Die Albertus-Universität Königsberg: Ihre Geschichte von der Reichsgründung bis zum Untergang der Provinz Ostpreußen (1871-1945). Band 1: 1871-1918 9783050060903, 9783050043128

1544 gegründet, war die Albertus-Universität in Königsberg Preußens älteste Hochschule. Im kollektiven Gedächtnis ist si

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German Pages 823 [824] Year 2012

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Die Albertus-Universität Königsberg: Ihre Geschichte von der Reichsgründung bis zum Untergang der Provinz Ostpreußen (1871-1945).  Band 1: 1871-1918
 9783050060903, 9783050043128

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Christian Tilitzki Die Albertus-Universität Königsberg Band 1 1871–1918

Christian Tilitzki

Die Albertus-Universität Königsberg Ihre Geschichte von der Reichsgründung bis zum Untergang der Provinz Ostpreußen (1871–1945) Band 1 1871–1918

Akademie Verlag

Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. Gedruckt mit Unterstützung der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (Berlin) und der Stiftung Königsberg (Duisburg). Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Vorsatz: Stadtplan Königsberg 1905.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio­ grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d­nb.de abrufbar.

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2012 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie­verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlagentwurf: hauser lacour Satz: Sabine Taube, Kieve Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978­3­05­004312­8 eISBN 978­3­05­006090­3

Zwei Kindern des deutschen Ostens Meiner Mutter Lieselotte Backhaus Geboren in Meesow/Kreis Regenwalde, Pommern Dem Andenken meines Vaters Richard Tilitzki Geboren im Seebad Cranz/Kreis Fischhausen, Ostpreußen

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung Zur Forschungslage: Bildungsgeschichte Preußens, speziell preußische Wissenschafts­ und Universitätsgeschichte seit 1870. Tendenzen der jüngsten Wissenschaftsgeschichte (1989–2011), die Bildungs­ und Hochschulgeschichte Ost­ und Westpreußens als Forschungsdesiderat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

II. Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1914 1. Ostpreußen im politischen Gezeitenwechsel zwischen Verfassungskonflikt und Sozialistengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Albertina bis zur Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Verwaltung und Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Die Geschichte der Fakultäten bis 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1. Die Theologische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Die Juristische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3. Die Medizinische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4. Die Philosophische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4.1. Die Geistes­ und Staatswissenschaften . . . . . . . . . . . . . .

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17 23 23 28 28 43 54 75 75

2.2.4.2. Die Natur­ und Agrarwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140

Berufungspolitik und weltanschauliche Fraktionierung (78), Philosophie (81), Geschichtswissenschaft (87), Staatswissenschaft (99), Kunstgeschichte (105), Deutsche Philologie (108), Romanische und Englische Philologie (111), Altertums­ wissenschaften (114), Orchideenfächer: Indogermanistik, Sanskrit, Orientalistik, Slavistik (123), Die Regionalisierung des Wissens (132)

. . . . . . . . .

Physik (140), Mathematik (144), Astronomie (148), Geographie (150), Geologie, Mineralogie, Paläontologie (154), Chemie u. Pharmazeutische Chemie (160), Zoologie (165), Botanik (170), Agrarwissenschaften (173), Die „Angelegenheit Backhaus“ (178), Die Pflanzenzüchter Gisevius und Gutzeit (183), Die trübe Bilanz nach 25 Jahren (184)

3. Die politische Atmosphäre vor der Jahrhundertwende . . . . . 4. Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914 . 4.1. Die Theologische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Berufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Habilitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3. Das weltanschauliche Profil . . . . . . . . . . . .

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185 196 198 198 201 203

VIII

Inhaltsverzeichnis

4.2. Die Juristische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1. Berufungen und Habilitationen im Zivilrecht . . . . . 4.2.2. Staats­ und Verwaltungsrecht, Völker­ und Kolonialrecht 4.2.3. Straf­ und Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4. Das weltanschauliche Profil . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Die Medizinische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1. Berufungen und Habilitationen . . . . . . . . . . . . . 4.3.2. Kliniken und Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3. Zusammenfassendes zur Fakultätsgeschichte bis 1914 . . 4.4. Die Philosophische Fakultät von 1900–1914 . . . . . . . . . . . 4.4.1. Geisteswissenschaften: Berufungen und Habilitationen .

4.4.2.

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216 216 223 228 230 239 239 271 276 278 278

Natur­ und Agrarwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

324

Mittelalterliche und neuere Geschichte (283), Geographie (290), Staatswissen­ schaften (292), Das Ringen um einen slavistischen Lehrstuhl (295), Altertums­ wissenschaften (300), Semitische Philologie, Ägyptologie, Assyriologie (307), Deutsche Philologie (312), Englische und Romanische Philologie (315), Philosophie (320)

Zoologie und Botanik (324), Chemie (327), Physik (330), Mathematik (332), Mineralogie und Geologie (336), Agrarwissenschaften (339)

4.4.3. Zusammenfassung zur Fakultätsgeschichte bis 1914 . . . . . . . . . . 5. Die Staats­ und Universitätsbibliothek Königsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Universität und Öffentlichkeit: Das professorale Engagement in weltanschaulichen, politischen und wissenschaftlichen Vereinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Exkurs: Die Albertina – eine Familienuniversität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ein Blick zurück auf 44 Jahre Universitätsgeschichte im Kaiserreich . . . . . . . .

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347 352

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370 390 397

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405 413 425 425 426 432 436 440 441 443 446 457 457 461 468 472 477 484

III. Die Albertina im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 1. Kriegsauftakt in Ostpreußen: Stimmen und Stimmungen . . . . . . . . . . . 2. Geistige Mobilmachung: Königsberger Kriegssinnstiftung . . . . . . . . . . . 3. Wissenschaftlicher Kriegseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Zuarbeit für die Militärverwaltung „Ober Ost“ . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Die Gründung des Instituts für ostdeutsche Wirtschaft (IOW) . . . . . . 4. Die Ideen von 1914 verblassen und die „Klassengegensätze“ brechen wieder auf 5. Siegfriede oder Verständigungsfriede: Die Debatte 1917/18 . . . . . . . . . . 6. Berufungspolitik, Forschung, Lehre und Studium unter Kriegsbedingungen . . 6.1. Die Theologische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Die Juristische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Die Medizinische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Die Philosophische Fakultät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1. Die Geisteswissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2. Die Natur­ und Agrarwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . 6.5. Konturen des Königsberger Auslandsstudiums . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Königliche und Universitätsbibliothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Endkampf­Stimmung 1917/18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Albertina an der Heimatfront – Wirkungen des Krieges . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

IX

Anhang Catalogus Professorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

489

Quellen­ und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

651

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

739

Bildteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

741

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Einleitung

Zur Forschungslage

Die sich seit Mitte der 1980er Jahre belebende universitätshistorische Forschung wirkt auch zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer ausgesprochen westzentriert. Umfangreiche Gesamtdarstellungen über die Universitäten Heidelberg, Hamburg, Göttingen, Köln und Frankfurt/M. sind erschienen, denen monographische disziplingeschichtliche Studien etwa über die Altertumswissenschaften in Göttingen, die neukantianische Philosophie in Marburg, die Philosophie an den Universitäten Bayerns, die Theo­ logie in Erlangen und Göttingen oder die Rechtswissenschaft in Frankfurt/M. zur Seite stehen.1 Die mitteldeutschen Hochschulen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR lagen bis 1989, bedingt auch durch die unkooperative Archivpolitik der DDR­Behörden, daher schon außerhalb des Interesses westdeutscher Universitätshistoriker, und in der DDR schien man sich nach den in den 1950ern veröffentlichten voluminösen Jubiläumsbänden zur Universitätsgeschichte von Halle, Greifswald, Jena und Leipzig soweit verausgabt zu haben, daß man fortan keine nennenswerten Kapazitäten mehr für die Hochschul­ und Wissenschaftsgeschichte frei machte.2 Wen wundert es, wenn vor diesem Hinter­ grund die Hochschullandschaft der preußisch­deutschen Ostprovinzen mit den Universitäten Königs­ berg und Breslau, den Technischen Hochschulen Breslau und Danzig, der katholischen Staatlichen Akademie Braunsberg, der Medizinischen Akademie Danzig sowie einer Reihe Pädagogischer Akade­ mien in Pommern, Schlesien und Westpreußen erst recht aus dem Blickfeld zumindest der deutschen Forschung verschwand. Eine Geschichte der im historischen Gedächtnis bestenfalls als Wirkungsstätte Kants präsenten Königsberger Universität von der Reichsgründungszeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu schreiben, schließt also eine offenkundige Forschungslücke. Zumal die letzte Mono­ graphie, vorgelegt von Götz von Selle zum 400. Jubiläum im Juli 1944, und der von Hans Prutz 1894 unternommene Versuch einer Gesamtdarstellung der Universitätsgeschichte im 19. Jahrhundert, für die Zeit nach 1871 höchstens als Abbreviaturen akzeptabel sind. Auch die aus v. Selle und spärlichem Aufsatzschrifttum kompilierte russische Monographie von Lawrynowicz (dt. 1999) genügt nur be­ scheidensten Ansprüchen.3 Vgl. die Forschungsüberblicke von Jansen 1993; R. A. Müller 2000: Asche/Gerber 2008; Paletschek 2011. Halle 1952, Greifswald 1956; Steinmetz, Jena 1957/58; Engelberg, Leipzig 1959; als Nachzügler noch, hg. v. G. Heidorn u. a., 1969 die oberflächliche FS zur 550. Jubiläum der Rostocker Universität; zu Berlin nur eine Aufsatzslg. von Göber/Herneck 1960. 3 Prutz 1894 reserviert für die „letzten 30 Jahre“ (1864–1894) 45 von 325 Seiten und die sind bis zur Un­ brauchbarkeit lückenhaft und unzuverlässig. Stettiners Broschüre (1894) bedenkt die Zeit ab 1871 mit 7 Seiten, notiert aber: die Albertina habe seitdem an Bedeutung verloren. Ebenso knapp v. Selle 1944, S. 314–327, von 384 Seiten! Die überarbeitete Auflage von 1956 bringt kaum Neues, beschränkte sich vielmehr darauf, einige Zugeständnisse an den NS­Zeitgeist zu tilgen. Nur kursorisch: Andrée 1958. Zu Lawrynowicz 1999 meine Re­ zension, Tilitzki 2002x. Überraschend ahnungslos die kleineren Beiträge des gebürtigen Königsbergers Walther Hubatsch 1964 (wo S. 21 von den schon früh „vorzüglichen landwirtschaftlichen Instituten“ die Rede ist, von „vortrefflichen Kuratoren“ usw., Formulierungen aus dem rhetorischen Repertoire des Festredners) oder 1966, 1

2

4

Einleitung

Helmut Heiber resümiert im zweiten Band seines Epos über die ‚Universität unterm Hakenkreuz‘ zum Stand der Forschung für die Zeit nach 1933: „Wie ist diese Albertus­Universität im Dritten Reich einzuordnen, und wo können wir darüber etwas finden? In den Akten? Das Universitätsarchiv ist noch aus Ostpreußen herausgebracht und befindet sich […] oder befand sich jedenfalls in Göttingen. Dabei handelt es sich um ein Archiv, um Altbestände mithin, während das, was wir benötigen, die Regis­ tratur wäre, allenfalls ein Zwischenarchiv. Und von den zentralen preußischen und Reichsakten ist über Königsberg, nicht allzuviel, praktisch sogar nichts, erhalten geblieben. Mit der Sekundärliteratur verhält es sich dementsprechend, denn wo keine Akten vorhanden sind, ist auch die Sekundärliteratur wenig wert … .“ Von Selles Universitätsgeschichte, so bilanziert Heiber weiter, sei für die NS­Zeit jedenfalls schon quantitativ von blamabler Dürftigkeit.4 Zu einem ähnlichen Resultat gelangt ein jüngeres Forschungsreferat zur Wissenschaftshistoriogra­ phie des Dritten Reiches, wenn es dort heißt, daß insgesamt die Hochschullandschaft der preußischen Ostgebiete noch als terra incognita angesehen werden müsse.5 Gleichwohl werden zur Zurückhaltung des Urteils mahnende Befunde gern ignoriert, wenn es darum geht, die Königsberger Universität hochschulpolitisch und wissenschaftsgeschichtlich einzu­ ordnen. So zum Beispiel im öffentlichkeitswirksamen Streit über weltanschauliche Affinitäten der Ge­ schichtspublizistik von Hans Rothfels sowie über die akademischen Karrieren seiner Schüler Theodor Schieder und Werner Conze nach 1933. Recht „freihändig“, ohne Quellenkenntnis nach „ideologie­ kritischem“ Schematismus verfahrend , wird dabei der Standort der Albertina zu bestimmen versucht: Der Lehrkörper einer „Grenzlanduniversität“, so die notorische Unterstellung, habe, gleichsam im mehrfachen Wortsinn, eine natürliche Nähe zu der auf „Lebensraumeroberung im Osten“ fixierten NS­Ideologie besessen, so daß diese Hochschule wohl als „geistiges Zentrum“ nationalsozialistischer Neuordnung des Ostraums einzustufen sei.6 Wie solche Anklagen zeigen, findet die Geschichte der Albertina seit der Reichsgründung nur im extrem reduzierten Format des NS­Kontextes Beachtung. Das ist nicht erstaunlich, denn mit der West­ zentrierung der jüngeren Universitäts­ und Wissenschaftshistorie untrennbar verbunden war lange S. 55 (vor 1914 habe sich in den Institutsräumen ein „Forschungsbetrieb abgespielt, der anderen vergleichbaren Universitäten durchaus nicht nachstand“). Als Spiegelbild der bescheidenen Forschungsanstrengungen mag man den kargen Eintrag „Albertina“ in der Internet­Enzyklopädie Wikipedia auffassen, Stand November 2010. Hier liegt die Fehlerquote weit über dem bei Wikipedia­Artikeln ohnehin hohen Durchschnitt. Bezeichnend, daß der Bibliothekar v. Selle gar zum „letzten Rektor der deutschsprachigen Universität“ aufrückt! 4 Heiber, Tl. II/2, 1994, S. 314. Daß das Universitätsarchiv noch 1945 aus Ostpreußen „herausgebracht“ wor­ den sei, ist nicht korrekt. Komorowski 2008, S. 12, weist nochmals darauf hin, daß es ein eigenes Universitätsarchiv gar nicht gegeben habe, sondern, zuletzt 1921, die kurrenten Akten an das Königsberger Staatsarchiv abgegeben wurden. Für die Weimarer Zeit und das Dritte Reich kann also nicht auf eine Königsberger Überlieferung zu­ rückgegriffen werden. Im tatsächlich „herausgebrachten“ Staatsarchiv, zunächst in Göttingen, seit 1978 im GStA Berlin­Dahlem, finden sich gerade für unseren Untersuchungszeitraum nach 1870 keine Akten, ebensowenig in dem Teil des Staatsarchivs, der heute in Allenstein verwahrt wird und der vor allem für die Universitätsgeschichte des 18. Jahrhunderts wertvolle Bestände birgt. 5 Chroust 1994, Bd. 1, S. 17 f. 6 Aly/Heim 1991, S. 91 ff. Dazu auch die auf dem 42. Deutschen Historikertag gehaltenen Referate von Aly u. Haar in: Schulze/Oexle (Hg.) 1999. Mittlerweile gehören diese Deutungen zum abgesunkenen Kulturgut, wie man aus der Zitatencollage bei Manthey 2005, S. 655 ff. über „Willfährige Gelehrte“ nachlesen kann, die es fertigbringt, nicht nur Rothfels/Schieder/Conze politisch korrekt „einzutüten“, sondern auch Arnold Gehlens Hauptwerk ‚Der Mensch‘ in zwölf Zeilen so zu kondensieren, daß es einem Leitartikel Alfred Rosenbergs zu ähneln scheint. Zur Kritik an Haar et al. vgl. Tilitzki 2001b, Winkler 2004 und Neugebauer 2005, Jureit 2010 m. w. Nachweisen. Von Haars These über die Antizipation „völkischer“ Ideologeme in den Arbeiten Königsberger Historiker abrückend, nun auch der erste Versuch zu einer umfassenden intellektuellen Biographie Hans Rothfels‘: Eckel 2005, sowie Dunkhase 2010 zu Conze.

Zur Forschungslage

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deren Beschränkung auf die nationalsozialistische Ära. Ausnahmen wie Notker Hammersteins 1914 einsetzende Frankfurter Universitätsgeschichte,7 Andrea Wettmanns materialreiche Dissertation über die Marburger Universität im Ersten Weltkrieg,8 die sozialhistorische, jedoch penetrant auf das Nadel­ öhr von 1933 zuschreibende Arbeit von Peter Chroust über die Universität Gießen (1918–1945),9 die – für die NS­Zeit sehr selektiv verfahrende – Kölner Gesamtdarstellung von Bernd Heimbüchel (1914–1945)10 und die im Titel einen größeren Rahmen versprechende, aber auf das Dritte Reich konzentrierte Aufsatzsammlung zu „Sachsens Landesuniversität“ Leipzig11 bestätigen dabei die Regel, der auch neuere Publikationen über Bonn, Halle, Jena, Kiel, Berlin, Wien, Tübingen gehorchen.12 Diese bemerkenswerte Verengung der Forschung auf die NS­Zeit hat dazu geführt, daß bis heute über der Wissenschaftslandschaft des Kaiserreichs und der Weimarer Republik ein dunkler Schleier liegt. Angesichts vieler, mitunter populärer Biographien über Gelehrtenfürsten der wilhelminischen Epoche (Mommsen, Treitschke, Virchow, Röntgen, Planck, Kirchhoff, Harnack, Sombart, Max Weber, Haber, Dehio et al.13) sowie wiederholter Anläufe, das Geheimnis des „Systems Althoff“ zu entschlüsseln,14 klingt diese Einschätzung pessimistisch, ist aber schwerlich zu widerlegen.15 Und je weiter man in die Universitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts zurückwandert, desto unwegsamer wird das Gelände. Seit Preußens besatzungsrechtlich verfügtem Ende (1947) sind gut sechzig Jahre verstrichen, aber keine preu­ ßische Universität fand in dieser Zeit ihren Geschichtsschreiber für das Jahrhundert von 1810 bis 1918. Um über die zweitälteste der „altpreußischen“ Hochschulen, Halle­Wittenberg (1694), wenig­ stens einen Abriß ihrer Entwicklung für diesen Zeitraum nachschlagen zu können, muß man zur Jubi­ läumsschrift von 1894/97 greifen, die der damalige Kurator Wilhelm Schrader verfasste, die aber für das Gros der Disziplinen, an denen der primär auf Theologie und Philosophie sein Augenmerk richt­

Hammerstein 1989, allerdings die Weltkriegszeit nur sporadisch bedenkend und summarisch urteilend, die vaterländische Begeisterung sei in Frankfurt wohl moderater ausgefallen als an anderen Hochschulen (S. 32). Ge­ nauer zur Gründungszeit: Kluke 1972. 8 Wettmann 2000. Zu 1914/18; ansonsten zum I. Weltkrieg, mit ähnlichen Ergebnissen, lediglich einige Auf­ sätze: für Leipzig Gätke­Heckmann 2005 und v. Hehl u. a. (Hg.) Bd. III, 2009, S. 42–66; St. Gerber, in: Jena 2009, S. 240–253; für Tübingen Paletschek 1997 und für Freiburg Chickering, Hofer, A. Lehmann, alle 2007; die Kriegspublizistik Heidelberger Dozenten von 1914 bis 1918 berücksichtigt die auf die Weimarer Zeit kon­ zentrierte Monographie von Jansen 1992, S. 109–142; zu Würzburg Buchner, in: Ders. (Hg.) 1932; zu Münster: Köster 1941: zu Erlangen: Blessing 1993. 9 Chroust 1994; eine sehr geraffte Gesamtgeschichte seit 1607 versuchte zuvor Peter Moraw 1982; die FS von 1957 bot hingegen zumeist impressionistische Disziplingeschichte. 10 Heimbüchel/Pabst 1988; da Jansen 1993, S. 189 ff; zu Köln ab 1933 vgl. a. Golczewski 1988. 11 v. Hehl 2005. 12 Höpfner 1999, zur Bonner MedFak 1933–1945: Forsbach 2006; zu Halle: Eberle 2003; Jena: Hoßfeld u. a. 2003, daraus eine Kurzfassung: Ders. 2005; zu Kiel: Cornelißen (Hg.) 2009, zu Berlin: Jahr u. a. 2005; ferner: Ash u. a. (Hg.) zu Wien und Wiesing (Hg.) 2010 zu Tübingen. 13 Vgl. Rebenich 2003; Langer 1998; Goschler 2002; Fölsing 1995; E. P. Fischer 2007; Nottmeier 2004; Lenger 1995; Radkau 2005; Szöllösi­Janze 1998; Betthausen 2004. 14 Zum System Althoff: vom Brocke (Hg.) 1991. 15 Mittelalter und Frühe Neuzeit seien universitätshistorisch inzwischen besser erforscht als das 19. und 20. Jahr­ hundert – mit Ausnahme der NS­Zeit, da hier „erinnerungskulturelle Bedürfnisse“ das Interesse befeuert hätten, wie Paletschek 2011, S. 171, zu Recht feststellt. Zu Heidelberg im 19. Jh. die Gelehrtenportraits in den beiden Bänden von Friedrich 1903 sowie Bd. II (1803–1918) der Festschrift Semper apertus 1985. Weitere Aufhellungen jetzt vor allem durch das monumentale Kompendium zur Geschichte der Universität Jena seit 1850 bis 1995: Traditionen­Brüche­Wandlungen 2009, sowie durch die (bisher) drei Bände der von Tenorth hg. Berliner Univer­ sitätsgeschichte (2010). Dagegen für das 19. Jh. eher unergiebig: Rupieper (Hg.) 2002. Dieses „lange“ Jahrhundert stärker berücksichtigt vor allem in Disziplin­ u. Fakultätsgeschichten, etwa bei Zeiler 2009 und Schroeder 2010 zur Geschichte der Freiburger bzw. Heidelberger JurFak; Benkert 2008 zur Würzburger JurFak setzt 1914 ein. 7

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Einleitung

ende Alt­Hegelianer wenig Interesse zeigte, einer Namen­ und Datensammlung gleicht.16 Ein Stadium universitätshistorischer Darstellung, über das auch die etwas jüngeren, zwischen 1906 und 1920 er­ schienenen Arbeiten über die Gründungen der preußischen Reformära, Berlin, Breslau, Bonn, kaum hinausgelangten,17 während die verunglückte Leipziger Festschrift von 1909, ungeachtet ihres statt­ lichen fünfbändigen Umfangs, eine Mischung aus kursorischem name dropping und stolzer Immobi­ lien­Präsention der Instituts­ und Klinikchefs offeriert.18 Nicht viel informativer ist die gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer fahriger werdende Arbeit, die Götz von Selle 1937 zum Jubiläum der Göttinger Universität lieferte und die genügte, ihn dann als Historiographen der Albertina zu empfehlen.19 Im Vergleich damit bedeutet die 1956 schon stark vom DDR­Marxismus infiltrierte, aber aktengestütze Greifswalder Universitätsgeschichte einen Fortschritt,20 und das 2006 gefeierte Jubiläum bescherte uns einige Aufsatzsammlungen, den Teilband eines Professorenkatalogs sowie Abrisse zur ‚Geschichte der Fakultäten im 19. und 20. Jahrhundert‘.21 Die Urzelle der neuerdings zum „Mythos“ herabgestuften „Humboldtschen Reform­Universität“,22 die Berliner Friedrich­Wilhelms­Universität, wurde 1961, teilungsbedingt in „West­“ und „Ost­“ Publikationen, nur in Aufsatzbänden gewürdigt;23 auch hier verheißt erst das 2010 gefeierte 200. Gründungsjubiläum eine geschlossene, die veraltete Monographie von Max Lenz24 ersetzende Gesamtdarstellung.25 Für Münster ist, neben einer aus den Archivquellen

Schrader 1897. Vgl. Max Lenz 1918; Georg Kaufmann 1911, im ersten Teil der Breslauer Festschrift, dazu im zweiten Teil die Sammlung zumeist karger Skizzen zur Geschichte der Institute, Seminare, Kliniken. Mit kriegsbedingter Ver­ spätung erschien 1920 Friedrich von Bezolds Gesamtdarstellung der Bonner Universitätsgeschichte, die allerdings 1870 endet. Ein zweiter Teil, nach Breslauer Vorbild den Instituten und Kliniken gewidmet, erschien erst 1933 und fällt vor allem für die Jur. u. Med. Fakultät sehr unbefriedigend aus. Auf die Geschichte der Med. Fak. ging jedoch Karl Schmiz 1920 ausführlicher ein. Die Mediziner waren auch die einzigen, die mit einem historischen Rückblick auf das 19. Jahrhundert vom Greifswalder Jubiläum 1906 profitierten. Einen Vorgriff auf die große Ju­ biläumsschrift von 1927 stellt die Broschüre von Karl Wenck über die Marburger Universität seit 1866 dar (1921). 18 Leipzig 1909a–d; ähnlich, aber noch dürftiger die zweibändige Festschrift der Universität Gießen 1907. Er­ giebiger in diesem wilhelminischen Reigen der Festschriften, leider aber Medizin und Naturwissenschaften ver­ nachlässigend, das Ein­Mann­Unternehmen des Erlanger Kirchenhistorikers Theodor Kolde zur Geschichte seiner Alma mater „unter dem Hause Wittelsbach 1810–1910“, Erlangen/Leipzig 1910. 19 v. Selle 1937; der Verfasser wurde 1939 von der Göttinger an die Königsberger Staatsbibliothek versetzt, um die Geschichte der Albertina rechtzeitig in Angriff nehmen zu können. Zuvor, ungleich materialreicher, die von Buchner hg. Würzburger Universitätsgeschichte von 1932, leider aber konzentriert auf die MedFak. 20 Desgleichen die jeweils zweibändigen Sammelwerke zum Jenaer und Leipziger Jubiläum, 1958 und 1959. 21 Greifswald 1956; vorausweisend: Buchholz 2004a (hierzu Tilitzki 2005) und Buchholz 2004b (zu dieser die Berufungen von 1907 bis 1932 abdeckenden Biographiensammlung die sehr kritische Rezension von Alvermann 2006). Ferner Alvermann/Spieß (Hg.) 2006. Auf reine Organisationsgeschichte der Greifswalder Rechts­ u. Staats­ wiss. Fak. beschränkt sich Vorholz 2000. Dazu die inhaltliche Ergänzung jetzt durch den von Joachim Lege 2009 hg. Sammelband. 22 Dazu Paletschek 2001; Langewiesche 2011. 23 Leussink 1960; Elliger 1960 sowie von DDR­Seite: Göber/Herneck 1960; dazu, ebenfalls jubiläumsbedingt: Laitko et al. 1987, bes. S. 174–395 (die „Wissenschaft in Berlin“ von 1871 bis 1918 darstellend, dabei gut marxi­ stisch primär „die Vollstreckung wirtschaftlicher Interessen der Bourgeoisie“ durch die sich in der Reichshauptstadt konzentrierenden Naturwissenschaften herausstreichend). 24 Für die Zeit ab 1871 bes. die zweite Hälfte des 2. Bandes, Lenz 1918. 25 Angekündigt in sechs Bänden, von denen im Jubiläums­Herbst 2010 freilich erst Bd. 4 und 5 vorlagen, zur ‚Genese der Fakultäten‘ bzw. ‚Transformation der Wissensordnung‘, hg. v. Heinz­Elmar Tenorth; hinter den mo­ disch klingenden Titeln verbergen sich konventionell­solide Disziplingeschichten, die freilich Mathematik, Natur­ wissenschaften und Medizin nur sehr stiefmütterlich berücksichtigen. Zur Berliner JurFak vgl. Grundmann u. a. (Hg.) 2010. 16 17

