesellschafter sowie bei Mitgliedern von Vertretungsorganen bejaht.82 Nach herrschender Meinung sind auch Mitglieder des Aufsichtsrates ausgeschlossen.83 Ebenso sind einer weitergehenden Ansicht nach sogar Sanierungsberater und deren Mitarbeiter sowie Mitgesellschafter keine akzeptablen Mitglieder im Gläubigerausschuss der von ihr beratenen Insolvenzschuldnerin.84 Demgegenüber nimmt das Schuldverschreibungsrecht einen möglichen natürlichen Interessenkonflikt im Amt des gemeinsamen Vertreters aus Praktikabilitätsgründen in Kauf,85 definiert aber gleichzeitig den Kreis der schuldnernahen Personen weiter als das insolvenzrechtliche Schrifttum. 79

BT-Drs. 16/12814 S. 19. MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 22. 81 HmbKomm/Frind, § 67 Rn. 7; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 22. 82 HK/Riedel, § 67 Rn. 6 f.; HmbKomm/Frind, § 67 Rn. 7; K. Schmidt/Jungmann, § 67 Rn. 19; KPB/Kübler, § 67 Rn. 24; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 19 f.; Uhlenbruck/Knof, § 67 Rn. 16; weitergehend KK-InsO/Hammes, § 67 Rn. 50, wonach ein Gesellschafter unabhängig von einer persönlichen Haftung kein Mitglied im Gläubigerausschuss seiner insolventen Gesellschaft werden kann. 83 KK-InsO/Hammes, § 67 Rn. 50; HmbKomm/Frind, § 67 Rn. 7; K. Schmidt/Jungmann, § 67 Rn. 19; KPB/Kübler, § 67 Rn. 24; MüKoInsO/Schmid-Burgk, § 67 Rn. 22; Uhlenbruck/ Knof, § 67 Rn. 16; differenzierend HRI/Ampferl, § 9 Rn. 124, a.A. AG Hamburg 15. 12. 1986 65 N 721/86 ZIP 1987, 386, wonach die vornehmliche Aufgabe des Aufsichtsrats den Vorstand zu überwachen durch eine Mitgliedschaft nicht betroffen ist. 84 KK-InsO/Hammes, § 67 Rn. 50; anders hingegen AG Hamburg 02. 08. 2017 67g IN 173/ 17 ZIP 2017, 2213, 2214, wonach bei Beratern des Schuldners nicht automatisch vermutet wird, dass diese „im Lager“ des Schuldners stehen. 85 BT-Drs. 16/12814 S. 19, wonach der Gesetzgeber die zulässige Schuldnernähe damit rechtfertigt, dass der Vorschlag für die Bestellung einer bestimmten Person regelmäßig vom Schuldner ausgehen wird, ohne den sich die Gläubiger nur schwierig auf eine bestimmte Person einigen könnten. 80

A. Insolvenzeröffnungsverfahren

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Für eine generelle Zulässigkeit der Mitgliedschaft eines schuldnernahen gemeinsamen Vertreters im Gläubigerausschuss könnten zwar Praktikabilitätsgründe sprechen. Dennoch darf ein gemeinsamer Vertreter nicht Mitglied im Gläubigerausschuss werden, wenn er eine Schuldnernähe aufweist, die nach insolvenzrechtlichem Verständnis zu einer Inkompatibilität führt. Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung fordert, dass die Interessen der Anleihegläubiger von einer schuldnerfremden Person wahrgenommen werden, die nicht mit einem derartigen Interessenkonflikt belastet ist. Da es um die Besetzung eines insolvenzrechtlichen Gläubigerorgans geht, muss sich diese nach insolvenzrechtlichen und nicht nach schuldverschreibungsrechtlichen Maßstäben richten. Ein gemeinsamer Vertreter ist dann kein geeignetes Gläubigerausschussmitglied, wenn sich seine Schuldnernähe aus den in § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 SchVG genannten Umständen ergibt. So sind Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats sowie Gesellschafter als Ausschussmitglieder ausgeschlossen. Zwar ließe sich einwenden, dass es den Anleihegläubigern offensteht, einen schuldnernahen gemeinsamen Vertreter gem. § 7 Abs. 4 SchVG wieder abzuberufen. Jedoch erfordert es der Schutz der Interessen der Gläubigergesamtheit gläubigerfremde Interessen von vornherein aus dem Gläubigerausschuss fernzuhalten. Demgegenüber kann ein gemeinsamer Vertreter, der gleichzeitig Finanzgroßgläubiger des Emittenten ist (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SchVG), nicht von vornherein von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen sein. Gleiches gilt für den gemeinsamen Vertreter, der in einer besonderen persönlichen Beziehung zum Schuldner steht (§ 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SchVG). Hier muss das Insolvenzgericht abwägen, ob trotz eines möglichen Interessenkonflikts eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Interessen aller Gläubiger gewährleistet ist.86

4. Ergebnis Die Zusammensetzung eines von Beginn an ausgewogenen vorläufigen Gläubigerausschuss ist bei der Beteiligung nicht vertretener Anleihegläubiger nur dann möglich, wenn die Anleihegläubigerstruktur von Großgläubigern bzw. professionellen Anlegern geprägt ist. Ist die Anleihe im Streubesitz zahlreicher Kleinanleger, 86 Das AG Hamburg hat in einem Beschluss vom 02. 08. 2017 an die Feststellung eines Verstoßes gegen das Gebot der Unabhängigkeit der Ausschussmitglieder bei der Vorbefassung eines Ausschussmitglieds und einem damit einhergehenden Abhängigkeitsverhältnis mit dem Schuldner indes hohe Anforderungen gestellt. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt war die Muttergesellschaft bis einen Tag vor der Wahl ihrer 100 %igen Tochtergesellschaft zum gemeinsamen Vertreter als Beraterin der Schuldnerin tätig. Die Vorbefassung der Muttergesellschaft stellt nach Ansicht des Gerichts jedoch dann kein subjektives Bestellungshindernis und damit einen wichtigen Grund zur Entlassung des Ausschussmitglied gem. § 70 InsO dar, wenn die Vorbefassung (wie etwa das Vertragsverhältnis) im Zeitpunkt der Bestellung der Tochtergesellschaft zum Mitglied im vorläufigen Gläubigerausschuss formal beendet wurde und ein durch die Vorbefassung begründetets Abhängigkeitsverhältnis nicht offensichtlich fortwirkte, AG Hamburg 02. 08. 2017 67g IN 173/17 ZIP 2017, 2213, 2216 f.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

ist diese erheblich erschwert. Um dem Abhilfe zu leisten, soll die dauerhafte Vertretung eines Anleihegläubigers im Gläubigerausschuss zugelassen werden. Eine Beteiligung der Anleihegläubiger im Eröffnungsverfahren funktioniert optimal, wenn die Anleihegläubiger bereits einen gemeinsamen Vertreter bestellt haben, der von Beginn an in das Verfahren eingebunden ist.87 Liegt beim gemeinsamen Vertreter eine Schuldnernähe nach insolvenzrechtlichem Verständnis vor, muss dieser vom Amt des Gläubigerausschussmitglieds ausgeschlossen werden. Daher sollten die Anleihegläubiger bereits frühzeitig in der Krise des Emittenten auf die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters drängen.88 Dies gilt umso mehr, als eine vom Insolvenzgericht einzuberufende Gläubigerversammlung zum Zweck der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für eine optimale Vertretung der Interessen der Anleihegläubiger zu spät erfolgt.

III. Vorläufige Eigenverwaltung/Schutzschirmverfahren Unter den Voraussetzungen des § 270 InsO kann der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung stellen, bei der er abweichend vom Regelinsolvenzverfahren unter der Aufsicht eines Sachwalters die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse behält. Strebt der Schuldner eine Sanierung über einen Insolvenzplan an, kann er unter den Voraussetzungen des § 270b InsO das Schutzschirmverfahren beantragen. Im Rahmen der Eigenverwaltung wird dem Schuldner die Möglichkeit gegeben, unter dem „Schutzschirm“ gegen Vollstreckungsversuche seiner Gläubiger innerhalb von bis zu drei Monaten einen Insolvenzplan auszuarbeiten.89 Im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens kann die Erklärung wesentlicher, für die Betriebsfortführung relevanter Gläubiger, im Fall der Anordnung der Eigenverwaltung nicht bereit zu sein, die Schuldnerin durch Mitwirkung an den Sanierungsbemühungen zu unterstützen,90 die beabsichtigte Sanierung gem. § 270b Abs. 1 InsO aussichtslos werden lassen.91 Dies kann nur angenommen werden, wenn die Gläubiger ihre fehlende Bereitschaft bereits im Vorfeld eines erwarteten Insolvenzantrags oder im Insolvenzeröffnungsverfahren durch eine ernsthafte Erklärung mitteilen, sich an einer Sanierung nicht beteiligen zu wollen.92 Ist ein gemeinsamer Vertreter nicht vorhanden, der bei der Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts 87

Wegener, NZI 2017, 54, 55. Wegener, NZI 2017, 54, 55. 89 HK/Landfermann, § 270b Rn. 1; K. Schmidt/Undritz, § 270b Rn. 8. 90 AG Köln 01. 07. 2013 72 IN 211/13 ZIP 2013, 1390; HmbKomm/Fiebig, § 270 Rn. 21. 91 HK/Landfermann, § 270b Rn. 14, HRI/Koch/Jung, § 8 Rn. 63; Uhlenbruck/Zipperer, § 270b Rn. 16. 92 AG Köln 01. 07. 2013 72 IN 211/13 ZIP 2013, 1390, 1390. 88

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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mitwirken kann, ist fraglich, ob von der Anleihegläubigermehrheit abgelehnte Sanierungsmaßnahmen nach dem SchVG ein Indiz gegen die Anordnung eines Schutzschirmverfahrens darstellt. Aus der bloßen Ablehnung von Sanierungsmaßnahmen nach dem SchVG im Vorfeld einer Insolvenz kann die Aussichtlosigkeit eines Sanierungskonzepts gem. § 270b InsO jedoch nicht abgeleitet werden, da damit nicht zum Ausdruck gebracht wird, eine Sanierung in der Insolvenz nicht unterstützen zu wollen. Im Übrigen bestehen für die Einbeziehung von Anleihegläubiger in die vorläufige Eigenverwaltung bzw. in das Schutzschirmverfahren keine Besonderheiten. Gleichwohl zeigt sich deutlich, dass die Wahl eines gemeinsamen Vertreters die Einbeziehung der Anleihegläubiger bei der Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts wesentlich erleichtert.93

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren I. Der Eröffnungsbeschluss 1. Zustellung des Eröffnungsbeschlusses Die gem. § 30 Abs. 2 InsO – neben der öffentlichen Bekanntmachung gem. § 30 Abs. 1 InsO – erforderliche Einzelzustellung des Eröffnungsbeschlusses dient dazu, die Verfahrensbeteiligten über dessen Inhalt vollständig zu unterrichten.94 In der Praxis ermächtigen die Gerichte zur eigenen Entlastung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 InsO den Insolvenzverwalter zur Zustellung an Gläubiger und Drittschuldner.95 Die Zustellung auf Grundlage des Gläubigerverzeichnisses wird gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 184 Abs. 2 Satz 1, 2 ZPO durch Aufgabe zur Post bewirkt,96 wobei gem. § 8 Abs. 1 Satz 3 InsO die Zustellung einer nicht beglaubigten Kopie des Eröffnungsbeschlusses ausreicht.97 Aus § 8 Abs. 2 Satz 1 InsO folgt, dass nur an diejenigen Gläubiger zuzustellen ist, deren Aufenthalt bekannt ist oder mit zumutbaren Aufwand ermittelbar ist.98 Grundlage der Zustellung ist das vom Insolvenzverwalter zu erstellende Gläubigerverzeichnis gem. § 152 InsO,99 in das der Insolvenzver93

Siehe hierzu auch Brenner, NZI 2014, 789, 790. Uhlenbruck/Zipperer, § 30 Rn. 6. 95 K. Schmidt/Keller, § 30 Rn. 14; Nerlich/Römermann/Mönning/Schweizer, § 30 Rn. 22. 96 FK-InsO/Schmerbach, § 8 Rn. 4; K. Schmidt/Keller, § 30 Rn. 14. 97 HmbKomm/Denkhaus, § 30 Rn. 13. 98 K. Schmidt/Stephan, § 8 Rn. 9; MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 8 Rn. 27; Uhlenbruck/ Pape, § 8 Rn. 5. 99 Braun/Haffa/Leichtle, § 152 Rn. 3; HK/Depré, § 152 Rn. 5; K. Schmidt/Jungmann, § 152 Rn. 2; MüKoInsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 152 Rn. 1; anders Nerlich/Römermann/ Mönning/Schweizer, § 30 Rn. 23, wonach Grundlage das vom Schuldner bei Antragstellung eingereichte Gläubigerverzeichnis ist. 94

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

walter zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung alle Gläubiger des Schuldners aufgenommen hat, die ihm aus den Büchern und Geschäftspapieren des Schuldners, durch sonstige Angaben des Schuldners, durch die Anmeldung ihrer Forderungen oder auf andere Weise bekannt geworden sind.100 Hierzu kann der Insolvenzverwalter auf das vom Schuldner bei Antragstellung einzureichende Gläubigerverzeichnis nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO zurückgreifen.101 Für die Aufstellung des Gläubigerverzeichnisses bleibt der Insolvenzverwalter aber allein verantwortlich.102 Er muss alle Quellen ausschöpfen, die zur Erstellung eines vollständigen Verzeichnisses sachdienlich sind und gegebenenfalls selbst Nachforschungen betreiben, er hat eine eigenständige Ermittlungspflicht.103 Kann der Beschluss nicht allen Verfahrensbeteiligten besonders zugestellt werden, ist dies für dessen Wirksamkeit zwar unproblematisch, weil die öffentliche Bekanntmachung gem. § 9 Abs. 3 InsO gegenüber jedermann Wirkung entfaltet.104 Es besteht jedoch die Gefahr, dass Verfahrensbeteiligte keine Kenntnis über den Inhalt des Eröffnungsbeschlusses erlangen. 2. Zustellung an nicht vertretene Anleihegläubiger a) Problemstellung Da die Anleihegläubiger nicht im Gläubigerverzeichnis enthalten sind, kann der Eröffnungsbeschluss nur an jene zugestellt werden, die auf anderem Weg dem Insolvenzverwalter bekannt wurden. Durch die Anonymität der Anleihegläubiger droht möglicherweise ein Informationsdefizit dieser wesentlichen Gläubigergruppe. Unklar ist, welche Anstrengungen der Insolvenzverwalter unternehmen muss, um seiner Ermittlungspflicht im Rahmen des § 152 InsO und damit seiner Pflicht zur Zustellung des Eröffnungsbeschlusses gem. § 8 Abs. 3 InsO nachzukommen. b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern aa) Erfüllung der Ermittlungspflicht In Erfüllung seiner Ermittlungspflicht muss der Insolvenzverwalter versuchen, die Kontaktdaten der Anleihegläubiger auf anderen Wegen in Erfahrung zu bringen. Dies geschieht in der Praxis durch Einrichtung von Informationsportalen im Internet, in denen er über den aktuellen Verfahrensstand informiert, wichtige Dokumente zum Download zur Verfügung stellt und Antworten auf häufig gestellte Fragen zusam-

100

Uhlenbruck/Sinz, § 152 Rn. 2. K. Schmidt/Jungmann, § 152 Rn. 4. 102 K. Schmidt/Jungmann, § 152 Rn. 4. 103 HmbKomm/Jarchow, § 152 Rn. 13; KPB/Wipperfürth, § 152 Rn. 8; K. Schmidt/Jungmann, § 152 Rn. 4; Uhlenbruck/Sinz, § 152 Rn. 2. 104 FK-InsO/Schmerbach, § 9 Rn. 14. 101

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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menfasst.105 Daneben findet sich dort eine Rubrik zur Registrierung, in der sich Anleihegläubiger freiwillig mit Name und Kontaktdaten eintragen können, so dass der Insolvenzverwalter den Eröffnungsbeschluss individuell zustellen kann. bb) Weiterleitung des Eröffnungsbeschlusses entlang der Verwahrkette Es besteht daneben die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter den Eröffnungsbeschluss über das Clearingsystem entlang der Verwahrkette an die (unbekannten) Anleihegläubiger weiterleitet. Die Zulässigkeit der Zuhilfenahme der depotführenden Banken ergibt sich aus Nr. 16 Satz 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. Danach muss die depotführende Bank in den „WertpapierMitteilungen“ veröffentlichte oder vom Emittenten übermittelte Informationen dem Kunden zur Kenntnis geben, soweit sich diese auf die Rechtsposition des Kunden erheblich auswirken können und die Benachrichtigung des Kunden zur Wahrung seiner Interessen erforderlich ist. Mittels einfachen Briefs leitet die Depotbank die entsprechenden Informationen an ihre Kunden weiter.106 Die Pflicht zur Weitergabe der erforderlichen Nachrichten wird durch Clearstream wahrgenommen (Ziff. XIV Abs. 2 der AGB der Clearstream Banking AG), sie ist in der Praxis oft der einzige Kommunikationsweg zwischen Emittent und Anlegern. Nach Nr. 16 Satz 3 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte sind Informationen über gesetzliche Abfindungs- und Umtauschangebote, freiwillige Kaufund Umtauschangebote sowie Sanierungsverfahren zur Kenntnis zu geben. Unbeachtlich ist, dass der Fall der Insolvenz nicht ausdrücklich genannt wird, da die Aufzählung in Nr. 16 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte nicht abschließend ist und darin die sich aus § 666 BGB ergebene zivilrechtliche Pflicht des Beauftragten dem Auftraggeber alle erforderlichen Nachrichten zu geben, lediglich konkretisiert wird.107 Erforderliche Nachrichten im Sinne des § 666 BGB sind alle Informationen, die der Auftraggeber benötigt, um seine Rechte und Pflichten zu erfüllen und sachgerechte Entscheidungen treffen zu können.108 Bezogen auf Wertpapiere sind das Informationen, um die rechtliche und wirtschaftliche Situation seiner Wertpapiere beurteilen zu können.109 Die Informationen im Eröffnungsbeschluss sind für den Anleihegläubiger zur Wahrnehmung seiner Teilnahmerechte am Insolvenzverfahren nötig und damit als erforderlich i.S.d. § 666 BGB einzustufen.

105 Vgl. etwa die Informationsportale im Insolvenzverfahren über das Vermögen der German Pellets GmbH, der Steilmann SE sowie der KTG Agrar SE jeweils abrufbar unter www.ger man-pellets.insolvenz-solution.de, www.steilmann.insolvenz-solution.de und www.ktg-agrar.in solvenz-solution.de. 106 Scherer/ders., Vor § 1 Rn. 31. 107 Bunte/ders., AGB-Banken, SB Wertpapiergeschäfte, Rn. 140. 108 MüKoBGB/Seiler, § 666 Rn. 5. 109 Bunte/ders., AGB-Banken, SB Wertpapiergeschäfte, Rn. 143.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Fraglich ist jedoch, ob eine Weiterleitung des Eröffnungsbeschlusses über das Clearingsystem den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Zustellung genügt. Die in der Praxis gängigste Form ist die Zustellung per Post.110 Es ist unproblematisch, dass die Aufgabe zur Post an die depotführende Bank erfolgt, da der Insolvenzverwalter gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 InsO dies nicht in eigener Person vornehmen muss.111 Der Insolvenzverwalter muss gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 InsO i.V.m. § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO zum Nachweis der Zustellung in seinen Unterlagen vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde und diesen Vermerk nach Abs. 3 Satz 3 unverzüglich zu den Gerichtsakten einreichen, um dem Gericht die Kontrolle und Dokumentation des Zustellungsvorgangs zu ermöglichen.112 Dies ist ihm kaum möglich, da er ohne Mitteilung der Depotbanken nicht weiß, wann und an welche Anschrift sie den Eröffnungsbeschluss an ihre Kunden weitergeleitet haben. Die Wirksamkeit der Zustellung wird durch das Fehlen des Zustellungsvermerks zwar nicht berührt,113 doch wird dadurch dem Gericht die Kontrolle und Dokumentation des Zustellungsvorgangs erschwert. Es ist hinzunehmen, dass der Insolvenzverwalter lediglich vermerken kann, wann er den Eröffnungsbeschluss in das Clearingsystem eingespeist hat. Bestreitet ein Gläubiger die Zustellung, ist der fehlende Zustellungsvermerk unbeachtlich, da gem. § 9 Abs. 3 InsO die öffentliche Bekanntmachung zum Nachweis der Zustellung an alle Beteiligte genügt. Dass der Weg über die Verwahrkette Zeit in Anspruch nimmt, ist unschädlich, da die Zustellung des Beschlusses nicht unverzüglich nach Eröffnung erfolgen muss.114 Über das Clearingsystem kann der Eröffnungsbeschluss gem. § 30 Abs. 2 InsO den Anleihegläubigern ordnungsgemäß zugestellt werden, sofern die Depotbanken diesen auf dem Postweg weiterleiten. 3. Zustellung an den gemeinsamen Vertreter Unklar ist, ob der Eröffnungsbeschluss an den gemeinsamen Vertreter zugestellt werden kann. Haben Personen unbekannten Aufenthalts einen zustellungsbevollmächtigten Vertreter bestellt, kann nach § 8 Abs. 2 Satz 2 InsO an diesen gem. § 8 Abs. 1 InsO zugestellt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Vertretungsbefugnis feststeht und dem Insolvenzgericht bzw. im Fall des § 8 Abs. 3 InsO dem Insolvenzverwalter bekannt ist.115

110

MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 8 Rn. 32. MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 8 Rn. 32. 112 KPB/Prütting, § 8 Rn. 10a; MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 8 Rn. 33; Uhlenbruck/ Pape, § 8 Rn. 9. 113 MüKoZPO/Häublein, § 184 Rn. 14. 114 K. Schmidt/Keller, § 30 Rn. 16. 115 FK-InsO/Schmerbach, § 8 Rn. 25; K. Schmidt/Stephan, § 8 Rn. 10. 111

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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Wurde vor Insolvenzeröffnung ein gemeinsamer Vertreter bestellt, wächst ihm mit Eröffnung des Verfahrens die in § 19 Abs. 3 SchVG gesetzlich bestimmte Vertretungsmacht zu.116 Zur Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren ist der Umfang der Rechtsmacht im Außenverhältnis nicht beschränkbar.117 In dieser umfassenden Rechtsmacht ist a maiore ad minus die Vollmacht zur Entgegennahme von Zustellungen als umfasst anzusehen. Nach zivilprozessualen Grundsätzen kann die Empfangsvollmacht in einer Vollmacht für einen weitergehenden Geschäftskreis (Art-, Gattungs- und Generalvollmacht) enthalten sein.118 Da der gemeinsame Vertreter für alle Anleihegläubiger handelt119 und Forderungsanmeldung sowie Ausübung der Teilnahme- und Stimmrechte in Gläubigerversammlungen zu seinen Kernaufgaben gehören,120 ist es nur konsequent, wenn der Eröffnungsbeschluss dem gemeinsamen Vertreter zugestellt wird. In diesem Fall muss der Eröffnungsbeschluss nicht an die einzelnen Anleihegläubiger versandt werden, da mit der Zustellung an den gemeinsamen Vertreter als Zustellungsbevollmächtigter gleichzeitig die Zustellung an die durch ihn vertretenen Anleihegläubiger bewirkt wird. 4. Ergebnis Der Insolvenzverwalter hat den Eröffnungsbeschluss über das Clearingsystem an die Anleihegläubiger weiterzuleiten. Daneben bleibt er im Rahmen seiner Ermittlungspflicht zum Zweck der Erstellung eines vollständigen Gläubigerverzeichnisses verpflichtet, die Kontaktdaten der Gläubiger in Erfahrung zu bringen. In der Praxis geschieht dies durch die Einrichtung von Internetseiten, auf denen sich die Anleihegläubiger auf freiwilliger Basis registrieren können. Um möglichst viele Anleihegläubiger auf das Internetportal aufmerksam zu machen, kann der Insolvenzverwalter über das Clearingsystem Schreiben an die Gläubiger versenden, sich zum Zweck der Feststellung ihrer Identität auf der Internetseite zu registrieren.121 Die Weiterleitung von Informationen über das Clearingsystem ist der einzige Weg mit dem tatsächlichen Inhaber der Schuldverschreibung mittelbar in Kontakt zu treten.

116

Horn, BKR 2014, 449, 450; siehe hierzu auch S. 164 ff. HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 81. 118 Zöller/Stöber, § 171 Rn. 3. 119 FK/Friedl, § 19 Rn. 51. 120 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 585. 121 So das Vorgehen des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren der KTG Agrar SE, vgl. https://ktg-agrar.insolvenz-solution.de/faq, zuletzt aufgerufen am 24. 05. 2017. 117

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

II. Forderungsanmeldung 1. Verfahren Im Insolvenzverfahren gilt die Dispositionsmaxime. Danach nehmen Insolvenzgläubiger nur dann am Verfahren und an der Verteilung teil, wenn sie ihre Forderungen gegen den Schuldner im Anmelde- und Feststellungsverfahren der §§ 174 ff. InsO geltend machen, § 87 InsO.122 Hierfür müssen sie gem. § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anmelden, wobei gem. § 174 Abs. 2 InsO der Grund (= Klagegrund),123 insbesondere die Rechtsinhaberschaft des Anmelders124 sowie der Betrag der Forderung anzugeben sind. Gem. § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO sollen der Anmeldung die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden, um dem Insolvenzverwalter und den übrigen Gläubigern die Prüfung der Forderung in Bestand und Höhe zu ermöglichen.125 Der Begriff der Urkunde ist dabei weit zu fassen und beinhaltet alle Beweisstücke, mit denen der Nachweis für das Bestehen der Forderung geführt werden kann.126 Es ist alles vorlagefähig, was die Forderungsanmeldung zu prüfen hilft.127 Dem Wortlaut nach handelt es sich bei § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO lediglich um eine Sollvorschrift, so dass eine Anmeldung auch ohne die Beifügung von Unterlagen wirksam ist.128 Bei Titeln, Wechseln oder sonstigen Schuldurkunden ist umstritten, ob diese im Original vorgelegt werden müssen. Hintergrund ist die Regelung des § 178 Abs. 2 Satz 3 InsO, wonach nach dem Prüfungstermin, in dem unbestrittene Forderungen zur Tabelle festgestellt werden, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts auf Wechseln und sonstigen Schuldurkunden einen Vermerk über die Feststellung anbringen muss. Der Feststellungsvermerk dient dem Schutz des Zessionars und der Vermeidung einer Doppeltitulierung sowie der Festlegung, dass es sich lediglich um eine Insolvenzforderung handelt.129 Der Gläubiger soll neben dem vollstreckbaren Tabellenauszug nach § 201 Abs. 2 InsO nicht über weitere Urkunden verfügen, aus denen die Vollstreckung aufgrund der gleichen Forderung gegen den Schuldner betrieben werden kann.130 Einige Autoren im Schrifttum sind der Ansicht, 122

Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 1. BGH 22. 01. 2009 IX ZR 3/08 Tz. 10 NZI 2009, 242. 124 Willmer/Berner, NZI 2015, 877, 880; Gottwald/Eickmann, Insovenzrechts-Handbuch, § 64 Rn. 5; Uhlenbruck/Sinz, § 177 Rn. 14. 125 MüKoInsO/Riedel, § 174 Rn. 42. 126 Braun/Specovius, § 174 Rn. 20; FK-InsO/Kießner, § 174 Rn. 17; Nerlich/Römermann/ Becker, § 174 Rn. 16; Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 41. 127 Nerlich/Römermann/Becker, § 174 Rn. 16. 128 FK-InsO/Kießner, § 174 Rn. 19; HmbKomm/Preß/Henningsmeier, § 174 Rn. 12; K. Schmidt/Jungmann, § 174 Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 41. 129 Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 8 m.w.N. 130 Delhaes, FS Metzeler S. 39, 51 f.; FK-InsO/Kießner, § 178 Rn. 17; HmbKomm/Preß/ Henningsmeier, § 178 Rn. 17; Nerlich/Römermann/Becker, § 178 Rn. 22. 123

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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dass Titel, Wechsel oder sonstige Schuldurkunden zur Anbringung des Feststellungsvermerks spätestens im Prüfungstermin im Original vorgelegt werden müssen.131 Der BGH hingegen vertritt, dass das Gesetz die Vorlage von Originalen nicht verlangt, so dass eine angemeldete Forderung vom Insolvenzgericht nach § 178 Abs. 2 Satz 1 InsO auch dann zur Tabelle festgestellt werden muss, wenn ein Gläubiger keine Originalurkunde vorlegt.132 Es besteht keine Pflicht zur Einreichung von Originalurkunden, zumal der Feststellungsvermerk rein beurkundende Funktion und keinerlei konstitutive Wirkung hat, da die Befriedigung der Gläubiger allein an den Tabelleneintrag geknüpft ist.133 § 178 Abs. 3 Satz 2 InsO kann sich somit nur auf eingereichte Wertpapiere beziehen.134 Eine drohende Doppeltitulierung wird verhindert, indem das Insolvenzgericht die spätere Erteilung des vollstreckbaren Tabellenauszugs von der Vorlage der Originalurkunde zur Entwertung abhängig macht.135 2. Anmeldung ohne gemeinsamen Vertreter a) Individuelle Geltendmachung der Rechte aa) Meinungsstand Aus einem Umkehrschluss zu § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG folgt, dass jeder Schuldverschreibungsgläubiger seine Rechte aus der von ihm gehaltenen Schuldverschreibung individuell gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend machen muss. Insofern ist anerkannt, dass jeder Anleihegläubiger selbst dafür verantwortlich ist, seine Gläubigerstellung nachzuweisen und die Forderung ordnungsgemäß nach den Vorschriften der Insolvenzordnung zur Insolvenztabelle anzumelden.136 Demgegenüber wird im Schrifttum vertreten, dass in der Praxis eine individuelle Geltendmachung der Rechte durch die Anleihegläubiger nicht notwendig ist, da das für die Einlösung von Zinszahlungen und fälligen Wertpapieren entwickelte „wertpapierrechtliche Verfahren“ gem. Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet.137 Die Vorlage der 131

AG Mönchengladbach 20. 02. 2003 5 C 608/02 ZInsO 2003, 291; Delhaes, FS Metzeler, S. 39, 51; Mohrbutter/Ringstmeier/Ernestus, Kap. 11 Rn. 10; Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 8; unklar HmbKomm/Preß/Henningsmeier, § 174 Rn. 13. 132 BGH 01. 12. 2005 IX ZR 95/04 Tz. 9, 10 NZI 2006, 173. 133 KPB/Pape/Schaltke, § 178 Rn. 7; MüKoInsO/Schumacher, § 178 Rn. 53; Nerlich/Römermann/Becker, § 178 Rn. 22. 134 Braun/Specovius, § 178 Rn. 16; FK-InsO/Kießner, § 178 Rn. 15 f.; HmbKomm/Preß/ Henningsmeier, § 178 Rn. 17; K. Schmidt/Jungmann, § 178 Rn. 18. 135 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1637; KPB/Pape/Schaltke, § 178 Rn. 9; Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 8; so auch HmbKomm/Preß/Henningsmeier, § 178 Rn. 17. 136 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 645. 137 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2023, 2029.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Schuldurkunde nach § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG ist im Hinblick auf die heute übliche Verbriefung in einer Globalurkunde nicht mehr so zu verstehen, dass jeder einzelne Gläubiger das Papier unmittelbar aushändigen muss, sondern dahingehend auszulegen, dass die Vorlage auch durch den Verwahrer der Urkunde, der Wertpapiersammelbank, erfolgen kann.138 Wie und wann die Vorlage der Urkunde durch die Clearstream konkret erfolgen soll, lässt diese Literaturansicht jedoch gänzlich unkommentiert. Es ist unklar, ob Clearstream die Forderungen für die Anleihegläubiger anmeldet oder diese es selbst tun. Nachdem gem. Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte die depotführenden Banken automatisch für die Einlösung von Wertpapieren sorgen, ohne dass der Kunde durch eine Vorlage der Wertpapiere aktiv werden muss, auch im Insolvenzverfahren für anwendbar erklärt wird, spricht einiges dafür, dass die Clearstream die gesamte Anleiheforderung – wie der gemeinsame Vertreter – global beim Insolvenzverwalter anmeldet.139 Auf der anderen Seite führt diese Ansicht aus, dass Zahlungen stets an die Vorleger der Schuldverschreibungen zu leisten sind, unabhängig davon, ob es sich dabei um die Gläubiger handelt, die ihre Forderungen selbst oder über den gemeinsamen Vertreter angemeldet haben.140 Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die Anleihegläubiger ihre Forderungen doch selbst anmelden. bb) Stellungnahme Unabhängig davon, ob die Anleihegläubiger ihre Forderungen selbst oder durch die Clearstream anmelden, ist dieser Ansicht nicht zu folgen. Im ersteren Fall würde das Erfordernis der Forderungsanmeldung vollständig seines Sinns und Zwecks beraubt: Nach dieser Literaturansicht leistet der Insolvenzverwalter mit befreiender Wirkung die gesamte auf die Anleihe entfallende Quote an Clearstream.141 Für die Clearstream ist jedoch nicht ersichtlich, welcher Anleihegläubiger die Forderung zuvor zur Tabelle angemeldet hat und welcher nicht. Sie schüttet die gesamte erhaltene Quote über das Clearingsystem aus. Dadurch nehmen auch Gläubiger an der Verteilung teil, die ihre Forderung aber nicht angemeldet haben; dies ist mit § 87 InsO unvereinbar. Sofern diese Ansicht so zu verstehen ist, dass Clearstream die Forderungen für sämtliche Anleihegläubiger global anmeldet, ist sie ebenfalls mit insolvenzrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich die Legitimation von Clearstream zur Forderungsanmeldung ergeben sollte. Clearstream ist nicht Inhaber der Forderungen, sondern lediglich dienstleistender Dritter. Eine 138

Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029. So auch Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 649. 140 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2023, 2029. 141 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2023, 2029. 139

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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Forderungsanmeldung durch einen Dritten ist gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 79 ff. ZPO jedoch nur mit Vorlage einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht möglich.142 Diese liegt nicht vor. Ebenso wenig umfasst die aus Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte hergeleitete Inkassoermächtigung der Depotbanken eine Legitimation zur Geltendmachung von Forderungen im Insolvenzverfahren. Die Insolvenzeröffnung löst zwar gem. § 41 InsO die Fälligkeit aus, wird aber in der abschließenden Aufzählung der Nr. 14 eben nicht explizit genannt. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass im Fall von Inkassounternehmen die Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen auch die Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren umfasst.143 Diese ist wesentlich umfassender als die bloße Ermächtigung zur Entgegennahme von Zahlungen in Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. Auch führt die Inkassotätigkeit der Clearstream außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht zu einer Anwendbarkeit des § 174 Abs. 1 Satz 3 InsO, da hierunter allein gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierte Inkassodienstleister fallen. Selbst wenn die allgemeine Inkassoermächtigung der Depotbanken die Befugnis zur Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren beinhaltet, ist dies nicht mit der insolvenzrechtlichen Dispositionsmaxime vereinbar. Danach obliegt es der freien Entscheidung des Insolvenzgläubigers, ob er durch Anmeldung seiner Forderungen am Insolvenzverfahren teilnehmen möchte oder nicht. Außerdem ergibt sich aus § 19 Abs. 2, 3 SchVG, dass eine kollektive Geltendmachung der Rechte nur unter der Voraussetzung der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters stattfinden kann. Lehnen die Anleihegläubiger die kollektive Geltendmachung ihrer Rechte durch einen gemeinsamen Vertreter ab, liegt die Geltendmachung ihrer Rechte in ihrer eigenen Verantwortung. Weiterhin ist fraglich, wie die Anwendung des „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ im Fall einer kollektiven Geltendmachung der Forderungen durch Clearstream in der Praxis umgesetzt werden soll. Es ist unklar, wie die Anleihegläubiger erfahren sollen, dass sie entgegen der Aufforderung im Eröffnungsbeschluss zur Forderungsanmeldung ihre Forderungen nicht selbstständig geltend machen müssen. b) Zum Nachweis der Inhaberschaft vorzulegende Unterlagen aa) Meinungsstand Die herrschende Ansicht im Schrifttum schließt aus einem Umkehrschluss zu § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG, wonach der gemeinsame Vertreter bei der Geltendmachung der Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren keine Schuldurkunde vorlegen muss, 142 LG München 30. 03. 1992 7 T 1398/92 ZIP 1992, 789, 790; MüKoInsO/Riedel, § 174 Rn. 22; Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 19; dies gilt nur, sofern es sich beim Bevollmächtigten nicht um einen Rechtsanwalt handelt (§§ 4 InsO, 88 Abs. 2 ZPO). 143 OLG Dresden 03. 02. 2004 14 U 1839/03 Tz. 8 ZInsO 2004, 810; Nerlich/Römermann/ Becker, § 174 Rn. 3.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

dies im Fall einer individuellen Geltendmachung erforderlich ist.144 Während einige die Vorlage einer Kopie der Schuldurkunde gelten lassen,145 verlangen andere die Vorlage der Originalschuldurkunde.146 Die Anleihegläubiger sind wegen der heute üblichen Verbriefung in zentralverwahrten Dauerglobalurkunden nicht im Besitz einer Schuldurkunde, so dass diese nicht in der Lage sind, ihre Forderungen ordnungsgemäß anzumelden.147 Die Gegenansicht weist darauf hin, dass die herrschende Meinung die Tatsache verkennt, dass die Globalurkunde kein taugliches Beweisstück im Sinne des § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO darstellt. Da diese lediglich die Existenz der Anleihe als solche nachweist, jedoch nicht die für die Forderungsberechtigung erforderliche individuelle Inhaberschaft, kann der Zweck des § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Prüffähigkeit der Forderung herzustellen, nicht erreicht werden.148 Der Begriff der Urkunde in § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO ist weit zu verstehen, so dass der Nachweis der Inhaberschaft auch durch einen aktuellen Depotauszug der jeweiligen Depotbank, der Wertpapierkennnummer sowie die dem jeweiligen Gläubiger zustehende Stückzahl an Schuldverschreibungen angibt, erbracht werden kann.149 bb) Stellungnahme Der Gegenansicht ist zu folgen. Der von der herrschenden Meinung gezogene Umkehrschluss ist falsch, weil dieser der Systematik des § 19 SchVG widerspricht. Die Privilegierung des § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG gilt allein für die kollektive Geltendmachung der Rechte durch den gemeinsamen Vertreter. Die individuelle Geltendmachung der Rechte durch die Anleihegläubiger richtet sich demgegenüber nach den gem. § 19 Abs. 1 SchVG vorrangig anzuwendenden insolvenzrechtlichen Regelungen. Maßgeblich ist damit der weite insolvenzrechtliche Urkundenbegriff des § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO. Ein Umkehrschluss, der die Vorlage einer Schuldurkunde verlangt, ist mit dem vorrangigen Insolvenzrecht nicht vereinbar.

144 Delhaes, FS Metzeler, S. 39, 52; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029; FK/ Friedl, § 19 Rn. 57; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 89; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 27; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 84. 145 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 27. 146 Delhaes, FS Metzeler, S. 39, 52; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 89. 147 So auch Delhaes, FS Metzeler, S. 39, 52. 148 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 105; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 647. 149 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 105; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht Anhang zu § 39 InsO Rn. 93; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 647.

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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Der in § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG verwendete Begriff der Schuldurkunde ist im Sinne des weiten insolvenzrechtlichen Urkundenbegriffs auszulegen.150 Im Zeitpunkt des Erlasses des § 19 Satz 1 SchVG 1899 – den § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG sinngemäß übernommen hat – gab es nur Einzelurkunden,151 so dass sich das Problem des fehlenden Besitzes von Schuldurkunden nicht stellte. Die Privilegierung des § 19 Satz 1 SchVG 1899 lag darin, dass der gemeinsame Vertreter zum Zweck der Forderungsanmeldung nicht von jedem einzelnen Anleihegläubiger die Schuldurkunde einsammeln musste. Da die Vorlage einer Schuldurkunde wegen der heute üblichen Globalverbriefung nicht möglich ist, bringt § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG für den gemeinsamen Vertreter keine Erleichterung mehr.152 Die Privilegierung des § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG ist dahingehend auszulegen, dass der gemeinsame Vertreter für die Forderungsanmeldung nicht von jedem einzelnen Anleihegläubiger einen Legitimationsnachweis einholen muss. § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG ist an die tatsächlichen Gegebenheiten der Girosammelverwahrung anzupassen.153 c) Problem der anonymen Übertragbarkeit der Anleihe über die Börse aa) Problemstellung Da auch in der Insolvenz der Handel der Anleihe weitergeht, kann sich der Inhaber der Schuldverschreibung jederzeit ändern.154 Es besteht die Gefahr, dass sich bis zum Prüfungstermin, in dem gem. § 176 Satz 1 InsO die angemeldeten Forderungen nach Betrag und Rang geprüft werden, der Inhaber einer bereits angemeldeten Forderung ändert. Globalverbriefte Schuldverschreibungen sind im Gegensatz zu in Einzelurkunden verbrieften Schuldverschreibungen nicht individualisierbar. Damit ist nicht erkennbar, ob eine Forderung aus ein und derselben Schuldverschreibung bereits zur Tabelle angemeldet wurde oder nicht und diese nach einem Inhaberwechsel noch einmal angemeldet wird (sog. Doppelanmeldung).155 Wegen der anonymen Abwicklung von Wertpapiertransaktionen am Kapitalmarkt ist für den Neuerwerber der Schuldverschreibung nicht ersichtlich, ob der bisherige Inhaber die Forderung be-

150 Zwar ist der Wortlaut des § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG insoweit eindeutig, doch auch von einem solchen kann abgewichen werden, wenn der aus der Entstehungsgeschichte zu ermittelnde Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur nahelegt, sondern gebietet, Palandt/Sprau, Einl. Rn. 41. 151 Die rechtliche Grundlage der Sammelurkunde wurde erst durch die Einfügung des § 9a in das DepotG im Mai 1972 geschaffen, siehe Scherer/Martin, DepotG, § 9a Rn. 2. 152 Staudinger/Marburger, Vor § 793 Rn. 2. 153 Die zunehmende Bedeutungslosigkeit der Wertpapierurkunde hat der Gesetzgeber grundsätzlich erkannt, nachdem er einzelne verfahrensrechtliche Vorgaben des SchVG 1899 den Gegebenheiten angepasst hat, vgl. BT-Drs. 16/12814 S. 13. 154 Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 651. 155 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 106.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

reits zur Tabelle angemeldet hat. Der Neuerwerber wird zur Sicherheit die Forderung erneut zur Tabelle anmelden. bb) Lösungsansätze Doppelanmeldungen und daraus folgende Doppelfeststellungen lassen sich verhindern, wenn bei der Forderungsanmeldung neben einem Depotnachweis zum Nachweis der Inhaberschaft ein Sperrvermerk der jeweiligen Depotbank vorgelegt werden muss. Mit einem Sperrvermerk bestätigt die Depotbank, dass sämtliche in dem Depot gehaltenen Schuldverschreibungen der betreffenden Anleihe bis zum Ablauf eines bestimmten Datums gesperrt sind und über die Börse nicht übertragen werden können.156 Der Sperrvermerk muss mindestens bis zum Prüfungstermin reichen, weil nur so sichergestellt werden kann, dass die Titulierung im Prüfungstermin gesichert für den richtigen Anleihegläubiger zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Eine weitergehende Literaturansicht fordert sogar, dass der bei der Forderungsanmeldung vorzulegende Sperrvermerk bis zur Abschlags- oder Schlussverteilung gelten muss.157 Nach einem weiteren Vorschlag kann eine Doppelanmeldung auch dadurch vermieden werden, wenn der Emittent – trotz der üblichen Verbriefung in Globalurkunden – freiwillig Einzelstücke als Legitimationsnachweis ausliefert.158 Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, dass im frühen Stadium der Forderungsanmeldung von den Anleihegläubigern kein die Handelbarkeit der Anleihe einschränkender Sperrvermerk verlangt werden kann, da damit das Recht zur Teilnahme am Insolvenzverfahren unangemessen beschränkt wird.159 Eine Doppelanmeldung ist danach nicht zu verhindern. Hält man hingegen das „wertpapierrechtliche Verfahren“ auch im Insolvenzverfahren für anwendbar, ist durch die globale Geltendmachung der Forderungen durch Clearstream ein zwischenzeitlicher Gläubigerwechsel unbeachtlich. cc) Stellungnahme Die Forderungsanmeldung kann nicht von einem Nachweis der Einschränkung der börslichen Handelbarkeit der Anleihe abhängig gemacht werden. Die Insolvenzordnung stellt an eine wirksame Forderungsanmeldung keine hohen Anforderungen. So liegt eine solche auch dann vor, wenn der Gläubiger zum Nachweis seiner Inhaberschaft entgegen § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO der Anmeldung keine Urkunden

156 Muster eines Depotnachweises mit Sperrvermerk siehe bei Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, S. 188. 157 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 92. 158 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 91. 159 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 105.

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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beilegt.160 Wenn der Gläubiger für eine wirksame Forderungsanmeldung nicht einmal nachweisen muss, dass er im Zeitpunkt der Anmeldung Forderungsinhaber ist, kann von diesem erst recht nicht verlangt werden nachzuweisen, dass dies auch noch im Zeitpunkt des Prüfungstermins der Fall sein wird. Soweit Forderungsanmeldungen den erforderlichen Mindestinhalt haben, sind sie wirksam.161 Der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz fordert, dass für Anleihegläubiger nichts anderes gelten kann. Ohne eine gesetzliche Grundlage kann die Vorlage eines Sperrvermerks nicht Voraussetzung einer wirksamen Forderungsanmeldung werden. Daneben ist eine Einschränkung der börslichen Handelbarkeit mit dem Leitbild des SchVG, die Verkehrsfähigkeit der Schuldverschreibungen am Kapitalmarkt aufrechtzuerhalten, nicht vereinbar. Nachdem diese auch in der Insolvenz fortbesteht, würden die Anleihegläubiger durch das Erfordernis eines Sperrvermerks über Gebühr beeinträchtigt, nachdem diese gerade eine börsennotierte Forderung erworben haben, um diese handeln zu können.162 Dem Vorschlag einer (freiwilligen) Auslieferung von Einzelstücken durch den Emittenten ist nicht zu folgen. Zwar sind dadurch die Schuldverschreibungen individualisierbar, doch ist dieser Lösungsvorschlag angesichts der hohen Ausstellungskosten von Einzelurkunden in der Krise des Emittenten nicht praxistauglich. Eine Doppelanmeldung ist de lege lata nicht zu verhindern. 3. Anmeldung mit gemeinsamem Vertreter a) Problemstellung Durch die kollektive Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger soll eine vereinfachte und effizientere Anmeldung der Forderungen im Insolvenzverfahren bezweckt werden,163 indem der gemeinsame Vertreter die Anmeldung für sämtliche, auch unbekannte Anleihegläubiger bewirkt.164 Der gemeinsame Vertreter meldet die Forderungen aus den Schuldverschreibungen wie ein Prozessstandschafter im eigenen Namen an.165 Die Einziehungsermächtigung des gemeinsamen Vertreters als Prozessstandschafter ergibt sich dabei aus § 19 Abs. 3 SchVG. Folglich wird dessen Name in die Tabelle eingetragen.166

160 In die Richtung auch Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 91, wonach weiterführende Nachweise wie ein Sperrvermerk in Anbetracht des Wortlauts von § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht gefordert werden können. 161 K. Schmidt/Jungmann, § 174 Rn. 44. 162 Vgl. Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 676. 163 FK/Friedl, § 19 Rn. 53. 164 Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 9. 165 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 84. 166 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 101.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Trotz der globalen Anmeldung behalten die einzelnen Forderungen ihre Selbstständigkeit.167 Die einheitliche, zusammengefasste Anmeldung gleichartiger Ansprüche ist insolvenzrechtlich eine sog. Sammelanmeldung.168 Sie ist nur dann zulässig, wenn die Individualisierbarkeit jeder einzelnen Forderung der Anspruchsberechtigten gegeben ist und die Möglichkeit des Verwalters oder anderer Gläubiger, einzelne Forderungen zu bestreiten, nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen wird.169 Eine Anmeldung, die die einzelnen Forderungen lediglich addiert, genügt diesen Anforderungen nicht.170 Es ist unklar, ob der gemeinsame Vertreter die sich aus der Addition der einzelnen Forderungen ergebene Gesamtsumme der Anleihe anmelden darf171 oder jede Forderung faktisch einzeln anmelden muss.172 b) Umsetzbarkeit bei Anleihegläubigern Aufgrund der Anonymität des Kapitalmarktes sind die insolvenzrechtlichen Anforderungen an eine Sammelanmeldung in der Praxis nicht umsetzbar. Daher wird zu Recht vertreten, dass die einzelnen Namen der Anleihegläubiger bei der Forderungsanmeldung nicht anzugeben sind.173 Dem steht der Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG nicht entgegen. Aus der Ratio des § 19 Abs. 3 SchVG folgt, dass es auf die insolvenzrechtlichen Anforderungen bei einer Sammelanmeldung nicht ankommen kann.174 Eine Verfahrenserleichterung wird nur erreicht, wenn der gemeinsame Vertreter sowohl vom formalen Anmeldeerfordernis des § 174 Abs. 1 InsO als auch von inhaltlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sammelanmeldung befreit wird.175 Ebenso besteht keine Verpflichtung des gemeinsamen Vertreters Nachforschungen anzustellen, ob sich unter den Anleihegläubiger Inhaber einer nachrangigen Schuldverschreibung gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 SchVG befinden.176 Die Literaturansicht, der eine globale Anmeldung der Forderungen durch Angabe des Gesamtbetrags der Anleihe nicht genügt, ist abzulehnen, da die Abbildung der 167 Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; FK/Friedl, § 19 Rn. 51; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 89. 168 Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 25. 169 Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 25 m.w.N. 170 Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 25 m.w.N. 171 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029; Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 84 f.; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 89. 172 So wohl Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 10. 173 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397; Ansmann, § 19 Anmerk. 1; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 84; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 101; K. Schmidt/Jungmann, § 74 Rn. 32. 174 So auch Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 101. 175 A.A. Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 10. 176 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 101.

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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Stückelung der Anleihe in der Tabelle funktionslos ist.177 Allein durch die individuelle Stückelung der Anleihe kann die für die Prüffähigkeit der einzelnen Forderungen erforderliche Individualisierbarkeit nicht herbeigeführt werden.178 Im Gegensatz zu Einzelurkunden, bei denen durch die Angabe der Nummern der einzelnen Urkunde die einzelnen Forderungen hinreichend individualisierbar sind,179 kann bei der Globalurkunde allein die Angabe der Schuldverschreibungsinhaber die Prüffähigkeit herstellen. 4. Sonderproblem: keine zeitliche Abstimmung zwischen InsO und SchVG a) Problemstellung Wird den Anleihegläubigern der Eröffnungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem noch keine Klarheit darüber besteht, ob ein gemeinsamer Vertreter im Insolvenzverfahren in der vom Insolvenzgericht gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG einzuberufenden Anleihegläubigerversammlung bestellt wird, kann dies zu einem erheblichen Mehraufwand in der Abwicklung des Forderungsanmeldungs- und Feststellungsverfahren führen. Kommen die Anleihegläubiger der Aufforderung im Eröffnungsbeschluss nach, ihre Forderungen anzumelden ohne den Ausgang der ersten Anleihegläubigerversammlung abzuwarten, entfällt im Fall der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters in Folge seines verdrängenden Mandats gem. § 19 Abs. 3 SchVG nachträglich deren Rechtszuständigkeit für die Geltendmachung der Forderung. Vor Bestellung des gemeinsamen Vertreters in die Tabelle eingetragene Forderungsanmeldungen der Anleihegläubiger müssen vom Insolvenzverwalter bestritten werden.180 Dennoch muss der Insolvenzverwalter alle angemeldeten Forderungen in der Reihenfolge ihres Eingangs unter der jeweiligen Laufnummer in die Tabelle aufnehmen.181 Dabei hat er kein materielles Vorprüfungsrecht,182 die Eintragungspflicht besteht, auch wenn er der Überzeugung ist, dass die von ihm eingetragenen Forderungen bestritten werden müssen.183

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HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 85. So aber Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 10. 179 Ansmann, § 19 SchVG 1899 Anmerk. 1. 180 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80. 181 Uhlenbruck/Sinz, § 175 Rn. 5. 182 Ein Vorprüfungsrecht besteht allein bei rein formalen Mängeln und der Frage, ob die Mindestvoraussetzungen für eine ordnungsgemäße Anmeldung nach § 174 Abs. 2 und 3 InsO eingehalten sind, K. Schmidt/Jungamnn, § 175 Rn. 5; Uhlenbruck/Sinz, § 175 Rn. 10. 183 Braun/Specovius, § 175 Rn. 9. 178

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

b) Lösungsansatz Um den Mehraufwand nachträglich zu bestreitender angemeldeter Forderungen gering zu halten, bitten die Insolvenzverwalter in der Praxis die Anleihegläubiger, trotz der Aufforderung zur Forderungsanmeldung im Eröffnungsbeschluss, mit dieser zunächst zu warten. Anhand von in Internetportalen veröffentlichten oder über das Clearingsystem weitergeleiteten Informationsschreiben versuchen Insolvenzverwalter eine zu frühe Forderungsanmeldung zu vermeiden. So hat im Verfahren der German Pellets GmbH die Insolvenzverwalterin gleichzeitig mit der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses die Anleihegläubiger aufgefordert, abweichend davon keine Forderungen vor Abschluss der Anleihegläubigerversammlung vorzunehmen.184 Auch im Verfahren der KTG Agrar SE hat der Verwalter alle Gläubiger, die sich auf der Internetseite registriert haben, gebeten, ihre Forderungen erst nach gesonderter Aufforderung durch den Verwalter anzumelden.185 c) Stellungnahme Obwohl diese Vorgehensweise in der Praxis die Abwicklung des Forderungsanmeldungs- und Feststellungsverfahrens erleichtert, ist sie mit insolvenzrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar. Sie widerspricht der ausdrücklichen Aufforderung des Insolvenzgerichts an die Insolvenzgläubiger, ihre Forderungen gem. § 28 Abs. 1 InsO innerhalb der im Eröffnungsbeschluss bestimmten Anmeldefrist beim Insolvenzverwalter anzumelden. Die Leitentscheidungen des Verfahrens wie etwa der Eröffnungsbeschluss obliegen allein dem Insolvenzgericht.186 Zum gesetzlich vorgesehenen notwendigen Inhalt des Eröffnungsbeschlusses gehört auch die Festlegung der Anmeldefrist für Insolvenzforderungen.187 Hierin greift der Insolvenzverwalter ein, wenn er entgegen der Aufforderung im Eröffnungsbeschluss, die Anleihegläubiger bittet ihre Forderungen vorerst nicht bzw. erst nach einer von ihm erfolgten gesonderten Aufforderung anzumelden. De lege lata lässt sich der durch nachträglich zu bestreitende Einzelanmeldungen verursachte Mehraufwand im Anmeldungsverfahren nicht verhindern. In der Literatur wird daher zu Recht die Frage aufgeworfen, ob der durch die kollektive Geltendmachung der Rechte aller Gläubiger verfolgte Zweck der Verfahrensvereinfachung überhaupt erreicht werden kann, wenn der gemeinsame Vertreter erst nach Insolvenzeröffnung bestellt wird.188 De lege lata ist eine Verfahrensvereinfachung durch kollektive Geltendmachung der Rechte nur möglich, wenn bereits im Eröffnungsverfahren auf die Bestellung 184

Vgl. Anschreiben an Anleihegläubiger vom 18. 05. 2016, abrufbar unter https://germanpellets.insolvenz-solution.de/dokumente, zuletzt aufgerufen am 14. 06. 2016. 185 Siehe Punkt 6 in der Rubrik „Häufige Fragen und Antworten“, abrufbar unter https://ktgagrar.insolvenz-solution.de/faq, zuletzt aufgerufen am 22. 11. 2016. 186 MüKoInsO/Ganter/Lohmann, Vorbemerkungen vor §§ 2 bis 10 Rn. 10. 187 K. Schmidt/Keller, § 27 Rn. 38. 188 Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, Vorauflage, § 88 Rn. 103.

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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eines gemeinsamen Vertreters hingewirkt wird. Dies erfordert aber einen entsprechenden Opt-in in den Anleihebedingungen. Es zeigt sich erneut, dass die Möglichkeit des § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG unabhängig von einem Opt-in einen gemeinsamen Vertreter bestellen zu können, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu spät erfolgt. Das Problem nachträglich zu bestreitender Einzelanmeldungen stellt sich nicht, wenn die obligatorische Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren auf den Zeitpunkt der Antragstellung vorverlegt wird. Gleiches gilt, wenn die kollektive Forderungsanmelung nicht mehr Aufgabe des gemeinsamen Vertreters wäre, sondern die Clearstream hierzu gesetzlich ermächtigt wird.189 5. Ergebnis Wenn ein gemeinsamer Vertreter nicht bestellt ist, kann jeder Anleihegläubiger seine Forderung individuell im Insolvenzverfahren geltend machen. Zum Nachweis seiner Inhaberschaft genügt die Vorlage eines Depotauszugs der depotführenden Bank. Der von der herrschenden Meinung gezogene Umkehrschluss aus § 19 Abs. 3 SchVG ist falsch. Der Begriff der Schuldurkunde in § 19 Abs. 3 SchVG ist im Sinne des weiten insolvenzrechtlichen Urkundenverständnisses auszulegen. Ein weiterer Nachweis in Form eines Sperrvermerks ist im frühen Zeitpunkt der Forderungsanmeldung – mangels gesetzlicher Grundlage – nicht erforderlich. Infolge der Handelbarkeit der Anleihe auftretende Doppelanmeldungen sind de lege lata nicht zu verhindern. Ebenso wenig lassen sich verfrühte Einzelanmeldungen der Anleihegläubiger vermeiden, die nach erfolgter Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nachträglich vom Insolvenzverwalter zu bestreiten sind. Die Anwendung des „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ im Insolvenzverfahren ist mit insolvenzrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Zwar mag diese Ansicht dem Vorwurf einer formaljuristischen Betrachtungsweise, die die Praxis unnötig belastet, ausgesetzt sein. Richtigerweise offenbart sie jedoch die unzureichende Umsetzung des § 19 SchVG, der die fehlende Verzahnung zwischen Insolvenzrecht und Schuldverschreibungsrecht nicht beseitigen kann.190

III. Feststellung zur Tabelle 1. Verfahren Der Insolvenzverwalter hat im Prüfungstermin neben Betrag und Rang der Forderung gem. § 176 Satz 1 InsO auch den Grund der Forderung, wozu die Rechts-

189 190

Ausführlich hierzu siehe S. 222 f. Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 12.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

zuständigkeit des Anmeldenden gehört, zu prüfen.191 Wird im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren weder vom Insolvenzverwalter noch von einem Insolvenzgläubiger Widerspruch erhoben oder ein erhobener Widerspruch beseitigt, gilt die Forderung gem. § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO als festgestellt. Das Insolvenzgericht trägt gem. § 178 Abs. 2 Satz 1 InsO für jede angemeldete Forderung das Prüfungsergebnis in die Insolvenztabelle ein. Nach § 178 Abs. 3 InsO wirkt die Eintragung in die Tabelle für die festgestellte Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Die Feststellung der Forderung zur Tabelle ist Grundlage der Teilnahme am späteren Verteilungsverfahren. Sie berechtigt den eingetragenen Gläubiger zum Empfang der jeweils ausbezahlten Quote.192 2. Feststellung ohne gemeinsamen Vertreter a) Ausgangslage Ist ein gemeinsamer Vertreter nicht vorhanden, muss nach insolvenzrechtlichen Vorgaben die Feststellung – spiegelbildlich zur Forderungsanmeldung – für jeden Anleihegläubiger einzeln erfolgen. b) Problem der anonymen Übertragbarkeit der Anleihe aa) Problemstellung Aufgrund der fortdauernden Handelbarkeit der Anleihe während der Insolvenz ist unklar, ob der in die Insolvenztabelle aufgenommene Gläubiger tatsächlich Inhaber der Forderung ist. Die Insolvenztabelle kann die aktuellen Anleiheinhaber nicht widergeben. Sicherheit hinsichtlich der Aktualität der Insolvenztabelle lässt sich nur erreichen, wenn die Handelbarkeit der Anleihe über die Börse ab der Anmeldung der Forderung eingeschränkt ist und der Anmelder die Forderung nicht mehr anonym übertragen kann. Die Vorlage eines Sperrvermerks der Depotbank kann jedoch – wie bereits oben dargestellt – im frühen Stadium der Forderungsanmeldung nicht verlangt werden, so dass das Fortbestehen der Handelbarkeit der Anleihe hinzunehmen ist. Die anonyme Übertragbarkeit der Schuldverschreibungen über die Börse führt zu erheblichen Problemen in der Abwicklung des Insolvenzverfahrens. bb) Unmöglichkeit der Änderung der Insolvenztabelle Es ist möglich, dass die Forderung für den Anmelder tituliert wird, obwohl dieser im Zeitpunkt des Prüfungstermins nicht mehr Inhaber der Anleiheforderung ist. Soll anstelle des Altgläubigers der neue Inhaber der Schuldverschreibung in der Insol191 192

Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechts-Handbuch, § 64 Rn. 5. Schreiber/Birnbreiter, ZInsO 2009, 2377, 2381.