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geschöpften Geschichte der Rechts­ und Staatswissenschaftlichen Fakultät26 und einer Geschichte der Germanistik,27 nur auf einen Aufsatzband zu verweisen, der für die meisten Disziplinen Dozenten und deren Forschungspräferenzen lediglich knapp charakterisiert.28 Die Autoren der letztlich unvollendeten sechsbändigen Kieler Jubiläumsschrift (1965 ff.) griffen zwar auf die damals in Merseburg lagernden Ministerialakten zurück, hatten aber nicht den Ehrgeiz, die preußische Wissenschaftspolitik etwa an­ hand detaillierter Analysen der Berufungsentscheidungen für diese erst seit 1867 dem Berliner Kul­ tusministerium unterstehende Universität zu untersuchen.29 Für das kurhessische, ab 1866 ebenfalls „neupreußische“ Marburg fehlt eine neuere Untersuchung,30 für Bonn muß man sich mit einer mehr­ bändigen, die Naturwissenschaften recht stiefmütterlich berücksichtigende Sammlung von Gelehrten­ porträts begnügen (1968 ff.).31 Die schlesische Alma mater Breslau hingegen ist, seit hundert Jahren, seit dem Erscheinen der Jubelschrift von 1911, weitgehend ein weißer Fleck auf der Forschungskarte.32 Bei der jüngsten Festschrift, die zum 600jährigen Jubiläum der Leipziger Universität vorgelegt wurde, ist ungeachtet aller fünfbändigen Imposanz doch die enttäuschende, sich zumeist in der Reihung von Lebensdaten und Werktiteln erschöpfende Konventionalität der disziplinhistorischen Partien kaum zu übersehen.33 Für Straßburg ist auf die von 1872 bis 1902 reichende wertvolle, wenn auch nur den Geis­ teswissenschaften zugewandte Monographie von Stephan Roscher zu verweisen und für Jena auf das bereits erwähnte 1.000seitige Monument, das von 1850 bis in die Gegenwart (1995) führt.34 Eine Königsberger Universitätsgeschichte kann sich in diesem Umfeld mithin weder vergleichend auf die Untersuchung auch nur e i n e r anderen preußischen oder nicht­preußischen Universität beziehen, noch läßt sie sich einpassen in die Geschichte der preußischen Wissenschaftspolitik nach 1870/71, da wir auch darüber bisher nur fragmentarisch informiert sind. Denn erst 2004 begann ein Langzeitprojekt der Berlin­Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften über „Preußen als Kul­ turstaat“ damit, die Geschichte des 1817 gegründeten preußischen Kultusministeriums zu erforschen. Die bislang vorliegenden, darstellenden Teile des Unternehmens betonen die Expansion der „daseins­ vorsorgend­leistenden Kulturstaatlichkeit“ Preußens (Neugebauer) und bieten einen für das 19. Jahr­ Steveling 1999; die Arbeit führt bis in die 1970er Jahre. Pilger 2004. 28 Dollinger (Hg.) 1980. Ähnlich der für das 19./20. Jh. relevante erste Band der dreibändigen Tübinger Jubilä­ umsschrift, Decker­Hauff (Hg.) 1977. 29 Vgl. Hofmann u. a. 1965, sehr knapp, S. 9–49, zur Entwicklung im „Königreich Preußen“. Daneben immer noch wertvoll die Festschrift zum 275jährigen Bestehen: Ritterbusch (Hg.) 1940. 30 Eine ältere Jubiläumsschrift (Kaehler 1927) ist für das 19./20. Jh. ähnlich ungenügend wie die v. Selles zu Göttingen und Königsberg. Für das 20. Jh. außer Wettmann 2000 vor allem der Professorenkatalog von Auerbach 1979, die Porträtsammlung von Schnack 1977 und der Dokumentenband von Nagel/Sieg 2002, begrenzt auf 1933–1945. Beachtlich für das 19. Jahrhundert die ausführliche Darstellung von R. Schmitz zur Geschichte der Naturwissenschaften an der Marburger Philipps­Universität, 1979. 31 Dazu von 1968 bis 1972 die Reihe: Bonner Gelehrte, mit dem Nachzügler zur Medizin: Mani (Hg.) 1992. 32 Verstreutes, zumeist älteres Schrifttum zu einzelnen Gelehrten ist vorhanden, einiges davon in den ‚Schle­ sischen Lebensbildern‘, neuerdings, blamabel unzureichend, zur Philosophie in Breslau (1933–1945), Kapferer 2002 (vgl. dazu meine Rezension, Tilitzki 2004b), und, im Rahmen seiner Habilschrift über den Mediävisten Hermann Aubin, zur dortigen Geschichtswissenschaft zwischen 1925 und 1945: Mühle 2005 (dazu Tilitzki 2006b). Ordentlich, allerdings mehr biographisch als disziplingeschichtlich aufschlußreich, Völkels Geschichte der Breslauer Geowissenschaften von 1811 bis 1945 (2002). Der gründlichsten Einzeldarstellung darf sich bisher die Breslauer Germanistik rühmen, freilich, abgesehen von einem Abriß zur „Vorgeschichte“ seit 1811, begrenzt auf die Zeit 1918 bis 1945: Kunicki 2002. Im Sommer 2011 konnte noch druckfrisch zur Kenntnis genommen werden Thomas Ditts aus Archiven schöpfender Beitrag zur Geschichte der Breslauer Juristischen Fakultät, der sich den „Rechtswissenschaften im ‚Grenzland Schlesien‘“ von 1933 bis 1945 widmet. 33 v. Hehl (Hg.), Bd. III und IV/1–2, 2009, sowie Zwahr/Blecher, Bd. III, 2010. 34 Roscher 2006 (gründlicher als Craig 1982); J e n a 2009. 26

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hundert äußerst knappen Überblick zur Wissenschafts­ und Hochschulpolitik des Ministeriums von Hartwin Spenkuch, der einige Grundzüge der administrativen Steuerung in der Berufungspolitik und der institutionellen Förderung umreißt, ohne auf einzelne Universitäten eingehen zu können und ohne nach den treibenden Kräften, dem Weltbild und Selbstverständnis der preußischen Kultusbürokraten zu fragen, die gewiß aus anderen Gründen als aus dem Streben nach nationalem „Prestige“ den Aus­ bau der Bildungsinfrastruktur, die Erschließung handlungsleitenden „wissenschaftlichen, gesicherten Wissens“ (Peter Weingart) und dessen Diffusion in die Gesellschaft forcierten.35 Der Versuch Marita Baumgartens, der Aufklärung zu geben versprach über „Professoren und Universitäten im 19. Jahrhun­ dert“, orientiert zwar über die Ablösung der „Familien­“ durch die Forschungs­Hochschule, des enzy­ klopädisch gebildeten Gelehrten durch den spezialisierten Wissenschaftler, die Auflösung der sozialen und lokalen Verflechtungen zugunsten des „Leistungsbezugs“. Doch ist darin oftmals kaum mehr zu sehen als eine statistische Bestätigung dessen, was man aufgrund der zur Allgemeinbildung zählenden Kenntnisse der Hochschul­ und Wissenschaftsentwicklung des 19. Jahrhunderts ohnehin schon an­ nehmen durfte.36 Dagegen setzt sich eine 1870 beginnende, 1933 abschließende, Tübingen gewid­ mete Spezialstudie, die im sozialhistorischen Datenrausch mitunter ebenfalls Selbstverständlichkeiten in Statistiken stanzt,37 doch erfreulich weit ab von dem bislang dominierenden, von Jubiläen diktierten Festschrift­Typ der Universitätshistoriographie, dem auch die genannten allerjüngsten Arbeiten über Greifswald, Leipzig, Berlin und Jena vielfach verpflichtet bleiben. Für die Geschichte einzelner Disziplinen sieht es, wenn wir hier Mitte des 19. Jahrhunderts einset­ zen, nicht viel besser aus. Allein die Naturwissenschaften, allen voran die Physiologie, stehen hier in et­ was hellerem Licht.38 Die Desiderata werden allerdings schnell deutlich, wenn man auf die Geistes­ oder Kulturwissenschaften blickt. Bezeichnend ist, daß für kaum eine der vielzitierten gelehrtenpolitischen Leitdisziplinen (Geschichte, Staatsrecht, Nationalökonomie, Germanistik, Philosophie, Theologie) auf eine Analyse aller zwischen 1871 und 1932 erfolgten Berufungen zurückgegriffen werden kann. Neue Gesamtdarstellungen wie Sabine Mangolds Werk über die deutsche Orientalistik im 19. Jahrhundert haben Seltenheitswert.39 Der Ansatz, um nur darauf zu verweisen, zu einer Geschichte der Theologie seit Albrecht Ritschl, liegt mit Eckard Lessings zweibändiger Monographie erst seit 2004 abgeschlossen vor, und seine Kritiker zeigen sich zu Recht enttäuscht darüber, daß diese Namen­ und Zitatenreihung auf jede Einbettung in die politisch­sozialen „Zeitumstände“ verzichtet.40 Zu „Preußen als Kulturstaat“ vgl. die ersten Bände Neugebauer (Hg.) 2009 und 2010a. Zur kulturellen Da­ seinsvorsorge: Ders. 2010b; der preuß. Wissenschaftspolitik im 19. Jh. widmet Spenkuch 2010 lediglich ein Viertel seines dürftigen Überblicks, S. 135–176, davon entfallen auf 1866–1918 inklusive „System Althoff“ nur die S. 165–176. – Leider nur problematisierend zu den wissenschaftshistorischen Ressourcen der Wissensschaftssoziologie: Weingart 2003. – Alles in allem mit groben Rastern zur Wissenschaftspolitik im 19. Jh.: Pfetsch 1974; McClelland 1980 sowie die Beiträge in Bd. III der ‚Geschichte der Universität in Europa‘ von W. Rüegg (Hg.) 2004. 36 Baumgarten 1997. 37 Paletschek 2001; gegen die Überwältigung durch die Datenbatterien dieser Habilschrift wappnet die Erinne­ rung an eine maliziöse Reflektion Adornos (Minima Moralia, in: GS 4, 1997, S. 297) über die „Abdrosselung des Denkens“ durch empirische Sozialforschung: Deren Ergebnisse könne doch „selbst die bescheidenste Vernunft vorwegnehmen“. Dies gilt auch für streng sozialhistorisch verfahrende Untersuchung von Olaf Willet (2000), die fast zweihundert Jahre Erlanger Professorenalltag erfasst und über weite Strecken sich in Belanglosigkeiten wie architektonische Grundrisse von Akademikervillen verliert. 38 Dazu mit ausführlicher Bibliographie Sarasin/Tanner 1998. 39 Mangold 2004. Für die erste Hälfte des 20. Jhs. die Fortsetzung dieser Arbeit vorwegnehmend: Hanisch 2003, allerdings gerade für die Zeit 1900 bis 1918 extrem exemplarisch verfahrend. – Besser als um die Geschichte der kulturwiss. steht es um die Geschichte der naturwiss. Disziplinen, z. B. der Botanik: vgl. nur Mägdefrau 1992 für die Gesamtgeschichte oder etwa Schnarrenberger/Scholz 1990 für die ,Geschichte der Botanik in Berlin‘. 40 Lessing 2000/2004; vgl. zum ersten Band Graf 2001, sehr kritisch zur Aneinanderreihung von Lehrmei­ nungen: „Lessing hat vergessen, daß seine Theologen zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gesellschaft 35

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Ziel einer Geschichte der letzten Jahrzehnte der deutschen Universität Königsberg kann angesichts soviel historiographischer Enthaltsamkeit nur sein, einen Beitrag zur Universitäts­ und Wissenschafts­ geschichte in ihrer regionalen Konkretisierung zu leisten, was angesichts der schütteren Kenntnisse, die das nach 1945 ohnehin stetig geschrumpfte Häuflein ost­ und westpreußischer Landeshistoriker gerade für die Geschichte der Provinz während des Zweiten und Dritten Reiches zutage förderte, kein leichtes Unterfangen ist.41 Im Mittelpunkt stehen dabei die Verflechtung von Wissensproduk­ tion und Wissensvermittlung mit den von Staat und Gesellschaft formulierten Erwartungen und Be­ dürfnissen, den Abhängigkeiten von materiellen Ressourcen, der staatlichen Steuerung, Finanzierung und Organisation von wissenschaftlichem Wissen. Dem sind die weltanschaulich­politischen Leit­ vorstellungen und Werthaltungen der Hochschullehrerschaft, ihre politischen Präferenzen und insbe­ sondere auch ihre im individuellen öffentlichen Engagement manifestierten Verhaltensdispositionen immanent. Daher ist dem Ineinander von vermeintlich „reiner“ Theoriebildung, scheinbar autono­ mer Entfaltung kognitiver Prozesse und weltanschaulicher Sinnstiftung in der Wissensproduktion, der Generierung wissenschaftlichen Wissens zusammen mit der Weltauslegung durch Wissenschaft besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wobei primär dem während des Ersten Weltkrieges von der preußischen Kultusverwaltung inaugurierten Ideal einer kulturwissenschaftlichen „Synthese“ bis in die berufungspolitischen Konsequenzen hinein nachzuspüren ist.42 Und zwar lange vor dessen offizieller Propagierung: denn schon in der Hochphase der Spezialisierung und Differenzierung der Wissenschaf­ ten wurde um 1900 der Ruf nach „zweckfreier“ Allgemeinbildung wieder lauter. Einen Niederschlag müßte dies in der Königsberger Personalauswahl, der Favorisierung des Generalisten vor dem bloßen Spezialisten, auch im Lehrangebot und den Publikationen gefunden haben. Dem „Diskurs des Radikalen Konstruktivismus“ verpflichtet,43 ist zunächst an dem Eingeständnis nicht vorbeizukommen, damit selbst nicht mehr als eine – wenn auch alternative – „Konstruktion“ oder, mit Hayden White zu sprechen, poetische „Erfindung“44 bieten zu können.45 Die setzt auf wissen­ lebten und dachten. Seine Theologiegeschichte ist gar kein historisches Werk. Sie erfüllt alle Kriterien des unge­ schichtlichen Denkstils, der um 1900 ‚die dogmatische Methode in der Theologie‘ genannt wurde.“ 41 Speziell zur Vernachlässigung der regionalhistorischen Zeitgeschichte ab 1933 Kittel 2002, doch läßt sich dessen traurige Bilanz nach rückwärts bis auf die Reichsgründungsära ausdehnen. Hier stößt man für den stadt­ historischen Rahmen der Universitätsgeschichte auch bei Gause 1968 und 1971 schnell an die Grenzen, die sich wegen des kriegsbedingten Verlustes an Zeitungen, Parteien­ und Vereinsperiodica auch kaum mehr nennenswert überschreiten lassen werden. So dürfte sich z. B. das, wie aus allerlei Indizien zu schließen, hoch zu veranschla­ gende, kommunalpolitische Engagement vieler Dozenten zwischen 1871 und 1914 nicht mehr rekonstruieren lassen. 42 Daß wissenschaftliche Theoriebildungen stets von politisch­weltanschaulichen Überzeugungen infiltriert wer­ den, ist die These von Paul Formans bekannter Studie über ‚Weimarer Kultur, Kausalität und Quantentheorie 1918–1927‘ (zuerst 1971, dt. 1994). Daran anknüpfend zur Geschichte der Physik nach 1918 Stefan L. Wolff 2008; allerdings wenig geglückt, da schon politische Klassifizierungen wie „reaktionär“ oder „völkisch“ denkbar unpräzise ausfallen. Nicht verwunderlich, wenn Wolff es dann mit seiner Unterstellung, „reaktionäre“ Physiker hätten quasi zwangsläufig „moderne Theorien“ bekämpft, nur zu einer extrem vagen Verknüpfung von politischen und wissenschaftlichen Präferenzen bringt. 43 Vgl. Schütz 1932; Berger/Luckmann 1987; Hayden White 1992; S. J. Schmidt (Hg.) 1988. 44 Neuerdings an die Grenzen historiographischer Erfindungskraft erinnernd: Langewiesche 2003. 45 Daß freilich auch ein explizit der „Konstruktivität“ jedes historiographischen Zugriffs auf vergangene „Wirk­ lichkeit“ sich bewußt sein wollender Versuch, die „Homologie von Wissenschaft und Politik“ nachzuweisen, in den Niederungen der Ideologiekritik landen kann, zeigt Th. Etzemüllers Studie (2005, bes. S. 124 f, 132–135) über die Königsberger „Rothfelsianer“: Das „Formatierungsprinzip ihrer Wahrnehmung“ sei dem „dominanten Ordnungsdiskurs“ ihrer Zeit entsprungen, Rothfels und seine Schüler seien auf „Ordnung“, „Einheit“, „Stabilität“, „Integrität“ fixiert gewesen – ein Befund, der auf Perikles wie auf Ludwig XIV. genauso zutreffen dürfte. Vernich­ tend zu Etzemüller: Bahners 2002.

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schaftshistorischem Terrain, von geschichtspolitischen Vorgaben abstrahierend, bei dem Phänomen an, daß Wissensproduktion nichts anderes ist als ein „besonderer Typ des sozialen Handelns oder der Kommunikation“.46 Wissenschaftler sind demnach beteiligt an der „gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit“ (Berger/Luckmann), sie konstituieren und konstruieren sozialen „Sinn“, struktu­ rieren und formieren Erfahrungs­ und Handlungswissen, das sich zu „Weltanschauungen“, zu „Welt­ bildern“ verdichtet. Wenn deutsche Professoren im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sich von englischen oder französischen signifikant unterscheiden, dann nicht dadurch, daß sie poli­ tische „Sonderwege“ beschritten haben, Gegner der pluralistischen Parteiendemokratie waren usw., sondern viel eher dadurch, daß sie stärker vom Ehrgeiz erfaßt waren, eine soziale Funktion als „Ori­ entierungsweiser [und] Sinnproduzenten“ ausfüllen zu wollen, fest davon überzeugt, aus der Substanz wissenschaftlichen Wissens noch „aufs Ganze“ gehen zu können, um dem „Zerfall von Ganzheit und Wertkosmos“, um „Entfremdung, Fragmentierung, Pluralisierung, Relativismus“ Paroli zu bieten.47 Dieses „deutsche Weltbildinteresse“, die Tendenz zu „einer einheitlichen Welterkenntnis“, der nach Thomas Nipperdey die deutsche theoretische Physik um 1900 ihre revolutionäre Kraft verdankt,48 war mitnichten allein in den Naturwissenschaften allgegenwärtig. Wissenschaftsgeschichte als Universitätsgeschichte jenseits einer Sozialgeschichte von Professoren und Studenten, jenseits auch ahistorischer Aufzählungen vermeintlich „autonomer“ Theorien in voneinander isolierten wissenschaftlichen Disziplinen, jenseits ideologiekritischer Reduktionen wis­ senschaftlicher „Weltbilder“ auf externe politisch­ökonomische „Interessen“, ist daher auf die staat­ lich institutionalisierte, regional relativ begrenzte kommunikative Sinnproduktion zu konzentrieren. Grundlage dafür sind primär die Veröffentlichungen professoraler „Orientierungsweiser“. Daß ihre zeitweilige Bindung an einen bestimmten Ort und „Kulturraum“ dabei keine vernachlässigbare Größe ist, die „Sinnproduktion“ also regionalen Eigentümlichkeiten unterliegt, ist vorab nur erst einmal eine Hypothese, die Jürgen Manthey allerdings kürzlich für hinreichend tragfähig erachtete, um in Königs­ berg eine „Weltrepublik“ „konstruierend“ anzusiedeln und die Stadt am Pregel als Hort gesteigerter Aufgeklärtheit und eines sonstwo in deutschen Landen kaum auffindbaren vorbildlichen Kosmopoli­ tismus und Demokratismus zu verklären.49 Fruchtbarer ist hingegen, sich der regionalen Besonderheiten der Wissensproduktion zu verge­ wissern: der Entlegenheit des Standortes an der nordöstlichsten Grenze zu Rußland, deren Folgen für die studentische Frequenz, das Selbstverständnis des Lehrkörpers, das Prestige in der Liga der anderen 20 deutschen Universitäten, für die Berücksichtigung in den hochschulpolitischen Planungen des Kul­ tusministeriums, die Versorgung mit Personal, Büchern, Apparaten. Folgt aus dem Rang einer von der Berliner Metropole weit entfernten Provinzuniversität eine Provinzialisierung der Wissensproduktion? Welche Weltbilder, als Königsberger Spiegel der Epoche, kristallisieren sich unter diesen Bedingungen heraus, stabilisieren vielleicht einen esprit de corps unter Anknüpfung an die lokale und an Festtagen beschworene Tradition, das „Erbe Kants“ zu verwalten, mehr vielleicht den „kategorischen Imperativ“ herauskehrend als den aufklärerischen Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Sieht man einmal von leidigen Quellenfragen ab, so mag sich das geringe Interesse an der Kö­ nigsberger Universitätsgeschichte der wilhelminischen Epoche auch mit einer Beobachtung von Hans Rothfels erklären lassen, der schon 1930 schrieb, es bestehe für die zweite Jahrhunderthälfte „kaum Anlaß, besondere Züge herauszuheben“, da sich ein „eigner Charakter der Universität im Rahmen des neuen Reiches“ nun einmal nicht herausgebildet habe, so daß sie nur ein „durchschnittlicher und re­ spektabler Exponent für das Auf und Ab der Schulen und der allgemeinen Bewegungen, wie es in ganz Weingart 2003, S. 12. So die Ausgangslage für den „Eigenweg“ der „deutschen Professoren“ in der „deutschen Politik“ umreißend Nipperdey 1994, S. 590 f.; zur akad. Arbeit an der öff. Meinung ab 1890: v. Bruch 1980. 48 Nipperdey 1994, S. 605–610. 49 Manthey 2005.

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Deutschland vor sich ging“, gewesen sei. 50 Und auch ein jüngerer Überblick konstatiert, gar seit Kants Tod habe die Albertina lediglich eine „unauffällige Rolle“ im Ensemble der deutschen Hochschulen gespielt.51 Ob die Albertina seit 1871 nicht doch einen „eigenen Charakter“ aufweist, nicht so sehr durch wissenschaftliche Prägnanz, als aufgund besonderer hochschulpolitischer Förderung resp. Nichtförde­ rung, ihrer Beachtung oder Nichtbeachtung als geistiger Mittelpunkt einer geographisch exponierten Grenzprovinz, in der bereits erste Vorzeichen jenes „Nationalitätenkampfes“ spürbar waren, der für die Universitätsgeschichte nach 1918 eine so wichtige Rolle spielte – diese von Rothfels ausgehende Frage muß unsere Untersuchung leiten. Die Entdeckung eines genius loci, die Rekonstruktion der Geschichte der Albertina als Kernstück der ostpreußischen und als Variante der deutschen Kultur­ und Geistesgeschichte, dürfte ohne Ermitt­ lung institutioneller und personeller Besonderheiten, gebündelt im Brennpunkt der Berufungspolitik einerseits, im Wechselverhältnis zwischen akademischer und städtisch­bürgerlicher Öffentlichkeit an­ dererseits kaum gelingen. Auf Daten und Namen, auf das Faktengerüst einer traditionellen Geschichte von Lehrstühlen und Instituten ist deshalb schwerlich zu verzichten. Was die dafür zur Verfügung stehende Literatur angeht, so muß man gegen den eingangs zitierten Helmut Heiber einwenden, daß er wohl etliches übersehen hat, und daß im übrigen seit 1993, bedingt durch das 1994 gefeierte 450jährige Gründungsjubiläum, mehrere Beiträge zur Geschichte einzelner Disziplinen unsere Kenntnis der Königsberger Universitätsgeschichte zumindest etwas erweitert ha­ ben.52 Doch ebenso wie der Verfasser des in deutscher Übersetzung veröffentlichten ersten russischen, so kühnen wie naturgemäß unzulänglichen Versuchs einer Gesamtdarstellung (von 1544 bis 1944!),53 wollen auch die 1994 angetretenen Autoren jene weit verbreitete Schwellenangst nicht überwinden, die sie an einem Gang ins Archiv hindert.54 Nicht verwunderlich daher, wenn der große Bestand an preußischen Ministerialakten, anhand dessen man die Königsberger Universitätsgeschichte bis in die Tage des Befreiungskrieges gegen Napoleon zurückverfolgen kann, bislang nicht ausgewertet wurde.55 So groß die Verlockung auch war, dieser breiten Spur der unausgewerteten Akten so weit wie mög­ lich zu folgen, zwingt arbeitsökonomische Begrenzung, erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts anzufangen. Und auch diese Jahrzehnte nach der Reichsgründung können, nicht zuletzt angesichts der schier erdrückenden Korrespondenz Friedrich Althoffs, des „heimlichen Kultusministers“ Preußens von 1882 bis 1908, angesichts der nur mühsam und zeitaufwendig zu erschließenden, zudem nur lückenhaft überlieferten Königsberger Presse, der größtenteils verlorenen „grauen“ Regionalliteratur (Pamphlete, Broschüren, Vereinsschrifttum) sowie der alles in allem denn doch empfindlichen Akten­ verluste in manchen Teilen nur skizzenhaft dargestellt werden. Trotzdem ist nicht zu befürchten, daß Rothfels 1930, S. 287. Titze 1995, S. 384. 52 Besonders einige Beiträge des Sammelbandes von Rauschning/von Nerée (Hg.) 1995, sowie Richter 1994; Rothe/Spieler (Hg.) 1996; Komorowski 2000 und Jähnig (Hg.) 2001. Mit Ausnahme einer Studie über polnische Studenten an der Albertina zwischen 1871 bis 1914 leider unergiebig für das 19./20. Jh.: Bamberger­Stemmann (Hg.) 1994; nur für die universitätshistoriographische Einordnung und zur Orientierung über den Forschungs­ stand anregend: Boockmann 1996; Komorowski 2008. 53 Lawrynowicz 1999, s. o. Anm. 3. 54 Vgl. Lawrynowicz 1999; meine Versuche zur Königsberger Universitätsgeschichte von 1918 bis 1945 stellen insoweit die ersten aktengestützten Überblicke dar, vgl. Tilitzki 2000, 2001a, 2006a. Für die älteren Bestände des Königsberger Universitätsarchivs ist auf die 1990 dem Marburger Kant­Forscher Werner Stark geglückte Ent­ deckung im polnischen Staatsarchiv von Allenstein hinzuweisen, wohin ein bedeutender Teil der bis 1800 entstan­ denen Akten gelangt ist. Eine erste Auswertung, in Hinblick auf Kants Amtstätigkeit an der Albertina, haben Stark u. a. im Rahmen eines DFG­Projekts seitdem vorgenommen. 55 Anhand der „Benutzerblätter“ in der Innenseite des Aktendeckels ist dies in den GStA­Beständen leicht zu verifizieren: schon ab 1900 rückwärts war Vf. weitgehend „Erstbenutzer“ – seit 1945! 50

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Einleitung

die 400 für die Königsberger Universitätstheorie zwischen 1871 und 1914 benötigten Seiten als Prolog verstanden werden könnten für den im Fortgang dieser Forschungen aufgegebenen ursprünglichen Schwerpunkt der Arbeit, die Geschichte der Albertina von 1914 bis 1945, vom Ausbruch des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, bis zu ihrem Untergang und zur Zerstreuung der Universi­ tätsangehörigen in den Wirren von Flucht und Vertreibung. Anstelle der geplanten Skizze der Uni­ versitätsgeschichte seit der Reichsgründung trat somit eine eigenständige Darstellung, an die ein bald folgender zweiter Band, einsetzend mit der Novemberrevolution 1918, anschließen soll. Um den Stellenwert Königsbergs für das Berliner Kultusministerium zu ermessen, ist nicht nur ge­ nerell auf die personelle und institutionelle Ausstattung zu achten. Es sind auch die Präferenzen zu ana­ lysieren, die am Ende des „Systems Althoff“ vom „europäischen“ Rang der Hochschule (Rothfels),56 seit 1830 durch Naturwissenschaftler wie Mathematiker begründet, nichts mehr übrig gelassen, und die innerhalb der Philosophischen Fakultät das Schwergewicht auf die historisch­philologischen Fächer verlagert hatten. Allein die unter dem Dach dieser Fakultät bis 1936 angesiedelten Agrarwissenschaften scheinen – nach mühseligen Aufbau­Jahrzehnten – in dieser von der Landwirtschaft dominierten Pro­ vinz dank der seit 1910 verbesserten Berliner Förderung den Trend hin zu den Geisteswissenschaften etwas auszutarieren. Der erste Eindruck konsequenter Vernachlässigung, der sich daraus ergibt, daß Naturwissen­ schaften und Mathematik an der Albertina sukzessive „abgebaut“ wurden, Theologie und Rechtswis­ senschaften auf niedrigem Niveau stagnierten, die Geisteswissenschaften offenbar nicht mehr leisten sollten als die Versorgung der Provinz mit Gymnasiallehrern – dieser im berufungspolitischen Detail noch zu prüfende Eindruck kontrastiert mit der erwähnten Pflege der Agrarwissenschaften, die 1910 endlich mit einer (teuren) Spitzenkraft, dem Tierzüchter Johannes Hansen, bedacht wurden, und mit der Berufungspolitik in einigen medizinischen Fächern, die sich erfolgreich um erstrangige Nach­ wuchskräfte bemühte. Allerdings korrespondierte solche glückliche Personalakquise nicht mit einem ähnlich massiven Ausbau der Institute und Kliniken, der etwa in Breslau, Göttingen oder Marburg bis 1914 medizinische Zentren von Weltrang schuf. Königsberg schien also auch als medizinischer Stand­ ort letztlich im Provinziellen zu verharren, wie die Universität als Ganzes eben Provinz­ und, ungeach­ tet vieler, sich seit 1890 häufender rhetorischer Beschwörungen ihrer Aufgabe als „Bollwerk deutscher Kultur im Osten“, (noch) nicht „Grenzland­Universität“ gewesen ist – mit entsprechenden Auswir­ kungen auf das Selbstverständnis des Lehrkörpers und die Legitimierung materieller Ansprüche. In einer Hinsicht war die Albertina aber gerade nicht „vor allem eine Provinzuniversität“: in der landsmannschaftlichen Zusammensetzung des Lehrpersonals. Die Professorenschaft war nämlich schon lange vor 1871 keineswegs „meist ostpreußischer Herkunft“.57 Bei den Ordinarien und beam­ teten Nichtordinarien lag der Anteil der Ostpreußen zwischen 1870 und 1914 unter fünf Prozent. Bei den Studenten kehrt sich dieses Verhältnis indes um: durchschnittlich 90 % stammten bis 1914 aus Ost­ und Westpreußen. Erst ein reger Zustrom jüdischer Studenten aus Russisch­Polen führte nach 1900 vor allem in den medizinischen und chemischen Fächern zu anderen Relationen. In den letzten Semestern vor dem Weltkrieg stellten sie hier knapp ein Drittel der Promovenden, ein Fünftel der Studierenden. Daß der Ausländeranteil in Königsberg damit weit über dem Reichsdurchschnitt lag,58 trug dann schon zu dem von Rothfels vermißten „eigenen Charakter“ der östlichsten Universität bei und zeigt, in welcher Weise der exponierte Wissenschaftsstandort Entfaltungsmöglichkeiten besaß und nutzen konnte. Für den Ersten Weltkrieg mag mit George F. Kennan richtig sein, ihn als die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts zu begreifen. Aber für Ostpreußen ist nicht zu übersehen, daß dieser Krieg auch

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Rothfels 1930, S. 285. So Titze 1995, S. 384. Ebd., S. 384.

Zur Forschungslage

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ein Vater nicht aller, aber vieler Dinge war. Wie Hans Rothfels schon 1930 reflektierte, erhielt die Albertina einen „besonderen Charakter sehr bedeutsamer Art“ erst durch diesen Ersten Weltkrieg, da Ostpreußen die einzige deutsche Grenzprovinz war, „die den Feind im Lande sah“ und die dann 1919 den „Versailler Gewaltspruch am drückendsten erfahren“ habe.59 Dieser Krieg und die durch ihn bedingte Abtrennung der Provinz vom übrigen Reich durch den „polnischen Korridor“ brachte der Albertina etwas von dem Glanz zurück, den sie im 18. Jahrhundert, vielleicht auch, soweit es die Naturwissenschaften betrifft, in den drei Jahrzehnten zwischen 1830 und 1860 genossen hatte. Erst die Furcht vor drohenden Territorialverlusten richtete die politische Aufmerksamkeit seit dem Ersten Weltkrieg von West nach Ost. Eine Wende, die sich wissenschaftspolitisch in Königsberg seit 1914 anbahnte: mit der Bewilligung eines slavistischen Extraordinariats, der Gründung des Instituts für ostdeutsche Wirtschaft (IOW), eines Instituts für Rußlandkunde und dem Ausbau der „Auslands­ studien“, in deren Rahmen das Berliner Ministerium der Albertina „die Pflege der slavischen Welt in Lehre und Forschung“ zuwies.60 Nur für die kurze Spanne von 1916 bis spätestens 1938, von der Gründung bis zur faktischen Auflösung des IOW, profilierte sich die Albertina – wie von Carl Heinrich Becker projektiert – als Zentrum zur Erforschung der „slavischen Welt“, als ein geistiger Mittelpunkt des nordosteuropäischen Kulturraums und auch als Motor im Prozeß der regionalen und zugleich nationalen Identitätsstiftung in Ostpreußen. Doch erst der Blick auf die Entwicklung der vermeintlich „unauffälligen“ wilhelmi­ nischen Jahrzehnte ohne „eigenen Charakter“ macht die Schärfe der Zäsur im Ersten Weltkrieg und das Ausmaß des Wandels von „sehr bedeutsamer Art“ verstehbar, der sich, getreu dem zwischen „Son­ derung und Verbindung“ schwingenden „Rhythmus ihrer Geschichte“ (Rothfels), an der Albertina auf dem Weg von der Provinz­ zur national wie international ausstrahlenden „Grenzuniversität“ vollzog.

Rothfels1930, S. 287. Dazu G. Müller 1991, S. 200–207. Zur weiteren Stärkung Königsberger „Ostkompetenz“ wurden 1918/19 noch ein Ordinariat für slavische Philologie (besetzt erst 1921) und ein Extraordinariat für russische Volkswirt­ schaftslehre (besetzt 1919) bewilligt.

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II. Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1914

1.

Ostpreußen im politischen Gezeitenwechsel zwischen Verfassungskonflikt und Sozialistengesetz

Als Felix Dahn im September 1872 auf dem Berliner Ostbahnhof in den Nachtzug nach Königsberg stieg, wo an der dortigen Universität ein juristischer Lehrstuhl auf ihn wartete, wurde ihm „unbehag­ lich und unheimlich“. Der Anblick von pelzbewehrten Mitreisenden ließ ihn fürchten: „aha, jetzt be­ ginnt – hier schon! – die Barbarei“. Auch sechzehn „im fernsten Ostmarkland“ verbrachte Jahre später, im Rückblick auf Dutzende von Bahnfahrten, die der Süddeutsche zwischen Pregel, Spree und Isar zurückgelegt hatte, stand für ihn fest: „Landsberg an der Warthe ist eine Culturgränze“.61 Und am Vorabend des Ersten Weltkrieges galt die Provinz Ostpreußen immer noch als der „Spin­ nenwinkel des Deutschen Reiches“: „Vergessenheit webte ihren Schleier über das Land dort oben, wo Rußland begann“62. Die mit der Reichsgründung einsetzende Verwandlung Deutschlands in eine moderne Industrienation schien an dieser östlichen Agrarregion spurlos vorübergezogen zu sein. Zwar nahmen die zwischen 1824 und 1878 in der Provinz Preußen vereinigten, danach wieder getrennten Provinzen West­ und Ostpreußen am Wirtschaftsaufschwung des Reiches teil, kräftiger sogar als man angesichts der auf Danzig, Elbing, Graudenz und Königsberg beschränkten und auch dort eher be­ scheidenen Industrialisierung vermuten dürfte, stärker auch als das seit Max Webers denkwürdiger Stellungnahme gern mit diesen Territorien assoziierte Schlagwort „Landflucht“ erwarten läßt.63 Trotz­ dem ist unbestreitbar, daß das einstige Ordensland ökonomisch Randzone des Reiches blieb. Und die preußische Regierung unternahm nur höchst unzureichende Anstrengungen zur strukturfördernden Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den west­ und mitteldeutschen Industrieregionen und dem agrarischen Ostelbien. Der so in Kauf genommene Rückstand betraf nicht allein Industrie und Handel. Die gesamte soziale und kulturelle Infrastruktur litt unter der Vernachlässigung durch die Berliner Zentralbehörden. Betroffen von dieser Politik war in besonderem Maß die älteste preußische Hochschule, die 1544 in Königsberg gegründete Albertus­Universität, die im Juli 1894 mit großem Pomp ihr 350jähriges Jubiläum feierte. Die zu diesem Anlaß von ihrem Neuhistoriker Hans Prutz vorgelegte Universitäts­ geschichte vermittelt jedoch alles andere als den Eindruck, man sei von Berlin vergessen oder als Stief­ kind behandelt worden. Stolz verwies Prutz auf die annähernde Verdopplung der Dozentenzahl seit 1862 (von 57 auf 98 im WS. 1893/94, wobei besonders die Zahl der Extraordinarien von 9 auf 21 und Dahn 1895, S. 30–32. Im Gegensatz dazu, die sich selbst Mut machende poetische Verklärung seines ‚Aufbruch[s] an die Ostsee‘ (1872): „Es ruft zum Dienst in seinen Deutschherrn­Orden/Marienburg den jüngsten Ritter ein!“ (Dahn 1898, S. 277 f.) 62 Anschaulich präsentiert so der Königsberger Stadthistoriker Walther Franz das in spätwilhelminischer Zeit vorherrschende Wahrnehmungsstereotyp „Ostpreußen“, in: Ders. 1936, S. 5. Kundige mögen dabei an den in Königsberg als Sohn des Kant­Forschers Rudolf Reicke geborenen, nebenher auch literarisch produktiven Berli­ ner Bürgermeister Georg Reicke gedacht haben, der seinen ostpreußischen Kleinstadtroman ‚Im Spinnenwinkel‘ (1903) betitelte. 63 Überblick bei Stefan Hartman 1997; Boockmann 1992. 61

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1914

die der Privatdozenten, von 15 auf 28, angestiegen war), auf die temporäre Verdopplung der Studen­ tenzahlen (von 412 im SS. 1862 bis zum Maximum von 929 im SS. 1883, um dann wieder bis 1893 auf knapp 700 abzusinken).64 Doch verschwieg er – oder er wollte es nicht wahrnehmen –, wie wenig dieser Ausbau über die tatsächlichen Schwerpunkte der Berliner Wissenschaftspolitik besagte. Was der Albertina gewährt wurde, entsprach nur der Mittelzuweisung an andere preußische – Greifswald, Marburg, Breslau, Kiel – oder nicht­preußische Universitäten – Tübingen, Jena, Gießen, Würzburg, Erlangen oder Rostock –, die deswegen aber ebensowenig wie die Albertina die unteren Ränge in der akademischen Standorthierarchie verlassen und mit Berlin, Bonn, Göttingen, Leipzig, Heidelberg oder München konkurrieren konnten. Gemessen an der Größe des Lehrkörpers und den Studentenzahlen nahm Königsberg im letzten Jahrhundertdrittel unter den zwanzig deutschen nur den 14., unter den neun preußischen Universitäten den 6. Rang ein und muß sich in den jüngeren Universitätshistorio­ graphie als „Durchgangs­“ oder „Zubringerhochschule“ klassifizieren lassen.65 Wie zu zeigen sein wird, ist jedoch selbst diese Einstufung noch zu hoch gegriffen, da Königsberg dem Kultusministerium als Preußens preiswerte „Einstiegs­Universität“ diente. Rasant steigende Studenten­ und infolgedessen auch Dozentenzahlen, „Beschleunigung und In­ tensivierung des Wissenschaftsprozesses“, „Differenzierung, Spezialisierung und Arbeitsteilung in den Wissenschaften“ – das sind die wesentlichen Kennzeichen dieses seit 1871 von wachsenden Abhän­ gigkeiten zwischen Wissenschaft und Industrie, von „Demokratisierung der Bildung“ und expansiver „Durchstaatlichung“ von Forschung und Lehre geprägten Abschnitts preußisch­deutscher Hochschul­ politik, die den größten Strukturwandel seit Humboldts Reformen zu organisieren hatte.66 Als Zeitge­ nosse registrierte Prutz, wie sich dieser Wandel in seinen Grundzügen an der Albertina so vollzog wie an den übrigen deutschen Universitäten. Vor allem verfestigte sich die um 1850 bei den Medizinern und Naturwissenschaftlern einsetzende Tendenz zur Spezialisierung in einem Ausmaß, das sie neben den Geisteswissenschaftlern zu den Hauptgewinnern dieser Ausbauphase machte. Allein unter Falks Ägide, zwischen 1872 und 1879, entstanden acht Ordinariate für Kirchenrecht, Römisches Recht, Augenheilkunde, Agrikulturchemie, Mineralogie, Geographie, Sanskrit/Vgl. Sprachwissenschaft und Nationalökonomie, und sieben neue Extraordinariate für Gerichtsmedizin, Philosophie, Landesge­ schichte/historische Hilfswissenschaften,67 Geologie, Landwirtschaft (dazu ein Lektorat für Tier­ heilkunde), für Klassische Archäologie sowie für mathematische Physik. In den letzten Jahren seiner Amtszeit bewilligte Falks Vorgänger von Mühler ein neues Extraordinariat für englische/romanische Philologie, das 1872 zum Ordinariat umgewandelt wurde (1894 ergänzt durch ein neues anglistisches Extraordinariat). Ferner eine erste Landwirtschaftsprofessur, ein Ordinariat für pharmazeutische Che­ mie und ein drittes Ordinariat für Klass. Philologie.68 1887 kamen ein Extraordinariat für Klass. Phi­ lologie, sowie im selben Jahr ein 1890 in ein (persönliches) Ordinariat umgewandeltes Extraordinariat für Germanistik hinzu, 1889 ein Extraordinariat für Hygiene. Die Nationalökonomie wurde durch die zweite Professur 1873 an der Albertina faktisch neu be­ gründet, da Johann Karl Glaser seit 1863 beurlaubt war, um in Bismarcks Auftrag für die preußische Prutz 1894, S. 302–304. Baumgarten 1998, S. 252 f. 66 So vom Brocke über die „Ära Althoff“ 1991, S. 16–18. 67 Die Landesgeschichte war von Johannes Voigt (1786–1863) vertreten worden, der durch den Mediävisten Carl Hopf ersetzt wurde, der zugleich das Amt des Oberbibliothekars und Leiters der Universitätsbibliothek ver­ sah, und weder Interesse noch Zeit hatte, sich mit der Geschichte Ost­ u. Westpreußens zu befassen. Um diese Lücke zu schließen, erhielt Karl Lohmeyer zum SS. 1873 ein besoldetes Extraordinariat, zu dessen Lehrgebiet auch die von Hopf vertretenen historischen Hilfswissenschaften geschlagen wurden, als der Mediävist im Sommer 1873 starb. Hopfs Lehrstuhl, nach der kurzzeitigen Verklammerung von Bibliotheksleitung und Ordinariat durch den Altphilologen August Wilmanns (1874/75), ging der Fakultät nach dessen Weggang verloren. 68 Prutz 1894, S. 303; Aufzählung jedoch unvollständig und hier ergänzt. 64 65

Ostpreußen im politischen Gezeitenwechsel

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Regierungspolitik Stimmung zu machen,69 und sein Nachfolger Leopold Ilse nach dem Urteil von Fakultät und Kurator die Erwartungen dermaßen enttäuschte, daß er als Totalausfall galt.70 Ganz neu eingerichtet wurde 1869 das Landwirtschaftsstudium, zunächst mit einem Ordinariat für den auf Betriebslehre und Agrarpolitik konzentrierten Theodor von der Goltz, dann 1870 mit dem Aufbau eines Instituts. Zwar nicht neu im Lektionskatalog, da seit den 1840ern durch zwei Privatdozenten vertreten,71 aber wie die Geographie72 erst durch ein etatisiertes Ordinariat in den Kreis der Hauptfä­ cher aufgenommen, bekam die englische und romanische Philologie 1872 eine Stimme in der Fakultät. Politisch lösten Einigungskriege und Reichsgründung in Ost­ und Westpreußen Veränderungen aus wie nirgends sonst in den alten preußischen Provinzen. Was sich hier vollzog, war ein Bewußtseins­ wandel innerhalb einer Generation. Als nicht weiter auffällig, weil durch den Herrschschaftswechsel bedingt, ergriff ein solcher, als „Borussifizierung“ oft beschriebener Austausch politischer Loyalitäten und kultureller Identitäten die 1864 und 1866 Preußen einverleibten Territorien Schleswig­Holstein, Hannover und Hessen, ebenso das neue „Reichsland“ Elsaß­Lothringen.73 Anders die Ausgangspo­ sition im Osten: die Bevölkerung zwischen Weichsel und Memel hatte keinen neuen Herrscher be­ kommen, mußte sich aber politisch gleichwohl tiefgreifend neu orientieren. Denn noch im Jahrzehnt vor der Reichsgründung war dort, in einer vom Berliner Zentrum weit entfernten „kleinen Welt für sich“,74 eine „merkwürdige Sonderlage“ vorzufinden, in „räumlicher, wirtschaftlicher und geistiger Hinsicht“: „Altererbte Traditionen aus den Zeiten des Ordensstaates, die auf Freiheit und Menschen­ würde abgestimmten sittlichen Grundgedanken der Philosophie Kants, die in Ostpreußen begeistert aufgenommenen Freihandelslehren von Adam Smith, die aufwühlende […] Wirkung der Reform des preußischen Staates unter Stein, alles das schuf gleichsam ein kulturelles und politisches Bewußtsein altpreußischer Prägung“, das die Provinz zu einer Hochburg des Liberalismus hatte werden lassen.75 In Königsberg agierte weiterhin der „Radikaldemokrat“ Johann Jacoby, und im Nordosten der Provinz, unter den Gutsbsitzern und Bürgern in „Preußisch­Lithauen“, bildete sich eine ähnlich „unbedingte“ Eine unzulängliche Vertretung erfolgte ab WS. 1865/66 durch den frisch habilitierten Friedrich Julius Neu­ mann, der 1871 einem Ruf nach Basel folgte, s. u. Anm. 485. 70 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VIII, Bl. 148; JurFak – PrMK v. 12. 7. 1871: Ilse kündige Hauptfächer entweder nicht an oder halte die angekündigten Vorlesungen selten durch, da die Zuhörer fortblie­ ben. Sein Lehrangebot habe daher mehr „fragmentarischen Character“, was nicht hingenommen werde könne, da die Staatswissenschaften zu den Pflichtfächern der juristischen Staatsprüfung zählen. Ebd., Bl. 205; Kurator – PrMK v. 3. 4. 1872 wg. Ilses Unfähigkeit, und ebd., Bl. 209 f., Antrag der PhilFak auf Errichtung einer 2. ord. Prof. f. Staatswissenschaften v. 10. 7. 1872 und das umfangreiche Separatvotum Ilses v. 10. 7. 1872, das seinen aus­ gebliebenen Lehrerfolg teils bestreitet, teils auf die mangelnde Akzeptanz des Faches zurückführt, die angeblich an allen preußischen Universitäten festzustellen sei – eine Folge ministerieller Vernachlässigung, wie er andeutet, denn auf mittel­ u. süddeutschen Hochschulen erfreuten sich alle staatswissenschaftlichen Fächer stärkster staatlicher Förderung. 71 Siehe unten S. 111 ff. 72 Geographische Veranstaltungen bot nach 1848 regelmäßig der Privatdozent Karl Friedrich Merleker (1803 Suwalki–1872 Königsberg; APB 432) an, 1831–1866 hauptamtlich Lehrer am Friedrichskolleg. 73 Zuletzt für Schleswig­Holstein, dabei den Austausch des Geschichtsbewußtseins und den Anteil, den daran zwei Vermittlungsinstanzen, Kieler Universität und Volksschule, hatten, betonend: Jahnke 2005. 74 v. Ernsthausen 1894, S. 217. 75 Adam 1933, S. 149. Partiell anschließend an Kehr 1929, S. 272–274, der die „Grundlagen für den ostpreu­ ßischen Adelsliberalismus“ rigide sozialökonomisch einengt: die adlige Oberschicht war freihändlerisch, weil der freie Handelsverkehr mit England und Russisch­Polen für diese Getreide produzierenden und exportierenden Rittergutsbesitzer eine Existenzfrage gewesen sei. „Der Getreideexport über See hat den ostpreußischen Adel zu liberalen Freihändlern gemacht, hat der Theorie von Adam Smith in Ostpreußen zur allgemeinen Anerkennung verholfen und damit die Atmosphäre geschaffen, in der Kants Moralphilosophie sich durchsetzen und auf die Führer der preußischen Reform hat wirken können.“ Erst in der Reaktion der 1880er Jahre, deren Repräsentant Robert von Puttkamer gewesen sei, sei dieser ostpreußische Liberalismus zu Grabe getragen worden. 69

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1914

Anhängerschaft des Linksliberalismus heraus, die Preußens Monarchie zu einem demokratischen Ver­ fassungsstaat umbauen und sie im deutschen Nationalstaat aufgehen lassen wollte. So weit in Richtung Demokratisierung wagte sich das westpreußische Handelsbürgertum in Danzig und Elbing nicht vor, aber hier war man aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin zu liberal, um nicht auch politisch mitzu­ ziehen und für die Parlamentarisierung des Regierungssystems, mindestens aber für die „rechtliche Einbindung und Beschränkung der Staatsmacht“ einzutreten.76 Der ostpreußische Adlige Leopold von Hoverbeck, der Elbinger Anwalt Max von Forckenbeck und der Danziger Kaufmann Heinrich Beh­ rend zählten zu den Schrittmachern, die 1861 die Deutsche Fortschrittspartei gründeten – „die letzte große Zusammenfassung aller Kräfte, die irgendwie auf dem Boden des politischen Liberalismus im weitesten Sinne erwachsen waren“, die nach dem Scheitern der Revolution von 1848 „noch einmal den Versuch machte, unmittelbar vom Volke aus für das Volk Politik zu machen.“ 77 Das Banner des „radikalen Liberalismus“, das über der Provinz Preußen flatterte,78 wurde von der Bildungselite in der Universitätsstadt Königsberg, von den Beamten, Lehrern und Gutbesitzern in den Landstädten sowie von den Patriziern in Elbing und Danzig über die Reichsgründung hinaus hochgehalten. Einen farbigen Eindruck vom Lebensgefühl dieser bis 1866 tonangebenden Genera­ tion vermittelt der Königsberger Altphilologe Ludwig Friedländer mit seinen Charakterskizzen über drei ostpreußische Gymnasiallehrer, „Alt­48er“, den Idealen der Fortschrittspartei ergeben, aber sehr langsam sich „realpolitisch“ zum Nationalliberalismus wendend, nämlich den Hoverbeck­Freund Karl Witt, 1848 in der Berliner Nationalversammlung in den Reihen des linken Zentrums, 1851 als eines der ersten Opfer der einsetzenden „Reaktionsperiode“ aus dem Lehramt entlassen, ferner den Geo­ logen und Pionier der ostpreußischen Landeskunde Julius Schumann (ebenfalls nach 1848 vielfach zurückgesetzt)79 sowie den Shakespeare­Forscher Alexander Schmidt.80 Obwohl die Fortschrittspartei in den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 1861 und 1863 in der Pro­ vinz Preußen triumphale Siege errang, entsprach ihre innere Kraft diesen äußeren Erfolgen schon nicht mehr. Um 1865 habe sie den „Todeskeim“ bereits in sich getragen.81 Nach Königgrätz, bei den Wahlen zum Norddeutschen Reichstag 1867, zog kein einziger ostpreußischer Fortschrittler ins Parlament ein, außer einigen Altliberalen siegten überall die Konservativen. Der Krieg gegen Frankreich und die Reichsgründung habe diese „Umgruppierung der Parteiverhältnisse“ dann befestigt. Das liberale Nipperdey 1984, S. 725. Adam 1933, S. 173; zusammenfassend H. Obenaus, in: Opgenoorth 1997, S. 42–50. 78 Adam 1931, S. 467. 79 Vgl. die Einleitung seiner „Freunde“ zur posthum erschienenen Sammlung seiner ‚Geologischen Wanderungen durch Altpreußen‘ 1869, bes. S. XXX–XXXIII, über die „wunderbare Zeit“ von 1848, als Schumann hoffte, die Völker würden mit einem revolutionären Schlage aus dem „Elend verrotteter, beengender Verhältnisse herausge­ hoben und in eine neue Welt unbedingter Gerechtigkeit und Freiheit hinübergetragen werden“. Da aber dann nicht „Alles neu“ wurde, „die Reaction kein vorübergehender Spuk“ blieb, schloß Schumann „für eine lange Reihe von Jahren mit allen Hoffnungen auf diesem Felde“ ab, las kaum noch Zeitung, lehnte 1858 ein Wahlmannsamt ab, steckte am Altstädtischen Gymnasium die demütigende Nichtbeförderung weg und wandte sich als „Ersatz für seine zerronnenen humanen Ideale“ der ostpreußischen Natur­ und Landschaftskunde zu. – Die „Freunde“, die ihn derart als Opfer der preußischen Reaktion porträtierten, aber auch 1869 lieber ungenannt bleiben wollten, dürften Karl Witt und Alexander Schmidt gewesen sein. 80 Friedländer 1905, S. 125–143 (zuerst 1895). Ursprünglich Sammelrezension zu Sebastians Hensels Witt­ Biographie, Schumanns ‚Geologischen Wanderungen …‘ und den von Witt edierten, mit einer „Lebensskizze“ versehenen ‚Gesammelten Abhandlungen‘ (1888) Schmidts (dort S. 6 f.), dort erwähnend, wie der Shakespeare­ Forscher wegen publizistischer Parteinahme aus der 48er­Zeit 1854 um eine Anstellung in Königsberg bangen mußte und sich fortan ängstlich gehütet habe, „für liberale Unternehmungen oder Personen Sympathie blicken zu lassen“. Dazu noch Sebastian Hensels Autobiographie, 1903, S. 312–332. Vgl. zur Königsberger Zeitstimmung der 1860er Jahre auch die Autobiographie des Juristen und Schriftstellers Ernst Wichert 1902, bes. S. 128–153. 81 Adam 1931, S. 468, gestützt auf Parisius 1897 (Hoverbeck) u. Philippson 1898 (Forckenbeck). 76

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Ostpreußen im politischen Gezeitenwechsel

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Ostpreußen, soweit es sich nicht 1867 von der Linken abgespalten und in der neugegründeten, Bis­ marcks Politik unterstützenden Nationalliberalen Partei organisiert hatte, ging in den siebziger Jahren zwar sehr langsam, aber unaufhaltsam unter, als die wirtschaftliche Entwicklung den Konservatismus beflügelte. Bismarcks Schutzzollpolitik zugunsten gerade der ostelbischen Landwirtschaft, zahlte sich in Stimmengewinnen für die Konservative Partei aus.82 Der innenpolitische Umschwung von 1878 bescherte den freihändlerischen Linksliberalen weitere Wahlniederlagen. 1879 errangen die Konser­ vativen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus acht von dreizehn ostpreußischen Mandaten. In der Legislaturperiode 1880/82 saßen im preußischen Landtag nur noch zehn ostpreußische Abgeordnete der Fortschrittspartei, hingegen zwölf Konservative, drei Freikonservative und drei Nationalliberale. 1883 waren es nur noch zwei, 1894/98, unter dem neuen Dach der Freisinnigen Volkspartei, störte aus diesem Lager niemand mehr die absolute Dominanz von 22 konservativen Mandatsträgern. Deutsch­ Konservative und Freikonservative beherrschten bis 1914 selbst die einstige linksliberale Hochburg in Preußisch­Litauen, den Regierungsbezirk Gumbinnen. Bei den Reichstagswahlen zeichnete sich eine ähnliche Tendenz ab: 1907 gingen vierzehn der siebzehn Wahlkreise an konservative Kandidaten.83 „Nur die Stadt Königsberg blieb auch fernerhin ein Bollwerk des Liberalismus.“84 Angesichts dieser Kräftekonstellation erscheint das Urteil anfechtbar, Ostpreußen sei um die Jahr­ hundertwende eine Provinz gewesen, deren innere Gegensätzlichkeiten eigentlich nur noch von de­ nen der großen Industriebezirke im Westen übertroffen wurden.85 Vielmehr zutreffend ist, daß der dominierende „innere Gegensatz“, der zwischen Konservativen und der erstarkten Sozialdemokratie, einen sich auftuenden, tieferen und für die Provinz langfristig weitaus gefährlicheren Konflikt ver­ deckte: den deutsch­polnischen. Betroffen war davon in erster Linie die Nachbarprovinz Westpreußen, die 1878 nicht zuletzt deshalb ihre Eigenständigkeit erlangt hatte, um der von Posen her sich nach Norden ausbreitenden, Mitte der sechziger Jahre erstmals Westpreußen erfassenden polnischen Pro­ paganda und „Landnahme“ durch die Einrichtung eines Danziger Oberpräsidiums zu begegnen, das die „Abwehr“ effizienter organisieren sollte als dies im fernen Königsberg möglich war.86 Aber 1882 bezogen polnische Aktivisten erstmals auch das ostpreußische Masuren in ihre zunächst noch erfolg­ losen Agitationskampagnen ein.87 Bismarck, der den „Kulturkampf“ 1872 auch deshalb begonnen hatte, weil er den katholischen Klerus in den polnischen Siedlungsgebieten Preußens, vor allem in der Provinz Posen schwächen wollte,88 den er als Hauptträger der polnischen Nationalbewegung ansah, nahm mit dem für Posen und Westpreußen erlassenen Ansiedlungsgesetz 1886 einen neuen Anlauf, um die deutsche, bäuerliche Bevölkerung zu stärken und den polnischen Einfluß einzudämmen.89 Dem Ansiedlungsgesetz war, wie der 1908 im „Enteignungsgesetz“ mündenden, zugleich Bismarcks konfrontative Sprach­ und Schulpolitik wieder aufnehmenden „Ostmarkenpolitik“ Reichskanzler von Bülows, wenig Erfolg beschieden.90 Von Königsberg aus, einer „vollkommen deutschen Stadt“, in der Ebd. und, anhand der Wahlergebnisse zu Reichstag und Abgeordnetenhaus bis 1912: St. Hartmann, in: Opgenoorth 1997, S. 58–62. 83 Hartmann ebd., S. 59 f. 84 Adam 1931, S. 469. 85 Weber­Krohse 1936, S. 65. 86 So schon Schumacher/Wernicke 1925, S. 140 und Schumacher 1937, S. 263. 87 Schumacher 1937, S. 266 f. 88 Zu Bismarcks rückblickendem Geständnis von 1892, man hätte des ganzen Kulturkampfes entbehren können, hätte die „polnische Frage“ nicht dran gehangen, vgl. den knappen Überblick zur preußischen Ostmarkenpolitik von Gustav Buchholz in W. Mitscherlich 1911, hier zit. S. 26. 89 Huber Bd. IV, 1969, S. 489–493. 90 Ebd., S. 500–511; dazu die Fallstudie von Spittler 1986, der das höhere Schulwesen im „Spannungsfeld der Nationalitätenpolitik“ in der „polnischen Ecke“ Westpreußens, in Strasburg, Neumark und Löbau, also an der Südgrenze Ostpreußens, zwischen 1870 und 1914 darstellt; sowie ausführlich zum polnischen „Schulstreik“ von 1906/07: Korth 1963. 82

22

Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1914

„die Nationalitätenfrage keine Rolle“ spielte,91 nahm man diese Bedrohung aber kaum wahr, wie man sich dort überhaupt, ungeachtet häufiger festtagsrhetorischer Beschwörungen der Bollwerk­Funktion der Albertina, für dieses Konfliktpotential bis kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs bemerkenswert unempfindlich zeigte. Als beruhigend mag es die Königsberger Akademikerschaft dabei empfunden haben, daß die polnische Agitation, die um 1885 sich auch schon im katholischen Ermland rührte, keinerlei Wählerresonanz zeitigte. Anders als in einigen Kreisen Westpreußens, wo 1907 die „Polen­ partei“ vier von dreizehn Reichstagsmandaten gewann,92 während die Germanisierung des litauischen wie masurischen Bevölkerungsanteils in Ostpreußen nach 1848 so rasch Fortschritte machte, daß Sprach­ und Volkskundler wie Adalbert Bezzenberger um 1890 glaubten, sich beeilen zu müssen, um die letzten Zeugnisse ihrer vermeintlich untergehenden Kultur zu retten.93

So die Einschätzung v. Ernsthausens, komm. Bürgermeister von Königsberg und Regierungspräsident von 1865 bis 1870, in seinen Erinnerungen 1894, S. 220 f. 92 St. Hartmann, in: Opgenoorth 1997, S. 69 f. 93 Zu Bezzenberger s. u. S. 125. Von 336.000 ostpr. Schulkindern sprachen 15.200 (= 4,5 %) 1911 noch Pol­ nisch, 9.500 Litauisch (knapp 3 %), dazu kamen 36.000 (11 %), deren Muttersprache „Masurisch“, also eine Variante des Hochpolnischen, war. Gerade in den Kreisen an der Binnengrenze Masurens, in Goldap, Angerburg, Rastenburg, näherte sich die Eindeutschung der Bevölkerung „der Vollendung“, ohne daß dies, wie von Seiten polnischer Historiker gern behauptet werde, „zwangsweise“ geschehen sei (St. Hartmann, in: Opgenoorth 1997, S. 132 f.).