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venztabelle berücksichtigt werden, ist nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen eine Änderung der Insolvenztabelle erforderlich, da der Inhaberwechsel zu einer Änderung des Forderungsgrundes führt. Erfolgt der Inhaberwechsel nach Ablauf der Anmeldefrist, aber vor Feststellung der Forderung im Prüfungstermin, tritt der Rechtsnachfolger im Fall einer unstreitigen Rechtsnachfolge an die Stelle des ersten Anmelders, wenn gegenüber dem Insolvenzgericht der Nachweis der Rechtsnachfolge erbracht wurde.193 Ändert sich der Inhaber einer bereits festgestellten Forderung nach dem Prüfungstermin, ist eine einfache Berichtigung der Insolvenztabelle wie bei einem rechtskräftigen Urteil nicht mehr möglich.194 Laut BGH sind gegen eine mit der Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung nur noch solche Rechtsbehelfe zulässig, die gegen rechtskräftige Urteile ergriffen werden könnten.195 Im unstreitigen Fall eines Wechsels des Inhabers einer bereits festgestellten Forderung kann die Berichtigung der Gläubigerbezeichnung in der Insolvenztabelle allein unter den Voraussetzungen der Titelumschreibung nach § 727 ZPO erfolgen.196 Erfolgt eine solche nicht, wird die Quote an den in der Insolvenztabelle genannten Altgläubiger ausgezahlt.197 Wegen der Anonymität des Wertpapierhandels ist eine Änderung der Insolvenztabelle nicht möglich. Durch die Verbriefung der Anleihen in Globalurkunden ist der Name des Gläubigers einziges Unterscheidungsmerkmal für die einzelnen Schuldverschreibungen. Der neue Inhaber weiß nicht, wer vorheriger Forderungsinhaber war. Es ist nicht erkennbar, welcher der in der Insolvenztabelle aufgeführten Anleihegläubiger seine Forderung nach der Anmeldung veräußert hat. Der Neuerwerber ist nicht in der Lage den Nachweis der Rechtsnachfolge zu erbringen und kann damit eine Feststellung der Forderung für den ursprünglichen Gläubiger nicht verhindern. Erfolgt die Auszahlung an den Altgläubiger, hat der Neugläubiger einer Ansicht nach im Innenverhältnis gegen den Altgläubiger zwar einen Anspruch auf 193 Schreiber/Birnbreiter, ZInsO 2009, 2377, 2380; K. Schmidt/Jungmann, § 177 Rn. 7; Uhlenbruck/Sinz, § 177 Rn. 14; die Änderung erfolgt dann durch einfache Berichtigung, Willmer/Berner, NZI 2015, 877, 880; ist die Rechtsnachfolge hingegen streitig (sog. Prätendentenstreit), muss der Rechtsnachfolger die Forderung erneut anmelden; der Insolvenzverwalter nimmt beide Anmelder mit dem Hinweis auf, dass dieselbe Forderung für verschiedene Anmelder in Anspruch genommen wird und bestreitet die Forderung hinsichtlich der Rechtszuständigkeit bis der Streit durch die Prätendenten außerhalb des Insolvenzverfahrens ausgetragen ist, K. Schmidt/Jungmann, § 174 Rn. 29; Uhlenbruck/Sinz, § 177 Rn. 14. 194 Willmer/Berner, NZI 2015, 877, 880 f.; KPB/Pape/Schaltke, § 174 Rn. 71; MüKoInsO/ Riedel, § 174 Rn. 43; K. Schmidt/Jungmann, § 174 Rn. 45; Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 50; a.A. Schreiber/Birnbreiter, ZInsO 2009, 2377, 2383; Braun/Specovius, § 177 Rn. 24 f. 195 BGH 18. 02. 2010 IX ZR 113/09 Tz. 3 NZI 2010, 345. 196 Ausführlich hierzu Schreiber/Birnbreiter, ZInsO 2009, 2377, 2381; Willmer/Berner, NZI 2015, 877, 882; daneben ist trotz der Rechtskraftwirkung gem. § 178 Abs. 3 InsO ein Verzicht auf die Rechte aus der Feststellung weiterhin zulässig; Beck/Depré/Ringstmeier, § 11 Rn. 201; Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 50; so auch MüKoInsO/Riedel, § 174 Rn. 43, wonach eine erklärte Rücknahme der Forderungsanmeldung als Verzicht des Gläubigers auf die weitere Geltendmachung der Forderung angesehen wird. 197 Schreiber/Birnbreiter, ZInsO 2009, 2377, 2380.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Auszahlung der erhaltenen Quote (§ 816 Abs. 2 BGB),198 doch ist dieser wegen seiner Anonymität nicht durchsetzbar. cc) Gefahr der Doppelfeststellung Da nicht erkennbar ist, ob der Veräußerer bereits die Forderung aus der Schuldverschreibung angemeldet hat, ist es möglich, dass der Neugläubiger die Forderung selbst zur Tabelle anmeldet, um am Verfahren teilnehmen zu können. Einer erneuten Anmeldung der Forderung durch den Rechtsnachfolger steht weder eine bereits erfolgte Anmeldung, noch die Feststellung zur Tabelle entgegen.199 Melden sowohl Veräußerer als auch Erwerber dieselbe Forderung zur Tabelle an, kommt es zu einer Doppelfeststellung, indem beide Anmeldungen auf ein- und dieselbe Forderung festgestellt werden.200 Eine Pflicht zur Zurücknahme der Anmeldung besteht für den Veräußerer nicht und es ist nicht nachvollziehbar, ob eine Rücknahme auch tatsächlich erfolgte. Anders als beim Prätendentenstreit ist für den Insolvenzverwalter nicht erkennbar, wenn zwei Anmelder ein und dieselbe Forderung in Anspruch nehmen. Sind sowohl der ursprüngliche Inhaber aufgrund der Rechtskraftwirkung als rechtskräftiges Urteil seiner Tabelleneintragung als auch der neue Inhaber der Schuldverschreibung aufgrund seiner nachträglichen Anmeldung bei der Ausschüttung zu berücksichtigen, führt dies zu einem Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO, wenn der Betrag der festgestellten Forderungen über den Gesamtnennbetrag der Anleihe hinausgeht.201 dd) Lösungsansätze Veräußert ein Anleihegläubiger seine Schuldverschreibung, nachdem er die darin verbriefte Forderung bereits angemeldet hat, kann der Wechsel der Inhaberschaft in der Insolvenztabelle nicht nachvollzogen werden. Es muss daher bereits im Zeitpunkt der Forderungsfeststellung sichergestellt werden, dass die Forderung zu Gunsten desjenigen festgestellt wird, der auch tatsächlich Forderungsinhaber ist und dies auch weiterhin bleibt, um das Risiko einer Doppelfeststellung ausschließen zu können. Hierzu haben sich in der Praxis verschiedene Herangehensweisen entwickelt. (1) Vorläufiges Bestreiten In der Regel bestreiten die Insolvenzverwalter zunächst die angemeldeten Anleiheforderungen und vertagen die endgültige Feststellung auf einen späteren 198

Schreiber/Birnbreiter, ZInsO 2009, 2377, 2380. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 119; Uhlenbruck/Sinz, § 177 Rn. 14; Wilken/Schaumann/ Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 651. 200 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 652. 201 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 670. 199

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Zeitpunkt vor der Vornahme der Verteilung.202 Das Bestreiten unter Vorbehalt (sog. vorläufiges Bestreiten) steht einem uneingeschränkten Widerspruch gleich, wodurch eine zu frühe Feststellungswirkung vermieden wird.203 Eine Rücknahme des Widerspruchs erfolgt nur, wenn der Anmelder den Nachweis erbracht hat, dass die Schuldverschreibungen nicht mehr anonym übertragbar sind und dadurch die Inhaberschaft der Forderung im Zeitpunkt der Feststellung feststeht sowie sichergestellt ist, dass sich diese über den Zeitpunkt der Schlussverteilung hinaus nicht mehr ändert.204 Hat der Anmelder zwischenzeitlich seine Schuldverschreibungen verkauft, kann der Erwerber die darin verbrieften Forderungen ohne weiteres neu anmelden. Die erste Anmeldung hinsichtlich derselben Forderung bleibt wegen des Widerspruchs im Feststellungsverfahren ohne Auswirkungen, so lange nicht der Nachweis der Inhaberschaft erbracht wird. Sofern keine Bedenken gegen eine möglichst lange Handelbarkeit der Anleihe sprechen, kann ein gesonderter Prüfungstermin für die Feststellung der Anleiheforderungen auch erst kurz vor der Schlussverteilung anberaumt werden.205 (2) Bedingte Feststellung Alternativ wird vorgeschlagen die Anleiheforderungen aufschiebend bedingt auf ein Ereignis festzustellen, zu dem die Voraussetzungen für eine Ausschüttung bzw. Quotenzahlung gegeben sind.206 Die Bedingung ist die spätere Vorlage des Depotauszugs mit Sperrvermerk,207 womit der Anmelder den Nachweis erbringt, dass die Schuldverschreibung nicht mehr über die Börse gehandelt wurde. (3) „Wertpapierrechtliche Verfahren“ Bei Anwendung des „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ erfolgt die Ausschüttung über das Clearingsystem stets an den in diesem Zeitpunkt tatsächlichen Inhaber der Schuldverschreibung. Dies würde auch im Insolvenzverfahren gelten und zwar unabhängig davon, ob der tatsächliche Inhaber der Schuldverschreibung die darin verbriefte Forderung angemeldet hat oder nicht.208 Aufgrund der weiteren Übertragbarkeit der Schuldverschreibungen in der Insolvenz erschöpft sich dieser Ansicht

202 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 121; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 92; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 653; so beispielsweise geschehen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schneekoppe GmbH. 203 BGH 09. 02. 2006 IX ZB 160/04 Tz. 8 NZI 2006, 295; Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 19. 204 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 121. 205 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 100. 206 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 120; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 654. 207 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 92 208 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2023, 2029.

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nach die Feststellung der Forderung auf die Anerkennung der in dem Papier verbrieften Forderung als Insolvenzforderung.209 Diese Auffassung geht scheinbar davon aus, dass die Feststellung der Forderung losgelöst von der Person des Inhabers der Schuldverschreibung erfolgt und ihre Eintragung in die Tabelle nicht bedeutet, dass ein Erwerber der Forderung diese neu anmelden und eine neue Forderungsprüfung stattfinden muss.210 Ein Inhaberwechsel nach der Feststellung der Forderungen hat nach dieser Auffassung keine Auswirkungen, so dass sich die Gefahr einer Doppelfeststellung nicht stellt. (4) Einschränkung der Handelbarkeit Die angemeldete Anleiheforderung wird nur dann festgestellt, wenn der Nachweis der Einschränkung der Handelbarkeit erbracht wurde. Eine Möglichkeit ist, die Schuldverschreibungen von der depotführenden Bank in eine neue, nicht handelbare Wertpapierkennnummer (Sonder-ISIN/Sonder-WKN) umbuchen zu lassen. Durch die Zuweisung einer Sonder-Wertpapierkennnummer wird eine Beschränkung der Handelbarkeit für die Clearstream sichtbar und der Handel an der Börse unmöglich.211 Eine Feststellung zur Tabelle erfolgt nur für Forderungen aus Schuldverschreibungen mit der Sonder-Wertpapierkennnummer. Diese Vorgehensweise muss jedoch zwischen Clearstream und Zahlstelle abgestimmt werden.212 In der Praxis am häufigsten anzutreffende Methode zur Einschränkung der börslichen Handelbarkeit ist der Nachweis eines unwiderruflichen Sperrvermerks der depotführenden Bank. Dieser muss sich zeitlich bis zum letztmöglichen Ausschüttungszeitpunkt erstrecken.213 Nur so lässt sich verhindern, dass nach der Feststellung der Forderung erfolgende Anmeldungen zu einer Doppelfeststellung führen. Weiter wird im Schrifttum vorgeschlagen, dass der Insolvenzverwalter auf ein Delisting der Anleihe, also einen Widerruf der Börsenzulassung hinwirken soll.214 Andere sind wiederum der Ansicht, dass die Anleihegläubiger mit Feststellung der Anleiheforderungen ihre Schuldverschreibungen auf ein Depot des Insolvenzverwalters übertragen müssen.215 In diese Richtung geht auch der Vorschlag, dass nachgewiesene angemeldete Forderungen auf eine speziell eingerichtete Abwicklungsstelle treuhänderisch zu Verteilungszwecken zu übertragen sind.216 209

Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2023, 2029. Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2023, 2029. 211 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 98. 212 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 678. 213 Vgl. HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 92; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 679. 214 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 676. 215 Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; FK/Friedl, § 19 Rn. 57. 216 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 92 210

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ee) Stellungnahme (1) Problem der rechtlichen Zulässigkeit des vorläufigen Bestreitens Die Insolvenzordnung kennt das Instrument des vorläufigen Bestreitens nicht. Der BGH stellt klar, dass das vorläufige Bestreiten einen uneingeschränkten Widerspruch darstellt, lediglich ergänzt um die Erklärung, dass der Insolvenzverwalter sich noch eine abschließende Meinung bilden muss, um den Widerspruch gegebenenfalls wieder zurückzunehmen.217 Demgegenüber wird vertreten, dass Insolvenzverwalter zunächst alle Möglichkeiten der Insolvenzordnung nutzen sollen – wie etwa die Vertagung von Prüfterminen –, ehe sie ein im Gesetz nicht vorgesehenes Instrumentarium zu Hilfe nehmen.218 Teilweise wird sogar gefordert, grundsätzlich von einem vorläufigen Bestreiten abzusehen.219 Ungeachtet dessen liegen die Voraussetzungen eines vorläufigen Bestreitens sämtlicher Anleiheforderungen nicht vor. Das vorläufige Bestreiten beruht auf dem Gedanken, dass der Insolvenzverwalter nicht fristgerecht in der Lage ist, auf der Basis der vorliegenden Belege und Erkenntnisse die Forderung anzuerkennen.220 Die Höhe des Gesamtnennbetrags der Anleihe steht ebenso fest wie die Rechtsinhaberschaft der anmeldenden Gläubiger bei Forderungsanmeldung. Bestreitet der Insolvenzverwalter sämtliche angemeldete Anleiheforderungen vorläufig, bestreitet er damit gleichzeitig auch berechtigte Forderungen. Da nicht jeder Anmelder seine Schuldverschreibung nach Forderungsanmeldung weiterveräußert haben wird, ist die Rechtsinhaberschaft nur für einen gewissen Teil der Anleiheforderungen ungewiss. Genauso wie der Insolvenzverwalter zum Widerspruch einer nicht berechtigten Forderung verpflichtet ist, muss er spiegelbildlich jede berechtigte Forderung ohne Widerspruch in die Tabelle eintragen.221 Damit erfolgt der Widerspruch für ein Teil der Anleiheforderungen zu Unrecht. Zwar kann das notwendige Ziel des Feststellungsverfahrens, die angemeldete Forderung für den in diesem Zeitunkt tatsächlich Berechtigten zu titulieren, auf diese Weise erreicht werden. Doch greift das pauschale vorläufige Bestreiten sämtlicher Anleiheforderungen in die Rechte derjenigen Anleihegläubiger ein, die ihre Forderung nach Anmeldung nicht weiterveräußert werden. Ohne eine gesetzliche Grundlage ist das pauschale vorläufige Bestreiten sämtlicher Anleiheforderungen kein insolvenzrechtlich zulässiges Hilfsmittel.

217

BGH 09. 02. 2006 IX ZB 160/04 Tz.10 NZI 2006, 295; Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 19. Braun/Specovius, § 178 Rn. 6; Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechts-Handbuch, § 64 Rn. 8; in die Richtung auch HmbKomm/Preß/Hennigsmeier, § 178 Rn. 9. 219 MüKoInsO/Riedel, § 176 Rn. 30. 220 Beck/Depré/Ringstmeier, Praxis der Insolvenz, § 11 Rn. 153; K. Schmidt/Jungmann, § 178 Rn. 9; MüKoInsO/Schumacher, § 178 Rn. 37. 221 K. Schmidt/Jungmann, § 178 Rn. 2. 218

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

(2) Problem der rechtlichen Zulässigkeit der bedingten Feststellung Die „bedingte Feststellung“ einer Forderung ist in der Insolvenzordnung ebenfalls nicht geregelt. Auch im Schrifttum wurde die Frage der Zulässigkeit einer „bedingten Feststellung“ – soweit ersichtlich – bislang nur im Zusammenhang mit der Feststellung von Wechsel- und Scheckforderungen erwähnt, für die vertreten wird, dass sie unter der Bedingung der Aushändigung des Wechsels nach Art. 39 WG bzw. des Schecks nach Art. 34 ScheckG bedingt festgestellt werden können.222 Art. 39 WG bzw. Art. 34 ScheckG stellen wie § 797 Satz 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht dar, wonach der Schuldner nur gegen Aushändigung der Wechselurkunde bzw. des Schecks zur Leistung verpflichtet ist.223 Die bedingte Feststellung ist mit der Rechtsprechung des BGH, wonach die Feststellung einer unbestrittenen Forderung nicht von der Vorlage der Originalurkunde abhängig gemacht werden kann,224 nicht vereinbar. Der Zweck des auf Originalurkunden anzubringenden Feststellungsvermerks gem. § 178 Abs. 2 Satz 3 InsO rechtfertige keinen Widerspruch gegen eine berechtigte Forderung.225 Auch außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt die Titulierung der in einer Schuldverschreibung verbrieften Forderung vorbehaltlos. Da § 797 Satz 1 BGB kein selbstständiger Gegenanspruch, sondern lediglich ein Zurückbehaltungsrecht darstellt, kann keine Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgen.226 Selbst bedingte Forderungen werden ohne Vorbehalt im Feststellungsverfahren wie unbedingte Forderungen voll berücksichtigt.227 Ebenso wenig können Forderungen, die von einer Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung des Gläubigers abhängen, als aufschiebend bedingter Anspruch zur Insolvenztabelle angemeldet werden.228 Die Feststellung zur Tabelle kann damit nur vorbehaltlos erfolgen.229 (3) Unvereinbarkeit des „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ mit Insolvenzrecht Die Anwendung des „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ ist mit der Dispositionsmaxime nicht vereinbar. Es darf nur für die Gläubiger eine Forderung festgestellt werden, die eine Forderung auch angemeldet haben. Die Argumentation, dass sich 222

Rn. 6. 223

Gottwald/Eickmann, Insovenzrechts-Handbuch, § 64 Rn. 20 f.; Uhlenbruck/Sinz, § 178

Bülow, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Art. 39 WG Rn. 2, Art. 34 ScheckG Rn. 2. BGH 01. 12. 2005 IX ZR 95/04 Tz. 10 NZI 2006, 173. 225 BGH 01. 12. 2005 IX ZR 95/04 Tz. 10 NZI 2006, 173; siehe hierzu bereits S. 75. 226 MüKoBGB/Habersack, § 797 Rn. 2; der Tenor lautet in diesem Fall, dass der Schuldner gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet ist. 227 Beck/Depré/Ringstmeier, Praxis der Insolvenz, § 11 Rn. 158; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1534 f.; erst im Verteilungsverfahren trifft § 192 InsO für aufschiebend bedingte Forderungen Sonderregelungen, indem der auf die aufschiebend bedingte Forderung entfallende Anteil bis zum Eintritt der Bedingung zurückbehalten wird. 228 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1535a. 229 In die Richtung auch Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 673. 224

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die Bedeutung des Tabelleneintrags in der Anerkennung der verbrieften Forderung erschöpft, verfängt nicht. Zwar ist zutreffend, dass die Eintragung der Forderungsfeststellung in die Tabelle eine Beurkundung der Anerkennung der Forderung ist,230 doch sind darüber hinaus an die Eintragung für den Gläubiger weitere Rechtsfolgen geknüpft.231 Die Feststellung bewirkt das Recht der Teilnahme des Insolvenzgläubigers an den Beschlussfassungen über die Insolvenzmasse sowie an deren Verteilung teilzunehmen.232 Daneben wird durch die Feststellung die Forderung gem. § 178 Abs. 3 InsO tituliert und der Gläubiger berechtigt unter den Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 InsO nach Verfahrensende gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Gegenstand der Feststellung ist folglich nach zutreffender Meinung das angemeldete Insolvenzgläubigerrecht bzw. das Haftungsrecht des Gläubigers an der Insolvenzmasse.233 Daraus folgt, dass die Feststellung der Forderung untrennbar mit der Person des Rechtsinhabers verbunden ist, die Forderung kann nicht abstrakt vom Rechtsinhaber festgestellt werden. Deren Rechtskraftwirkung erfordert, dass zur Bestimmung der Reichweite der Rechtsgrund der festgestellten Forderung hinreichend bestimmt ist, wozu insbesondere auch die Angabe der Person des Forderungsberechtigten gehört.234 Damit wird das Haftungsrecht allein für den Gläubiger festgestellt, der die Forderung auch angemeldet hat. Ein Austausch des Forderungsinhabers ist nach Feststellung der Forderung nur noch unter der Voraussetzung des § 727 ZPO möglich. (4) Einschränkung der Handelbarkeit Eine Sicherheit darüber, dass die Titulierung der Forderung im Prüfungstermin auch für den zu diesem Zeitpunkt tatsächlichen Inhaber der Schuldverschreibung erfolgt, lässt sich nur über eine Einschränkung der Handelbarkeit bis zu Ausschüttung der Quote erreichen. Um einen angemessenen Ausgleich zwischen der Aufrechterhaltung der Handelbarkeit der Anleihe einerseits und der für die Durchführung des Feststellungsverfahrens erforderliche Rechtssicherheit andererseits zu schaffen, empfiehlt es sich, den Prüfungstermin so spät wie möglich im Verfahren anzusetzen. Hierfür sollten zunächst die in der Insolvenzordnung vorgesehenen Höchstfristen für die Terminierung des Prüfungstermins im Eröffnungsbeschluss voll ausgenutzt werden. Gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO dürfen zwischen Eröffnung des Verfahrens und Prüfungstermin maximal fünf Monate lie-

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K. Schmidt/Jungmann, § 178 Rn. 19. Willmer/Berner, NZI 2015, 877, 882. 232 MüKoInsO/Schumacher, § 178 Rn. 15 m.w.N. 233 HmbKomm/Herchen, § 179 Rn. 17; MüKoInsO/Schumacher, § 178 Rn. 61; Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 28; so wohl auch BGH 13. 06. 2006 IX ZR 15/04 Tz 21 f. ZIP 2006, 627, siehe hierzu KPB/Pape/Schaltke, § 178 Rn. 3. 234 Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 25; § 177 Rn. 14. 231

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gen.235 Der vorläufige Insolvenzverwalter sollte daher beim Insolvenzgericht frühzeitig auf eine Fristausschöpfung hinwirken236 und zusätzlich die Vertagung des Prüfungstermins gem. § 4 InsO i.V.m. § 227 ZPO beantragen.237 Im Ergebnis zögert diese Vorgehensweise zwar genauso wie das pauschale vorfläufige Bestreiten die Feststellung der angemeldeten Forderungen hinaus. Jedoch geschieht dies im Rahmen der von der Insolvenzordnung vorgesehenen Instrumentarien. In Vorbereitung des Fortsetzungstermins soll der Insolvenzverwalter die Gläubiger der angemeldeten Anleiheforderung schriftlich auffordern, den Nachweis über die Einschränkung der börslichen Handelbarkeit der Schuldverschreibungen zu erbringen. Kommen die Anleihegläubiger dem im Fortsetzungstermin nicht nach, sind die Forderungen zu bestreiten. Der Nachweis lässt sich am einfachsten über einen unwiderruflichen Sperrvermerk der depotführenden Bank erbringen. Das Model der Umbuchung in eine Sonder-Wertpapierkennnummer ist auch möglich, jedoch in seiner Umsetzung wesentlich aufwendiger. Die Feststellung kann jedenfalls nicht von einer dauerhaften Übertragung der Schuldverschreibung abhängig gemacht werden, da dies zu einem ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition der Anleihegläubiger führen würde. Ebensowenig ist dem Vorschlag, dass der Insolvenzverwalter auf ein sog. freiwilliges Delisting der Anleihe hinwirken solle, das zu einer Einstellung der Börsennotierung führt,238 zu folgen. Zwar hat das BVerfG entschieden, dass die tatsächliche Verkehrsfähigkeit einer Aktie nicht in den Schutzbereich von Art. 14 GG fällt,239 so dass ein Delisting einer Anleihe nicht in die Eigentumsfreiheit der Anleihegläubiger eingreifen dürfte. Nichtsdestotrotz würde eine Einstellung des Handels an der Börse die Anleihegläubiger regelmäßig über Gebühr belasten, wenn diese allein zum Zweck einer rechtssicheren Feststellung der Anleiheforderungen vorgenommen werden sollte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als ein Delisting insoweit wieder rückgängig gemacht werden kann, als Handelsteilnehmer jederzeit die Möglichkeit haben, einen Antrag auf Listing der Anleihe im allgemeinen Freiverkehr zu stellen, ohne dass es hierfür der Zustimmung

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Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechts-Handbuch, § 64 Rn. 8; HmbKomm/Preß/Henningsmeier, § 178 Rn. 9. 236 Gottwald/Eickmann, Insolvenzrechts-Handbuch, § 64 Rn. 8. 237 Gegen die Vertragung von Prüfungsverhandlungen bestehen keine Bedenken, Gottwald/ Eickmann, Insolvenzrechts-Handbuch, § 64 Rn. 8; MüKoInsO/Schumacher, § 178 Rn. 38; Uhlenbruck/Sinz, § 178 Rn. 21. 238 Ist die Anleihe im regulierten Markt notiert, richtet sich der Widerruf der Zulassung zum Handel nach § 39 Abs. 2 BörsG; liegt eine Notierung im Freiverkehr regeln die Geschäftsbedingungen der Börsen die Voraussetzungen einer Kündigung der Teilnahme am Handel, vgl. etwa §§ 14, 27, 30 der AGB der Deutschen Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse. 239 BVerfGE 132, 99.

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des Emittenten oder des Insolvenzverwalters bedürfen würde.240 Das Delisting stellt somit ein in der Praxis nicht verlässliches Mittel zur Einschränkung der Handelbarkeit dar.241 3. Feststellung mit gemeinsamem Vertreter a) Ausgangslage Spiegelbildlich zur Anmeldung erfolgt auch die Feststellung auf das Gesamtvolumen der Anleihe sowie in Folge der Prozessstandschaft auf die Person des gemeinsamen Vertreters. Da der gemeinsame Vertreter als Prozessstandschafter fremde Rechte im eigenen Namen geltend macht, hat ein Inhaberwechsel anders als bei der individuellen Geltendmachung der Anleihegläubigerrechte keinerlei Auswirkungen. Entsprechend den insolvenzrechtlichen Vorgaben wird die Forderung zugunsten desjenigen festgestellt, der die Forderung angemeldet hat. Richtigerweise entfällt – neben der Anmeldung – auch die Pflicht zur Prüfung jeder einzelnen Forderung.242 Es wäre widersinnig, einerseits zur Verfahrensvereinfachung eine Globalanmeldung durch den gemeinsamen Vertreter zuzulassen, den Insolvenzverwalter aber andererseits zur Prüfung der damit verbundenen Einzelforderungen zu verpflichten, obwohl er hierzu wegen der kollektiven Forderungsanmeldung nicht in der Lage ist.243 Dem steht auch nicht der Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung entgegen. Sinn und Zweck des § 19 Abs. 3 SchVG erfordert es, dass die Privilegierung des § 19 Abs. 3 SchVG auch im Feststellungsverfahren fortwirkt, da nur dann die beabsichtigte Verfahrensvereinfachung eintreten kann. Soll im Feststellungsverfahren wie bei einer individuellen Geltendmachung der Rechte durch den einzelnen Anleihegläubiger vorgegangen wer240 Vgl. etwa § 10 Abs. 1 AGB der Deutschen Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse; § 9 der Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Börse München; erfolgt die Aussetzung ohne die Zustimmung des Emittenten, finden die kapitalmarktrechtlichen Pflichten nach Maßgabe der MAR jedoch keine Anwendung, Klöhn, AG 2016, 423, 426. 241 So hat etwa im Fall der Rickmers-Anleihe der gemeinsame Vertreter auf ein erneutes Listing der Anleihe hingewirkt, nachdem zuvor deren Einbeziehung im Premiummarktsegment gekündigt worden war, vgl. https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2017-09/416913 93-rickmers-anleihe-gemeinsamer-vertreter-bewirkt-listing-und-handel-im-freiverkehr-34 9.htm, zuletzt aufgerufen am 20. 12. 2018. 242 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 12; in die Richtung wohl auch K. Schmidt/Jungmann, § 74 Rn. 32, wonach die Privilegierung des gemeinsamen Vertreters die Identität der Anleihegläubiger nicht offen legen zu müssen auch hinsichtlich der Teilnahme am Verteilungen nach §§ 187 ff. InsO gilt; da Grundlage der Verteilung die vorherige Forderungsfeststellung ist, kann daraus geschlossen werden, dass die Privilegierung auch im Feststellungsverfahren gilt. 243 So aber Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313, jedoch offenlassend wie eine Prüfung der Einzelforderungen bei einer Globalanmeldung möglich sein soll; für eine Prüfungspflicht auch Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 170.

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den, wird die Arbeit des Insolvenzverwalters nicht erleichtert, sondern in Folge der kollektiven Geltendmachung eher erschwert. Auch wenn dadurch Gläubiger unterschiedlich behandelt werden, liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, da sicher ist, dass die Forderungen in Höhe des Gesamtnennbetrags der Anleihe bestehen. b) Problem der Feststellung nachrangiger Forderungen Aufgrund der Globalanmeldung und -prüfung kann es vorkommen, dass Forderungen zu Unrecht festgestellt werden.244 Insbesondere besteht die Gefahr, dass dies zugunsten von Gesellschaftern geschieht, die Schuldverschreibungen des Emittenten halten, deren Forderungen aber nachrangig gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind.245 Einer Ansicht nach muss der Insolvenzverwalter die Stimmrechtsnachweise nach § 10 SchVG vergangener Anleihegläubigerversammlung durchsehen, um Anhaltspunkte darüber zu finden, ob sich Gesellschafter unter den Anleihegläubiger befinden.246 Auch hier ist aus mangelnder Aktualität und Vollständigkeit deren Durchsicht nicht zielführend, so dass der Insolvenzverwalter hierzu nicht verpflichtet ist. Gleiches gilt für die Liste der Gläubiger, die sich freiwillig im Internet registriert haben. Davon bleibt die Verpflichtung des Insolvenzverwalters unberührt, bei positiver Kenntnis nachrangiger Schuldverschreibungen diese im Prüfungstermin zu bestreiten.247 Der auf die nachrangigen Schuldverschreibungen entfallende Betrag kann grundsätzlich nicht im Rahmen der Verteilung in Abzug gebracht werden,248 wenn die Auszahlung der Insolvenzquote – wie in der Praxis üblich – über das Clearingsystem erfolgt.249 Da nicht bekannt ist, bei welcher Depotbank der betreffende Gesellschafter ein Konto unterhält, ist es nicht zu verhindern, dass an diesen dennoch die Quote ausgeschüttet wird. Für Clearstream ist eine nachrangige Schuldverschreibung nur dann erkennbar, wenn sie in eine Sonderwertpapierkennnummer umgebucht wurde und nicht an der Verteilung teilnimmt. Dies setzt jedoch die Kooperationsbereitschaft des Inhabers der nachrangigen Schuldverschreibung voraus, die Umbuchung durch seine Depotbank vornehmen zu lassen,250 was in der Praxis kaum vorkommen dürfte.

244

Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 118. D’Avoine, NZI 2013, 321, 322. 246 Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 115, Fn. 207. 247 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 118. 248 In die Richtung auch Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 118; so aber Penzlin/Klerx, ZInsO 2003, 311, 313. 249 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 95; Wilken/ Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 667. 250 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 128. 245

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Erlangt der Insolvenzverwalter hingegen erst nach Feststellung von der Nachrangigkeit Kenntnis, muss er wegen der Feststellungswirkung die Quote auf die Forderung ausschütten.251 Die Feststellungswirkung kann nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass es sich um eine unanmeldbare Forderung handelt, denn auch eine nachrangige Forderung ist Insolvenzforderung und ist – wenn auch mit Einschränkungen – am Verfahren beteiligt.252 Eine Vollstreckungsklage ist gem. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert.253 Nachdem die Ausschüttung – trotz vorherigen Widerspruchs im Prüfungstermin – an einen Gesellschafter nicht verhindert werden kann, ist fraglich, ob der Insolvenzverwalter die Insolvenzquote von diesem zurückverlangen kann. Erfolgen Zahlungen zu Unrecht aus der Insolvenzmasse, hat der Insolvenzverwalter einen Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen den Empfänger der Quote.254 Fraglich ist, ob auch Herausgabeansprüche aus Insolvenzanfechtung gem. § 143 InsO in Betracht kommen. Gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Befriedigung eines Gesellschafterdarlehens oder einer gleichgestellten Forderung der Gesellschafter anfechtbar, wenn sie im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag erfolgte. Das Anfechtungsrecht erstreckt sich gem. § 129 Abs. 1 InsO jedoch ausdrücklich – mit Ausnahme des § 147 InsO – nur auf vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlungen.255 Die Ausschüttung auf eine zu Unrecht festgestellte, nachrangige Forderung ist demzufolge keine taugliche Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO. Unklar ist, ob die Anfechtungsvorschriften auf nach Insolvenzeröffnung vorgenommene Rechtshandlungen analog anwendbar sind. Der BGH nimmt an, dass eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften auf Handlungen nach Verfahrenseröffnung keinen (unzulässigen) Systembruch darstellt.256 Er bejahte für den Fall, dass eine am Gesesellschafts- und am Gesellschaftervermögen gesicherte Darlehensforderung eines Dritten nach Insolvenzeröffnung durch Verwertung der Gesellschaftersicherheit befriedigt wird, eine analoge Anwendung des § 135 Abs. 2 InsO.257 In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt konnte der Insolvenzverwalter den Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung nicht verhindern.258 Die Beschränkung des § 129 InsO auf vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlungen basiert 251

BGH 21. 02. 1991 IX ZR 133/90 ZIP 1991, 456; Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 54. Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 54. 253 Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 54. 254 Vgl. MüKoBGB/Schwab, § 812 Rn. 407. 255 Uhlenbruck/Borries/Hirte § 129 Rn. 89. 256 BGH 01. 12. 2011 IX ZR 11/11 Tz. 20 NZI 2012, 803; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 Rn. 91. 257 BGH 01. 12. 2011 IX ZR 11/11 Tz. 20 NZI 2012, 803; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 Rn. 91. 258 BGH 01. 12. 2011 IX ZR 11/11 Tz. 20 NZI 2012, 80. 252

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auf der Annahme, dass der Verwalter nach der Eröffnung Gläubigerbenachteiligungen verhindert.259 In der Literatur wird daher vertreten, dass eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften nur dann in Betracht kommt, wenn sich die Unwirksamkeit einer nach Insolvenzeröffnung vorgenommenen Rechtshandlung weder aus den §§ 80 – 82, 89, 91 sowie § 96 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 InsO ergibt, noch eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht möglich ist.260 Vorliegend kann der Insolvenzverwalter eine Gläubigerbenachteiligung durch die Geltendmachung des ihm zustehenden Bereicherungsanspruchs abwenden, so dass eine Abweichung von der Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO nicht zu rechtfertigen ist. Somit spricht einiges gegen eine analoge Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. c) Sonderproblem: Beendigung des Mandats des gemeinsamen Vertreters nach Feststellung der Anleiheforderungen Das Mandat des gemeinsamen Vertreters kann in Folge von Abberufung durch die Anleihegläubiger gem. § 7 Abs. 4 SchVG, durch Kündigung des bestehenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses gem. § 671 Abs. 1 i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB261 oder durch dessen Tod gem. § 673 i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB enden. Mit der Beendigung des Mandats endet auch dessen Prozessstandschaft, wodurch die Anleihegläubiger für die Geltendmachung ihrer Forderungen wieder selbst zuständig werden. Da die Anleihegläubiger als materiell Berechtigte nicht in der Insolvenztabelle stehen, muss diese geändert werden. Endet eine gewillkürte Prozessstandschaft, kann der materiell Berechtigte zivilprozessual die Vollstreckungsklausel unter den Voraussetzungen des § 727 ZPO auf ihn umschreiben lassen.262 Entsprechendes gilt für die Änderung der Insolvenztabelle. Folglich muss jeder einzelne Anleihegläubiger seine Rechtsinhaberschaft durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden gem. § 727 ZPO nachweisen, um eine Änderung der Insolvenztabelle zu erreichen. Der damit verbundene Aufwand führt zu einer erheblichen Belastung in der Verfahrensabwicklung. 4. Ergebnis Die anonyme Übertragbarkeit globalverbriefter Schuldverschreibungen stellt die Praxis vor erhebliche Probleme. Die insolvenzverfahrensrechtlichen Vorgaben im Feststellungsverfahren sind ohne die Wahl eines gemeinsamen Vertreters nur dann 259 BGH 01. 12. 2011 IX ZR 11/11 Tz. 20 NZI 2012, 80; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 Rn. 90. 260 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 Rn. 91. 261 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 60; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 7 Rn. 13; ausführlich zum Rechtsverhältnis zwischen gemeinsamen Vertreter und Anleihegläubigern siehe ausführlich S. 171 ff. 262 MüKoZPO/Wolfsteiner, § 727 Rn. 10; Zöller/Stöber, § 727 Rn. 13.

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ordnungsgemäß umsetzbar, wenn im Zeitpunkt der Feststellung die Handelbarkeit über die Börse durch Umbuchung der Schuldverschreibungen in eine SonderWertpapierkennnummer oder einfacher durch die Vorlage eines Sperrvermerks eingeschränkt ist. Nur so ist zu gewährleisten, dass die Forderungen für den in diesem Zeitpunkt richtigen Anleihegläubiger tituliert werden und eine Doppelfeststellung in Folge nachträglicher Anmeldungen verhindert wird. Da andererseits die Aufrechterhaltung der Verkehrsfähigkeit der Schuldverschreibungen Leitmotiv des SchVG ist, soll diese so lange wie möglich im Insolvenzverfahren aufrechterhalten werden, indem die Feststellung der Anleiheforderungen erst zum spät möglichsten Zeitpunkt erfolgt. Die Probleme, die bei der Beteiligung einer nicht durch einen gemeinsamen Vertreter organisierten breiten Anlegermasse im Feststellungsverfahren auftreten, scheint der Gesetzgeber des SchVG nicht gesehen zu haben. Insbesondere im Feststellungsverfahren wird klar, dass die Systematik der Insolvenzordnung nicht auf eine Vielzahl anonymer Gläubiger ausgelegt ist und es § 19 SchVG als insolvenzrechtliche Sonderregelung versäumt, die daraus resultierenden Probleme zu lösen. Allein die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters kann eine effiziente und einfache Abwicklung des Feststellungsverfahrens ermöglichen.

IV. Insolvenzgläubigerversammlung als Entscheidungsorgan 1. Aufgaben und Zusammensetzung Die Gläubigerversammlung ist im eröffneten Verfahren das zentrale Organ der insolvenzrechtlichen Selbstverwaltung der Gläubiger, in der sie über zentrale Fragen des Fortgangs des Insolvenzverfahrens bestimmen (§ 157 InsO).263 Der Gläubiger als der primär von der Insolvenz des Schuldners Betroffene soll die für das Insolvenzverfahren maßgeblichen Entscheidungen, wie etwa über Form und Art der Masseverwertung oder über die Gestaltung des Verfahrens (Bestimmung des Verfahrensziels) treffen.264 Daneben obliegt der Gläubigerversammlung insbesondere die Wahl des Insolvenzverwalters (§ 57 Satz 1 InsO), die Entscheidung, ob ein Gläubigerausschuss eingesetzt oder beibehalten werden soll (§ 67 Abs. 1 InsO) sowie die Entscheidung über einen Insolvenzplan (§§ 235 ff. InsO).265 Die Gläubigerversammlung entscheidet nach § 76 Abs. 2 InsO mit absoluter Mehrheit der Stimmrechte („Summenmehrheit“); auf die „Kopfmehrheit“ kommt es zusätzlich nur bei der Wahl eines anderen Insolvenzverwalters gem. § 57 Satz 2 InsO, bei der Abstimmung zur Annahme eines Insolvenzplans nach § 244 Abs. 1

263

K. Schmidt/Jungmann, § 74 Rn. 1; MüKoInsO/Ehricke, § 74 Rn. 12; Uhlenbruck/Knof, § 74 Rn. 1 – 4. 264 Uhlenbruck/Knof, § 74 Rn. 1 – 4. 265 Uhlenbruck/Knof, § 74 Rn. 13; ausführlich zu den Aufgaben der Insolvenzgläubigerversammlung siehe MüKoInsO/Ehricke, § 74 Rn. 13.

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InsO sowie über die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gem. § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO an. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 InsO haben grundsätzlich nur Gläubiger angemeldeter und nicht bestrittener Forderungen ein Stimmrecht. Noch nicht geprüfte Forderungen sind mit dem vollen Betrag (vorläufig) stimmberechtigt, soweit sie nicht bestritten werden.266 Gläubiger deren Forderungen bestritten sind, sind gem. § 77 Abs. 2 Satz 1 InsO stimmberechtigt, soweit sich in der Gläubigerversammlung der Verwalter und die erschienenen stimmberechtigten Gläubiger über das Stimmrecht geeinigt haben. Streitig ist, ob die Anmeldung im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 InsO eine formelle Anmeldung nach §§ 174 ff. InsO voraussetzt267 oder die tatsächliche Geltendmachung der Forderung im Termin genügt.268 Nach zutreffender Ansicht ist zu differenzieren: endet die Anmeldefrist vor dem Berichtstermin, setzt die Stimmberechtigung eine ordnungsgemäße Anmeldung nach § 174 InsO voraus. Findet die Gläubigerversammlung vor dem Ende Anmeldefrist nach § 28 Abs. 1 InsO statt, ist die Anmeldung der Forderung ausnahmsweise keine Voraussetzung, weil ein Ausnutzen von Fristen nicht zum Nachteil der Gläubiger gehen darf.269 In diesem Fall genügt es, wenn der Gläubiger in der Gläubigerversammlung diejenigen Angaben macht, die für eine Forderungsanmeldung erforderlich sind.270 Hierfür muss er einen Lebenssachverhalt schlüssig darlegen, aus der sich der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach ergibt.271 2. Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlung ohne gemeinsamen Vertreter Wurde kein gemeinsamer Vertreter bestellt, ist jeder Anleihegläubiger berechtigt, an der Gläubigerversammlung teilzunehmen und abzustimmen. Soweit zum Termin der Versammlung noch keine Anmeldung erfolgt ist, müssen die Gläubiger zu Beginn der Verhandlung ihre Stimmberechtigung darlegen.272 Im Schuldverschreibungsrecht erfolgt der Nachweis der Rechtsinhaberschaft für die Berechtigung der Teilnahme an Gläubigerversammlungen nach § 10 Abs. 3 Satz 2 SchVG über einen Depotauszug sowie der Bescheinigung eines Sperrvermerks der depotführenden Bank, sofern die Anleihebedingungen nicht anderes regeln. Diese Vorgehensweise 266

MüKoInsO/Ehricke, § 77 Rn. 5. HmbKomm/Preß, § 77 Rn. 4. 268 KPB/Kübler, § 77 Rn. 29; Uhlenbruck/Knof, § 77 Rn. 3. 269 MüKoInsO/Ehricke, § 77 Rn. 6. 270 FK-InsO/Wimmer, § 77 Rn. 4; HK/Riedel, § 77 Rn. 3; K. Schmidt/Jungmann, § 77 Rn. 2; ausführliche Begründung bei MüKoInsO/Ehricke, § 77 Rn. 6. 271 K. Schmidt/Jungmann, § 77 Rn. 2. 272 MüKoInsO/Ehricke, § 77 Rn. 6. 267

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kann auf die insolvenzrechtliche Gläubigerversammlung übertragen werden.273 Der Depotauszug samt Sperrvermerk muss sich auf den konkreten Tag der Insolvenzgläubigerversammlung beziehen. Abweichende Regelungen in den Anleihebedingungen zum maßgeblichen Zeitpunkt, auf den sich der Nachweis der Gläubigerbestellung beziehen kann (sog. record date),274 sind unbeachtlich. Sind die angemeldeten Forderungen vorläufig bestritten, steht den Anleihegläubigern dennoch ein Stimmrecht zu, sofern sie sich wie beschrieben legitimieren können.275 Eine Einigung mit dem Insolvenzverwalter gem. § 77 Abs. 2 InsO ist nicht erforderlich.276 Das vorläufige Bestreiten zögert die Rechtskraftwirkung der Feststellung hinaus,277 aber daraus dürfen dem Gläubiger keine Abstimmungsnachteile erwachsen.278 3. Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlung mit gemeinsamem Vertreter a) Problemstellung Ist ein gemeinsamer Vertreter vorhanden, nimmt dieser im Rahmen seines verdrängenden Mandats nach § 19 Abs. 3 HS. 1 SchVG für die Anleihegläubiger an der Insolvenzgläubigerversammlung teil und übt für diese ihr Stimmrecht aus.279 Ob daneben den Anleihegläubiger – auch wenn ihnen in der Insolvenzgläubigerversammlung kein Stimmrecht zusteht – trotz des verdrängenden Mandats des gemeinsamen Vertreters das Teilnahme-, Frage- und Rederecht in der Versammlung verbleibt, ist unklar. Insolvenzrechtlich ist das Stimmrecht vom bloßen Teilnahmerecht zu unterscheiden.280 Aus § 74 Abs. 1 Satz 1 InsO folgt, dass das Teilnahmerecht wesentlich weiter gefasst ist als das in § 77 InsO geregelte Stimmrecht. An Gläubigerversammlungen dürfen auch nicht stimmberechtigte Gläubiger und Nichtgläubiger teilnehmen.281 Unter der Voraussetzung, dass die Sonderregelung des § 19 Abs. 3 SchVG nicht entgegensteht und das Insolvenzrecht gem. § 19 Abs. 1 SchVG An273

So auch Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 114. Zum record date in Anleihebedingungen siehe ausführlich Verannemann/Wasmann/ Steber, § 10 Rn. 11 f. 275 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 115. 276 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 115; MüKoInsO/Ehricke, § 77 Rn. 17; K. Schmidt/Jungmann, § 77 Rn. 6; Uhlenbruck/Knof, § 77 Rn. 18; a.A. Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 85; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 660. 277 Uhlenbruck/Knof, § 77 Rn. 18. 278 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 115; Uhlenbruck/Knof, § 77 Rn. 18. 279 FK/Friedl, § 19 Rn. 51; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 33. 280 HmbKomm/Preß, § 74 Rn. 11. 281 Uhlenbruck/Knof, § 74 Rn. 6. 274

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wendung findet, trifft dies auch auf die Anleihegläubiger zu. Ob die Sperrfunktion des § 19 Abs. 3 SchVG neben dem Stimm- auch das Teilnahmerecht der Anleihegläubiger in der Insolvenzgläubigerversammlung ausschließt, ist unklar.282 b) Meinungsstand Einer Ansicht nach schließt das verdrängende Mandat des gemeinsamen Vertreters gem. § 19 Abs. 3 SchVG das Recht der Anleihegläubiger zur Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlungen nicht aus.283 Dies wird teilweise mit dem Wortlaut des § 19 Abs. 3 SchVG, der auf die „Geltendmachung von Rechten“ abstellt, begründet. Darunter sollen unmittelbar rechtserhebliche Handlungen wie etwa die Wahrnehmung von Stimmrechten und solchen Rechten, die unmittelbar mit der Durchsetzung einzelner Forderungen zusammenhängen, zu verstehen sein.284 Teilnahme- oder Fragerechte entfalten weder eine unmittelbare rechtserhebliche Wirkung noch werden diese nach allgemeinem Sprachverständnis „geltend gemacht“, so dass diese nicht von der Sperrfunktion des § 19 Abs. 3 SchVG umfasst sind.285 Zudem besteht ein schützenswertes Interesse der Anleihegläubiger, sich unmittelbar vom Stand des Verfahrens ein Bild zu machen, um auf gesicherter Informationsbasis bei einer Anleihegläubigerversammlung Weisungsbeschlüsse in Bezug auf das Abstimmungsverhalten des gemeinsamen Vertreters treffen zu können.286 Eine weitere Ansicht differenziert danach, ob die Anleihegläubiger Forderungen behaupten, die nicht vom verdrängenden Mandat des gemeinsamen Vertreters erfasst sind wie beispielsweise individuelle Schadenersatzansprüche. In diesem Fall soll den Anleihegläubigern wenigstens ein Teilnahmerecht zustehen.287 c) Stellungnahme Das Teilnahme- und Fragerecht dient der Vorbereitung der Ausübung des Stimmrechts. Es ist ein Hilfsrecht, das die Verwirklichung anderer Rechte sichert288 und kann nicht von demjenigen Hauptrecht losgelöst werden, dessen Verwirklichung es dient. Wie das Hauptrecht ist dieses – a maiore ad minus – vom verdrängenden Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG als mit umfasst anzusehen. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 19 Abs. 3 SchVG, wonach der gemeinsame Vertreter „für alle 282

Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 81. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 108; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 82. 284 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 82. 285 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 82. 286 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 82. 287 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80. 288 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 7 Rn. 36. 283

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Gläubiger allein berechtigt und verpflichtet ist, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen“. Der Gesetzgeber überträgt dem gemeinsamen Vertreter damit sämtliche Rechte der Anleihegläubiger ohne jegliche Einschränkung. Der Einwand, dass ein Fragerecht nach allgemeinem Sprachverständnis nicht „geltend gemacht“ wird, überzeugt nicht, weil Stimmrechte ebenso wenig „geltend gemacht“, sondern wahrgenommen werden. Letztere sind aber unstreitig vom umfassenden Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG umfasst. Dem steht auch kein schützenswertes Informationsinteresse der Anleihegläubiger entgegen. Die Anleihegläubiger werden im Rahmen der Berichtspflicht des gemeinsamen Vertreters gem. § 7 Abs. 2 Satz 4 SchVG über den aktuellen Verfahrensstand hinreichend informiert. Die Berichtspflicht des gemeinsamen Vertreters folgt unmittelbar aus § 666 BGB289 und bezieht sich damit grundsätzlich auf alle für die Gläubiger bedeutsamen Informationen, die sich aus der Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters ergeben.290 Nimmt der gemeinsame Vertreter für die Anleihegläubiger an Insolvenzgläubigerversammlungen teil, muss er den Anleihegläubigern über deren Inhalt und Ergebnisse berichten,291 ohne dass es hierzu einer besonderen Aufforderung der Anleihegläubigerversammlung bedarf.292 Die Annahme, dass Informationsansprüche der Gläubiger sehr individuell sein können, denen der gemeinsamen Vertreter aber nicht gerecht werden könnte, überzeugt nicht.293 Die Anleihegläubiger sind Inhaber jeweils gleichartiger Ansprüche. Woraus sich die von einem gemeinsamen Vertreter vermeintlich nicht zu bewältigende Individualität einzelner Informationsansprüche ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Es besteht auch kein Bedürfnis, einzelnen Anleihegläubigern im Rahmen der Insolvenzgläubigerversammlung die Möglichkeit zu eröffnen, Fragen an den Insolvenzverwalter stellen zu können.294 Zwar ist zutreffend, dass Fragen einzelner Gläubiger – obwohl diesen kein individuelles Auskunftsrecht in der Insolvenzgläubigerversammlung zusteht – solange zulässig sind, wie die Mehrheit der Gläubigerversammlung einer solchen nicht widerspricht.295 Gleichwohl kann daraus kein schützenswertes Interesse der Anleihegläubiger an der Teilnahme in der Insolvenzgläubigerversammlung abgeleitet werden,296 wenn das Informationsbedürfnis der Anleihegläubiger auf andere Weise erfüllt wird. 289 Laut Gesetzesbegründung richtet sich das Innenverhältnis zwischen den Anleihegläubigern und dem gemeinsamen Vertreter nach Auftragsrecht, so dass § 7 Abs. 2 Satz 4 SchVG lediglich klarstellenden Charakter hat, BT-Drs, 16/12814 S. 20. 290 FK/Wöckener, § 7 Rn. 43. 291 Zur Erfüllung der Berichtspflicht durch Nutzung von einer Internetseite siehe ausführlich Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 8 f. 292 FK/Wöckener, § 7 Rn. 43. 293 So aber Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 108. 294 So aber wohl Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 108. 295 Thole, ZIP 2012, 1533, 1539; MüKoInsO/Ehricke, § 79 Rn. 9; Nerlich/Römermann/ Delhaes, § 79 Rn. 2; Uhlenbruck/Knof, § 79 Rn. 4. 296 So aber Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 82.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Überdies steht der Gesetzeszweck des § 19 SchVG durch Bündelung der Rechte in einer Person eine effiziente und zügige Durchführung des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten, einem Teilnahme- und Fragerecht der Anleihegläubiger entgegen.297 Das Insolvenzgericht wäre gezwungen bei der potentiell hohen Teilnehmeranzahl angemessene Räumlichkeiten auszuwählen.298 Gerade im Fall von Mittelstandsanleihen, bei denen die übliche Stückelung von 1000 EUR sowie die gezielte Platzierung bei privaten Anlegern zu einer enorm hohen Zahl von Anleihegläubigern führt, müssen große Räumlichkeiten wie etwa Sport- oder Messehallen angemietet werden. Der organisatorische Aufwand ist erheblich und die nicht zu vernachlässigenden hohen Kosten der Veranstaltung gehen als Masseverbindlichkeiten299 zu Lasten der Insolvenzmasse. Auch wenn der einzelne Anleihegläubiger kein Stimmrecht ausüben kann, ist wegen der Nichtöffentlichkeit der Gläubigerversammlung zur Teilnahmeberechtigung wiederum eine nachprüfbare Legitimation erforderlich.300 Der mit der Teilnahme einzelner Anleihegläubiger verbundene höhere Kosten- und Zeitaufwand steht in keinem Verhältnis zur Möglichkeit der einzelnen Gläubiger an den Insolvenzverwalter Fragen stellen zu können. Selbst die Gegenansicht stellt fest, dass das Frage- und Rederecht in insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlungen im Vergleich zum Auskunftsrecht nach dem SchVG deutlich eingeschränkt ist.301 Zuvor Gesagtes gilt jedoch nur, wenn der gemeinsame Vertreter die in den Schuldverschreibungen verbrieften Forderungen geltend macht. Vom Mandat nicht erfasst sind indiviudelle Forderungen der Anleihegläubiger. Diese gewähren den jeweiligen Anleihegläubigern ein Stimm- und damit selbstverständlich auch ein Teilnahmerecht in der Insolvenzgläubigerversammlung. 4. Sonderproblem: Mehrheitsbeschlüsse der Anleihegläubiger außerhalb der Insolvenzgläubigerversammlung a) Problemstellung Unklar ist, ob die Anleihegläubiger auch außerhalb der Insolvenzgläubigerversammlung Sanierungsbeiträge mit Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG, die zu einer Änderung der Anleihebedingungen führen, beschließen können. Unabhängig von der formalen Berechtigung der Durchführung weiterer (neben der ersten Anleihegläubigerversammlung gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG) Anleihe297

A.A. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 108. MüKoInsO/Ehricke, § 74 Rn. 34, Uhlenbruck/Knof, § 76 Rn. 9. 299 MüKoInsO/Ehricke, § 74 Rn. 34. 300 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 83. 301 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 108, wonach aus dieser Tatsache geschlossen wird, dass der Gesetzeszweck des § 19 SchVG nicht entgegensteht, ohne dabei jedoch den erhöhten Kostenund Zeitaufwand zu berücksichtigen. 298

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gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren,302 geht es um die Frage, ob die Anleihegläubiger selbst, d. h. ohne die Beteiligung der insolvenzrechtlichen Gremien, durch Beschlussfassung nach dem SchVG auf ihre Forderungsrechte einwirken können. Die Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG nach Insolvenzeröffnung wird im Schrifttum allen voran im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über einen Debt-Equity-Swap gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG außerhalb eines Insolvenzplans diskutiert.303 Einige sind der Ansicht, dass die Anleihegläubiger – nur für ihre Anleiheforderungen – einen Debt-Equity-Swap außerhalb des Insolvenzplanverfahrens beschließen können, wobei die Beschlussfassung über eine Planbedingung gem. § 249 InsO mit einem Insolvenzplan verknüpft werden kann, in dem die für die Umwandlung erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen geregelt werden.304 Neben dem Debt-Equity-Swap können aber auch Beschlüsse über die Veränderung der Fälligkeit und die Verringerung von Zinsen und der Hauptforderung gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 SchVG im Insolvenzverfahren von Relevanz sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch eine Änderung der Anleihebedingungen der vorliegende Insolvenzgrund beseitigt und so eine Einstellung des Insolvenzverfahrens gem. § 212 InsO erreicht werden soll.305 b) Meinungsstand aa) Herrschende Literaturansicht: Keine Mehrheitsbeschlüsse gem. § 5 Abs. 3 SchVG nach Insolvenzeröffnung Die wohl überwiegende Literaturansicht lehnt Beschlüsse mit Außenwirkung im Insolvenzverfahren außerhalb einer Insolvenzgläubigerversammlung ab.306 Die Gesetzesbegründung zu § 19 SchVG fordert eine weite Auslegung des in § 19 Abs. 1 SchVG geregelten Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung, indem es dort heißt: „Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass die Anleihegläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners (abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 1) nur

302

Siehe hierzu S. 179 f. Vgl. Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912 ff. 304 Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 914; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 136 ff. 305 Vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, Vorauflage, § 88 Rn. 32. 306 Friedl, BB 2016, 272, 275; Horn, BKR 2014, 449, 451; Thole, ZIP 2014, 293, 298; FK/ Friedl, § 19 Rn. 36; Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 Rn. 4; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 28 ff.; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 28; Schmidt/Seibt/Westpfahl, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 43, 52; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 59. 303

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befugt sind, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger zu bestellen.“307

Daraus kann der eindeutige gesetzgeberische Wille entnommen werden, dass Mehrheitsentscheidungen insbesondere über die in § 5 Abs. 3 SchVG aufgezählten Sanierungsmaßnahmen im Insolvenzverfahren ausgeschlossen sind. Der Wortlaut des § 19 Abs. 1 SchVG impliziert, dass für die Beschlüsse der Anleihegläubiger nicht nur verfahrensrechtlich, sondern auch inhaltlich die Insolvenzordnung vorrangig ist.308 Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die Einwirkung einzelner Gläubigergruppen auf das Insolvenzverfahren. Eine „Separat-Lösung“ mit den Anleihegläubigern, die zu einer Änderung der Verbindlichkeiten der Insolvenzmasse führen, kann folglich nicht zulässig sein.309 Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung den Anleihegläubigern – abweichend von § 5 Abs. 1 SchVG – im Insolvenzverfahren nur die Möglichkeit einräumen, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen.310 Dem ist das OLG Dresden mit Urteil vom 9. Dezember 2015 gefolgt, wonach die Anleihegläubiger – bis auf die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters – inhaltlich auf die Möglichkeit beschränkt seien, die die Insolvenzordnung bietet.311 Der BGH hat das Urteil des OLG Dresden zwar mit Urteil vom 16. November 2017 aufgehoben.312 Die Frage ob und inwieweit die Anleihegläubiger nach Insolvenzeröffnung inhaltliche Änderungen der Anleihebedingungen beschließen können, hat der BGH dabei jedoch offen gelassen.313 bb) Gegenansicht: Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen gem. § 5 Abs. 3 SchVG nach Insolvenzeröffnung Die gegenteilige Ansicht stellt auf die Gesetzesbegründung zum ESUG ab. Dort heißt es in der Begründung zu § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO: „Nach Absatz 2 Satz 2 darf kein Gläubiger gegen seinen Willen in eine Gesellschafterposition gedrängt werden. Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses nach § 5 Abs. 3 Nummer 5 des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (SchVG). Die erforderliche Zustimmungserklärung jedes betroffenen