91

2.

Die Albertina bis zur Jahrhundertwende

2.1.

Verwaltung und Selbstverwaltung

Die Statuten der Albertina, neu gefaßt in Geltung seit 1843, legten fern aller neuhumanistischen Idealisierung von Wissenschaft und Bildung in trockenem Beamtendeutsch fest, die „erste und nächste Bestimmung, welche die Universität in Königsberg mit anderen ähnlichen Anstalten gemein hat“, sei es, „gehörig vorbereitete Jünglinge“ zum „Eintritt in die verschiedenen Zweige des höheren Staats­ und Kirchendienstes, sowie für jeden Lebensberuf tüchtig zu machen, zu welchem eine höhere wissen­ schaftliche Ausbildung förderlich oder nützlich ist.“94 Mit „wissenschaftlich“ vermitteltem Wissen sollten sich – bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausschließlich männliche – Studenten auf eine praktische, gesellschaftlich nützliche Aufgabe, auf einen Beruf als Pastor, Verwaltungsbeamter, Richter, Anwalt, Arzt oder Lehrer vorbereiten. Die Universität als „Lehranstalt“ erfüllte insoweit vor allem eine öffentliche Aufgabe. Sie war ein staatliches, zuvörderst staatlich finanziertes Unternehmen, und sie war daher konsequenterweise, wie in den Statuten gleich­ falls unmißverständlich eingangs geregelt, „in allen Gegenständen […] unter die unmittelbare Aufsicht Unseres Ministeriums der geistlichen, Unterrichts­ und Medizinal­Angelegenheiten und der dasselbe an Ort und Stelle vertretenden Behörde gestellt“.95 Diese „vertretende Behörde“ war in Königsberg das Oberpräsidium, hier wie überall in Preußen die Verwaltungsspitze der Provinz. Dem Oberpräsidenten war als Kommissar der Staatsregierung eine Mittlerfunktion zwischen Staatsrat und Ministerien einerseits, den Interessen der jeweiligen Provinz andererseits zugedacht, mit dem Recht zur Oberaufsicht über die dem Innenministerum unterstehen­ den Regierungspräsidenten und über die 1875 geschaffene provinziale Selbstverwaltung. Daß ihm, in Königsberg wie in Breslau, als nebenamtlich bestelltem Kurator auch die Aufsichtsrechte über die Uni­ versität, die „unmittelbare Leitung ihrer ökonomischen und Kassenverwaltung“96 sowie die Abwick­ lung des amtlichen Verkehrs zwischen Universität und Kultusministerium zufielen, ergab sich nicht zwingend aus seinen übrigen administrativen Aufgaben. In Halle, Kiel, Göttingen, Bonn und Berlin versahen nicht Oberpräsidenten, sondern hauptamtliche, vom Kultusminister ausgewählte Kuratoren diesen Dienst. In Greifswald und Marburg lag das Amt in Händen eines Professorenkollegiums. An beiden östlichen Hochschulen war das aus historisch nicht ganz zu klärenden Gründen anders. Hier erledigte eben der Oberpräsident die Aufgaben des Kurators nebenamtlich.97 § 1 des Statutes v.4. 5. 1843, in: Wollenberg, Handbuch 1908, S. 5 f. Statut § 2, ebd., S. 7. 96 Statuten § 9, ebd., S. 9. 97 Eine Untersuchung der hochschulpolitischen Bedeutung des Kuratorenamtes im 19./20. Jh. ist ein Desiderat. Wie lohnend die sein könnte, deuten die wenigen Absätze an, die Friedrich von Bezold 1920, S. 485 ff., in seiner Bonner Universitätsgeschichte dem Kurator Hartwig Beseler (1806–1884, Kurator seit 1860) gönnt, dem die Förderung der Geschichts­ u. Staatswissenschaften besonders am Herzen lag, um den Gründungsauftrag der rhei­ nischen Alma mater, Integration der neuen Provinz und „Hüterin des deutschen Geistes“ gegenüber dem Westen erfüllen zu können. Über den Marburger Kurator v. Hülsen vgl. Ewald 1977; neuerdings über die Kuratoren in 94 95

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In auffälligem Gegensatz zum Trend der Wähler, die Fortschrittspartei im Stich zu lassen, den Nationalliberalen und Konservativen ihre Stimme zu geben, steht der 1869 verfügte Wechsel im Ober­ präsidentenamt. Für Franz August Eichmann, einen Veteranen der Befreiungskriege gegen Napoleon, seit 1850 amtierenden, dem Kreis der Brüder Gerlach zugehörenden, ultrakonservativen typischen Repräsentanten der „Reaktionszeit“, schickte Bismarck, aus der schon unruhigen Provinz Posen, wo er die Polen zu scharf angepackt und gegen den katholischen Klerus einen „kleinen“ Kulturkampf geführt hatte, den Oberpräsidenten Carl von Horn (1869–1882) nach Königsberg. Was wie ein Zugeständnis an den Königsberger Liberalismus wirken mußte. Denn, sofern es sich nicht um Polen handelte, schien v. Horn ein Mann von „liberalen Anschauungen“ gewesen zu sein. Und er sei deswegen gerade in der Kaufmannschaft am Pregel „sehr beliebt“ gewesen – „von den politischen Ultras der rechten Seite stets beargwöhnt“, wie Ernst Wichert berichtet.98 Um dieser Liberalität willen mußte er 1882 gehen, da er sich gegen Bismarcks konservative Wende und, im Interesse seiner kaufmännischen Klientel, gegen dessen Schutzzollpolitik sperrte.99 Als Kurator harmonierte er bestens mit dem liberalen Kultusmi­ nister Adalbert Falk und dessen Hochschulreferenten Heinrich Goeppert. Falk wurde 1879 eines der ersten Opfer dieser Wende, Goeppert starb unerwartet im Frühjahr 1882, als von Horn selbst von Bis­ marck in den Ruhestand versetzt wurde.100 Die staatlichen Aufsichtsrechte, die Minister und Kurator über die Universität ausübten, nutzten Falk und Horn, um auf die Personalpolitik, vor allem bei den Berufungen in der Philosophischen Fakultät, Einfluß im Sinne der Nationalliberalen Partei zu neh­ men. Dabei besorgte von Horn seine kuratorialen Geschäfte noch weitgehend selbst, wie überhaupt diese Behörde ungeachtet ihrer Kompetenzen und Aufgaben noch 1914 mit einem Oberpräsidialrat, drei Regierungsräten und einem Rechnungsrat auskam.101 Von allen Kuratoren vor 1923 blieb v. Horn die längste Zeit im Amt, dreizehn Jahre. Nicht nur deswegen konnte er die Entwicklung der Albertina so stark prägen wie keiner seiner Nachfolger. Seiner eigenen Einschätzung zufolge lag dies an seinem grundsätzlich neuen Amtsverständnis. Horn fühlte sich nicht mehr als polizeilicher Überwacher im Metternich’schen Sinne,102 sondern als Wissenschafts­ manager, der für „seine“ Universität „sorgen“, der ihr „die lebhafteste und eifrigste Theilnahme“ widmen wollte. Er machte sich daher jeden auf den Ausbau der Institute und Kliniken gerichteten Vorschlag zu eigen. Da er mit der Mehrheit der der „gemäßigt liberalen Richtung“ angehörenden Professoren ebenso harmonierte wie mit Falk, entstanden aus politischen Gegensätzen keine Reibungs­ verluste. Auch berufungspolitisch war seine Stimme von Gewicht, gab in manchen Fällen sogar den Ausschlag. Nicht zu Unrecht durfte v. Horn in seinen Erinnerungen stolz festhalten, daß ihn der Inter­ nist Ernst von Leyden als „Ideal eines Universitäts­Kurators“ gerühmt habe.103

Jena: Stefan Gerber, in: Jena 2009, S. 57–62; leider nur biographisch der Anhang: Kuratoren bei K. Th. Schä­ fer 1968, dessen umfangreiche Verfassungsgeschichte der Bonner Universität ihrem Wirken zu wenig Beachtung schenkt. 98 Wichert 1902, S. 141. 99 Zu v. Horns Posener Kämpfen, die den Kulturkampf präludierten, ausführlich v. Selchow 1923, sowie im Überblick Laubert 1944, S. 124–134. Zur ostpreußischen Amtszeit knapp Hauf 1980, S. 23 f., gestützt auf die Er­ innerungen v. Ernsthausens 1894, S. 231 f.: „Als Oberpräsident von Horn im Anfange der Schutzzollbewegung in einer Rede öffentlich aussprach, daß der Freihandel für Ostpreußen das Beste sei, wankte der Boden unter seinen Füßen. Es dauerte nicht lange, bis er halb freiwillig, halb gedrängt seinen Abschied nahm.“ 100 Zu Falk die bis heute unüberholte Monographie von E. Foerster 1927, die aber bei aller Abundanz auf ihren 800 Seiten kaum ein Wort für die Hochschulpolitik erübrigt, so daß hier weiterhin eine besonders schmerzliche Forschungslücke klafft. 101 Hauf 1980, S. 20. 102 Die Etablierung eines Kurators zur Überwachung von Professoren und Studenten ging auf die Karlsbader Beschlüsse von 1819 zurück. 103 GStA, VI. HA, Nl. v. Horn, Nr. 4: (hs.) Autobiographie, Bl. 315–332, hier zit. Bl. 316.

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In der Amtszeit seines konservativen Nachfolgers Albert von Schlieckmann (1882–1891), eines Verfechters Bismarckischer, Ostelbiens Agrarier privilegierender Politik, der wieder den ursprünglichen polizeilichen Charakter seines Amtes akzentuierte, kümmerte sich erstmals ein Oberpräsidialrat, Benno Tomasczewski, um die Wahrnehmung kuratorialer Aufgaben. Nach einigen vergeblichen Anläufen, ge­ lang es dem Kultusminister von Goßler, dem Oberpräsidialrat für diese Mehrarbeit 1887 eine Stelle als Kuratorialrat mit festem Gehalt zu verschaffen, so daß der Haushalt seitdem zwei Etatsposten auswies, zum einen für den Kurator im Nebenamt, den Oberpräsidenten (2.400 M.), sowie für seinen Stell­ vertreter (1.500 M.).104 Nach Tomasczewskis Versetzung (1890) nahm Eduard Maubach seinen Platz ein, der noch unter den oberpräsidialen Kuratoren Udo Graf zu Stolberg­Wernigerode (1891–1895)105 und dem älteren Reichskanzlersohn, Wilhelm von Bismarck (1895–1901) bis 1898 amtierte. Schnell einander ablösend wie die Oberpräsidenten Ostpreußens – nach Bismarcks frühem Tod folgten Hugo von Richthofen (1901–1903), Friedrich von Moltke (1903–1907, danach preußischer Innenminister) und Ludwig von Windheim (1907–1914), der wegen seines „Versagens“ in den ersten Kriegswochen im Herbst 1914 von Adolf von Batocki (1914–1916 und 1918/19) abgelöst wurde – bekleideten dieses Vize­Amt bis in die Anfangszeit der Weimarer Republik: Wilhelm von Waldow (1898/99), Hans Nikolaus von Werder (1899–1903), Friedrich Gramsch (1903–1908), Robert Graf Keyserlingk (1908–1910), Georg Graf von Lambsdorff (1910–1915), Friedrich von Bülow (1915–1917) und Karl von Hassell (1917–1920). Für fast alle von ihnen war das ostpreußische Oberpräsidium nur eine Stufe auf der Karriereleiter, die für sie, mit Ausnahme von Hassells, auf den Chefposten eines Regierungs­ präsidenten führte, und für von Waldow sogar noch höher hinaufreichte, da er es 1903 zum Ober­ präsidenten von Posen, 1911 zum Oberpräsidenten von Pommern brachte, um unter dem 100­Tage­ Reichskanzler Michaelis Adolf von Batocki als Staatskommissar für Volksernährung zu beerben und faktisch die Stellung eines Reichsministers einzunehmen. Alle Kuratorialräte fallen wie ihre Chefs durch ein politisches Engagement entweder für die oder aber mindestens ein Bekenntnis zur Konservativen Partei auf. Tomasczewski saß als konservativer Ab­ geordneter eines masurischen Wahlkreises im preußischen Landtag. Maubach, der sich einige Zeit als Landrat im masurischen Kreis Johannisburg bewährte, vertrat, ebenso wie von Schlieckmann, die Kon­ servative Partei im Reichstag. Von Bismarck jr. wich keinem Konflikt mit dem Königsberger Bürger­ tum aus, weil sich in dessen Reihen zu seinem Leidwesen der „Geist von 1848“ noch „auffallend frisch“ erhalten habe.106 Sein Kuratorialrat von Werder strebte nach seiner Verabschiedung als Königsberger Regierungspräsident (1909) für die Konservativen ins Abgeordnetenhaus (1915–1917).107 Ebenso der schneidige Neffe des „großen Schweigers“, Friedrich von Moltke, der als Ruheständler den Wahlkreis „Litthauen“ (Memel­Heydekrug) für die Konservativen im Reichstag erobern wollte, aber 1912 nicht reüssierte mit seinem „Versuch, die irregeführte, brave, königstreue Bevölkerung des Memellandes noch einmal vor der verhängnisvollen, schiefen [sozialdemokratischen] Bahn zu retten, die zur De­ mokratisierung führt“.108 Von Waldow, „Vorbild altpreußischer Beamteneigenart“, galt gleichfalls als „urkonservativ, schroff ablehnend gegenüber jeder demokratischen Gesinnung“.109 In Posen um „die Stärkung des Deutschtums im Osten“ bemüht, „offen“ sympathisierend mit dem Deutschen Ostmar­ kenverein, von „unnachgiebiger Haltung“ gegenüber den Polen und deswegen 1911 abgelöst, war er

GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. II, Nr. 2, Bd. V. Hauf 1980, S. 25 f.; Stolberg mußte 1895 gehen, weil er eine erneute, im Handelsvertrag von 1894 fixierte anti­schutzzöllnerische Wende der Berliner Rußland­Politik nicht mitmachen wollte. 106 Penzler 1902, S. 229. 107 Hauf 1980, S. 48 f. 108 v. Moltke nach der verlorenen Wahl an den damaligen Königsberger Regierungspräsidenten Robert Graf Key­ serlingk, der ihn zur Kandidatur ermuntert hatte, zit. nach Hauf 1980, S. 29. 109 Hauf 1980, S. 47 f.

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seit 1918 Vorsitzender der Deutschnationalen Partei in Mecklenburg­Strelitz.110 Gramschs Posten als Königsberger Oberpräsidial­ und Kuratorialrat war verbunden mit der Leitung der „Centralstelle zur Bekämpfung der Sozialdemokratie in der Provinz Ostpreußen“, die er mit großem Eifer wahrnahm. Keyserlingk, bevor er Windheims Oberpräsidialrat wurde, arbeitete als Referent im preußischen Land­ wirtschaftsministerium und rechnete, als konservativer Lobbyist des Bundes der Landwirte, zu den Kritikern einer einseitig auf Handels­ und Industriebelange ausgerichteten Reichspolitik.111 Lambs­ dorff, von 1915 bis 1919 Regierungspräsident in Gumbinnen, wollte als Konservativer und über­ zeugter Monarchist keinen Eid auf die Weimarer Verfassung leisten und reichte daher im Juli 1919 seinen Abschied ein – hierin dem Oberpräsidenten von Batocki folgend.112 Batockis Kuratorialrat Friedrich von Bülow, seit 1917 Bromberger Regierungspräsident, entschloß sich als einziger aus die­ sem Kreis preußischer Spitzenbeamten, „der neuen republikanischen Regierung seine Dienste loyal zur Verfügung zu stellen“.113 Von Hassell schließlich, als weit rechts stehend im Kultusministerium bekannt, arrangierte sich 1918/19 als Kuratorialrat zunächst mit seinem neuen Vorgesetzten, dem sozialdemokratischen Kultusminister Konrad Haenisch, mußte dann aber demissionieren, weil er sich im März 1920 auf die Seite der Putschisten Kapp und Lüttwitz geschlagen hatte, um Haenisch und seine Genossen zu stürzen.114 Von Ernst von Horn zu Adolf von Batocki, von 1882 bis 1919, als mit August Winnig der erste und einzige Sozialdemokrat in den wuchtigen Regierungspalast am Mitteltragheim einzog, sah sich die Korporation der Königsberger Professoren also kontinuierlich monarchisch­konservativen Regierungs­ beamten gegenüber. Deren Bestreben war die Wahrung des Status quo, die militante Verteidigung der über das Dreiklassenwahlrecht abgesicherten preußischen Herrschaftsstruktur. Gewöhnlich bedienten sie sich dafür eines gut gefüllten Arsenals strafrechtlich­polizeilicher Instrumente. Daß sie daneben die Albertina als ihr Betätigungsfeld ansahen, das es aufmerksam zu beobachten galt, um „korrigierend“ und „gefahrenabwehrend“ einzugreifen, belegen zahlreiche berufungspolitische Interventionen. Die widersprachen oft genug den Wünschen der Fakultäten, und häufig genug liefen sie auch den Perso­ nalplanungen im Kultusministerium zuwider, die von 1882 bis 1908 der Hochschulreferent Fried­ rich Althoff bestimmte, alle Register seines legendären Informantennetzwerkes ziehend, das auch von einem Dutzend Königsberger Professoren mit Neuigkeiten versorgt wurde.115 Unter den Oberpräsidenten von Schlieckmann, von Bismarck, von Richthofen und von Moltke, also exakt während Althoffs Amtszeit, war der Mitgestaltungswille der Kuratoren, ihr – freilich insge­ samt nicht sehr erfolgsträchtiges – Bestreben, den Lehrkörper ihren politischen Auswahlkriterien ge­ mäß homogen zusammenzusetzen, am schärfsten ausgeprägt. Anders als in der Ära von Horns spielte das Motiv der Wissenschaftsförderung bei ihrer hochschulpolitischen Einflußnahme aber kaum eine Rolle. Bei v. Schlieckmann & Co. überwog gänzlich das Interesse an konformen Staatsdienern, als die sie Professoren in erster Linie wahrnahmen und behandelten. Unter von Windheim und seinen während des Krieges ohnehin anderweitig in Anspruch genommenen Nachfolgern von Batocki und

Gey 1976, S. 20 f. Ebd., S. 51. 112 Stüttgen 1980, S. 60–63; v. Lambsdorff ließ sich allerdings von 1919 bis 1922 noch einmal als Reichs­ und Staatskommissar für das Memelgebiet in die Pflicht nehmen. 113 Gey 1976, S. 41–43; v. Bülow schloß sich 1919 der DVP an und amtierte bis 1933 als Oberpräsident der 1922 gebildeten Provinz Grenzmark Posen­Westpreußen mit Sitz in Schneidemühl. Mit ihm zusammen seit 1919 am Aufbau dieses neuen, aus den Restteilen der Provinz Posen gebildeten Verwaltungsbezirks beteiligt war sein Stell­ vertreter ORR Friedrich Hoffmann, von 1923 bis 1945 der erste und letzte hauptamtliche Kurator der Albertina (s. Bd. II). 114 Zum Kapp­Putsch an der Albertina vgl. Bd. II. 115 Zum „System Althoff“ v. Brocke 1991. 110

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Friedrich von Berg (1916–1918) kühlte dann selbst dieses Interesse an der Universität und ihrer Per­ sonalpolitik noch weiter ab. Eher eine Randfigur im Dreieck Ministerium, Kurator und Universität stellte der Universitätsrich­ ter dar. In Königsberg war dieser Posten seit 1820 stets von einem Richter des Obertribunals (1879: Oberlandesgericht) im Nebenamt versehen worden.116 Da das wichtigste Selbstverwaltungsorgan der Universität, der aus dem Rektor, den Dekanen und einigen Ordinarien als gewählten Senatoren zu­ sammengesetzte Akadademische Senat auch die Disziplinargewalt über die Studenten ausübte, saß der dafür zuständige Universitätsrichter in diesem Gremium.117 Der Senat verwaltete die „gemein­ samen Angelegenheiten“ der Fakultäten und vertrat sie gegenüber Kurator und Ministerium, so daß der Universitätsrichter in jeder Sitzung Einblick in die Entscheidungsprozesse, in die Haltungen und Stimmungen der Professoren gegenüber den Aufsichtsorganen erhielt. Zudem gehörte er dem mit sämtlichen Ordinarien besetzten Generalkonzil an, das ebenfalls in einigen „allgemeinen Angelegen­ heiten“ der Universität entschied.118 Das weckte schon v. Schlieckmanns Begehrlichkeit, der genau wissen wollte, was im Senat gesprochen und verhandelt wurde, dies jedoch von einem OLG­Richter, der nicht sein Untergebener war, offenbar nicht in gewünschter Ausführlichkeit erfuhr. Darum hätte er dort gern seinen Kuratorialrat plaziert, was leicht gewesen wäre, wenn dieser in Personalunion auch Universitätsrichter hätte werden dürfen. 1883 scheiterte aber ein Vorstoß in dieser Richtung.119 Als nach vierzehn Jahren der OLG­Rat Theodor von der Trenck 1900 das ihm lieb gewordene Nebenamt aufgeben mußte, weil ihn sein Minister nach Insterburg versetzt hatte, fiel sein Posten erstmals an einen Verwaltungsbeamten. Zwar nicht an v. Bismarcks Kuratorialrat von Werder, sondern an den Verwaltungsgerichtsdirektor Gottfried Meyer. Aber auch der erwies sich den Kuratoren v. Bismarck und v. Richthofen bis 1902 in einem Maße gefällig, wie v. Schlieckmann sich das einst erträumt hatte. Meyer, so v. Richthofen, habe in Senat und Konzil viel größeren Einfluß als v. d. Trenck besessen. Einen Einfluß, den er als Kurator zu nutzen wußte, um „unter der Hand“ in beiden Gremien für das Kultusministerium in „gewünschtem Sinne“ zu wirken, sowie „über Meinungen und Absichten zuver­ lässig informiert“ zu werden.120 Ein Minister v. Studt und seine Nachfolger offenbar überzeugender Pragmatismus, denn nach Meyers Ausscheiden blieb das Amt in den Händen der im Mitteltragheimer Regierungsgebäude tätigen Verwaltungsjuristen Ernst Wollenberg (1902–1913) und Albert Loeffel (1913–1923). Keinesfalls unberücksichtigt darf bleiben, obwohl er eine Figur ist, die den Historiker bei seinen Entschlüssen nur selten über die Schulter schauen läßt, der preußische Finanzminister. In weit mehr als der Hälfte aller Entscheidungen über Personal und Ausstattung der Albertina quittierte das Finanz­ ministerium die Anträge der Fakultät, die Befürwortungen des Kurators wie die darauf basierenden Seit 1865: Senger, Singelmann, Hildebrand, v. d. Trenck (s. Catalogus). Statuten § 6. 118 Statuten §§ 7, 34, 35, 37. Das Generalkonzil wählte alljährlich im Januar den Rektor, mußte vom Senat über den Stand der laufenden Geschäfte vierteljährlich informiert werden und entschied in Fragen, „welche die Ver­ fassung [der Universität] oder die Wissenschaften überhaupt“ betrafen, soweit sie nicht in die Zuständigkeit der Fakultäten fiel, z. B. die Angelegenheiten der Universitätsbibliothek. 119 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. 2, Nr. 2, Bd. VI. 120 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. 2, Nr. 2, Bd. VI, unpag.; Kurator v. Richthofen – PrMK v. 15. 5. 1902. Der Justizminister hatte zuvor interveniert und wollte die durch Meyer unterbrochene OLG­Tradition wieder durch­ setzen. Einen Verbündeten dagegen hatte bereits Kurator v. Bismarck in dem Staatsrechtler Philipp Zorn gefunden, als nach v. d. Trencks Ausscheiden die OLG­Fürsprecher auf den Plan traten. So wie v. Richthofen einen Verwal­ tungsmann präferierte, so hatte auch Zorn Althoff versichert, die „Combination“ mit dem OLG habe sich nicht bewährt, zumal v. d. Trenck einst den Senat gegen sich mit der Bemerkung aufbrachte, er sei dazu ernannt, darüber zu wachen, daß in Senat und Generalkonzil „keine Dummheiten“ gemacht würden. Wenn die Lösung dieses Amtes vom OLG jetzt nicht gelinge, so Zorn, dann dürfe sich Althoff wieder einmal um die Albertina verdient machen und dieses völlig nutzlose Amt abschaffen (ebd., Bd. V, unpag.; Zorn – Althoff v. 15. 7. 1900).

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Etatanmeldungen des Kultusministeriums mit immer demselben knapp ablehnenden Bescheid, dem­ zufolge der Staatshaushalt derartige Ausgaben nicht zulasse. Insoweit wurde ein Großteil der Hoch­ schulpolitik nicht im Kultus­, sondern im Finanzministerium entschieden. Und dort zeigte man sich vor allem gegen das nach 1900 immer öfter eingesetzte Standardargument harthörig, die Albertina sei als Außenposten des Deutschtums mindestens so exzeptionell förderungswürdig wie das die kulturelle „Westfront“ verteidigende Straßburg. Über die Motive des jeweiligen Berliner Kassenwarts läßt sich schon deshalb nur rätseln, weil die Geschichte des preußischen Finanzministeriums nach 1870 wohl noch lange ein Forschungsdesiderat bleibt.121 Bis diese Lücke geschlossen sein wird, ist nur zu vermu­ ten, daß die etwa bei Althoff eingegangen Dicta des Finanzministers nicht allein den so brutalen wie banal­selbstzweckhaften Sparwillen des Ressortschefs widerspiegeln, sondern eine natürlich auch den allerhöchsten monarchischen Willen ausdrückende Setzung politischer Prioritäten. Daß sie zu Lasten der Kultur im allgemeinen, der Bildung und der Hochschulen im besonderen gingen, ist offenkundig. An der Geschichte der Königsberger Universität im Zweiten Reich wird das abzulesen sein.

2.2.

Die Geschichte der Fakultäten bis 1900

Den „Geist“ der Landesuniversität konnte der eingangs skizzierte revolutionäre, mit der Vorherrschaft des Liberalismus brechende politische Bewußtseinswandel in Ostpreußen nicht unberührt lassen. Denn keinesfalls traf zu, was Fritz Gause der Dozentenschaft im „neuen Reich“ attestierte: „Von den politischen Kämpfen der Zeit hielt sich die Professorenschaft wie auch früher [sic] im allgemeinen zurück.“122 Das genaue Gegenteil ist richtig. In den vier Fakultäten prägte die enge Beziehung zum politischen Leben höchst unterschiedliche Formen aus und spiegelte vielfach die „Klassenkämpfe“ der wilhelminischen Epoche im Gegeneinander gelehrtenpolitischer Fraktionen wider. Politisch­weltan­ schauliche Geschlossenheit des Lehrkörpers ist daher nicht zu erwarten, allenfalls die hochschulpo­ litische Dominanz relativ stabiler Mehrheiten, die, um nur die Flügelpositionen zu nennen, in der Medizinischen Fakultät bis ins 20. Jahrhundert hinein von linksliberalen „Fortschrittlern“, in der Theo­ logischen Fakultät von stockmonarchistischen Anhängern der Konservativen Partei gebildet wurden.

2.2.1. Die Theologische Fakultät Bis kurz vor der Reichsgründung galt die Theologische Fakultät der Albertina als kirchenpolitisch „einheitlich“ besetzt. Die fünf Ordinarien, mehr sind es seit 1760 nie gewesen,123 der Alttestamentler Johann Georg Sommer, der Systematiker Friedrich Sieffert (der einzige, der vor der „Reaktionszeit“ sei­ nen Lehrstuhl erhielt), der Ordinarius für Systematik und neutestamentliche Exegese David Erdmann, der Homiletiker Karl Johannes Cosack und der Kirchenhistoriker Wilhelm Heinrich Erbkam, 1863 verstärkt durch den neutestamentlichen Extraordinarius Ludwig Theodor Schulze, waren nicht allein um ihrer ohnehin bescheidenen wissenschaftlichen Meriten willen nach Königsberg berufen worden, sondern als treue Anhänger und Verteidiger der preußischen „Union“, in der Lutheraner und Refor­ mierte seit 1817 unter einem Kirchendach zusammenlebten.124 Nicht zuletzt diese berufungspolitische Die Edition der Protokolle des Staatsministeriums – Acta Borussica N. F. 2001–2004 – schließt diese Lücke natürlich nicht, sie ist bestenfalls ein brauchbarer Ansatzpunkt. 122 Gause II, S. 596. Ebenso pauschal wie falsch Opgenoorth 1997, S. 166, der für einen unbestimmten Zeitraum im 19. Jh. der Professorenschaft konzediert: „die politische Orientierung kann als gemäßigt liberal gelten“. 123 Abgesehen von der kurzen Zeit 1837–1840 mit einem sechsten Ordinariat. 124 Sieffert, Jg. 1803, reformiert, mit Ausnahme weniger Berliner Semester unter Neanders Einfluß, und eines Forschungsaufenthalts in Wien (1825/26), stets an der Albertina, 1827 habilitiert, 1834 ord. Prof., war zwar mit

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Orientierung an den Vorgaben des Ev. Oberkirchenrats beschädigte für lange Zeit das wissenschaft­ liche Ansehen der Fakultät. Althoff sprach 1883 von „kümmerlichen Verhältnissen“.125 Der Hallenser Kurator Wilhelm Schrader, als altgedienter Königsberger Schulrat intimer Kenner des Personals, stufte die Fakultät auch nach einigen Neubesetzungen 1884 weiterhin als „unbedeutend“ ein. Sie könne da­ her weder der in den anderen Fakultäten „überwiegenden Irreligiosität und fortschrittlichen Hetzerei“ Paroli bieten, noch außerhalb der Universität, wo sie „in geringer Achtung“ stünde, der Kirche und der um sie gescharten „idealen Bewegung“ einen „Halt von solcher Stärke und Lebenskraft“ geben, „wie dessen gerade Ostpreußen bedarf“.126 Ohne daß sich das wissenschaftliche Niveau dadurch gehoben hätte, war 1866 mit der heftig umstrittenen Berufung Rudolf Graus zum Nachfolger des unbeliebten und offenbar regelrecht fortge­ ekelten Schulze127 doch eine Bresche in die unionistische Front der Fakultät geschlagen worden. Grau kam aus der Marburger Fakultät, die ebenso einheitlich war wie die Königsberger, aber einheitlich lutherisch! Ausschließlich besetzt mit Gegnern der Union und kurhessischen Preußenfeinden, an de­ ren Spitze Graus Förderer August Vilmar stand. Schon allein um dieser Herkunft willen, dachten die Königsberger Unionisten zu keinem Zeitpunkt daran, ihn in Vorschlag zu bringen.128 Es war das Mini­ sterium, der nach Gutsherrnart verfahrende Vortragende Rat und Berliner Hofprediger Rudolf Kögel, der Grau just aufs Tapet brachte, als preußische Truppen gegen Kurhessen aufmarschierten und seinem Wunschkandidaten rasch den Schluß aufdrängten, die militärische Niederlage Österreichs, die dessen kurhessischer Verbündeter mitzuerleiden hatte, bedeute wohl auch das Ende der „inneren und äußeren Politik Vilmars“.129 Diese geschmeidige Distanzierung von seinem Mentor genügte dem Oberkirchen­ rat zwar nicht, doch Kögel verzichtete auf das von der Kirchenbehörde angeregte Reskript, mit dem

einer Bibelkritik von „epochemachende[r] Bedeutung“ (,Ueber den Ursprung des ersten kanonischen Evange­ liums‘, 1832) bekannt geworden, stellte ab 1837 aber die wissenschaftliche Produktion infolge eines Augenleidens nahezu ein. Seine textkritische Studie über das Matthäus­Evangelium, obwohl „vom Standpunkt eines entschie­ denen Offenbarungsglaubens“ aus unternommen, erregte in „Kreisen, mit denen S. durch einen biblischen Offen­ barungsglauben verbunden war“ erheblichen „Anstoß“ und bewog ihn, hier nicht weiterzugehen, sondern sich von „radikaler Kritik“ zu distanzieren (De singulorum librorum sacrorum auctoritate canonica, Königsberg 1836); vgl. den Artikel seines 1867 für nt. Exegese von der Königsberger Fakultät habil. Sohnes Friedrich Sieffert in: RE3, XVIII, S. 317–320. – Ähnlich J. D. Sommer, der zum WS. 1850/51 von Bonn nach Königsberg berufen wurde, und der seine bis dahin kümmerliche Produktion ebenfalls einstellte. Ebenso wie sein Kollege Erbkam, der nach 1850 lediglich einige RE­Artikel sowie zwei akad. Reden über Melanchthon und Schleiermacher veröffentlichte. 125 Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. IV, unpag.; PrMK – PrMF v. 18. 6. 1883 betr. Ersatzprofessuren für den alten Erbkam und für den 55jährigen Klöpper, der wegen seines „angegriffenen Nervenzustandes“ im SS. 1883 nicht lesen konnte. 126 Ebd.; Schrader – Althoff v. 28. 1. 1884 anläßlich der Besetzung einer kirchenhistorischen Ersatzprofessur für Erbkam. 127 Ebd., Bd. III, unpag.; Votum betr. Ernennung Schulzes zum Ordinarius v. 12. 6. 1865. Da Schulze (1833 Berlin–1918 Rostock) weder durch „gelehrte Werke“ in einer Zeit, in der sein Fach, die Exegese des Neuen Testa­ ments, „in lebendigster wissenschaftlicher Entwicklung begriffen“ sei, sich hervorgetan habe, noch, dieses Manko vielleicht kompensierend, „ungewöhnliche Lehrerfolge“ erziele, seine Hörer sich von ihm wissenschaftlich auch nicht angeregt fühlten, verneine man einstimmig seine Beförderung. Schulze zog daraus die Konsequenz und wechselte 1866 als Professor und geistlicher Inspektor ans Kloster Unser Lieben Frauen zu Magdeburg, kehrte 1874 aber mit der Berufung nach Rostock zurück ins akademische Leben (dort 1907 em.). 128 Ebd., Bd. III, unpag.; TheolFak – PrMK, Liste Nf. Schulze v. 4. 6. 1866: 1. Bernhard Weiß (Kiel), den man schon 1864 vergeblich zum Nachfolger Erdmanns vorgeschlagen hatte (s. u. Anm. 138), sowie die damals ebenfalls schon genannten 2. Wilhelm Möller und 3. Hermann Meßner (s. u.). 129 Ebd., Grau – Kögel v. 8. 7. 1866, kurz nach der Besetzung Marburgs.

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

Grau versichern sollte, treu zur Union zu stehen. Derart oktroyiert, trat Grau sein Königsberger Amt zum WS. 1866/67 an.130 Kurz darauf, Grau hatte schon erkennen lassen, daß er nicht gewillt war, sich als kämpferischer Lutheraner zu verleugnen, drohte mit der Nachfolge Cosacks ein weiterer Gegner der Union in die Fakultät einzudringen, eine Gefahr, die der EOK, der Ostpreußen vor „Störungen des confessionellen Friedens“, wie sie sich in Kämpfen gegen die Union in allen anderen Teilen Preußens ergäben, bewah­ ren wollte, diesmal abwenden konnte. An Stelle des Elbinger Pfarrers Roderich Nesselmann, der an Graus Beweis des Glaubens mitarbeitete und von dem es hieß, er habe seit einiger Zeit der Union „seine Liebe entzogen“, kam der einwandfreie Unionist Hermann Jacoby.131 Aber es war dann doch Grau, dessen Stimme, fast dreißig Jahre, von 1866 bis 1893, bei den Königsberger Gottesgelehrten weltanschaulich den Ton angab.132 Im Ministerium und erst recht im preußischen Oberkirchenrat begann man zwar bald seine Berufung zu bedauern und hielt ihn wissen­ schaftlich für bedeutungslos, ärgerte sich auch darüber, daß er sein Versprechen nicht gehalten habe, die Union zu respektieren sondern dafür kämpfte, in der Provinz eine „anti­unionistische, lutherisch confessionelle Partei zu formieren“. Kurator von Horn, der ansonsten gut auskam mit der Fakultät, Ebd., EOK – Kögel v. 22. 6. 1866: Graus Schriften ließen ein klares Bekenntnis vermissen, doch aus den Marburger kirchenpolitischen Querelen sei er hinlänglich als „entschiedener Vilmar­Anhänger“ bekannt. Für „un­ sere Landeskirche und die Union“ sei von seiner Berufung kein Heil zu erwarten. Am 26. 7. 1866, als der EOK Graus Schreiben an Kögel v. 8. 7. 1866 geprüft hatte, brachte er dessen vernebelnde Wendungen zur Sprache: Grau bekenne sich zur „wahren Union“ und sehe in der preußischen nur eine „Vorstufe“ auf dem Weg dorthin. Ein stärkerer Vorbehalt lasse sich kaum formulieren! Man solle ihm seine Loyalität zur Union daher schriftlich abverlangen. Das geschah nicht. Am 6. August ging die Berufungsanfrage ab, am 11. 8. stimmte Grau freudig zu, am 3. 9. 1866 monierte der EOK zwar nochmals, man hätte ein Reskript „doch gern gesehen“, gab aber zähne­ knirschend sein Plazet. Ohne das geringste Zugeständnis gemacht zu haben, begann der extremistische Lutheraner Grau mit seinen Vorlesungen. 131 Zu Nesselmann (1815–1881) vgl. Boldt 1894, S. 173–177; er war ein Bruder des Königsberger Orientalisten Georg Heinrich N. Im „wüsten Jahr 1848“ gründete er in seiner Gemeinde Tiegenhof in der Danziger Niederung einen „conservativen Verein“, hielt seit 1852 als Kreisschulinspektor den „meist rationalistischen Lehrern“ Vorträge über den „christlichen Glauben“ und verfasste die bis 1868 in vier Auflagen verbreitete Polemik ‚Der christliche Glaube, dargestellt und vertheidigt in Briefen‘. 1855 bekam er die 3. Predigerstelle an St. Marien zu Elbing. Seine 1864 am Elbinger Gymnasium gehaltenen ‚Apologetischen Vorträge‘ erschienen 1866 in Der Beweis des Glaubens, ebenso ein Vortrag zu Schleiermachers 100. Geburtstag (1868). – Die Fakultät hatte für den seit 1865 beurlaubten, an einer 1868 tödlich endenden Luftröhrenverengung leidenden Cosack den wissenschaftlich nie in Erscheinung getretenen Pfarrer im samländischen Caymen, Kahl, 1849 Militärprediger in Frankfurt/M., danach in Danzig, seit 1862 Königsberger Dr. theol. h. c., vorgeschlagen (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. III, unpag.; TheolFak­PrMK v. 25. 1. 1867). Voigt regte bereits Wochen vorher privatim bei Kögel, seinem Schwager (s. u. Anm. 137), an, doch Nesselmann ins Auge zu fassen (ebd., Schreiben v. 15. 12. 1867). Nachdem dessen Berufung offenbar schon in die Wege geleitet war, intervenierte der EOK unter Verweis auf die einheitliche Unionslinie der Fakultät, die einen so löblichen Anteil am konfessionellen Frieden Ostpreußens habe. Schon Grau verursache Unruhe und dürfe nicht durch Nesselmann Sukkurs erfahren (EOK – PrMK v. 15. 2. 1868). Am 26. 2. teilte der Minister mit, er habe von dieser Berufung Abstand genommen. Am 9. 3. erfolgte die Bitte um Stellungnahme zu Jacoby, die begeisterungslos positiv ausfiel. Der Kandidat des Ministers erhielt zum SS. 1868 seine Bestallung. Darauf, daß Kögel auch zugunsten Jacobys Königsberger Berufungspolitik trieb, deutet eine Widmung im ersten Band seines Hauptwerks ‚Die Liturgik der Reformatoren‘ (1871a), den er Dorner sen. und Kögel „als Zeichen aufrichtiger Dankbarkeit und bleibender Verehrung“ dedizierte. 132 Zur Biographie: Kügelgen 1894; ADB, Knopf 1904. – Die Geschichte der Königsberger Theologischen Fa­ kultät im 19. Jahrhundert ist kaum erforscht, speziell zur Fakultätsgeschichte zwischen 1871 und 1918 und zu den intellektuellen Biographien der wichtigsten Lehrer gibt es keine brauchbare Zeile. Unergiebig sind die spär­ lichen Angaben bei v. Selle 1944, ebenso karg noch Dembowski 2001. Nicht einmal mehr kursorisch zu nennen: Hubatsch 1968a, S. 404 f.; zum Forschungsstand vgl. Gundermann 1996. 130

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an der er den „Geist der Milde“ schätzte, war rückblickend froh, daß Grau mit seinem „prononcierten Luthertum“ wenigstens keinen „Eklat“ provozierte.133 Aber den Eiferer kümmerte nicht, was man in Berlin oder im Königsberger Schloß von ihm dachte.134 Im Geist lutherischer Orthodoxie bekriegte er in der von ihm mitherausgegebenen Zeitschrift Der Beweis des Glaubens nicht nur unermüdlich den aufkommenden „Kulturprotestantismus“. Diese von ihm gebrandmarkten „Verirrungen“ der unierten Kirche sah er unheilvoll verknüpft mit den politischen Bewegungen des Liberalismus und Sozialismus, die nach seinem Urteil die „Kulturentwicklung“ mit „der fortschreitenden Civilisation, mit der wach­ senden Industrie, mit der steigenden Bevölkerung“, den „Mengen der Proletarier“, die den „Boden für die Lehren des Socialismus“ bildeten, auf den „unverhüllte[n] Materialismus“ zutreiben ließ. Bis eines nicht mehr fernen Tages auch die „Religion der Sinnenlust wieder erfunden und Babylons Hüttenfest wieder gefeiert“ würde.135 Daß in diesem Prozeß, der eine Lebensordnung befördere, welche nur „das Diesseits als das wahre Arbeitsfeld des Menschen, als Inbegriff der Ziele seines Strebens“ kenne, „vater­ landslose Reformjuden“ zur Avantgarde der „kosmopolitische[n] Kulturströmung“ gehörten, die den „Unterschied der Völker“ aufzuheben bestrebt waren, um das „Weltreich“, das „irdische Paradies“ des „Genuß­ und Erwerbsleben[s]“ zu errichten, ließ Grau fast beiläufig einfließen. Ebenso seine Sympa­ thien für die „erbliche Monarchie“ der Hohenzollern und den Reichseiniger Bismarck, wenn er höh­ nend vermerkte, daß schließlich nicht die „Theorien des Liberalismus“ die deutsche Einheit hergestellt hätten, sondern – ganz im Sinne der lutherischen Maxime, mit unserer Macht sei nichts getan – sie zustande gekommen sei „durch eine Offenbarung des Gottes der Geschichte unter den Donnern und im Blute der Schlachtfelder; und ein conservativer Staatsmann ist das Werkzeug gewesen“.136 An solchem Glaubenseifer mochte niemand unter seinen Kollegen sich ein Beispiel nehmen. Was nicht zuletzt daran lag, daß Grau unter lauter publizistisch nur selten noch zu vernehmenden Senioren lehrte. Der Systematiker Heinrich Voigt, als Stader Hauptpastor 1864 ohne Promotion und Habilita­ tion, nur mit einer Göttinger Ehrenpromotion geschmückt, trotzdem als „gelehrter Theolog“ geltend, von August Tholuck, dem Theologen der Erweckungsbewegung, empfohlen,137 gegen den Willen der Fakultät ins Königsberger Amt des Hengstenberg­Anhängers David Erdmann gelangt,138 feierte GStA, VI, Nl. v. Horn, Nr. 4: Autobiographie, Bl. 317. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. IV, unpag.; EOK – PrMK v. 15. 11. 1877, Beschwerde über den Union­Gegner Grau; ebd. 28. u. 30. 3. 1883, zwei Voten des Ministerialreferenten Bernhard Weiß über die Königsberger Theologen Grau, Sommer, Erbkam, Voigt, Jacoby, Klöpper. – Einen „Unionsrevers“ habe Grau bei seiner Berufung keineswegs unterschrieben, so betont v. Kügelgen 1894, S. 9. Doch muß auch sein Biograph ein­ räumen, daß der Erzlutheraner in seiner Polemik wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen sei, und ihn die Angriffe auf die Union spätestens Ende der 80er Jahre isoliert hätten. Zumal der kleine „Lutherische Verein“ in Ostpreußen, dem er „alsbald“ nach seiner Berufung beigetreten war, ihm keinen kirchenpolitischen Rückhalt bot. 135 Grau 1875, S. 259. Ähnlich, gegen Renan und Strauß als Wegbereiter des Glaubens­ und Kulturzerfalls ge­ richtet, die opulente Polemik ‚Semiten und Indogermanen in ihrer Beziehung zu Religion und Wissenschaft. Eine Apologie des Christenthums vom Standpunkt der Völkerpsychologie‘, zuerst 1864, 2. Auf. 1867. 136 Grau 1875, S. 237, 253, 261. 137 Seine Stimme gab formal den Ausschlag, wobei zu bedenken ist, daß Tholucks Hallenser Kollege, der gleich­ gesinnte Julius Müller (1801–1878), Voigts Lehrer und – Schwiegervater war. Die Wahl des völlig unbekannten Stader Hauptpastors wird noch verständlicher, bedenkt man, daß eine zweite Tochter Müllers (eine „entschiedene Royalistin“, G. Kögel 1893, S. 153 ff.) seit 1855 mit dem Amanuensis Tholucks, Rudolf Kögel (1829–1896) ver­ heiratet war, der wiederum 1862 zum Hofprediger und zugleich zum Vortragenden Rat im PrMK aufrückte. Und der es war, der Tholuck um ein Gutachten über seinen Schwager bat. Einer der peinlichsten Fälle von Nepotismus, der sich in der preußischen Kultusbürokratie nachweisen läßt (s. Anm. 138)! Über Kögels Wirken im PrMK findet sich leider nichts in der ausufernden dreibändigen Biographie seines Sohnes, s. G. Kögel 1901. 138 D. Erdmann, 1821 Güstebiese/Neumark – 1905 Dresden, 1847 Dr. phil. FWU, 1850 Lic. Theol. ebd., 1853 Habil. ebd., 1856 ord. Prof. f. nt. Exegese u. Kirchengeschichte AUK, Januar 1864 als Generalsuperintendent der Provinz Schlesien nach Breslau berufen, ein „Pektoraltheologe, von Skepsis unberührt“, der „mit Sorge die 133

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1881 seinen 60. Geburtstag und hatte außer seiner steifleinenen, „ermüdenden“ (Bernhard Weiß) ‚Fundamentaldogmatik‘ (1874) und einer Athanasius­Monographie fast nichts veröffentlicht.139 Auf „positivem Glaubensgrunde stehend“ und „entschieden“ der preußischen Union angehörend, schien er dafür öffentlich lieber nicht streiten zu wollen und stellte stattdessen seine Fähigkeiten, jedoch erst seit 1886, dem ostpreußischen Konsistorium zur Verfügung.140 Bejahrter als er waren der Kirchenhistoriker Wilhelm Heinrich Erbkam und der Altestamentler Johann Georg Sommer, beide geboren 1810. Erbkam, Schüler Schleiermachers und Neanders, als Berliner Prediger an der Seite Hengstenbergs mit den „Lichtfreunden“ wie dem „rationalistischen Un­

Entwicklung der Theologie von A. Ritschl“ betrachtet (RGG Bd. II, 1927, Sp. 228) und „immer im Gegen­ satz zur liberalen Theologie“ gestanden habe, wenn ihn das auch nicht ins „Lager der Konfessionellen“ führte. Kirchenpolitisch zur „positiven Union“ gehörend (RE3, XXIII, S. 428–430). – GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. III, unpag.; TheolFak – PrMK v. 16. 1. 1864, Nf. Erdmann: primo et unico loco Bernhard Weiß, 1827 Königsberg–1918 Berlin, Lic. theol. AUK, 1857 ao. Prof. ebd., 1861 zugleich Divisionspfarrer, erst zum SS. 1863 als ord. Prof. f. nt. Theologie nach Kiel berufen, 1877 FWU, 1880 Vortr. Rat PrMK. Da der Fakultät schnell klar war, daß das PrMK eine Rückkehr von Weiß in die Heimat nicht zulassen würde, schlug Erdmann den jungen Martin Kaehler (Halle) vor, neben einigen Männern der Praxis, so den Seminardirektor Th. Schneider aus Neu­ wied, der einmal Privatdozent in Halle war, oder den von Isaac Dorner empfohlenen, bei Aachen tätigen Prediger Diedrich Harries, über den das PrMK ernsthaft Erkundigungen anstellte. Die mit ihrer Verstimmung nicht hinter dem Berg haltende Fakultät bot am 4. April 1864 schließlich eine neue, kirchenhistorisch orientierte Liste an: 1. Karl Albrecht Vogel, 1822 Dresden–1890 Wien, Neander­Schüler, Habil. Jena 1850: De Bonizonis episcopi Sutrini vita et scriptis, Hauptwerk zur Aufhellung des saeculum obscurum der Kirche 1854: Ratherius von Verona, 1856 ao. Prof. ebd., 1861 ord. Prof. Wien, ältere u. mittelalterliche Kirchengeschichte, vertrat die „mild supernatu­ ralistische Richtung in der Weise Neander’s ohne tiefer greifende Wirkung“ (ADB XL, S. 95). – 2. Wilhelm Möller, 1827 Erfurt–1892 Kiel, als Sohn eines Konsistorialrats schon Zeuge von dessen Kampf für die preußische Union und gegen die „anschwellende lichtfreundliche Bewegung“ in Thüringen, Neander­Schüler, „Vermittlungstheo­ loge“, Patristiker, 1854 Habil. f. NT. u. Kirchengeschichte Halle über Origenes, als Verfechter einer „conservativen Beurtheilung der Frage der Echtheit der Schriften des Neuen Testaments“ Widersacher der „Tübinger Schule“ Baurs, 1860: Geschichte der Kosmologie in der griechischen Kirche bis auf Origenes, 1862 Pfr. Grumbach/Lan­ gensalza, 1870 nach Archivstudien am Pregel eine Biographie des Königsberger Theologen Andreas Osiander vor­ gelegt, die ihm 1873 eine Prof. f. Kirchen­ u. Dogmengeschichte in Kiel eintrug, 1891 em. (ADB XXII, S. 443 ff.). – 3. K. F.Th. Schneider (Neuwied), Hg. der von Neander begr. Zeitschrift für christliche Wissenschaft. – 4. Hermann Meßner, 1824 Oebisfelde–1886 Berlin, von den Feinden Hengstenbergs 1860 zum b. ao. Prof. in der Berliner Theol. Fakultät gemacht, s. Lenz 1918, S. 325; seit 1858 Hg. Neue Evangelische Kirchenzeitung. – Das PrMK war aber inzwischen eigene Wege gegangen und ignorierte diese, Schneider ausgenommen, vertretbare Vierer­Liste. Stattdessen bat Referent Kögel am 26. 2. 1864 Tholuck um Gutachten zum württembergischen Garnisonspfarrer Klaiber wie zu Voigt. Für Königsberg suchte man einen Mann, der als nt. Exeget auch Systematik lehren mußte, um den schwächelnden Friedrich Sieffert sen. zu unterstützen, oder Kirchengeschichte, die Erbkam nicht mehr allein bewältigte. Tholuck sortiert Klaiber als zu alt (Jg. 1817) und wissenschaftlich bedeutungslos aus, und emp­ fahl Voigt aufgrund der „reifen Frucht“ eines seit Studientagen nicht erloschenen wissenschaftlichen Feuers, seines Athanasius­Opus’, das von einer unter jüngeren [V. war 42!] Theologen „selten gewordenen Kraft des speculativen Denkens“ zeuge. Tholuck verschwieg aber nicht die Schattenseiten: eine „gewisse Steifheit“ lasse sich nicht überse­ hen, die ihn wenig befähige, auf konträre Standpunkte einzugehen und auf die Jugend einzuwirken, zudem sei er als Prediger „keine hervorragende Begabung“ (an PrMK v. 7. 3. 1864). 139 Die umfangreiche, seinem Schwiegervater Müller gewidmeten Athanasius­Arbeit trug ihm 1861 den Göt­ tinger Ehrendoktor ein, und darauf durfte, offenkundig von Müller beraten, Tholuck ihn als einen „gelehrte[n] Theolog[en]“ rühmen, eine Wendung, die auch den Bestallungsvorschlag ziert (GStA, Rep. 89, Nr. 21658, Bl. 230; PrMK – ZivK v. 6. 6. 1864). 140 So die Würdigung Voigts, die den in diesem Sinne seit 1886 im Konsistorium tätigen Konsistorialrat zum Abschied für den Roten Adlerorden III. Kl. empfahl (ebd., Nr. 21661, Bl. 39 f.; PrMK – ZivK v. 13. 3. 1891).

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glauben“ ins Gericht gehend und dabei aus der „ganzen vollen Offenbarungswahrheit“ schöpfend,141 ebenso wie der Neutestamentler David Erdmann durch Hengstenberg nach Königsberg vermittelt,142 1848 erst­ und letztmalig mit einer voluminös­positivistischen Fleißarbeit zur ‚Geschichte der prote­ stantischen Sekten‘ im 16. Jahrhundert auf den Plan tretend – Erbkam also erlitt 1883 einen Schlag­ anfall und mußte seine Vorlesungen einstellen. Sein zum SS. 1884 gegen den von der Fakultät deutlich favorisierten Reformationshistoriker Theodor Kolde143 berufener Nachfolger hieß Paul Tschackert, Durch familiäre Beziehungen fand Erbkam leicht Zugang zum Hause Schleiermachers, der auch als Theo­ loge bestimmenden Einfluß auf ihn ausübte. Trotzdem schlug er sich auf die Seite Ernst Wilhelm Hengstenbergs (1802–1869), als Schüler Schleiermachers 1845 eine „Berliner Erklärung“ veröffentlichten, um dessen unchrist­ liches Wüten gegen die „Lichtfreunde“ anzuprangern. Erbkam polemisierte dagegen in einer Flugschrift ‚Beleuch­ tung der Erklärung von 1845‘, die klar und bündig nachweise, „wie das ganze lichtfreundliche Treiben gegen die ewigen Fundamente des christlichen Glaubens, insbesondere gegen die Grundthatsachen und Grundwahrheiten des Evangeliums und gegen die positive Glaubenswahrheit des kirchlichen Bekenntnisses gerichtet sei“, sich da­ mit an die Seite der angegriffenen Evangelischen Kirchenzeitung Hengstenbergs stellend. Überdies „ein kräftiges Bekenntnis von der positiven biblischen Heilswahrheit und von dem in den Symbolen bezeugten evangelischen Glauben“ ablegend, wie sein Königsberger Kollege Erdmann rühmt (RE3, Bd. V, S. 448–450). 142 Vgl. Lenz 1918, S. 280, über die Berliner Theol. Fakultät nach 1848, unter dem strengen Regiment Hengsten­ bergs: „Nur Männer, die dem öffentlich approbierten kirchlichen Bekenntnis gehorsam waren, gelangten zur Ha­ bilitation, und für sie standen bald Lehrstühle oder Kanzeln zur Verfügung“, wie für Erdmann, ord. Prof. AUK 1856 und für Erbkam, der 1847 als Extraord. nach Königsberg kam, aber erst 1855, als Nachfolger des Neander­ Schülers und „Vermittlungstheologen“ Justus L. Jacobi (1815–1888, 1847 ao. Prof. FWU, 1851 AUK, 1855 Halle) zum Ordinarius aufrückte. 143 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. IV, unpag.; TheolFak – PrMK v. 16. 12. 1883, Liste Ersatzprof. Erbkam: 1. Th. Kolde, 1850 Friedland/Schles.–1913 Erlangen, seine Mutter war die Tochter des Breslauer Theo­ logen und dezidierten Anti­Rationalisten August Hahn, schon in der Schülerzeit „erstes politisches Interesse“, „frühzeitig auf dem Weg liberaler deutscher Politik“, daher „dauernd antiultramontan“, stetiger Polemiker gegen den „kulturellen Katholizismus“, aber auch großdeutsch, liberal, „antikonservativ“, hat „dem Luthertum als Partei dauernd ferngestanden“, 1874 Prom. Halle, 1876 Habil. f. Kirchengeschichte Marburg: Luthers Stellung zu Konzil und Kirche (eine zur Kulturkampf­Zeit entstandene Arbeit, getragen von einem „lebhaften Gegenwartsinteresse“, DBJ), Erforschung der geistigen Sozialisation Luthers, 1879 als „großer Wurf“ (Jordan): Die deutsche Augusti­ nerkongregation und Johann von Staupitz. Ein Beitrag zur Ordens­ und Reformationsgeschichte nach meistens ungedruckten Quellen; aufgrund dieser Leistung 1879 nb. ao. Prof. ebd., 1881 ord. Prof. Erlangen, im Vorfeld des Luther­Jubiläums erschienen: Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation (1881), Analecta Lutherana. Briefe und Actenstücke zur Geschichte Luthers (1883) sowie der erste Band seiner Luther­Biographie, 1890/91 Rektor; einer der führenden Reformationshistoriker seiner Generation, Vf. einer zweibändigen Luther­Biographie (1884/1893), vgl. Nachruf H. Jordan, in: DBJ XVIII, 1913, S. 142–147 u. Jordan 1914. – 2. Karl Müller, 1852 Langenburg/Württ.–1940 Tübingen, 1880 Habil. FWU, 1882 nb. ao. Prof. ebd., 1884 Halle (Nf. Tschackert), 1886 Gießen, 1891 Breslau, 1903–1922 Tübingen, Hauptwerk: Kirchengeschichte [bis zum 17. Jh.], Bd. I–II/2, 1892–1919 (BBKL VI, Sp. 294; autobiographisch K. Müller 1930, S. 1–44, mit schönen Belegen der Familiarität der (schwäbischen) Gelehrtenwelt des späten 19. Jhs.: Müllers Mutter war eine Nichte Schellings, sein ihm ver­ wandter Lehrer Georg Waitz war in erster Ehe mit einer Tochter Schellings verheiratet, sein Lehrer Eduard Zeller war der Schwiegersohn Ferd. Chr. Baurs, Müller selbst ehelichte die Tochter seines Lehrers, des Historikers Julius Weizsäcker; zu seinen Jugendfreunden zählte der nachmalige Lenker der wilhelminischen Außenpolitik, Alfred von Kiderlen­Wächter, und Familienbeziehungen verschafften ihm in Berlin Zugang zum Kreis des württ. Gesandten von Spitzemberg und seiner „bedeutenden Frau“, der „Freundin Bismarcks“). – 3. P. Tschackert (Halle, s. Cata­ logus). – 4. Victor Schultze, 1851 Fürstenberg/Waldeck–1937 Greifswald, 1879 Habil. f. christ. Archäologie u. Kirchengeschichte Leipzig: De Christianorum veterum rebus sepulcralibus. Commentatio historico­archaeologica, 1884 b. ao. Prof. Greifswald, 1888 oö. Prof. ebd., außergewöhnlich produktiver Gelehrter, fast ausschließlich auf dem Gebiet der christlichen Archäologie, Hauptwerke u. a.: Archäologische Studien über altchristliche Monu­ mente (1880), Die Katakomben. Die altchristlichen Grabstätten. Ihre Geschichte und ihre Monumente (1882), Geschichte des Untergangs des griechisch­römischen Heidentums. Bd. I: Staat und Kirche im Kampf mit dem 141