307

BT-Drs. 16/12814 S. 25. FK/Friedl, § 19 Rn. 36. 309 Kübler, FS Henckel, S. 183, 184; Thole, ZIP 2014, 293, 298; Friedl, BB 2016, 272, 275; FK/Friedl, § 19 Rn. 36; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, BankrechtsKommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 30. 310 BT-Drs. 16/12814 S. 25; FK/Friedl, § 19 Rn. 36. 311 OLG Dresden 09. 12. 2015 13 U 223/15 [nrkrf.] NZI 2016, 149, 150. 312 BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 4 ff. ZIP 2017, 2312; siehe hierzu bereits S. 37 ff. 313 Thole, Anmerkung BGH, Urteil vom 16. 11. 2017, ZIP 2017, 2312, 2316. 308

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Gläubigers, der Anteilsinhaber am Schuldner wird, bzw. der Mehrheitsbeschluss nach SchVG ist dem Plan nach § 230 Abs. 2 InsO beizufügen.“314

Weiter führt die Gegenansicht an, dass Anleihebedingungen wie jede andere vertragliche Beziehung in der Insolvenz auch außerhalb eines Insolvenzplans durch Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und Anleihegläubigern umgestaltet werden können.315 Hierfür spricht der Hinweis auf § 87 InsO in der Gesetzesbegründung, der darauf hindeutet, dass der Vorrang der Insolvenzordnung sich auf die verfahrensmäßige Rechtsverfolgung beschränkt und die materielle Befugnis der Gläubiger, auf ihre Forderungen ganz oder teilweise zu verzichten, davon nicht berührt ist.316 Außerdem weist die Gegenansicht darauf hin, dass die Anleihegläubiger dem Insolvenzverfahren Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 SchVG gar nicht einseitig aufzwingen können, weil eine Änderung der Anleihebedingungen gem. § 4 SchVG stets der Zustimmung des Insolvenzverwalters bedarf, wodurch ein Schutz der Insolvenzmasse gewährleistet ist.317 Der Gesetzgeber macht in der Begründung zum ESUG deutlich, dass Mehrheitsbeschlüsse der Anleihegläubiger nach § 5 Abs. 1 SchvG auch im Insolvenzverfahren statthaft sein sollen.318 Dies kann auch der Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 20. März 2013 zur Zulässigkeit weiterer Anleihegläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren319 entnommen werden.320 c) Stellungnahme Die Gesetzesbegründung zum ESUG liefert keinen Hinweis darauf, ob der Gesetzgeber damit – entgegen seinen bisherigen Ausführungen – Beschlüsse, die zu einer Änderung der Anleihebedingungen führen, nun auch nach Insolvenzeröffnung generell zulassen will. Gegenteiliges daraus ableiten zu wollen, entbehrt jeglicher Grundlage: Weder aus der Gesetzesbegründung zum ESUG noch aus der Entscheidung des OLG Zweibrücken ergibt sich die Zulässigkeit von Beschlüssen nach § 5 Abs. 3 SchVG.321 In dem der Entscheidung des OLG Zweibrücken zu Grunde liegenden Sachverhalt ging es um die Frage, ob zum Zweck der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, zu der es in der ersten Anleihegläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG nicht gekommen war, eine weitere Anleihegläubiger314

BT-Drs. 17/5712, S. 31. Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 913; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 59. 316 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 110 f. 317 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 59. 318 Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 913; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 Rn. 108; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 188; Wilken/ Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 619. 319 OLG Zweibrücken 20. 03. 2013 3 W 9/13 NZI 2013, 7. 320 Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912; Lürken, Anmerkung zu OLG Zweibrücken, Beschluss vom 20. 03. 2013, GWR 2013, 499, 499; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 620. 321 Moser, Anmerkung zu OLG Zweibrücken, Beschluss vom 20. 03. 2013, BB 2014, 84, 84. 315

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versammlung einberufen werden durfte.322 Es ging damit um eine interne Beschlussfassung der Anleihegläubiger, die gerade nicht auf eine Änderung der Anleihebedingungen abzielte. Daraus eine allgemeine Aussage zur Zulässigkeit von Beschlüssen nach § 5 Abs. 3 SchVG mit unmittelbarer Wirkung für das Insolvenzverfahren herzuleiten, ist nicht überzeugend. Aus dem Vorrang des Insolvenzrechts gem. § 19 Abs. 1 SchVG folgt, dass Sanierungsbeiträge allein von den in der Insolvenzordnung vorgesehenen Gremien unter der Beteiligung aller Insolvenzgläubiger, insbesondere im Insolvenzplanverfahren, getroffen werden können.323 So beschreibt der Gesetzgeber den Zweck des Insolvenzplanverfahrens dahingehend, den Beteiligten einen Rechtsrahmen für eine einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen zu ermöglichen.324 Der Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung soll somit insbesondere verhindern, dass Anleihegläubiger nach Insolvenzeröffnung im Außenverhältnis Beschlüsse mit bindender Wirkung im Verhältnis zum Insolvenzverfahren und anderen Gläubigergruppen fassen können.325 Im Übrigen können die Argumente der Gegenansicht nicht überzeugen: Dem Hinweis des Gesetzgebers auf § 87 InsO in der amtlichen Begründung zu § 19 SchVG ist eine Zulässigkeit von Sanierungsbeschlüssen in der Insolvenz des Emittenten nicht zu entnehmen. Es ist zwar zutreffend, dass die Anleihegläubiger – wie jeder Insolvenzgläubiger – auch im Insolvenzverfahren weiterhin materiell rechtlicher Inhaber der Forderung sind und es dem einzelnen Gläubiger unbenommen ist, auf seine Forderung zu verzichten. Damit ist aber nicht gesagt, dass es einer ganzen Gläubigergruppe möglich sein soll, separat mit den Insolvenzverwalter einen Sanierungsbeitrag zu vereinbaren, während die übrigen Beteiligten die jeweils zu erbringenden Sanierungsbeträge allein im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens verhandeln können. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Änderungen der Anleihebedingungen der Insolvenzgrund entfällt und das Insolvenzverfahren gem. § 212 InsO eingestellt wird. Es ist zwar zutreffend, dass die Anleihegläubiger dem Insolvenzverfahren Sanierungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 3 SchVG ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters nicht einseitig aufzwingen können. Doch kann daraus kein tragfähiges Argument für die Zulässigkeit von Sanierungsbeschlüssen der Anleihegläubiger nach Insolvenzeröffnung abgeleitet werden, weil es die Interessen der übrigen Insolvenzgläubiger, die an einer separaten Lösung zwischen Insolvenzverwalter und

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OLG Zweibrücken 20. 03. 2013 3 W 9/13 Tz. 6 f. NZI 2013, 7. Thole, ZIP 2014, 293, 298; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 30. 324 BT-Drs. 12/2443 S. 90. 325 Thole, ZIP 2014, 2365, 2368; FK/Friedl, § 19 Rn. 36. 323

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Anleihegläubiger nicht beteiligt wurden, außer Acht lässt. Es besteht das Risiko, dass deren Interessen nicht ausreichende Berücksichtigung finden.326 Der Schutz der übrigen Verfahrensbeteiligten erfordert die Unzulässigkeit von Beschlussfassungen mit Außenwirkung außerhalb der insolvenzrechtlich vorgesehenen Gremien. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach nahezu einhelliger Meinung im Schrifttum der gemeinsame Vertreter in Bezug auf die Kopfmehrheit so viele Kopfstimmen hat, wie es Anleihegläubiger gibt.327 Dadurch kann dieser erheblichen Einfluss auf den Fortgang des Insolvenzverfahrens nehmen, nachdem die Anleihegläubiger häufig nach Summe und Anzahl der Stimmen eine gewichtige, wenn nicht dominierende Gläubigergruppe im Insolvenzverfahren darstellen.328 Mit dieser Kopf- und Summenmehrheit kann der gemeinsame Vertreter im Alleingang in der Insolvenzgläubigerversammlung über die Wahl des Insolvenzverwalters und im Fall einer Eigenverwaltung über deren sofortigen Beendigung gem. § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO entscheiden.329 Der gemeinsame Vertreter ist damit in der Lage, erheblichen Druck auf den Insolvenzverwalter auszuüben, indem er mit dessen Abwahl droht oder er eine Beendigung der Eigenverwaltung durchsetzt.330 Dies kann dazu führen, dass der Insolvenzverwalter dazu bereit ist, einer Lösung zuzustimmen, die vorrangig nur die Interessen der Anleihegläubiger im Blick hat. Ein mit der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters unvereinbarer Zustand. Aus dem grundsätzlich uneingeschränkten Vorrang des Insolvenzrechts gem. § 19 Abs. 1 SchVG folgt, dass nur in den insolvenzrechtlich vorgesehenen Gremien, allen voran in der Insolvenzgläubigerversammlung, Beschlüsse mit unmittelbarer Wirkung für das Insolvenzverfahren gefasst werden können. Nach Insolvenzeröffnung sind damit allein solche Beschlüsse zulässig, die lediglich das Innenverhältnis der Anleihegläubiger berühren.331 5. Ergebnis Außerhalb von Insolvenzgläubigerversammlungen dürfen Anleihegläubiger keine Beschlüsse mit Außenwirkung für das Insolvenzverfahren treffen. Nehmen 326 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 30. 327 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028, siehe ausführlich zum Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters S. 191 ff. 328 Antoniadis, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017, NZI 2017, 228, 232. 329 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 12. 330 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 20 ff., wonach aus diesem Grund der gemeinsame Vertreter nur eine Kopfstimme haben kann, ausführlich hierzu siehe S. 192 ff. 331 FK/Friedl, § 19 Rn. 37; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 62 ff.; Hopt/Seibt/ Knapp, § 19 Rn. 43; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 22; Schmidt/Seibt/Westpfahl, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 30; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 49.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Anleihegläubiger an einer Insolvenzgläubigerversammlung selbst teil, weil ein gemeinsamer Vertreter nicht gewählt wurde, müssen sie sich durch Vorlage eines Depotauszugs mit Sperrvermerk legitimieren. Wurde ein gemeinsamer Vertreter bestellt, nimmt dieser im Rahmen seines verdrängenden Mandats für die Anleihegläubiger allein an Insolvenzgläubigerversammlungen teil, einzelne Anleihegläubiger sind nicht teilnahmeberechtigt. Sinn und Zweck des § 19 Abs. 3 SchVG erfordert es, dass Teilnahme- und Fragerechte nicht bei den einzelnen Anleihegläubigern verbleiben können.

V. Ausschüttung der Quote 1. Verfahren Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erfolgt gem. §§ 187 ff. InsO im Verteilungsverfahren. Als Berechnungsgrundlage für die auszuschüttenden Beträge dient das Verteilungsverzeichnis.332 Nach § 188 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter vor jeder Verteilung der Insolvenzmasse ein Verzeichnis der Forderungen aufzustellen, die bei der Verteilung zu berücksichtigen sind. Grundlage für das Verzeichnis ist die Tabelle gem. § 175 InsO, die für Zwecke der Erstellung des Verteilungsverzeichnisses fortgeschrieben und berichtigt wird.333 Für eine Aufnahme in das Verteilungsverzeichnis ist die Anmeldung und Prüfung zwingende Voraussetzung.334 In das Verteilungsverzeichnis sind alle festgestellten Forderungen, § 178 Abs. 1 InsO, alle bestrittenen Forderungen, soweit sie im Sinne von § 179 Abs. 2 tituliert sind und der Titel im Prüfungstermin vorgelegen hat, sowie alle übrigen bestrittenen Forderungen unter den Voraussetzungen des § 189 InsO aufzunehmen.335 Wer mit seiner Forderung im Verteilungsverzeichnis aufgeführt ist, hat einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf Teilnahme an der Verteilung.336 2. Ausschüttung ohne gemeinsamen Vertreter a) Problem des rechtmäßigen Empfängers der Quote aa) Problemstellung Stimmt der tatsächliche Inhaber der Schuldverschreibung nicht mit der in der Insolvenztabelle bzw. im Verteilungsverzeichnis als Gläubiger aufgeführten Person 332

HmbKomm/Preß, § 187 Rn. 1. K. Schmidt/Jungmann, § 188 Rn. 2; Uhlenbruck/Wegener, § 187 Rn. 4. 334 MüKoInsO/Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, § 188 Rn. 3. 335 K. Schmidt/Jungmann, § 188 Rn. 2. 336 MüKoInsO/Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, § 188 Rn. 5; Uhlenbruck/Wegener, § 188 Rn. 22. 333

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überein, ist unklar, an wen der Insolvenzverwalter leisten muss. Es stellt sich die Frage, ob für die Ausschüttung der Quote das Insolvenzrecht oder die allgemeinzivilrechtliche Rechtslage gem. § 793 Satz 1 BGB maßgeblich ist. Richtet sich die Auszahlung nach dem Insolvenzrecht, ist das Verteilungsverzeichnis maßgeblich, so dass an den dort aufgeführten Gläubiger schuldbefreiend geleistet werden kann, auch wenn dieser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Inhaber der Schuldverschreibung ist. Ist die allgemeinzivilrechtliche Rechtslage ausschlaggebend, muss gem. § 793 Satz 1 BGB an den im Zeitpunkt der Ausschüttung tatsächlichen Inhaber der Schuldverschreibung gezahlt werden. Wie ist das Verhältnis zwischen Insolvenzrecht und allgemeinem Zivilrecht bzw. Wertpapierrecht zu bestimmen? bb) Meinungsstand Nach der Literaturansicht, die das „wertpapierrechtliche Verfahren“ auch im Insolvenzverfahren anwenden will, ist stets an den Vorleger der Schuldverschreibung zu leisten. Eine fehlende Personenidentität ist unschädlich337 und wird damit begründet, dass der Vorleger der Schuldverschreibung nicht unbedingt der Gläubiger sein muss, sondern an denjenigen zu zahlen ist, der sich im Zeitpunkt der Zahlung durch das Papier legitimiert.338 Diese Ansicht sieht somit einen Vorrang der zivilrechtlichen Rechtslage. Demgegenüber wird vertreten, dass die Auszahlung der Insolvenzquote allein nach dem Verteilungsverzeichnis erfolgen muss.339 Es darf somit nur an den im Verteilungsverzeichnis aufgeführten Gläubiger schuldbefreiend geleistet werden, auch wenn dieser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Inhaber der Schuldverschreibung ist. cc) Stellungnahme Gem. § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Insolvenzforderungen nur durch Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle verfolgen, die Vorschrift des § 87 InsO ist als eine insolvenzrechtliche Schlüsselnorm nicht disponibel.340 Daraus folgt, dass für die Dauer des Insolvenzverfahrens nur das Insolvenzrecht und nicht die allgemeinzivilrechtliche Rechtslage maßgeblich ist. Grundlage der Ausschüttung ist das Verteilungsverzeichnis und nicht die Inhaberschaft des Wertpapiers und es können bei Verteilungen nur die im Verzeichnis aufgeführten Forderungen be337

So Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 125. Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029, Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 125; Schmidt/ Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 103; so wohl auch noch in der Vorauflage HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 93. 339 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 12 Fn. 9; so auch Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 668 ff. 340 MüKoInsO/Breuer, § 87 Rn. 2; Uhlenbruck/Sinz, § 87 Rn. 1; § 174 Rn. 1. 338

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rücksichtigt werden.341 Voraussetzung dafür wiederum ist, dass die Forderung zuvor angemeldet, geprüft und festgestellt wurde.342 Wegen der Rechtskraft der Forderungsfeststellung kann eine in das Verteilungsverzeichnis aufgenommene Forderung nach der Bekanntmachung der Verteilung im Fall eines Gläubigerwechsels allein durch eine Titelumschreibung gem. § 727 ZPO geändert werden.343 Die Insolvenzordnung setzt damit eine Personenidentität zwischen demjenigen, zu dessen Gunsten die Forderung festgestellt wurde und demjenigen, an den die Quote im Rahmen der Verteilung ausgeschüttet wird, voraus. Der Insolvenzverwalter kann nur an die im Verteilungsverzeichnis aufgeführten Gläubiger schuldbefreiend leisten. Darüber hinaus ist Clearstream zur Entgegennahme der Quotenzahlung nicht ermächtigt. Ohne die Vorlage einer ausdrücklichen schriftlichen Geldempfangsvollmacht muss der Insolvenzverwalter immer an den Gläubiger selbst zahlen.344 Die Inkassoermächtigung aus Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte umfasst die Geldempfangsvollmacht im Insolvenzverfahren nicht. Selbst Inkassounternehmen, die zuvor ausdrücklich mit der außergerichtlichen Einziehung von Forderungen bevollmächtigt wurden, benötigen zur Entgegennahme der Quote eine entsprechende rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung.345 Gleiches gilt, wenn der Gläubiger sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt. Auch hier ist ohne eine ausdrückliche Geldempfangsvollmacht niemals an den Bevollmächtigten zu zahlen.346 b) Problem der Doppelausschüttung Die doppelte Feststellung würde zu einer Doppelausschüttung im Verteilungsverfahren führen. Wegen der Rechtskraftwirkung der Feststellung kann der Insolvenzverwalter im Verteilungsverfahren dies grundsätzlich nicht verhindern. Einzig durch die Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO könnte der Insolvenzverwalter die Vollstreckbarkeit des Tabelleneintrags beseitigen, indem er die Einwendung des Wechsels der Inhaberschaft nach Feststellung geltend macht.347 Die Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage ist wegen der Anonymität des Wertpapierhandels ausgeschlossen, da weder Veräußerer noch Erwerber zu ermitteln sind.348

341

HmbKomm/Preß, § 188 Rn. 4. FK-InsO/Kießner, § 187 Rn. 2. 343 Willmer/Berner, NZI 2015, 877, 883. 344 Beck/Depré/Ringstmeier, § 11 Rn. 98; MüKoInsO/Ganter/Lohmann, § 4 Rn. 46. 345 Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 20. 346 Beck/Depré/Ringstmeier, § 11 Rn. 98. 347 MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, § 767 Rn. 74; MüKoInsO/Schumacher, § 177 Rn. 77 ff.; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 672. 348 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 672. 342

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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Im Schrifttum wird teilweise vertreten, dass der Insolvenzverwalter gem. § 797 Satz 1 BGB nur gegen Aushändigung der Urkunde leisten muss.349 Wegen der heute üblichen Globalverbriefung ist bereits fraglich, ob § 797 BGB überhaupt Anwendung finden kann, da die Schuldverschreibungsinhaber nicht im Besitz effektiver Stücke sind.350 Der BGH hat klargestellt, dass § 797 BGB auch auf Globalurkunden Anwendung findet, wobei der Anspruch des Schuldners dahingehend zu tenorieren ist, dass dieser „gegen Mitteilung der Zahlung an seine Depotbank zwecks Ausbuchung der Inhaberschuldverschreibung aus seinem Depot in Höhe der Zahlung“ zu verurteilen ist.351 Der Insolvenzverwalter kann sich auf § 797 Satz 1 BGB jedoch nicht berufen. Die Anleiheforderung wird vorbehaltlos zur Tabelle festgestellt. Da das Verteilungsverfahren auf dem Feststellungsverfahren aufbaut, kann die Verteilung nicht nachträglich von einer Bedingung abhängig gemacht werden.352 Dies kann auch der Rechtsprechung des BGH entnommen werden, wonach die Feststellung einer unstreitigen Forderung mangels gesetzlicher Grundlage nicht von der Vorlage der Originalurkunde abhängig gemacht werden kann.353 Wenn die Inhaberschaft der Wertpapierurkunde im Feststellungsverfahren nicht von Bedeutung ist, muss konsequenterweise gleiches für das Verteilungsverfahren gelten. Eine Doppelleistung kann nur vermieden werden, wenn der vorzulegende Sperrvermerk der Depotbank mindestens bis zur Schlussverteilung reicht.354 Eine Befristung nur bis zum Ende des Prüfungstermins ist nicht ausreichend, da dadurch eine nachträgliche Anmeldung einer bereits festgestellten Forderung durch den Erwerber nicht verhindert werden kann. c) Abwicklung der Ausschüttung Das SchVG regelt nicht, wie die Auszahlung der Quote im Einzelnen zu erfolgen hat. Der Insolvenzverwalter kann wie bei den anderen Insolvenzgläubigern auch die Forderung auf das bei der Forderungsanmeldung angegebene Konto überweisen. Angesichts der teilweise großen Anzahl von Anleihegläubigern bedeutet dies einen erheblichen Aufwand für den Insolvenzverwalter.355 Doch kommt auch eine Verteilung über das Clearingsystem nicht in Betracht, weil für die Clearstream nicht erkennbar ist, welcher Anleihegläubiger die Forderung 349

Dies bejahend FK/Friedl, § 19 Rn. 53. Das OLG Frankfurt am Main traf hierzu innerhalb kürzester Zeit drei divergierende Entscheidungen; vgl. OLG Frankfurt am Main 24. 07. 2007 8 U 248/06, 30. 05. 2008 8 U 120/ 07, 07. 11. 2008 8 U 59/08. 351 BGH 22. 09. 2009 XI ZR 356/08 Tz. 2 BeckRS 2009, 26905. 352 In die Richtung auch Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 673. 353 BGH 01. 12. 2005 IX ZR 95/04 Tz. 10 NZI 2006, 173. 354 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 97. 355 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 124; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 102. 350

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

angemeldet hat und welcher nicht. Ausschüttungsbeiträge würden vielmehr pro rata den Depotkonten aller Anleihegläubiger gutgeschrieben, wodurch möglicherweise nicht angemeldete Forderungen berücksichtigt werden würden.356 Wendet man hingegen das Model der Sonder-Wertpapierkennnummern, bei dem die Forderungsfeststellung von einer vorausgegangenen Umbuchung in eine SonderWertpapierkennnummer abhängig gemacht wird, kann die Abwicklung über Clearstream erfolgen. Anhand der Sonder-Wertpapierkennnummer wäre für Clearstream erkennbar, welche Forderungen zuvor ordnungsgemäß angemeldet und festgestellt wurden.357 Eine Abwicklung der Ausschüttung über die Clearstream kann nur für Auszahlungen auf die jeweilige Hauptforderung inklusive Zinsen in Betracht kommen, da nur diese für alle Anleihegläubiger einheitlich ist.358 Sonstige Nebenforderungen, die bei jedem Anleihegläubiger unterschiedlich sind, können nicht über das Clearingsystem abgewickelt werden. Für die Clearstream ist nicht erkennbar, welchem Anleihegläubiger neben der Hauptforderung noch weitere Nebenforderungen zustehen, wie zum Beispiel vorinsolvenzliche Beratungskosten.359 Solche Forderungen können nur unmittelbar zwischen Insolvenzverwalter und jeweiligen Anleihegläubiger abgewickelt werden.360 d) Sonderproblem: Aufhebung des Insolvenzverfahrens aa) Problemstellung Im Insolvenzplanverfahren besteht die Gefahr, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. § 258 InsO mit Rechtskraft des Insolvenzplans auf ein und dieselbe Forderung mehrmals die Planquote ausgezahlt wird, wenn die Gesellschaft fortgesetzt wird. Die Planwirkung erstreckt sich gem. §§ 254 – 254b InsO auf alle Beteiligte und damit auch auf solche Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Tauchen nach Abschluss des Verfahrens Nachzügler auf, steht diesen ein Anspruch auf Zahlung der Planquote vergleichbarer Gläubiger zu, nachdem die Insolvenzordnung eine gesetzliche Präklusion nicht angemeldeter Forderungen nicht vorsieht.361 Für den Emittenten ist nicht erkennbar, ob auf die Forderung eines Nachzüglers bereits die Planquote gezahlt wurde oder diese mangels Anmeldung im Insolvenzverfahren erstmals geltend gemacht wird. Haben nur ein 356 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 126; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 103. 357 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 103. 358 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 105. 359 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 127. 360 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 127. 361 K. Schmidt/Spliedt, § 254b Rn. 2; MüKoInsO/Madaus, § 254b Rn. 5; Uhlenbruck/Lüer/ Streit, § 254b Rn. 5.f.

B. Eröffnetes Insolvenzverfahren

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Teil der Anleihegläubiger ihre Forderungen im Insolvenzverfahren geltend gemacht, ist aus der Globalurkunde nicht ersichtlich, welche Forderung bereits an der Verteilung teilgenommen hat und welche nicht. Einen Ausschüttungsvermerk, der die bereits erfolgte Ausschüttung erkenntlich macht,362 kann die Clearstream nur dann auf der Globalurkunde anbringen, wenn sämtliche Forderungen am Verteilungsverfahren teilgenommen haben. Das gleiche Problem stellt sich theoretisch auch im Regelinsolvenzverfahren. Doch da das Insolvenzverfahren grundsätzlich zur Vollabwicklung des Unternehmensträgers führt,363 hat die unbeschränkte Nachhaftung des § 201 Abs. 1 InsO in der Praxis kaum Bedeutung.364 Es ist fraglich, wie der Emittent vor einer erneuten Inanspruchnahme nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens geschützt werden kann. bb) Lösungsansätze War ein gemeinsamer Vertreter bei der Ausschüttung nicht vorhanden, kann der Emittent nach Aufhebung eines Regelinsolvenzverfahrens vor einer erneuten Inanspruchnahme aus ein und derselben Schuldverschreibung nur geschützt werden, wenn der Handel der Anleihe über die Börse nach der Schlussverteilung eingestellt wird. Präklusionsklauseln im gestaltenden Teil des Insolvenzplans, die bei einer Nichtanmeldung innerhalb einer bestimmten Ausschlussfrist einen Verzicht auf die Forderung vorsehen,365 könnten den Emittenten zwar vor einer mehrfachen Inanspruchnahme schützen. Mit Beschluss vom 7. Mai 2015 hat der BGH jedoch klargestellt, dass Klauseln, die den materiell rechtlichen Verlust des Anspruchs gegen den Schuldner bewirken, unzulässig sind, soweit sie über die Wirkung der Verjährungsvorschrift des § 259b InsO hinausgehen.366 Daraus folgt, dass die gesetzgeberische Lösung der Nachzügler-Problematik in §§ 254b, 259 a/b InsO planfester Natur ist.367 Gem. § 259b Abs. 1 InsO verjährt eine nicht angemeldete Forderung eines Insolvenzgläubigers in einem Jahr ab Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses des Insolvenzplans. Der Emittent kann nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens somit 362

Ist ein Ausschüttungsvermerk auf der Globalurkunde angebracht, kann ein Erwerber die Forderung nur exklusive der bereits erfolgten Ausschüttung erwerben Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2023, 2029; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 95, 103. 363 Gottwald/Haas/Mock, Insovenzrechts-Handbuch, § 94 Rn. 30. 364 Uhlenbruck/Wegener, § 201 Rn. 2. 365 HmbKomm/Thies, § 254b Rn. 6; K. Schmidt/Spliedt, § 254b Rn. 12; MüKoInsO/Madaus, § 254b Rn. 6. 366 BGH 07. 05. 2015 IX ZB 75/14 Tz. 15 ff. NZI 2015, 697; HmbKomm/Thies, § 254b Rn. 6. 367 Madaus, NZI 2016, 1141, 1146.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

nur vor einer mehrfachen Inanspruchnahme geschützt werden, wenn die Handelbarkeit der Anleihe bis zum Ablauf der Verjährungsfrist gem. § 259b Abs. 1 InsO ausgeschlossen ist. Hierfür ist im Feststellungsverfahren ein Sperrvermerk zu fordern, der zeitlich bis zu diesem Zeitpunkt reicht. 3. Ausschüttung mit gemeinsamem Vertreter Die zuvor beschriebenen Probleme stellen sich bei einem gemeinsamen Vertreter nicht,368 er ist zur Entgegennahme der Quote ermächtigt.369 Aus § 19 Abs. 3 SchVG folgt die Einziehungsermächtigung als Prozessstandschafter, die Auszahlung der Quote an sich selbst verlangen zu können.370 Der Insolvenzverwalter kann schuldbefreiend an den gemeinsamen Vertreter leisten. Zur Verfahrensvereinfachung kann er den Insolvenzverwalter anweisen, die Quote über das Clearingsystem auszuzahlen.371 Die Clearstream bringt anschließend an der Globalurkunde einen Ausschüttungsvermerk an.372 Wird anschließend die Schuldverschreibung veräußert, kann ein etwaiger Erwerber die Forderung nur exklusive etwaiger Ausschüttungsansprüche erwerben.373 Individuell angemeldete Nebenforderungen müssen unmittelbar zwischen Insolvenzverwalter und Anleihegläubigern abgewickelt werden, nachdem diese nicht vom gemeinsamen Vertreter verfolgt werden können. 4. Ergebnis Nur mit einem gemeinsamen Vertreter können die insolvenzrechtlichen Anforderungen an ein rechtmäßiges Verteilungsverfahren bei gleichzeitiger uneingeschränkter Aufrechterhaltung der Handelbarkeit der Schuldverschreibungen erfüllt werden. Machen die Anleihegläubiger ihre Forderungen individuell geltend, gehen die dargestellten Lösungen entweder zu Lasten der Handelbarkeit der Schuldverschreibungen oder verstoßen gegen Insolvenzrecht.

368

Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 128. FK/Friedl, § 19 Rn. 53; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 94. 370 Zur Einziehungsermächtigung des Prozessstandschafters Zöller/Vollkommer, Vor § 50 Rn. 51. 371 Hofmann, FS Kübler, S. 265, 268; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029. 372 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 95. 373 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 103. 369

C. Insolvenzplanverfahren

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C. Insolvenzplanverfahren I. Verfahren Gem. § 217 Satz 1 InsO können die Verfahrensbeteiligten die Insolvenzabwicklung privatautonom in einem Insolvenzplan gestalten.374 Dies gilt insoweit, als die Vorschriften der Insolvenzordnung, von denen der Plan abweichen will, plandispositiv sind.375 Das Insolvenzplanverfahren soll nach § 1 Satz 1 InsO insbesondere dazu dienen, die Restrukturierung und Sanierung unter Erhaltung des Unternehmensträgers aus einem Insolvenzverfahren heraus zu ermöglichen.376 Daneben kann Ziel eines Insolvenzplans auch die übertragende Sanierung, die Liquidation oder jeder sonstiger Inhalt sein.377 Gem. § 224 InsO kann im Insolvenzplan jegliche Veränderung der Rechtsstellung der Insolvenzgläubiger, wie etwa Kürzungen oder Stundungen der Hauptforderung, geregelt werden.378 Seit der Einführung des ESUG können gem. §§ 217 Satz 2, 225a InsO auch die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Plan einbezogen werden. Die Gesellschafter eines Schuldners sind – anders als vor dem ESUG – umfassend zwangsweise planunterworfen, so dass ihre Rechtsstellung in einem Insolvenzplan auch gegen ihren Willen zu ihren Lasten geändert werden kann.379 Gem. § 225a Abs. 3 InsO kann im Insolvenzplan jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist.380 Die für die Sanierungspraxis wohl wichtigste gesellschaftsrechtliche Maßnahme, die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner (Debt-Equity-Swap), ist in § 225a Abs. 2 Satz 1 InsO ausdrücklich geregelt.381 Durch die Einbeziehung der Gesellschafter in das Insolvenzplanverfahren kann gegen deren Willen ein DebtEquity-Swap durchgeführt und ein nach alter Rechtslage drohendes Blockadepotential ausgeschlossen werden.382 Der Insolvenzplan besteht gem. § 219 InsO aus einem darstellenden Teil, der der Information des Gerichts und der Beteiligten über das Ziel des Planverfahrens sowie die zu dessen Erreichung vorgesehenen Maßnahmen dient383 und einem gestaltenden 374

Madaus, ZIP 2016, 1141, 1141. Ausführlich zur Frage der Zulässigkeit von Planregelungen siehe Madaus, ZIP 2016, 1141, 1142 ff.; MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 152; Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 217 Rn. 12. 376 HmbKomm/Thies, Vorbemerkung zu §§ 217 ff. Rn. 4; Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 217 Rn. 4 f. 377 K. Schmidt/Spliedt, § 217 Rn. 8. 378 K. Schmidt/Spliedt, § 224 Rn. 3. 379 MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 1. 380 Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 217 Rn. 23. 381 Uhlenbruck/Hirte, § 225a Rn. 4. 382 HRI/Hözle, § 31 Rn. 56. 383 HRI/Geiwitz/Käfferlein, § 25 Rn. 7; Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 219 Rn. 1. 375

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Teil, der diese umsetzt und vollzieht.384 Wesentlicher Inhalt des darstellenden Teils ist die Gruppenbildung.385 Es ist zwischen der obligatorischen und der fakultativen Gruppenbildung zu unterscheiden, die im freien Ermessen des Planerstellers liegt.386 Die obligatorischen Gruppen gem. § 222 Abs. 1 InsO können nach § 222 Abs. 2 InsO in weitere Gruppen aufgeteilt werden, sofern divergierende wirtschaftliche Interessen bestehen, aufgrund derer eine sachgerechte Abgrenzung zu anderen Gruppen möglich ist.387 Gläubiger mit im Wesentlichen gleichartigen wirtschaftlichen Interessen müssen in einer Gruppe zusammengefasst werden.388 Ob es für die Unterscheidung zwischen zwei oder mehr gebildeten Gruppen einen sachlich gerechtfertigten Grund gibt, überprüft das Insolvenzgericht im Rahmen seines Vorprüfungsrechts gem. § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO umfassend.389 Ein Insolvenzplan ist gem. § 244 Abs. 1 InsO angenommen, wenn in jeder Gruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt (Kopfmehrheit) und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt (Summenmehrheit). Unter den Voraussetzungen des Obstruktionsverbots gem. § 245 InsO kann eine verweigerte Zustimmung überwunden und als erteilt fingiert werden. Nach der Annahme des Insolvenzplans und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan gem. § 248 InsO der Bestätigung durch das Insolvenzgericht.

II. Zulässige Planregelungen Ein Insolvenzplan, der die Sanierung und Restrukturierung eines Emittenten von Anleihen zum Ziel hat, kann im gestaltenden Teil gem. § 221 InsO – wie bei jedem Beteiligten – Regelungen zur Änderung der Rechtsstellung der Anleihegläubiger enthalten.390 Dies gilt unabhängig davon, ob in den Anleihebedingungen die Anwendung der §§ 5 ff. SchVG vorgesehen ist, da die Einwirkungsbefugnis auf die Forderungen der Anleihegläubiger dem Planverfahren per se immanent ist.391

384

Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 219 Rn. 1. HRI/Geiwitz/Käfferlein, § 25 Rn. 111. 386 Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 222 Rn. 26. 387 HmbKomm/Thies, § 222 Rn. 16; K. Schmidt/Spliedt, § 222 Rn. 14; MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 81; Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 222 Rn. 28. 388 AG Köln 06. 04. 2016 74 IN 45/15 NZI 2016, 537, 538. 389 BGH 07. 05. 2015 IX ZB 75/14 Tz. 8 f. NZI 2015, 697. 390 BeckOK-InsO/Fridgen/Geiwitz/Göpfert, § 221 Rn. 11. 391 Thole, ZIP 2014, 293, 299; FK/Friedl, § 19 Rn. 63; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 623. 385

C. Insolvenzplanverfahren

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Unklar ist, ob die in § 5 Abs. 3 SchVG genannten Sanierungsmaßnahmen auch im Insolvenzplan vollzogen werden können.392 Für eine Literaturansicht ist es fraglich, ob auch Sanierungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG, die eine Wirkung für die Zukunft haben, im Insolvenzplan geregelt werden können, nachdem bereits insolvenzrechtlich ungeklärt ist, inwieweit in einem Insolvenzplan auch Eingriffe in Rechtsverhältnisse mit Wirkung für die Zukunft zulässig sind.393 Danach ist offen, ob beispielsweise Umwandlungen von Schuldverschreibungen in andere Wertpapiere oder andere Leistungsversprechen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG), der Austausch von Sicherheiten (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SchVG), der Verzicht auf Kündigungsrechte bzw. deren Beschränkung (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG) sowie die Schuldnerersetzung und die Änderung oder Aufhebung von Nebenbestimmungen der Schuldverschreibungen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9, 10 SchVG) in einem Insolvenzplan durch Mehrheitsbeschluss umgesetzt werden können.394 Dem ist nur teilweise zu folgen. Zunächst ist festzuhalten, dass Inhalt eines Insolvenzplans jede Regelung sein kann, die individualvertraglich auch außerhalb des Insolvenzverfahrens getroffen werden kann, sofern diese plantauglich sind und nicht von planfesten Vorschriften abweichen.395 Unter diesen Voraussetzungen ist jede Veränderung der Rechtsstellung der Insolvenzgläubiger zulässig.396 Dabei ist nicht entscheidend, ob eine Regelung in Rechtsverhältnisse mit Wirkung für die Zukunft eingreift oder nicht, nachdem die meisten Planregelungen eine solche Wirkung haben dürften. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Grenzen einer zulässigen Planregelung eingehalten werden.397 Allein daran ist zu messen, ob die in § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG aufgezählten Sanierungsmaßnahmen zulässige Planregelungen darstellen. Planregelungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger sind nur solche, die sich auf die Erfüllung eines Anspruchs beziehen.398 Dies trifft auf den Verzicht oder die Beschränkung des Kündigungsrechts des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG nicht zu. Durch die Kündigung wird die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs bewirkt. Diese tritt mit Insolvenzeröffnung gem. § 41 InsO automatisch ein, so dass es einer Regelung diesbezüglich nicht bedarf. Auch die Änderung von Nebenbestimmungen gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG kann im Insolvenzplan geregelt werden, sofern diese 392 Dies bejahend Thole, ZIP 2014, 293, 299; FK/Friedl, § 19 Rn. 64; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 102. 393 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 51. 394 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 51. 395 Buth/Hermanns/Geiwitz, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 39 Rn. 66; HK/ Haas, Vor §§ 217 ff. Rn. 10, § 217 Rn. 15; HmbKomm/Thies, § 221 Rn. 7. 396 HK/Haas, § 224 Rn. 4; HmbKomm/Thies, § 224 Rn. 2; K. Schmidt/Spliedt, § 224 Rn. 3. 397 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 51 verweist in Fn. 154 auf die Fundstelle MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 107 ff., § 221 Rn. 93, in der es um die Änderung von Langzeitverträgen wie Miet- oder Arbeitsverträge bzw. dem Verzicht auf Gestaltungsrechte geht, jedoch nicht – wie der Eindruck entstehen könnte – um eine generelle Wirkung von Planregelungen für die Zukunft. 398 MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 102.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

sich auf die Modalitäten der Erfüllung beziehen. Die übrigen in § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG aufgezählten Maßnahmen weisen den erforderlichen Bezug zur Erfüllung des Anspruchs auf, so dass diese sämtlich auch im Insolvenzplan vollzogen werden können.

III. Gruppenbildung 1. Ausgangslage und Meinungsstand Das SchVG enthält keine Regelung zur Gruppenbildung. § 19 Abs. 4 SchVG bestimmt lediglich, dass in einem Insolvenzplan den Gläubigern gleiche Rechte anzubieten sind. Laut Gesetzesbegründung ergänzt Absatz 4 das insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgebot des § 226 Abs. 1 InsO, wonach innerhalb jeder Gruppe allen Beteiligten gleiche Rechte anzubieten sind.399 Während einige im Schrifttum § 19 Abs. 4 SchVG daher eine lediglich deklaratorische Wirkung beimessen,400 versteht eine andere Ansicht die Regelung dahingehend, dass Gläubigern ein und derselben Anleihe immer gleiche Rechte anzubieten sind, unabhängig davon, ob sie in einer Gruppe zusammengefasst werden oder nicht.401 Damit lässt das Gesetz offen, ob Anleihegläubiger zwingend in eine Gruppe zusammengefasst werden müssen oder nicht. Nach überwiegender Ansicht im Schrifttum soll § 19 Abs. 4 SchVG indes nicht besagen, dass für Anleihegläubiger nur eine Gruppe gebildet werden darf.402 2. Stellungnahme Gegen die herrschende Literaturmeinung spricht die Gesetzeshistorie zum § 19a Abs. 1 SchVG 1899 bzw. dessen Nachfolgerregelung § 19 Abs. 4 SchVG: Der Regierungsentwurf zum Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) sah vor, dass nach § 19a Abs. 1 SchVG 1899 die in § 1 SchVG bezeichneten Gläubiger entsprechend ihrer formalen Gleichstellung stets in einer besonderen Gruppe zusammenzufassen sind.403 In Folge der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wurde diese Regelung wieder gestrichen und dahingehend neu gefasst, dass gem. 399 FK/Friedl, § 19 Rn. 44; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 130; die Gesetzesbegründung spricht indes fälschlicherweise von § 227 InsO, vgl. BT-Drs. 16/12814 S. 25. 400 Leuering, NZI 2009, 638, 640; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 36; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 109. 401 FK/Friedl, § 19 Rn. 45. 402 FK/Friedl, § 19 Rn. 45; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 119; HRI/Bierbach, § 28 Rn. 73; K. Schmidt/Spliedt, § 222 Rn. 19; Langenbucher/Bliesener/Schneider/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 32; MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 162; Schimansky/Bunte/Lwowski/Tetzlaff, Bankrechts-Handbuch, Vorauflage, § 88 Rn. 31. 403 BT-Drs. 12/3803 S. 38, 97.

C. Insolvenzplanverfahren

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§ 19a Abs. 1 SchVG 1899 alle Gläubiger einer Emission gleich zu behandeln sind.404 Der Rechtsausschuss rechtfertigte die Neufassung des § 19a Abs. 1 SchVG 1899 gegenüber dem Regierungsentwurf damit, dass die obligatorische Bildung einer besonderen Gruppe dem Bestreben widerspreche, durch die Reduzierung der Gläubigergruppen die Aufstellung des Insolvenzplans und die Abstimmung über diesen zu vereinfachen.405 Die Regelung des § 19a Abs. 1 SchVG 1899 sei erforderlich, um die Handelbarkeit aller Schuldverschreibungen einer Emission zu gleichen Bedingungen zu gewährleisten.406 Die Literatur unterstellt, dass der Rechtsausschuss bei seinen Ausführungen verkannt hat, dass verschiedenen Gruppen zwar verschiedene Rechte angeboten werden können, dies aber kein Muss ist.407 Auch unterschiedlichen Gruppen können gleiche Rechte angeboten werden.408 Daraus zieht die Literatur den Schluss, dass § 19 Abs. 4 SchVG eben nicht bedeutet, Gläubiger derselben Anleihe a priori derselben Gruppe zuzuordnen.409 Für diese Behauptung findet sich in den Gesetzesmaterialien keinerlei Stütze. Laut Beschlussempfehlung dürfen Gläubiger derselben Anleihe – abweichend von der insolvenzrechtlichen Rechtslage nach § 222 Abs. 2 InsO – selbst dann nicht unterschiedlichen Gruppen zugewiesen werden, wenn sie abweichende wirtschaftliche Interessen haben.410 Der Reformgesetzgeber hat die Regelung des § 19a Abs. 1 SchVG 1899 entsprechend übernommen, ohne dabei in der Gesetzesbegründung auf die Frage der Gruppenbildung erneut einzugehen. Dies kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass die Ausführungen zur Neufassung des § 19a Abs. 1 SchVG 1899 durch den Rechtsausschuss weiterhin von Bestand sein sollen. Der Gesetzgeber weist lediglich darauf hin, dass § 19 Abs. 4 SchVG als eine Konkretisierung des für Gläubigerbeschlüsse geltenden allgemeinen Gleichbehandlungsgebot (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 3 SchVG) eine Handlungsanweisung an den gemeinsamen Vertreter dergestalt darstellt, dass dieser einem Insolvenzplan, der nicht für sämtliche Gläubiger die gleichen Bedingungen vorsieht, nicht zustimmen darf.411 Die Gesetzeshistorie spricht dafür, dass die Zuweisung der Anleihegläubiger an unterschiedliche Gruppen grundsätzlich ausgeschlossen ist.412 Einzig solche Anleihegläubiger, deren Forderungen aus der Schuldverschreibung nachrangig gem. § 39 InsO sind, sind gem. § 222 Abs. 1 Nr. 3

404

BT-Drs. 12/7303 S. 113. BT-Drs. 12/7303 S. 113. 406 BT-Drs. 12/7303 S. 113. 407 HRI/Bierbach, § 28 Rn. 73; MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 162 Fn. 215. 408 HRI/Bierbach, § 28 Rn. 73. 409 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 162. 410 BT-Drs. 12/7303 S. 113. 411 BT-Drs. 16/12814 S. 25; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 36. 412 So wohl auch Cranshaw, BKR 2008, 504, 510; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 15 Rn. 178. 405

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

InsO einer gesonderten Gruppe zuzuordnen, soweit deren Forderungen nicht nach § 225 InsO als erlassen gelten sollen.413 Eine Aufteilung von Gläubigern derselben Anleihe in verschiedene Gruppen ist zudem praktisch ausgeschlossen, weil diese nicht sachgerecht voneinander abgegrenzt werden können.414 Die Sachgerechtigkeit erfordert, dass für die vorgenommene Differenzierung ein sachlicher Grund besteht.415 Gleichartige wirtschaftliche Interessen rechtfertigen die Bildung einer eigenen Gruppe nur dann, wenn diese nicht bereits durch eine andere Gruppe abgedeckt werden.416 Gläubiger einer Anleihe stehen auf Grund der inhaltsgleichen Bedingungen in demselben wirtschaftlichen Verhältnis zum Insolvenzschuldner. Wegen der Interessenhomogenität ist die Aufteilung der Anleihegläubiger auf mehrere Gruppen sachlich nicht zu rechtfertigen.417 Eine Aufteilung etwa anhand der Höhe des gezeichneten Anleihebetrags analog § 222 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 InsO, wonach für Kleingläubiger besondere Gruppen gebildet werden können, kommt nicht in Betracht.418 Ebenso ist eine Aufteilung der Anleihegläubiger in jene, die einer Umwandlung nach § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO zustimmen und in jene, die ihre Zustimmung verweigern, nicht sachgerecht,419 nachdem im Rahmen des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO eine Zustimmung aller Anleihegläubiger nicht erforderlich ist, was im Folgenden noch zu zeigen sein wird. Eine derartige Aufteilung würde dem Mehrheitsprinzip und der damit einhergehenden kollektiven Bindung von Mehrheitsbeschlüssen widersprechen. Dem Planersteller ist es unbenommen, die Anleihegläubiger gemeinsam mit anderen Insolvenzgläubigern gleicher Rechtstellung in eine Gruppe zusammenzufassen.420 Da die Abstimmung über den Plan gem. § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. § 244 InsO unter Geltung insolvenzrechtlicher Mehrheitserfordernisse erfolgt,421 kann sich der Planersteller bei der Zusammensetzung der Gruppen von strategischen Überlegungen leiten lassen, nachdem die Anleihegläubiger in ihrer Gruppe regelmäßig 413

FK/Friedl, § 19 Rn. 45; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 127 Fn. 187. 414 Dies erkennt insoweit auch die herrschende Meinung, als sie feststellt, dass eine sachgerechte Abgrenzung nur sehr schwer möglich sein wird, FK/Friedl, § 19 Rn. 45; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 119; Hopt/Seibt/Knapp, § 19Rn. 130; MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 162; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 127. 415 HRI/Bierbach, § 28 Rn. 71. 416 HmbKomm/Thies, § 222 Rn. 18. 417 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 130. 418 So aber K. Schmidt/Spliedt, § 222 Rn. 19. 419 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 119, K. Schmidt/Spliedt, § 222 Rn. 19, Verannemann/Rattunde, § 19 Rn. 110. 420 Vgl. Cranshaw, BKR 2008, 504, 510; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 183; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 46. 421 FK/Friedl, § 19 Rn. 46.

C. Insolvenzplanverfahren

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die Summen- und Kopfmehrheit auf sich vereinen können. Das Stimmrecht des einzelnen Anleihegläubigers richtet sich nach dem Nominalbetrag der von ihm gehaltenen Schuldverschreibung; jeder Anleihegläubiger hat dabei eine Kopfstimme.422

IV. Teilnahme am Debt-Equity-Swap 1. Ausgangslage Sieht der Insolvenzplan einen Debt-Equity-Swap vor, ist die Regelung des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO zu beachten, wonach kein Gläubiger gegen seinen Willen in eine Gesellschafterposition gedrängt werden darf.423 Sollen Gläubiger Beteiligungen am Schuldner übernehmen, bedarf es der Zustimmung jedes einzelnen betroffenen Gläubigers, die dem Insolvenzplan gem. § 230 Abs. 2 InsO beizufügen ist. Das Recht einer Umwandlung seine Zustimmung zu verweigern, stellt laut Gesetzgeber ein Individualrecht jedes einzelnen Gläubigers dar,424 das nicht durch Abstimmungsmehrheiten über die §§ 244, 245 InsO ersetzt werden kann.425 Enthält ein Insolvenzplan die erforderlichen Zustimmungserklärungen aller betroffenen Gläubiger nicht oder nicht mit dem vorgeschriebenen Inhalt, stellt dies einen inhaltlichen Mangel dar, der gem. § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu einer Zurückweisung des Insolvenzplans von Amts wegen führt.426 Im Gegensatz zum Insolvenzrecht lässt das Schuldverschreibungsrecht einen zwangsweisen Debt-Equity-Swap zu. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Var. 1 SchVG können durch Mehrheitsbeschluss sämtliche Schuldverschreibungen in Anteile am Schuldner umgewandelt werden, ohne dass es hierfür einer gesonderten Erklärung des einzelnen Gläubigers bedarf (sog. Zwangsumwandlung).427 Sowohl die überstimmten als auch die nicht an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger können an einen zwangsweisen Debt-Equity-Swap gebunden werden.428 Die Insolvenzordnung und das SchVG treffen damit zwei konträre Regelungen. Es ist umstritten, ob die Beteiligung von Anleihegläubigern an einem im Planverfahren vorgesehenen DebtEquity-Swap durch Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubigerversammlung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG beschlossen werden kann.

422 423 424 425 426 427 428

Ampferl, FS Kübler, S. 11, 18. BT-Drs. 17/5712 S. 31. BT-Drs. 17/5712 S. 31. HmbKomm/Thies, § 225a Rn. 33; Uhlenbruck/Hirte, § 225a Rn. 27. HRI/Zabel, § 27 Rn. 199. Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912. Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 57.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses der Anleihegläubiger a) Problemstellung Eine Durchbrechung des Grundsatzes des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO kann nur dann in Betracht kommen, wenn die Beschlussfassung über eine Zwangsumwandlung gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Var. 1 SchVG verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist. Da durch Mehrheitsbeschluss dissentierende Gläubiger gegen ihren Willen in eine Gesellschafterposition gedrängt werden können, soll einer Ansicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG mit der negativen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG nicht vereinbar sein.429 Diese schützt das Recht des Einzelnen, sich nicht zu einer Vereinigung zusammenzuschließen, bestehenden Vereinigungen fernzubleiben sowie aus solchen auszutreten.430 Ob die Zwangsumwandlung von Schuldverschreibungen in Gesellschaftsanteile in die negative Vereinigungsfreiheit eingreift, ist ungeklärt. b) Rechtsprechung des BVerfG Dem BVerfG zufolge ist zu differenzieren, ob Forderungen in Anteile an einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft umgewandelt werden sollen. Das BVerfG hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1954 die Zwangszuteilung von Aktien für zulässig erklärt und dies damit begründet, dass die Aktie vorrangig als Vermögensrecht zu qualifizieren ist, die jederzeit weiterveräußert werden kann und sich für den Aktionär in aller Regel keine mitgliedschaftliche Pflichten ergeben.431 Ähnlich hat das BVerfG argumentiert, als es einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 GG bei dem Entzug einer Mitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft im Falle der Mehrheitsumwandlung verneint hat.432 Es zeigt sich, dass das BVerfG dazu neigt, bei Eingriffen im Bereich der Aktiengesellschaften lediglich auf Art. 14 GG als vermögensrechtliche Grundlage der Aktie bzw. Aktieninhaberschaft zurückzugreifen, nachdem Aktiengesellschaften nicht über den klassisch-personalen Bezug des Art. 9 Abs. 1 GG verfügen.433 Am Maßstab des Art. 9 Abs. 1 GG seien daher vorrangig Eingriffe im Bereich der Personengesellschaften zu messen.434 Demzufolge fällt die Zwangsumwandlung von Forderungen in Anteile an Personengesellschaften in den Schutzbereich der nega429

FK/Friedl/Schmidtbleicher, § 5 Rn. 44 ff. v. Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 GG Rn. 58. 431 BVerfGE 4, 7, 26; Maier-Reimer, FS Goette S. 299, 303; kritisch hierzu FK/Friedl/ Schmidtbleicher, § 5 Rn. 49 ff. 432 BVerfGE 14, 263, 273 ff.; BVerfGE 50, 290, 355 f., ausführlich hierzu Maier-Reimer, FS Goette, S. 299, 303 f. 433 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 111. 434 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 93. 430

C. Insolvenzplanverfahren

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tiven Vereinigungsfreiheit, weil hier personale Elemente im Vordergrund stehen. Anders ist dies bei einer Zwangsumwandlung in frei handelbare Aktien, da hier das bloße Vermögensrecht im Vordergrund steht und die Zwangszuteilung voll eingezahlter Aktien mangels aktienrechtlicher Nachschusspflicht zu keinerlei Verpflichtungen des Zwangsaktionärs führt.435 Gleiches gilt insoweit für die Zwangsumwandlung in Anteile an einer GmbH, als im Gesellschaftsvertrag gem. § 26 Abs. 1 GmbHG keine Nachschusspflicht der Gesellschafter bestimmt ist. Ist Letzteres der Fall, dürfte eine Zwangsumwandlung wiederum in den Schutzbereich der negativen Vereinigungsfreiheit fallen.436 c) Stellungnahme Zwar sprechen gute Argumente für die Verfassungsmäßigkeit einer Zwangsumwandlung in Anteile an einer Kapitalgesellschaft. Dennoch werden im Schrifttum erhebliche Zweifel daran geäußert, ob aus der Entscheidung des BVerfG tatsächlich der Schluss gezogen werden kann, dass Gläubiger gegen ihren Willen in einen privaten Verband eintreten müssen.437 Ob der Schutzbereich der negativen Vereinigungsfreiheit eröffnet ist, kann letztlich unbeantwortet bleiben. Denn der Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG fehlt die Eingriffsqualität, wenn die Anleihegläubiger mit Erwerb der Schuldverschreibung auf die Ausübung des Grundrechts der negativen Vereinigungsfreiheit verzichtet haben. Aus der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG folgt die Freiheit jedes einzelnen, in einzelne Grundrechtseinschränkungen bis zur Grenze der Verletzung des unantastbaren Kerns der Menschenwürde einzuwilligen.438 Dies setzt eine freiwillige (schlüssige) Einwilligungserklärung bei voller Einsichtsfähigkeit voraus, die für einen konkreten Fall erfolgt.439 Die Regelungen der §§ 5 ff. SchVG über Mehrheitsbeschlüsse haben nur dann Geltung, wenn deren Anwendbarkeit in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. Als Bestandteil des verbrieften Rechts regeln die Anleihebedingungen das Schuldverhältnis zwischen dem Emittenten und

435 Friedl, BB 2012, 1102, 1103; Maier-Reimer, FS Goette, S. 299, 303 f.; Westpfahl, FS Kübler, S. 773, 776; Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 58; FK/Friedl, § 19 Rn. 74; Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 44. 436 In die Richtung auch Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 58; Westpfahl, FS Kübler, S. 773, 776. 437 v. Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 GG Rn. 20; so auch FK/Friedl/Schmidtbleicher, § 5 Rn. 51 f., die darauf hinweisen, dass für die negative Vereinigungsfreiheit kein substanzieller Anwendungsbereich mehr verbliebe, wenn eine Zwangsumwandlung in einen Verband, bei dem das personale Moment nicht im Vordergrund steht, nicht von der negativen Vereinigungsfreiheit umfasst wäre; für einen Eingriff in die negative Vereinigungsfreiheit sich ebenfalls aussprechend Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 547. 438 Kloepfer, Verfassungsrecht Band II, § 49 Rn. 75; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 2 GG Rn. 300 f. 439 Kloepfer, Verfassungsrecht Band II, § 49 Rn. 82; Merten/Papier/Merten, Handbuch der Grundrechte, Band III § 73 Rn. 19; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 1 GG Rn. 300.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

allen (künftigen) derivativen Erwerbern.440 Mit Erwerb der Schuldverschreibung trifft der Gläubiger die bewusste Entscheidung, sich den Anleihebedingungen zu unterwerfen. Sehen die Anleihebedingungen Mehrheitsklauseln, insbesondere hinsichtlich der Zustimmung zu einem Debt-Equity-Swap vor, fügt sich der Gläubiger dem Mehrheitsprinzip.441 Die darin liegende Einwilligungserklärung erfolgt auch auf einen hinreichend konkreten Fall. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG sieht vor, dass die Anleiheforderung je nach Rechtsform in Gesellschaftsanteile bzw. Aktien des Emittenten getauscht werden.442 Somit ist für die Schuldverschreibungsinhaber absehbar, bei welchem Verband sie Mitglied werden würden.443 Dies gilt jedoch nur, wenn es sich beim Emittenten um eine Kapitalgesellschaft handelt. Für die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft dürfte hingegen eine konkludente Einwilligung in die Anleihebedingungen, insbesondere dann, wenn Anleihegläubiger die Rolle eines persönlich haftenden Gesellschafters übernehmen müssten, nicht ausreichen. Eine Beschlussfassung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG ist damit bei der Umwandlung in Anteile an einer Kapitalgesellschaft verfassungsrechtlich unbedenklich. Aus der Existenz des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 KredReorgG, die jegliche Zwangsumwandlung ausdrücklich ausschließen, kann auch nichts Gegenteiliges hergeleitet werden.444 Zwar ist zutreffend, dass die insolvenzrechtliche Literatur das Zustimmungserfordernis ebenfalls mit der negativen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG begründet.445 So wurde unter anderem wegen verfassungsrechtlicher Bedenken die im Diskussionsentwurf zum ESUG noch vorgesehene Änderung des § 230 Abs. 2 InsO, nach der die Zustimmung eines Gläubigers, der keine persönliche Haftung übernehmen soll, bei nicht fristgemäßen Widerspruch als fingiert gelten sollte, nicht in den späteren Referenten- bzw. Regierungsentwurf übernommen.446 Allerdings kann allein daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Zwangsumwandlung außerhalb des Insolvenzverfahrens per se ausgeschlossen sein soll.447 § 225a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 230 Abs. 2 InsO stellt eine allgemeine Regelung für alle Gläubiger dar. Sie ist nicht auf die besondere, durch kollektive Bindung und Collective Action Clause geprägte Situation der Schuldverschreibungsgläubiger zugeschnitten, so dass eine Übertragung der Rechtsprinzipien des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO auf die spezielle Regelung des § 5 440

BGH 28. 06. 2005 XI ZR 363/04 Z 163, 316 f. = BKR 2005, 323. So auch Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 58; Schmidt/Seibt/Westpfahl, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 121, § 225a InsO Rn. 16. 442 Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 53. 443 A.A FK/Friedl/Schmitdbleicher, § 5 Rn. 53. 444 Thole, ZIP 2014, 2365, 2365; Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 59; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 43. 445 K. Schmidt/Spliedt, § 225a Rn. 27; KPB/Spahlinger, § 225a Rn. 31; MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 33, § 230 Rn. 48; Uhlenbruck/Hirte, § 225a Rn. 27. 446 HRI/Hölzle, § 31 Rn. 65. 447 In die Richtung aber FK/Friedl/Schmidtbleicher, § 5 Rn. 44. 441

C. Insolvenzplanverfahren

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Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG nicht gerechtfertigt ist.448 Im Gegensatz zu den anderen Gläubigern haben sich die Anleihegläubiger durch die Anleihebedingungen einer etwaigen Zwangsumwandlung unterworfen. 3. Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG in der Insolvenz a) Ausgangslage und Meinungsstand Auch wenn aus der Gesetzesbegründung zum ESUG eine allgemeine Aussage des Gesetzgebers zur Zulässigkeit von Mehrheitsbeschlüssen der Anleihegläubiger gem. § 5 Abs. 3 SchVG im eröffneten Insolvenzverfahren nicht hergeleitet werden kann, ist dennoch unzweifelhaft der gesetzgeberische Wille festzustellen, dass bei von einem Debt-Equity-Swap betroffenen Anleihegläubigern, die in das Planverfahren einbezogen sind, vom Zustimmungsvorbehalt des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO bei entsprechendem Opt-in in den Anleihebedingungen eine Ausnahme zu machen ist. Trotz des eindeutigen Willens des Gesetzgebers ist die Zulässigkeit einer solchen Ausnahme umstritten. Während die insolvenzrechtliche Literatur einen Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger im Rahmen des § 225a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 230 Abs. 2 InsO bei einem Debt-Equity-Swap im Planverfahren ohne weiteres für ausreichend erachtet,449 halten Teile des schuldverschreibungsrechtlichen Schrifttums auch für Anleihegläubiger am Zustimmungsvorbehalt des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO fest.450 Andere wiederum lehnen Beschlussinhalte, die über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters hinausgehen, nach Insolvenzeröffnung generell ab.451 Wegen der unklaren Rechtslage wird in der Praxis im Rahmen einer Anleiherestrukturierung kein „echter“ Debt-Equity-Swap durchgeführt. Um das Zustimmungserfordernis nach § 230 Abs. 2 InsO zu umgehen, wird stattdessen der Weg eines freiwilligen Debt-Equity-Swaps beschritten, bei dem im Insolvenzplan der Tausch der Forderungen in Erwerbsrechte vorgesehen wird, den Gläubigern aber die Wahl gelassen wird, ob sie ihr Erwerbsrecht ausüben möchten oder nicht.452 Ob ein

448

Thole, ZIP 2014, 2365, 2365; Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 59; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 43. 449 FK-InsO/Jaffé, § 225a Rn. 10; HmbKomm/Thies, § 225a Rn. 33; KPB/Spahlinger, § 225a Rn. 32; MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 34; Uhlenbruck/Hirte, § 225a Rn. 28; so auch K. Schmidt/Spliedt, § 225a Rn. 28 mit der Einschränkung, dass ein Mehrheitsbeschluss dann nicht ausreichend ist, wenn die Umwandlung mit zusätzlichen Pflichten verbunden ist. 450 Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 103; Wilken/ Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz Rn. 636. 451 Siehe hierzu bereits S. 105 ff. 452 Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912; Thole, ZIP 2014, 2365, 2366; Westpfahl, FS Kübler, S. 775, 777; Hopt/Seibt/Thole, § 5 Rn. 56; Veranneman/ders., § 5 Rn. 29; Wilken/Schaumann/ Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 636.