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geschätzt als Kenner spätmittelalterlicher Kirchengeschichte, „auf dem Boden des reformatorischen Bekenntnisses stehend“ und als „Anhänger der Union“ vom Berliner Oberkirchenrat mit einer kir­ chenpolitischen Unbedenklichkeitsbescheinigung für das Königsberger Amt versehen.144 Tschackert hatte das historische Handwerk bei Georg Waitz in Göttingen erlernt, wo er auch die Anregung zu seiner Habilschrift über Petrus de Alliaco erhielt. Der Verfasser rechtfertigte seine Themenwahl mit der „Zeitgemäßheit“ des Stoffes, den er im kulturkämpferischen Sinne aufbereitete, um die historischen Schattenseiten der „päpstlichen Kirche“ herauszukehren und vor dem ewigen „Wahn von einer per­ sönlichen Unfehlbarkeit“ ihres Oberhaupts zu warnen.145 Ohne halbwegs rücksichtsvolle historische Einkleidung ließ Tschackert sich in Königsberg zu einem Ausfall gegen Rom hinreißen, der der wü­ stesten Kulturkampfpolemik zur Ehre gereichte. Obwohl dem Ministerium übersandt mit der auch im Vorwort zu findenden Selbstdeutung, die Schrift wolle „den Kampf mit Rom“ auf das „religiöse und geistige Gebieth zurückverlegen“, konnte davon wirklich nicht die Rede sein, und unglaubwürdig klang die Beteuerung: „Mit dem sog. ‚Kulturkampfe‘ hat das Buch nichts zu thun.“ Die Königsberger Studenten, die ihm auf der Suche nach „Skandal“ und „Sensation“ in Massen zuliefen,146 wie auch die Zentrumspartei waren da anderer Ansicht, zitierte doch Peter Spahn im Preuß. Abgeordnetenhaus ausführlich die aggressivsten Passagen des stattlichen Bandes, um den akademischen Antikatholizismus anzuprangern.147 Nicht ohne Effekt, denn anschließend versenkte sich Tschackert für fünf Königs­ Heidentum (1887, 1892 Bd. II: Die Ausgänge), Grundriß der christlichen Archäologie (1919), ausführl. Bibliogr. in der FS. der Greifswalder Fakultät: Von der Antike zum Christentum, 1931, S. 195–213. – Grau hatte dem be­ freundeten orthodoxen Greifswalder Apologeten Otto Zöckler, wohl im Vertrauen, diese Briefpassage finde (nicht allein mit Gottes Hilfe) ihren Weg ins PrMK, eindringlich mitgeteilt, Kolde werde von der Fakultät „vorzugsweise gewünscht“ (was Zöckler wie erwartet an Althoff weitergab, Brief v. 28. 1. 1884). Kolde scheiterte aber an der eher durchwachsenen Beurteilung seiner eilig zum Jubiläum 1883 produzierten Luther­Arbeiten. Adolf Harnacks „hohe Erwartungen“ seien dadurch, wie er Althoff am 28. 1. 1884 schrieb, nicht erfüllt worden, während der Mar­ burger Reformationshistoriker Theodor Brieger auf die gleiche Anfrage sich ähnlich enttäuscht zeigte, da Koldes Schriften seit 1880 „Tiefe und Umsicht des Urteils“ vermissen ließen (an Althoff v. 28. 1. 1884). Richard Zoepffel gutachtete aus Straßburg (28. 1. 1884), daß Kolde zwar ein tüchtiger Luther­Kenner sei, sein Selbstbewußtsein aber unangenehm mit seinen Leistungen kontrastiere. Nur der Berliner Germanist Wilhelm Scherer lobte ihn ohne Einschränkung, da Kolde der erste sei, der Luther als „Sohn seiner Zeit“ begreife, jenseits konfessioneller Verengungen protestantischer wie katholischer Luther­Deutungen (an Althoff v. 5. 2. 1884). 144 GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 91 f.; Ernennungsvorschlag PrMK – ZivK v. 29. 2. 1884. Das Gutachten des Straßburger Kirchenhistorikers Zöpffel war da bereits unter den Tisch gefallen, das ihm zwar bescheinigte, dogmatisch auf dem Boden der Reformation zu stehen, doch „früher“ solle er sich zu Ritschl gehalten haben (s. Anm. 143). Harnack hatte die Ritschl­Nähe auch erwähnt, meinte jedoch zuverlässig zu wissen, die posi­ tiven Breslauer Prägungen hätten bei ihm die Oberhand behalten, so daß er nunmehr „in überzeugter Weise den Standpunkt der positiven Union“ vertrete, „mit einem Stich ins Pietistische, wie es dort [in Schlesien] üblich“ sei (s. Anm. 143). Der ursprüngliche Bestallungsvorschlag v. 22. 2. 1884 hob dann in einer wieder gestrichenen Pas­ sage hervor, wie streng Tschackert ein „Unionist“ sei, der den Staat als Kulturstaat begreife, der außer rechtlichen auch kulturelle und soziale Pflichten habe, was jede Trennung von Staat und Kirche ausschließe. Für ihn sei der Staat der Kirche zwar rechtlich übergeordnet, die Kirche ihm aber um der Kulturaufgaben willen unlöslich „beige­ ordnet“. 145 Tschackert 1877, S. V–IX, 340 ff. 146 Für eine Universität, die in 1880er Jahren durchschnittlich 800 Studenten zählte, waren 155 Hörer, die sich im SS. 1886 in Tschackerts „Geschichte der römischen Kirche seit der Wiedererstehung des Jesuitenordens“ drängten, wirklich sehr beachtlich. 147 Tschackert 1885: ‚Evangelische Polemik gegen die römische Kirche‘ (2. Aufl. 1888). – GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. I, unpag.; Tschackert – PrKM v. 14. 2. 1885 u. Auszug aus Verhandl. Preuß. HdA, 37. Sitz. v. 10. 3. 1886, S. 1040 f. Der Kirchenhistoriker scheint diese Attacke gegen die „schwarze Internationale“ und die „staatsgefährliche römische Kirche“ sowie ein schon zur Göttinger Amtszeit verfasstes Pamphlet zur „Je­ suitenfrage“ (1891) bedauert zu haben. Doch erst zwanzig Jahre später gab er einem wohl lange in ihm nagenden

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berger Jahre in die Akten des Staatsarchivs und schrieb die Geschichte der Reformation im Preußen­ land zu Zeiten Herzog Albrechts.148 Der von ihm 1886 für Kirchengeschichte habilitierte, 1888 nach Breslau berufene Carl Franklin Arnold, bis zur Promotion ein Schüler Voigts,149 danach sich an Tschackert haltend, tat es seinem Lehrer gleich und versuchte sich als kirchenpolitischer Polemiker. Arnold legte sich aber nicht mit Rom an, sondern nur mit dem vergleichsweise unbedeutend­sektiererischen „Baptismus“. Der aber war ihm wichtig genug, um die amtskirchlichen Lutheraner und Reformierten zu dessen „Bekämpfung“ aufzu­ rufen. Arnolds Pasquill gegen die seit 1820 zahlreicher gewordenen Abtrünnigen der „evangelischen Volkskirche“,150 die, trete man ihnen nicht entgegen, die „Einheit“ des kirchlichen und damit auch des nationalen Lebens bedrohten, zeugt auch vom immens „praktischen“ Wert, die der ältesten Kir­ chengeschichte nicht allein für den darauf spezialisierten Königsberger Privatdozenten zukam.151 Um die „Irrtümer“ des „baptistischen Radikalismus“ bezüglich Kirche, Taufe und Glauben aufzuzeigen, müsse man sie dort widerlegen, wo sie sich am stärksten fühlten: in ihrem Umgang mit der Bibel und den ersten Kirchenvätern. Was steht über die Taufe wirklich in den Evangelien, wie ist die Ableh­ nung der Kindertaufe bei dem von den baptistischen „Bilderstürmern“ gern reklamierten Tertullian im Licht der Geschichte der Alten Kirche einzuordnen?152 Arnold empfahl mithin, seine Disziplin für die Innere Mission einzuspannen und dabei gut aufklärerisch auf die Macht des rationalen Arguments zu vertrauen. Dabei war er sich wohl bewußt, daß die kirchenhistorische Delegitimation der Baptisten vielleicht nur Sekundäres träfe. Denn deren Attraktivität beruhe nicht auf einer überzeugenderen, authentischen Bibelauslegung, sondern auf der größeren Intensität des Gemeinschaftserlebnisses. Die Hilfsdienste des Kirchenhistorikers könnten also durchaus willkommen sein, aber entscheidend für die Zukunft des Protestantismus als „Volkskirche“ sei es, „die religiöse Geselligkeit nach Kräften zu befördern“. Von den Katholiken sei „hier viel zu lernen“.153

Reuegefühl nach und schrieb zur „Wiedergutmachung“ einen Traktat „für das Zusammenleben der Konfessionen im Deutschen Reich“. Papst, Jesuiten und Zentrumspartei sparte er dabei weitgehend aus, um der „Friedensar­ beit“ zwischen den Bekenntnissen zu dienen (Tschackert 1908). Von lutherischer Seite ist diese Schrift deshalb als „wertlos“, da dem „Feinde“ gegenüber „einschläfernd“ wirkend, vernichtend rezensiert worden, so der Kolberger Pastor Bender 1908. 148 Tschackert 1890; der erste der drei Bände bringt zu den beiden wuchtigen Urkunden­Bänden eine bescheiden „Einleitung“ betitelte, 400 eng bedruckte Seiten umfassende Darstellung der Anfänge der Reformation im Her­ zogtum Preußen (1523–1549) und handelt im Rahmen der „Pflege der gelehrten Bildung“ auch die Gründungs­ geschichte der Albertina ab (S. 279–318). Gerade hier brechen aber auch antirömische Affekte Tschackerts wieder durch, da er betont, wie sich die Bildungspolitik Herzog Albrechts glänzend von der vorreformatorischen Öde des „geistigen Lebens“ im Ordensland abhebe (ebd. S. 9). Diesen Befund könne man auch nicht mit dem Verweis auf die welthistorische Gestalt des Frauenburger Domherrn Kopernikus widerlegen, denn der Astronom stehe völlig „isoliert“ im katholischen, kulturfeindlichen Umfeld da, wo „nichts für Wissenschaft und Kunst“ getan worden sei (ebd., S. 8). Ähnlich die Argumentation in zwei aus dieser ‚Einleitung‘ entnommenen biographischen, separat veröffentlichten Studien, Tschackert 1891 und 1894. 149 Ohne kirchenhistorisches Interesse hatte Arnold in Erlangen und Königsberg Theologie studiert, 1878 sein Staatsexamen gemacht und während des Schuldienstes eine Voigt gewidmete Arbeit zur älteren Kirchengeschichte verfasst (1882). 1886 folgte unter Tschackerts Patronat die zur Erteilung der venia ausreichende Licentiatenarbeit, 1888 die Berufung zum b. ao. Prof. Breslau, s. Catalogus. 150 Arnold 1887, S. 8 f., gibt für die 1834 gegründeten „Vereinigten Gemeinden getaufter Christen“ bis 1854 etwa 3.000 Mitglieder an. Zwischen 1860 und 1880 habe sich ihre Zahl europaweit verzehnfacht, davon lebten 16.500 im Deutschen Reich. 151 Vgl. seine quellenkritisch sondierende Studie zur „Neronischen Christenverfolgung“ (1888a). 152 Arnold 1887, S. 17 f., 26 f. 153 Ebd., S. 36.

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Gewiß tiefer als mit diesem Pamphlet schrieb Arnold sich in seiner Dozentenzeit in die Anna­ len der Königsberger Geistesgeschichte mit seiner Auswahledition aus den Schriften Johann Georg Hamanns ein, etwa gleichzeitig mit Graus regelmäßigen Lehrveranstaltungen über den „Magus in Norden“.154 In einer ausführlichen Einleitung dazu antizipierte er, der als Pflegekind im Hause des Hamann­Forschers Karl Hermann Gildemeister aufgewachsen war,155 die Kernthesen der Königsber­ ger Hamann­Rezeption der 1920er und 1930er Jahre, die untrennbar mit Rudolf Unger, Fritz Blanke, Erwin Metzke, Arthur Warda und natürlich Josef Nadler verknüpft sind: Hamann, der Feind der „eudämonistischen“, der „jüdischen“ Aufklärung, des Universalismus der Vernunft, der Übervater der Romantik, der entschiedene „Partikularist“, der das Recht des Gefühls zur Anerkennung gebracht, den Sinn für Geschichte, „das charakteristisch Nationale und Provinzielle, ja auch das Individuelle“ geweckt habe.156 Nadler rühmt diesen kundigen Lebensabriß als „das erste gültige Hamannbild des [19.] Jahrhunderts“.157 Wie Erbkam entbehrte auch der Alttestamentler Sommer, wie es im Ministerium hieß, der „nöthi­ gen Kraft und Frische“. Der „alte Herr“ fand endlich zum WS. 1886/87 in Carl Heinrich Cornill einen sehr jungen Ersatzmann. Doch über diesen Reformierten aus Westdeutschland hielt sich das Gerücht – obwohl „religiös kirchlich konservativ“ – ein „gemäßigter Wellhausianer“ zu sein, was sich durch einen Blick in seine Schriften leicht bestätigen ließ, und was aus Graus Sicht dem Einbruch radikalster Aufklärung in die Fakultät gleichkam.158 Nadler 1930, S. 144, erwähnt nur Graus Gedächtnisrede zum 100. Todestag Hamanns, gehalten am 21. Juni 1888 (nicht in der Universität sondern im Königsberger Landeshaus), ohne die im SS. 1879 einsetzenden, bis zum WS. 1893/94 sechs Mal wiederholten, meistens gut besuchten (20–50 Hörer) Vorlesungen „Über Hamann“ zu beachten. Daß Graus erzlutherische Vereinnahmung des Magus (vgl. ders. 1888), die Nadler aus der Rede heraus­ liest, auch die (uns unbekannten) Vorlesungen geprägt haben dürfte, sie strikt „unter den theologischen Scheffel“ stellte (Nadler), ist indes anzunehmen. 155 1853 in Ohio/USA geboren, kam Arnold 1862 zu Gildemeister nach Bremen, s. vita zur Diss. 1882. 156 Arnold 1888b, S. 30 f., 35–39. 157 Nadler 1930, S. 144. 158 Wohl unter Graus Federführung entstand die Liste, auf der Cornill erst an 3. Stelle rangierte, während, unter Betonung seiner konservativen Ausrichtung, der Berliner Bibelwissenschaftler und Parteigänger Adolf Stoeckers, der Extraord. Hermann Strack (1848 Berlin–1922 ebd.), der 1883 das Institutum Judaicum gegründet hatte, primo loco stand (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. IV, unpag.; Liste Ersatzord. Sommer v. 22. 5. 1886). Strack versuchte als einer ersten christlichen Theologen die at.­jüd. Wurzeln des Christentums historisch­kritisch zu ergründen, gab jedoch nie die spezifisch christliche Position auf und bemühte sich eifrig um Judenmission, verhielt sich aber distanziert zur „antijüdischen Agitation“ Stoeckers (BBKL XI, Sp. 5–8). Wie aus Marginalien von Weiß zu schließen ist, stolperte der besonders von Dekan Jacoby gewünschte (lt. Althoff­Notiz über eine In­ spektionsreise nach Königsberg v. 10. 1. 1886) Strack gerade über die so betonte Hebraisten­Kompetenz und seine „Vertrautheit mit jüdischen Schriften“, da dies für Königsberg „gleichgültig“ sei. Dort benötige man jemanden, der den Studenten die theologische Seite des AT nahebringe. Über den sec. loco genannten Leipziger Privatdozenten, den „vermittelnd­konservativen“ (so Jacobys Einstufung, lt. Althoff ) Viktor Ryssel, 1849 Reinsberg/Sa.–1905 Zürich, in Leipzig im Bannkreis von Franz Delitzsch, ebd. Prom. 1872 mit einer „pentateuchkritischen Disser­ tation über den Elohisten“ (BBKL), Oberlehrer NikolaiG ebd., 1878 Habil., 1885 ord. Prof. Leipzig, 1889 ord. Prof. f. AT u. orient. Sprachen Zürich, ließ sich kein griffiges Urteil bilden; tatsächlich auch als „Alttestament­ ler wenig markant“, einen Namen hatte er hingegen als Kenner der syrisch­christlichen Literatur (BBKL VIII, Sp. 1121 ff.). – Bei 4. Friedrich Baethgen, 1849 Lachem/Hameln–1905 Rohrbach/Heidelberg, 1878 Habil. f. AT, 1884 ao. Prof. Kiel, 1888 Halle, 1889 Greifswald, 1895 FWU, [Vater des Königsberger (1929–1939) Mediävisten Friedrich B., 1891–1972] war fraglich, ob er ein guter Dozent sei. – 5. Friedrich Eduard König, 1846 Reichen­ bach/Vogtland–1936 Bonn, Habil. Leipzig 1879, ao. Prof. ebd. 1885, oö. Prof. Rostock 1888, 1900–1921 Bonn; von Fakultät und PrMK grandios unterschätzt und verkannt, obwohl 1886 schon absehbar war, daß man es hier mit dem produktivsten Alttestamentler seiner Zeit zu tun hatte, der zu „fast allem Stellung bezog, was der Zeit­ geist herausforderte“, u. a. der entschiedenste Kämpfer gegen die Babylonisierung des AT und der Hauptrufer im 154

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Der Neutestamentler Albert Klöpper, Jahrgang 1828, war beamteter Extraordinarius seit 1875 und galt als treuer Unionist. Grau schätzte ihn deshalb gering. Er verachtete ihn aber geradezu wegen seiner „exegetischen Selbstverleugnung“ als Paulus­Interpret, weil er wissenschaftlich derart „objectiv“ sein wolle, bis er den weltanschaulich unabdingbaren „Standpunkt“ verliere, und am Ende alles sich in die „Paulinische Subjectivität“ auflöse, „ohne alle objective Realität, wie sie der gemeine Christenglaube voraussetzt“.159 Vor der Berufung des „Wellhausianers“ Cornill mußte Grau sich also in nächster Nähe bereits der textkritischen Unterminierung seiner heiligsten Überzeugungen erwehren.160 Klöpper ent­ wickelte sich allerdings nicht zu seinem Widerpart, da der Neutestamentler erblindete und seit 1884 von Friedrich Zimmer als Ersatzordinarius vertreten werden mußte.161 Als Streiter gegen den Materialismus der Moderne und seine politischen Vollstrecker trat allein August Dorner in Graus Fußstapfen, 1889 als Extraordinarius für Systematische Theologie berufen, 1890 als Ordinarius den Dogmatiker Heinrich Voigt ablösend.162 Obwohl auch Dorner, anders als Voigt indes nur „milde positiv“,163 von konservativer Seite wegen seiner starken religionsphiloso­ phischen, aus der Enge des Lehrgebiets hinausdrängenden Neigungen verdächtigt wurde, sich gar den Anhängern von Egidys und seiner „Gesellschaft für ethische Kultur“ attachieren zu wollen,164 war er, wie ein Nachrufer mit besserem Recht hervorhob, ein Fels in der Brandung der alles unterspülenden „Historisierung und Psychologisierung der Religion“,165 wie sie von Albrecht Ritschl ausging, den auch Dorners späterer Fach­ und Fakultätskollege Gustav Ecke für einen Zerstörer protestantischer Glau­ bensgewißheit hielt.166 „Von all dieser Relativierung, Resignation, Labilität abgestoßen, warf sich Dor­ ner ihr als tapferer und furchtloser Wahrheitskämpe entgegen“. Doch der „Metaphysiker Dorner“ war Ende des 19. Jahrhunderts bereits „eine einsame Gestalt in der Theologie seiner Tage, die ihm auf die Höhen seiner Spekulation nicht zu folgen vermochte“.167 Der „geschworene Feind des Historismus“ richtete sich im abgelegenen Königsberg als Epigone religionsphilosophischer Spekulation ein, die ihre „Bibel­Babel­Streit“ (BBKL IV, Sp. 264–279). König hatte 1882 gerade zwei Bände über den Offenbarungsbegriff des AT vorgelegt, galt dem Referenten Bernhard Weiß aber für so gelehrt wie „langweilig“. – Es blieb also übrig 3. Cornill (s. Catalogus), auch weil er nicht nur auf textkritischem Gebiet zuhause sei. 159 So Grau 1874, S. 179, in einer Rez. zu Klöppels Kommentar zum 2. Korinther­Brief. 160 Obwohl sein Nachrufer anmerkt, Grau, der die „große Gefahr“ der alttestamentlichen Textkritik Wellhausens und seiner Schule ebenso erkannt habe wie die der „Ritschlschen Theologie“, habe doch den Arbeiten des „gelieb­ ten jungen Kollegen Cornill“ zuletzt „immer mehr Anerkennung“ gezollt (v. Kügelgen 1894, S. 16 f.). 161 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. IV, unpag.; TheolFak – PrMK v. 14. 7. 1884, Vorschlag, Zim­ mer zum unbesoldeten ao. Prof. zu ernennen, was mit der Bestallung v. 21. 10. 1884 erfolgte. Aus einem Kurator­ Schreiben v. 2. 8. 1886 geht hervor, daß Z. zu diesem Zeitpunkt das übliche Extraordinariensalär von 2.400 M plus 660 M. Wohngeld bezog. Klöpper hatte im SS. 1883 seine Vorlesungen vorübergehend nicht wegen der fortschreitenden Erblindung eingestellt, sondern wegen seines „angegriffenen Nervenzustands“, ein Übel, das im heraufziehenden „nervösen Zeitalter“ Königsberger Professoren häufiger heimsuchte. 162 Voigt zog nach Eisenach und starb 1892 in Charlottenburg. Hintergrund der offensichtlich erzwungenen Emeritierung war eine „chronique scandaleuse“, in der Voigt und seine Tochter die Hauptrollen spielten und die „in weitesten Kreisen der Stadt große Erregung hervorgerufen“ habe. Näheres geht aus den Briefen des Kurators, Paul Tschackerts und Hermann Jacobys nicht hervor (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. V, Bl. 70–75). Der Skandal verhinderte jedoch 1892 die Berufung von Voigts Sohn Heinrich (1860–1933). Voigt jr. war eine zeitlang Hauslehrer in der Familie Max Webers und Schloßprediger in Köpenick, bevor er sich an der AUK 1890 habilitierte. Erst zum WS. 1894/95 glaubte Althoff dessen Berufung auf das zwischenzeitlich von Friedrich Bosse (s. u. Anm. 184) vertretene und kirchengeschichtlich orientierte Extraordinariat riskieren zu können. 163 Der Ernennungsvorschlag warb um Zustimmung mit der Versicherung, Dorner sei der „milden positiven Richtung seines Vaters“ zuzuordnen (GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 33–35; PrMK – ZivK v. 17. 12. 1890). 164 So Zorn – Althoff v. 24. 2. 1896 (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. II, Bl. 63–65) 165 Krueger 1920. 166 Vgl. Ecke 1899. 167 Krueger 1920.

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Hochzeit im Gefolge des von ihm verehrten Schelling seit langem hinter sich hatte.168 Dorner war sich dieser Randständigkeit durchaus bewußt. Schon seinen Vater, den Königsberger (1843–1847), seit 1862 in Berlin lehrenden Systematiker Isaac August Dorner, sah er in der „skeptischen Hochflut“ nach 1870 versinken. Auch Dorner senior habe „Gotteserkenntnis für möglich“ gehalten und sei mit seiner „spekulativen Theologie“, die dem Glauben eine metaphysisch­rationale Basis geben und seine „Ver­ nünftigkeit“ beweisen wollte, in eine Zeit des „banausischen Praktizismus“ geraten.169 Lernen wollte der Sohn aus dem Schicksal des Vaters offenkundig nicht, da dessen Isolation ihm die einsame Rich­ tigkeit des Unterfangens nur zu bestätigen schien, „die geoffenbarte Religion zugleich als die rationale“ erkennen, die „Vernünftigkeit des religiösen Inhalts“ erfassen zu wollen.170 Ungeachtet der von Grau und Dorner gehaltenen Bastionen erschien die Fakultät aus dem ver­ zerrenden Blickwinkel konservativer Zeitgenossen Anfang der neunziger Jahre inzwischen leider als „reichlich genug mit Kirchlichliberalen“ besetzt.171 An konservativen, im konkreten Fall völlig un­ verständlichen Maßstäben gemessen, stand der 1890 berufene, Paul Tschackert ablösende Kirchenhi­ storiker Karl Benrath (1890–1920) dabei in der ersten Reihe.172 Schnell bekam er fakultätspolitisch angeblich die Fäden in die Hand, was seine Gegner schon deshalb erboste, weil man ihn für einen Ge­ lehrten und Lehrer kaum zweiter Güte, einen lutherischen Jesuiten und journalistisch ambitionierten „Hetzkaplan“ minnachtete, dessen protestantistischer Rigorismus sich wesentlich im unversöhnlichen Anti­Katholizismus erschöpfte. Was die Wahl seines Forschungsschwerpunkts, die Geschichte der Reformation in Italien, ebenso motiviert haben dürfte wie seine Vorliebe für das an Glaubenseifer Wittenberg überflügelnde und daher von ihm so hochgeschätzte „Genfer Reformationswerk“.173 Dabei hatte zwischen 1882 und 1901 die politische Führung der Provinz, in Gestalt der drei erzkonservativen Oberpräsidenten Albrecht von Schlieckmann, Udo von Stolberg­Wernigerode und – der Sohn des Reichsgründers – Wilhelm von Bismarck, in ihrer Eigenschaft als Kuratoren der Universi­ tät, vielfach ihren Einfluß geltend gemacht, um die antiliberale, „positive Richtung“ in der Fakultät zu stärken. Im oft mühsam zu erzielenden Einvernehmen mit dem im Ministerium für diese Personalien

Vgl. Eilert Herms 1981. Dorner 1909b, S. 254 f., 311. 170 Dorner 1907, S. 457. 171 GStA, Rep 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr.18, Bd. V, Bl. 149; Pressemeldung aus der Kreuzzeitung v. 5. 4. 1894, derzufolge Gerüchte besagten, Graus Lehrstuhl werde an einen Ritschlianer fallen. 172 Das PrMK hatte Benrath als „maßvoll konservativ“ charakterisiert, in ihm gewinne die Fakultät einen „auf­ richtigen und warmen Freund der Union“ (GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 14–16; PrMK – ZivK v. 14. 3. 1890). Bei dieser Nachfolgeregelung bekam die Fakultät tatsächlich einmal ihren erstplazierten Wunschkandidaten auch genehmigt. Daß der Berliner Gymnasiallehrer und Abaelard­Forscher Samuel Martin Deutsch (1837 War­ schau–1909 Berlin, Sohn eines Judenmissionars, von Haus aus altlutherisch, doch Wechsel zur unierten preuß. Landeskirche, seit 1864 Gymnasiallehrer in Berlin, 1885 ao. Prof. f. Kirchengeschichte FWU) sowenig ein ernst­ hafter Konkurrent war wie der 1887 nach Breslau berufene Königsberger Privatdozent Carl Franklin Arnold, oder der viertplazierte Experte für die Geschichte des Papsttums, Carl Mirbt (1860 Gnadenfrei/Schles.–1929 Göttin­ gen), 1888 Habil. Göttingen, 1890 b. ao. Prof. in Marburg, dürfte die Durchsetzung Benraths erleichtert haben (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. IV, unpag.; TheolFak – PrMK v. 11. 1. 1890, Liste Nf. Tschackert). 173 Vgl. Benrath 1900 und auch seine Geschichte der Gustav­Wasa­Stiftung in Ostpreußen, 1894, dort bes. die Darstellung über die Festigung der ev. Diaspora­Gemeinden im katholisch­polnischen Umfeld Westpreußens wie auch die Verdienste um die „Eindämmung“ der vom Ermland ausgehenden katholischen Mission. – Zu Benraths Autokratismus in der Fakultät viele Urteile über den „diabolischen Intrigant[en]“ in den Briefen Zorns an Althoff, bis hin zu der flehentlichen Bitte: „Können Sie uns nicht von Benrath befreien?“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205 Bd. II, Bl. 90, Zorn – Althoff v. 8. 5. 1897; auch ebd., Bl. 56 f. und 63–65, Briefe v. 22. 12. 1895 und 24. 2. 1896). 168

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zuständigen Theologen Bernhard Weiß.174 Gerade die Nachfolge des im Sommer 1893 plötzlich ver­ storbenen Grau wollte der Kurator, überzeugt, den einzigen Widerpart gegen die Vertreter „mehr oder weniger negativer Richtung“ verloren zu haben, zwar „nicht speciell lutherisch“, aber unbedingt „posi­ tiv“ geregelt wissen. Eine Forderung, die die Mehrheit der Provinzialsynode, des ostpreußischen „Kir­ chenparlamentes“, mit einer „Massenpetition“ ans Ministerium unterstützen wollte.175 Da die darauf erfolgte Berufung des Heidelberger orthodoxen Systematikers Ludwig Lemme scheiterte,176 entsprach die interimistische Verwaltung des Lehrstuhls mit dem Greifswalder, vom „Biblizisten“ Hermann Cre­ mer fürs Leben geprägten Privatdozenten Erich Schaeder (1894/95) dann noch ganz,177 die Berufung des Marburger Neutestamentlers und Weiß­Schülers Ernst Kühl (1895–1910), Schwiegersohn des einstigen Königsberger Neutestamentlers David Erdmann, indes kaum halb den Wünschen dieser „po­ sitiven“ Lutheraner.178 Tatsächlich rechneten Liberale wie sein späterer Göttinger Kollege Tschackert Kühl aber gar nicht zu den ihren, sondern reihten ihn unter die „Positiven“ milder Observanz ein.179 Den für die Theologischen Fakultäten zuständigen Referenten im Ministerium, dem aus Ostpreußen stam­ menden, an der Albertina habilitierten, seit 1877 in Berlin Systematische Theologie lehrenden Bernhard Weiß, verband ein, wie der amtliche Briefwechsel und viele Marginalien von Weiß dokumentieren, sehr „kurzer Draht“ mit Althoff: dieser legte vor, Weiß nahm Stellung, und Althoff führte entsprechend aus. Weiß gehörte von 1880 bis 1899 dem PrMK an, war Kollege und Referent Althoffs, dem als Juristen die „Personalien der theologischen Fakultäten fremd“ gewesen seien und der „meist meinem Urteil folgte“, wie Weiß in seinen Erinnerungen berichtet (1927, S. 182). 175 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bl. 95; Kurator – PrKM v. 22. 10. 1893, gegen den ihm unbe­ kannten, von der Fakultät unico loco gesetzten Kieler Neutestamentler Emil Schürer (1844 Augsburg–1910 Göt­ tingen). Schürer, 1869 Habil. f. nt. Exegese Leipzig, 1878 oö. Prof. Gießen, 1890 Kiel, 1894 Göttingen, Begrün­ der der Theologischen Literatur­Zeitung, habe schon in jungen Jahren die Förderung des Protestantismus freudig begrüßt, wie sie von Ritschls Theologie ausging, weil sie ihn kraftvoll auf seine einfachsten Elemente reduzierte – so sein Freund Adolf Harnack in einem Nachruf (1911, S. 343). Den Protest der Provinzialsynode formulierte deren im Herbst 1893 gerade neugewählter Präses, der Staatsrechtler Zorn, in einem Brief an Althoff v. 5. 11. 1893 (GStA w.o., Bl. 121). Zorn, Kurator v. Stolberg und ihr Anhang in der ostpreußischen Synode hätten zu gern den scharfen Ritschl­Kritiker, den Heidelberger Systematiker und Dogmenhistoriker Ludwig Lemme (1847–1927), nach Königsberg gezogen. Vgl. GStA, VI. HA, B Nr. 205, Bd. I, Bl. 80 f.; Zorn – Althoff v. 26. 12. 1893. 176 GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, Bl. 66 f.; dort Abschriften eines Briefwechsels zwischen Lemme und dem Königsberger Kirchenhistoriker Friedrich Bosse, Februar/März 1894. Lemme erwähnt die Ablehnung nur kurz und deutet an, daß er in der Königsberger Fakultät kein ihm genehmes Umfeld gesehen habe. Was nicht verwundert, da er seinerseits Bosse mit der Begründung nach Heidelberg ziehen wollte, eine „weitere gläubige Kraft in die Fakultät“ zu bringen, um „gegen den öden und geistlosen Liberalismus, der bei uns die Gemeinden verwüstet, dem lebendigen Christusglauben zur Durchsetzung zu verhelfen“ (Brief v. 6. 3. 1894). 177 GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, Bl. 61; PrKM – EOK v. 12. 3. 1894: „Um die theologische Fa­ kultät der Universität Königsberg nach der positiven Seite zu ergänzen“, sei beabsichtigt, Schaeder die Vertretung des Grau­Lehrstuhls zu übertragen. – Den großen Einfluß Cremers, ja die stets bewahrte „tiefste Verbindung“ mit dessen Theologie, bezeugt Schaeder in seiner Autobiographie, 1926, S. 208. Rückblickend schien er auch zu be­ dauern, daß er als junger Student in den 1880ern nicht wie Cremer Adolf Stoecker unterstützt hatte, obwohl er die politische Krisendiagnose der beiden konservativen Theologen offenbar teilte, derzufolge das „preußisch­deutsche Staatsgefüge“ vom „demokratischen Fortschrittswesen“ und „demokratischen Sozialismus“ mit einer „Skrupello­ sigkeit unterwühlt“ worden sei, wie man sie nur von der „Politik der vatikanischen Kurie“ kenne (Schaeder 1926, S. 199). 178 Komme Schaeder von Königsberg fort? Und werde Kühl Nachfolger Graus? Sein flehentliches Bitten in dieser Sache sei dann vergeblich gewesen, wenn beide Fragen zu bejahen seien. So Zorn an Althoff, zugleich orakelnd, daß wohl ein neuer Wind im Ministerium wehe und Vermittlungstheologen wie Referent Weiß dort das Heft in die Hand bekommen hätten (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205 II, Bl. 18; Schreiben v. 13. 3. 1895). 179 GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 5, Bd. IV, Bl. 56–82; dokumentiert den Konflikt zwischen den Liberalen (Tschackert, Titius, Knoke) der Göttinger Fakultät und den von der hannoverschen Landeskirche unterstützten Orthodoxen (Bonwetsch, Althaus sen.) im Frühjahr 1910. Das PrMK berief den „positiven“ Kühl als Kompro­ 174

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Den stereotypen Forderungen der Kuratoren nach „positiven“ Theologen war allerdings 1885 mit der Berufung des Königsberger Pfarrers Friedrich Zimmer auf das neutestamentliche Extraordinariat Genüge getan worden.180 Und als der 1890 die Leitung des Theologischen Seminars in Herborn über­ nahm, setzten sie sich mit der Wahl des aus Marburg geholten Adolf Link erneut durch.181 Link, der, wie schon Zimmer, auf seinem Posten den Ausfall des seit 1885 erblindeten Albert Klöpper kompen­ sieren sollte, war selbst infolge Krankheit bald nicht mehr voll einsatzfähig, ließ sich 1897 beurlau­ ben und starb im Juli 1899. Aus der orthodoxen Cremer­Schule Greifswalds stammend, vertrat ihn Johannes Dalmer, an den Martin Schian sich noch nach einem Menschenalter als „sehr konservativ“ erinnerte.182 Dank passender Gesinnung auf dem „kleinen Dienstweg“ zwischen Althoff und Cremer rasch nach Königsberg delegiert, mußte er dort aber, wie Ministerialreferent Weiß auf einer Inspekti­ onsreise festhielt, mangels „wissenschaftlicher Selbständigkeit“ zum Ende des WS. 1899/1900 wieder abgezogen werden.183 Gleichfalls wohl, wie ausdrücklich im Fall Schaeders, um die Fakultät nach der „positiven Seite zu ergänzen“, erging ein Vertretungsauftrag für den erst 1891 in Greifswald habi­ litierten Kirchenhistoriker Friedrich Bosse, den Sohn des preußischen Kultusministers, der aber, in Königsberg kränkelnd, keine definitive Bestallung anstrebte und nach nur drei Semestern einem Ruf nach Kiel folgte.184 Heinrich Gisbert Voigt, Sohn des 1890 überstürzt emeritierten Königsberger Syste­ mißkandidaten, weil man weder die Liberalen mit deren Marburger Favoriten Heitmüller und Jülicher, noch die Konservativen, die sich den Ultra Alfred Seeberg (Rostock) als Nachfolger Emil Schürers wünschten, stär­ ken wollte. – Zur dogmatischen Position Kühls vgl. seine Breslauer Habilschrift über die Heilsbedeutung Christi (Kühl 1890) sowie, mit schärferem Profil, die in Friedrich Kropatschecks Reihe „Biblische Zeit­ und Streitfragen“ aufgenommene, gegen die religionshistorische Entwertung der Messianität Jesu gerichtete, ihre „Unableitbarkeit“ verteidigende Schrift über ‚Das Selbstbewußtsein Jesu‘ (Kühl 1907). 180 GStA, Rep. 76Va, … Nr. 18, Bd. V, Bl. 1 f.; TheolFak. zum Abgang nach Herborn zum SS. 1890, dabei rück­ blickend Zimmer, von 1884 bis 1888 als 2. Pfarrer am Diakonissenhaus des BarmherzigkeitsKHS in Königsberg tätig, würdigend als der „Ev. Union von Herzen zugetan“ und „biblisch positiv“; er sei Hg. der Reihe „Bibliothek theol. Klassiker“ und der kirchen­musikalischen Zs. Halleluja. Organ für ernste Hausmusik (1879–1886). – Zim­ mer knüpfte in Herborn enge Beziehungen zu Friedrich Naumann, setzte sich lange für die 1896 erfolgte Grün­ dung des „National­sozialen Vereins“ ein und gehörte auch zum ersten Redaktionsausschuß von Naumanns Hilfe, um publizistisch das „Volk­ und Gemeinschaftsbewußtsein“ zu heben, trennte sich dann aber von Naumann, weil sein „nationaler Sinn“ ihn hinderte, den Weg vom „Verein“ zur „Fortschrittlichen Volkspartei“ mitzugehen (M. Berger 2005, Sp. 1591 f.). 181 Ebd., Bl. 11; Berufung zum SS. 1890. 182 Schian 1940, S. 24 f., der bei dem damals jüngsten Greifswalder PD im WS. 1888/89 hörte. Dalmers Hoch­ schulkarriere sei später an „mangelndem Lehrgeschick“ und der „Spärlichkeit der wissenschaftlichen Produktion“ gescheitert. Die einzige größere Arbeit war eine Studie über ‚Die Erwählung Israels nach der Heilsverkündigung des Apostels Paulus‘ (1894), die sich darauf beschränkt, den „Gedankengang“ von Röm. 9–11 nachzuzeichnen. Dalmers wohl letzte Publikation ist eine Rez. zu Rudolf Ottos, Leben und Wirken Jesu (1902), die die Darstellung des liberalen Theologen als „billige Heldenverehrung“ verwirft (Dalmer 1903). 183 GStA …, Nr. 18, Bd. V, Bl. 262 f.; Weiß – Althoff v. 3. 11. 1899. 184 Daß der junge Bosse sich bereits einen Ruf als Orthodoxer erworben hatte, ergibt sich aus Lemmes Bestreben, ihn in Heidelberg gegen den „öden und geistlosen Liberalismus“ in Stellung zu bringen (s. o. Anm. 176). GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, Bl. 49; PrMK – Bosse v. 4. 7. 1892, Vertretungsauftrag zum WS. 1892/93. Es handelt sich um das systematische Extraordinariat Dorners, das fortan mit einem Kirchenhistoriker besetzt wurde. Ferner ebd. Bl. 63; PrMK – Kurator AUK, wo es heißt, man habe Bosse „aus Gesundheitsrücksichten“ zum 1. 4. 1894 vom Vertretungsauftrag entbunden. Bosse hatte im WS. 1893/94 gar nicht mehr gelesen, da man am 12. 10. 1893 im Ministerium vermerkt, er sei aus gesundheitlichen Gründen – sein Berliner Arzt hatte ihm das Kö­ nigsberger Klima „verboten“! – an der Lehrtätigkeit gehindert (GStA …, Nr. 18, Bd. V, Bl. 92). Zum WS. 1894/95 erfolgte dann die Berufung nach Kiel als Nf. Otto Ritschls (GStA …, Sek. 7, Nr. 23, Bd. I, Bl. 66 und ebd., Sek. 9, Tit. IV, Nr. 9, Bd. III, Bl. 101–109; Liste Nf. Ritschl). Bosse stand neben dem Leipziger Karl Thieme primo loco, vorgeschlagen als „kirchlich positive“ Kraft. Vielleicht auch als Trostpflaster für die nordelbischen Lutheraner

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matikers, stand in ähnlich „positivem“ Ansehen wie Bosse, übernahm dessen Amt zum WS. 1894/95 und fand nach altkirchlichen Studien bis zu seiner Wegberufung nach Kiel (1899) Geschmack an der Frühgeschichte des Christentums im altpreußischen Raum.185 Als Geländegewinn müßte im „positiven“ Kreis Zorns auch die Handhabung der Nachfolge des Alttestamentlers Cornill verbucht worden sein. Cornill, obwohl sich selbst als „alter Hugenott, streng confessionell reformiert“ bezeichnend, rechnete man in diesem Lager schon deshalb zu den Liberalen, weil er, zuletzt in der westpreußischen Provinzialsynode, leidenschaftlich für die Freiheit gerade seiner Wissenschaft gegenüber kirchlichen Lehrmeinungen eintrat.186 Die Berufung seines Nachfolgers, des Greifswalder Wellhausen­Schülers Friedrich Giesebrecht (1898–1910),187 den Althoffs Informant ihm als einen Dozenten „von entschieden altpreußisch­konservativer Richtung“ ans Herz legte, bedeutete darum nicht nur kirchenpolitisch wiederum einen Ruck nach rechts.188 Auf der Linie der Berufung gedacht, die soeben die Berufung Otto Baumgartens skandalisiert hatten, der ihnen als obsessiv Liberaler für Jahr­ zehnte ein Stein des Anstoßes blieb. – Von Kiel erfolgte zum WS. 1899/1900 Bosses Berufung nach Greifswald, wo er sich 1904 als „nervös leidend“ beurlauben ließ (ebd., Sek. 7, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VI, unpag.). Aufschlußreich eine für Althoff bestimmte vita (ca. 1895), die in seine „innere Entwicklung“ Einblick gewährt. Demnach erlitt der Konfirmand Adolf Stoeckers, im Elternhaus religiös behütet aufgewachsen, „im Zeichen Tholucks“, während seines ersten Berliner Semesters 1882/83 unter dem Eindruck „der Lektüre von Eugen Dührings Schriften“ und der Beschäftigung mit John Locke seinen „religiösen Bankrott“. Er pflegte „Umgang mit Atheisten“, aber infolge „innerer Verwahrlosung“ keinen „Gebetsumgang“ mehr „mit Gott“, den er einige Zeit „in der That verloren hatte“. Wegen dieser Glaubenskrise gab er das theolog. Studium auf, wandte sich Treitschke zu, promovierte bei diesem 1887, tastete sich dann wieder an die Theologie heran. Unter dem Einfluß der Greifswalder Orthodoxie wurde die Krise überwunden. Nicht dauerhaft, da Bosse 1904 ja ausschied, vielleicht bedingt durch jene „Nervosität“, die der frühe, Glaubenszweifel wiederbelebende Tod seines Sohnes (1898) hervorrief (vgl. Vita u. Briefe von Bosse jr. 1892–1905, in: GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 16/I). Althoff versuchte, ihm durch eine Beschäftigung im PrMK neues „Selbstvertrauen“ zu geben und fädelte ihn 1904 in Marburg in den Bibliotheksdienst ein. Zum 1. 1. 1909 wurde er stellv. Direktor der Kaiser­Wilhelm­Bibliothek in Posen, wo er bis zu deren Übernahme durch die neuen polnischen Herren im Frühjahr 1919 ausharrte. „Unabhängig von den Wolken, die so plötzlich über Volk und Staat heraufgezogen sind“, wie er im Oktober 1918 schrieb, hatte er das Posener Amt stets als „Qual“ empfunden und sich schon in der Vorkriegszeit weggesehnt (GStA, Rep. 76Vd, Sek. 23, Nr. 6b, Bd. I, unpag.; F. Milkau, Direktor UB Breslau – PrMK v. 20. 9. 1918 zu Person und Werdegang Bosses sowie Bosse – PrMK v. 16. 10. 1918). 185 Vgl. seine erschöpfende Monographie über den 997 auf seiner ersten Missionsreise ins Samland getöteten Bischof Adalbert von Prag, Voigt 1898. In Kiel stand Voigt hinter Lezius sec. loco, wurde aber wie der Greifswalder Privatdozent von den ein Separatvotum einreichenden Liberalen Baumgarten und dem Kirchenhistoriker Hans v. Schubert abgelehnt (GStA, Rep. 76Va, Sek. 9, Tit. IV, Nr. 9, Bd. III, Bl. 236–239; Liste Nf. Bosse v. 22. 6. 1899 u. Separatvoten). 186 GStA …, Nr. 18, Bd. V, Bl. 203; Sonderdruck seiner Rede aus den DanzNN v. 30. 10. 1896, die sich gegen eine Art „Maulkorberlaß“ richtete, der Theologieprofessoren untersagen sollte, ihre Forschung in die Lehre umzu­ setzen und so den Nachwuchs zu „verderben“. 187 Ebd., Bl. 219; Liste Nf. Cornill v. 5. 8. 1898: 1. Fr. Giesebrecht (s. Catalogus). – 2. Viktor Ryssel (s. o. Anm. 158). – 3. Heinrich Holzinger (1863 Langenburg/Württ.), 1889 Repetent am Tübinger Stift, seit 1893 im Pfarramt, 1910 Prof. KarlsG Stuttgart, 1917 I. Münsterpfr. Ulm, 1922 Prälat Ludwigsburg; obwohl außerhalb der Universität wirkend, wissenschaftlich sehr produktiv, 1893: Einleitung in den Hexateuch, 1898 gerade mit einem ‚Hand­Commentar‘ zur Genesis hervorgetreten. – Auf Ablehnung Jacobys und Dorners stieß der Vorschlag, Max Löhr auf die Liste zu bringen, weil man Giesebrecht für „weitaus bedeutender“ einstufte und ihn aus Greifswald herausholen wollte, wo er „unangebracht kaltgestellt“ worden sei. Die Breslauer hatten ihren Extraordinarius hin­ gegen ohne Bedenken für das durch Rudolf Kittels Berufung nach Leipzig frei gewordene Ordinariat vorgeschla­ gen und ihm (2.) Cornill sowie (3.) Giesebrecht nachgeordnet. Berufen wurde dann aber zum WS. 1898/99 der Königsberger Ordinarius Cornill (GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 32, Bd. V, Bl. 281 f.; Liste Nf. Kittel v. 4. 7. 1898). 188 Ebd., Bl. 232; Friedrich Kropatscheck (1875 Wismar–1917 Breslau, seit 1904 ebd. b. ao., 1907 oö. Prof. f. Syst. Theologie) – Althoff undat. (Herbst 1898). Der Absender, habilitierte sich 1899 [!] in Greifswald. Mit Lezius

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Giesebrechts lag dann 1900 auch die des Anti­Ritschlianers Gustav Ecke, der bald nach seiner Ankunft vom neutestamentlichen Extraordinariat Links auf ein Ersatzordinariat rückte, um den vom ostpreu­ ßischen Klima gepeinigten Dorner zu unterstützen.189 Der damit freigewordene NT­Lehrstuhl fiel zum SS. 1901 allerdings wieder an einen Liberalen, an den in der „Religionsgeschichtlichen Schule“ Göttingens erzogenen Kirchenhistoriker Hans Achelis, der vornehmlich die „christliche Archäologie“ abdecken sollte.190 Mit ihm zusammen, auf Voigts kirchenhistorisches Extraordinariat, wechselte je­ doch abermals ein Greifswalder, wenn auch nicht durch Cremer, sondern eher vom „vermittlungstheo­ logisch“ eingestellten Alexander von Oettingen beeinflußter und ursprünglich von der Dorpater Theo­ logie herkommender Dozent, Friedrich Lezius, an die Albertina.191 Kurz vor und während des Ersten Weltkriegs entpuppte er, der sich früh mit dem „politischen“ Luther befasst und der die „Aktualität“ des Reformators mit Blick auf die „soziale Frage“ überprüft hatte,192 sich als der rabiateste Alldeutsche unter Königsbergs Akademikern – in offenbar zwangsläufiger Konsequenz seines Außenseitertums wie übler Erfahrungen mit der zaristischen Russifizierungspolitik im Baltikum.193 Lezius ließ kaum Nei­ seit Greifswalder Studienjahren befreundet, ab 1905 Herausgeber der Broschüren­Reihe Biblische Zeit­ u. Streit­ fragen, einem Sammelbecken des protestantischen Konservatismus. Sowie ebd., Bl. 233, an Althoff die Auskunft des Greifswalder Ord. für Syst. Theol. und NT, Hermann Cremer (1834–1903), eines bedeutenden Kirchenpolitikers der extrem „positiven“ Richtung, v. 15. 9. 1898, den Ministerialrat beruhigend: Giesebrecht stehe zum Christentum des NT „ganz anders“ als Wellhausen und beklage dessen „Entwicklung“, d. h. dessen Entfernung von Glauben und Kirche (vgl. zu Wellhausen: Smend 1989, S. 108). Im Vorschlag, Giesebrecht zum ord. Honorarprofessor zu beför­ dern, war die Fakultät noch bedenklicher gewesen, da seine Jesaja­Arbeit von 1890 sich auf einen „ziemlich freien kritischen Standpunkt“ gestellt habe, mit dem die „streng positive Greifswalder Fakultät“ aber leben könne (GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VI, unpag.; an PrMK v. 22. 6. 1895). – Zu Cremer vgl. Hildebrandt 2006. 189 GStA, Rep. 76Va, Sekt. 11 …, Bd. V, Bl. 288 und Bl. 293; Anmeldung Ersatzord. v. 23. 8. 1900 und Mit­ teilung, dies bereits mit Ecke besetzt zu haben. Dies verwirrt, denn die einzige freie Stelle, in die Ecke bei seinem Wechsel im Februar 1900 einrücken konnte, war das beamt. Extraord. von Link, das seit 1898/99 krankheitsbe­ dingt vertreten wurde von Johannes Dalmer. Seinen LA nicht zu verlängern, hatte das PrMK Ende 1899 entschie­ den (s. o. Anm. 183). Eine Berufungsliste findet sich nicht in den Akten. Ecke wurde also offensichtlich oktroyiert. Im Bestallungsvorschlag für das Ersatzordinariat Syst. Theol. (auch hierzu ist keine Liste der Fakultät vorhanden) heißt es, daß er Ritschl­Gegner sei, über Erfahrungen in der Inneren Mission verfüge, vornehmlich auch in „Ar­ beitergegenden“ und man in ihm einen „Theologen der positiven Theologie“ gewinne (GStA, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 119 f.; Vorschlag Kurator AUK v. 16. 8. 1900). Die Ernennung erfolgte am 20. 8. 1900, die Anmeldung zum Ersatzord. erst drei Tage später (s. o.)! 190 Ebd., Bl. 313; Vereinbarung mit Achelis zum 1. 4. 1901. 191 Ebd., Bl. 316; Vereinbarung mit Lezius zum 1. 4. 1901. Weiß hatte Lezius bereits am 27. 7. 1899 der Fakul­ tät als Nachfolger empfohlen (ebd., Bl. 259). Die Vorschlagsliste v. 6. 10. 1899 ignorierte dies aber und nannte 1. H. Achelis (Göttingen, s. Catalogus). – 2. Karl Holl, 1866 Tübingen–1926 Berlin, seit 1891 Repetent am Tü­ binger Stift, 1894 an der PrAkW, 1896 Habil. f. Kirchengeschichte FWU, 1906 aus Tübingen wieder nach Berlin, der bedeutendste Kirchenhistoriker seiner Zeit, Inspirator der „Luther­Renaissance“. – 3a. Karl Gerold Götz (1865 Basel–1944 ebd.), 1898 Habil. Basel, 1915 ao., 1917 ord. Prof. ebd., 1896: Das Christentum Cyprians, 1904: Die Abendmahlsfrage in ihrer geschichtlichen Entwicklung. – 3b. Georg Grützmacher, 1866 Berlin–1939 Münster, 1893 Habil. Heidelberg, 1896 ao. Prof. ebd., 1893–1914 Repetent TheolFak. ebd., 1914–1935 oö. Prof. Münster, Hauptwerk: Hieronymus. Eine biographische Studie, 3 Bde., 1901/08. – Lezius, der 1899 primo loco als solider Lutherkenner, der es verstehe, Kirchengeschichte im „engsten Zusammenhang“ mit der allgemeinen Geschichte vorzutragen, auf einer Kieler Liste stand (GStA, Rep. 76Va, Sek. 9, Tit. IV, Nr. 9, Bl. 236; Liste Nf. Bosse v. 22. 6. 1899), wurde also nach über einjähriger Vakanz einfach oktroyiert. Mit Benrath als Ordinarius, Achelis und Lezius als beamteten ao. Prof., war die Kirchengeschichte an der kleinen Fakultät damit zweifellos „überbesetzt“. 192 Vgl. Lezius 1891a+b und 1898b. 193 Siehe Catalogus über die Verhinderung der akademischen Karriere in Dorpat. – Ungewöhnlich aggressive, alldeutsche Töne schlug Lezius bereits in Greifwald an, wie dem PrMK zugeschickte Pressemeldungen über eine Versammlung von Professoren und Studenten vorwiegend der Theol. Fak. im August 1900 belegen. Vor 100 Zu­ hörern hatte der Kirchenhistoriker für „strengste Mittel“ im Kampf gegen die preußischen Polen plädiert – das

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gung erkennen, als Kirchenhistoriker seine Erfüllung finden zu wollen, publizierte aufreizend wenig, nutzte die so gewonnene Zeit aber bis 1914 auch nicht, um sich etwa kirchenpolitisch, über gelegent­ liche Wortmeldungen als rechter Flügelmann im Evangelisch­Sozialen Kongreß hinaus, oder allge­ mein­politisch, außerhalb der Königsberger Ortsgruppe der Alldeutschen, kräftiger zu profilieren.194 Walther Hubatsch glaubte, das „hohe Maß an Gediegenheit und Tüchtigkeit“ loben zu müssen, das die Theologische Fakultät um 1900 ausgezeichnet und ihr einen beachtlichen Rang unter den deutsche Universitäten gesichert habe. Da sich trotz personeller Verjüngung ihr wissenschaftliches Renommé nicht tiefgreifend verbesserte, mag man dieses Urteil für krass falsch halten. Aber auch eine derart abwegige Einschätzung wahrt einen Rest von Realitätsbezug, wenn Hubatsch zugleich unver­ mittelt eingesteht, daß die Fakultät ihre „einstmals führende Rolle ausgespielt“ habe. Säkularisierungs­ tendenzen und der naturwissenschaftlich­technische „Positivismus“ hätten die Theologie nicht nur in Königsberg zu einer „exklusiven Beschäftigung“ gemacht.195

2.2.2. Die Juristische Fakultät196 Rückzugsstellungen im Kampf gegen die Moderne wie die Theologen bezogen auch die Juristen, ob­ wohl sie als Verteidiger der 1871 geschaffenen politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse zeitgemäßer wirkten als manche der voraufklärerisch anmutenden Lutheraner, die sich zumal als Wis­ sei „moralisch berechtigter Barbarismus“. Die polnische Presse solle man verbieten, ihre Vereine auflösen, die Reichsverfassung sei zuungunsten der polnischen Bürger zu ändern, damit man sie auf das „Niveau von Heloten“ herabdrücken könne. Die Schlesische Volkszeitung (SPD) wollte darin eine „offene Verhöhnung christlicher Näch­ stenliebe“ erkennen (GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VII, unpag.; Presseausschnitt v. 12. 8. 1900). 194 So wie dem Gelehrten Lezius die ununterdrückbare politische Leidenschaft im Wege stand, so behinder­ ten den akademischen Lehrer charakterliche und selbst körperliche Eigenheiten/Anomalien, die ihn, neben dem Germanisten Uhl (s. u., S. 313 f.), in Königsberg schnell zum „Sonderling“ stempelten. Der Hofprediger Bruno Doehring erinnert sich seiner, ohne ihn namentlich zu nennen, daher – noch recht milde – als eines „köstlichen Original[s]“, als eines Gelehrten von „erstaunlichem Wissen“ und einer „gefährlich scharfen Zunge“, aber auch eines exzentrischen Junggesellen mit gesellschaftlich gerade noch tolerierten anarchischen Verhaltensweisen (Do­ ehring 1952, S. 41–44). Als die Greifswalder Fakultät Lezius 1906 sec. loco für Bosses Extraordinariat vorschlug, vergaß man nicht den Hinweis auf seine „persönlich jedoch etwas auffällige Eigenart“ und, sehr höflich, seine „methodisch nicht ausgereifte Lehrweise“ (GStA, Rep. 76Va, Sekt. 7, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VIII, unpag.; Liste Nf. Bosse v. 28. 2. 1906). Ministerialreferent Weiß, der 1895 persönlich seine „Lehrwirksamkeit“ überprüfte, war we­ niger zurückhaltend: Ein Balte mit prononciertem Dialekt, den Kopf in sein Heft vertiefend, stockend vortragend, ständig den Faden verlierend und sich selbst durch anti­päpstliche Seitenhiebe erfreuend (ebd., Bd. VI, unpag.; Bericht Weiß v. 14. 2. 1895). 195 Hubatsch 1968a, S. 405. 196 Von „Forschung“ zur Geschichte dieser Fakultät läßt sich kaum reden. Prosopographischen Wert hat Prutz 1894, während v. Selle 1944 nur Marginales beisteuert, ebenso Hubatsch 1964. Die Sammlung von Rauschning/ v. Nerée 1994 enthält erstmals Beiträge, die über solche Kurzmitteilungen hinausgehen, nämlich die biogra­ phischen Aufsätze zu Sietze, v. Simson (G. Pfeiffer), Laband (W. Pauly) und Dahn (Willoweit 1995a). Die Skizze Willoweits zur Fakultätsgeschichte seit 1544 (auf 16 Seiten!) erübrigt für das 19. Jh. nur ein paar Zeilen, die sich zudem darin gefallen, Felix Dahn, den Verfasser eines „historischen Abenteuerroman[s]“, rechtsuniversalistisch zu schurigeln, weil die Nation bei ihm Ursprung und Maßstab „des Rechts“ gewesen sei, das nicht mehr „im vorge­ gebenen [von wem?] Normensystem“ wurzle. Dahn habe so mitgewirkt, jene Mentalität zu formen, „die das große Massensterben seit 1914 erst ermöglichte“ (1995b, S. 187 f.). Gegen solche ahistorische Geschichtsteleologie: Viel 2009, S. 19 f., 334. Einiges Material zur Fakultätsgeschichte bis 1860 liefert Bernhard von Simsons Biographie seines Vaters Eduard von Simson (1900), konzentrierter dazu der Aufsatz Bernd­Rüdiger Kerns, 2001. Für die 1850er Jahre die akribische, bei B.­R. Kern entstandene Leipziger Diss. Bettina Scholzes über den Deutschrechtler Otto Stobbe (1831–1887), der der Fakultät von 1855 bis 1859 angehörte, 2001, S. 24–32, 42–50.