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

„echter“ Debt-Equity-Swap in der Praxis tatsächlich zulässig ist, wird im Folgenden untersucht. b) Stellungnahme Der Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG kann auf den ersten Blick für einen Vorrang der insolvenzrechtlichen Regelung des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO sprechen, da § 19 Abs. 2 – 5 SchVG keine Sonderregelung zum Debt-Equity-Swap trifft. Es ist allerdings fraglich, ob der Einwand des Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung in diesem Fall trägt. Wie bereits ausgeführt, soll der Vorrang der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG insbesondere Beschlüsse mit bindender Wirkung im Verhältnis zum Insolvenzverfahren und anderen Gläubigergruppen verhindern, während rein intern wirkende Beschlüsse weiterhin zulässig sind.453 Eine Beschlussfassung der Anleihegläubiger nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG über die Frage, ob sie einem im Insolvenzplan vorgesehenen Debt-Equity-Swap kollektiv zustimmen, entfaltet keine unmittelbare Wirkung für oder gegen die Insolvenzmasse. Denn die Entscheidung über das „Ob“ der Sanierungsmaßnahme obliegt den am Insolvenzplan beteiligten Gruppen und damit den von der Insolvenzordnung vorgesehenen Gremien unter der Beteiligung aller Insolvenzgläubiger. Bei der Entscheidung über eine Beteiligung an einem im Planverfahren vorgesehenen Debt-Equity-Swap bzw. eine entsprechende Anweisung eines bestellten gemeinsamen Vertreters, geht es allein um die interne Willensbildung im Innenverhältnis.454 Der Schutzzweck des § 19 Abs. 1 SchVG wird davon nicht berührt, so dass eine teleologische Reduktion geboten ist. Der Widerspruch zwischen § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG und § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO lässt sich nicht über den Anwendungsvorrang des § 19 Abs. 1 SchVG lösen. Die Gesetzeshistorie zum ESUG spricht dafür, dass der Gesetzgeber den Widerspruch zu Gunsten des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG lösen wollte.455 § 225a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 230 Abs. 2 InsO kann für Fälle, in denen eine Vielzahl an Forderungen in Eigenkapital umgewandelt werden, ein erhebliches Sanierungshindernis bedeuten.456 Nachdem die Möglichkeit einer zwangsweisen Umwandlung im Gesetzgebungsverfahren früh verworfen wurde, scheint der Gesetzgeber zumindest bei Anleiherestrukturierungen den Vorteil einer in den Anleihebedingungen geregelten Mehrheitsherrschaft sich zu Nutze machen zu wollen. War es doch gerade der Fall der Deutschen Nickel AG, die ihren Sitz nach England verlegte, um einen dort zulässigen zwangsweisen Debt-Equity-Swap für Anleihegläubiger durchzusetzen,457 453 454 455 456 457

Siehe hierzu S. 109 ff. Thole, ZIP 2014, 2365, 2368; so auch HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 115. So auch Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 120. MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 33, § 230 Rn. 45. HRI/Hölzle, § 31 Rn. 66 Fn. 112.

C. Insolvenzplanverfahren

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der unter anderem Anstoß zum Erlass des ESUG gegeben hat, den Sanierungsstandort Deutschland im „Wettbewerb der Insolvenzrechte“ zu verbessern.458 Ungeachtet dessen, ob der Gesetzgeber den vermeintlichen Widerspruch zwischen seinen Ausführungen in den Begründungen zum SchVG und dem ESUG gesehen hat,459 spricht einiges dafür, dass der Gesetzgeber den Widerspruch zu Gunsten einer Zulässigkeit der Zwangsumwandlung bei der Anleiherestrukturierung regeln wollte. Eine Durchbrechung des Zustimmungsvorbehalts bei Inhabern von Schuldverschreibungen, deren Anleihebedingungen einen Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG zulassen, ist damit zulässig. Dies gilt auch für die nicht durch einen gemeinsamen Vertreter vertretenen Anleihegläubiger. Einer Ansicht zufolge bedarf es auch im Fall von Schuldverschreibungen der Zustimmungserklärung des einzelnen Gläubigers nach § 230 Abs. 2 InsO.460 Ein Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger zur Beteiligung an einem Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan wird nur dann in Betracht kommen, wenn ein gemeinsamer Vertreter bestellt ist und dieser durch Mehrheitsbeschluss ermächtigt wird, die Zustimmungserklärung nach § 230 Abs. 2 InsO mit bindender Wirkung für alle Anleihegläubiger abzugeben. Denn dann gilt der gemeinsame Vertreter kraft seiner Funktion als bevollmächtigt, die Zustimmungserklärung für alle Anleihegläubiger abzugeben, so dass § 230 Abs. 2 InsO genüge getan ist.461 Dies widerspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Dieser stellt ausdrücklich klar, dass § 230 Abs. 2 InsO für die erfassten Anleihegläubiger insoweit einen anderen Regelungsgehalt, als nicht die Zustimmung jedes betroffenen Gläubigers dem Plan als Anlage beizufügen ist, sondern der Mehrheitsbeschluss nach dem SchVG.462 Dass dies nur bei einem gewählten gemeinsamen Vertreter in Betracht kommen soll, ist aus der Gesetzesbegründung nicht abzuleiten. Es ist widersprüchlich, eine kollektive Willensbildung der Anleihegläubiger zur Teilnahme am Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan allein bei der entsprechenden Ermächtigung eines gemeinsamen Vertreters zuzulassen, anderenfalls aber nicht.

V. Ergebnis Im Insolvenzplan können die in § 5 Abs. 3 SchVG genannten Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich auch im Insolvenzplan vollzogen werden. Alle Anleihegläubiger sind nur einer Gruppe zuzuordnen, wobei diese nicht zwingend eine eigene sein muss. Ist im Insolvenzplan ein Debt-Equity-Swap vorgesehen, können die 458

Hirte/Knof/Mock, Das neue Insolvenzrecht nach dem ESUG, S. 3 f. Hierzu tendierend Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, BankrechtsKommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 30. 460 Westpfahl, FS Kübler, S. 773, 776. 461 Westpfahl, FS Kübler, S. 773, 777. 462 MüKoInsO/Eidenmüller, § 230 Rn. 58. 459

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Kap. 2: Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren

Anleihegläubiger die gem. § 230 Abs. 2 InsO erforderliche Zustimmung durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4 SchVG erteilen, sofern die Anleihebedingungen einen entsprechenden Opt-in enthalten.

D. Zusammenfassung Die Regelung des § 19 SchVG berücksichtigt die widerstreitenden Leitbilder beider Gesetze nicht. Statt auf die Besonderheiten des Insolvenzverfahrensrechts einzugehen, statuiert § 19 Abs. 1 SchVG einen umfassenden Vorrang des Insolvenzrechts. Dabei übersieht § 19 SchVG, dass die insolvenzverfahrensrechtlichen Vorschriften im Fall der Beteiligung einer Vielzahl anonymer Anleihegläubiger, deren Rechte nicht durch einen gemeinsamen Vertreter gebündelt wahrgenommen werden, nicht bzw. nur mit erheblichem Aufwand umsetzbar sind. De lege lata trägt der gemeinsame Vertreter wesentlich zu einer effizienten und ordnungsgemäßen Durchführung des Insolvenzverfahrens bei. Nur durch die Bündelung der Rechte aller Anleihegläubiger in einer den Beteiligten bekannten Person, lässt sich der Widerspruch zwischen den Leitbildern des SchVG und der Insolvenzordnung überbrücken und die insolvenzrechtlichen Verfahrensvorschriften zweckmäßig umsetzen. So ist eine Beteiligung der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren von Beginn an nur dann optimal umsetzbar, wenn bereits vor Insolvenzeröffnung ein gemeinsamer Vertreter existiert. Erfolgt seine Wahl erst nach Insolvenzeröffnung oder unterbleibt gänzlich, kann dies insbesondere im Forderungsanmeldungs-, Feststellungs- und Verteilungsverfahren zu erheblichem Abwicklungsaufwand für den Insolvenzverwalter führen.

Kapitel 3

Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters und untersucht die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen seiner Bestellung.

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung I. Eignung für das Amt des gemeinsamen Vertreters 1. Schuldnernahe Personen gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 SchVG a) Ausgangslage und Meinungsstand Die Insolvenzordnung enthält keine Regelungen zum gemeinsamen Vertreter. Daher gelten die Bestimmungen des § 7 SchVG auch im Insolvenzverfahren grundsätzlich weiter.1 § 7 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 SchVG verlangt für die Ausübung des Amtes lediglich die erforderliche Sachkunde, darüber hinaus werden keine weitergehenden Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters gestellt.2 Die Gläubiger unterliegen bei der Auswahl keinen Beschränkungen,3 ihre Freiheit geht so weit, dass sie sogar den Anleiheschuldner selbst als Gläubigervertreter wählen könnten.4 Schuldnernahe Personen sind gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 SchVG verpflichtet, den Gläubigern vor der Bestellung ihre Beziehungen zum Schuldner offenzulegen. Tritt ein Interessenkonflikt nach der Bestellung ein, ist der gemeinsame Vertreter nicht gezwungen, sein Amt niederzulegen.5 § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG verpflichtet ihn lediglich, die Anleihegläubiger unverzüglich und in geeigneter Form darüber zu informieren, dass in Verbindung mit seiner Person die in § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 – 4 1

FK/Friedl, § 19 Rn. 49; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 22; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 66. 2 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 8. 3 BT-Drs. 16/12814 S. 19. 4 FK/Wöckener, § 7 Rn. 14. 5 FK/Wöckener, § 7 Rn. 14.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

SchVG genannten Umstände nach seiner Bestellung eingetreten sind. Es obliegt den Anleihegläubigern, ihn abzuberufen oder den Interessenkonflikt zu akzeptieren.6 Nach alter Rechtslage sollen gem. § 14a SchVG 1899 nur völlig unparteiliche Personen als Vertreter bestellt werden.7 Die Aufgabe des Inkompatibilitätsmodells des alten SchVG wurde im schuldverschreibungsrechtlichen Schrifttum sehr kritisiert.8 Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Anleihegläubiger die Haftung des gemeinsamen Vertreters nach § 7 Abs. 3 Satz 2 SchVG nicht nur begrenzen, sondern ganz ausschließen können, kann die Zulässigkeit der Schuldnernähe zu einer Missbrauchsgefahr führen.9 Wegen des umfassenden Mandats des gemeinsamen Vertreters gem. § 19 Abs. 3 SchVG ist eine Schuldnernähe abzulehnen.10 Nach herrschender Meinung im Schrifttum können aber auch nach Insolvenzeröffnung schuldnernahe Personen zum gemeinsamen Vertreter bestellt werden.11 b) Stellungnahme Die Wahrnehmung der Interessen einer ganzen Gläubigergruppe durch eine schuldnernahe Person steht in Widerspruch zu den insolvenzrechtlichen Grundprinzipien, hier der Gläubigerautonomie. Die Anleihegläubiger sind eine bedeutende, meistens auch dominierende Gläubigergruppe im Insolvenzverfahren.12 So kann der gemeinsame Vertreter gegen den Willen anderer Insolvenzgläubiger erheblichen Einfluss auf den Gang des Verfahrens nehmen. Der Schutz der Interessen aller Verfahrensbeteiligten erfordert daher seine Unabhängigkeit vom Schuldner.13 Ähnlich wie der Insolvenzverwalter gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO sollte auch der gemeinsame Vertreter zur Neutralität verpflichtet sein.14 Für den gemeinsamen Vertreter fehlt es jedoch an einer dem § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO vergleichbaren Regelung. 6

FK/Wöckener, § 7 Rn. 14. Ansmann, § 14a 1899 Anmerk. 1. 8 Bredow/Vogel, ZBB 2008, 221, 230; Cranshaw, BKR 2008, 504, 510; Podewils, DStR 2009, 1914, 1918; Preuße/Nesselrodt, § 7 Rn. 14 ff.; auch in der Praxis stößt die Unbeachtlichkeit von Interessenkonflikten nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchVG teilweise auf wenig Unterstützung: so rät der Berufsverband der Investment Professionals DVFA von der Bestellung eines schuldnernahen gemeinsamen Vertreters ab, vgl. Standards für Unternehmensanleihen unter dem Schuldverschreibungsgesetz S. 8, abrufbar unter http://www.dvfa.de/fileadmin/downloads/ Publikationen/Standards/dvfa_bvi_standards_schvg.pdf, zuletzt aufgerufen am 26. 10. 2016. 9 Cranshaw, BKR 2008, 504, 509. 10 Cranshaw, BKR 2008, 504, 510. 11 FK/Friedl, § 19 Rn. 48; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 71; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 63; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 73. 12 Antoniadis, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017, NZI 2017, 228, 230. 13 Vgl. Antoniadis, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017, NZI 2017, 228, 230. 14 Zur Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters siehe Bork, ZIP 2013, 145, 148 f.; K. Schmidt/Ries, § 56 Rn. 23; MüKoInsO/Graber, § 56 Rn. 25 ff.; Uhlenbruck/Zipperer, § 56 Rn. 41. 7

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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Ohne gesetzliche Regelung kann den Anleihegläubigern die Wahl eines schuldnernahen Gläubigervertreters nicht untersagt werden, nachdem auch die übrigen Insolvenzgläubiger in der Wahl ihrer Vertreter im Insolvenzverfahren nicht beschränkt sind. Als rechtsgeschäftlicher Vertreter unterliegt der gemeinsame Vertreter allein dem Vertreterrecht, das keine Inkompatibilitätsregeln kennt.15 Es ist eine privatautonome Entscheidung der Anleihegläubiger, ob sie eine schuldnernahe Person wählen oder nicht. Anders als beim Insolvenzverwalter steht die Unabhängigkeit des gemeinsamen Vertreters zur Disposition der Anleihegläubigermehrheit.16 Ohne eine gesetzliche Regelung zur Neutralität des gemeinsamen Vertreters darf in die durch Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Privatautonomie der Anleihegläubiger nicht eingegriffen werden. De lege lata ist eine schuldnernahe Person im Amt des gemeinsamen Vertreters damit nicht zu verhindern. Die Rechtfertigung des Gesetzgebers für eine geduldete Schuldnernähe in Bezug auf den gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren überzeugt jedoch nicht. Außerhalb des Insolvenzverfahrens wird der Vorschlag für die Bestellung regelmäßig vom Schuldner ausgehen, wenn sich die Anleihegläubiger nur schwer auf eine bestimmte Person einigen können.17 Außerdem sollen sich aus der Schuldnernähe für die Gläubiger grundsätzlich keine Nachteile ergeben, da die Vollmacht des Vertreters beschränkt werden kann.18 Letzteres trifft auf den gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren nicht zu, nach Eröffnung der Insolvenz ist die Vollmacht des Vertreters gem. § 19 Abs. 3 SchVG im Außenverhältnis nicht mehr beschränkbar.19 Die Praxis zeigt, dass sich im Beratungsmarkt zahlreiche Personen bereithalten, die sich um das Amt des gemeinsamen Vertreters bemühen.20 So ist zu beobachten, dass bereits vor Insolvenzanmeldung Berater versuchen, auf die Anleihegläubiger einzuwirken, unbedingt ihn als gemeinsamen Vertreter einzusetzen.21

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Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 9. Zur nicht disponiblen Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters siehe ausführlich Bork, ZIP 2013, 145 ff. 17 BT-Drs. 16/12814 S. 19. 18 BT-Drs. 16/12814 S. 19. 19 Ausführlich hierzu siehe S. 164 ff. 20 Vgl. Wegener, NZI 2017, 54, 55. 21 So hat beispielsweise die Beratungsgesellschaft One Square Adivsors im Fall der Mittelstandsanleihe des Sanitärherstellers Sanha GmbH & Co. KG, nachdem diese zuvor eine Anleihegläubigerversammlung über die Abstimmung über eine Restrukturierung der Anleihe einberufen hatte, aktiv für die Einsetzung eines gemeinsamen Vertreter geworben; FinanceMagazin vom 22. 06. 2017, abrufbar unter http://www.finance-magazin.de/geld-liquiditaet/kredi te-und-anleihen/one-square-advisory-zweifelt-konzept-von-sanha-an-1406611/, zuletzt aufgerufen am 23. 06. 2017. 16

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

2. Der gemeinsame Vertreter als Berater anderer Beteiligter a) Problemstellung Eine Interessenkollision kann auch auftreten, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 SchVG nicht vorliegen. In der Praxis ist zu beobachten, dass gemeinsame Vertreter nicht nur die Interessen der Anleihegläubiger wahrnehmen, sondern gleichzeitig auch als Berater anderer am Restrukturierungsprozess des Emittenten Beteiligten tätig werden. So war etwa im Fall des insolventen Modeunternehmens Laurél22 der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger nicht nur in dieser Rolle, sondern gleichzeitig als M&A-Berater für die Schuldnerin tätig.23 Im Fall von Strenesse24 war derselbe gemeinsame Vertreter zeitgleich für einen unmittelbaren Konkurrenten von Strenesse, dem ebenfalls insolventen Modeunternehmen Rena Lange, als Sanierungsgeschäftsführer tätig.25 Ebenso sorgte die Vertreterbestellung im Fall der Reederei Rickmers, die am 1. Juni 2017 Insolvenzantrag gestellt hat,26 für Aufsehen: Ähnlich wie im Fall Laurél war der gemeinsame Vertreter vor seiner Bestellung als Berater des Schuldners maßgeblich an der Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts beteiligt, ehe er nach dessen Scheitern auf die Anlegerseite wechselte.27 Diese Fälle werfen die Frage auf, ob Personen mit eindeutigen Interessenkollisionen ihr Amt als gemeinsamer Vertreter niederlegen müssen bzw. gar nicht erst annehmen dürfen.

22 Die Laurél GmbH hat am 16. 11. 2016 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt, vgl. Manager Magazin vom 14. 11. 2016, abrufbar unter http://www.manager-magazin. de/unternehmen/industrie/fruehere-escada-tochter-laurel-ist-insolvent-a-1121232.html, zuletzt aufgerufen am 22. 06. 2017. 23 Handelsblatt vom 16. 05. 2017, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anlei hen-zinsen/mittelstandsanleihen/heftiges-ringen-um-die-zeche-bei-mittelstandsanleihen-1501 8484.html, zuletzt aufgerufen am 22. 06. 2017. 24 Die Strenesse New GmbH hat am 16. 04. 2014 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt; vgl. Handelsblatt vom 16. 04. 2014, abrufbar unter http://www.handelsblatt. com/unternehmen/handel-konsumgueter/modehersteller-strenesse-geht-in-die-insolvenz/9774 656.html, zuletzt aufgerufen am 22. 06. 2017. 25 Manager Magazin vom 21. 11. 2014, abrufbar unter http://www.manager-magazin.de/un ternehmen/handel/hauen-und-stechen-bei-strenesse-a-1004231.html, zuletzt aufgerufen am 22. 06. 2017. 26 Handelsblatt vom 02. 06. 2017, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/finanzen/ maerkte/anleihen/mini-bonds-rickmers-insolvenz-ist-jetzt-amtlich/19886678.html, zuletzt aufgerufen am 23. 06. 2017. 27 WirtschaftsWoche vom 01. 06. 2017, abrufbar unter http://www.wiwo.de/unternehmen/in dustrie/rickmers-insolvenz-die-sinnloseste-glaeubigerversammlung-deutschlands/19883522. html, zuletzt aufgerufen am 23. 06. 2017.

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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b) Stellungnahme Selbst schuldnernahe Personen im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG sind nicht gezwungen, ihr Amt niederzulegen.28 Gleiches muss für Vertreter, die keine schuldnernahen Personen im Sinne des SchVG sind, gelten. Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn Rechtsanwälte das Amt des Gläubigervertreters innehaben, auf die das anwaltliche Berufsrecht Anwendung findet. Gem. § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 3 BORA ist es einem Rechtsanwalt untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten. Gem. § 3 Abs. 1 BORA, der die Grundpflicht aus § 43a Abs. 4 BRAO konkretisiert, darf der Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat bzw. weiterhin berät oder vertritt. Eine Identität der Rechtssache liegt vor, wenn sie auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen ist;29 ein Interessenwiderstreit ist gegeben, wenn die Interessen der Parteien, die der Anwalt in derselben Rechtssache berät, ganz oder teilweise konträr sind.30 Dies ist dann der Fall, wenn die Verwirklichung des einen Interesses unmittelbar zulasten des anderen geht.31 Erkennt der Anwalt eine Interessenkollision, hat er gem. § 3 Abs. 4 BORA unverzüglich alle Mandate in derselben Rechtssache zu beenden. Wird der gemeinsame Vertreter vor oder während der Amtszeit als Gläubigervertreter beratend für den Schuldner tätig, ist von einem Interessenkonflikt auszugehen. Insbesondere in Unternehmenskrisen verfolgen Schuldner und Gläubiger gegenläufige wirtschaftliche Interessen. Gleiches gilt für den Fall, wenn der gemeinsame Vertreter gleichzeitig für einen unmittelbaren Konkurrenten des Schuldners tätig ist. Ein als gemeinsamer Vertreter tätiger Rechtsanwalt ist berufsrechtlich verpflichtet, in solchen Fällen sein Amt gem. § 3 Abs. 4 BORA niederzulegen. Tut er dies nicht, kann er sich gem. § 356 StGB wegen Parteiverrats strafbar machen. In den eingangs beschriebenen Fällen war der gemeinsame Vertreter aber kein Rechtsanwalt, so dass fraglich ist, ob nicht-anwaltlich tätige Personen ebenfalls einem Tätigkeitsverbot unterworfen werden dürfen. Ein Tätigkeitsverbot – wie das des § 43a Abs. 4 BRAO i.V.m. § 3 BORA – schränkt die grundrechtlich geschützte Freiheit der Berufsausübung gem. Art. 12 Abs. 1 GG ein.32 Dieses muss daher den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine Grundrechtseinschränkung gestellt werden, genügen.33 Für ein Tätigkeitsverbot für nicht-anwaltlich tätige Personen fehlt es bereits an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage für einen 28

FK/Wöckener, § 7 Rn. 14. Feuerich/Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 60 ff.; Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 199 ff. 30 Feuerich/Weyland/Träger, BRAO, § 43a Rn. 64. 31 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 171. 32 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 166. 33 Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, § 43a Rn. 166. 29

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Grundrechtseingriff. Ohne gesetzliche Grundlage sind die Grundsätze des § 43a Abs. 4 BRAO nicht auf nicht-anwaltlich tätige Personen entsprechend anwendbar. Auch aus dem der Bestellung des gemeinsamen Vertreters zu Grunde liegendem Geschäftsbesorgungsvertrag34 lässt sich kein vergleichbares Tätigkeitsverbot ableiten. Zwar ist die Geschäftsbesorgung dadurch gekennzeichnet, dass den Geschäftsbesorger neben der Pflicht der sorgfältigen und sachkundigen Wahrnehmung des fremden Geschäfts, eine Interessenwahrungs- sowie eine Loyalitätspflicht gegenüber dem Geschäftsherrn treffen.35 Danach muss der Geschäftsbesorger eine Kollision seiner Interessen mit denen des Geschäftsherrn vermeiden und allein dessen Interessen, nicht seine eigenen oder die eines Dritten wahrnehmen.36 Verstößt der Geschäftsbesorger hiergegen, kann er sich zwar – wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen – schadensersatzpflichtig machen, es gibt jedoch keine Norm im Auftrags- bzw. Geschäftsbesorgungsrecht, die in solch einem Fall eine Niederlegung des Auftrags verlangt. 3. Ergebnis Das SchVG überlässt es den Anleihegläubigern, ob und wie sie ihre Vertretung organisieren.37 Auf Grund des Machtpotentials des gemeinsamen Vertreters erfordert der Schutz der Interessen aller Verfahrensbeteiligter jedoch, dass nicht nur schuldnernahe Personen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 SchVG, sondern auch solche Personen, die in einen Konflikt widerstreitender Interessen geraten, vom Amt ausgeschlossen sind. Es besteht de lege lata die Gefahr, dass er entgegen dem Interesse der übrigen Gläubiger erheblichen Einfluss auf das Insolvenzverfahren nehmen kann. Gläubigerfremde Interessen gilt es fernzuhalten. Der Gesetzgeber sollte de lege ferenda klare Regeln an die Anforderungen zur Person des gemeinsamen Vertreters, unabhängig ob Rechtsanwalt oder nicht, schaffen. In jedem Fall sollte die Unabhängigkeit des gemeinsamen Vertreters in Bezug auf die Schuldner gesetzlich verankert werden.38

34

FK/Wöckener, § 7 Rn. 28; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 25; siehe hierzu auch S. 171 ff. MüKoBGB/Heermann, § 675 Rn. 13; MüKoBGB/Schäfer, § 662 Rn. 51, 58; Staudinger/ Martinek/Omlor, § 662 Rn. 25 f.; § 675 Rn. A 22. 36 MüKoBGB/Schäfer, § 662 Rn. 58; Staudinger/Martinek/Omlor, § 662 Rn. 26. 37 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 8. 38 Antoniadis, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017, NZI 2017, 228, 230. 35

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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II. Ablauf der ersten Anleihegläubigerversammlung 1. Einberufung a) Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts aa) Im eröffneten Insolvenzverfahren Gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG hat das Insolvenzgericht die Amtspflicht, eine Anleihegläubigerversammlung einzuberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter noch nicht bestellt wurde. Anders als nach alter Rechtslage, nach der es genügte, dass die Anleihegläubiger überhaupt Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gefasst haben,39 gilt dies auch dann, wenn die Anleihegläubiger vor Insolvenzeröffnung entschieden haben, keinen gemeinsamen Vertreter zu bestellen.40 Wurde ein gemeinsamer Vertreter bereits vor Insolvenzeröffnung wirksam bestellt, entfällt im Umkehrschluss zu § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG unstreitig die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts.41 Dieser behält seine Funktion auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich weiter.42 Daneben gibt es jedoch Konstellationen, in denen unklar ist, ob das Insolvenzgericht von der Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung absehen kann oder nicht. (1) Bei vor Insolvenzeröffnung gefasstem, nicht vollziehbarem Bestellungsbeschluss Unklar ist, was gilt, wenn die Anleihegläubiger bereits vor Insolvenzeröffnung einen Bestellungsbeschluss gefasst haben, dieser aber noch nicht vollziehbar ist. Im Schrifttum wird vertreten, dass ein Wahlvertreter nur bei Vollziehbarkeit des Bestellungsbeschlusses im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG wirksam bestellt ist.43 Dies ist dann der Fall, wenn die Anfechtungsfrist nach § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG abgelaufen, die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses in einem Anfechtungsverfahren rechtskräftig festgestellt worden ist oder dieser im Wege des Freigabeverfahrens gem. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i.V.m. § 246a AktG für vollziehbar erklärt wurde.44 Demzufolge müssten die Anleihegläubiger bei Nicht-Vollziehbarkeit des 39

Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 6. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 10. 41 FK/Friedl, § 19 Rn. 21; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 21; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 502 räumen in diesem Fall dem Gericht ein Ermessen zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung ein, lassen aber offen, wie sich im Umkehrschluss zu der in § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG geregelten Amtspflicht des Gerichts ein Ermessen ergeben soll. 42 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 23. 43 FK/Friedl, § 19 Rn. 21; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 23; daneben ist erforderlich, dass der gemeinsame Vertreter die Bestellung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung angenommen hat. 44 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 23 40

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Bestellungsbeschlusses zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Frage der Vertreterbestellung auf einer vom Insolvenzgericht einzuberufenden Anleihegläubigerversammlung erneut entscheiden. Die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts bliebe folglich weiterhin bestehen.45 Dem ist nur teilweise zu folgen. Es ist zu differenzieren, ob gegen den vor Insolvenzeröffnung gefassten Bestellungsbeschluss bereits Anfechtungsklage erhoben wurde oder nicht. Wurde kein Rechtsmittel eingelegt, kann das Insolvenzgericht den Ablauf der bereits in Gang gesetzten einmonatigen Rechtsmittelfrist des § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG abwarten, ehe es verpflichtet ist, eine Anleihegläubigerversammlung zur erneuten Beschlussfassung einzuberufen. Zwar ist zutreffend, dass im Umkehrschluss zu § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG eine Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts nur dann entfallen kann, wenn Klarheit über das Vorhandensein eines gemeinsamen Vertreters besteht.46 Letzteres muss jedoch nicht zwingend im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung gegeben sein: Geht man mit der herrschenden Meinung davon aus, dass das Insolvenzgericht unverzüglich nach Insolvenzeröffnung eine erste Anleihegläubigerversammlung einberufen muss,47 impliziert dies, dass dem Insolvenzgericht für die Einberufung ein gewisser zeitlicher Ermessenspielraum zusteht. Unverzüglich bedeutet gem. § 121 Abs. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern, woraus folgt, dass etwas nicht „sofort“ erfolgen muss.48 Ein schuldhaftes Zögern liegt nur dann vor, wenn das Zuwarten nicht durch die Umstände des Einzelfalls geboten ist.49 Das Insolvenzgericht darf also im Rahmen des ihm zustehenden zeitlichen Ermessenspielraums den Ablauf einer bereits in Gang gesetzten Rechtsmittelfrist, die weniger als ein Monat dauert, zunächst abwarten. Liegt innerhalb dieses Zeitraums keine Klarheit über die Wahl eines gemeinsamen Vertreters vor, weil doch eine Anfechtungsklage erhoben wird, muss das Insolvenzgericht eine Anleihegläubigerversammlung einberufen. Zwar könnte man einwenden, dass so „lästige“ Anleihegläubiger auf den Plan gerufen werden, die den Bestellungsbeschluss im letzten Moment anfechten.50 Dieses Risiko ist hinzunehmen, weil der Vorteil einer frühzeitigen Organisation der Anleihegläubiger überwiegt. Wurde gegen den Bestellungsbeschluss vor Insolvenzeröffnung Anfechtungsklage erhoben, kann der dadurch eintretende Schwebezustand mit oft mehrere Monate andauernden Anfechtungs- bzw. Freigabeverfahren die Einsetzung eines gemeinsamen Vertreters verzögern. Das Insolvenzgericht wird den Ausgang dieses Verfahrens nicht abwarten und unverzüglich eine Anleihegläubigerversammlung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters einberufen. 45 46 47 48 49 50

FK/Friedl, § 19 Rn. 21. So FK/Friedl, § 19 Rn. 21. Siehe hierzu auch S. 146 f. MüKoBGB/Armbrüster, § 121 Rn. 7. MüKoBGB/Armbrüster, § 121 Rn. 7 So FK/Friedl, § 19 Rn. 21.

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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Welche Auswirkung die Insolvenzeröffnung auf ein bis dahin noch nicht rechtskräftig beendetes Anfechtungsverfahren gegen einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefassten (Bestellungs-)Beschluss hat, wurde – soweit ersichtlich – im Schrifttum noch nicht thematisiert. Gem. § 240 ZPO wird ein die Insolvenzmasse betreffendes anhängiges Verfahren mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Da im Anfechtungsverfahren gem. § 20 Abs. 3 Satz 2 SchVG der Schuldner der Klagegegner ist,51 findet § 240 ZPO Anwendung. (2) Bei nach altem Recht bestelltem gemeinsamen Vertreter Es ist unklar, ob die Einberufungspflicht des Gerichts im Umkehrschluss zu § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG auch dann entfällt, wenn der gemeinsame Vertreter noch nach altem Recht bestellt wurde, die Anleihegläubiger aber gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 SchVG für eine Anwendung des neuen SchVG votiert haben. Der gemeinsame Vertreter verfügt nach dem alten SchVG 1899 über weniger Rechte und Kompetenzen als im heutigen SchVG.52 Eine Ansicht lehnt es daher ab, dass ein nach altem Recht bestellter gemeinsamer Vertreter ipso iure zu einem gemeinsamen Vertreter mit den Befugnissen nach § 19 Abs. 3 SchVG wird.53 Dadurch würde es zu einem Rechtsmachtzuwachs kommen, dem die Anleihegläubiger mit der Entscheidung über die Anwendung des neuen Regelungsregimes nicht ausdrücklich zugestimmt haben.54 Dem ist nicht zu folgen. Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SchVG können die Anleihegläubiger durch Mehrheitsbeschluss der Anwendbarkeit des SchVG in seiner Gesamtheit und damit der Geltung der §§ 1 bis 24 ff. SchVG zustimmen (Opt-in-Beschluss bzw. sog. Grundlagenbeschluss).55 Durch einen sog. Ausführungsbeschluss können die Gläubiger sodann darüber beschließen, welche Bedingungen konkret geändert werden sollen.56 Bereits mit dem Fassen des Grundlagenbeschlusses findet das SchVG im Ganzen Anwendung. Mit dem Opt-in-Beschluss votieren die Anleihegläubiger automatisch für den Kompetenzzuwachs des gemeinsamen Vertreters.57 Die Anleihegläubiger können ihn jederzeit gem. § 7 Abs. 4 SchVG abberufen. Sofern dies nicht geschieht, repräsentiert der nach altem Recht gewählte gemeinsame Vertreter die Anleihegläubiger mit den Kompetenzen des § 19 Abs. 3 SchVG weiter.

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Hopt/Seibt/Kiem, § 20 Rn. 129. Kübler, FS Henckel, S. 183, 187; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 29. Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 507. Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 508 f. Veranneman/ders., § 24 Rn. 8. Hopt/Seibt/Artzinger-Bolten/Wöckener, § 24 Rn. 12; Veranneman/ders., § 24 Rn. 8. In die Richtung auch Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 29.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

(3) Bei fehlendem Opt-in in den Anleihebedingungen Wie bereits im 1. Kapitel ausgeführt, hat die Vorschrift des § 19 SchVG als insolvenzrechtliche Regelung zwingenden Charakter. Als solche ist sie trotz ihrer Verortung im SchVG nicht in das System des optionalen Gläubigerorganisationsrechts eingebunden.58 Neben dem bereits dargestellten Einwand der systematischen Verortung des § 19 SchVG im Gläubigerorganisationsrecht hat das AG Hamburg weitere Argumente, die gegen eine allgemeine Pflicht des Insolvenzgerichts zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung sprechen sollen, in seinem Beschluss vom 1. September 2016 genannt.59 Das AG Hamburg führt aus, dass § 19 Abs. 1 SchVG mit seiner Formulierung „die Beschlüsse der Gläubiger“ auf die in den §§ 5 ff. SchVG geregelten Beschlussrechte der Anleihegläubiger Bezug nimmt. § 19 SchVG konkretisiert § 5 Abs. 1 und § 7 SchVG dahingehend, dass in der Insolvenz die Rechte der Gläubiger zur Fassung von Mehrheitsbeschlüssen auf die Wahl eines gemeinsamen Vertreters beschränkt werden.60 Nach Ansicht des Gerichts kann die Einschränkung nach § 19 SchVG nur dann Anwendung finden, wenn die §§ 5 ff. SchVG durch eine entsprechende Regelung in den Anleihebedingungen für anwendbar erklärt wurden.61 Weiter führt das Gericht aus, dass mit der Option, einen gemeinsamen Vertreter wählen zu können, den Gläubigern ermöglicht wird, in der vorinsolvenzlichen Krise des Emittenten auf Grundlage vollständiger und aktueller Informationen möglichst schnell eine Entscheidung zu treffen.62 Die Einwände des AG Hamburgs überzeugen nicht. Es ergibt keinen Sinn, warum der Gesetzgeber im § 19 Abs. 1 SchVG auf Beschlussfassungen der Anleihegläubiger nach §§ 5 ff. SchVG Bezug nehmen und diese den Vorschriften der Insolvenzordnung unterwerfen soll, wenn diese – mit Ausnahme des Bestellungsbeschlusses – nach Eröffnung der Insolvenz doch nicht mehr möglich sein sollen. § 19 SchVG enthält als insolvenzrechtliche Regelung sowohl gegenüber der Insolvenzordnung als auch gegenüber den Regelungen der §§ 5 ff. SchVG Sondervorschriften.63 Als Sonderregelung knüpft § 19 SchVG somit nicht an die Vorschriften der §§ 5 und 7 SchVG an, sondern trifft diesen gegenüber vielmehr vorrangige Regelungen, so dass es für eine Anwendbarkeit des § 19 SchVG nicht auf einen Opt-in gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG ankommen kann. Darüber hinaus verkennt das Gericht die Rolle des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren. Es ist zwar zutreffend, dass die Information der Anleihegläu58

is.de. 59

So aber Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anmerk. 4 lit. C. I, abrufbar unter www.jur-

AG Hamburg 01. 09. 2016 67g IN 266/16 ZIP 2016, 2030, 2033. AG Hamburg 01. 09. 2016 67g IN 266/16 ZIP 2016, 2030, 2033 f. 61 AG Hamburg 01. 09. 2016 67g IN 266/16 ZIP 2016, 2030, 2034. 62 AG Hamburg 01. 09. 2016 67g IN 266/16 ZIP 2016, 2030, 2034. 63 BT-Drs. 16/12814 S. 25; dort heißt es: „§ 19 enthält darüber hinaus teilweise Sondervorschriften zu § 5 ff. dieses Gesetzes.“ 60

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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biger eine wesentliche Aufgabe des gemeinsamen Vertreters ist, nachdem nur diesem dem Emittenten gegenüber gem. § 7 Abs. 5 SchVG ein Auskunftsrecht zusteht. Die vom Gericht aus der Gesetzesbegründung zitierten Ausführungen beziehen sich jedoch – wie es selbst erkennt – auf die vorinsolvenzliche Krise des Emittenten. In der Insolvenz dient der gemeinsame Vertreter nicht nur der Information der Anleihegläubiger, sondern durch die Bündelung der Rechte aller Anleihegläubiger auch der erleichterten und effektiveren Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Daher trifft ihn in der Insolvenz im Gegensatz zur freien, vorinsolvenzlichen Sanierung gem. § 19 Abs. 3 SchVG ein umfassender und weitergehender Pflichtenkreis.64 Die Annahme des Gerichts, dass das Bedürfnis der Anleihegläubiger nach vollständiger Information zur Wahrnehmung ihrer Interessen im eröffneten Insolvenzverfahren bereits über die Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlungen gewahrt wird und der Schutzzweck der §§ 5 ff. SchVG erfüllt sei,65 kann daher nicht überzeugen. Die Pflicht des Insolvenzgerichts zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG besteht unabhängig von einem Opt-in in den Anleihebedingungen. Eine im Schrifttum geforderte teleologische Reduktion des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG dahingehend, dass die zwingende Einberufung nur auf Konstellationen zutrifft, bei denen ein gemeinsamer Vertreter zwar noch nicht bestellt wurde, aber nach den Anleihebedingungen noch bestellt werden kann, ist abzulehnen.66 Sinn des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist gerade, den Anleihegläubigern in der Insolvenz des Emittenten die Möglichkeit zur Organisation zu geben.67 Dies macht der Gesetzgeber mit der Abkehr von der bisherigen Rechtslage, nach der die Einberufungspflicht bereits dann entfiel, wenn überhaupt über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters Beschluss gefasst wurde, deutlich. Der Bedarf nach einer Organisation im Insolvenzfall besteht unabhängig von einem Opt-in in den Anleihebedingungen. Dies gilt umso mehr, als die Erstzeichner der Anleihe – meist Emissionsbanken –, die auch die Anleihebedingungen verhandelt haben, bei Insolvenzeröffnung häufig nicht mehr Anleihegläubiger sind.68 bb) Im Eröffnungsverfahren Die Anwendbarkeit des § 19 SchVG setzt voraus, dass über das Vermögen des Anleiheschuldners im Inland ein Insolvenzverfahren nach deutschem Insolvenzrecht eröffnet wurde. Im Insolvenzeröffnungsverfahren ist das Insolvenzgericht nicht ermächtigt, zum Zweck der Vertreterbestellung eine Anleihegläubigerversammlung

64 65 66

is.de. 67 68

Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2392, 2397. AG Hamburg 01. 09. 2016 67g IN 266/16 ZIP 2016, 2030, 2034. So aber Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2017 Anmerk. 4 lit. C. I, abrufbar unter www.jurLürken, Anmerkung zu AG Hamburg, Beschluss vom 01. 09. 2016, EWiR 2017, 55, 56. Lürken, Anmerkung zu AG Hamburg, Beschluss vom 01. 09. 2016, EWiR 2017, 55, 56.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

einzuberufen.69 In diesem Stadium kann allein nach den Vorschriften der §§ 9 ff. SchVG eine Gläubigerversammlung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters einberufen werden, sofern dies die Anleihebedingungen vorsehen. Die Möglichkeit unabhängig von einem Opt-in in den Anleihebedingungen einen gemeinsamen Vertreter bestellen zu können, erfolgt – wie bereits gezeigt – zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu spät. Eine Ansicht im Schrifttum will daher § 19 SchVG in einem Schutzschirmverfahren analog anwenden. Das Insolvenzgericht soll danach ermächtigt sein, zeitgleich mit der Anordnung der Eigenverwaltung eine Anleihegläubigerversammlung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters einzuberufen.70 Um im Schutzschirmverfahren ein von allen Beteiligten getragenes, umsetzungsfähiges Sanierungskonzept zu erarbeiten, ist die Beteiligung der wichtigsten Gläubigergruppen erforderlich. Würde es an einem Opt-in in den Anleihebedingungen fehlen, hätten die Anleihegläubiger keine gemeinsame Interessenvertretung.71 Sinn und Zweck des Schutzschirmverfahrens rechtfertigen daher eine analoge Anwendung des § 19 SchVG.72 Das Bedürfnis nach einer angemessenen Interessensvertretung besteht nicht nur im Schutzschirmverfahren, sondern in jedem Eröffnungsverfahren. Eine Anwendung des § 19 SchVG bereits bei Antragstellung ist somit sinnvoll. Dennoch ist de lege lata eine analoge Anwendung des § 19 SchVG im Eröffnungsverfahren nicht möglich: Zwar ist eine vergleichbare Interessenlage zu bejahen, da das Interesse an einer effektiven Verfahrensdurchführung nicht erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern bereits mit Antragstellung entsteht. Es fehlt jedoch am Erfordernis einer planwidrigen Regelungslücke. § 19 Abs. 2 SchVG hat im Wesentlichen die bisherige Regelung des § 18 Abs. 3 SchVG 1899 übernommen. Nach alter Rechtslage musste das Insolvenzgericht ebenfalls von Amts wegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Anleihegläubigerversammlung einberufen. Da die Einbeziehung der Anleihegläubiger erst im eröffneten Verfahren von Bedeutung war, entsprach es der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers, den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung als maßgeblichen Zeitpunkt festzulegen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Reformgesetzgeber von 2009 die Regelung des § 18 Abs. 3 SchVG 1899 unbewusst übernommen hat. Der in § 19 Abs. 1 SchVG neu normierte Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung ab Insolvenzeröffnung spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber sich bewusst mit dem maßgeblichen Zeitpunkt auseinandergesetzt hat, da dieser entscheidend für die uneingeschränkte bzw. nachrangige Anwendbarkeit des Schuldverschreibungsrechts ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Entwurf des reformierten SchVG von 2009 zeitlich vor dem ESUG-Entwurf aus dem Jahr 2011 liegt. Die Problematik der Einbeziehung der Gläubiger in das vorläufige Verfahren hat sich erst 69 70 71 72

Brenner, NZI 2014, 789, 790. Brenner, NZI 2014, 789, 790. Brenner, NZI 2014, 789, 790. Brenner, NZI 2014, 789, 790.

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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mit Einführung des ESUG verschärft gestellt, so dass der Gesetzgeber bei der Reform des SchVG im Jahr 2009 dies gar nicht berücksichtigen konnte. De lege ferenda sollte der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 19 SchVG auf den Zeitpunkt der Antragstellung vorverlegen. cc) Entfallen der Einberufungspflicht (1) Nachrangige Schuldverschreibungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Umstritten ist, ob die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts entfällt, wenn für die Schuldverschreibungen in den Anleihebedingungen gem. § 39 Abs. 2 InsO ein Nachrang vereinbart wurde. Solche Forderungen werden im Zweifel erst nach der Gruppe der Forderungen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO befriedigt.73 Die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG enthält ihrem Wortlaut nach für den Fall des Nachrangs der Anleihe keine Beschränkung der Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts.74 Nach herrschender Ansicht ist § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass bei Nachrangigkeit der Anleihe die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts entfällt.75 Dem ist auch das LG Bonn in einer Entscheidung vom 30. Januar 2014 gefolgt.76 Nachrangige Gläubiger dürfen ihre Forderungen nur auf Aufforderung nach § 174 Abs. 3 InsO anmelden, sind in Insolvenzgläubigerversammlungen grundsätzlich nach § 77 Abs. 1 InsO nicht stimmberechtigt und nehmen daher üblicherweise nicht am Insolvenzverfahren teil. Ist eine Befriedigung der nachrangigen Gläubiger nicht zu erwarten, ginge die Zwecksetzung des § 19 Abs. 2 SchVG ins Leere.77 Die Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters wäre nach dieser Ansicht eine kostenträchtige, aber unnötige Handlung.78 Ist hingegen die Einordnung der Anleiheforderungen zweifelhaft oder streitig oder stellt sich nachträglich heraus, dass die Forderungen der Gläubiger im Rang des § 38 InsO vollständig befriedigt werden, bleibt es bei der Einberufungspflicht.79 Gleiches gilt, wenn nur einzelne Schuldverschreibungsinhaber nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangige Gläubiger sind.80 73

MüKoInsO/Ehricke, § 39 Rn. 62. Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; FK/Friedl, § 19 Rn. 22. 75 Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; Thole, ZIP 2014, 293, 296; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 29; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 24 ff.; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar Kap. 17, § 19 Rn. 11; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 23; Veranneman/Veranneman, § 19 Rn. 50. 76 LG Bonn 30. 01. 2014 6 T 22/14 Tz. 17 ZIP 2014, 983. 77 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 23. 78 LG Bonn 30. 01. 2014 6 T 22/14 Tz. 17 ZIP 2014, 983. 79 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar Kap. 17, § 19 Rn. 11 m.w.N. 80 Thole, ZIP 2014, 293, 297. 74

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Die Gegenansicht folgt der Argumentation der herrschenden Meinung und vertritt, dass eine Einberufung jedenfalls dann unterbleiben darf, wenn in einem Regelinsolvenzverfahren unstrittig nachrangige Gläubiger keinerlei Aussicht auf eine auch nur teilweise Befriedigung ihrer Forderungen haben.81 Wird hingegen ein Insolvenzplanverfahren angestrebt, ist die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nicht von vornherein zwecklos, da auch nachrangige Gläubiger grundsätzlich im Insolvenzplan berücksichtigt werden können.82 Dem ist nicht zu folgen. Nachrangige Gläubiger haben grundsätzlich kein Stimmrecht, da ihre Forderungen gem. § 225 Abs. 1 InsO als erlassen gelten. Damit wird der praktischen Erfahrung Rechnung getragen, dass auf nachrangige Forderungen in der Regel keine Quote entfällt, weil schon die nicht nachrangigen Forderungen nicht vollständig erfüllt werden können.83 Nur wenn der Insolvenzplan abweichend von § 225 Abs. 1 InsO Zahlungen an die nachrangigen Gläubiger vorsieht, können diese nach § 22 Abs. 1 Satz 2 InsO als Gruppe am Insolvenzplanverfahren teilnehmen.84 Es ist nicht nachvollziehbar, warum für diesen in der Praxis äußerst seltenen Fall die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts aufrechterhalten werden soll.85 (2) Vielzahl von Anleiheserien Nach einer Literaturansicht ist die teleologische Reduktion des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG auch dann in Erwägung zu ziehen, wenn aufgrund der Vielzahl an begebenen Schuldverschreibungen und der Gläubigerstruktur der einzelnen Schuldverschreibung die Durchführung einer Gläubigerversammlung den gesetzgeberischen Zweck nicht erfüllt.86 Hintergrund dieses Vorschlags ist, dass anders als nach § 4a Satz 2 Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG) für öffentliche Emittenten das SchVG bei Anleihen von Privatemittenten anleiheübergreifende Mehrheitsbeschlüsse (sog. Aggregation) der Gläubiger aller gegenständlichen Anleihen nicht zulässt. Hat ein Emittent mehrere Anleiheserien ausgegeben, müssen die Gläubigerorganisation und die Bestellung des gemeinsamen Vertreters für jede Anleiheserie gesondert erfolgen. Die kollektive Bindung der Anleihegläubiger an die Anleihebedingungen und deren Änderung durch Mehrheitsbeschlüsse gilt nur für inhaltsgleiche Schuldverschreibungen. Daher können gem. § 5 Abs. 1 SchVG nur Gläubiger derselben Anleihe Mehrheitsbeschlüsse fassen.

81 So nun Friedl, Anmerkung zu LG Bonn, Beschluss vom 30. 01. 2014, EWiR 2014, 395, 396; anders wohl noch in FK/Friedl, § 19 Rn. 24. 82 Friedl, Anmerkung zu LG Bonn, Beschluss vom 30. 01. 2014, EWiR 2014, 395, 396; FK/ Friedl, § 19 Rn. 24. 83 Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 225 Rn. 5. 84 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 26; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar Kap. 17, § 19 Rn. 11 m.w.N. 85 So auch Thole, ZIP 2014, 293, 297. 86 Hofmann, FS Kübler, S. 265, 275.

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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Eine daraus folgende Vielzahl von gemeinsamen Vertretern würde die Verfahrensabwicklung nicht erleichtern, sondern eher verkomplizieren.87 Als Beispiel wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Future Business KGaA aus dem Jahr 2014 angeführt.88 In diesem Verfahren bestand die Besonderheit, dass die Future Business KGaA insgesamt 4.852 unterschiedliche Anleiheserien emittiert hatte und dadurch 4.852 Anleihegläubigerversammlungen durchgeführt werden mussten.89 Hat der Schuldner eine Vielzahl von Anleihen begeben, ist dem Insolvenzgericht ein Ermessensspielraum zu gewähren, um eine Ausnahme von der Einberufungspflicht zu machen.90 Dem ist nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts als eine ermessensunabhängige Regelung ausgestaltet. Das Insolvenzgericht darf weder aus Kosten- noch aus Verzögerungs- oder Praktikabilitätsgründen von einer Einberufung absehen.91 Zwar ist zutreffend, dass in Extremfällen wie bei der Future Business KGaA der für die Erfüllung der Vorgaben des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG erforderliche Aufwand an Grenzen stößt. Dennoch kann es nicht im Ermessen des Gerichts liegen, ob der Zweck des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG im Fall einer Vielzahl von Anleiheserien angesichts des erheblichen Aufwands erfüllt oder nicht erfüllt wird. Das Gericht kann aber versuchen – wie es auch im Fall der Future Business KGaG umgesetzt wurde – den hohen organisatorischen Aufwand durch die Abhaltung von Parallelversammlungen so gering wie möglich zu halten. Auch wenn anleiheübergreifende Mehrheitsbeschlüsse nicht zulässig sind, steht das SchVG Parallelversammlungen aller Anleihegläubiger nicht entgegen.92 Hat ein Emittent mehrere Anleihen ausgegeben, können die Gläubigerversammlungen zur gleichen Zeit, am gleichen Ort mit gleicher Tagesordnung und gleicher Versammlungsleitung durchgeführt werden.93 Rechtlich gesehen bleiben die Gläubigerversammlungen getrennt, so dass Beschlüsse nur für jede einzelne Anleiheserie mit verbindlicher Wirkung gefasst werden können. 87

Hofmann, FS Kübler, S. 265, 275. Hofmann, FS Kübler, S. 265, 274. 89 Siehe Bericht des Insolvenzverwalters über die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Future Business KGaA und zum Verfahrensstand bezüglich der Gläubigerversammlung (Berichtstermin) am 18. 12. 2014 S. 22 ff., abrufbar unter http://www.fubus.de/filead min/download/Bericht_BT_181214.pdf, zuletzt aufgerufen am 16. 09. 2016. 90 Hofmann, FS Kübler, S. 265, 275. 91 Thole, ZIP 2014, 293, 296; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 21. 92 Baums, ZHR 177 (2013), 807, 811; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/ Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 101; ausführlich hierzu siehe Thole, Gutachten zu den Gläubigerversammlungen der Schuldverschreibungsgläubiger der Future Business KGaA im Auftrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Bruno M. Kübler als Insolvenzverwalter vom 06. 04. 2014, S. 27, abrufbar unter http://www.fubus.de/fileadmin/download/Gutach ten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 17. 09. 2016. 93 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 101. 88

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Extremfälle wie der der Future Business KGaA zeigen, dass de lege ferenda über die Zulässigkeit einer Aggregation auch bei der Emission verschiedener Anleihen durch Privatemittenten nachgedacht werden muss. Der Arbeitskreis „Reform des Schuldverschreibungsrechts“ fordert, dass die Möglichkeit der Aggregation auch Privatemittenten zu ermöglichen ist.94 Danach soll, soweit die Anleihebedingungen verschiedener Anleihen ausdrücklich gegenseitig aufeinander Bezug nehmen, die Möglichkeit einer einheitlichen Beschlussfassung gegeben sein.95 Eine anleiheübergreifende Bestellung eines gemeinsamen Vertreters für alle Anleiheserien sollte damit einhergehen. b) Modalitäten der Einberufung aa) Ausgangslage Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG hat das Insolvenzgericht die Gläubigerversammlung nach den Vorschriften der §§ 10 ff. SchVG einzuberufen.96 Die Auffassung, die für die Einberufung auf die insolvenzrechtlichen Vorschriften abstellt, damit der funktionell zuständige Rechtspfleger sich an die ihm vertrauten Regelungen halten kann,97 ist mit dem eindeutigen Wortlaut nicht vereinbar. Gem. § 19 Abs. 5 SchVG muss das Insolvenzgericht die Bekanntmachungen nach dem SchVG zusätzlich im Internet unter der durch § 9 InsO vorgeschriebenen Adresse veranlassen (www.insolvenzbekanntmachungen.de) und veröffentlichen.98 bb) Frist und Ort Im Gegensatz zur alten Rechtslage, wonach die Versammlung gem. § 18 Abs. 3 SchVG 1899 unverzüglich einzuberufen war, enthält § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG keine entsprechende Regelung mehr. Die herrschende Meinung im Schrifttum vertritt die Ansicht, dass dadurch keine Änderung der Rechtslage herbeigeführt werden sollte und die Einberufung auch nach jetziger Rechtslage weiterhin unverzüglich erfolgen muss.99 Andere hingegen halten es für ausreichend, wenn die gesonderte Ver-

94

Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 852. Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 847. 96 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2396; FK/Friedl, § 19 Rn. 26 Langenbucher/Bließener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 9; Schmidt/ Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 25 ff. 97 Preuße/Scherber, § 19 Rn. 25; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 52. 98 Uhlenbruck/Knof, § 77 Rn. 20. 99 FK/Friedl, § 19 Rn. 25; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 9; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 26; Schmidt/Westpfahl/ Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 26. 95

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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sammlung der Anleihegläubiger jedenfalls vor der ersten Insolvenzgläubigerversammlung (Berichtstermin) stattfindet.100 Die herrschende Meinung ist zutreffend. Ziel der Unverzüglichkeit des § 18 Abs. 3 SchVG 1899 war es, zu verhindern, dass einzelne Anleihegläubiger ihre Forderungen vor Abhaltung der Anleihegläubigerversammlung selbst anmelden.101 Das Bedürfnis nach einer frühzeitigen Bestellung eines gemeinsamen Vertreters besteht auch nach neuer Rechtslage unverändert fort, nur so kann die vom Gesetzgeber beabsichtigte rechtzeitige und kollektive Einbringung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren ermöglicht werden.102 Die Ansicht, wonach eine erstmalige Beschlussfassung im Rahmen der ersten Insolvenzgläubigerversammlung (Berichtstermin) erfolgen kann, ist abzulehnen.103 Im Übrigen fordert § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ausdrücklich die Einberufung einer gesonderten und von der Insolvenzgläubigerversammlung unabhängigen Anleihegläubigerversammlung. Die Einberufung der Anleihegläubigerversammlung muss gem. § 10 Abs. 1 SchVG mindestens 14 Tage vor dem Tag der Versammlung erfolgen.104 Da ausschließlich das Insolvenzgericht für die Einberufung der Gläubigerversammlung zuständig ist, kann diese nur am Ort des Insolvenzgerichts stattfinden; § 11 SchVG findet keine Anwendung.105 cc) Tagesordnung Nach § 13 Abs. 1 SchVG muss eine Tagesordnung erstellt und gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 SchVG mit der Einberufung bekannt gemacht machen. Der Einberufende hat zu jedem Punkt, über den die Gläubigerversammlung beschließen soll, in der Tagesordnung einen Vorschlag zur Beschlussfassung zu machen. Er muss eine konkrete Empfehlung in Gestalt eines – mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmungsfähigen – Beschlussantrags formulieren.106 (1) Beschlussfassung über Vertreterbestellung Gesetzlich vorgeschriebener Tagesordnungspunkt der (ersten) Anleihegläubigerversammlung ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters. Um den Anforderungen des § 13 Abs. 1 SchVG gerecht werden zu können, müsste das Insolvenzgericht den Namen von potentiellen Kandidaten in der Tagesordnung nennen. Wegen seiner Neutralitätspflicht ist das Insolvenzgericht 100 101 102 103 104 105 106

HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 31. Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 3. Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 26. So aber Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 53. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 34. HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 34 FK/Schmidtbleicher, § 13 Rn. 2; Hopt/Seibt/Binder, § 13 Rn. 4.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

jedoch nicht befugt, einen eigenen Kandidaten zu suchen und vorzuschlagen.107 In Insolvenzgläubigerversammlungen soll das Insolvenzgericht eine neutrale Stellung einnehmen, inhaltliche Empfehlungen fallen nicht in dessen Kompetenzbereich.108 Für vom Insolvenzgericht geleitete Anleihegläubigerversammlungen darf nichts anderes gelten, das Insolvenzgericht kann nicht zu einer Veröffentlichung konkreter Beschlussvorschläge zur Person des gemeinsamen Vertreters verpflichtet werden.109 Werden dem Gericht eigeninitiative Kandidaturen bekannt110 oder aber Kandidaten vom Emittenten oder Anleihegläubiger vorgeschlagen, kann es diese in den Beschlusspunkten berücksichtigen.111 Dabei sollte es aus Transparenzgründen in der Tagesordnung die Identität des jeweils Vorschlagenden offenlegen.112 Daneben können weitere Kandidaten mit Gegenanträgen zur Abstimmung gestellt werden.113 Diese können Gläubiger auch erst in der Anleihegläubigerversammlung stellen.114 (2) Weitere Beschlussgegenstände Es ist umstritten, ob neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Tagesordnungspunkt der Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters noch weitere Beschlussgegenstände zulässig sind. Es besteht Einigkeit, dass den Anleihegläubigern auch nach Insolvenzeröffnung ein Weisungsrecht gegenüber dem gemeinsamen Vertreter zusteht.115 Einer Ansicht im Schrifttum zufolge können Weisungsbeschlüsse, die allein das interne Verhältnis zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den Anleihegläubigern betreffen, auch in der ersten Anleihegläubigerversammlung gefasst werden.116 Demgegenüber zieht die wohl überwiegende Gegenansicht aus der Gesetzesbegründung zu § 19 SchVG, wonach die Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren nur befugt sind, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, den Schluss, dass mit der Beschlussfassung hierüber der Zweck der vom Insolvenzgericht einzuberufenden Anleihegläubigerversammlung erschöpft ist.117 Weitere Weisungsbeschlüsse können demzufolge nur in weiteren Anleihegläubigerversammlungen getroffen werden.118 107

Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2396; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 42. K. Schmidt/Jungmann, § 76 Rn. 1 f.; MüKoInsO/Ehricke, § 76 Rn. 3, 10. 109 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2396; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 42. 110 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2396. 111 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 42. 112 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2396; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 42. 113 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2396; vgl. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 47. 114 FK/Schmidtbleicher, § 13 Rn. 19; Hopt/Seibt/Binder, § 13 Rn. 19. 115 Ausführlich zum Weisungsrecht siehe S. 174 ff. 116 FK/Friedl, § 19 Rn. 37; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 43; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 40; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 59; Wilken/ Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 530 f. 117 Thole, Gutachten zu einer Beschlussfassung der Versammlung der Genussrechtsinhaber über die Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Auftrag von Herrn Dr. Bruno Kübler als 108

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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Letzterem ist nicht zu folgen. Weisungsbeschlüsse haben lediglich vorbereitenden sowie den gemeinsamen Vertreter unterstützenden Charakter, indem sie dem Vertreter das Abstimmungsverhalten in den Insolvenzgläubigerversammlungen vorgeben.119 Das Weisungsrecht der Anleihegläubiger ist nach zutreffender Ansicht als eine Annexkompetenz zur Befugnis der Vertreterbestellung anzusehen.120 Diese von der Hauptkompetenz der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zu trennen, wäre verfahrensökonomisch widersinnig. Die Anleihegläubiger können bereits in der ersten Anleihegläubigerversammlung Beschlüsse über Weisungen fassen. So ist sichergestellt, dass im Sinne des Gesetzeszwecks der gemeinsame Vertreter schnellstmöglich seine Tätigkeit aufnehmen kann.121 Der Einwand, dass das Insolvenzgericht nicht für die Herbeiführung von ausschließlich das Innenverhältnis zwischen den Anleihegläubigern und dem gemeinsamen Vertreter betreffende Beschlüsse in Anspruch genommen werden kann,122 verfängt nicht. Bereits die Bestellung des gemeinsamen Vertreters als solche erfolgt vorrangig im privaten Interesse der Anleihegläubiger. Die erste Anleihegläubigerversammlung dient der privatautonom ausgestalteten Mandatierung des Gläubigervertreters. Als deren rechtsgeschäftlicher Vertreter liegt es allein in der Entscheidung der Anleihegläubiger, ob sie einen solchen wählen oder nicht. Da seine Tätigkeit aber gleichzeitig die Abwicklung des Insolvenzverfahrens erheblich erleichtert und der Gesetzgeber aus diesem Grund die Bestellung als wünschenswert ansieht, wird das Insolvenzgericht in die Pflicht genommen, durch die Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung sicherzustellen, dass die Anleihegläubiger die Möglichkeit hierzu auch tatsächlich erhalten. Für die Beschlussfassung über im Zusammenhang mit der Bestellung des gemeinsamen Vertreters stehende Weisungen, die lediglich das „Wie“ des Mandats bestimmen, kann nichts anderes gelten. Die Tatsache, dass sowohl Bestellung als auch Weisungsbeschlüsse allein ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Gläubigern und ihrem rechtsgeschäftlichen Vertreter betreffen, ist im Interesse einer effizienten Durchführung des Insolvenzverfahrens hinzunehmen. Insolvenzverwalter der Future Business KGaA vom 29. 09. 2014 S. 15, abrufbar unter http:// www.fubus.de/fileadmin/download/Gutachten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 17. 09. 2016. 118 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397; Thole, ZIP 2014, 293, 296; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 37; Langenbucher/Bliesener/Schneider/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 23; Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 19 SchVG Rn. 7; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 28. 119 FK/Friedl, § 19 Rn. 37. 120 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 528. 121 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 43. 122 Thole, Gutachten zu einer Beschlussfassung der Versammlung der Genussrechtsinhaber über die Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Auftrag von Herrn Dr. Bruno Kübler als Insolvenzverwalter der Future Business KGaA vom 29. 09. 2014 S. 16, abrufbar unter http:// www.fubus.de/fileadmin/download/Gutachten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 17. 09. 2016.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

dd) Sonderproblem: „Einberufung“ einer Abstimmung ohne Versammlung Es ist unklar, ob die Anleihegläubigerversammlung gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG auch als Abstimmung ohne Versammlung nach § 18 SchVG „einberufen“ werden kann.123 Gem. § 18 SchVG können Abstimmungen der Anleihegläubiger virtuell, das heißt ohne eine physische Präsenzversammlung abgehalten werden. Anstelle der Präsenzversammlung tritt gem. § 18 Abs. 3 SchVG ein Abstimmungszeitraum von mindestens 72 Stunden, innerhalb dessen der Abstimmungsleiter die abgegebenen Stimmen der Gläubiger entgegennimmt und zählt.124 Außerhalb des Insolvenzverfahrens steht es dem Einberufenden frei, ob er eine Gläubigerversammlung einberuft oder zu einer Versammlung ohne Abstimmung auffordert, sofern die Anleihebedingungen nicht eine abweichende Regelung vorsehen.125 Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 SchVG ist zwischen der Gläubigerversammlung als Präsenzversammlung und der Abstimmung ohne Versammlung zu unterscheiden. Die Abstimmung ohne Versammlung ist damit kein Unterfall der Gläubigerversammlung. Hinzukommt, dass gem. § 18 Abs. 1 SchVG auf die Abstimmung ohne Versammlung die Vorschriften der Einberufung lediglich entsprechend anzuwenden sind, nachdem § 18 Abs. 2 bzw. Abs. 3 SchVG statt von „Einberufung“ von „Aufforderung zur Abstimmung“ bzw. „zur Stimmabgabe“ sprechen. Die in § 9 SchVG geregelte Einberufung wird also durch Aufforderung zur Abstimmung ersetzt.126 § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG spricht von der Einberufung einer Gläubigerversammlung. Aus der Gesetzessystematik folgt, dass § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG allein die Einberufung einer physischen Versammlung vorsieht.127 Ob der Gesetzgeber die Abstimmung ohne Versammlung bewusst aus der Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ausgeklammert hat, ist nicht abschließend zu beurteilen. In der Gesetzesbegründung findet sich lediglich der Hinweis, dass die Pflicht des Insolvenzgerichts zur Einberufung einer Gläubigerversammlung im Wesentlichen dem bisher geltenden Recht (§ 18 Abs. 3 und 4 SchVG 1899) entspricht.128 Der Gesetzgeber hat demnach die alte Regelung des § 18 SchVG 1899 in die Vorschrift des § 19 SchVG übernommen. Da die Abstimmung ohne Versammlung durch das neue SchVG erstmals eingeführt wurde,129 könnte der Gesetzgeber 123

Dies ablehnend FK/Friedl, § 19 Rn. 28; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 35. BT-Drs. 16/12814 S. 24; ausführlich zur Abstimmung ohne Versammlung siehe Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353 ff.; Reformvorschläge zur Änderung des § 18 SchVG siehe Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 854. 125 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 18 Rn. 2; Preuße/Kirchner, § 18 Rn. 7; Veranneman/Hofmeister, § 18 Rn. 7. 126 Hopt/Seibt/v. Wissel/Diehn, § 18 Rn. 41. 127 FK/Friedl, § 19 Rn. 28. 128 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 129 BT-Drs. 16/12814 S. 24. 124

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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diese Möglichkeit der Beschlussfassung schlicht übersehen haben. Andererseits ist es auch denkbar, dass der Gesetzgeber aus praktischen Erwägungen von einer virtuellen Versammlung abgesehen hat. Es besteht der berechtigte Einwand, dass die Insolvenzgerichte bzw. die funktionell zuständigen Rechtspfleger regelmäßig nicht ausreichend technisch geschult sind, eine Abstimmung ohne Versammlung im Internet umzusetzen.130 Hinzukommt, dass insolvenzrechtlich nicht geklärt ist, ob eine Gläubigerversammlung mittels neuer Kommunikationstechniken per Konferenzschaltung über Fernsprecher oder im Internet überhaupt zulässig ist.131 Die Entwicklung zu virtuellen Versammlungen ist nicht auszuschließen.132 Nachdem mit § 18 SchVG erstmals die gesetzliche Grundlage für die Durchführung solcher Versammlungen geschaffen wurde, sollte mit Blick auf die damit verbundene Kosten- und Zeitersparnis de lege ferenda von dieser Möglichkeit in der Praxis auch Gebrauch gemacht werden.133 2. Durchführung der Versammlung a) Anwendbare Vorschriften Es ist umstritten, ob der Verweis des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG auf das SchVG nur die Einberufung oder aber auch die Durchführung der Versammlung umfasst. Nach überwiegender Meinung im Schrifttum sind für die Durchführung der Versammlung die insolvenzrechtlichen Vorschriften maßgeblich.134 Dies folgt nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG, sondern auch aus pragmatischen Gründen, wonach das Insolvenzgericht sich an die ihm vertrauten insolvenzrechtlichen Vorschriften halten kann.135 Die Gegenansicht argumentiert, dass aus der Tatsache, dass § 19 SchVG die alte Regelung des § 18 Abs. 2 SchVG 1899 – unter der ausdrücklich geregelt war, dass die Versammlung vom Insolvenzgericht einberufen und geleitet wird – nicht übernommen hat, zu entnehmen ist, dass sich die Durchführung der Gläubigerversammlung nach den Vorschriften des SchVG richtet, da für die Durchführung keine insolvenzrechtliche Sonderregelung vorliegt.136

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Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 38. Grundsätzlich bejahend MüKoInsO/Ehricke, § 76 Rn. 13; ablehnend wegen fehlender gesetzlicher Grundlage Uhlenbruck/Knof, § 76 Rn. 18. 132 MüKoInsO/Ehricke, § 76 Rn. 13. 133 Siehe hierzu S. 222. 134 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 65; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 38; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 12; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 34 Veranneman/ Rattunde, § 19 Rn. 53. 135 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 34. 136 FK/Friedl, § 19 Rn. 27; so auch im Ergebnis zum alten Recht Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 312. 131

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Die Frage des anzuwendenden Regelungsregimes ist von praktischer Relevanz.137 Mit Ausnahme der Leitung der Versammlung, für die sowohl nach § 15 Abs. 1 SchVG als auch nach § 76 Abs. 1 InsO das Insolvenzgericht zuständig ist,138 stellen das SchVG und die Insolvenzordnung im Übrigen unterschiedliche Anforderungen. Während § 15 Abs. 2 Satz 1 SchVG die Pflicht des Vorsitzenden regelt, bei Beginn der Versammlung ein Verzeichnis der erschienenen oder durch Bevollmächtigte vertretenen Gläubiger als Grundlage für die Feststellung der Beschlussfähigkeit aufzustellen,139 sieht die Insolvenzordnung mangels Quorumerfordernisses für die Beschlussfähigkeit der Gläubigerversammlung ein solches nicht vor.140 Gem. § 16 Abs. 3 SchVG bedarf jeder Beschluss der Gläubigerversammlung zu seiner Gültigkeit der notariellen Beurkundung der über die Verhandlung aufgenommenen Niederschrift. Im Insolvenzrecht genügen das vom Insolvenzgericht gem. § 4 InsO i.V.m. §§ 159 ff. ZPO anzufertigende Protokoll über den Verlauf der Gläubigerversammlung, die gefassten Beschlüsse und die Namen der Anwesenden.141 Aus der Systematik des § 19 SchVG und des eindeutigen Wortlauts des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG folgt, dass sich die Durchführung nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften richtet. Die Sonderregelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG spricht explizit nur vom Akt der Einberufung. Es liegt keine der Insolvenzordnung vorrangige Sonderregelung vor. Zweck der Anordnung der schuldverschreibungsrechtlichen Einberufungsvorschriften in § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist es, die Anleihegläubiger im Rahmen der Einberufung auf den diesen bekannten Informationswegen zu erreichen.142 Entgegen der Argumentation der Gegenansicht, kann aus der Auslassung des § 18 Abs. 2 SchVG 1899 im § 19 SchVG nicht der Schluss gezogen werden, dass die allgemeinen Vorschriften des SchVG anzuwenden sind. Trotz der Regelung des § 18 Abs. 2 SchVG 1899 galten auch für die vom Insolvenzgericht einberufene und geleitete Gläubigerversammlung – mit Ausnahme der besonderen Regelungen des § 18 Abs. 2 bis 6 SchVG 1899 – weiterhin die allgemeinen Regelungen des SchVG.143 Die Durchführung der Anleihegläubigerversammlung richtet sich gem. § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. § 76 Abs. 1 InsO analog nach den Vorschriften der Insol-

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Anders Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 34, der diese verneint. 138 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 38. 139 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 15 Rn. 6; Preuße/Kirchner, § 15 Rn. 9; Veranneman/Wasmann/Steber, § 15 Rn. 6. 140 Statt vieler MüKoInsO/Ehricke, § 76 Rn. 15. 141 Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, Rn. 1284, 78; MüKoInsO/Ehricke, § 76 Rn. 12; Uhlenbruck/Knof, § 76 Rn. 18. 142 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 38. 143 Kienle, NZI 2015, 342, 343; Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 312; Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 2; FK/Friedl, § 19 Rn. 8; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 2; Veranneman/ Rattunde, § 19 Rn. 6.

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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venzordnung.144 Die Anleihegläubigerversammlung ist eben keine Insolvenzgläubigerversammlung, so dass nur eine analoge Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften in Betracht kommt.145 b) Entsprechende Anwendung der §§ 76, 77 InsO Zwar regelt § 76 Abs. 1 InsO nicht den genauen Ablauf der Versammlung, jedoch geben die gem. § 4 InsO entsprechend anwendbaren Regelungen der ZPO die Struktur der Verhandlungsleitung durch das Insolvenzgericht vor.146 Die Leitung umfasst die Eröffnung und Schließung der Gläubigerversammlung, die Erteilung und Entziehung des Wortes sowie die Pflicht für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung zu sorgen,147 wozu insbesondere die Prüfung und Feststellung des Stimmrechts der Anwesenden gem. § 77 InsO gehört.148 Weiter hat die Versammlungsleitung eine umfängliche Erörterung der Tagesordnungspunkte zu sichern und die Verhandlungsergebnisse zu protokollieren.149 Eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich, da § 16 Abs. 3 Satz 1 SchVG keine Anwendung findet.150 Gem. § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. §§ 4 InsO, 79 Abs. 2 ZPO dürfen nur die in § 79 ZPO aufgeführten Bevollmächtigten die Anleihegläubiger in der Gläubigerversammlung vertreten.151 c) Auskunfts- und Fragerecht aa) Ausgangslage Offen ist, ob den Anleihegläubigern in der Versammlung ein Auskunfts- und Fragrecht zusteht. Insolvenzrechtlich richtet sich das Auskunftsrecht nach § 79 InsO. Danach ist die Gläubigerversammlung berechtigt, vom Insolvenzverwalter Auskünfte und Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung zu verlangen.152 Dem umfassenden Informationsrecht der Gläubigerversammlung entspricht eine 144 Da die Anleihegläubigerversammlung keine Insolvenzgläubigerversammlung ist, kommt dogmatisch nur eine analoge Anwendung der §§ 74 InsO ff. in Betracht; vgl. Thole, ZIP 2013, 293, 297; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 533. 145 Thole, ZIP 2014, 293, 297. 146 MüKoInsO/Ehricke, § 79 Rn. 6. 147 Nerlich/Römermann/Delhaes, § 76 Rn. 1. 148 MüKoInsO/Ehricke, §76 Rn. 9. 149 Nerlich/Römermann/Delhaes, § 76 Rn. 1. 150 Auf eine analoge Anwendung des § 127a BGB kommt es damit gar nicht an, so aber Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 312; FK/Friedl, § 19 Rn. 39. 151 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397; a.A. HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 67; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 522. 152 MüKoInsO/Ehricke, § 79 Rn. 2; Uhlenbruck/Knof, § 79 Rn. 4.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

umfassende Berichterstattungspflicht des Insolvenzverwalters.153 Demgegenüber sieht das Schuldverschreibungsrecht keine allgemeine Berichtspflicht des Emittenten vor.154 Vielmehr ist das Auskunftsrecht in materieller Hinsicht beschränkt und eng auszulegen.155 So kann gem. § 16 Abs. 1 SchVG der einzelne Gläubiger nur insoweit individuell vom Schuldner Auskunft verlangen, als dies zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist. bb) Keine entsprechende Anwendbarkeit des § 79 InsO Gem. § 79 InsO steht das Auskunftsrecht allein der Insolvenzgläubigerversammlung als Organ zu. In Erfüllung seiner Auskunftspflicht erläutert der Insolvenzverwalter die aktuelle Verfahrenssituation und gibt Auskünfte über bereits durchgeführte bzw. beabsichtigte Maßnahmen.156 Da diese Informationen sämtliche Insolvenzgläubiger treffen, kann der Auskunftsanspruch nur in einer ordnungsgemäß einberufenen Insolvenzgläubigerversammlung durchgesetzt werden.157 Außerhalb der Insolvenzgläubigerversammlung darf der Insolvenzverwalter – ohne entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung – grundsätzlich keine Auskünfte geben.158 Damit soll verhindert werden, dass es zu Ungleichgewichten in der Informationslage der Gläubiger kommt, indem einige Gläubiger durch Einzelauskünfte einen Informationsvorsprung gegenüber den übrigen Gläubiger erlangen.159 Ein Auskunftsrecht kann folglich nur dann angenommen werden, wenn alle Insolvenzgläubiger an der Gläubigerversammlung teilnehmen können. Dies trifft auf die Versammlung der Anleihegläubiger nicht zu. Trotz des Anwendungsvorrangs des § 19 Abs. 1 SchVG kann § 79 InsO keine entsprechende Anwendung finden. cc) Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 SchVG Die Insolvenzordnung enthält für ein Auskunftsrecht der Anleihegläubigerversammlung keine passende Regelung. Es wird daher vertreten, dass auch im Insolvenzverfahren die Anleihegläubiger weiterhin gegenüber dem Schuldner ein Auskunftsrecht gem. § 16 Abs. 1 SchVG haben, wenn dies zur Bestellung des gemeinsamen Vertreters erforderlich ist.160 153

Uhlenbruck/Knof, § 79 Rn. 1. FK/Schmidtbleicher, § 16 Rn. 3. 155 Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009. 156 K. Schmidt/Jungmann, § 19 Rn. 11. 157 MüKoInsO/Ehricke, § 79 Rn. 2. 158 MüKoInsO/Ehricke, § 79 Rn. 5; Uhlenbruck/Knof, § 79 Rn. 5. 159 MüKoInsO/Ehricke, § 79 Rn. 5. 160 Thole, Gutachten zu den Gläubigerversammlungen der Schuldverschreibungsgläubiger der Future Business KGaA im Auftrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Bruno M. Kübler als Insolvenzverwalter vom 06. 04. 2014, S. 32 f., abrufbar unter http://www.fubus.de/fileadmin/ 154

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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Dem ist zu folgen. Es ist zutreffend, dass gesetzessystematisch auf die schuldverschreibungsrechtliche Regelung zurückgegriffen werden kann. Zwar tritt der Insolvenzverwalter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 80 Abs. 1 InsO grundsätzlich in sämtliche vermögensrechtliche Positionen des Schuldners ein,161 wobei ihm gleiche Rechte zustehen und gleiche Pflichten obliegen wie dem Schuldner selbst.162 Für Auskunftspflichten des Schuldners gilt dies, sofern diese selbständig vertraglich (sofern der Insolvenzverwalter von § 103 InsO Gebrauch gemacht hat)163 oder gesetzlich begründet und nicht höchstpersönlich sind.164 Hiervon ausgenommen bleiben die gesetzlichen Auskunftspflichten der organschaftlichen Vertreter und der Gesellschafter (wie z. B. nach §§ 131 AktG, 51a GmbHG, 716 Abs. 1 BGB, 118 HGB).165 § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG regelt das Recht der Aktionäre, in der Hauptversammlung vom Vorstand Informationen über Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen, wenn sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind. Da der Gesetzgeber die Anleihegläubigerversammlung der aktienrechtlichen Hauptversammlung nachgebildet hat,166 regelt § 16 Abs. 1 SchVG das Auskunftsrecht des Anleihegläubigers ähnlich, indem der Schuldner jedem Gläubiger auf Verlangen in der Gläubigerversammlung Auskunft geben muss, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist. Der Auskunftsanspruch ist durch den gesetzlichen Vertreter des Schuldners als Organ zu erfüllen.167 Gesetzeshistorisch spricht einiges dafür, die Auskunftspflicht des § 16 Abs. 1 SchVG in der Insolvenz des Schuldners der aktienrechtlichen Auskunftspflicht gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG gleichzustellen. Im Übrigen sprechen auch pragmatische Gründe dafür, die Kapazität des Insolvenzverwalters nicht mit der Erfüllung der Auskunftspflicht zu belasten. Die Anleihegläubiger können auch nach Insolvenzeröffnung die für die Bestellung des gemeinsamen Vertreters erforderlichen Informationen beim Schuldner abfragen.

download/Gutachten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 11. 10. 2016; FK/Friedl, § 19 Rn. 29. 161 Uhlenbruck/Mock, § 80 Rn. 69. 162 Uhlenbruck/Mock, § 80 Rn. 69. 163 MüKoInsO/Ott/Vuia, § 80 Rn. 47; unselbständige Auskunftspflichten (vertragliche Nebenpflichten) des Schuldners treffen den Insolvenzverwalter nicht. 164 K. Schmidt/Sternal, § 80 Rn. 26. 165 HmbKomm/Kuleisa, § 80 Rn. 19; K. Schmidt/Sternal, § 80 Rn. 25; Uhlenbruck/Mock, § 80 Rn. 113. 166 BT-Drs. 16/12814 S. 14. 167 Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353, 361; Hopt/Seibt/Binder, § 16 Rn. 22.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

3. Beschlüsse a) Beschlussfähigkeit und -mehrheiten aa) Beschlussfähigkeit Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG unterliegen die Beschlüsse den Bestimmungen der Insolvenzordnung. Anders als das Schuldverschreibungsrecht im Fall des § 15 Abs. 3 SchVG fordert die Insolvenzordnung kein Quorum für die Beschlussfähigkeit der Insolvenzgläubigerversammlung.168 Die Anleihegläubigerversammlung ist beschlussfähig, wenn wenigstens ein stimmberechtigter Anleihegläubiger anwesend ist.169 § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO, wonach bei besonders bedeutsamen Rechtshandlungen der Insolvenzverwalter die Zustimmung der Gläubigerversammlung einzuholen hat – die gem. § 160 Abs. 1 Satz 3 InsO bei Beschlussunfähigkeit der einberufenden Gläubigerversammlung als erteilt gilt – findet keine Anwendung. § 160 InsO präzisiert die grundlegende Zuweisung der Entscheidungskompetenz an die Gläubigerversammlung im Berichtstermin gem. § 157 InsO170 und kann damit nur für die Versammlung sämtlicher Insolvenzgläubiger Anwendung finden. bb) Beschlussmehrheit Zur Beschlussfassung ist gem. § 76 Abs. 2 InsO eine einfache Stimmmehrheit grundsätzlich ausreichend. Danach kommt ein Beschluss der Gläubigerversammlung zustande, wenn die Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge der abstimmenden Gläubiger beträgt („Summenmehrheit“). Eine Stimmenthaltung zählt nicht, bei summenmäßiger Stimmengleichheit ist der zur Abstimmung gestellte Antrag oder Vorschlag abgelehnt.171 Eine qualifizierte Mehrheit, die das Schuldverschreibungsrecht gem. § 5 Abs. 4 SchVG in den Fällen des § 5 Abs. 3 SchVG vorsieht,172 ist nicht erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn der gemeinsame Vertreter im späteren Verfahren Sanierungsmaßnahmen zustimmt, die eine wesentliche Änderung der Anleihebedingungen bedeuten.

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Uhlenbruck/Knof, § 76 Rn. 20. FK/Friedl, § 19 Rn. 38; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 45; Hopt/Seibt/ Knapp, § 19 Rn. 46; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 12; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 57. 170 HmbKomm/Decker, § 160 Rn. 1. 171 Statt vieler Uhlenbruck/Knof, § 76 Rn. 33. 172 BT-Drs. 12/12814 S. 20. 169

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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b) Stimmberechtigung und -gewicht aa) Stimmberechtigung Für Insolvenzgläubigerversammlungen ergibt sich die Stimmberechtigung aus § 77 Abs. 1 InsO. Danach gewähren grundsätzlich nur angemeldete und nicht bestrittene Forderungen ein Stimmrecht. Anleiheforderungen sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedoch durch den auf der Versammlung zu wählenden gemeinsamen Vertreter erst noch vorgenommen werden, so dass diese – optimalerweise – noch nicht angemeldet sind. Das überwiegende Schrifttum hält daher § 77 InsO für nicht anwendbar173 und stellt stattdessen zur Bestimmung der Stimmberechtigung auf § 6 SchVG ab.174 Eine Stimmrechtsfeststellung nach § 77 Abs. 1 InsO kommt erst nach Abhaltung des allgemeinen Prüfungstermins in Betracht.175 Die Anleihegläubigerversammlung findet aber zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Verfahrens statt, zu dem eine Anmeldung der Forderung (optimeralerweise) noch nicht erfolgt ist. Für die Feststellung des Stimmrechts kann daher nicht auf die formale Anmeldung der Forderung abgestellt werden. Auch wenn § 77 InsO auf die besondere Situation der (ersten) Anleihegläubigerversammlung nicht zugeschnitten ist, kann die Stimmberechtigung dennoch aus einer entspechenden Anwendung des § 77 InsO hergeleitet werden. Auch im § 77 InsO gibt es den Fall, dass Gläubiger in der Insolvenzgläubigerversammlung erscheinen, die ihre Forderung noch nicht formal angemeldet haben. Findet die Insolvenzgläubigerversammlung vor Ablauf der Anmeldefrist gem. § 28 Abs. 1 InsO statt, ist die formale Anmeldung der Forderung ausnahmsweise keine Voraussetzung.176 Doch auch wenn der Prüfungstermin bereits stattgefunden hat, kann ein Gläubiger, der seine Forderung noch nicht angemeldet hat, von der Abstimmung nicht ausgeschlossen werden; in diesem Fall ist sein Stimmrecht gem. § 77 Abs. 2 InsO festzustellen.177 Auf eine formale Anmeldung kommt es in diesen Fällen somit nicht an. Gleiches muss für die Anleihegläubigerversammlung gelten. Die Stimmberechtigung ergibt sich bereits aus § 77 InsO, so dass es eines Rückgriffs auf § 6 SchVG nicht bedarf. Unklar ist, ob auch nachrangige Gläubiger in der Anleihegläubigerversammlung stimmberechtigt sind, nachdem § 77 Abs. 1 Satz 2 InsO dies ausschließt. Aus § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG folgt, dass für alle Gläubiger ein gemeinsamer Vertreter bestellt werden kann. Es wird nicht zwischen Gläubigern von Insolvenzforderungen nach § 38 InsO und Gläubigern nachrangiger Forderungen gem. § 39 InsO unterschieden. 173

FK/Friedl, § 19 Rn. 38; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 13; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 49; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 58. 174 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 40; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 58. 175 HmbKomm/Preß, § 77 Rn. 4. 176 Siehe hierzu auch S. 108 f. 177 Uhlenbruck/Knof, § 77 Rn. 17.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Da der gemeinsame Vertreter alle Inhaber der Anleihe vertritt,178 steht auch sämtlichen Gläubigern ein Stimmrecht zu dessen Bestellung zu. § 77 Abs. 1 Satz 2 InsO ist mit der Sonderregelung des § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG nicht vereinbar und nicht anwendbar.179 Voraussetzung zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung ist der Nachweis der Stimmberechtigung in Form eines Depotauszugs mit einer Sperrbescheinigung der depotführenden Bank. Eine vorherige Anmeldung zur Versammlung, wie dies nach § 10 Abs. 2 Satz 1 SchVG Anleihebedingungen vorsehen können, ist nicht erforderlich, da das Insolvenzrecht eine solche nicht kennt. Gleichwohl wird in der Praxis zur Erleichterung und Beschleunigung des Einlasses zur Gläubigerversammlung darum gebeten, sich zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung und Ausübung des Stimmrechts im Vorfeld bei einer ausgewählten Anmeldestelle anzumelden.180 bb) Stimmgewicht Im Insolvenzrecht richtet sich der Umfang des Stimmrechts nach dem Betrag, zu dem eine Forderung im Insolvenzverfahren berücksichtigt ist.181 Dies ist die nach § 174 Abs. 2 Satz 1 InsO zur Tabelle angemeldete und festgestellte Hauptforderung zuzüglich Kosten und Zinsen.182 Legt ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst zu Beginn einer vor dem Ende der Anmeldefrist stattfindenden Gläubigerversammlung vor, besteht ein Stimmrecht in entsprechender Höhe, wenn die Angaben des betreffenden Gläubigers nicht bestritten werden.183 Demgegenüber bestimmt sich im Schuldverschreibungsrecht das Stimmgewicht gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 SchVG allein nach dem Nennwert der einzelnen Schuldverschreibungen. Danach nimmt jeder Anleihegläubiger nach Maßgabe des Nennwerts an den ausstehenden Schuldverschreibungen teil. Etwaige Nebenforderungen bleiben außer Betracht,184 so dass jede Schuldverschreibung (der kleinsten Stückelung) eine Stimme gewährt.185 Trotz des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs des Insolvenzrechts kann es für die Berechnung des Stimmgewichts gem. § 6 SchVG nur auf den Nennwert der jeweils gehaltenen Schuldverschreibungen ankommen. Der Mehrheitsherrschaft des 178

Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 47. So FK/Friedl, § 19 Rn. 38; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 40; Schmidt/ Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 49; a.A. Preuße/Scherber, § 19 Rn. 26; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 58. 180 Vgl. Informationsschreiben der Insolvenzverwalterin an die Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der German Pellets GmbH vom 18. 05. 2016 S. 2, abrufbar unter https://german-pellets.insolvenz-solution.de/dokumente, zuletzt aufgerufen am 19. 10. 2016; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 40. 181 Nerlich/Römermann/Delhaes, § 77 Rn. 8. 182 MüKoInsO/Riedel, § 174 Rn. 27. 183 MüKoInsO/Ehricke, § 77 Rn. 6. 184 Hopt/Seibt/Thole, § 6 Rn. 8. 185 BT-Drs. 16/12814 S. 19. 179

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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SchVG unterliegen allein die in den Schuldverschreibungen verbrieften inhaltsgleichen Forderungen, nicht jedoch individuelle Nebenforderungen. Da sich Abstimmungen in der Anleihegläubigerversammlung allein auf solche Forderungen beziehen können, die nach den Anleihebedingungen homogen sind, kann für die Bestimmung des Nenngewichts auch nur der Nennwert der verbrieften Forderungen gem. § 6 Abs. 1 SchVG maßgeblich sein. § 6 Abs. 1 SchVG stellt dabei sicher, dass der einzelne Anleihegläubiger in dem Maß Einfluss auf die Beschlussfassung nehmen kann, das seinem finanziellen Engagement im Verhältnis zu allen anderen Anleihegläubigern entspricht.186 Darüber hinaus wird die Berechnung des Stimmgewichts durch das Abstellen auf den Nennwert der jeweils gehaltenen Schuldverschreibungen erheblich vereinfacht. Nebenforderungen sind im Einzelfall schwierig zu bestimmen, nachdem sie von Anleihegläubiger zu Anleihegläubiger verschieden sein können.187 Einer Anwendung des § 6 Abs. 1 SchVG steht § 19 Abs. 1 SchVG nicht entgegen. Indem lediglich eine analoge Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften in Betracht kommt,188 kann auf die Besonderheiten der Anleihegläubiger Rücksicht genommen werden, sofern dies mit den Wertungen des Insolvenzrechts nicht in Widerspruch steht.189 Zur Vereinfachung des Verfahrens genügt es, wenn der Anleihegläubiger seine Inhaberschaft am Tag der Versammlung nachweist. Eine Darlegung etwaiger Nebenforderungen ist nicht erforderlich. Da jede Schuldverschreibung eine Stimme gewährt, kann ein gemeinsamer Vertreter mit einfacher Mehrheit der Stimmen gewählt werden. c) Sofortige Vollziehbarkeit – Beschlusskontrolle aa) Ausgangslage Es ist umstritten, ob der Bestellungsbeschluss sofort vollziehbar ist und der gewählte gemeinsame Vertreter von seiner Ermächtigung sofort Gebrauch machen kann. Dies hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob die Beschlusskontrolle dem schuldverschreibungsrechtlichen oder insolvenzrechtlichen Rechtsschutzregime unterliegt.

186

FK/Schmidtbleicher, § 6 Rn. 3; Veranneman/ders., § 6 Rn. 5. Thole, Gutachten zu den Gläubigerversammlungen der Orderschuldverschreibungsgläubiger der Future Business KGaA im Auftrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Bruno M. Kübler als Insolvenzverwalter vom 06. 04. 2014 S. 39, abrufbar unter abrufbar unter http://www.fubus. de/fileadmin/download/Gutachten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 17. 09. 2016. 188 Thole, ZIP 2014, 293, 297. 189 Thole, Gutachten zu den Gläubigerversammlungen der Orderschuldverschreibungsgläubiger der Future Business KGaA im Auftrag von Herrn Rechtsanwalt Dr. Bruno M. Kübler als Insolvenzverwalter vom 06. 04. 2014 S. 39, abrufbar unter http://www.fubus.de/fileadmin/ download/Gutachten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 17. 09. 2016. 187

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Außerhalb eines Insolvenzverfahrens gefasste Beschlüsse können gem. § 20 SchVG mit der Anfechtungsklage, einem der aktienrechtlichen Anfechtungsklage nachempfundenen Rechtsbehelf, angefochten werden.190 Wird gegen einen Beschluss Anfechtungsklage durch einen Gläubiger erhoben, führt dies gem. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG zu einer Vollzugssperre mit der Folge, dass der angefochtene Beschluss vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts nicht vollzogen werden darf. Anderes gilt nur, wenn das Gericht auf Antrag des Schuldners gem. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i.V.m. § 246a AktG im Freigabeverfahren feststellt, dass die Anfechtungsklage dem Vollzug des Beschlusses trotz rechtshängiger Anfechtungsklage nicht entgegensteht.191 Bereits die Rechtsmittelfrist führt dazu, dass der Bestellungsbeschluss nicht sofort vollzogen werden darf. Auch wenn eine Anfechtungsklage letztlich nicht erhoben wird, ist bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist der Vollzug des Beschlusses ausgesetzt.192 § 21 Abs. 2 SchVG stellt hierzu klar, dass der gemeinsame Vertreter von der ihm durch Beschluss erteilten Vollmacht oder Ermächtigung keinen Gebrauch machen darf, solange der zugrundeliegende Beschluss nicht vollzogen werden darf. Der gemeinsame Vertreter wäre frühestens nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG wirksam bestellt und berechtigt, die Gläubiger im Insolvenzverfahren zu vertreten. Die Insolvenzordnung kennt kein Anfechtungsverfahren nach gesellschaftsrechtlichem Vorbild, so dass Vollzugshindernisse wie nach dem SchVG nicht auftreten.193 Es besteht allein die Möglichkeit, noch in der Gläubigerversammlung einen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses gem. § 78 Abs. 1 InsO zu stellen, wenn dieser dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widersprechen sollte.194 Gegen die Entscheidung des Gerichts kann gem. § 78 Abs. 2 InsO sofortige Beschwerde gem. § 6 InsO i.V.m. § 567 ff. ZPO eingelegt werden, die im Regelfall gem. § 570 Abs. 1 ZPO keine aufschiebende Wirkung hat. Beschlüsse der Gläubigerversammlung sind damit – mit Ausnahme der Beschlüsse über die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters sowie über einen Insolvenzplan, die einer gerichtlichen Bestätigung bedürfen – für alle Gläubiger sofort bindend.195

190

BT-Drs. 16/12814 S. 25. FK/Friedl, § 20 Rn. 82. 192 Meier-Reimer, NJW 2010 1319, 1321; FK/Friedl, § 20 Rn. 82. 193 K. Schmidt/Jungmann, § 76 Rn. 38; MüKoInsO/Ehricke, § 76 Rn. 33; Uhlenbruck/ Knof, § 76 Rn. 35. 194 K. Schmidt/Jungmann, § 76 Rn. 33. 195 Keller, Insolvenzrecht, Rn. 469. 191

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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bb) Meinungsstand Im Schrifttum wird teilweise vertreten, dass nach Insolvenzeröffnung gefasste Beschlüsse weiterhin nach § 20 SchVG anfechtbar sind.196 Dies wird damit begründet, dass es sich bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters um eine Entscheidung innerhalb der separaten Anleihegläubigerversammlung handelt, die gerade nicht Teil der Insolvenzgläubigerversammlung ist.197 Eine Anwendung der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle scheitert außerdem daran, dass § 78 InsO auf den Beschluss der Anleihegläubigerversammlung nicht passt, weil die in § 78 InsO genannten Personen an der Anleihegläubigerversammlung nicht teilnehmen und somit auch keinen Antrag stellen können.198 Demgegenüber richtet sich nach überwiegender Meinung die Beschlusskontrolle nach § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. § 78 InsO analog, da der Verweis des § 19 Abs. 1 SchVG auf die Insolvenzordnung auch die Vorschriften zur Beschlusskontrolle umfasst.199 Einer Anwendung der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle ist nunmehr auch der BGH mit Urteil vom 16. November 2017 gefolgt.200 Der BGH führt aus, dass sich die Beschlusskontrolle mangels eines Verweises auf § 20 SchVG in § 19 Abs. 2 bis 4 SchVG entsprechend dem in § 19 Abs. 1 SchVG geregelten Rangverhältnis nach § 78 InsO richtet.201 cc) Stellungnahme Der Ansicht des BGH ist zuzustimmen. Die von der Gegenansicht aufgeführten Argumente für eine Anwendbarkeit der Anfechtungsklage überzeugen nicht. Es trifft zwar zu, dass die Anleihegläubigerversammlung kein Teil der Insolvenzgläubigerversammlung ist, was auch dem historischen Gesetzgeber bereits klar war.202 Genau 196 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028; FK/Friedl, § 19 Rn. 42; Veranneman/ Fürmaier, Vorauflage, § 19 Rn. 17; unklar Horn, BKR 2014, 449, 451, bei dem nicht deutlich wird, ob die Anfechtungsklage nur bei Weisungsbeschlüssen Anwendung finden soll. 197 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029. 198 FK/Friedl, § 19 Rn. 43. 199 LG Leipzig 16. 01. 2016 2 HKO 2542/14 ZIP 2015, 285; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn, 70; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 53; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 17; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 31; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 57; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 63; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 554. 200 BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 10 ff. ZIP 2017, 2312. 201 BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 12 ZIP 2017, 2312. 202 Vgl. Regierungsbegründung zum SchVG, Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstages, 10. Legislaturperiode, I. Session 1898 – 1900, 2. Anlagenband, Aktenstück Nr. 105, 917, wonach der Gesetzgeber zwischen der Versammlung der Besitzer von Schuldverschreibungen und der allgemeinen Gläubigerversammlungen unterscheidet; Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 2.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

aus diesem Grund ist die Verweisung des § 19 Abs. 1 SchVG in das Insolvenzrecht auch nur als Anordnung einer entsprechenden Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu verstehen.203 Der Einwand, dass § 78 InsO nicht passt, weil die dort genannten Antragsberechtigten gar nicht an der Anleihegläubigerversammlung teilnehmen, verfängt nicht.204 Für eine weite Auslegung der Verweisung des § 19 Abs. 1 SchVG in die Vorschriften der Insolvenzordnung sprechen überdies bereits systematische Gründe. Das SchVG versteht unter dem Oberbegriff „Beschlüsse“ neben der Beschlussfassung auch die Beschlusskontrolle, wie die Überschrift des Abschnitts 2 des Gesetzes zeigt. Dieser ist mit „Beschlüsse der Gläubiger“ überschrieben, während dieser Abschnitt sowohl Vorschriften zur Beschlussfassung als auch zur Beschlusskontrolle enthält. Außerdem trifft die Sonderregelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG allein für die Einberufung einen Rückverweis auf die Regelungen des SchVG, für die Beschlusskontrolle fehlt ein solcher hingegen.205 Angesichts der geringen Anzahl von Sonderregelungen, die den Vorschriften der Insolvenzordnung vorgehen, ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber über den Verweis auf die Einberufungsvorschriften des SchVG hinaus, einen Verweis aus § 20 SchVG lediglich vergessen hat.206 Für eine Anwendung der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle sprechen auch praktische Gründe.207 Die abzuwartende einmonatige Klagefrist des § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage führt zu dem absurden Ergebnis, dass innerhalb dieses Zeitraums weder der gemeinsame noch die einzelnen Anleihegläubiger, für die eine individuelle Geltendmachung wegen § 19 Abs. 3 SchVG ausgeschlossen ist, handlungsfähig sind,208 da der Bestellungsbeschluss und das damit einhergehende verdrängende Mandat trotz der Vollzugssperre wirksam ist.209 Im Fall einer Anfechtungsklage dauert diese „Handlungsstarre“210 bis mindestens einer etwaigen Freigabe nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i.V.m § 246a AktG an, ein mit dem im Insolvenzverfahren vorhandenen Zeitdruck nicht verein203

Thole, ZIP 2014, 293, 297. Thole, ZIP 2014, 293, 297; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 70. 205 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 53; Kübler, FS Henckel, S. 183, 195. 206 Kienle, NZI 2015, 242, 242. 207 So auch Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 54. 208 Schaumann/Zenker, Anmerkung zu LG Leipzig, Urteil vom 16. 01. 2015, EWiR 2015, 225, 225; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 31; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 554; hierzu tendierend auch AG Hamburg 02. 08. 2017 67g IN 173/ 17 ZIP 2017, 2213, 2214; anders hingegen Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 54, wonach ein noch nicht vollziehbarer Bestellungsbeschluss die verdrängende Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG nicht auslösen kann und somit die einzelnen Anleihegläubiger im Schwebezustand ihre Forderungen selbst anmelden können; dem ist auch der BGH gefolgt, BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 13 ZIP 2017, 2312. 209 Hopt/Seibt/Kiem, § 20 Rn. 149. 210 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 555. 204

A. Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung

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barer Zustand.211 Die durch die Suspensivwirkung verursachte zeitliche Verzögerung kann eine Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens erheblich gefährden.212 Auch der BGH hebt in seinem Urteil vom 16. November 2017 vor, dass die Anwendung des § 78 InsO sicherstellt, dass einem Rechtsbehelf gegen den Bestellungsbeschluss nicht die aufschiebende Wirkung des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG zukommt.213 Im Interesse einer frühzeitigen Rechtssicherheit muss der Antrag auf Aufhebung eines Beschlusses gem. § 78 Abs. 1 InsO noch in der beschließenden Gläubigerversammlung gestellt werden.214

III. Ergebnis Das SchVG stellt keine Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters. Dies birgt die Gefahr, dass über das Amt des gemeinsamen Vertreters maßgeblich Einfluss auf das Insolvenzverfahren genommen werden kann, wenn Personen tätig werden, die nicht nur dem Interesse der Anleihegläubiger verschrieben sind. Die Einberufungspflicht des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG trifft das Insolvenzgericht unabhängig davon, ob die Anleihebedingungen einen Opt-in enthalten. Das Insolvenzgericht hat die erste Anleihegläubigerversammlung unverzüglich nach Verfahrenseröffnung einzuberufen, wobei es den Ablauf der Rechtsmittelfrist eines bereits vor Eröffnung gefassten Bestellungsbeschlusses zunächst abwarten darf. Die Einberufung der ersten Anleihegläubigerversammlung richtet sich gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG nach den Vorschriften des SchVG. Neben der Beschlussfassung über die Bestellung des gemeinsamen Vertreters dürfen auch damit im Zusammenhang stehende Weisungsbeschlüsse in der ersten Anleihegläubigerversammlung gefasst werden. Die Durchführung der Anleihegläubigerversammlung erfolgt gem. § 19 Abs. 1 SchVG nach insolvenzrechtlichen Vorgaben. So richtet sich insbesondere die Beschlusskontrolle nach Insolvenzrecht.

211

Ampferl, FS Kübler, S. 11, 13; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 555. 212 Schaumann/Zenker, Anmerkung zu LG Leipzig, Urteil vom 16. 01. 2015, EWiR 2015, 225, 226. 213 BGH 16. 11. 2017 IX ZR 260/15 Tz. 13 ZIP 2017, 2312. 214 BT-Drs. 12/2443 S. 134.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters I. Im Außenverhältnis 1. Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG a) Rechtsnatur und Umfang Der gemeinsame Vertreter ist ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter gem. §§ 164 ff. BGB mit der Besonderheit, dass der Umfang der Vollmacht gesetzlich festgelegt ist.215 Wie die handelsrechtliche Prokura ist die in § 19 Abs. 3 HS. 1 SchVG geregelte Rechtsmacht trotz ihres gesetzlich umschriebenen, weiten Umfangs eine gewillkürte, rechtsgeschäftliche Vollmacht.216 Danach ist allein der gemeinsame Vertreter für alle Gläubiger berechtigt und verpflichtet, ihre Rechte im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Er hat ein verdrängendes Mandat inne, dessen Sperrwirkung die Anleihegläubiger gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG nicht ausschließen können.217 Infolgedessen sind die einzelnen Anleihegläubiger nicht berechtigt, ihre Rechte im Insolvenzverfahren selbst zu verfolgen. Die umfassende Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG hat der gemeinsame Vertreter bereits mit Rechtskraft seiner Bestellung inne.218 Einer zusätzlichen Ermächtigung durch die Anleihegläubiger bedarf es nicht.219 Da auch einem vorinsolvenzlich bestellten gemeinsamen Vertreter, dessen Rechtsmacht durch Gläubigerbeschluss zunächst beschränkt war, mit Insolvenzeröffnung die gesetzlich bestimmten Aufgaben und Befugnisse ohne weiteres zuwächst,220 kann für den Umfang der Rechtsmacht des nach Eröffnung bestellten Vertreter nichts anderes gelten. Nachdem § 1 Abs. 1 SchVG das SchVG für inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen für anwendbar erklärt, kann die Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 HS. 1 SchVG auch nur für die in der Schuldverschreibung verbrieften Rechte Geltung haben. Das Alleinvertretungsrecht des gemeinsamen Vertreters aus § 19 Abs. 3 SchVG bezieht sich damit nur auf solche Rechte, die nach den Anleihebedingungen homogen sind.221 Vertragliche Schadensersatzansprüche, die dem ursprünglichen Leistungsinteresse der Forderung aus dem Papier entsprechen, fallen

215

BT-Drs. 16/12814 S. 25. Zur Prokura als rechtsgeschäftliche Vollmacht siehe MüKoHGB/Krebs, § 49 Rn. 5. 217 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 218 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 570; so auch Horn, BKR 2014, 449, 450, wonach die Rechte aus § 19 Abs. 3 SchVG als gesetzlich geregelte Rechtsfolge an den Tatbestand des Bestellungsbeschlusses geknüpft sind. 219 So aber wohl Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028; FK/Friedl, § 19 Rn. 53. 220 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 221 Horn, BKR 2014, 449, 450. 216

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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ebenfalls hierunter.222 Deliktische und andere gesetzliche Ansprüche wie etwa aus Prospekthaftung sowie Nebenforderungen wie beispielsweise vorinsolvenzliche Verzugsschäden oder -zinsen in Folge einer Kündigung der Anleihe sind hingegen nicht erfasst.223 Sie sind wegen ihrer Verschiedenartigkeit durch die Anleihegläubiger individuell geltend zu machen, gleiches gilt für die Geltendmachung von Ausund Absonderungsrechten. b) Sonderproblem: Bindungswirkung des Bestellungsbeschlusses bei vorheriger Kündigung der Schuldverschreibung Unklar ist, ob das verdrängende Mandat auch diejenigen Anleihegläubiger von der individuellen Geltendmachung der Rechte im Insolvenzverfahren ausschließt, die ihre Schuldverschreibung bereits vor Insolvenzeröffnung und damit vor der Mandatierung des gemeinsamen Vertreters gekündigt haben. Es geht um die Frage, ob die Bindungswirkung von Mehrheitsbeschlüssen gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 SchVG auch für solche Anleihegläubiger besteht, die bereits vor der Beschlussfassung wirksam gekündigt haben. Über die Frage der Bindungswirkung von (vorsinsolvenzlich) gefassten Sanierungsbeschlüssen bei im Vorfeld erfolgten Kündigungen entschied der BGH am 8. Dezember 2015. Danach sind Mehrheitsbeschlüsse der Anleihegläubiger auch für solche Anleihegläubiger gleichermaßen verbindlich, die die Anleihe zuvor gekündigt haben.224 Er begründet dies damit, dass die rechtswirksame Kündigung der Schuldverschreibung lediglich die sofortige Fälligkeit der darin verbrieften Forderung herbeiführt, dadurch jedoch nicht das zugrunde liegende Schuldverhältnis beendet wird.225 An der Gläubigerstellung ändert die Kündigung nichts, der Inhaber der Schuldverschreibung bleibt so lange Gläubiger des Emittenten, bis dieser die Forderung vollständig erfüllt.226 Für nach Insolvenzeröffnung gefasste Beschlüsse kann nichts anderes gelten, die kollektive Bindung bleibt im Insolvenzverfahren grundsätzlich unberührt.227 Der Bestellungsbeschluss eines gemeinsamen Vertreters bindet folglich auch die Anleihegläubiger, die vor Insolvenzeröffnung ihre Schuldverschreibung gekündigt haben. Da laut BGH auch Inhaber von gekündigten Anleihen weiterhin Gläubiger des Emittenten sind, werden diese ebenfalls von § 19 Abs. 3 SchVG erfasst, der den gemeinsamen Vertreter ermächtigt, für alle Gläubiger die Rechte im Insolvenzver222 Ausführliche Begründung bei Horn, BKR 2014, 449, 450; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 78. 223 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398; Horn, BKR 2014, 449, 450; Hopt/Seibt/ Knapp, § 19 Rn. 103; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 69. 224 BGH 08. 12. 2015 IX ZR 488/14 Tz. 16 ZIP 2016, 308. 225 BGH 08. 12. 2015 IX ZR 488/14 Tz. 18 ZIP 2016, 308. 226 BGH 08. 12. 2015 IX ZR 488/14 Tz. 18 ZIP 2016, 308. 227 Hopt/Seibt/Thole, § 4 Rn. 41.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

fahren geltend zu machen. Mit dieser Ratio ist es nicht vereinbar, wenn solche Gläubiger die Bindungswirkung des Bestellungsbeschlusses nicht gegen sich gelten lassen müssen. Anleihegläubiger, die ihre Anleihe bereits vor Insolvenzeröffnung gekündigt haben, sind nicht berechtigt, ihre Forderung auf Rückzahlung der Anleiheforderung individuell im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Allein etwaige Ansprüche auf angefallene Verzugszinsen können sie individuell verfolgen. 2. Aufgaben des gemeinsamen Vertreters a) Forderungsanmeldung Zu den Aufgaben gehört allen voran die Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle, § 19 Abs. 3 HS. 2 SchVG. Nach zutreffender Ansicht benötigt der gemeinsame Vertreter hierfür zusätzlich keine ausdrückliche Ermächtigung durch die Anleihegläubigerversammlung.228 Bereits mit Bestellungsbeschluss kommt dem gemeinsamen Vertreter die umfangreiche Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG zu.229 Liegt danach die alleinige Berechtigung zur Geltendmachung der Rechte beim gemeinsamen Vertreter, kann es auf eine zusätzliche Ermächtigung der Anleihegläubiger nicht ankommen, diese ist bereits im Bestellungsbeschluss zu sehen. Ebenfalls von § 19 Abs. 3 SchVG erfasst ist die Rechtsbehelfsbefugnis im Insolvenzverfahren.230 Es ist widersinnig, den gemeinsamen Vertreter exklusiv zur Forderungsanmeldung zu berechtigen und gleichzeitig aber die gerichtliche Geltendmachung bei Bestreiten oder Widerspruch dem einzelnen Gläubiger zu überlassen.231 Dem kann daher nicht entgegen gehalten werden, dass der gemeinsame Vertreter faktisch im Interesse einzelner Anleihegläubiger tätig wird und nicht im Interesse aller, wenn nur ein Teil der von ihm angemeldeten Gesamtforderung bestritten wird.232 Dem ist auch der BGH mit Urteil vom 22. März 2018 gefolgt, in dem er klarstellt, dass sich die Vertretungsmacht des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren auch auf einen Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung eines anderen Gläubigers sowie auf die Vertretung der Schuldverschreibungsgläubiger in einem darauf gegen sie von dem anderen Gläubiger angestrengten Feststellungsprozess erstreckt.233

228 So aber wohl Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028; Wegener, NZI 2017, 54, 56; FK/Friedl, § 19 Rn. 53; a.A. Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397; Horn, BKR 2014, 449, 450. 229 Horn, BKR 2014, 449, 450. 230 Hacker/Kamke, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 1014, 1016; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 75. 231 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 37. 232 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 37. 233 BGH 22. 03. 2018 IX ZR 99/17 Tz. 25 ZIP 2018, 882.

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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Da der gemeinsame Vertreter laut BGH keine Partei kraft Amtes ist, scheidet die Gewährung einer Prozesskostenhilfe nach § 116 ZPO aus234 und dem gemeinsamen Vertreter wird eine Prozessfinanzierung erheblich erschwert.235 Auch ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gem. § 114 ZPO hat wenig Aussicht auf Erfolg, da er zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der von im vertretenen Anleihegläubiger regelmäßig keine Angaben machen kann. Die Anleihegläubiger können eine Prozessfinanzierung auch nicht beschließen, da gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG durch Mehrheitsbeschluss keine Leistungspflichten begründet werden dürfen.236 Nachdem der gemeinsame Vertreter zu einer Finanzierung aus eigenen Mitteln nicht verpflichtet ist, kann er einen Feststellungsprozess nur dann führen, wenn einzelne Anleihegläubiger zu einer Vorfinanzierung des Prozesses bereit sind.237 b) Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlungen aa) Problem der Reichweite der Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters Zu den insolvenzspezifischen Rechten im Sinne des § 19 Abs. 3 SchVG zählen insbesondere Teilnahme und Ausübung des Stimmrechts in insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlungen, wie beispielsweise dem Berichts- oder dem Abstimmungs- und Erörterungstermin im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens.238 Dabei ist fraglich, ob die Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters zur Ausübung des Stimmrechts uneingeschränkt für sämtliche Beschlussgegenstände der Insolvenzgläubigerversammlung Geltung hat. So ist unklar, ob der gemeinsame Vertreter im Außenverhältnis gem. § 19 Abs. 3 SchVG dazu ermächtigt ist, einem Insolvenzplan, der durch die Regelung von Sanierungsmaßnahmen im Sinne des § 5 Abs. 3 SchVG auf die Forderungsrechte der Anleihegläubiger einwirkt, zuzustimmen, ohne zuvor einen entsprechenden Ermächtigungsbeschluss der Anleihegläubiger mit der erforderlichen Mehrheit nach dem SchVG eingeholt zu haben.239 Weiterhin ist offen, ob die Rechtsmacht des § 19 234 BGH 14. 07. 2016 IX ZA 9/16 Tz. 12 ff. ZIP 2016, 1684; kritisch hierzu Hacker/Kamke, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 1014, 1016. 235 Hacker/Kamke, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 1014, 1016; Knof, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, EWiR 2016, 705. 236 Hacker/Kamke, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 1014, 1016. 237 Hacker/Kamke, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 1014, 1016. 238 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 75; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 70; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 79; ausführlich zum Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters in der Insolvenzgläubigerversammlung siehe S. 191 ff. 239 Insoweit unklar Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 52, wonach offen ist, bei welchen im Insolvenzplan vorgesehenen Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 SchVG – von der Regelung eines Debt-

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Abs. 3 SchVG auch die Befugnis umfasst, in der Gläubigerversammlung gem. § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO über die Erteilung der Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters wie etwa die Unternehmensveräußerung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO) gem. § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO abzustimmen. bb) Stellungnahme (1) Umfassende Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters im Außenverhältnis Eine Beschränkung der Befugnis zur Ausübung des Stimmrechts allein auf solche Beschlussgegenstände, die nicht zu Änderungen der Anleihebedingungen führen, lässt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der amtlichen Begründung zu § 19 SchVG herleiten. Entgegen der außerhalb eines Insolvenzverfahrens geltenden Rechtslage, nach der es für eine über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehende Erweiterung der Befugnisse des gemeinsamen Vertreters einer entsprechenden Ermächtigung durch die Anleihegläubiger bedarf,240 ordnet § 19 Abs. 3 SchVG ein umfassendes, verdrängendes Mandat an. Eine zusätzliche Ermächtigung der Anleihegläubiger ist damit im Insolvenzverfahren nicht erforderlich.241 Dies rechtfertigt der Gesetzgeber mit dem Ziel, eine rechtssichere und zügige Durchführung des Verfahrens auch unter Beteiligung einer Vielzahl von Anleihegläubigern zu gewährleisten.242 Die Handlungsfähigkeit des gemeinsamen Vertreters im Außenverhältnis von einem vorherigen Ermächtigungsbeschluss abhängig zu machen, ist damit unvereinbar. (2) Zustimmung zu Sanierungsbeiträgen im Insolvenzplan Die Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG umfasst die Befugnis, einem Insolvenzplan, der Maßnahmen enthält, die unmittelbare Auswirkungen auf das Forderungsrecht der Anleihegläubiger haben, zuzustimmen. Wäre ein vorheriger Ermächtigungsbeschluss der Anleihegläubiger hierzu erforderlich, hätten einzelne Anleihegläubiger ein erhebliches Blockadepotential und eine allgemein sinnvolle Sanierung könnte durch Ablehnung des Insolvenzplans verhindert werden.243 Dies ist vom Gesetzgeber nicht gewollt, nachdem es ihm gerade darum ging, mit dem umfänglichen Mandat Rechtssicherheit im Insolvenzverfahren zu schaffen. Auch aus der Tatsache, dass außerhalb eines Insolvenzverfahrens Sanierungsmaßnahmen gem. Equity-Swap abgesehen – eine Beschränkung der Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters im Außenverhältnis vorliegen soll; ebenfalls nicht eindeutig Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 184, bei dem offenbleibt, ob die „Ermächtigung des gemeinsamen Vertreters zu Sanierungsbeiträgen“ das Außen- oder lediglich das Innenverhältnis betrifft. 240 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 39; im Fall eines Vertragsvertreters muss die Ermächtigung gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 SchVG für jeden Einzelfall erneut erteilt werden. 241 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 17. 242 BT-Drs. 17/12814 S. 25. 243 Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 184.

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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§ 5 Abs. 3 SchVG nur mit qualifizierter Mehrheit gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG zugestimmt werden kann, ist nicht ableitbar, bei derartigen Beschlussgegenständen die Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters einzuschränken. Die außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Mehrheitserfordernisse sind im Insolvenzverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Zuvor Gesagtes gilt selbst dann, wenn im Insolvenzplan statt eines Forderungserlasses, im Rahmen eines Forderungskaufs eine Abtretung der Forderungen an den Planinvestor geregelt wird, mit dem Ziel, steuerpflichtige Sanierungsgewinne zu vermeiden, nachdem der sog. „Sanierungserlass“ weggefallen ist.244 Wenn der gemeinsame Vertreter einem Forderungserlass im Insolvenzplan wirksam zustimmen kann, muss gleiches für die Übertragung der Forderungen gelten. (3) Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen Nachdem er einem Insolvenzplan mit zuvor beschriebenen Maßnahmen ohne einen zusätzlichen Ermächtigungsbeschluss der Anleihegläubiger wirksam zustimmen kann, muss dies auch für die Abstimmung über die Erteilung der Zustimmung gem. § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO gelten, die keine unmittelbare Änderung des Forderungsrechtes zur Folge hat. c) Sonderproblem: Zustimmung zum Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan Unklar, ist ob die Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG auch die Zustimmung des gemeinsamen Vertreters zu einem Debt-Equity-Swap umfasst. Seinem Wortlaut 244 Zum Hintergrund der Problematik des Sanierungsgewinns: Wird im Rahmen eines Insolvenzplans der Unternehmensträger durch einen Forderungsverzicht der Gläubiger saniert, sind die Verbindlichkeiten in Höhe des Forderungsverzichts ertragswirksam auszubuchen. Der dadurch entstehende Buchgewinn ist als Ertrag zu versteuern. Nach Streichung des Sanierungsprivilegs gem. § 3 Nr. 66 EStG erließ das BMF mit Schreiben vom 27. März 2003 eine Verwaltungsvorschrift, die die Voraussetzungen eines Erlasses der Ertragssteuern, den sog. Sanierungserlass, regelte; diesen hob der BFH mit Beschluss vom 28. 11. 2016 (GrS 1/15 ZIP 2017, 338) unter Verweis auf die Unvereinbarkeit mit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf. Der Gesetzgeber hat darauf schnell reagiert und in einem neuen § 3a EStG die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gesetzlich geregelt (BT-Drs. 18/11233). Das Gesetz wird jedoch erst in Kraft treten können, wenn die Europäische Kommission die Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht durch Beschluss bestätigt hat, siehe hierzu Beck/Depré/Exner/Wittmann, § 43 Rn. 43 ff.; Förster/Hechtner, DB 2017, 1536 ff. Nachdem die EU-Kommission im August 2018 die Vereinbarkeit des § 3a EstG mit dem europäischen Beihilferecht zwar nicht – wie für das automatische Inkraftreten des Gesetzes erforderlich – durch Beschluss, sondern lediglich im Wege eines formlosen Comfort-Letters bestätigt hat, bedarf es nunmehr einer Neuregelung, damit der Sanierungslass in Kraft treten kann, vgl. Finance-Magazin vom 13. 08. 2018, abrufbar unter https://www.finance-magazin.de/wirtschaft/deutschland/bruessel-reani miert-sanierungserlass-2022641/, zuletzt aufgerufen am 20. 12. 2018. Diese hat der Gesetzgeber schließlich im Dezember 2018 erlassen, siehe dazu ausführlich Förster/Hechtner, DB 2019, 10 ff.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

nach bezieht sich das Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG allein auf die insolvenzspezifischen Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger. Die kollektive Willensbildung der Anleihegläubiger bei der Zustimmung zur Beteiligung an einem im Insolvenzplan vorgesehenen Debt-Equity-Swap kann nicht darunterfallen, da die Insolvenzordnung eine Mehrheitsherrschaft im Rahmen des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO nicht zulässt.245 Ein Recht bzw. eine Pflicht, die es im Insolvenzverfahren nicht gibt, kann nicht gem. § 19 Abs. 3 SchVG auf den gemeinsamen Vertreter übertragen werden. Die Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters zur Zustimmung zu einem Insolvenzplan gilt allein für die Inhalte, die unter einem Insolvenzplan auch ohne oder gegen den Willen der Anleihegläubiger umgesetzt werden können.246 Das Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG umfasst nicht die Zustimmung zu einem Debt-EquitySwap,247 er benötigt dazu einen gesonderten Ermächtigungsbeschluss der Anleihegläubiger.248 3. Informationsrechte des gemeinsamen Vertreters Außerhalb des Insolvenzverfahrens kann der gemeinsame Vertreter gem. § 7 Abs. 5 SchVG vom Emittenten alle Auskünfte verlangen, die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Das Merkmal der Erforderlichkeit wird weit ausgelegt, weil er das zentrale Informationsorgan der Gläubiger ist.249 Dagegen sind die Auskunftsansprüche der Gläubiger gegenüber dem Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren erheblich eingeschränkt. Wie bereits ausgeführt, ist allein die Insolvenzgläubigerversammlung als Organ gem. § 79 InsO auskunftsberechtigt, nicht jedoch einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen. Diesen steht lediglich das allgemeine Akteneinsichtsrecht gem. § 4 InsO i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO zu.250 Die Auskunftsrechte der Gläubiger werden vom SchVG und der Insolvenzordnung unterschiedlich ausgestaltet. Unklar ist, ob die Auskunftspflicht des Schuldners § 7 Abs. 5 SchVG auch nach Insolvenzeröffnung fortbesteht, in die der Insolvenzverwalter gem. § 80 Abs. 1 InsO eintritt. Aufgrund des Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG ist die insolvenzrechtliche Rechtslage maßgeblich. Nachdem die Insolvenzordnung exklusive Auskunftsrechte einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen außerhalb der Gläubigerversammlung verbietet, ist die Regelung des § 7 Abs. 5 245

Ausführlich zur Zustimmung zum Debt-Equity-Swap siehe bereits S. 123 ff. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 75. 247 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 52; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 51; so auch Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 612. 248 Thole, ZIP 2014, 293, 300; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 52; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 51. 249 Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 7 Rn. 35. 250 K. Schmidt/Jungmann, § 79 Rn. 6. 246

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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SchVG nach Insolvenzeröffnung nicht anwendbar. Dem gemeinsamen Vertreter stehen im Insolvenzverfahren nur die Auskunftsrechte zu, die auch alle anderen Insolvenzgläubiger haben. Der gemeinsame Vertreter nimmt für die Anleihegläubiger das Akteneinsichtsrecht gem. § 4 Inso i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO wahr.251

II. Im Innenverhältnis 1. Rechtsverhältnis zwischen Anleihegläubigern und gemeinsamem Vertreter Das SchVG trifft über das der Mandatierung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis keine Regelung. Es ist umstritten, welches Vertragsverhältnis zwischen welchen Parteien zustande kommt. Nach überwiegender Meinung im Schrifttum kommt mit der Annahme der Bestellung zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den Anleihegläubigern als Gesamtheit ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 ff. BGB zu Stande.252 Dem wird zu Recht entgegengehalten, dass die Gläubigergesamtheit nicht teilrechtsfähig ist, nachdem sie weder eine Gemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. §§ 705 ff. BGB darstellt.253 Abzulehnen ist die Ansicht, nach der der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen gemeinsamem Vertreter und Emittent als Vertrag zu Gunsten Dritter zustande kommt.254 Hiergegen spricht bereits die Kostenregelung des § 7 Abs. 6 SchVG, wonach der Emittent die Kosten sowie eine angemessene Vergütung des gemeinsamen Vertreters zu tragen hat, der es nicht bedarf, wenn dem gemeinsamen Vertreter ein vertraglicher Anspruch gegen den Schuldner zusteht.255 Die besseren Argumente sprechen für die Ansicht, nach der zwischen dem gemeinsamen Vertreter und jedem einzelnen Anleihegläubiger ein Vertrag abgeschlossen wird.256 In der Gesetzesbegründung geht der Gesetzgeber im Regelfall von gleichlautenden Auftragsverhältnissen zwischen dem gemeinsamen Vertreter und jedem einzelnen Gläubiger aus mit der Besonderheit, dass die Gläubiger gegenüber dem gemeinsamen Vertreter als Gesamtheit auftreten müssen.257 Die besseren Argumente 251

HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80. Antoniadis, NZI 2014, 785, 785; Horn, BKR 2014, 449, 450; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 26; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 599. 253 Thole, ZIP 2014, 293, 299; ausführlich hierzu Veranneman/Oulds, § 4 Rn. 12 ff. 254 Hofmann, FS Kübler, S. 265, 273; Thole, ZIP 2014, 293, 299; FK/Friedl, § 19 Rn. 49; hierzu tendierend auch Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 31. 255 Antoniadis, NZI 2014, 785, 786. 256 Ausführlich zum Zustandekommen des Mandatsvertrags siehe Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 7 Rn. 5 ff.; Heidel/ Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 SchVG Rn. 2; kritisch hierzu Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 26 ff. 257 BT-Drs. 16/12814 S. 20; ebenfalls für einen Auftrag stimmend Brenner, NZI 2014, 789, 791. 252

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

sprechen für das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags.258 Zwar erfolgt aufgrund der nicht dispositiven Kostentragungspflicht des Emittenten gem. § 7 Abs. 6 SchVG die Leistung des gemeinsamen Vertreters im Verhältnis zu den Anleihegläubigern letztlich unentgeltlich, doch kann daraus nicht die Bewertung der zwischen gemeinsamen Vertreter und Anleihegläubigern bestehenden Rechtsverhältnisse als unentgeltliche Aufträge begründet werden.259 Gem. § 7 Abs. 6 SchVG trägt der Emittent die Kosten, die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehen einschließlich einer angemessenen Vergütung.260 Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters kann nur dann „durch die Bestellung“ entstanden sein, wenn das der Mandatierung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis entgeltlich ist. § 7 Abs. 6 SchVG setzt folglich voraus, dass originärer Schuldner des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters die Anleihegläubiger sind.261 Unter der Voraussetzung, dass es sich um eine angemessene Vergütung lediglich eines gemeinsamen Vertreters handelt,262 ordnet § 7 Abs. 6 SchVG – abweichend von der vertraglichen Vergütungsregelung im Geschäftsbesorgungsvertrag – eine Kostentragungspflicht des Schuldners an.263 Ist die im Bestellungsbeschluss festgelegte Vergütung nicht angemessen oder bestellen die Anleihegläubiger mehrere Vertreter, greift die Kostentragungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG nicht. Es bleibt bei der ursprünglich geltenden Rechtslage.264 Der einer Mandatierung zugrunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag stellt somit einen Vertrag zu Lasten Dritter dar.265

258 Es liegt eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB vor, da der der gemeinsame Vertreter eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrung fremder Vermögensinteressen wahrnimmt, wobei der für die Selbständigkeit der Tätigkeit erforderliche Handlungs- und Ermessenspielraum sich aus der umfassenden Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG ergibt; zum Begriff der Geschäftsbesorgung siehe MüKoBGB/Heermann, § 675 Rn. 3; zum Begriff der selbständigen Tätigkeit i.S.d. § 675 BGB siehe MüKoBGB/Heermann, § 675 Rn. 6. 259 So aber Brenner, NZI 2014, 789, 791. 260 BT-Drs. 16/12814 S. 20. 261 So im Ergebnis auch Antoniadis, NZI 2014, 785, 787; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399. 262 Laut Gesetzesbegründung hat der Schuldner nur die Kosten für einen gemeinsamen Vertreter zu tragen. Mehrere gemeinsame Vertreter können von den Gläubiger demnach nicht gleichzeitig auf seine Kosten bestellt werden, BT-Drs. 16/12814 S. 20. 263 Zur rechtlichen Einordnung des § 7 Abs. 6 SchVG siehe S. 198 ff. 264 Der über den angemessenen Teil hinausgehende Teil der Vergütung ist somit von den Anleihegläubigern zu tragen, FK/Wöckener, § 7 Rn. 56; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 84; anders hingegen Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 67, der eine Kostentragungspflicht der Anleihegläubiger für den überschießenden Teil nur dann annimmt, wenn die Anleihegläubiger dem gemeinsamen Vertreter bewusst eine unangemessene Vergütung versprochen haben, weil etwa nur auf diese Weise ein gemeinsamer Vertreter gefunden werden konnte. 265 FK/Wöckener, § 7 Rn. 56; Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 64; zum alten Recht Ansmann, § 14a SchVG 1899 Anmerk. 21.

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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2. Pflichten des gemeinsamen Vertreters im Innenverhältnis a) Interessenwahrnehmungspflicht Der Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichtet den gemeinsamen Vertreter zur sorgfältigen und sachkundigen Wahrnehmung der gemeinsamen Gläubigerinteressen.266 Im Insolvenzverfahren ist er zur ordnungsgemäßen Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger und zur Sicherstellung der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung verpflichtet. Hierfür muss er auch die Tätigkeit des Insolvenzverwalters – im Rahmen der den Insolvenzgläubigern zustehenden Möglichkeiten – kontrollieren. Zwar ist außerhalb des Insolvenzverfahrens umstritten, ob ihm gegenüber dem Schuldner die Funktion einer Kontroll- und Überwachungsinstanz zukommt.267 Im Insolvenzverfahren aber steht die Insolvenzmasse den Gläubigern zu und der gemeinsame Vertreter hat wie jeder andere Gläubiger auch die Möglichkeit, die Berichte des Insolvenzverwalters zu prüfen und gegebenenfalls Einsichtsrechte in Verfahrensunterlagen wahrzunehmen.268 Unklar ist, ob er in Erfüllung seiner Interessenwahrnehmungspflicht auch andere Forderungsanmeldungen prüfen und gegebenenfalls bestreiten muss. Die Berücksichtigung einer wesentlichen, aber nicht berechtigten Forderung im Verteilungsverfahren führt zu einer niedrigeren Insolvenzquote für alle Insolvenzgläubiger und steht einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung entgegen. Eine Geltendmachung der Rechte der Anleihegläubiger kann auch die Ausübung des Widerspruchrechts erfordern,269 was allerdings mit erheblichen Kosten in einem Feststellungsprozess verbunden sein kann. Der betroffene Gläubiger wird Feststellungsklage erheben, wobei Klagegegner derjenige ist, der der Forderung im Insolvenzverfahren widersprochen hat.270 Die Kosten der Verteidigung einer Feststellungsklage müssen die Anleihegläubiger vorfinanzieren,271 nachdem eine Prozesskostenhilfe nach § 116 ZPO ausscheidet. Ist dies nicht möglich, wird der gemeinsame Vertreter versuchen, auf einen Widerspruch des Insolvenzverwalters hinzuwirken. b) Berichtspflicht Gem. § 7 Abs. 2 Satz 4 SchVG muss der gemeinsame Vertreter den Anleihegläubigern unaufgefordert über seine Tätigkeit berichten. Diese Vorschrift stellt noch 266

Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 26. Dafür Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 2; a.A. Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit, S. 212 f.; FK/Wöckener, § 7 Rn. 6. 268 Zu den Einsichtsrechten der Insolvenzgläubiger siehe Gottwald/Klopp/Kluth/Pechartscheck, Insolvenzrechts-Handbuch, § 19 Rn. 5. 269 So auch Hacker/Kamke, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016 NZI 2016, 1014, 1016. 270 K. Schmidt/Jungmann, § 179 Rn. 16. 271 Siehe hierzu bereits S. 195 f. 267

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

einmal Umfang und Inhalt der bereits vertraglich geltenden Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des § 666 BGB klar, die gegenüber den Gläubigern als Gesamtheit zu erfüllen ist.272 Die Gläubiger müssen prüfen können, ob und wie ihre Rechte und Interessen ordnungsgemäß durchgesetzt werden,273 auch um für anstehende Insolvenzgläubigerversammlungen rechtzeitig Weisungen erteilen zu können. Eine nachträgliche Berichterstattung über bereits abgehaltene Insolvenzgläubigerversammlungen genügt der Berichtspflicht nicht.274 Über die Tätigkeit im Gläubigerausschuss darf der gemeinsame Vertreter nicht berichten,275 in seiner Funktion als Gläubigerausschussmitglied unterliegt er einer strikten Verschwiegenheitspflicht.276 3. Weisungsrecht der Anleihegläubiger a) Ausgangslage Die Anleihegläubiger bleiben auch im Insolvenzverfahren materiellrechtlich uneingeschränkt Inhaber ihrer Forderungen. Trotz seiner im Außenverhältnis unbeschränkten Rechtsmacht („rechtliches Können“) muss der gemeinsame Vertreter den Gläubigerwillen („rechtliches Dürfen“) berücksichtigen,277 er unterliegt im Innenverhältnis den Weisungen der Anleihegläubiger gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 SchVG.278 Das Weisungsrecht steht den Gläubigern in ihrer Gesamtheit zu und wird durch Mehrheitsbeschluss ausgeübt.279 b) Pflicht zur Einholung eines Weisungsbeschlusses Unklar ist, ob der gemeinsame Vertreter verpflichtet ist, vor dem Tätigwerden eine Weisung im Innenverhältnis einzuholen. Das überwiegende Schrifttum ist der

272

BT-Drs, 16/12814 S. 20. Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 44. 274 So aber wohl Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 7, die eine nachträgliche Berichterstattung generell für ausreichend erachten mit der Begründung, dass der einzelne Anleihegläubiger aufgrund des verdrängenden Mandats nach § 19 Abs. 3 SchVG seine Rechtsposition durch eine im Vorfeld erlangte Information über anstehende Tätigkeiten des gemeinsamen Vertreters nicht verbessern kann. 275 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 44. 276 K. Schmidt/Jungmann, § 69 Rn. 7. 277 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 81; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 78. 278 BGH 14. 07. 2016 IX ZA 9/16 Tz. 9 ZIP 2016, 1684; FK/Friedl, § 19 Rn. 54; Hopt/Seibt/ Knapp, § 19 Rn. 78; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, BankrechtsKommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 22; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 34; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 71. 279 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 39. 273

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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Ansicht, dass es keiner Weisung bedarf, um überhaupt handeln zu dürfen,280 auch ohne legitimierenden Weisungsbeschluss handelt der gemeinsame Vertreter nicht pflichtwidrig.281 Nach einer Gegenansicht folgt aus § 19 Abs. 1 SchVG nicht, dass er allein nach bestem Wissen und Gewissen und damit stets ohne Ermächtigung seitens der Anleihegläubiger handeln darf.282 Wann genau eine Weisung einzuholen ist, ist umstritten. Zum Teil wird dies gefordert, wenn die Insolvenzgläubigerversammlung über besonders bedeutsame Rechtshandlungen entscheiden muss. Dies können z. B. Entscheidungen über die Verwertung des Unternehmens, die Abberufung des Insolvenzverwalters, die Einsetzung und Zusammensetzung eines Gläubigerausschusses sowie über den Fortgang des Verfahrens im Sinne des § 157 InsO sein.283 Andere wiederum erachten eine Weisung nur dann für erforderlich, wenn wirtschaftlich gleichwertige oder wirtschaftlich kaum vergleichbare Handlungsalternativen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Befriedigung der Anleihegläubiger bestehen.284 Die Gegenansicht ist abzulehnen. Das umfassende Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG verlangt die sofortige Handlungsfähigkeit des gemeinsamen Vertreters, eine Verpflichtung zur Einholung eines Weisungsbeschlusses im Innenverhältnis läuft dem zuwider.285 Bei besonders wichtigen Entscheidungen kann er aber eine vorherige Weisung einholen, um sein Haftungsrisiko nach § 7 Abs. 3 Satz 1 SchVG auszuschließen.286 Sofern keine Weisung vorliegt, folgt aus dem allgemeinzivilrechtlichen Auftragsrecht, dass der gemeinsame Vertreter seine Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen ausüben kann.287 c) Zulässige Beschlussgegenstände Der Anleihegläubigerversammlung steht es jederzeit frei, Weisungen zum „Wie“ der Wahrnehmung ihrer insolvenzspezifischen Rechte zu erteilen.288 Das Wei280

Horn, BKR 2014, 449, 451; Thole, ZIP 2014, 293, 298; FK/Friedl, § 19 Rn. 55; Hopt/ Seibt/Knapp, § 19 Rn. 79; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 71. 281 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 79. 282 Kübler, FS Henckel, S. 183, 189; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027; auch wenn diese Ansicht den Begriff der „Ermächtigung“ verwendet, erkennt sie, dass der gemeinsame Vertreter im Außenverhältnis mit Wirkung für alle Anleihegläubiger wirksam abstimmen kann; gemeint ist wohl eine Ermächtigung in Form einer Weisung im Innenverhältnis. 283 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027. 284 Hofmann, FS Kübler, S. 265, 270. 285 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 79. 286 FK/Friedl, § 19 Rn. 55; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 71; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 80. 287 Vgl. MüKoBGB/Schäfer, § 665 Rn. 28; FK/Friedl, § 19 Rn. 55; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 78; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 71. 288 FK/Friedl, § 19 Rn. 55; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 22.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

sungsrecht geht nur so weit, wie die Rechtsmacht der Gläubiger reicht289 und wird auf die Möglichkeiten begrenzt, die die Insolvenzordnung zulässt.290 Allen voran können die Anleihegläubiger Weisungen zum Abstimmungsverhalten in Insolvenzgläubigerversammlungen erteilen. Daneben kommen auch Weisungsbeschlüsse über die Ausübung des Akteneinsichtsrechts sowie der Beschwerderechte der Insolvenzgläubiger gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts in Betracht.291 Weiter sind Weisungsbeschlüsse im Zusammenhang mit der Erhebung und Verteidigung gegen eine Feststellungsklage möglich. Weisungen ohne Bezug auf die Wahrnehmung insolvenzspezifischer Rechte sind unzulässig. So können Anleihegläubiger den gemeinsamen Vertreter nicht anweisen, außerhalb eines Insolvenzplanverfahrens geplante Sanierungsmaßnahmen im Sinne des § 5 Abs. 3 SchVG zuzustimmen. Gleiches gilt für Weisungen, die sich nicht auf die Geltendmachung der in den Schuldverschreibungen verbrieften Forderungen beziehen. Ebenfalls ausgeschlossen sind Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Tätigkeit als Gläubigerausschussmitglied. Es ist zu differenzieren zwischen seiner Tätigkeit als rechtsgeschäftlicher Gläubigervertreter und der Tätigkeit im nach Insolvenzrecht eingesetzten Gläubigerausschuss als Organ der Gläubigerselbstverwaltung. In der Funktion als Gläubigerausschussmitglied ist der gemeinsame Vertreter allein dem Interesse aller Gläubiger verpflichtet. d) Weisungsabweichung aa) Kein Weisungsabweichungsrecht Gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 SchVG muss der gemeinsame Vertreter die Weisungen der Anleihegläubiger befolgen, er ist an diese gebunden. Er darf selbst dann nicht von Weisungen abweichen, wenn er den Umständen nach annehmen kann, dass die Anleihegläubiger bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen würden,292 da er sich laut Gesetzesbegründung nicht auf § 665 BGB berufen kann.293 § 7 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist lex specialis zu § 665 BGB.294 Es ist fraglich, ob eine Abweichung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Weisung dem gemeinsamen Interesse aller Anleihegläubiger, die der gemeinsame Vertreter zu wahren verpflichtet ist, widerspricht. Im Auftragsrecht gilt, dass es für die Bindungswirkung unerheblich ist, ob der Beauftragte die Weisung aus seiner Sicht für zweckmäßig hält; entscheidend ist die Wertung der §§ 134, 138 und 242 289

Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 40. OLG Dresden 09. 12. 2015 13 U 223/15 [nrkrf.] NZI 2016, 149, 150. 291 Eine Übersicht der Fälle, in denen Gläubigern das Recht zur sofortigen Beschwerde zusteht, siehe bei Gottwald/Klopp/Kluth/Pechartscheck, Insovenzrechts-Handbuch, § 19 Rn. 7. 292 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 40; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 66. 293 BT-Drs. 16/12814 S. 20. 294 FK/Wöckener, § 7 Rn. 29; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 66. 290

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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BGB.295 Ist die Grenze der Gesetzwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit nicht überschritten, hat der Beauftragte – auch bei Unzweckmäßigkeit – die Weisung zu befolgen, nur der Auftraggeber kann diese korrigieren.296 Der gemeinsame Vertreter darf nur gesetzeswidrige Weisungen und solche, die über die Rechtsmacht der Anleihegläubiger hinausgehen, nicht befolgen.297 Der Gesetzgeber macht mit dem Ausschluss des § 665 BGB deutlich, dass ihm kein Abweichungsrecht zusteht. Weicht der gemeinsame Vertreter dennoch von einer Weisung ab, ist sein Handeln wegen der umfassenden Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG im Außenverhältnis gleichwohl wirksam. bb) Antrag auf Aufhebung des Weisungsbeschlusses gem. § 78 Abs. 1 InsO analog Bei Zweifeln daran, ob der Weisungsbeschluss dem gemeinsamen Interesse aller Anleihegläubiger entspricht, muss der gemeinsame Vertreter dies in Erfüllung seiner Interessenwahrnehmungspflicht klären. Im Insolvenzrecht ist der Insolvenzverwalter nach überwiegender Ansicht verpflichtet, gem. § 78 Abs. 1 InsO die Aufhebung eines Beschlusses der Insolvenzgläubigerversammlung zu beantragen, wenn dieser dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger widerspricht.298 Zwar wird sich der Insolvenzverwalter an Beschlüsse der Insolvenzgläubigerversammlung regelmäßig halten, nachdem diese ein Indiz für pflichtgemäßes Handeln begründen und damit sein Haftungsrisiko reduzieren.299 Dennoch muss er Missbräuchen der Gläubigerautonomie entgegenwirken und Beschlüsse der Gläubigerversammlung daraufhin überprüfen, ob diese dem Verfahrenszweck entsprechen.300 Das Antragsrecht des Insolvenzverwalters dient im Besonderen der Wahrung der Interessen der nicht in der Gläubigerversammlung erschienenen Gläubiger.301 Entsprechendes gilt gem. § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. § 78 Abs. 1 InsO analog für den gemeinsamen Vertreter, beide sind zur Wahrung des gemeinsamen Interesses verpflichtet. Vor dem Hintergrund, dass Beschlüsse in der Insolvenz bereits dann gefasst werden können, wenn nur ein stimmberechtigter Anleihegläubiger anwesend ist – siehe ausführlich hierzu sogleich – muss dem gemeinsamen Vertreter zum Schutz der nicht erschienen Anleihegläubiger das Recht zustehen, einen Antrag auf Aufhebung von Weisungsbeschlüssen zu stellen.

295

MüKoBGB/Schäfer, § 665 Rn. 10. MüKoBGB/Schäfer, § 665 Rn. 15. 297 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 40. 298 K. Schmidt/Jungmann, § 78 Rn. 17; KPB/Kübler, § 78 Rn. 10; Nerlich/Römermann/ Delhaes, § 78 Rn. 2; Uhlenbruck/Knof, § 78 Rn. 6; a.A. MüKoInsO/Ehricke, § 78 Rn. 4. 299 Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 102. 300 K. Schmidt/Jungmann, § 78 Rn. 17; Uhlenbruck/Knof, § 78 Rn. 6. 301 K. Schmidt/Jungmann, § 78 Rn. 17; Nerlich/Römermann/Delhaes, § 78 Rn. 2. 296

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

cc) Haftung gem. § 7 Abs. 3 SchVG Gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 SchVG haftet der gemeinsame Vertreter für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben und der ihm erteilten Weisungen.302 Dabei hat er gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 HS. 2 SchVG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Verletzt er eine seiner Pflichten schuldhaft, macht er sich gem. §§ 280 Abs. 1, 675, 662 BGB gegenüber der Gläubigergesamtheit schadenersatzpflichtig, wenn dieser dadurch ein Schaden entstanden ist.303 Indiviudalschäden einzelner Anleihegläubiger sind dabei nicht erfasst.304 Ein Gesamtschaden der Gläubigermehrheit ist auch dann anzunehmen, wenn der gemeinsame Vertreter die Interessen und Begünstigung einzelner Gläubiger verfolgt, die die übrigen Anleihegläubiger benachteiligen.305 Die Geltendmachung eines Ersatzanspruches setzt voraus, dass die Anleihegläubiger einen entsprechenden Beschluss darüber gefasst haben, den Ersatzanspruch gegen den gemeinsamen Vertreter geltend zu machen.306 Fraglich ist, ob ein Handeln nach entsprechender Weisung automatisch zu einer Haftungsfreistellung führt. Insolvenzrechtlich gilt, dass die Zustimmung der Gläubigerversammlung oder des Gläubigerausschusses ein Verschulden des Insolvenzverwalters nicht automatisch ausschließt.307 Sie ist lediglich Indiz dafür, dass der Insolvenzverwalter gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters erfüllt hat.308 Er soll stets prüfen, ob zu billigende Maßnahmen dem Verfahrenszweck einer bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger dienen.309 Aus dem Vorrang des Insolvenzrechts gem. § 19 Abs. 1 SchVG gilt entsprechendes für den gemeinsamen Vertreter. Wie bereits gezeigt, hat er gem. § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. § 78 Abs. 1 InsO analog die Möglichkeit, in der Anleihegläubigerversammlung die Aufhebung eines Weisungsbeschlusses, der dem gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger widerspricht, zu beantragen. Die Interessenwahrnehmungspflicht erfordert, dass er bei Weisungsbeschlüssen, die dem gemeinsamen Interesse der Anleihegläubigergesamtheit widersprechen, die Aufhebung gem. § 78 InsO analog beantragen muss. Daraus folgt, dass allein das Befolgen eines Weisungsbeschlusses keine Exkulpation nach sich ziehen kann.

302

Preuße/Nesselrodt, § 7 Rn. 62; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 68. Hopt/Seibt/Thole § 7 Rn. 53. 304 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 54. 305 Hopt/Seibt/Thole § 7 Rn. 53. 306 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 55; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 72. 307 KPB/Lüke, § 60 Rn. 43 ff.; MüKoInsO/Brandes/Schoppmeyer, § 60 Rn. 98; Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 102. 308 Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 102. 309 Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 102. 303

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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4. Willensbildung in weiteren Anleihegläubigerversammlungen a) Zulässigkeit weiterer Anleihegläubigerversammlungen Nach alter Rechtslage war die Zulässigkeit weiterer Anleihegläubigerversammlung gem. § 18 Abs. 3 SchVG 1899 ausdrücklich im Gesetz geregelt. Der neue § 19 SchVG enthält keine vergleichbare Regelung mehr. Obwohl es in der Gesetzesbegründung heißt, dass die Anleihegläubiger nach Insolvenzeröffnung abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG nur befugt sind, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger zu bestellen, kann daraus keine generelle Unzulässigkeit weiterer Anleihegläubigerversammlungen geschlussfolgert werden.310 Da das Weisungsrecht sowie das Recht zur Abberufung des gemeinsamen Vertreters gem. § 7 Abs. 4 SchVG der Anleihegläubigergesamtheit auch im Insolvenzverfahren fortbesteht, müssen zur Willensbildung weitere Anleihegläubigerversammlungen formal zulässig sein. Es besteht im Schrifttum darüber Einigkeit, dass weitere Anleihegläubigerversammlungen bei nur das Innenverhältnis betreffenden Beschlüssen zulässig sind.311 Das OLG Zweibrücken hat dies mit Beschluss vom 20. März 2013 bestätigt.312 Soll hingegen Beschluss über die Änderung von Anleihebedingungen gefasst werden, sind weitere Anleihegläubigerversammlungen unzulässig.313 Wie bereits im 2. Kapitel ausgeführt, können solche Beschlüsse allein in der Insolvenzgläubigerversammlung unter der Beteiligung aller Insolvenzgläubiger gefasst werden. b) Verfahrensrecht aa) Ausgangslage Nach alter Rechtslage stand das Recht zur Einberufung und Leitung aller Anleihegläubigerversammlungen nach Insolvenzeröffnung allein dem Insolvenzgericht zu (§ 18 Abs. 2 SchVG 1899).314 Gem. § 18 Abs. 4 SchVG 1899 musste das Insolvenzgericht auf Antrag einer Gläubigerminderheit oder des gemeinsamen Vertreters – sofern die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 SchVG 1899 vorlagen – sowie auf 310

Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 57. Thole, ZIP 2014, 293, 297; FK/Friedl, § 19 Rn. 31; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 60; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 57; Langenbucher/Bliesener/Schneider/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 23; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 29; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 67; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 558. 312 OLG Zweibrücken 20. 03. 2013 3 W 9/13 Tz. 7 NZI 2013, 7. 313 A.A. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 59; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 561. 314 Der historische Gesetzgeber begründete dies damit, dass das Insolvenzgericht auch die allgemeine Insolvenzgläubigerversammlung einberuft und leitet, Regierungsbegründung zum SchVG, Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstages, 10. Legislaturperiode, I. Session 1898 – 1900, 2. Anlagenband, Aktenstück Nr. 105, 907. 311

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Verlangen des Insolvenzverwalters, des Gläubigerausschusses oder der Aufsichtsbehörde des Schuldners weitere Versammlungen einberufen.315 § 19 SchVG enthält keine vergleichbaren Regelungen mehr. Der Gesetzgeber lässt offen, ob mit der Formulierung „die Beschlüsse der Gläubiger“ in § 19 Abs. 1 SchVG allein die Beschlüsse der ersten Anleihegläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG gemeint sind oder aber sämtliche von Anleihegläubiger in (weiteren) Gläubigerversammlungen gefassten Beschlüsse erfasst sein sollen. Welchen Vorschriften weitere Anleihegläubigerversammlungen unterliegen sollen, hängt von der Auslegung des § 19 Abs. 1 SchVG ab. bb) Meinungsstand Nach nahezu einhelliger Meinung ist § 19 Abs. 1 SchVG eng auszulegen, der § 19 Abs. 1 SchVG umfasst nur die Beschlüsse der ersten Anleihegläubigerversammlung.316 Mit der Durchführung einer ersten Anleihegläubigerversammlung gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist das insolvenzverfahrensrechtliche Ziel erreicht und es besteht aus Sicht des Insolvenzgerichts kein Bedarf an weiteren Anleihegläubigerversammlungen.317 Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Regelung des § 18 Abs. 4 SchVG 1899 nicht in die Vorschrift des § 19 SchVG übernommen.318 Das Insolvenzgericht kann nicht dafür zuständig sein, lediglich interne Beschlüsse der Anleihegläubiger herbeizuführen.319 Für die Abhaltung weiterer Anleihegläubigerversammlungen sind somit die Vorschriften des SchVG anzuwenden.320 Auch das OLG Zweibrücken vertritt diese Auffassung, indem es klarstellt, dass sich die Einberufung weiterer Anleihegläubigerversammlungen nach den allgemeinen Vorschriften des § 9 SchVG richtet.321

315

Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 7. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 64; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 54. 317 FK/Friedl, § 19 Rn. 35; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 61; Schmidt/ Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 29; anders wohl Veranneman/ Rattunde, § 19 Rn. 71. 318 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 29; Veranneman/ Rattunde, § 19 Rn. 65. 319 Thole, Gutachten zu einer Beschlussfassung der Versammlung der Genussrechtsinhaber über die Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Auftrag von Herrn Dr. Bruno Kübler als Insolvenzverwalter der Future Business KGaA vom 29. 09. 2014 S. 16, abrufbar unter http:// www.fubus.de/fileadmin/download/Gutachten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 17. 09. 2016. 320 Hofmann, FS Kübler, S. 265, 270; FK/Friedl, § 19 Rn. 31; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 64; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 61 ff.; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 23; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 32; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 68. 321 OLG Zweibrücken 20. 03. 2013 3 W 9/13 Tz. 7 NZI 2013, 7. 316

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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Die Gegenansicht sieht in der Anwendung der schuldverschreibungsrechtlichen Vorschriften eine unzulässige Verkürzung des ausdrücklichen Wortlauts des § 19 Abs. 1 SchVG.322 Sobald ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, unterliegen die Beschlüsse der Anleihegläubiger vorrangig der Insolvenzordnung.323 Ein Rückwechseln in die Regelungsnormen des SchVG untergräbt den in § 19 Abs. 1 SchVG geregelten Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung.324 Demzufolge umfasst § 19 Abs. 1 SchVG sowohl Beschlüsse der ersten als auch Beschlüsse von weiteren Anleihegläubigerversammlungen. cc) Stellungnahme (1) Gesetzeshistorische Auslegung § 19 Abs. Satz 2 SchVG ordnet die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts nur im Zusammenhang mit der Vertreterbestellung an. Daraus allein kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 19 SchVG nur die erste Anleihegläubigerversammlung gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG vor Augen hatte und eine mögliche Notwendigkeit weiterer Gläubigerversammlungen übersah.325 Mehr als ein Jahrhundert lang war die Zulässigkeit weiterer Versammlungen ausdrücklich im Gesetz geregelt. Das Bedürfnis nach weiteren Anleihegläubigerversammlungen zur einheitlichen Willensbildung war dem Gesetzgeber also von Beginn an bekannt. Dass er bei der Reform des SchVG dies nicht mehr bedacht haben soll, ist nicht überzeugend. So heißt es auch in der Gesetzesbegründung, dass der neu gefasste § 19 SchVG „im Wesentlichen dem bisher geltenden Recht (§ 18 Abs. 3 und 4 SchVG von 1899)“ entspricht.326 Daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber sich mit der bis dahin geltenden Rechtslage auseinandergesetzt haben muss. Darüber hinaus kann dieser Hinweis in der Gesetzesbegründung dahingehend verstanden werden, dass die bisherigen Regelungen der § 18 Abs. 3 und 4 SchVG 1899 im § 19 SchVG aufgegangen sind. Es ergibt wenig Sinn, wenn die Gesetzesbegründung auf die bisherige Regelung des § 18 Abs. 4 SchVG 1899 hinweist, aber deren Regelungsgehalt im neuen § 19 SchVG nicht übernommen werden sollte. In Zusammenschau mit dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 SchVG ist der Hinweis ein klares Indiz dafür, dass mit der Anordnung des Anwendungsvorrangs der insolvenzrechtlichen Vorschriften die allgemeine Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für die

322

Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398 zur Abwahl und Neuwahl eines gemeinsamen Vertreters im laufenden Insolvenzverfahren. 323 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398. 324 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398. 325 So aber Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 64; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 54. 326 BT-Drs. 16/12814 S. 25.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Einberufung von Anleihegläubigerversammlungen nach Insolvenzeröffnung geregelt werden sollte. (2) Teleologische Auslegung Die Ratio des § 19 SchVG – die Sicherstellung einer effizienten Durchführung des Insolvenzverfahrens – erfordert eine weite Auslegung des § 19 Abs. 1 SchVG. Durch einen Vorrang der insolvenzrechtlichen Anforderungen hinsichtlich Beschlussfähigkeit, -fassung sowie -kontrolle soll dieses Ziel erreicht werden.327 Dies setzt voraus, dass der Verweis des § 19 Abs. 1 SchVG für sämtliche während des Insolvenzverfahrens gefassten Beschlüsse der Anleihegläubiger gilt, ungeachtet dessen, ob die Beschlussfassung im Rahmen der ersten oder in weiteren Anleihegläubigerversammlungen erfolgt. Eine Dualität der Verfahrensrechte zwischen SchVG und Insolvenzrecht für weitere Beschlüsse der Anleihegläubiger steht der Ratio des § 19 SchVG entgegen.328 Wären für weitere Beschlüsse der Anleihegläubiger wiederum die Vorschriften der SchVG einschlägig, würden die strengeren schuldverschreibungsrechtlichen Anforderungen an Beschlussfähigkeit, -fassung und -kontrolle den zügigen Ablauf des Insolvenzverfahrens gefährden. Im Interesse einer effektiven Verfahrensdurchführung bedarf es eines beschleunigten Beschlussfindungs- und ggf. auch Kontrollverfahrens unter Aufsicht des Insolvenzgerichts.329 Der Einwand, dass das Insolvenzgericht nicht mit der Herbeiführung interner Beschlüsse belastet werden kann, greift aus diesem Grund zu kurz.330 Wie bereits oben ausgeführt, macht der Gesetzgeber sich die privatrechtlich ausgestaltete Institution des gemeinsamen Vertreters zu Nutze, indem er dessen Bestellung im Insolvenzverfahren durch die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts fördert. Es gilt sicherzustellen, dass mit der Bestellung einhergehende interne Beschlussfassungen der Anleihegläubiger über Handlungsdirektiven des gemeinsamen Vertreters das Insolvenzverfahren nicht belasten. Hierfür bedarf es der Inanspruchnahme des Insolvenzgerichts. (3) Entscheidung des OLG Stuttgart Für eine vorrangige Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften kann eine Entscheidung des OLG Stuttgart vom 27. Dezember 2016 herangezogen werden.331 Es hatte über die Frage zu entscheiden, ob der Geschäftsführer einer insolventen 327

Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2392, 2398. So auch Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2401. 329 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398. 330 So aber Thole, Gutachten zu einer Beschlussfassung der Versammlung der Genussrechtsinhaber über die Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Auftrag von Herrn Dr. Bruno Kübler als Insolvenzverwalter der Future Business KGaA vom 29. 09. 2014 S. 16, abrufbar unter http://www.fubus.de/fileadmin/download/Gutachten_Prof._Dr._Thole.pdf, zuletzt aufgerufen am 17. 09. 2016. 331 OLG Stuttgart 27. 12. 2016 10 U 97/16 ZIP 2017, 142. 328

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens befugt ist, für den Schuldner gem. § 9 Abs. 1 SchVG eine Anleihegläubigerversammlung einzuberufen. Zwar lässt das Gericht offen, nach welchem Verfahrensrecht sich die Abhaltung weiterer Gläubigerversammlungen richtet. Doch stellt es klar, dass selbst wenn die Einberufung nach § 9 SchVG erfolgen sollte, daraus nicht geschlussfolgert werden kann, wer im Fall der Insolvenz des Emittenten zur Einberufung der Gläubigerversammlung berechtigt ist.332 Weiter führt es aus, dass die Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über die Masse gem. § 80 InsO fällt, nachdem die Rechtsbeziehungen des Schuldners zu den Anleihegläubigern nicht das insolvenzfreie Vermögen betreffen.333 Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine Einberufungskompetenz des Schuldners mit dem Insolvenzverfahrensrecht nicht vereinbar ist. Nach § 75 Abs. 1 InsO steht dem Schuldner kein Recht zur Einberufung einer Insolvenzgläubigerversammlung zu.334 Die bisherige Regelung des § 18 Abs. 4 SchVG 1899 hatte diese berücksichtigt, indem durch die fehlende Verweisung auf § 3 Abs. 1 SchVG 1899 dem Schuldner kein Antragsrecht zukam.335 Es nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber in Abkehr hiervon dem Schuldner durch die Anwendbarkeit der schuldverschreibungsrechtlichen Verfahrensvorschriften eine Einberufungskompetenz zubilligen wollte, obwohl er offensichtlich erkannt hat, dass diese mit § 80 InsO nicht vereinbar ist. (4) Ergebnis § 19 Abs. 1 SchVG ist weit auszulegen. Unter „Beschlüsse der Gläubiger“ fallen alle von Anleihegläubigern gefassten Beschlüsse ungeachtet dessen, ob die Beschlussfassung in der ersten oder in weiteren Anleihegläubigerversammlungen erfolgt. Eine Übernahme der bisherigen Regelung des § 18 Abs. 4 SchVG 1899 war somit nicht notwendig, da die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für die Abhaltung weiterer Anleihegläubigerversammlungen sich bereits aus § 19 Abs. 1 SchVG ergibt. c) Einberufung und Durchführung aa) Entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. InsO analog Einberufung und Durchführung weiterer Versammlungen richten sich gem. § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. §§ 74 ff. InsO analog nach den insolvenzverfahrensrechtlichen 332

Vgl. OLG Stuttgart 27. 12. 2016 10 U 97/16 Tz. 71 f. ZIP 2017, 142. OLG Stuttgart 27. 12. 2016 10 U 97/16 Tz. 50, 59 ZIP 2017, 142; a.A. Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 62; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 68. 334 Lürken, Anmerkung zu OLG Stuttgart, Urteil vom 27. 12. 2016, GWR 2017, 38, 38; Uhlenbruck/Knof, § 75 Rn. 6. 335 Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 7. 333

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Vorschriften.336 Gem. § 75 Abs. 1 InsO muss das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung einberufen, wenn der Insolvenzverwalter, der Gläubigerausschuss sowie unter den Voraussetzungen der Abs. 1 Nr. 3 und 4 absonderungsberechtigte Gläubiger und nicht nachrangige Insolvenzgläubiger dies beantragen. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zu stellen und soll die erforderlichen Angaben zur Tagesordnung enthalten.337 Nachdem es lediglich um eine entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. InsO geht, ist es unbeachtlich, wenn weder Gläubigerausschuss noch Absonderungsberechtigte an der Anleihegläubigerversammlung teilnehmen bzw. ein Interesse an deren Einberufung haben. bb) Antragsrecht Nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO sind nicht nachrangige Insolvenzgläubiger antragsberechtigt, wenn mindestens fünf Gläubiger, deren Forderungen nach Schätzung des Insolvenzgerichts zusammen ein Fünftel derjenigen Summe erreicht, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern ergibt.338 Im Ergebnis müssen also 20 % der angemeldeten Insolvenzforderungen repräsentiert sein.339 Neben dem Ausschluss missbräuchlicher Einberufungen von Gläubigerversammlungen ist Zweck des Quorums dem wirtschaftlichen Interesse der Gläubiger am Ausgang des Verfahrens Rechnung zu tragen.340 Das wirtschaftliche Interesse der Anleihegläubiger bezogen auf Beschlussfassungen in Anleihegläubigerversammlungen kann nicht am Verhältnis der von ihnen repräsentierten Forderungen zu der Summe aller Absonderungsrechte und Insolvenzforderungen gemessen werden. Das Quorum ergibt sich vielmehr aus der Summe sämtlicher Anleiheforderungen, von denen mindestens fünf Gläubiger 20 % repräsentieren müssen, um die Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung beantragen zu können. Auch wenn das Quorum des § 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO erheblich höher ist als das des § 9 Abs. 1 Satz 2 SchVG, wonach Gläubiger lediglich fünf Prozent des ausstehenden Gesamtnennwerts der Schuldverschreibungen erreichen müssen, kann für eine Inanspruchnahme des Insolvenzgerichts durch die Anleihegläubiger nichts anderes gelten. Ebenso wie bei der Einberufung von Insolvenzgläubigerversammlungen gilt es, das Insolvenzgericht vor ungerechtfertigten Einberufungsverlangen zu schützen. Möchte der gemeinsame Vertreter eine Anleihe336 So auch Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 76 f. für die Abwahl und Neuwahl eines gemeinsamen Vertreters während des Insolvenzverfahrens; für interne Weisungsbeschlüsse sollen wiederum die Regelungen des SchVG maßgeblich sein. 337 K. Schmidt/Jungmann, § 75 Rn. 4; MüKoInsO/Ehricke, § 75 Rn. 3; Uhlenbruck/Knof, § 75 Rn. 7. 338 MüKoInsO/Ehricke, § 75 Rn. 7. 339 HK/Riedel, § 75 Rn. 5. 340 BGH 10. 03. 2011 IX ZB 212/09 Tz. 9 NZI 2011, 284; Braun/Herzig, § 75 Rn. 1.

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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gläubigerversammlung einberufen, sind diese Voraussetzungen ohne weiteres erfüllt, da er sämtliche Anleihegläubiger sowie deren Forderungen vertritt.341 Demgegenüber sind nachrangige Anleihegläubiger gem. § 19 Abs. 1 SchVG i.V.m. § 75 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht antragsberechtigt. Zwar können diese bei der Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, der sämtliche und damit auch nachrangige Anleihegläubiger vertritt, mit abstimmen. Auch wenn Gleiches für die Teilnahme an Abstimmungen über die Erteilung von Weisungen gilt, nachdem das aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag folgende Weisungsrecht auch nachrangigen Anleihegläubigern zusteht, ist ein Antragsrecht abzulehnen. Die Anleihegläubigerversammlung ist im Insolvenzverfahren gem. § 19 Abs. 1 SchVG in die Form einer Insolvenzgläubigerversammlung gekleidet,342 so dass das Insolvenzverfahrensrecht vorrangig anzuwenden ist. cc) Ablehnung der Einberufung Ist der angegebene Tagesordnungspunkt zur Beschlussfassung der Gläubigerversammlung nicht geeignet, ist das Gericht insolvenzrechtlich berechtigt, den Antrag abzulehnen.343 Es kann also Anleihegläubigerversammlungen ablehnen, wenn über Tagesordnungspunkte abgestimmt werden soll, die über das Innenverhältnis hinausgehen. Fraglich ist, ob es weitere Fälle gibt, in denen das Insolvenzgericht eine Einberufung ablehnen kann. Im Schrifttum wird vertreten, dass das Rechtsschutzbedürfnis an der Einberufung einer weiteren Anleihegläubigerversammlung jedenfalls dann zweifelhaft ist, wenn die Bestellung des gemeinsamen Vertreters in der ersten Versammlung am Erreichen der erforderlichen Mehrheit gescheitert ist.344 Danach darf es nicht zu Ketteneinberufungen kommen, bis das gewünschte Ergebnis vorliegt.345 Insolvenzrechtlich gilt, dass dem Insolvenzgericht kein materielles Prüfungsrecht zusteht, es darf einen Antrag nicht ablehnen, weil es ihn für unzweckmäßig, interessenwidrig oder gar willkürlich hält.346 Die Einberufung einer Insolvenzgläubigerversammlung kann sogar bei Masseunzulänglichkeit beantragt werden.347 Es bedarf keines zusätzlich darzulegenden Rechtsschutzinteresses.348 Durch die Quo-

341

Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398. Thole, ZIP 2014, 293, 297. 343 Uhlenbruck/Knof, § 75 Rn. 7. 344 Thole, ZIP 2014, 293, 298, der jedoch wohl von einer Anwendbarkeit der schuldverschreibungsrechtlichen Vorschriften ausgeht. 345 Thole, ZIP 2014, 293, 298. 346 HK/Riedel, § 75 Rn. 9; MüKoInsO/Ehricke, § 75 Rn. 4; Uhlenbruck/Knof, § 75 Rn. 7. 347 Ausführlich zur Gläubigerversammlung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit siehe Kayser/Heck, NZI 2005, 65, 69 ff. 348 HK/Riedel, § 75 Rn. 9. 342

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

tenregelung des § 75 Abs. 1 Nr. 3 wird der Gefahr sinnloser Anträge vorgebeugt.349 Gleiches gilt bei der Einberufung von Anleihegläubigerversammlungen. Auch wenn eine Bestellung des gemeinsamen Vertreters in der ersten Anleihegläubigerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit erreicht, muss es den Anleihegläubigern im Laufe des Insolvenzverfahrens dennoch möglich sein, erneut über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zu entscheiden.350 Eine Ausnahme ist jedoch dann zu machen, wenn die Schwelle zur Rechtsmissbräuchlichkeit überschritten wird, was bei Ketteneinberufungen mit dem Ziel, das gewünschte Ergebnis zu erhalten, der Fall ist. Dient die Einberufung einem gesetzeswidrigen Zweck, ist das Insolvenzgericht berechtigt, den Antrag abzulehnen.351 d) Beschlussfassung aa) Meinungsstand Die Verweisung des § 19 Abs. 1 SchVG in das Insolvenzrecht gilt einer Ansicht nach nicht nur für die Einberufung und Durchführung weiterer Anleihegläubigerversammlungen, sondern auch für die Beschlussfassung und -kontrolle.352 Die überwiegende Mehrheit im Schrifttum ist hingegen der Auffassung, dass wegen der engen Auslegung des § 19 Abs. 1 SchVG Beschlüsse von weiteren Anleihegläubigerversammlungen dem SchVG unterliegen.353 Danach sollen für jegliche Beschlussfassungen über die Abwahl, Neubestellung oder erstmalige Bestellung eines gemeinsamen Vertreters sowie über die Erteilung von Weisungen an diesen die Beschlussfähigkeits- und Mehrheitserfordernisse des SchVG maßgeblich sein.354

349

HmbKomm/Preß, § 75 Rn. 2. HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 63; so auch Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398, wonach den Anleihegläubigern über die gesamte Dauer des Insolvenzverfahrens die Kompetenz zur Bestellung oder Abberufung eines gemeinsamen Vertreters zusteht. 351 HmbKomm/Preß, § 75 Rn. 2. 352 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2398; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028. 353 Thole, ZIP 2014, 2365, 2369; FK/Friedl, § 19 Rn. 31; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 65; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 64; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/ Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 25; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 187; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 564. 354 FK/Friedl, § 19 Rn. 31; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 64; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 65; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 5 Rn. 187; differenzierend hingegen Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 54; so wohl auch Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 76 hinsichtlich der Abberufung und Neuwahl eines gemeinsamen Vertreters. 350

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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bb) Stellungnahme (1) Widersprüchlichkeit der herrschenden Meinung Bei der Frage der an die Beschlussfähigkeit und -fassung zu stellenden Anforderungen wird die Widersprüchlichkeit der herrschenden Meinung deutlich: Soll in einem Insolvenzverfahren ein gemeinsamer Vertreter im Rahmen einer weiteren Anleihegläubigerversammlung bestellt werden, wäre nach dem SchVG regelmäßig – neben dem zu erreichenden Quorum gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG – eine qualifizierte Mehrheit gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG erforderlich. Die Vertreterbestellung derart hohen Anforderungen zu unterwerfen, ist mit dem gesetzgeberischen Willen, wonach die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters wünschenswert ist, nicht vereinbar. Soll auf einer weiteren Anleihegläubigerversammlung über die Abwahl und anschließende Neubestellung oder über die erstmalige Bestellung Beschluss gefasst werden, können hierfür keine anderen Mehrheitserfordernisse gelten als in der ersten Anleihegläubigerversammlung gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG. Es ist widersprüchlich, die Beschlussfassung über ein und dieselben Beschlussgegenstände unterschiedlichen Regelungsregimen zu unterwerfen und es letztlich vom Zufall abhängig zu machen, ob die erhöhten Beschlussfähigkeits- und Mehrheitserfordernisse des SchVG Anwendung finden. Entsprechendes gilt, wenn über die Erteilung einer Weisung Beschluss gefasst werden soll. Ist der gemeinsame Vertreter durch den gefassten Mehrheitsbeschluss im Außenverhältnis bereits umfassend vertretungsberechtigt, kann es im Innenverhältnis nicht mehr auf eine qualifizierte Mehrheit des SchVG ankommen.355 Nach allgemeinem Zivilrecht dient eine Weisung dazu, eine dem Beauftragten bereits aufgetragene Tätigkeit nachträglich zu präzisieren oder zu modifizieren.356 Demnach ist ein Beschluss über die Erteilung einer Weisung lediglich als ein Hilfsbeschluss zum eigentlichen Hauptbeschluss, der Bestellung des gemeinsamen Vertreters, einzuordnen. Für einen Hilfsbeschluss können a maiore ad minus keine strengeren Mehrheitserfordernisse gelten als für den Hauptbeschluss. Die Mehrheitserfordernisse für die Weisung folgen denjenigen für die Bestellung.357 Dies wird teilweise auch vom Schrifttum erkannt. Danach soll es in Ausnahme zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit des SchVG, dann nicht auf die Mehrheitserfordernisse des SchVG ankommen, wenn es um die Wahrnehmung der insolvenzspezifischen Rechte geht, da hierzu der gemeinsame Vertreter im Außenverhältnis bereits berechtigt ist.358 Woraus sich in diesem Fall eine Anwendbarkeit der insolvenzrechtlichen Mehrheitserfordernisse ergeben soll, wird offengelassen. Eine solche ließe sich in konsistenter Weise auch nicht begründen. 355 Ampferl, FS Kübler, S. 17; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 54. 356 MüKoBGB/Seiler, § 665 Rn. 3; Palandt/Sprau, § 665 Rn. 2. 357 In die Richtung wohl auch Schmidtbleicher, Anleihegläubigermehrheit, S. 196. 358 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 54.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

(2) Beschlusskontrolle Die Maßgeblichkeit der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle nach § 78 InsO analog spricht für eine Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften. Die mit der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage verbundene Vollzugssperre und die damit einhergehende Missbrauchsgefahr ist eine der größten Kritikpunkte am SchVG.359 Danach stellt die Anfechtungsklage keinen sachgerechten Rechtsbehelf dar, da – anders als im Aktienrecht – nicht Mitgliedschaftsrechte der Anleihegläubiger in Rede stehen, sondern ausnahmslos deren Vermögensinteressen.360 Dies gilt umso mehr für während des Insolvenzverfahrens gefasste Beschlüsse, die regelmäßig allein das interne Verhältnis der Anleihegläubiger betreffen. Eine Maßgeblichkeit der schuldverschreibungsrechtlichen Beschlusskontrolle kann einer zügigen und rechtsicheren Abwicklung des Insolvenzverfahrens entgegenstehen. Dies wird wohl auch teilweise im Schrifttum erkannt: Trotz eines engen Verständnisses des § 19 Abs. 1 SchVG wird vertreten, den Rechtsschutz gegen Beschlüsse weiterer Anleihegläubigerversammlungen beim Insolvenzgericht gem. § 78 InsO zu konzentrieren.361 Wie dies gesetzessystematisch zu begründen ist, lässt die Ansicht offen – wahrscheinlich wohlwissend, dass diese nicht in Einklang mit der vertretenen Meinung zu bringen ist. Eine Anwendung der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle kann konsequenterweise nur über die Involvierung des Insolvenzgerichts erreicht werden, letzteres nur über eine weite Auslegung der Verweisung des § 19 Abs. 1 SchVG in das Insolvenzrecht. Ein „cherry picking“ wie es teilweise im Schrifttum vorgenommen wird, ist nicht zulässig. (3) Praktische Erwägungen Nicht zuletzt sprechen praktische Gründe gegen eine Anwendung der Vorschriften des SchVG, da die schuldverschreibungsrechtlichen Anforderungen an die Beschlussfähigkeit mit dem Zeitdruck des Insolvenzverfahrens nicht vereinbar sind. Gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG ist eine Anleihegläubigerversammlung beschlussfähig, wenn die Anwesenden wertmäßig mindestens die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Aufgrund der Tatsache, dass Anleihegläubigerversammlungen bereits außerhalb eines Insolvenzverfahrens vielfach schwerfällig und häufig mangels Interesse oder der Scheu vor dem Aufwand einer Teilnahme an der Abstimmung schlecht besucht sind,362 spricht einiges dafür, dass die Teilnahmebereitschaft der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren angesichts des bereits mit der Bestellung erteilten umfassenden Mandat des gemeinsamen Vertreters nicht höher, sondern regelmäßig niedriger sein dürfte. Damit besteht das Risiko, dass das Quorum nicht erreicht wird und nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SchVG eine zweite Versammlung einberufen werden muss. Wollen die Anleihegläubiger im 359 360 361 362

Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 849. Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 849. Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 15 Rn. 190. BT-Drs. 16/12814 S. 14; Mühe, BKR 2017, 50, 50.

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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Innenverhältnis über Sanierungsmaßnahmen entscheiden, die zu einer Änderung der Anleihebedingungen führen, muss gem. § 15 Abs. 3 Satz 3 HS. 2 SchVG in der zweiten Versammlung immer noch ein Quorum von 25 % der ausstehenden Schuldverschreibungen erreicht werden. Zudem müsste das gesamte Einberufungsverfahren erneut durchlaufen werden,363 wobei durch die Einberufungsfrist von 14 Tagen wertvolle Zeit verloren geht.364 cc) Ergebnis Die Beschlussfassung in weiteren Anleihegläubigerversammlungen richtet sich nach den Regelungen der Insolvenzordnung, es genügt grundsätzlich die einfache Mehrheit. Ist nach der Insolvenzordnung bei der Abstimmung über einen Insolvenzplan, der Abwahl des Insolvenzverwalters sowie bei der Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung neben der Summen- auch eine Kopfmehrheit erforderlich, ist dies konsequenterweise auch bei einem entsprechenden Weisungsbeschluss an den gemeinsamen Vertreter erforderlich.365 e) Sonderproblem: Beschlussfassung über die Zustimmung zu einem im Insolvenzplan vorgesehenen Debt-Equity-Swap aa) Ausgangslage und Meinungsstand Der Gesetzgeber lässt offen, wie die flankierende Beschlussfassung zu einem im Insolvenzplan vorgesehenen Debt-Equity-Swap im Einzelnen zu erfolgen hat. Er stellt lediglich klar, dass der Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger dem Plan gem. § 230 Abs. 2 InsO beizufügen ist. Aus insolvenzrechtlicher Sicht muss der Beschluss, wie jede Zustimmungserklärung, wirksam sein. Weiter muss er vollziehbar sein, um dem Erfordernis des § 230 Abs. 2 InsO zu genügen.366 Eine Verknüpfung des Beschlusses der Anleihegläubiger mit dem Insolvenzplanverfahren über eine Planbedingung ist nicht erforderlich.367 Außerdem ist nicht Voraussetzung, 363 FK/Schmidtbleicher, § 15 Rn. 40; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 15 Rn. 14; Preuße/Kirchner, § 15 Rn. 17; Veranneman/ Wasmann/Steber, § 15 Rn. 25. 364 Aus diesem Grund sieht der Reformentwurf zu Zwecken der Zeitersparnis vor, dass zugleich mit der Einberufung der ersten Versammlung nach § 9 SchVG vorsorglich bereits die zweite Versammlung in Form einer „Eventualeinberufung“ einberufen werden kann, siehe Arbeitskreis Reform des Schuldverschreibungsrechts, ZIP 2014, 845, 853; Baums, ZHR 177 (2013) 807, 812 f. 365 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 49, der jedoch nur für Weisungsbeschlüsse, die im Rahmen der ersten Anleihegläubigerversammlung gefasst werden, die Regelungen der Insolvenzordnung für einschlägig erachtet; so auch FK/Friedl, § 19 Rn. 40. 366 MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 34. 367 So aber wohl Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 59; nach Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 139 ff. sei eine solche vorteilhaft; siehe hierzu auch

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

dass die Erklärung nach § 230 Abs. 2 InsO durch den gemeinsamen Vertreter abgegeben wird.368 Unklar ist, ob für die Beschlussfassung die einfachen Anforderungen der Insolvenzordnung genügen369 oder das Erreichen des Quorums gem. § 15 Abs. 3 SchVG sowie der qualifizierten Mehrheit gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 SchVG erforderlich ist.370 Andere sind wiederum der Auffassung, dass trotz des Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG die Mehrheitserfordernisse der Insolvenzordnung nicht ausreichend sein können.371 Sollen die Anleihegläubiger einer Maßnahme zustimmen, die zwar nach den Anleihebedingungen, nicht jedoch in einem Insolvenzplan mit Mehrheitsbeschluss umgesetzt werden kann, sind die nach den Anleihebedingungen erforderlichen Mehrheiten maßgeblich.372 Nachdem die Insolvenzordnung einen zwangsweisen Debt-Equity-Swap ablehnt, das SchVG diesen aber regelt, wäre es systemwidrig und den Schutz der Anleihegläubiger unangemessen verkürzend, wenn die geringeren Mehrheitserfordernisse der Insolvenzordnung ausreichend wären.373 bb) Stellungnahme Der Gesetzgeber bringt klar zum Ausdruck, dass der Widerspruch zwischen insolvenzrechtlicher und schuldverschreibungsrechtlicher Rechtslage zu Gunsten Letzterer aufzulösen ist.374 Für die Zustimmung der Anleihegläubiger als Gruppe zum Insolvenzplan ist zwar weiterhin die einfache Mehrheit nach §§ 243, 244 InsO ausreichend. Für die Zustimmung zur Übernahme von Anteilen der vom DebtEquity-Swap betroffenen Anleihegläubiger durch Mehrheitsbeschluss in Ausnahme zu § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO kann hingegen allein die schuldverschreibungsrechtliche Rechtslage maßgeblich sein. Ein zwangsweiser Debt-Equity-Swap ist nur möglich, wenn dies in den Anleihebedingungen ausdrücklich geregelt ist. Ebenfalls in den Anleihebedingungen geregelt ist, welche Mehrheiten für einen MehrheitsKessler/Rühle, BB 2014, 907, 912 ff. sowie Thole, ZIP 2014, 2365, 2368 ff. bei denen es jedoch um die verfahrensrechtliche Verknüpfung eines außerhalb eines Insolvenzplans beschlossenen Debt-Equity-Swap ging. 368 So aber K. Schmidt/Spliedt, § 225a Rn. 28. 369 KPB/Spahlinger, § 225a Rn. 32. 370 Thole, ZIP 2014, 293, 300; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 115; K. Schmidt/Spliedt, § 225a Rn. 28; MüKoInsO/Eidenmüller, § 230 Rn. 63; Schmidt/Westpfahl/ Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 54. 371 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 50, zum Beschluss einer entsprechenden Weisung an den gemeinsamen Vertreter im Rahmen der ersten Anleihegläubigerversammlung gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG. 372 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 50. 373 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 50. 374 So auch Westpfahl, FS Kübler, S. 773, 777, wonach die Möglichkeit des zwangsweisen Debt-Equity-Swaps nur über den Vorrang von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG vor den §§ 225a Abs. 2 Satz 2, 230 Abs. 2 InsO erreicht wird.

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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beschluss hierüber erreicht werden müssen, die auch über die qualifizierte Mehrheit des § 5 Abs. 4 SchVG hinausgehen können.375 Mit dem Erwerb der Schuldverschreibung antizipieren die Anleihegläubiger ihre Zustimmung zu einem etwaigen Debt-Equity-Swap,376 unter der Voraussetzung, dass die hierfür erforderlichen Mehrheiten erreicht werden. Die Zustimmung kann nicht als erteilt angesehen werden, wenn eine einfache Mehrheit nach Insolvenzrecht ausreichend wäre.

III. Abstimmung in der Insolvenzgläubigerversammlung 1. Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters a) Ausgangslage Gem. § 77 Abs. 1 InsO hat der gemeinsame Vertreter ein Stimmrecht in der Höhe des Gesamtbetrags der Anleihe zuzüglich etwaiger Vertragszinsen bzw. Verzugszinsen.377 Damit besteht die Gefahr, dass nachrangigen Schuldverschreibungen ein Stimmrecht zukommt, obwohl § 77 Abs. 1 Satz 2 InsO dies ausschließt.378 Im Interesse einer effizienten Durchführung des Verfahrens umfasst § 19 Abs. 3 SchVG im Rahmen der kollektiven Geltendmachung der Rechte auch eine globale Abstimmung für sämtliche Anleihegläubiger.379 § 19 Abs. 3 SchVG ist damit lex specials zu § 77 Abs. 1 Satz 2 SchVG. b) Ausübung des Stimmrechts Der gemeinsame Vertreter kann sein Stimmrecht für die gesamte Anleihe nur einheitlich ausüben.380 Eine geteilte Stimmabgabe entsprechend dem Abstimmungsergebnis einer zuvor abgehaltenen Anleihegläubigerversammlung zur Erteilung einer Weisung bezüglich seines Abstimmungsverhaltens in der insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlung ist ausgeschlossen. Mit der Bündelung der Rechte in der Person des gemeinsamen Vertreters gem. § 19 Abs. 3 SchVG geht eine Bündelung der Stimmrechte einher. Im Innenverhältnis erreichte Abstimmungsergebnisse haben im Außenverhältnis keine Wirkung, da dem gemeinsamen Vertreter die Geltendmachung der Rechte im Außenverhältnis für die gesamte Anleihe 375

BT-Drs. 16/12814 S. 19. K. Schmidt/Spliedt, § 225a Rn. 28. 377 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 16; FK/Friedl, § 19 Rn. 51; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 110; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 79. 378 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 110. 379 In die Richtung auch Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 110. 380 Ampferl, FS Kübler, S. 11, 16; Hofmann, FS Kübler, S. 265, 269; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027; FK/Friedl, § 19 Rn. 51, Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 111; Schmidt/ Westpfahl/Seibt, Sanierungsrechts, Anhang zu § 39 InsO Rn. 45. 376

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

übertragen wurde.381 Eine geteilte Stimmabgabe ist mit dem Ziel einer effizienten Verfahrensabwicklung nicht vereinbar, der Gesetzgeber hat durch die Regelung einer globalen Geltendmachung der Rechte in § 19 Abs. 3 SchVG auf eine solche verzichtet.382 Das Gebot einer einheitlichen Stimmrechtsausübung bei einer gemeinschaftlichen Geltendmachung von Rechten ist auch dem Insolvenzverfahren nicht unbekannt. Haben sich mehrere Gläubiger etwa zu einem Pool zusammengefasst, können diese ihr Stimmrecht ebenfalls nur einheitlich ausüben.383 Zwar ist zutreffend, dass dies zu Mehrheitsverfälschungen führen kann, indem eine im Innenverhältnis mit lediglich mindestens 51 % gefasste Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger zu einem Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters von 100 % der Anleihe in der Insolvenzgläubigerversammlung führt.384 Daraus folgt, dass der entgegenstehende Wille einer unter Umständen 49 %igen Minderheit ungeachtet bleibt.385 Der Empfehlung einzelner Stimmen im Schrifttum zu einer Vermeidung derartiger Verzerrungen des im Innenverhältnis tatsächlich erreichten Abstimmungsergebnisses, auf die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zu verzichten,386 ist insbesondere dann nicht zu folgen, wenn die Anleihe im Streubesitz vieler Kleinanleger ist, für die die Interessenwahrnehmung durch einen gemeinsamen Vertreter erhebliche Vorteile hat. 2. Kopfmehrheit a) Ausgangslage und Meinungsstand Ist neben der Summen- eine Kopfmehrheit erforderlich, ist unklar, wie Letztere zu bestimmen ist, wenn der gemeinsame Vertreter für alle Anleihegläubiger an der Abstimmung teilnimmt. Diese Frage ist bei der Abwahl eines Insolvenzverwalters sowie der Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung von wesentlicher Bedeutung.387 Nach einhelliger Meinung sowohl im schuldverschreibungsrechtlichen als auch im insolvenzrechtlichen Schrifttum besitzt der gemeinsame Vertreter für jeden Anleihegläubiger eine Kopfstimme.388 Er hat demnach so viele Stimmen wie es 381

Ampferl, FS Kübler, S. 11, 16. FK/Friedl, § 19 Rn. 52. 383 MüKoInsO/Hintzen, § 244 Rn. 11. 384 So Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028; FK/Friedl, § 19 Rn. 52. 385 FK/Friedl, § 19 Rn. 52. 386 Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028; FK/Friedl, § 19 Rn. 52. 387 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 112; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 46. 388 Hofmann, FS Kübler, S. 265, 269; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027; Penzlin/ Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; FK/Friedl, § 19 Rn. 51; K. Schmidt/Jungmann, § 74 Rn. 35; KPB/Kübler, § 76 Rn. 25; Nerlich/Römermann/Delhaes, § 77 Rn. 7; Langenbucher/Bliesener/ Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 33; Scherber/Preuße, 382

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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Anleihegläubiger gibt, da die einzelnen Forderungen nicht zu einer Gesamtforderung vereinigt werden, sondern auch im Fall einer Vertretung weiterhin ihre Selbstständigkeit behalten.389 Eine Reduzierung der Stimmmacht der Anleihegläubiger auf eine einzige Kopfstimme ist nicht zu rechtfertigen.390 Auf Grund der Handelbarkeit ist die Kopfzahl in der Praxis jedoch kaum zu bestimmen.391 Die Anzahl der Anleihegläubiger kann nicht einfach mit der Stückelung der Anleihe gleichgesetzt werden. Gerade bei in Krise geratenen Emittenten werden Schuldverschreibungen oft mehrheitlich von Investoren gehalten.392 Repräsentiert ein Gläubiger jedoch mehrere Forderungen, kann dieser in der Abstimmung insgesamt nur eine Kopfstimme haben.393 Bereits der historische Gesetzgeber erkannte das Problem der Feststellung der Anzahl der Anleihegläubiger.394 Dieser schlug mangels gesetzlicher Regelung vor, es in das Ermessen des Insolvenzgerichts zu legen, die Anzahl der vertretenen Anleihegläubiger zu bestimmen.395 Daneben wird vorgeschlagen, auf die Liste der teilnehmenden Anleihegläubiger an der letzten Anleihegläubigerversammlung zurückzugreifen.396 Da beide Vorschläge letztlich auf eine Schätzung der Zahl der Gläubiger hinauslaufen, wird vertreten, dass die berücksichtigungsfähige Kopfmehrheit auf die tatsächlich nachgewiesenen Anleihegläubiger begrenzt ist.397 Der gemeinsame Vertreter muss von den Anleihegläubigern Legitimationsnachweise in Form einer Depotbescheinigung mit Sperrvermerk einfordern und in der Insolvenzgläubigerversammlung vorlegen.398 Dieser erhält sodann so viele Kopfstimmen wie er Depotauszüge mit Sperrvermerke beibringen kann.399 § 19 Rn. 33; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 46; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 79; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 625; so im Grundsatz auch HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 112. 389 Kuder/Obermüller, ZInsO 2025, 2027; Penzlin/Klerx, ZInsO 311, 313; HmbKomm/ Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 112. 390 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 112; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 46. 391 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 112; Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap 15 Rn. 183. 392 Westpfahl, FS Kübler, S. 773, 773. 393 Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 244 Rn. 4. 394 Reichstagsprotokoll 10. Legislaturperiode, I. Session 1898/1900, Aktenstück Nr. 105 S. 917. 395 Reichstagsprotokoll 10. Legislaturperiode, I. Session 1898/1900, Aktenstück Nr. 105 S. 917; Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 13. 396 Theiselmann/Lürken, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Kap. 15 Rn. 183 Fn. 259. 397 Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 112. 398 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 112; so auch Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 46, jedoch nur für den Fall, dass der Rechtspfleger einen Nachweis für die Anzahl der vertretenen Anleihegläubiger fordert. 399 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 80.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Die Gegenansicht vertritt, dass bei einer Bündelung von Rechten in der Person des Vertreters sich die Kopfstimmenzahl nicht von der Anzahl der Vertretenen ableiten kann, sondern der Zweck der mit der Kopfstimmenmehrheit verbundenen Regelungen vielmehr die Reduzierung auf eine Kopfstimme erfordert.400 Die Insolvenzordnung will mit der Anordnung des zusätzlichen Erfordernisses der Kopfmehrheit verhindern, dass einzelne Großgläubiger oder Gläubigergruppen über das Insolvenzverfahren bestimmen.401 Dies ist jedoch der Fall, wenn der gemeinsame Vertreter als einzelne Person faktisch im Alleingang über für das Insolvenzverfahren weitreichende Entscheidungen befinden kann, ohne dass es dabei auf die Stimmen der übrigen Gläubiger ankommt. Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters erfordert es, dass er mit allen Beteiligten auf Augenhöhe verhandeln kann, ohne dass einzelne Personen mit der Drohung einer Abwahl oder Beendigung der Eigenverwaltung ihrer Position Nachdruck verleihen können.402 Eine daraus resultierende Verschiebung der Machtstruktur zwischen den einzelnen Beteiligten muss verhindert werden.403 Im Fall des gesetzlichen Forderungsübergangs auf sog. Rückgriffsgläubiger wie etwa bei der Bundesagentur für Arbeit bezüglich der Ansprüche der Arbeitnehmer bei Zahlung des Insolvenzgeldes sowie dem Pensionssicherungsverein, auf den als Träger der Insolvenzsicherung für betriebliche Altersversorgung die Ansprüche auf Betriebsrenten übergehen, ist aus diesem Grund anerkannt, dass diesen nur eine Kopfstimme zugerechnet wird.404 Dies hat genauso zu gelten, wenn die Forderungen zwar nicht übertragen werden, aber mit der Bündelung der Rechte in einer Person eine gemeinschaftliche Geltendmachung bezweckt wird.405 b) Stellungnahme aa) Ausgangslage Allgemein gilt, dass bei der Vertretung von Gläubigern in insolvenzrechtlichen Abstimmungen ein Vertreter so viele Stimmen hat, wie er Gläubiger vertritt.406 Daraus könnte auf den ersten Blick geschlossen werden, dass für den gemeinsamen Vertreter nicht anderes gelten kann, nachdem die Forderungen der Anleihegläubiger ihre Selbständigkeit behalten und gerade nicht auf den gemeinsamen Vertreter übergehen.

400

Ampferl, FS Kübler, S. 12, 19 ff. Ampferl, FS Kübler, S. 12, 19. 402 Ampferl, FS Kübler, S. 12, 19 f. 403 Ampferl, FS Kübler, S. 12, 19. 404 Ampferl, FS Kübler, S. 12, 20; HmbKomm/Thies, § 244 Rn. 6; K. Schmidt/Spliedt, § 244 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Braun, § 244 Rn. 16; Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 244 Rn. 4. 405 Ampferl, FS Kübler, S. 12, 20. 406 K. Schmidt/Spliedt, § 244 Rn. 5; MüKoInsO/Hintzen, § 244 Rn. 20; Nerlich/Römermann/Braun, § 244 Rn. 16. 401

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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Jedoch ist die Situation der individuellen Vollmachtserteilung durch Einzelgläubiger nicht vergleichbar mit der von den Anleihegläubigern durch Mehrheitsbeschluss erteilten Rechtsmacht. Der gemeinsame Vertreter vertritt auf Grund des Mehrheitsprinzips auch diejenigen Anleihegläubiger, die bereits gegen dessen Bestellung als solche waren oder gegen die Erteilung einer Weisung bezüglich eines bestimmten Abstimmungsverhaltens gestimmt haben. Er vertritt damit eine enorm hohe Anzahl von Gläubigern, was bei individuell bevollmächtigten Vertretern in der Praxis kaum vorkommt. Weiterhin macht der von mehreren Gläubigern individuell bevollmächtige Vertreter – anders als der gemeinsame Vertreter – regelmäßig verschiedenartige Forderungen der Gläubiger geltend, so dass das Stimmrecht für jeden vertretenen Gläubiger verschieden ausgeübt werden kann. Außerdem bleibt es den Einzelgläubigern trotz vorheriger Bevollmächtigung eines Vertreters unbenommen, ihr Stimmrecht letztlich doch selbst auszuüben. Ist hingegen ein gemeinsamer Vertreter bestellt, sind die einzelnen Anleihegläubiger von der individuellen Rechtsverfolgung und damit von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen. Die Privatautonomie der Anleihegläubiger ist durch das Alleinvertretungsrecht des gemeinsamen Vertreters gem. § 19 Abs. 3 SchVG eingeschränkt.407 Allein durch eine Abwahl des gemeinsamen Vertreters gem. § 7 Abs. 4 SchVG können die Anleihegläubiger ihre Rechte in Insolvenzgläubigerversammlungen wieder selbst verfolgen. Eine unterschiedliche Ausübung des Stimmrechts ist bei einer gemeinschaftlichen Geltendmachung der Rechte durch deren Bündelung in der Person des gemeinsamen Vertreters ausgeschlossen. Auf Grund des verdrängenden Mandats gem. § 19 Abs. 3 SchVG kann der gemeinsame Vertreter nicht mit einem gewöhnlichen rechtsgeschäftlichen Vertreter gleichgesetzt werden. Da die Ausgangslage bei der Vertretung der Anleihegläubiger durch einen gemeinsamen Vertreter eine andere ist, ist fraglich, ob die Grundsätze zur Bestimmung der Kopfstimmenzahl für den Vertreter mehrerer Einzelgläubiger auf die gemeinschaftliche Geltendmachung durch den gemeinsamen Vertreter übertragen werden können. bb) Keine Anwendung der bei Individualermächtigung geltenden Grundsätze (1) Sinn und Zweck der Kopfmehrheit Eine entsprechende Anwendung der bei der Individualermächtigung eines Vertreters geltenden Grundsätze auf den gemeinsamen Vertreter ist entgegen der absolut herrschenden Ansicht abzulehnen. Zutreffend stellt die Mindermeinung fest, dass Sinn und Zweck der Kopfmehrheit im Insolvenzverfahren dem entgegenstehen.408 Das zusätzliche Erfordernis der Kopfmehrheit dient der Durchsetzung der Interessen 407 408

Horn, BKR 2014, 449, 450. Ampferl, FS Kübler, S. 11, 19.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

der Gläubigergesamtheit und damit gleichzeitig dem Minderheitenschutz.409 Mit der Kopfstimme sollen Interessenunterschiede berücksichtigt und eine Beherrschung der Abstimmung durch wirtschaftliche Macht verhindert werden.410 Im Fall der Abwahl des Insolvenzverwalters soll dadurch unterbunden werden, dass einzelne Gläubiger einen ihnen genehmen Insolvenzverwalter durchsetzen können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es für Letzteres sowie für die Beendigung der Eigenverwaltung keiner bestimmten Sachgründe bedarf, deren Vorliegen vom Insolvenzgericht geprüft werden können, ist es geboten, dass hierüber allein die Gläubigergesamtheit entscheiden darf.411 Sinn und Zweck der Kopfmehrheit würde ins Gegenteil verkehrt, wenn der gemeinsame Vertreter so viele Kopfstimmen hätte, wie es Anleihegläubiger gibt. Dann würde genau die Situation eintreten, die die Kopfmehrheit gerade zu verhindern versucht: eine Beherrschung der Abstimmung durch eine Gläubigergruppe. Es wäre gerade die Kopfstimme, die einer einzelnen Gläubigergruppe zur Mehrheitsherrschaft über für das Insolvenzverfahren bedeutsame Entscheidungen verhelfen würde. (2) Kopfstimmenzahl bei kollektiver Geltendmachung von Rechten Allein aus der fortbestehenden Selbstständigkeit der Forderungen der Anleihegläubiger kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der gemeinsame Vertreter so viele Kopfstimmen hat, wie es Anleihegläubiger gibt. So wird hinsichtlich der auf den Pensionssicherungsverein gesetzlich übergegangenen Ansprüche der Versorgungsberechtigten vertreten, dass diese weiterhin ihre Eigenständigkeit behalten und eine Vielzahl selbstständiger Ansprüche in der Hand des Pensionssicherungsvereins darstellen.412 Gleichwohl ist das Schrifttum der Ansicht, dass insgesamt nur eine Kopfstimme gewährt werden kann.413 Streitentscheidend ist danach nicht die Frage, ob es sich um eine Gesamtforderung oder um eigenständige Forderungen handelt, sondern vielmehr, ob der Sinn und Zweck der Kopfmehrheit gewahrt wird.414 Der Pensionssicherungsverein verfolgt als Rückgriffsgläubiger gleiche Interessen. Obwohl die Forderungen verschiedener Gläubiger übergehen, hat der Pesionsssicherungsverein daher nur eine Kopfstimme. Gleiches gilt im Fall der Bundesagentur für Arbeit.415 Für die Bestimmung der Kopfmehrheit beim gemeinsamen Vertreter kann nichts anderes gelten. Zwar werden diesem die Anleiheforderungen zu deren gemeinschaftlichen Geltendmachung nicht wie bei dem Pensionssicherungsverein gem. § 9 409

BT-Drs. 17/5712 S. 42; Uhlenbruck/Zipperer, § 272 Rn. 3. HmbKomm/Thies, § 244 Rn. 6. 411 Ampferl, FS Kübler, S. 12, 20. 412 FK-InsO/Jaffé, § 244 Rn. 23 f. m.w.N. 413 HmbKomm/Thies, § 244 Rn. 6; K. Schmidt/Spliedt, § 244 Rn. 5; Nerlich/Römermann/ Braun, § 244 Rn. 16; Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 244 Rn. 4. 414 Vgl. HmbKomm/Thies, § 244 Rn. 6. 415 K. Schmidt/Spliedt, § 244 Rn. 5. 410

B. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters

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Abs. 2 BetrAVG und der Bundesagentur für Arbeit gem. § 169 Satz 1 SGB III gesetzlich übertragen. Jedoch besteht die Gemeinsamkeit, dass sich die Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters zur gemeinschaftlichen Geltendmachung der Forderungen – wie bei den Rückgriffsgläubigern im Rahmen der cessio legis – gem. § 19 Abs. 3 SchVG qua Gesetz ergibt. Auf eine Rechtsmacht, deren Umfang sich aus dem Gesetz ergibt, können die bei einer Individualermächtigung geltenden Grundsätze keine Anwendung finden. Maßgeblich ist allein, ob der gemeinsame Vertreter wirksam bestellt und dieser damit die umfassende Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG innehat. Auf die Anzahl der vertretenen Anleihegläubiger kommt es nicht an. Dies gilt auch dann, wenn der gemeinsame Vertreter im Vorfeld einer Insolvenzgläubigerversammlung Individualermächtigungen von Anleihegläubigern einsammelt, um dadurch die Anzahl der Kopfstimmen zu erhöhen. Auf Grund des verdrängenden Mandats des gemeinsamen Vertreters gem. § 19 Abs. 3 SchVG sind die Anleihegläubiger nicht berechtigt, diesem eine Individualermächtigung zur Ausübung des Stimmrechts in einer Insolvenzgläubigerversammlung zu erteilen. Auch bereits vor der Bestellung erteilte Individualvollmachten werden durch die Bestellung des gemeinsamen Vertreters und dessen qua Gesetz angeordnete umfassende Rechtsmacht überlagert. Ist ein gemeinsamer Vertreter wirksam bestellt, kommt es auf die Anzahl erteilter Individualvollmachten nicht an. Es darf keinen Unterschied machen, ob die Forderungen zur gemeinschaftlichen Geltendmachung an den gemeinsamen Vertreter übertragen werden oder er diese in Prozessstandschaft gemeinschaftlich geltend macht,416 zumal der gemeinsame Vertreter durch die Sperrwirkung des Mandats gem. § 19 Abs. 3 SchVG im Außenverhältnis faktisch wie ein Forderungsinhaber tätig wird. Der Grund, warum die Anleihegläubiger dennoch Forderungsinhaber bleiben, obwohl sie von der individuellen Rechtsverfolgung ausgeschlossen sind, liegt allein darin, die Verkehrsfähigkeit der Schuldverschreibungen auch nach der Eröffnung der Insolvenz aufrechtzuerhalten. c) Ergebnis Der Schutz der Interessen aller Gläubiger sowie die Wahrung der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters erfordern die Festlegung der Kopfstimmenzahl des gemeinsamen Vertreters auf lediglich eine Stimme. Dies gilt umso mehr, als sich in der Praxis ein Kreis von wenigen Spezialisten herauskristallisiert hat,417 die bereits in zahlreichen Verfahren das Amt des gemeinsamen Vertreters übernommen haben.418 416

Ampferl, FS Kübler, S. 12, 20. Scholz, jurisPR-InsR 13/2106 Anmerk. 4 lit. A, abrufbar unter www.juris.de. 418 So ist etwa die Beratungsgesellschaft One Square Advisors GmbH tätig, die in den letzten Jahren in zahlreichen Verfahren zum gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger bestellt worden ist wie etwa in den Insolvenzverfahren der damaligen Ekotechnika GmbH, Pfleiderer GmbH, Laurèl GmbH sowie Steilmann SE; vgl. http://www.onesquareadvisors.com/ deutsch/fallstudien.php, zuletzt aufgerufen am 31. 01. 2017. 417

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

In Kombination mit der Möglichkeit der maßgebenden Einflussnahme auf die Abwahl und Bestellung eines Insolvenzverwalters entsprechend der herrschenden Meinung, könnte das Machtpotential des gemeinsamen Vertreters gegenüber dem Insolvenzverwalter noch größer werden, wenn dieser darauf hofft, beim nächsten anstehenden Insolvenzverfahren vom gemeinsamen Vertreter wieder als Verwalter vorgeschlagen zu werden.419 Dies muss unbedingt vermieden werden.

IV. Ergebnis § 19 Abs. 1 SchVG umfasst sämtliche im eröffneten Insolvenzverfahren getroffenen Beschlüsse der Anleihegläubiger, unabhängig davon, ob diese in der ersten oder in weiteren Anleihegläubigerversammlungen gefasst werden. Nur durch eine konsequente Anwendung des in § 19 Abs. 1 SchVG geregelten Vorrangs des Insolvenzrechts kann die Gemengelage zwischen dem SchVG und der Insolvenzordnung zu Gunsten einer einfachen und rechtssicheren Durchführung des Insolvenzverfahrens gelöst werden. Der gemeinsame Vertreter kann gem. § 19 Abs. 3 SchVG im Außenverhältnis uneingeschränkt – auch ohne vorherigen Weisungsbeschluss – mit Wirkung für alle Anleihegläubiger wirksam handeln. Dies gilt jedoch nur insoweit, als es um die Geltendmachung insolvenzrechtsspezifischer Rechte geht. Nicht erfasst von der Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG ist die Erteilung der Zustimmung zu einem im Insolvenzplan geregelten Debt-Equity-Swap. Bei der Abstimmung in der Insolvenzgläubigerversammlung gilt es, die gem. § 19 Abs. 1 SchVG vorrangigen Wertungen des Insolvenzrechts zu beachten, so dass dem gemeinsamen Vertreter nach Sinn und Zweck der Kopfmehrheit nur eine Kopfstimme zukommt.

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger I. Vergütung des gemeinsamen Vertreters 1. Gesetzliche Ausgangslage: § 7 Abs. 6 SchVG a) Meinungsstand Die rechtliche Einordnung der Kostentragungspflicht des Emittenten nach § 7 Abs. 6 SchVG ist umstritten. Einer Ansicht nach räumt § 7 Abs. 6 SchVG den Anleihegläubigern gegenüber dem Schuldner einen Befreiungsanspruch gem. § 257 419 Vgl. Grub, ZInsO 2016, 897, 900, wonach im Zusammenhang mit der Frage der Vergütung des gemeinsamen Vertreters der Insolvenzverwalter aus diesem Grund sich mit dem gemeinsamen Vertreter nicht streiten wird.

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger

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BGB420 bzw. einen Kostenerstattungsanspruch ein.421 Andere sehen § 7 Abs. 6 SchVG als anspruchsbegründende Norm gegenüber dem Schuldner und gleichzeitig als eine Innenregressregelung i.S.v.. § 426 BGB im Rahmen der zwischen Anleihegläubiger und Schuldner bestehenden Gesamtschuld gem. § 421 BGB.422 Nach der Gegenansicht richten sich die Ansprüche des gemeinsamen Vertreters unmittelbar nur gegen den Schuldner.423 Abweichend zur sonst geltenden Rechtslage nach § 670 BGB richtet sich der Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters nicht gegen den Geschäftsherrn, die Anleihegläubiger, sondern de lege lata direkt und ausschließlich gegen den Schuldner.424 b) Stellungnahme Letzterer Ansicht ist zuzustimmen. Die Regelungen des BGB sind auf den der Mandatierung zu Grunde liegenden Geschäftsbesorgungsvertrag nur vorbehaltlich abweichender Regelungen des SchVG anwendbar.425 Es handelt sich um ein im wesentlichen Umfang gesetzlich überlagertes Vertragsverhältnis.426 So enthält das SchVG zahlreiche Vorschriften, die teilweise nur deklaratorischer Art sind, teilweise aber auch von den Vorschriften des BGB abweichen.427 § 7 Abs. 6 SchVG trifft eine von der sonst geltenden Rechtslage abweichende Regelung, indem der (vertragliche) Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters sich nicht gegen die Anleihegläubiger, sondern mit dessen Bestellung unmittelbar gegen den Schuldner richtet. Die Annahme einer Gesamtschuldnerschaft gem. § 421 BGB, die den gemeinsamen Vertreter dazu berechtigt, auch von den Anleihegläubigern die Leistung zu fordern, widerspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, die Anleihegläu420 Antoniadis, NZI 2014, 785, 787; so wohl auch BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 27 ZIP 2017, 383; ebenfalls in die Richtung Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 587, die von einem gesetzlich angeordneten Aufwendungsersatzanspruch ausgehen. 421 Scholz, DZWIR 2016, 451, 452. 422 Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399. 423 Brenner, NZI 2014, 789, 791; FK/Wöckener, § 7 Rn. 56; Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 64; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 7 Rn. 51; Heidel/Müller, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 7 SchVG Rn. 15; Preuße/ Scherber, § 7 Rn. 91; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 80. 424 Brenner, NZI 2014, 789, 791; Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 80. 425 Veranneman/ders., §§ 7, 8 Rn. 26; ausführlich zum Rechtsverhältnis zwischen gemeinsamen Vertreter und Anleihegläubiger siehe S. 171 ff. 426 Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 31. 427 Preuße/Nesselrodt, § 7 Rn. 49; ausführlich zu den modifizierenden Vorschriften des SchVG Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 29, der auf Grund der zahlreichen das Innenverhältnis zwischen Gläubiger und gemeinsamer Vertreter regelnde Vorschriften im SchVG eine Einordnung in die Vertragstypik des BGB für nicht erforderlich erachtet und daher die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Gläubiger und Vertreter für naheliegend hält.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

biger von einer Kostentragung gänzlich freizustellen.428 Mit § 7 Abs. 6 SchVG wollte er keine Regressnorm einführen,429 sondern vielmehr die Ansprüche des gemeinsamen Vertreters allein gegen den Schuldner richten. Letzteres spricht auch gegen eine Einordnung des § 7 Abs. 6 SchVG als Aufwendungsersatzanspruch bzw. Befreiungsanspruch der Anleihegläubiger gegen den Schuldner. 2. Insolvenzrechtliche Einordnung des Vergütungsund Erstattungsanspruchs a) Streitstand – Einführung In der Praxis ist die Frage, wie die Kosten des gemeinsamen Vertreters rechtlich einzuordnen sind, bislang eines der meistdiskutiertesten Themen. Während der Vergütung- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters für eine Tätigkeit vor Insolvenzeröffnung unstreitig als einfache Insolvenzforderung gem. § 38 InsO einzuordnen ist,430 ist die Einordnung des Kostenerstattungsanspruchs eines erst nach Insolvenzeröffnung tätig werdenden gemeinsamen Vertreter umstritten, nachdem weder die Insolvenzordnung noch das SchVG eine Regelung hierzu enthalten. Nahezu Einigkeit besteht darin, dass die Kostentragungspflicht des Schuldners gem. § 7 Abs. 6 SchVG mangels abweichender Regelungen in § 19 SchVG auch im eröffneten Insolvenzverfahren weiterhin Geltung haben soll.431 Nach überwiegender Ansicht im Schrifttum soll dem Kostenerstattungsanspruch des im Insolvenzverfahren tätig werdenden gemeinsamen Vertreters die Rangklasse einer Masseverbindlichkeit zukommen. Als Massegläubiger gem. § 53 InsO ist der gemeinsame Vertreter demnach vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Die Begründungsansätze sind dabei vielfältig. Während einige vertreten, dass die Kosten des gemeinsamen Vertreters zu den Verfahrenskosten in direkter bzw. analoger Anwendung des § 54 Nr. 2 InsO zu zählen sind,432 unterscheiden einige danach, ob der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung eine 428

BT-Drs. 16/12814 S. 20. Hopt/Seibt/Thole, § 7 Rn. 65. 430 LG Düsseldorf 11. 05. 2016 23 O 97/15 Tz. 16 ZIP 2016, 1036 [nrkrf]; Antoniadis, NZI 2014, 785, 787; Horn, BKR 2014, 449, 452; FK/Friedl, § 19 Rn. 49; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 35; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 76; Wilken/ Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 590. 431 Brenner, NZI 2014, 789, 791 ff.; Horn, BKR 2014, 449, 452; Thole, ZIP 2014, 293, 299; FK/Friedl, § 19 Rn. 49; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 84; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 75; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 72; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 85; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 593; a.A. Antoniadis, NZI 2014, 785, 788; offenlassend LG Düsseldorf 11. 05. 2016 23 O 97/15 Tz. 14 ZIP 2016, 1160. 432 Brenner, NZI 2014, 789, 793 ff.; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 75; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 24; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 89; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 35. 429

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger

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Vergütungsvereinbarung mit dem gemeinsamen Vertreter abgeschlossen hat. Ist dies der Fall, ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO einschlägig; für den Fall, dass keine Vergütungsvereinbarung vorliegt, ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO anwendbar.433 Andere wiederum stützen den Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.434 Den verschiedenen Begründungsansätzen ist gemein, dass sie das dringende praktische Bedürfnis nach einer insolvenzrechtlichen Privilegierung des Vergütungsund Erstattungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters hervorheben. Ohne eine Kostentragung durch die Masse würde sich keine Person bereit erklären, als gemeinsamer Vertreter im Insolvenzverfahren tätig zu werden,435 obwohl der Gesetzgeber die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gerade für wünschenswert erachtet. Es ist festzustellen, dass die herrschende Literaturmeinung in erster Linie ergebnisorientiert argumentiert. Vor dem Hintergrund, dass einige Vertreter der herrschenden Meinung selbst Ambitionen haben, in Insolvenzverfahren das Amt des gemeinsamen Vertreters zu übernehmen, dürften diese sogar vorrangig in eigenem Interesse sprechen.436 Nach der sich im Schrifttum in der Minderheit befindenden Gegenansicht widerspricht eine Privilegierung des gemeinsamen Vertreters als Massegläubiger dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung.437 Es gibt keinen Grund, die Kosten der Anleihegläubiger für ihre Teilnahme am Insolvenzverfahren anders zu behandeln als die entsprechenden Kosten aller übrigen Insolvenzgläubiger.438 Der Vergütungs- und Erstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters ist demzufolge als einfache439 bzw. als nachrangige Insolvenzforderung zu qualifizieren, da es sich bei seiner Vergütung

433 Brenner, NZI 2014, 789, 792, Brenner/Moser, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 968, 971; K. Schmidt/Thole, § 55 Rn. 18; so auch Schmidt/Westpfahl/ Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 77 für den nach Insolvenzeröffnung bestellten gemeinsamen Vertreter; nicht zwischen den Alternativen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO differenzierend Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399; Horn, BKR 2014, 449, 452. 434 Hofmann, FS Kübler S. 265, 273; Thole, ZIP 2014, 293, 299; so auch Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 76 für den vor Insolvenzeröffnung bestellten gemeinsamen Vertreter. 435 Brenner, NZI 2014, 789, 793; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399; Horn, BKR 2014, 449, 452; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 91; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 89; Wilken/ Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 602. 436 So Grub, ZInsO 2016, 897, 898; so etwa RA Gloeckner oder RAe Brenner und Moser; Letztere waren für One Square Advisors GmbH tätig, die in den letzten Jahren in zahlreichen Verfahren zum gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger bestellt wurde, wie etwa in den Insolvenzverfahren der damaligen Ekotechnika GmbH, Pfleiderer GmbH, Laurèl GmbH sowie Steilmann SE. 437 Antoniadis, NZI 2014, 785, 788; Grub, ZInsO 2016, 897, 900. 438 Grub, ZInsO 2016, 897, 900. 439 FK/Friedl, § 19 Rn. 49.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

strukturell um Kosten handelt, die den Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren gem. § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO entstehen.440 Dieser Ansicht haben sich in ersten Entscheidungen erstinstanzliche Gerichte angeschlossen.441 Mit Beschluss vom 14. Juli 2016 entschied der BGH, dass die Kosten des gemeinsamen Vertreters nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gem. § 54 Nr. 2 InsO gehören, wobei er die Frage der Einordnung als sonstige Masseverbindlichkeit vorerst nicht beantwortete.442 Dies hat der BGH mit Urteil vom 12. Januar 2017 nun geändert. b) Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2017 aa) Entscheidungsgründe Mit Urteil vom 12. Januar 2017 wurde die Frage der insolvenzrechtlichen Einordnung des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters höchstrichterlich geklärt. Ausgehend von einer Fortgeltung der Kostentragungspflicht des Schuldners gem. § 7 Abs. 6 SchVG im eröffneten Insolvenzverfahren, entschied der BGH, dass der Anspruch des gemeinsamen Vertreters auf Vergütung und Auslagenerstattung weder zu den Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO noch zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 InsO zählt, die gem. § 53 InsO vorrangig aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind.443 Der BGH stellt klar, dass für die Beurteilung, ob eine gegen den Schuldner gerichtete Forderung vorab aus der Masse zu befriedigen ist, nicht wirkliche oder vermeintlich praktische Bedürfnisse, sondern die Normen des Insolvenzrechts, maßgebend sind.444 Der erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellte gemeinsame Vertreter ist mit seinem Anspruch Neugläubiger, dem der Schuldner nur nach Maßgabe des § 89 Abs. 2 InsO mit seinem insolvenzfreien Vermögen haftet.445 Eine Teilnahme als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren kommt nur insoweit in Betracht, als er einen an ihn abgetretenen, aus der Regelung in § 7 Abs. 6 SchVG abgeleiteten und aufgrund der Abtretung in einen Zahlungsanspruch übergegangenen Freistellungsanspruch der von ihm vertretenen Anleihegläubiger gegen den Schuldner geltend macht.446 440 Antoniadis, NZI 2014, 785, 788; Grub, ZInsO 2016, 897, 899; Scholz, jurisPR-InsR 13/ 2016, Anmerk. 4; in die Richtung auch Cranshaw, jurisPR-InsR 18/2015 Anmerk. 3. Lit. C II. 5, jeweils abrufbar unter www.juris.de; Wegener, NZI 2017, 54, 56; zum alten Recht Ansmann, § 19 SchVG 1899 Anmerk. 3. 441 LG Saarbrücken 03. 09. 2015 4 O 221/14 NZI 2016, 233; LG Düsseldorf 11. 05. 2016 23 O 97/15 ZIP 2016, 1036. 442 BGH 14. 07. 2016 IX ZB 46/15 Tz. 21 ff. ZIP 2016, 1688. 443 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 12 ff. ZIP 2017, 383. 444 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 14 ZIP 2017, 383. 445 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 26 ZIP 2017, 383. 446 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 27 ZIP 2017, 383.

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger

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Im Ergebnis steht dem gemeinsamen Vertreter damit regelmäßig kein Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch gegen die Masse zu, es bleibt ihm aber die Möglichkeit, die Übernahme der Tätigkeit davon abhängig zu machen, dass die ihm zustehende Vergütung von den Anleihegläubigern direkt oder mittelbar aus der vom gemeinsamen Vertreter erzielten Befriedigungsquote aufgebracht wird.447 Im Einzelfall kann auch eine Vergütungsvereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und gemeinsamen Vertreter zulässig sein.448 Im Übrigen obliegt es dem Gesetzgeber, die rechtlichen Voraussetzungen für eine bessere Absicherung des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zu sorgen.449 bb) Rechtliche Würdigung der Entscheidungsgründe (1) Keine Verfahrenskosten Eine direkte als auch eine analoge Anwendung des § 54 InsO scheidet laut BGH aus, da zum einen § 54 InsO abschließend aufzählt, welche Kosten als Kosten des Insolvenzverfahrens gelten und Funktion und Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters nicht mit den Aufgabenbereichen der in § 54 Nr. 2 InsO aufgeführten Personen vergleichbar ist.450 Damit hat der BGH seine bereits im Beschluss vom 14. Juli 2016 vertretene Ansicht fortgeführt. In dieser Entscheidung hatte der BGH bereits klargestellt, dass die in in § 54 Nr. 2 InsO genannten Organe im Interesse der Gläubigergesamtheit tätig werden, wohingegen der gemeinsame Vertreter allein dem Interesse der von ihm vertretenen Anleihegläubiger verpflichtet ist.451 (2) Keine Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO Die Einordnung als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO lehnt der BGH zutreffend mit der Begründung ab, dass der Anspruch des gemeinsamen Vertreters nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründet wird.452 § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter durch seine Handlung die Grundlage der Verbindlichkeit schafft; der Rechtsboden der Forderung muss gerade von ihm und damit nach Eröffnung gelegt werden.453 Rechtsboden des Kostenerstattungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters ist jedoch allein der die Mandatierung zu Grunde liegende Geschäftsbesorgungsvertrag mit den Anleihegläubigern, der ohne Zutun des Insolvenzverwalters entstanden ist.

447 448 449 450 451 452 453

BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 28 ZIP 2017, 383. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 28 ZIP 2017, 383. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 29 ZIP 2017, 383. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 15 f. ZIP 2017, 383. BGH 14. 07. 2016 IX ZB 46/15 Tz. 15 f. ZIP 2016, 1688. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 18 ZIP 2017, 383. K. Schmidt/Thole, § 55 Rn. 4.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Eine Anwendbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO scheitert laut BGH am fehlenden Massebezug des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters: Zum einen entsteht dieser ohne Zutun des Insolvenzverwalters aufgrund einer privatautonomen Entscheidung der Anleihegläubiger, zum anderen ist die einen effektiven Ablauf des Insolvenzverfahrens mittelbar fördernde Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters nicht ausreichend für die Herstellung eines Massebezugs.454 Richtigerweise ist der Aufgabenbereich des gemeinsamen Vertreters nicht mit der Verwaltung der Insolvenzmasse i.S.d. § 35 Abs. 1 InsO vergleichbar.455 Eine Analogie zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO kommt laut BGH ebenfalls nicht in Betracht, da nicht nur das Vorliegen einer unbeabsichtigten, planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes bereits zweifelhaft ist, sondern es angesichts des Postulats einer Gleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfahren an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt.456 Eine Anwendbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO scheitert daran, dass die Pflicht des Schuldners, die Kosten des im Insolvenzverfahren bestellten gemeinsamen Vertreters zu tragen, nicht auf einem zwischen den Gläubigern oder dem Vertreter einerseits und dem Schuldner andererseits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Stande gekommenen gegenseitigen Vertrag mit synallagmatischen Leistungspflichten beruht, sondern eine Folge der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 6 SchVG ist.457 Darüber hinaus kann die vom gemeinsamen Vertreter erbrachte Leistung nicht mit der eines Massegläubigers verglichen werden. Der Bevorzugung der Ansprüche der Massegläubiger liegt der Gedanke zugrunde, dass die von diesen nach Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungen, die für die Erfüllung der dem Insolvenzverwalter von der Insolvenzordnung auferlegten Pflichten notwendig und erforderlich sind, ein wirtschaftliches Äquivalent gegenüberstehen muss.458 Die Tätigkeit eines gemeinsamen Vertreters vereinfacht zwar die Arbeit des Insolvenzverwalters erheblich, ist aber für die Erfüllung der Aufgaben und Pflichten des Insolvenzverwalters nicht zwingend erforderlich. (3) Keine Vergleichbarkeit mit anderen als Masseverbindlichkeit eingeordneten Kostenerstattungsansprüchen Weiter führt der BGH aus, dass der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters nicht mit anderen Kostenerstattungsansprüchen vergleichbar ist, die in der Rechtsprechung als Masseverbindlichkeiten beurteilt wurden.459

454 455 456 457 458 459

BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 20 f. ZIP 2017, 383. Scholz, DZWIR 2016, 451, 456. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 23 f. ZIP 2017, 383. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 24 ZIP 2017, 383. MüKoInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 13. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 22 ZIP 2017, 383.

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So hat etwa das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 14. Dezember 2015 den Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters im Spruchverfahren gem. § 6 SpruchG als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingeordnet.460 Der BGH stellt klar, dass die Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters nach dem SchVG nicht mit der des gemeinsamen Vertreters im Spruchverfahren gem. § 6 SpruchG461 vergleichbar ist, nachdem dieser zwingend vom Gericht als gesetzlicher Vertreter bestellt wird.462 Diesem besonderen Status entspricht es, dass seine Vergütung vom Gericht festgesetzt wird.463 Dem ist zuzustimmen, da die jeweiligen Institute des gemeinsamen Vertreters nicht vergleichbar sind. Im Gegensatz zum schuldverschreibungsrechtlichen Gläubigervertreter ist der gemeinsame Vertreter im Spruchverfahren ein gesetzlicher Vertreter, dessen Bestellung obligatorisch und der weder an Weisungen der Anteilsinhaber gebunden, noch auskunfts- oder rechenschaftspflichtig ist.464 Doch überzeugt bereits die Entscheidung des OLG Düsseldorfs über die Einordnung des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters gem. § 6 SpruchG als Masseverbindlichkeit nicht, weil es auch hier an einer einschlägigen Norm des Insolvenzrechts fehlt.465 Woraus sich der gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erforderliche Massebezug ergeben soll, lässt das OLG Düsseldorf offen.466 Laut BGH sind die Kosten des gemeinsamen Vertreters zwar mit den durch die Tätigkeit eines Betriebsrats verursachten und nach § 40 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten vergleichbar. Doch sind solche Kosten in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nur dann als Masseverbindlichkeit beurteilt worden, wenn sie durch den Insolvenzverwalter veranlasst waren.467 Dies ist etwa der 460

OLG Düsseldorf 14. 12. 2015 I-26 W 17/14 NZI 2016, 599. Das Spruchverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, in dem außenstehende Aktionäre die Höhe von Ausgleichs- und Abfindungszahlungen bei Strukturmaßnahmen gerichtlich überprüfen lassen können. Die Entscheidung des Gerichts im Spruchverfahren hat gem. § 13 Satz 2 SpruchG inter omnes-Wirkung, d. h. sie wirkt auch für und gegen diejenigen Anteilsinhaber, die selbst keinen Antrag gestellt haben. Nach § 6 Abs. 1 SpruchG hat das Gericht den Antragsberechtigten, die nicht selbst Antragsteller sind, zur Wahrung ihrer Rechte frühzeitig einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, der die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat. 462 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 22 ZIP 2017, 383. 463 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 22 ZIP 2017, 383. 464 MüKoAktG/Kubis, § 6 SpruchG Rn. 15. 465 Kritisch hierzu Paulus, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. 12. 2015, EWiR 2016, 505, 506. 466 OLG Düsseldorf 14. 12. 2015 I-26 W 17/14 NZI 2016, 599; Hacker/Kamke, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. 12. 2015, NZI 2016, 599, 603 sehen den Massebezug in der Verfahrenserleichterung durch die einheitliche Feststellung der Höhe des Kompensationsanspruchs; dies überzeugt nicht, da diese nicht durch den gemeinsamen Vertreter, sondern durch die in § 13 Satz 2 SpruchG angeordnete inter omnes-Wirkung der Entscheidung begründet wird, wofür auch die Tatsache spricht, dass trotz der in § 6 Abs. 1 Satz 1 SpruchG angeordneten obligatorischen Bestellung des gemeinsamen Vertreters durch das Gericht, die Bestellung bei einem ausdrücklichen Verzicht der Anteilsinhaber unterbleiben kann, vgl. MüKoAktG/Kubis, § 6 SpruchG Rn. 9. 467 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 22 ZIP 2017, 383. 461

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Fall, wenn der Insolvenzverwalter ein vom Arbeitgeber eingeleitetes arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren aufnimmt und fortführt468 oder ein sog. präventives Kündigungsverfahren nach § 126 Abs. 1 InsO anstrengt.469 (4) Keine Vergleichbarkeit mit der Pflicht aus § 24 WpHG Ebenso wenig vergleichbar ist laut BGH die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, aus der Insolvenzmasse die Mittel bereit zu stellen, die erforderlich sind, um die Pflichten des Schuldners gem. § 24 WpHG (vormals § 11 WpHG) zu erfüllen.470 Nach § 24 Abs. 1 WpHG ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, den Schuldner bei der Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Pflichten insbesondere dadurch zu unterstützen, indem er aus der Insolvenzmasse die hierfür erforderlichen Mittel bereitstellt. Ratio dieser Vorschrift ist es, zum Zweck der Transparenz an den Finanzmärkten sicherzustellen, dass die kapitalmarktrechtlichen Pflichten eingehalten werden.471 Daraus lässt sich keinerlei Aussage zur insolvenzrechtlichen Einordnung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters ableiten. (5) Stellungnahme Der BGH hat im Ergebnis überzeugend im Sinne der Systematik der Insolvenzordnung die Einordnung des Vergütungsanspruchs als Masseverbindlichkeit abgelehnt, nach der gilt, dass nur solchen Ansprüchen von Gläubigern die Eigenschaft als Masseschuld zukommt, die die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen.472 Was Masseverbindlichkeiten sind, hat die Insolvenzordnung in §§ 54, 55 InsO und in weiteren einzelnen Sondervorschriften (z. B. §§ 163 Abs. 2, 183 Abs. 3 InsO)473 abschließend definiert.474 Doch ist der vom BGH gewählte Ausgangspunkt seiner Entscheidung nach hier vertretener Ansicht – wie sogleich darzustellen ist – nicht zutreffend.

468

HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 75. Uhlenbruck/Zobel, §§ 126, 127 Rn. 35. 470 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 22 ZIP 2017, 383; so aber Brenner/Moser, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 968, 972. 471 BT-Drs. 16/2498 S. 31. 472 MüKoInsO/Hefermehl, § 53 Rn. 5. 473 Eine vollständige Aufzählung aller Sondervorschriften siehe bei Uhlenbruck/Sinz, § 55 Rn. 1. 474 MüKoInsO/Hefermehl, § 53 Rn. 5. 469

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3. Kritik am Begründungsansatz des BGH – Anwendbarkeit des § 7 Abs. 6 SchVG im Insolvenzverfahren a) Ausgangslage und Meinungsstand Der BGH geht in seiner Entscheidung – ohne näher darauf einzugehen – entsprechend der überwiegenden Ansicht im Schrifttum von einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 6 SchVG im eröffneten Insolvenzverfahren aus.475 Das Schrifttum zieht aus dem Umstand, dass die Absätze 2 bis 5 des § 19 SchVG keine abweichende Regelung zur Kostentragung in der Insolvenz des Emittenten treffen, den Schluss, dass es auch nach Insolvenzeröffnung bei der Kostentragungspflicht des Schuldners bleibt.476 So war bereits zum alten SchVG 1899 anerkannt, dass die Kostentragungspflicht des Schuldners gem. §§ 18 Abs. 1 SchVG, 14a Abs. 3 SchVG 1899 auch im Insolvenzverfahren gilt.477 Durch das neue SchVG sollten die Anleihegläubiger nicht schlechter gestellt werden.478 Für eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Kostentragungspflicht des Schuldners auch im Insolvenzverfahren regeln zu wollen, finden sich weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien Hinweise.479 Gleiches gilt für die gegenteilige Behauptung, dass der Gesetzgeber die Regelung der Kostentragungspflicht des Schuldners für das Insolvenzverfahren in den Abs. 2 bis 5 des § 19 SchVG bewusst unterlassen hat.480 Zweifelsfrei steht nur der gesetzgeberische Wille fest, der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG grundsätzlich den Vorrang zu geben.481 Die Frage der Anwendbarkeit einer schuldverschreibungsrechtlichen Regelung im Insolvenzverfahren ist damit allein am Maßstab des § 19 Abs. 1 SchVG zu beurteilen. § 7 Abs. 6 SchVG kann keine Anwendung finden, wenn insolvenzrechtliche Wertungen dem entgegenstehen.

475

Vgl. BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 9 ZIP 2017, 383; Brenner, NZI 2014, 789, 791 ff.; Holzer, NZI 2017, 465, 465, 467; Horn, BKR 2014, 449, 452; Kübler, FS Henckel, S. 183, 192; Thole, ZIP 2014, 293, 299; FK/Friedl, § 19 Rn. 49; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 84; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 75; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 72; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 85; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 593. 476 Brenner, NZI 2014, 789, 791 ff.; Horn, BKR 2014, 449, 452; Kübler, FS Henckel, S. 183, 192; Thole, ZIP 2014, 293, 299; FK/Friedl, § 19 Rn. 49; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 84; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 Rn. 75; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 72; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 85. 477 Ansmann, § 19 SchVG 1899 Anmerk. 3. 478 Brenner/Moser, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 968, 972. 479 Scholz, DZWIR 2016, 451, 454. 480 So aber Antoniadis, NZI 2014, 785, 788. 481 BT-Drs. 12/12814 S. 25.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

b) Stellungnahme aa) Wertung des § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO Die Insolvenzordnung trifft in § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO die allgemeine Regelung, dass Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme erwachsen, nachrangige Insolvenzforderungen sind. Hierunter fallen alle Kosten, die etwa durch die Anmeldung von Forderungen, durch die Teilnahme an Gläubigerversammlungen oder aber durch die Inanspruchnahme eines Vertreters im eröffneten Insolvenzverfahren entstanden sind.482 Lassen sich die Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten, fallen dessen Kosten für Vergütung und Auslagen unter die Kosten der Verfahrensteilnahme.483 Diese können nur dann als Masseforderung geltend gemacht werden, wenn Gläubiger nicht nur lediglich für ihre Individualinteressen, sondern für die Interessen der Gläubigergesamtheit streiten.484 Die einzelnen Gläubiger haben die Kosten ihrer Vertretung im Insolvenzverfahren grundsätzlich selber zu tragen. Die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, der die Rechte in seiner Person gebündelt und kollektiv wahrnimmt, ändert nichts an der Bewertung, dass es sich um Kosten der Gläubiger aus der Teilnahme am Verfahren handelt.485 Eine Anwendung des § 7 Abs. 6 SchVG im Insolvenzverfahren würde dazu führen, dass die Anleihegläubiger ihre Quote ungekürzt um die Kostenerstattungsansprüche des gemeinsamen Vertreters erhalten,486 während die übrigen Insolvenzgläubiger für ihre Rechtsverfolgungskosten grundsätzlich selbst aufkommen müssen, nachdem deren Kostenerstattungsanspruch gegen den Schuldner nachrangig ist. Die Insolvenzmasse ist haftungsrechtlich der Gesamtheit der Gläubiger zugewiesen.487 So sind etwa die Kosten des Poolführers, der ebenfalls zu einer wesentlichen Vereinfachung des Insolvenzverfahrens beiträgt, unstreitig von den Poolmitgliedern zu tragen.488

482 MüKoInsO/Ehricke, § 39 Rn. 21; Nerlich/Römermann/Andres, § 39 Rn. 7; Uhlenbruck/ Hirte, § 39 Rn. 21. 483 MüKoInsO/Ehricke, § 39 Rn. 21; Uhlenbruck/Hirte, § 39 Rn. 21. 484 Scholz, DZWIR 2016, 451, 458; dies ist der Fall für Kosten eines Antrags nach § 163 Abs. 1 InsO, durch den eine Betriebsveräußerung unter Wert verhindert werden soll (§ 163 Abs. 2 InsO) sowie für Prozesskosten eines Feststellungsprozesses, in dem ein Gläubiger durch seinen Widerspruch die Feststellung einer streitigen Forderung zur Tabelle verhindert hat (§ 183 Abs. 3 InsO). 485 Scholz, DZWIR 2016, 451, 458. 486 Cranshaw, jurisPR-InsR 18/2015 Anmerk. 3 lit. C I. 6, abrufbar unter www.juris.de. 487 MüKoInsO/Peters, § 35 Rn. 22. 488 Scholz, DZWIR 2016, 451, 455, 459; Antoniadis, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017 NZI 2017, 228, 232.

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger

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bb) Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung gem. § 19 Abs. 1 SchVG Eine Regelung, die die Rechtsverfolgungskosten einer Gläubigergruppe im Insolvenzverfahren gegenüber den der übrigen Insolvenzgläubiger privilegiert, ist mit dem im Insolvenzrecht geltenden Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar. § 7 Abs. 6 SchVG kann wegen des Anwendungsvorrangs des Insolvenzrechts gem. § 19 Abs. 1 SchVG im eröffneten Verfahren daher keine Anwendung finden.489 Der Einwand, dass in diesem Fall der Anwendungsvorrang nicht greifen soll, weil dieser seinen Niederschlag nur hinsichtlich der Beschlüsse der Anleihegläubiger findet,490 überzeugt nicht. Der Gesetzgeber stellt ausdrücklich klar, dass § 19 Abs. 1 SchVG als umfassender Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung auszulegen ist.491 Dieser Klarstellung hätte es nicht bedurft, hätte der Gesetzgeber das Vorrecht der Insolvenzordnung nur hinsichtlich der Beschlüsse der Anleihegläubiger regeln wollen. Ob sich der Gesetzgeber des Widerspruchs zwischen der Regelung des § 7 Abs. 6 SchVG und den gem. § 19 Abs. 1 SchVG vorrangigen Wertungen der Insolvenzordnung bewusst war, ist unklar. Selbst wenn die Anwendbarkeit der Kostentragungslast des § 7 Abs. 6 SchVG im Insolvenzverfahren dem gesetzgeberischen Willen entsprochen hat, ist dieser unbeachtlich, weil er sich nicht auch objektiviert im Text niedergeschlagen hat.492 Die Gesetzessystematik spricht jedenfalls gegen eine Anwendbarkeit des § 7 Abs. 6 SchVG im Insolvenzverfahren. cc) Anleihegläubiger als Kostenschuldner Ist § 7 Abs. 6 SchVG als gesetzliche Ausnahmeregelung im Insolvenzverfahren nicht anwendbar, bleibt es bei den üblichen Regelungen des Geschäftsbesorgungsvertrags gem. § 675 BGB. Der Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters richtet sich gegen die Anleihegläubiger. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass eine Zahlungspflicht der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren dem Verbot der Nachschusspflicht gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG, wonach eine Verpflichtung zur Leistung für die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss nicht begründet werden kann, widerspricht.493 § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG will verhindern, dass Anleihegläubiger durch Mehrheitsbeschluss gezwungen werden, über das zu tragende Risiko des Kapitalverlustes hinaus, weitere 489 So auch Antoniadis, NZI 2014, 785, 788, wonach davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber bewusst unterlassen hat, in § 19 Abs. 2 bis 5 SchVG die Kostentragungslast durch einen Verweis auf § 7 Abs. 6 SchVG auch für das Insolvenzverfahren zu regeln. 490 FK/Friedl, § 19 Rn. 49. 491 BT-Drs. 16/12814 S. 25. 492 Scholz, DZWIR 2016, 451, 454. 493 So aber Brenner/Moser, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 14. 07. 2016, NZI 2016, 968, 972.

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

Pflichten, insbesondere Nachschusspflichten zu übernehmen.494 Das Verbot des § 5 Abs. 1 Satz 3 erfasst nur einseitige finanzielle Verpflichtungen der Gläubiger.495 Nimmt der gemeinsame Vertreter die Interessen der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren wahr, erhalten die Anleihegläubiger eine Gegenleistung, so dass der Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG nicht durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters berührt ist. c) Praktische Umsetzung aa) Erfüllung des Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruchs Es ist offen, wie die Anleihegläubiger den Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters erfüllen können. Es wird vertreten, dass der gemeinsame Vertreter die ihm zustehende Vergütung sowie Kosten und Aufwendungen vorab aus der den Anleihegläubigern zustehenden Insolvenzquote entnehmen kann.496 Gleiches schlägt auch der BGH in seiner Entscheidung vom 12. Januar 2017 vor, wonach die Vergütung von den Anleihegläubigern direkt oder mittelbar aus der Befriedigungsquote aufzubringen ist.497 Problematisch ist, dass die Quote häufig erst nach Jahren feststeht und ausgezahlt wird, so dass der gemeinsame Vertreter lange auf die Erfüllung seines Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruchs warten muss.498 Weiterhin bleibt offen, wie die selbständige Entnahme des dem gemeinsamen Vertreter zustehenden Betrags praktisch umsetzbar ist. Aufgrund der Bindungswirkung des Bestellungsbeschlusses des gemeinsamen Vertreters trifft die Kostenschuld gem. § 675 Abs. 1 BGB alle Anleihegläubiger. Andererseits steht den Anleihegläubigern gegenüber dem gemeinsamen Vertreter ein Anspruch auf Herausgabe der erlangten Insolvenzquote gem. §§ 675 Abs. 1, 667 BGB zu. Die Anleihegläubiger können einen Beschluss über die Vereinbarung einer Verrechnungsklausel mit dem gemeinsamen Vertreter fassen, die ihn berechtigt, seine Forderung gegen die der Anleihegläubiger automatisch zu verrechnen. Doch auch ohne einen solchen Beschluss ist der gemeinsame Vertreter im Wege der Aufrechnung gem. § 387 BGB berechtigt, die Insolvenzquote in der Höhe der ihm zustehenden Vergütung einzubehalten. Die um diesen Teil gekürzte Quote schüttet der gemeinsame Vertreter sodann über das Clearingsystem an die Anleihegläubiger aus. Problematisch ist, wie kontrolliert werden kann, welchen Betrag der gemeinsame Vertreter tatsächlich für sich einbehält, nachdem der Insolvenzverwalter schuldbe494

Veranneman/ders., § 5 Rn. 13. Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 5 Rn. 66; Veranneman/ders., § 5 Rn. 13. 496 Antoniadis, NZI 2014, 785, 788; Scholz, DZWIR 2016, 451, 459. 497 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 28 ZIP 2017, 383. 498 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 601. 495

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freiend die gesamte Insolvenzquote an den gemeinsamen Vertreter auszahlt und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dafür verantwortlich ist, dass diese auch tatsächlich an die Anleihegläubiger ausgeschüttet wird. Den Anleihegläubigern bleibt allein die Möglichkeit, vom gemeinsamen Vertreter Auskunft über das Verteilungsverzeichnis gem. § 188 InsO zu verlangen, das die Berechnung der auszuschüttenden Beträge ermöglicht,499 um kontrollieren zu können, welche Quote ihnen tatsächlich zusteht. Darüber hinaus besteht keine Möglichkeit einer Kontrolle des gemeinsamen Vertreters. Behält der gemeinsame Vertreter zu viel ein, macht er sich gem. § 267 StGB wegen Untreue strafbar. bb) Beschlussfassung über die Höhe der Vergütung Als Kostenschuldner ist es Sache der Anleihegläubiger, mit dem gemeinsamen Vertreter eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung zu treffen.500 Entgegen der überwiegenden Ansicht im Schrifttum obliegt es damit nicht dem Insolvenzverwalter, den Vergütungsanspruch näher zu konkretisieren.501 Auch wenn § 7 Abs. 6 SchVG im Insolvenzverfahren wegen des Vorrangs der Insolvenzordnung keine Anwendung finden kann, stellt sich gleichwohl die Frage, wie eine der Tätigkeit angemessene Vergütung zu ermitteln ist. Besonders wegen der teilweise exorbitant hohen Vergütungen, die gemeinsame Vertreter in Insolvenzverfahren in Rechnung gestellt haben, ist das Amt des gemeinsamen Vertreters in jüngster Zeit in Verruf geraten. Es wird ihnen vorgeworfen, anstatt die Interessen der Anleihegläubiger vorrangig eigene Interessen im Insolvenzverfahren zu verfolgen.502 Die Vergütung ist vom Umfang der anfallenden Tätigkeiten und den sich stellenden Schwierigkeiten abhängig und soll eine den individuellen Fähigkeiten des gemeinsamen Vertreters angemessene Vergütung sein.503 Ist der gemeinsame Vertreter Rechtsanwalt, sollte auf streitwertbezogenen Regelungen des RVG nicht Bezug genommen werden, da die daraus resultierenden Honorare im Regelfall das Verhältnis zwischen tatsächlich geleisteter Arbeit und Höhe der Vergütung nicht ausgewogen abbilden.504 Auch eine Abrechnung auf Stundenbasis nach den marktüblichen Sätzen kann mit Blick auf die Dauer des Insolvenzverfahrens zu einem exorbitant hohen Honorar führen.505 Planungssicherheit über die tatsächlich anfallenden Kosten der Vertretung gelingt durch die Vereinbarung eines Pauschal499

Uhlenbruck/Wegener, § 188 Rn. 2. In die Richtung auch Antoniadis, NZI 2014, 785, 788. 501 So aber Brenner, NZI 2014, 789, 791; Brenner/Moser, Anmerkung zu LG Saarbrücken, Urteil vom 03. 09. 2015 NZI 2016, 233, 237; Horn, BKR 2014, 449, 453. 502 Grub, ZInsO 2016, 897, 899. 503 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz Rn. 604. 504 Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 73; Wilken/ Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz Rn. 605; a.A. Brenner, NZI 2014, 789, 791; Holzer, NZI 2017, 465, 470. 505 Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz Rn. 604. 500

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

honorars, das sich am geschätzten tatsächlichen Aufwand des gemeinsamen Vertreters orientiert.506 cc) Sonderproblem: Keine Insolvenzquote Fraglich ist, was für den Fall gilt, wenn auf die Anleiheforderungen keine Insolvenzquote entfällt, aus der der gemeinsame Vertreter den ihm zustehenden Betrag entnehmen kann. Dies ist etwa bei einem Debt-Equity-Swap der Fall, bei dem die Anleihegläubiger ihre Forderungen aus den Schuldverschreibungen als Sacheinlage einbringen.507 Da ein Debt-Equity-Swap nur im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens durchführbar ist, ist im Insolvenzplan als Annex zu regeln, wie der Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters zu erfüllen ist. In den übrigen Fällen können die Anleihegläubiger nur direkt gegenüber dem gemeinsamen Vertreter erfüllen. Wie dieser Anspruch mit Blick auf die Anonymität der Anleihegläubiger durchsetzbar sein soll, ist offen. Befindet sich die Anleihe im Streubesitz, ist eine Kontaktaufnahme des gemeinsamen Vertreters mit den einzelnen Anleihegläubigern nur über das Clearingsystem möglich. Die Depotbanken sind nicht verpflichtet Rechnungen des gemeinsamen Vertreters an ihre Kunden weiterzuleiten.508 Selbst wenn sie dies täten, bleiben dem gemeinsamen Vertreter die Identitäten der Anleihegläubiger weiterhin unbekannt. Eine effektive Durchsetzung des Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruchs ist nahezu unmöglich, das Ausfallrisiko ist hoch. Ist absehbar, dass die Insolvenzquote sehr gering bzw. es keine geben wird, aber die Anleihegläubiger dennoch an der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters festhalten, sollte der designierte gemeinsame Vertreter die Annahme des Auftrags von der Zahlung seiner Vergütung als Vorschuss abhängig machen. 4. Sonderproblem: Voraussetzungen einer zulässigen Vergütungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter a) Problemstellung Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH kann der gemeinsame Vertreter seinen Vergütungsanspruch ohne Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter nicht durchsetzen, da dieser weder Masseverbindlichkeit noch

506

198. 507

Brenner, NZI 2014, 789, 791; Horn, BKR 2014, 449, 453; Kübler, FS Henckel, S. 183,

FK/Friedl, § 19 Rn. 82. Die Weitergabepflicht der Depotbanken ist in Nr. 16 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte konkretisiert; die Weitergabe von Nachrichten Dritter ist nicht erfasst. 508

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger

211

Insolvenzforderung darstellt.509 Trotz der erheblichen praktischen Bedeutung von Vergütungsvereinbarungen, die nach der Grundsatzentscheidung des BGH weiter zunehmen werden, hat der BGH neue Hürden für eine zulässige Vergütungsvereinbarung formuliert.510 Der BGH führt hierzu aus, dass eine Vergütungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem gemeinsamen Vertreter im Einzelfall eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. Alt. 1 InsO zulässig begründen kann, wenn die der Masse daraus entstehenden Kosten durch die aus der Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters entstehenden Vorteile zumindest ausgeglichen werden.511 Wann dies der Fall sein soll, lässt der BGH offen. Weiterhin lässt er offen, unter welchen Umständen die Vereinbarung einer Vergütung mit dem gemeinsamen Vertreter vom Insolvenzzweck gedeckt ist. b) Stellungnahme Allgemein gilt, dass die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters zu Lasten der Insolvenzmasse Verbindlichkeiten begründen zu können, durch den Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung gem. § 1 Satz 1 InsO begrenzt ist.512 Eine Handlung des Insolvenzverwalters ist dann insolvenzzweckwidrig, wenn sie dem Zweck der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger klar und eindeutig zuwiderläuft.513 Die Insolvenzordnung trifft in § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Entscheidung, dass die den Gläubigern entstehenden Kosten für die Verfahrensteilnahme nur als nachrangige Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Durch den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit dem gemeinsamen Vertreter würde der Insolvenzverwalter die Rechtsverfolgungskosten einer Gläubigergruppe gegenüber den der übrigen Gläubiger privilegieren. Einer Ansicht nach kann daher die gesetzliche Qualifikation der Rechtsverfolgungskosten im Insolvenzverfahren nicht durch Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter durchbrochen werden, weil dadurch die weiteren Gläubiger durch Reduzierung der Quote benachteiligt werden würden.514 Demgegenüber kann der Einwand erhoben werden, dass durch die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters die Verfahrensabwicklung erheblich erleichtert wird, was

509 510

182. 511

Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 608. Schaumann/Zenker, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017, EWiR 2017, 181,

BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 28 ZIP 2017, 383. MüKoInsO/Hefermehl, § 55 Rn. 26. 513 K. Schmidt/Thole, § 55 Rn. 6. 514 Wegener, NZI 2017, 54, 57; ähnlich Scholz, DZWIR 2016, 451, 460, der erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit einer Vergütungsvereinbarung zwischen gemeinsamen Vertreter und Insolvenzverwalter äußert; für eine Zulässigkeit hingegen Brenner, NZI 2014, 789, 792; Horn, BKR 2014, 449, 454; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 601. 512

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

dem Interesse aller Gläubiger und damit insgesamt dem Insolvenzzweck dient.515 Auch ließe sich argumentieren, dass durch die Bündelung der Rechte in der Person des gemeinsamen Vertreters die Verwaltervergütung für Zuschläge nach § 3 InsVV wegen etwa zahlreicher Gläubiger eingespart werden kann,516 was die Insolvenzmasse insgesamt entlastet und damit allen Insolvenzgläubigern zu Gute kommt. Der BGH hat im Beschluss vom 14. Juli 2016 jedoch festgestellt, dass die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters den Insolvenzzweck allenfalls mittelbar fördert.517 Ob dies ausreichend ist, um die Begründung einer Masseverbindlichkeit zu rechtfertigen, ist offen.518 Aufgrund der eindeutigen Qualifizierung von Rechtsverfolgungskosten in der Insolvenzordnung ist es grundsätzlich systemwidrig, wenn der Insolvenzverwalter ohne gesetzliche Ausnahmeregelung die Vertreterkosten einer Gläubigergruppe bevorzugt. Der BGH betont selbst, dass nicht die praktischen Bedürfnisse über die Einordnung als Masseverbindlichkeit maßgeblich sein können, sondern allein die Normen des Insolvenzrechts.519 Gleiches muss konsequenterweise für die Zulässigkeit der Begründung einer Masseverbindlichkeit durch den Insolvenzverwalter gelten, wenn Wertungen anderer insolvenzrechtlicher Regelungen entgegenstehen. Es spricht daher einiges dafür, dass allein die in der Verfahrenserleichterung liegenden Vorteile einer kollektiven Geltendmachung der Rechte nicht ausreichend sind, um die Kosten der Masse auszugleichen.520 Letzteres ist dann anzunehmen, wenn die Vorteile der Masse wirtschaftlich messbar sind, indem der gemeinsame Vertreter der Masse Kosten, die ohne sein Tätigwerden angefallen wären, erspart und dadurch die Kosten seiner Vergütung zumindest ausgeglichen sind. Ist dies nicht der Fall, ist die Vergütungsvereinbarung unzulässig. Ob es in Zukunft trotzdem vermehrt zu Vergütungsvereinbarungen mit dem gemeinsamen Vertreter kommen wird, bleibt abzuwarten. Der positive Nachweis von Vorteilen für die Insolvenzmasse aus der Verfahrenserleichterung durch einen gemeinsamen Vertreter kann im Ergebnis auch von politischen Überlegungen des Insolvenzverwalters abhängen und gestaltet werden.

515 516

56. 517

Kübler, FS Henckel, S. 183, 192. Vgl. Lürken, Anmerkung zu AG Hamburg, Beschluss vom 01. 09. 2016 EWiR 2017, 55.

BGH 14. 07. 2016 IX ZB 46/15 Tz. 17 ZIP 2016, 1688. In die Richtung auch Schaumann/Zenker, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017, EWiR 2017, 181, 182, die die Frage aufwerfen, ob ein generelles Interesse des Insolvenzverwalters ein hinreichendes Interesse für die Insolvenzmasse begründet, welches ausreichend für die Rechtfertigung einer Vereinbarung ist. 519 BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 14 ZIP 2017, 383. 520 In die Richtung auch Froehner, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017 GWR 2017, 125, 125, wonach die Vereinfachung der Korrespondenz mit den Anleihegläubigern über einen gemeinsamen Ansprechpartner in erster Linie dem Insolvenzverwalter und nicht der Masse dient. 518

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger

213

II. Kosten der Anleihegläubigerversammlungen 1. Ausgangslage Außerhalb eines Insolvenzverfahrens sind die Kosten der Gläubigerversammlung gem. § 9 Abs. 4 SchVG vom Emittenten zu tragen.521 Die Kostentragungspflicht des Schuldners rechtfertigt der Gesetzgeber damit, dass die Gläubigerversammlung in erster Linie den Interessen des Schuldners dienen soll.522 Im Insolvenzverfahren enthält § 19 SchVG für die Kosten der ersten oder weiteren Anleihegläubigerversammlungen keine entsprechende Regelung. Auch die Vorgängervorschrift § 18 SchVG 1899 regelte die Kostentragung für nach Eröffnung der Insolvenz abgehaltene Anleihegläubigerversammlungen nicht. Es ist umstritten, wer die Kosten der Anleihegläubigerversammlungen zu tragen hat. 2. Meinungsstand a) Kosten der ersten Anleihegläubigerversammlung Die Kosten der ersten Anleihegläubigerversammlung sind nach überwiegender Meinung im Schrifttum wie Gerichtskosten als Masseverbindlichkeit aus der Insolvenzmasse zu begleichen.523 Die Einordnung als Masseverbindlichkeit wird damit gerechtfertigt, dass die erste Versammlung die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters bezweckt, der durch die damit einhergehende Vereinfachung des Verfahrens nicht nur den Anleihegläubigern, sondern dem gesamten Insolvenzverfahren dient.524 Es ist lediglich umstritten, ob sich die Einordnung als Masseverbindlichkeit aus einer direkten525 oder aus einer entsprechenden Anwendung des § 54 Nr. 1 InsO ergibt.526 Die Gegenansicht lehnt eine Anwendbarkeit des § 54 Nr. 1 InsO ab, da die Kosten für die besondere Versammlung der Anleihegläubiger im GKG-Kostenverzeichnis nicht ausgewiesen sind, Gebühren und Auslagen aber nur nach Maßgabe des Kostenverzeichnisses erhoben werden können, so dass entsprechende Aufwendungen für

521

Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 67; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 71. BT-Drs. 16/12814 S. 21. 523 Cranshaw, BKR 2008, 504, 510; FK/Friedl, § 19 Rn. 34; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 73; Hopt/Seibt/Knapp, § 19 Rn. 68; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 27; Schmidt/ Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 60; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 55; Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 539. 524 FK/Friedl, § 19 Rn. 34. 525 Cranshaw, BKR 2008, 504, 510; FK/Friedl, § 19 Rn. 34; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 55. 526 HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 73; Langenbucher/Bliesener/Schneider/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 19 Rn. 22; Preuße/Scherber, § 19 Rn. 27; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 60. 522

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Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

die Versammlungen der Anleihegläubiger nicht erstattungsfähig sind.527 Selbst wenn die Kosten Gerichtskosten im Sinne des § 54 Nr. 1 InsO darstellen, sind andere wiederum der Ansicht, dass diese trotz der Leitung durch das Insolvenzgericht nicht als Massekosten anzusehen sind, da sie nicht durch das gemeinsame Insolvenzverfahren als solches entstanden sind.528 Die Kosten sind den Kosten im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO gleichzustellen.529 b) Kosten weiterer Anleihegläubigerversammlungen Es besteht nahezu Einigkeit, dass Kosten weiterer Anleihegläubigerversammlungen keine Masseverbindlichkeit gem. § 54 Nr. 1 InsO darstellen, nachdem das Insolvenzgericht für die Abhaltung weiterer Anleihegläubigerversammlungen nicht zuständig ist.530 Diese Kosten sind gem. § 9 Abs. 4 SchVG vom Schuldner zu tragen und können lediglich als nachrangige Insolvenzforderung nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO geltend gemacht werden.531 Die sonstigen Insolvenzgläubiger können nicht verpflichtet werden, interne Versammlungen von Anleihegläubigern zu finanzieren.532 3. Stellungnahme Nach hier vertretener Ansicht ist das Insolvenzgericht gem. § 19 Abs. 1 SchVG für die Abhaltung sämtlicher Anleihegläubigerversammlungen im eröffneten Insolvenzverfahren zuständig. Wenn das Insolvenzgericht nicht nur zur Abhaltung der ersten, sondern auch zur Abhaltung von weiteren Anleihegläubigerversammlungen verpflichtet ist, können die hierfür anfallenden Kosten folgerichtig nur Gerichtskosten im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1 InsO sein. Gerichtskosten sind gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebühren und Auslagen, die gem. § 3 Abs. 2 GKG allein nach Maßgabe des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zum GKG erhoben werden.533 Sie werden gem. § 54 Nr. 1 InsO mit Insolvenzeröffnung zu Kosten des Verfahrens, soweit sie den Schuldner als Träger der Insol527

Thole, ZIP 2014, 293, 298. Zur alten Rechtslage Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 11. 529 Zur alten Rechtslage Ansmann, § 18 SchVG 1899 Anmerk. 11. 530 FK/Friedl, § 19 Rn. 35; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 61; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 71. 531 Cranshaw, BKR 2009, 504, 510; FK/Friedl, § 19 Rn. 35; HmbKomm/Knof, Anhang zu § 38 InsO Rn. 66; Schmidt/Westpfahl/Seibt, Sanierungsrecht, Anhang zu § 39 InsO Rn. 61; Veranneman/Rattunde, § 19 Rn. 71; so auch Wilken/Schaumann/Zenker, Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz, Rn. 567, mit der Ausnahme, wenn der Insolvenzverwalter eine Anleihegläubigerversammlung einberuft, eine Handlung i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO vorliegt. 532 Thole, ZIP 2014, 293, 298. 533 Lorenz/Klanke/Klanke, Vergütung und Kosten in der Insolvenz, Teil 2 Rn. 12. 528

C. Kosten der gemeinschaftlichen Vertretung der Anleihegläubiger

215

venzmasse treffen.534 Für Gerichtskosten des eröffneten Insolvenzverfahrens wie etwa die Verfahrensgebühr nach KV Nr. 2320 – 2332 haftet gem. § 23 Abs. 3 GKG allein der Insolvenzschuldner.535 Mit der Verfahrensgebühr KV NR. 2320/2330 wird die gesamte Tätigkeit des Insolvenzgerichts von Eröffnung des Verfahrens bis zur dessen Beendigung abgedeckt.536 Das Kostenverzeichnis differenziert grundsätzlich nicht zwischen den einzelnen Tätigkeiten des Insolvenzgerichts, sondern legt als Gebührentatbestand in KV Nr. 2320/2330 allgemein die „Durchführung des Insolvenzverfahrens“ fest. Der oben aufgeführte Einwand, dass Kosten der Anleihegläubigerversammlung daher nicht unter die Gerichtskosten fallen, weil letztere nicht im Kostenverzeichnis ausgewiesen sind, verfängt daher nicht. Auch die Abhaltung von Insolvenzgläubigerversammlungen – mit Ausnahme des besonderen Prüfungstermins gem. § 177 InsO, für den gem. KV Nr. 2340 eine sog. Aktgebühr entsteht –537 ist im Kostenverzeichnis nicht ausgewiesen. Ebenso wenig sind Erhöhungsfaktoren für die Abhaltung mehrerer Gläubigerversammlungen im Kostenverzeichnis vorgesehen. Der Gebührentatbestand der KV Nr. 2320/2330 umfasst auch die Kosten für die Durchführung von Anleihegläubigerversammlungen. Die Kosten der ersten sowie weiterer Anleihegläubigerversammlungen sind mit der Verfahrensgebühr abgegolten. Dies gilt selbst dann, wenn diese Kosten nicht durch das gemeinsame Insolvenzverfahren als solches entstanden sind. Für den Tatbestand der Verfahrensgebühr ist allein das Tätigwerden des Insolvenzgerichts im eröffneten Insolvenzverfahren maßgeblich. Dabei ist unbeachtlich, dass die Abhaltung weiterer Anleihegläubigerversammlungen nur der internen Beschlussfassung dient.

III. Ergebnis Nach hier vertretener Ansicht richtet sich der Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren gegen die Anleihegläubiger gem. § 675 Abs. 1 BGB; § 7 Abs. 6 SchVG ist mit dem vorrangigen Insolvenzrecht nicht vereinbar. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung des Kostenanspruchs aus § 7 Abs. 6 SchVG als nachrangige Insolvenzforderung gem. § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO kommt es somit nicht an. Gleichwohl ist die Entscheidung des BGH im Sinne der Systematik der Insolvenzordnung zutreffend. So kommt auch der BGH zu dem Ergebnis, dass der gemeinsame Vertreter – neben dem Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, an dessen Zulässigkeit er hohe Anforderungen stellt – nur dann tätig wird, wenn die Anleihegläubiger die mit ihm

534 535 536 537

MüKoInsO/Hefermehl, § 54 Rn. 6, 8. Lorenz/Klanke/Klanke, Vergütung und Kosten in der Insolvenz, Teil 2 Rn. 12. KPB/Pape/Schaltke, § 54 Rn. 10; MüKoInsO/Hefermehl, § 54 Rn. 17. MüKoInsO/Hefermehl, § 54 Rn. 21.

216

Kap. 3: Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren

vereinbarte Vergütung übernehmen.538 Die praktische Umsetzung stößt jedoch auf einige Schwierigkeiten. Die Kosten erster und weiterer Anleihegläubigerversammlungen sind durch die Verfahrensgebühr abgegolten, sie fallen unter die Kosten des Insolvenzverfahrens gem. § 54 Nr. 1 InsO.

D. Zusammenfassung Die undeutliche Formulierung des § 19 Abs. 1 SchVG führt dazu, dass nahezu jede Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Abhaltung von Anleihegläubigerversammlungen im eröffneten Insolvenzverfahren umstritten ist. Sie ist Nährboden für das Vorhandensein zahlreicher divergierender Rechtsauffassungen, die zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit in der Praxis führen. § 19 Abs. 1 SchVG erleichtert entgegen der Zielsetzung des Gesetzgebers das Problem der Abgrenzung zwischen dem SchVG und der Insolvenzordnung nicht, sondern verschärft dieses vielmehr. Daneben besteht wegen fehlender gesetzlicher Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters die erhebliche Gefahr, den Fortgang des Insolvenzverfahrens durch Missbrauch zu beeinflussen. Die Gemengelage zwischen SchVG und Insolvenzordnung wird durch die herrschende Meinung, nach der für weitere Anleihegläubigerversammlungen das SchVG Anwendung finden soll, erheblich verschärft. Nur eine konsequente Umsetzung des Anwendungsvorrangs des Insolvenzrechts kann zu einer Entschärfung der Anwendungsprobleme zwischen beiden Gesetzen führen.

538

BGH 12. 01. 2017 IX ZR 87/16 Tz. 28 ZIP 2017, 383.

Zusammenfassung der Ergebnisse und Lösungsvorschläge A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata SchVG und Insolvenzordnung liegen diametral entgegengesetzte Leitbilder zu Grunde. Während das Schuldverschreibungsrecht mit dem Prinzip der Vergemeinschaftung und der Institution des gemeinsamen Vertreters einer Vielzahl unbekannter und wechselnder Anleihegläubiger Rechnung trägt, gründet die Systematik der Insolvenzordnung auf den bekannten und in seiner Person beständigen Gläubiger. Die Regelung des § 19 SchVG berücksichtigt die widerstreitenden Leitbilder beider Gesetze nicht. Statt auf die Besonderheiten des Insolvenzverfahrensrechts einzugehen, statuiert § 19 Abs. 1 SchVG einen umfassenden Vorrang des Insolvenzrechts. Dabei übersieht § 19 SchVG, dass die insolvenzverfahrensrechtlichen Vorschriften im Fall der Beteiligung einer Vielzahl anonymer Anleihegläubiger, deren Rechte nicht durch einen gemeinsamen Vertreter gebündelt wahrgenommen werden, nicht bzw. nur mit erheblichem Aufwand umsetzbar sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters eine effektive und zügige Abwicklung des Insolvenzverfahrens unter der Beteiligung einer Vielzahl unbekannter Anleihegläubiger ermöglichen. Es ist zutreffend, dass eine ordnunsgemäße und effektive Durchführung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur möglich ist, wenn die Anleihegläubiger über die Person des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren organisiert sind. § 19 SchVG setzt den gesetzgeberischen Willen nur unzureichend um. Zum einen versäumt es § 19 SchVG, Schuldverschreibungs- und Insolvenzrecht aufeinander abzustimmen, was insbesondere durch die unzureichendende zeitliche Abstimmung zwischen Zustellung des Eröffnungsbeschlusses und Abhaltung der ersten Anleihegläubigerversammlung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zum Ausdruck kommt. Weiterhin ergeben sich auf Grund der geringen Regelungsdichte des § 19 SchVG wesentliche Regelungslücken, die einer rechtssicheren Anwendung im Insolvenzverfahren entgegenstehen. Daneben besteht wegen fehlender gesetzlicher Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters die erhebliche Gefahr, den Fortgang des Insolvenzverfahrens durch Missbrauch zu beeinflussen. Weiterhin ist die unklare Formulierung „Beschlüsse der Gläubiger“ in § 19 Abs. 1 SchVG für zahlreiche offene verfahrensrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Abhaltung von Anleihegläubigerversammlungen im eröffneten Insolvenzverfahren

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Zusammenfassung der Ergebnisse und Lösungsvorschläge

verantwortlich. Die Gemengelage zwischen SchVG und Insolvenzordnung wird durch die herrschende Meinung, nach der für weitere Anleihegläubigerversammlungen das SchVG Anwendung finden soll, erheblich verschärft. Nur eine konsequente Umsetzung des Anwendungsvorrangs des Insolvenzrechts kann zu einer Entschärfung der Anwendungsprobleme zwischen beiden Gesetzen führen. Die Ergebnisse der vorausgegangenen Ausarbeitung lassen sich in folgenden Kernaussagen zusammenfassen: • § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO ist teleologisch zu reduzieren, so dass der Emittent verpflichtet ist, nur – ohne vorherige Emittlungen – ihm bekannte Anleihegläubiger im Gläubigerverzeichnis anzugeben; ist ein gemeinsamer Vertreter gewählt, soll dieser gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO analog in das Gläubigerverzeichnis aufgenommen werden. • Die Zusammensetzung eines ausgewogenen vorläufigen Gläubigerausschusses ist ohne gemeinsamen Vertreter nur bei einer aus wenigen Großgläubigern bestehenden Anleihegläubigerstruktur möglich; bei Anleihen mit einer Vielzahl von Kleingläubigern ist deren dauerhafte Vertretung durch einen sachkundigen Dritten im vorläufigen Gläubigerausschuss zuzulassen. • Wurde kein gemeinsamer Vertreter bestellt, kann der Eröffnungsbeschluss Anleihegläubigern zusätzlich über das Clearingsystem gem. § 30 Abs. 2 InsO ordnungsemäß zugestellt werden; ist ein gemeinsamer Vertreter vorhanden, erfolgt die Zustellung ausschließlich an ihn. • Die Abwicklung des Forderungsanmelde- und Feststellunsgverfahren ist durch fehlende zeitliche Abstimmung zwischen InsO und SchVG wegen zu bestreitender Einzelanmeldungen nach Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nicht effizient durchführbar. • Die Anwendung des „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ im Rahmen des Forderungsanmeldungs-, Feststellungs-und Verteilungsverfahren ist mit dem Insolvenzrecht nicht vereinbar. • Wurde kein gemeinsamer Vertreter bestellt, genügt im Forderungsanmeldungsverfahren die Vorlage eines Depotauszugs zum Nachweis ihrer Inhaberschaft. • Die Vorlage eines Sperrvermerks kann im Anmeldeverfahren nicht verlangt werden; daraus folgende Doppelanmeldungen sind hinzunehmen. • Das Forderungsfeststellungs- und Verteilungsverfahren ist ohne gemeinsamen Vertreter nur dann rechtmäßig durchführbar, wenn ab dem Zeitpunkt der Feststellung die Handelbarkeit der Anleihe über die Börse durch einen Sperrvermerk der jeweiligen Depotbank bis zur Ausschüttung der Insolvenzquote ausgeschlossen ist.

A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata

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• Ist ein gemeinsamer Vertreter bestellt, steht den Anleihegläubigern kein individuelles Teilnahme- und Fragerecht in Insolvenzgläubigerversammlungen zu. • Außerhalb von Insolvenzgläubigerversammlungen dürfen Anleihegläubiger nicht durch Mehrheitsbeschluss auf ihre Forderungsrechte einwirken; hiervon ausgenommen ist nach dem Willen des Gesetzgebers die Zustimmung zu einem DebtEquity-Swap im Insolvenzplan durch Mehrheitsbeschluss gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 SchVG. • Die Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG besteht auch für den Fall, dass die Anleihebedingungen die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nicht vorsehen. • Die Verweisung des § 19 Abs. 1 SchVG in das Insolvenzrecht gilt für sämtliche Beschlüsse der Anleihegläubiger, unabhängig davon, ob diese in der ersten oder in weiteren Anleihegläubigerversammlungen gefasst werden; danach ist das Insolvenzgericht für die Einberufung von Anleihegläubigerversammlungen zuständig und damit das Insolvenzverfahrensrecht für die Beschlussfassung sowie -kontrolle einschlägig. • Der gemeinsame Vertreter hat gem. § 19 Abs. 3 SchVG umfassende Rechtsmacht im Außenverhältnis; das Mandat umfasst auch die Zustimmung zu Sanierungsbeiträgen im Insolvenzplan sowie zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters. • Die Zustimmung zu einem im Insolvenzplan vorgesehenen Debt-Equity-Swap ist nicht vom Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG umfasst, hierfür ist ein gesonderter Ermächtigungsbeschluss der Anleihegläubiger erforderlich. • Den gemeinsamen Vertreter trifft keine Pflicht zur Einholung von Weisungen; gleichzeitig besteht kein Recht des gemeinsamen Vertreters, von erteilten Weisungen abzuweichen. • Im Rahmen seiner Interessenwahrnehmungspflicht ist der gemeinsame Vertreter verpflichtet, die Aufhebung von Weisungsbeschlüssen, die dem gemeinsamen Interesse der Anleihegläubiger widersprechen, gem. § 19 Abs. 1 SchVG iVm. § 78 Abs. 1 InsO analog zu beantragen. • Der gemeinsame Vertreter hat in der Insolvenzgläubigerversammlung nur eine Kopfstimme. • § 7 Abs. 6 SchVG findet im Insolvenzverfahren keine Anwendung; der nach Insolvenzeröffnung entstandene Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruch des gemeinsamen Vertreters richtet sich gegen die Anleihegläubiger.

220

Zusammenfassung der Ergebnisse und Lösungsvorschläge

• Die Kosten der ersten und aller weiteren Anleihegläubigerversammlungen sind mit der Verfahrensgebühr abgegolten und fallen unter die Kosten des Insolvenzverfahrens gem. § 54 Nr. 1 InsO.

B. Lösungsvorschläge de lege ferenda Die de lege lata bestehenden Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Insolvenzverfahren unter der Beteiligung von Anleihegläubigern führen zu den folgenden Lösungsvorschlägen:

I. Die Einbeziehung der Anleihegläubiger in das Insolvenzverfahren 1. Interessenvertretung im vorläufigen Insolvenzverfahren Die Möglichkeit der Anleihegläubiger in einer vom Insolvenzgericht einzuberufenden Anleihegläubigerversammlung unabhängig von einem Opt-in in den Anleihebedingungen einen gemeinsamen Vertreter wählen zu können,1 erfolgt im eröffneten Verfahren zu spät. Nachdem wesentliche Entscheidungen bereits im Antragsverfahren getroffen werden, im Fall des Schutzschirmverfahrens sogar ein vollständiger Insolvenzplan ausgearbeitet wird, muss den Anleihegläubiger de lege ferenda die Möglichkeit der Vertreterbestellung bereits mit Antragstellung gegeben werden. Hierfür ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 19 SchVG auf den Zeitpunkt der Antragstellung vorzuverlegen. Entscheiden sich die Anleihegläubiger gegen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, obwohl sich die Anleihe im Streubesitz zahlreicher Kleinanleger befindet, kann eine frühzeitige Beteiligung dieser Gläubigergruppe im vorläufigen Gläubigerausschuss durch Zulassung einer dauerhaften Vertretung gesichert werden.2 2. Forderungsanmeldungs-, Feststellungsund Verteilungsverfahren Um eine effiziente Durchführung des Forderungsanmeldungs-, Feststellungs- und Verteilungsverfahren unabhängig vom Vorhandensein eines gemeinsamen Vertreters sicherzustellen, muss de lege ferenda die Anwendung des im Schrifttum vertretenen „wertpapierrechtlichen Verfahrens“ im Insolvenzverfahren auf eine gesetzliche

1 2

Siehe hierzu S. 140 ff. Siehe hierzu S. 61 ff.

B. Lösungsvorschläge de lege ferenda

221

Grundlage gestellt werden, da dieses sowohl der Globalverbriefung als auch der Handelbarkeit der Anleihe am besten Rechnung trägt.3 Die kollektive Forderungsanmeldung und die Entgegennahme der Quote soll nicht mehr Aufgabe des gemeinsamen Vertreters sein. Vielmehr soll die Wertpapiersammelbank Clearstream zur verfahrensrechtlichen Geltendmachung der Anleiheforderungen gesetzlich ermächtigt und verpflichtet werden, sofern die Anleihe in einer Dauerglobalurkunde verbrieft ist. Dabei ist die Clearstream wie der gemeinsame Vertreter von den insolvenzrechtlichen Anforderungen an eine Sammelanmeldung durch Gesetz zu befreien. Daneben soll Nr. 14 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte entsprechende Regelungen enthalten. Zur Information der Wertpapiersammelbank über die Aufforderung zur Forderungsanmeldung ist der Eröffnungsbeschluss dieser zuzustellen. Clearstream meldet die Anleiheforderungen unter Vorlage der Globalurkunde wie ein Prozessstandschafter zur Tabelle an. Der Insolvenzverwalter wird schuldbefreiend die Quote an Clearstream ausschütten, die diese über das Clearingsystem an die Anleihegläubiger weiterleitet. So wird nicht nur auf Seiten der Anleihegläubiger eine effiziente Durchführung der Insolvenzabwicklung und Rechtssicherheit erreicht, sondern es werden auch die Tätigkeiten für den gemeinsamen Vertreter dann reduziert, wenn seine einzige Aufgabe darin besteht, die Forderungen der Anleihegläubiger zur Insolvenztabelle anzumelden. Darüber hinaus bietet es für den nach erfolgreicher Sanierung fortbestehenden Schuldner und Aufhebung des Insolvenzverfahrens Rechtssicherheit vor einer unberechtigten Inanspruchnahme aus dem Wertpapier.4 3. Zulässige Beschlussgegenstände der Anleihegläubigerversammlung Es ist de lege ferenda klarzustellen, dass die Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren nur noch intern wirkende Beschlüsse fassen können. Im Insolvenzverfahren sind die Anleihegläubiger nicht mehr befugt, durch einen mehrheitlichen Beschluss von Maßnahmen im Sinne des § 5 Abs. 3 SchVG auf ihre Forderungen einzuwirken. Beschlüsse mit Wirkung für das gesamte Insolvenzverfahren sind nur unter der Beteiligung aller Gläubiger in Insolvenzgläubigerversammlungen möglich. Hiervon ausgenommen ist die Erteilung der Zustimmung der Anleihegläubiger zu einem im Insolvenzplan geregelten Debt-Equity-Swap durch Mehrheitsbeschluss gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG. Sehen die Anleihebedingungen die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses zur Durchführung eines Debt-Equity-Swaps vor, ist klarzustellen, dass in Ausnahme zu den §§ 225a Abs. 2 Satz 2, 230 Abs. 2 InsO die

3 4

Siehe hierzu S. 89 f., 92 f. Siehe hierzu S. 114 ff.

222

Zusammenfassung der Ergebnisse und Lösungsvorschläge

Zustimmung jedes einzelnen vom Swap betroffenen Anleihegläubigers nicht erforderlich ist.5

II. Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren 1. Anforderungen an die Person des gemeinsamen Vertreters Zur Vermeidung einer Missbrauchsgefahr im Amt des gemeinsamen Vertreters muss er – ähnlich dem Insolvenzverwalter – zur Neutralität verpflichtet sein. Schuldnernahe Personen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 SchVG sowie Personen, die sich im Interessenkonflikt befinden, dürfen zum Schutz der Gläubigerautonomie im Insolvenzverfahren keine gemeinsamen Vertreter werden.6 Um die Einflussnahme des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zu begrenzen, ist klarzustellen, dass dem gemeinsamen Vertreter nur eine Kopfstimme zukommt.7 2. Reichweite des Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung Die Reichweite des umfassenden Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung ist im § 19 Abs. 1 SchVG durch eine Normierung der Fälle, in denen das SchVG weiterhin Anwendung findet, festzulegen. Es ist klarzustellen, dass alle Beschlussfassungen der Anleihegläubiger nach dem Insolvenzverfahrensrecht erfolgen.8 Dabei ist zu regeln, dass die Anleihegläubigerversammlungen auch als Abstimmung ohne Versammlung durchgeführt werden können. Da das Insolvenzgericht den gem. § 18 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 16 Abs. 3 Satz 2 zur Beurkundung erforderlichen Notar nicht beauftragen kann9 und darüber hinaus nicht über die Logistik zur technischen Umsetzung einer virtuellen Versammlung verfügt, soll zur Entlastung des Insolvenzgerichts der Schuldner bzw. der Insolvenzverwalter mit deren Durchführung beauftragt werden. 3. Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters Es ist klarzustellen, dass das umfassende Mandat des § 19 Abs. 3 SchVG die Ermächtigung zur Zustimmung zu einem im Insolvenzplan geregelten Debt-EquitySwap nicht enthält. Hierfür bedarf es eines ausdrücklichen Ermächtigungsbeschlusses durch die Anleihegläubiger mit qualifizierter Mehrheit.

5 6 7 8 9

Siehe hierzu S. 127 ff. Siehe hierzu S. 131 ff. Siehe hierzu S. 192 ff. Siehe hierzu S. 179 ff. Ampferl, FS Kübler, S. 11, 13.

C. Änderungsvorschläge für eine mögliche Neufassung des § 19 SchVG

223

Weiterhin besteht die Gefahr, dass angesichts der Kostentragungspflicht der Anleihegläubiger, diese von der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren eher absehen10 oder aber das Amt des gemeinsamen Vertreters aus Kostengründen von unerfahrenen Anleihegläubigern selbst ausgeübt wird.11 Dieser Gefahr sollte de lege ferenda durch eine Regelung der Vergütung als Masseverbindlichkeit entgegengetreten werden.12

C. Änderungsvorschläge für eine mögliche Neufassung des § 19 SchVG I. Aufzunehmende Punkte Zusammenfassend könnte eine mögliche Neufassung des § 19 SchVG folgende Punkte aufnehmen: • Klarstellung des zwingenden Charakters des § 19 SchVG. • Festlegung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 19 SchVG auf den Zeitpunkt der Antragstellung. • Regelung einer unverzüglichen Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts ab Antragstellung. • Differenzierende Regelung des Anwendungsvorrangs der Insolvenzordnung durch Normierung der Fälle, in denen das SchVG weiterhin Anwendung findet: - Sekundärer Rückgriff auf das SchVG, wenn die Insolvenzordnung keine Regelung zum betreffenden Sachverhalt enthält. - Zustimmung zum Debt-Equity-Swap mit qualifizierter Mehrheit gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4 Satz 1 SchVG bei entsprechendem Opt-in in den Anleihebedingungen. • Klarstellung der Anwendbarkeit des Insolvenzverfahrensrechts für sämtliche im Insolvenzverfahren gefassten Beschlüsse der Anleihegläubiger. • Ausdifferenzierung der zulässigen – rein internen – Beschlussgegenstände.

10

Holzer, NZI 2017, 465, 467. Antoniadis, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 12. 01. 2017 NZI 2017, 228, 232. 12 Einen Regelungsvorschlag de lege ferenda zur Vergütung des gemeinsamen Vertreters sowie zu deren Berechnung siehe bei Holzer, NZI 2017, 465, 467 f., der neben der Einordnung des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters als Masseverbindlichkeit die Berechnung der Vergütung anhand des RVG vorsieht. 11

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Zusammenfassung der Ergebnisse und Lösungsvorschläge

• Ermächtigung der Clearstream zur verfahrensrechtlichen Geltendmachung der Anleiheforderungen sowie entsprechende Anpassung des Mandats des gemeinsamen Vertreters in § 19 Abs. 3 SchVG. • Zulässigkeit der Durchführung virtueller Versammlungen. • Ausschluss von sich im Interessenkonflikt befindenden Personen von der Ausübung des Amtes des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren. • Klarstellung, dass der gemeinsame Vertreter nur eine Kopfstimme hat. • Regelung des Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters als Massekosten.

II. Regelungsvorschlag § 19 Insolvenzverfahren (1) 1Hat der Schuldner bei einem zuständigen, im Inland belegenen Insolvenzgericht Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt, gehen die Vorschriften der Insolvenzordnung in ihrem Anwendungsbereich den Vorschriften dieses Gesetzes vor, soweit in den folgenden Absätzen nichts anders bestimmt ist. 2Dies gilt insbesondere für die Einberufung und Durchführung aller Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren. 3§ 340 der Insolvenzordnung bleibt unberührt. (2) 1Ist die Anleihe in einer Globalurkunde verbrieft, übernimmt die Wertpapiersammelbank die Geltendmachung der Anleiheforderungen. 2Sie ist zur Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle und zur Entgegennahme der Insolvenzquote ermächtigt. 3Der Eröffnungsbeschluss ist der Wertpapiersammelbank zuzustellen. (3) 1Die Gläubiger können durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter bestellen, auch wenn die Anleihebedingungen dies nicht vorsehen. 2Das Insolvenzgericht hat zu diesem Zweck unverzüglich nach Antragstellung eine Gläubigerversammlung einzuberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter noch nicht bestellt worden ist. 3Das Insolvenzgericht kann von der Einberufung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist absehen, wenn die Gläubiger bereits vor Antragstellung einen Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gefasst haben, der noch nicht vollziehbar ist. (4) 1Die Gläubiger können ab Antragstellung nur für das Innenverhältnis zwischen Gläubigern und gemeinsamen Vertreter wirkende Beschlüsse fassen. 2Unberührt bleibt die Zustimmung zu einem im Insolvenzplan geregelten Debt-Equity-Swap gem. § 5 Abs. 3 Nr. 5, sofern die Anleihebedingungen dies vorsehen und gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 eine qualifizierte Mehrheit erreicht wird. (5) Die Bestimmung des Stimmgewichts in Abstimmungen sowie das Auskunftsrecht der Gläubiger richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes. (6) 1Gläubiger derselben Anleihe sind in einem Insolvenzplan derselben Gruppe zuzuordnen. 2Eine eigene Gruppe der Anleihegläubiger ist nicht zwingend.

C. Änderungsvorschläge für eine mögliche Neufassung des § 19 SchVG

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(7) 1Gläubigerversammlungen können als Abstimmung ohne Versammlung im Sinne des § 18 durch den vom Insolvenzgericht beauftragten Insolvenzverwalter einberufen werden. 2 Abstimmungsleiter ist ein vom Insolvenzverwalter beauftragter Notar. 3§ 18 Abs. 3 sowie 4 Satz 1 und 3 finden Anwendung, im Übrigen gelten die Vorschriften der Insolvenzordnung entsprechend. 4Jeder Gläubiger, der an der Abstimmung teilgenommen hat, kann binnen einer Woche nach Bekanntmachung des Beschlusses beim Insolvenzgericht Antrag auf dessen Aufhebung beantragen; § 78 der Insolvenzordnung gilt entsprechend. (8) Die vorausgehenden Regelungen finden auch dann Anwendung, wenn die Anleihebedingungen dies nicht vorsehen. § 19a Der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren (1) 1Schuldnernahe Personen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 oder Personen in einem Interessenkonflikt dürfen das Amt des gemeinsamen Vertreters nicht ausüben. 2Der gemeinsame Vertreter ist zur Neutralität verpflichtet. 3Im Fall eines Interessenkonflikts kann jeder Gläubiger oder der Insolvenzverwalter die Entlassung des gemeinsamen Vertreters verlangen. 4Das zuständige Insolvenzgericht entscheidet über die Niederlegung und Entlassung durch Beschluss. (2) 1Der gemeinsame Vertreter ist verpflichtet, die in der Schuldverschreibung vebrieften Rechte der Gläubiger geltend zu machen. 2Für die verfahrensrechtliche Geltendmachung der Anleiheforderungen gilt § 19 Abs. 2. 3Ist die Anleihe nicht globalverbrieft, ist der gemeinsame Vertreter für die verfahrensrechtliche Geltendmachung der Anleiheforderungen zuständig. 4Für die Erteilung der Zustimmung zu einem im Insolvenzplan geregelten DebtEquity-Swap ist ein gesonderter Ermächtigungsbeschluss der Gläubiger erforderlich. (3) Der gemeinsame Vertreter hat eine Kopfstimme. (4) 1§ 7 Abs. 6 findet auch im Insolvenzverfahren Anwendung. 2Kostenerstattungs- und Vergütungsansprüche des gemeinsamen Vertreters für seine Tätigkeit nach Eröffung des Insolvenzverfahrens sind Masserverbindlichtkeiten im Sinne des § 55 der Insolvenzordnung.

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Stichwortverzeichnis Abstimmung ohne Versammlung 46 ff. Anfechtungsklage 158 ff. Anleihe – Altanleihe 33 – Begriff 24 ff. – Emission 26 ff. – Mittelstandsanleihe 17 ff. – Rechtsbeziehungen bei einer Anleiheemission, wesentliche 28 ff. Anleihebedingungen – Änderung durch Mehrheitsbeschluss außerhalb der Insolvenz 37 ff. – Änderung durch Mehrheitsbeschluss in der Insolvenz 102 ff. – Bestandteil des verbrieften Rechts, als 124 – Definition 30 Anleihegläubiger – anonyme Anleihegläubiger als Leitbild des SchVG 43 ff. – Auskunfts- und Fragerecht in Anleihegläubigerversammlungen 151 ff. – Bestellung eines gemeinsamen Vertreters 32 – Mehrheitsbeschlüsse außerhalb der Insolvenzgläubigerversammlung 102 ff. – Nachweis der Inhaberschaft 46, 76, 98 f., 156 – Teilnahme am Debt-Equity-Swap durch Mehrheitsbeschluss 122 ff. – Weisungsrecht 172 ff. Anleihegläubigerversammlung, erste – Beschlussfähigkeit 154 – Beschlussgegenstände, weitere 146 – Beschlusskontrolle 157 ff. – Beschlussmehrheit 154 f. – Durchführung 149 ff. – Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts 135 ff. – Modalitäten der Einberufung 144 ff. – Stimmberechtigung 155 f.

– Stimmgewicht 156 f. – Tagesordnung 145 Anleihegläubigerversammlung, weitere – anwendbares Verfahrensrecht 177 ff. – Beschlussfassung 184 ff. – Einberufung und Durchführung 181 ff. – Zulässigkeit 177 Anwendungsvorrang der Insolvenzordnung 41 f. Bankgeheimnis 45 f. Beschlussfähigkeit siehe auch Anleihegläubigerversammlung, erste – Quorum 154, 182, 185 Beschlusskontrolle 157 ff. Clearstream – Aufgabe 26 – Clearingsystem 44 f. – Weitergabepflicht 69 f. Collective Action Clause 38 Debt-Equity-Swap – Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG in der Insolvenz 125 ff. – Beschlussfassung über die Zustimmung zu einem Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan 187 ff. – Verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Anleihegläubigerbeschlusses 122 ff. – Zustimmung zum Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan 167 ff. Delisting 88, 92 Depotbank 26, 45 f., 53, 69 Dispositionsmaxime 72 Doppelanmeldung siehe Forderungsanmeldung, ohne gemeinsamem Vertreter Doppelausschüttung siehe Quote, Ausschüttung ohne gemeinsamem Vertreter Doppelfeststellung siehe Forderungsfeststellung, ohne gemeinsamem Vertreter

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Stichwortverzeichnis

Effektengiroverkehr 44 Eigenverwaltung, vorläufige 66 f. Einberufung siehe Anleihegläubigerversammlung, erste Eröffnungsbeschluss – Ermittlungspflicht 68 f. – Weiterleitung über das Clearingsystem 68 ff. – Zustellung 67 ff. – Zustellung an den gemeinsamen Vertreter 70 f. Forderungsanmeldung mit gemeinsamem Vertreter – Einziehungsermächtigung 79 – Prozessstandschafter, Anmeldung wie ein 79 – Sammelanmeldung 79 ff. Forderungsanmeldung ohne gemeinsamem Vertreter – anonyme Übertragbarkeit der Anleihe 77 ff. – Doppelanmeldung 77 ff. – individuelle Geltendmachung der Rechte 73 ff. – keine zeitliche Abstimmung zwischen InsO und SchVG 81 ff. – Verfahren 72 f. – vorzulegende Unterlagen 75 ff. Forderungsfeststellung mit gemeinsamem Vertreter – Ausgangslage 93 f. – Beendigung des Mandats des gemeinsamen Vertreters nach Forderungsfeststellung 96 – Feststellung nachrangiger Forderungen 94 ff. Forderungsfeststellung ohne gemeinsamem Vertreter – anonyme Übertragbarkeit der Anleihe, Problem der 84 ff. – bedingte Feststellung 87, 90 – Einschränkung der Handelbarkeit 88 f., 91 ff. – Gefahr der Doppelfeststellung 86 – Unmöglichkeit der Änderung der Insolvenztabelle 84 ff. – vorläufiges Bestreiten 86 f., 89 f.

– wertpapierrechtliches Verfahren 87 ff., 90 Freiverkehr 28 Gemeinsamer Vertreter – Anleihegläubigervertreter 39 – Bestellung in der ersten Anleihegläubigerversammlung 135 ff. – Eignung für das Amt des gemeinsamen Vertreters 129 ff. – Haftung 176 f. – rechtsgeschäftlicher Vertreter 39, 162 – Vertragsvertreter 39 – Wahlvertreter 39 Gemeinsamer Vertreter im Außenverhältnis – Bindungswirkung des Bestellungsbeschlusses bei vorheriger Kündigung 163 f. – Forderungsanmeldung 164 f., 79 ff. – Informationsrechte 169 f. – Rechtsbehelfsbefugnis 164 f. – Rechtsnatur und Umfang der Rechtsmacht 162 f. – Teilnahme an Insolvenzgläubigerversammlungen 165 ff. – Zustimmung zum Debt-Equity-Swap im Insolvenzplan 167 f. Gemeinsamer Vertreter im Innenverhältnis – Berichtspflicht 171 f. – Interessenwahrnehmungspflicht 171 – Pflicht zur Einholung eines Weisungsbeschlusses 172 f. – Rechtsverhältnis zwischen Anleihegläubigern und gemeinsamem Vertreter 169 ff. – Weisungsabweichung 174 ff. Gemeinsamer Vertreter, Kosten – Anleihegläubiger als Kostenschuldner 207 f. – Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2017 200 ff. – Erfüllung des Vergütungs- und Kostenerstattungsanspruchs 208 f. – Höhe der Vergütung 209 f. – Kosten der Anleihegläubigerversammlungen 213 ff. – Kritik am Begründungsansatz des BGH 205 ff.

Stichwortverzeichnis – Voraussetzungen einer zulässigen Vergütungsvereinbarung 210 ff. Gläubigerausschuss, vorläufiger – Aufgaben und Zusammensetzung 56 ff. – Mitgliedschaft des gemeinsamen Vertreters, Zulässigkeit der 61 ff. – Mitgliedschaft einer schuldnernahen Person als Vertreter 63 ff. – Repräsentationsgrundsatz 56 – Vertreter, dauerhafter 59 ff. Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz 79, 104, 207 Gläubigerorganisationsrecht, optionales 37 ff. Gläubigerverzeichnis, § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO – Umsetzbarkeit bei Beteiligung nicht vertretener Anleihegläubiger 53 ff. – Umsetzbarkeit bei Beteiligung vertretener Anleihegläubiger 54 f. Globalurkunde – Ausschüttungsvermerk 113 f. – Begriff 25 f. – Girosammelverwahrung 25 f. Insolvenzgericht, Einberufungspflicht – Eröffnungsverfahren, im 139 ff. – fehlendem Opt-in in den Anleihebedingungen, bei 138 ff. – nach altem Recht bestellten gemeinsamem Vertreter, bei 137 – vor Insolvenzeröffnung gefasstem, nicht vollziehbarem Beschluss, bei 135 ff. Insolvenzgericht, Entfallen der Einberufungspflicht – Nachrangige Schuldverschreibungen 141 f. – Vielzahl von Anleiheserien 142 ff. Insolvenzgläubiger 47 f. Insolvenzgläubigerversammlung – Aufgaben und Zusammensetzung 97 f. – Teilnahme der Anleihegläubiger ohne gemeinsamem Vertreter 98 f. – Teilnahme- und Fragerechte der Anleihegläubiger mit gemeinsamem Vertreter 99 ff. Insolvenzgläubigerversammlung, Abstimmung – Kopfmehrheit 190 ff.

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– Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters 189 ff. Insolvenzplanverfahren – Gruppenbildung 118 ff. – Planregelungen, zulässige 116 ff. – Teilnahme am Debt-Equity-Swap siehe Debt-Equity-Swap – Verfahren 115 f. Insolvenzrecht, Leitbild 48 Insolvenztabelle – Änderung 84 ff. – Wirkung der Eintragung festgestellter Forderungen 84 Insolvenzverwalter – Ermittlungspflicht 67 ff. – Weiterleitung des Eröffnungsbeschlusses über Clearingsystem 69 ff. Leistungsversprechen, verbrieftes Opt-in-Beschluss 35, 137 Opt-in in den Anleihebedingungen

25, 29

37

Qualifizierte Mehrheit, Zustimmung zu einem Debt-Equity-Swap 189 Quorum siehe Beschlussfähigkeit Quote, Ausschüttung mit gemeinsamem Vertreter 114 Quote, Ausschüttung ohne gemeinsamem Vertreter – Abwicklung 111 f. – Aufhebung des Insolvenzverfahrens, bei 112 ff. – Problem der Doppelausschüttung 111 f. – rechtmäßiger Empfänger 108 ff. Sanierungsmaßnahmen – Katalog des § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG 38 – Mehrheitsbeschlüsse gem. § 5 Abs. 3 SchVG nach Insolvenzeröffnung 103 ff. – Zustimmung des gemeinsamen Vertreters zu Sanierungsmaßnahmen im Insolvenzplan 165 Schuldurkunde 73 ff. Schuldverschreibung – Erscheinungsformen 24 ff. – Handel, mit 43 ff.

238

Stichwortverzeichnis

– inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen 32 – zugrundeliegendes Rechtsverhältnis 29 f. Schuldverschreibungsgesetz – Anwendungsbereich, allgemein 32 f. – Entstehungsgeschichte und Ziele 30 ff. – Gläubigerorganisationsrecht, optionales 37 ff. – Leitbild, des 45 ff. – Opt-in-Beschluss 37 ff – Opt-in-Beschluss nach Insolvenzeröffnung 35 ff. – Zwingender Charakter des § 19 SchVG 33 ff. Schuldverschreibungsgesetz 1899 30 f. Schutzschirmverfahren, vorläufiges 66 f. Sofortige Vollziehbarkeit siehe Beschlusskontrolle

Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte 44 Sperrvermerk, Depotauszug mit siehe Anleihegläubiger – Nachweis der Inhaberschaft Stimmberechtigung 155 f. Stimmgewicht 156 f. Verdrängendes Mandat 43, 162 Verkehrsfähigkeit 43, 79, 97, 195 Verteilungsverzeichnis 108 ff. Verwahrkette siehe Clearingsystem Wertpapierkennnummer, nicht handelbare 88 Wertpapierrechtliches Verfahren 73 f. siehe auch Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Zwangsumwandlung

121 ff.