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senschaftler von den drei anderen Fakultäten behandelt fühlten wie „Collegen zweiter Classe“ (Cornill) und die schon in den siebziger Jahren auf den Mediziner Naunyn den Eindruck einer „Sammlung merkwürdig unbedeutender Männer“ gemacht hatten, die als „minderwertig“ behandelt und über Jahrzehnte hinweg für unwürdig befunden worden seien, den Rektor stellen zu dürfen.197 Dagegen schienen die Juristen im Aufwind. Gerade das öffentliche Recht wurde zum „Instru­ ment nationaler und imperialer Politik“, seine Vertreter stiegen folglich auf als „Exzellenzen, Kron­ syndici, nobilitierte Mitglieder der Ersten Kammern, gesuchte Gutachter der Regierungen und der Fürstenhäuser“.198 Was nicht hieß, daß sich nach 1871 die enge Verbindung zwischen öffentlichrecht­ licher Literatur und der Tagespublizistik löste, die die Fachgeschichte vor und nach 1848 bestimmte.199 Die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre war insoweit wirklich keine „positivistische Wüste“, in der Professoren nur als Notare des Gesetzgebers fungiert hätten.200 Auch als „Exzellenzen und Kronsyn­ dici“ waren sie sich nicht zu vornehm, um im politischen Tageskampf mitmischen zu wollen. Zwischen preußischem Verfassungskonflikt und Reichsgründung herrschte, wie überall in der Pro­ vinz Preußen, so auch in der kleinen Juristischen Fakultät der linksliberale „Freisinn“. Der fand seinen Wortführer in dem jungen Vertreter des „Criminalrechts“, Richard Eduard John, einem Westpreußen aus Marienwerder, der auf der Höhe des Verfassungskonflikts im Mai 1862 für die Fortschrittspartei ins preußische Abgeordnetenhaus einzog, dort sich aber 1866 zu den rechtsliberalen Abtrünnigen schlug, die sich in der Nationalliberalen Partei sammelten.201 Dieser Positionswechsel war für die Ver­ schiebung der politischen Gewichte in Preußen bezeichnend, die sich im personellen Wandel der Fa­ kultät getreulich widerspiegelt. Auf John, der 1868 nach Kiel ging und der mit seinem ‚Entwurf nebst Motiven zu einem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund‘ (1868) letztlich erheblichen Einfluß auf das Reichsstrafgesetzbuch (1871) nahm, folgte der Königsberger Stadtgerichtsrat Karl Eduard Gü­ terbock, den der Oberpräsident und Kurator Eichmann mit Nachdruck auf den Lehrstuhl empfahl, um in Fakultät und Generalkonzil einen Ordinarius zu wissen, den er als Mann mit „correcten poli­ tischen Grundsätzen“ schätzte.202 „Correct“ im Sinne der Politik des preußischen Ministerpräsidenten fiel auch die Ablösung des 1861 auf den deutschrechtlichen Lehrstuhl berufenen, schon in ihren er­ Vgl. die Beschwerde des Alttestamentlers Cornill darüber, daß 1895 wieder einmal von den Juristen, Phi­ losophen und Medizinern vereitelt worden sei, einen Theologen zum Rektor zu wählen. Mit Ausnahme Graus (1889) sei dieses Amt seit 1842 niemals mehr an einen Theologen gefallen (GStA w. o., Bl. 170 f.; Cornill – Althoff v. 12. 1. 1895). – Vgl. a. Naunyn 1925, S. 270, der unter den Mediokren Grau als Ausnahme sah. Doch der sei ein „arger Eiferer“ gewesen, der an den leibhaftigen Teufel geglaubt habe, dem er sogar persönlich begegnet sein wollte. – Zorn spottete, vor die Wahl gestellt, den Chirurgen Braun oder Jacoby, den Vertreter der praktischen Theologie, zum Rektor zu küren, brauche er mit sich nicht lange zu Rate zu gehen: „Jacoby kann ich nicht wählen, er ist mir wissenschaftlich und als Character zu kümmerlich“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. II, Bl. 1; Zorn – Althoff v. 7. 1. 1895). 198 Stolleis 1992, S. 349 f. 199 Ebd., S. 299, zur Kennzeichnung der „verfassungspolitischen Turbulenzen“ zwischen 1848 und 1866, die sich nachteilig auf die „wissenschaftliche Pflege“ des öffentlichen Rechts ausgewirkt hätten – ein Urteil, das eine recht naiv­idealistische Auffassung Stolleis’ von der „Autonomie“ der Staatsrechtslehre wiedergibt. 200 Ebd., S. 350. 201 John, 1853 in Königsberg habilitiert und per Hausberufung 1859 ord. Prof., gab 1867 sein Mandat auf. 1863 hatte er mit einer ‚Kritik des preußischen Gesetzentwurfs über die Verantwortlichkeit der Minister‘ in den Feder­ krieg eingegriffen, den 1862 Bismarcks Konflikt mit dem Abgeordnetenhaus ausgelöst hatte. 202 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. III, unpag.; Kur. – PrMK v. 31. 5. 1865 betr. den Fakultätsan­ trag, Laband und Güterbock zu Ordinarien zu befördern. Güterbock habe den wegen seiner parlamentarischen Verpflichtungen häufiger abwesenden John bereits in strafrechtlichen Vorlesungen vertreten. Zum SS. 1868 rückte Güterbock, 1861 von der Fakultät habilitiert, auf Johns Lehrstuhl, nachdem er zugesichert hatte, aus dem lukra­ tiven Amt des Stadtrichters auszuscheiden, das ihn „neben“ seinen, fast alle zivilistischen und kriminalistisch­ prozessualen Fächer umfassenden Lehrverpflichtungen in Anspruch nahm. 197

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sten Anfängen für die Fortschrittspartei eintretenden Linksliberalen Albert Hänel aus.203 Ihm folgte nämlich der zunächst zivilrechtlich und rechtshistorisch ambitionierte, noch in Königsberg aber die Weichen für seine Karriere als Kronjurist des Zweiten Reiches stellende Paul Laband (1864).204 Und den wiederum, nachdem der von der Fakultät ungeachtet seines Judentums vorgeschlagene Berliner Handelsrechtler Jakob Friedrich Behrend dem Ruf nicht gefolgt war,205 ersetzte Felix Dahn (1872). Dahn bekannte, in Königsberg sich vom „Fortschrittsmann“ endgültig zum Nationalliberalen, Bis­ marckianer und preußischen Patrioten gewandelt zu haben.206 In der Korrespondenz mit Falk findet sich Hochachtung vor des Ministers Liberalität und Respekt vor seinem 1878 drohenden, von kirch­ lich­konservativen Kreisen erzwungenen Rücktritt, den Dahn eine „Katastrophe“ nannte. Andererseits offerierte er eine „nationale Poesie höchsten Stils“, an jene adressiert, die Falk stürzten. Eine Kostprobe seiner Panegyrik lieferte er etwa mit einem lyrischen Versuch, den „Kaiser zu decken“, kurz nach den beiden Attentaten auf Wilhelm I., verfasst für den Tag von Königgrätz, den 3. Juli 1878. Noch aus Breslau, lange nach Falks Abschied, gab Dahn sich als „begeisterter Anhänger des Ministers Falk und Bismarcks“, der kulturpolitisch weiterhin Liberaler geblieben sei („wegen meines offenen Einstehens Hänel folgte seinem Jugendfreund und wohl auch politisch mit ihm übereinstimmenden Otto Stobbe, der zum WS. 1859/60 einem Ruf nach Breslau angenommen hatte (s. Bettina Scholze über Stobbes Königsberger Zeit, 2002, S. 42–50, 107–122). 204 GStA, Rep. 89, Nr. 21658, Bl. 223; PrMK – ZivK v. 23. 2. 1864, Bestallungsvorschlag Laband, b. ao. Prof., Nf. des nach Kiel berufenen Hänel. Zur ersten Orientierung über Hänels bedeutende Rolle als linksliberaler Ge­ lehrtenpolitiker nach 1870: Röhrich 1976; ferner über den Konnex zwischen Staatsrecht und Linksliberalismus: Friedrich 1971 und Vitzthum 1971. – Zu Labands Königsberger Zeit vgl. vor allem seine Lebenserinnerungen 1918; für seine deutschrechtlichen Interessen zeugt die heute bequem greifbare schmale Edition Magdeburger Rechtsquellen, Laband 1869. 205 Zunächst hatte die Fakultät eine „private Anfrage“ an den Deutschrechtler Viktor von Meibom (1821 Kas­ sel–1892 ebd., 1857 Prof. Rostock, 1866 Tübingen, 1873 Bonn, 1875 Reichsoberhandelsgericht Leipzig, 1879 Reichsgerichtsrat) gerichtet, war aber mit der üblichen Floskel („klimatische Verhältnisse“) abgeblitzt. Dann war man sich einig, Behrend unico loco vorzuschlagen, zumal die Statuten seit 1867 geändert waren und die Berufung, ein dringendes Bedürfnis vorausgesetzt, nicht mehr an der „Confessionsfrage“ scheitern konnte. Bei Laband, der jüdischer Herkunft war, spielte das s. Zt. keine Rolle, weil er sich hatte taufen lassen. Behrend hingegen, wie v. Horn im Gegensatz zur Fakultät unumwunden aussprach, war von „jüdischer Religion“ (GStA …, Nr. 19, Bd. III, unpag.; JurFak – PrMK v. 9. 2. 1872, Liste Nf. Laband und ebd., Stellungnahme des Kurators v. 18. 2. 1872). Aus Behrends (1833–1907, Habil. FWU 1863, ord. Prof. Greifswald 1873, 1884 Breslau, 1887–1900 Reichsgerichts­ rat im Zivilsenat des RG in Leipzig) Oeuvre hob die Fakultät besonders hervor seine deutschrechtlichen Studien über ‚Die Magdeburger Fragen‘, 1865, ‚Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels‘, 1867, und: ‚Ein Stendaler Urteilsbuch aus dem 14. Jahrhundert‘, 1867. Auch seine ‚Betrachtungen über die Verfassung des Norddeutschen Bundes‘ las man als Empfehlung, ebenso sein Engagement als Redakteur der Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen. Sein Hauptwerk, das ‚Lehrbuch des Handelsrechts‘ erschien erstmals 1880. Am 27. 3. 1872 informierte das PrMK den Kurator darüber, daß Behrend abgelehnt habe. Die Fakultät wußte offenbar vorher davon, denn am 22. 3. 1872 ging die neue Liste ab, die gleichrangig und ohne Begründung nannte: 1a. Rudolph Sohm, 1841 Rostock–1917 Leipzig, 1866 Habil. Göttingen, 1870 ord. Prof. Freiburg, 1872 Straßburg, 1887 Leipzig, zunächst Historiograph der Rechtsentwicklung des Frankenreiches, in Straßburg zur Geschichte des röm. Rechts und des Kirchenrechts übergehend, 1892: Kirchenrecht I: Die geschichtlichen Grundlagen; im Vergleich mit Dahn sicher der wirkungsmächtigere Gelehrte. – 1b. Felix Dahn (Würzburg, s. Catalogus). – 1c. Alfred Bore­ tius (1836–1900), Habil. FWU 1864, 1868 ord. Prof. f. Dt. Recht Zürich, 1874 Halle. 206 Obwohl Dahn nicht die erste Wahl von Fakultät und Ministerium war, sicherte ihm Falk den Ausgleich der erheblichen Differenz zu, die zwischen dem stattlichen Würzburger Salär und dem mickrigen Königsberger Gehalt bestand (GStA, Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 109; PrMK – ZivK v. 17. 6. 1872). – Vgl. Dahn 1895, S. 249 sowie ebd. das gesamte XII. Kapitel (S. 238–278), das seinen politischen Ansichten gewidmet ist. – Vgl. auch seine Briefe an Falk, GStA, VI. HA, Nl. Falk, Nr. 33, Bl. 35–43, v. 27. 11. 1876, 9. 6. 1878, 30. 7. 1893. Die Hohenzollern­ Panegyrik findet sich reichlich in den Gedichtbänden seiner „poetischen Werke“, Dahn 1898. 203

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[…] gegen das Schulgesetz in äußerste Ungnade bei König, Minister und Althoff gerathen“), innenpo­ litisch hingegen unerschrockener Reichsverteidiger. Nicht von „Franzosen und Russen“ fürchte er „das Schlimmste“, sondern von „Socialdemokraten und Centrum“.207 Der Romanist Carl Salkowski spürte, daß sich der Wind „nach Königgrätz“ zu drehen begann. Im Januar 1863, als er beschloß, der „hier nun neu entstehenden Konservativen Partei“ als Redner und Pu­ blizist beizuspringen, sei die „fortschrittliche Strömung“ in „Universitätskreisen“ und gerade in seiner Fakultät noch „ziemlich hoch“ gegangen, und nach der Wegberufung der einzig konservativen Ordi­ narien, des Romanisten Muther (1863)208 und des Deutsch­ und Staatsrechtlers Baron Kaltenborn von Stachau (1864),209 habe er jeden Rückhalt verloren. Mit der Folge, daß er sich einer „mannigfachen Verhöhnung“ sowie der Verdächtigung ausgesetzt sah, heimlicher Chef des Parteiblatts Ostpreußische Zeitung zu sein. Zu der gesellschaftlichen Isolierung sei daher rasch der faktische Boykott seiner Lehr­ veranstaltungen getreten, da auch die „fortschrittlich liberale“ Studentenschaft es ablehnte, bei einem für die „Regierungspartei“ engagierten, somit „reaktionären“ Dozenten zu hören.210 Nach 1866 sei die radikalliberale Welle dann zwar gebrochen worden, aber auf seine Lage sei dies ohne Einfluß geblieben, er stünde weiter vor leerem Auditorium. Binnen eines Jahrzehnts endete auch die liberale Vertretung des Kirchenrechts, das seit 1836 Hein­ rich Friedrich Jacobson las.211 Nach dessen Tod (1868) übernahmen Adolf Wach, und nach seiner Fortberufung (1869) der deutschrechtliche, noch an der Albertina zum Staats­ und Völkerrecht über­ gehende, wie Laband „bismarckisch“ gesonnene Privatdozent Ferdinand von Martitz sein Kolleg,212 Vgl. Dahn 1892. – Daß nicht nur sein in Königsberg abgeschlossener, dem altphilologischen Kollegen Ludwig Friedländer gewidmeter Bestseller ‚Ein Kampf um Rom‘ (1876), sondern auch seine rechtshistorisch­wissenschaft­ lichen Werke sich wie publizistische Kommentare, wie Leitartikel zu Kulturkampf, sozialer Frage, Schutzzoll, Dar­ winismus und zahlloser anderer „Zeitfragen“ lesen lassen und zugleich Beiträge zur „germanischen“ Identitätsstif­ tung im „neuen Reich“ liefern, ist in der nicht sehr reichen Dahn­Literatur communis opinio, vgl. zuletzt Kipper 2002, S. 118–200 und Wahl 2002, S. 31–148, sowie, mitunter auf dem „ideologiekritischen“ Niveau der 1970er Jahre, Viel 2009. Auch der andere erfolgreiche Verfasser von „Professoren­Romanen“, der Leipziger Ägyptologe Georg Ebers, der „Erfinder des Ägyptens für höhere Töchter“ (Egon Friedell), scheute sich nicht, im kulturhisto­ rischen Kostüm der altägyptischen „Priesterkaste“ den katholischen Klerus seiner Zeit aufs Korn zu nehmen, vgl. H. Fischer 1994, S. 261 ff. 208 Theodor Albert Muther (1826–1878) war 1856 auf das zweite Ordinariat für Römisches Recht berufen wor­ den, das von 1833 bis zu seinem Tod Alexander August von Buchholtz (1800–1856) inne hatte. Muther ging 1863 nach Rostock. 209 Karl Baron Kaltenborn von Stachau (1817–1866) kam 1852 auf ein Ordinariat für Deutsches Privat­ u. Staatsrecht, das 1829/30 von Eduard Albrecht, einem der „Göttinger Sieben“ bekleidet wurde, nach langer Vakanz 1847 an Otto Mejer, 1850 an Paul Johannes Merkel fiel. Der 1846 in Halle habilitierte Kaltenborn, 1852 b. ao. Prof., 1861 ord. Prof., wechselte 1864 ins hessische Ministerium des Äußeren nach Kassel, wobei wieder einmal das Königsberger Klima, die Sorge um die Gesundheit seiner Frau und ein ohnehin latenter Wunsch, möglichst rasch an eine südliche Universität zu kommen, den Umzug nahelegten (GStA …, Nr. 19, Bd. III, unpag.; v. Kal­ tenborn – PrMK v. 11. 7. 1864). 210 GStA, Rep. 76 Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. III, unpag.; Salkowski an den Kurator und Oberpräsidenten Eichmann v. 25. 7. 1868. 211 Jacobson, 1804 in Marienwerder geboren, habilitierte sich 1829 in Königsberg, wurde 1831 Extraordinarius, 1836 ord. Prof. – Der konservative Minister v. Mühler sperrte sich 1865 gegen den Wunsch des EOK, Jacobson ins Königsberger Konsistorium zu berufen, unter dem offenbaren Vorwand, er werde als Gutachter keinen wirklich nützlichen Beitrag zur Bewältigung der administrativen Alltagsgeschäfte leisten. Der Kultusminister setzte sich da­ mit durch und fand Jacobson mit der Ernennung zum GJR ab (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. III, unpag.; PrMK – EOK v. 6. 1. 1865). 212 v. Martitz trat staatsrechtlich erstmals 1868 mit einer schmalen Betrachtung zur Verfassung des Norddeut­ schen Bundes hervor, die vorgab sich ihr „Urtheil unabhängig von den Meinungen unserer politischen Tagespar­ teien“ gebildet zu haben (ebd., S. III). Tatsächlich ist der junge Jurist durch seine unverhohlene Parteinahme für 207

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während das Ordinariat offenbar in Wegfall kam,213 bevor es 1873 neu begründet und mit dem El­ binger Georg Jakob Phillips besetzt wurde,214 der 1877 mit 36 Jahren starb und so Philipp Zorn Platz machte. Der konzentrierte den Lehrauftrag auf das Staats­ und Kirchenrecht und entfaltete sich bis 1900 an der Albertina zu einem der aktivsten Gelehrtenpolitiker konservativer Richtung, mit engsten Beziehungen ins Ministerium und zu den oberpräsidialen Kuratoren.215 Dahns Nachfolger Karl Gareis (1888–1902)216 entsprach noch viel stärker als der „Sänger des Neuen Reiches“ dem Idealtyp des zeitgeistkonformen politischen Professors, dessen „Zuverlässigkeit der natio­ nalen Gesinnung“ über jeden Zweifel erhaben sei, wie das Kultusministerium seinen Bestallungsvor­ schlag begründete.217 1878 saß er als nationalliberales Mitglied im Reichstag, betätigte sich der Katholik

Bismarcks Lösung des preußischen Verfassungskonflikts leidenschaftlich gegen eine allzu „constitutionelle“, also parlamentarische Auslegung der Bundesverfassung eingenommen, wie sie die von ihm wenig gelittenen „Libe­ ralen“ als „verderbliche Lieblingsidee“ pflegten, derzufolge über die Budgetbewilligung eine „allgemeine Basis“ für die „Controle über die Thätigkeit der Staatsgewalt“ gewonnen werden solle (ebd., S. 130f.). Die politische Freiheit „auf dem Continent“ liege schließlich nicht in der „Erweiterung der parlamentarischen Rechte“, die nur die „uner­ träglichste Form einer Willkürherrschaft ètabliren“ würde. Sie liege nicht in „constitutionellen Codificationen und der Ausschüttung von politischen Grundrechten“ (ebd., S. 139 f.), sondern in rechtlicher Sanktion der „Beamten­ verantwortlichkeit“. Ähnlich noch argumentierend in seiner Kaisergeburtstagsrede, v. Martitz 1903. Über ihn vgl. Nachruf Triepel 1922. 213 Zur Nachfolge machte die Fakultät zwar noch einen Vorschlag, drang aber nicht durch, so daß 1868/69 Wach Kirchenrecht las, dann ab 1. 10. 1869 gegen Remuneration von Martitz, GStA, Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 75; PrMK – ZivK v. 21. 12. 1869. 214 GStA, Rep. 76Va …, Nr. 19, Bd. III, unpag.; Liste Nf. für den nach Freiburg abgehenden v. Martitz v. 22. 6. 1872, unico loco Phillips, PD in Halle, der vor dem Abschluß einer umfangreichen Untersuchung zur Geschichte des Regalienrechts in Frankreich stand, das nach dem Zeugnis seines Ordinarius Ernst (1888: von) Meier (1832 Braunschweig–1911 Berlin, 1856 Habil. Kirchenrecht u. Rechtsenzyklopädie, 1868 ord. Prof. Halle; nationalliberal engagierter Staatsrechtler, zählt zu den vielen, die bei Stolleis II, 1992, fehlen!; vgl. NDB XVI, S. 647–649) eine seltene rechtshistorische Gelehrsamkeit an den Tag lege. In weitem Abstand und nicht als Vor­ schlag gemeint, folgte die Nennung des Göttinger PD Ernst Rudolf Bierling (1841 Zittau–1919 Greifswald, ebd. 1873–1901 ord. Prof. f. Kirchen­ u. Strafrecht, 1881–1885 für die Konserv. Partei im Preuß. Abgeord.haus, 1889 Herrenhaus; Hauptwerk: Juristische Prinzipienlehre, 4 Bde., 1894–1911; ausführlicher über ihn jetzt Funke in: Lege 2009, S. 93–112). – Phillips erhielt den Posten, ein mit 600 Thl. nicht üppig dotiertes Extraordinariat, aus dem 1873 ein Ordinariat für Kirchenrecht wurde. Sein ‚Regalienrecht‘, eine rechtshistorische Arbeit zum zeitge­ mäßen Thema: „Verhältnis zwischen Staat und Kirche“, verfolgt das Institut bis zu seiner Aufhebung nach 1789. Das V. Buch, immerhin fast die Hälfte des Werkes, steht unter Überschrift: „Ludwig XIV. wegen der Regale im Kampf mit Rom“, und der Verfasser läßt keinen Zweifel daran, daß auch ihn das Kulturkampfklima seiner Gegen­ wart dabei an die Seite des Sonnenkönigs drängt. 215 Die Fakultät hätte Jacobson 1868 gern durch den Berliner ao. Prof. Paul Hinschius (1835–1898) ersetzt, der sich bereits nationalliberal profiliert hatte (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. III, unpag.; JurFak – PrMK v. 30. 4. 1868, Liste Nf. Jacobson, primo et unico loco Hinschius). Der „vielversprechende“, 1868 frisch ha­ bilitierte Jacobson­Schüler Adolf Wach (1843 Culm–1926 Leipzig), jüdischer Herkunft, ev. getauft, schien der Fa­ kultät noch zu jung; der westpreußische, nachmals berühmte Leipziger Prozessualist, folgte 1869 einem Rostocker Ruf. Hinschius hatte das Ministerium aber schon für Kiel ausersehen, wohin er zum WS. 1868/69 wechselte. Dort begann er eine bemerkenswerte politische Karriere: 1871/72 vertrat er die Universität im Herrenhaus, 1872–1878 und 1880/81 saß er als nationalliberaler Abgeordneter im Reichstag und 1872 bis 1876, in den Großkampfjahren gegen „Rom“, arbeitete er, neben Professur und Mandat, unter Falk im Ministerium, wo er maßgeblich an der Gestaltung der Kirchengesetze mitwirkte. Über ihn immer noch aufschlußreich Ulrich Stutz’ ADB­Artikel, Bd. 50, S. 344–360. 216 Zu Leben und Werk die sehr komprimierte Studie von Schwab 1995, gestützt auf die für Königsberg leider unergiebige hs. Autobiographie von Gareis, UB München. 217 GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 169–171; PrMK – ZivK v. 18. 2. 1888, Bestallungsvorschlag zur Nf. Dahn.

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als leidenschaftlicher, antirömischer „Kulturkämpfer“,218 als um Zustimmung werbender Kommentator des Sozialistengesetzes, Agitator gegen die „Bestrebungen der Socialdemokratie“,219 Publizist im Par­ teiorgan Nationalzeitung, und war schließlich, nach dem Ausscheiden aus dem Reichstag, seit 1883 als Kanzler der Universität Gießen in der Ersten Kammer der hessischen Landstände wieder politisch aktiv.220 Er verließ Königsberg mit einem Hymnus auf die „uneigennützige Politik“ Kaiser Wilhelms II., der, selbstverständlich gestützt auf eine starke „Heeresmacht“, eine „Politik des Weltfriedens“ treibe, und sehr im Unterschied zu „Friedensligen und ähnlichen utopistischen Vereinigungen“ auch auf „ununter­ brochene Fortschritte“ bei der Ausgestaltung des Völkerrechts verweisen könne.221 1873 beantragte die Fakultät ein neues Ordinariat für Römisches Recht. Und zwar mit Rücksicht auf die höchst angeschlagene Gesundheit des 1800 in Königsberg geborenen Friedrich Daniel Sanio, der sein Gelehrtenleben, seit Promotion (1824), Habilitation (1828) und Berufung auf den romani­ stischen Lehrstuhl (1832) ohne Unterbrechung an der Albertina zugebracht hatte.222 Noch vor Sanios Emeritierung bewilligte Falk den neuen Lehrstuhl, der zum WS. 1873/74 mit Paul Krüger besetzt wurde.223 Von Theodor Mommsen angeregt, dessen Einfluß auf die Berufung anzunehmen ist, hatte Krüger als Bonner Privatdozent mit Vorarbeiten zur Edition des Codex Iustinianus begonnen. Als er von Innsbruck nach Königsberg wechselte, war der erste Band seiner Codex­Edition gerade erschienen. Bis 1877 folgten ihm weitere vier. Danach schien seine „Hauptschaffensperiode“, die 1860 begonnen hatte, tatsächlich zu enden, wie Krügers Biograph meint.224 1888 erhielt er einen Ruf nach Bonn. Zum Abschied legte er nach langer Pause noch einmal etwas Monographisches vor, eine ‚Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts‘, ein ebenso unentbehrliches wie unlesbares, den Stoff in „literaturgeschichtliche Einzelfragen“ zerlegendes Werk von „trockener Nüchternheit“.225 Krügers Wegberufung wollte die Fakultät nutzen, um das Römische Recht zurückzudrängen. Die Praxis werde seit 1877 durch die reichseinheitliche Zivilprozeßordnung bestimmt, die das Römische Recht immer weiter „in den Schatten dränge“, so daß man neben dem 60jährigen Schirmer und Salkowski „keinen Bedarf“ mehr nach einem Romanisten habe.226 Noch bevor die Fakultät, auch mit Rücksicht auf die Vorbereitungen zur BGB­Einführung, einen Germanisten vorschlagen konnte, ok­ troyierte Althoff den Berliner Privatdozenten Friedrich Endemann, der zunächst als Extraordinarius Gareis, Irrlehren über den Cultur­Kampf, Berlin 1876. Gareis 1877. 220 Gareis 1878a; ders. 1878b; dazu seine „Kulturkampf“­Polemik 1876; vgl. A. B. Schmidt 1930, S. 95 f. Als Gareis 1892 einen Ruf aus Erlangen erhielt, flehte Kurator Stolberg seinen Minister geradezu an, kein finanzielles Opfer zu scheuen, um den ohnehin bestbezahlten Ordinarius der Fakultät in Königsberg zu halten, bezeichnen­ derweise mit dem Argument, daß der Jurist „in politischer Beziehung einen Mittelpunkt für seine Kollegen“ wie für „andere Kreise“ in der Stadt bilde (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. IV. Bl. 262 f.; Kur. – PrMK v. 3. 1. 1893). Althoff hingegen wollte Gareis ziehen lassen, was er ihm einige Tage zuvor mit der Ablehnung seiner Gehaltsforderung mitteilte (ebd., Bl. 267 f., Schreiben v. 30. 12. 1892). Kurator Stolberg und der Minister setzten sich indes durch und Gareis durfte sich seit 1. 4. 1893 über das Spitzensalär von 7.200 M. freuen. 221 Gareis 1901, S. 29–33. 222 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. IV, Bl. 7 und 33 f.; JurFak – PrMK v. 6. 3. 1873 und v. 21. 7. 1873 wg. Errichtung eines neuen Ordinariats für Röm. Recht. Nachdem Paul Krüger zunächst abgelehnt hatte, schlug die Fakultät im Juli 1873 Lothar Anton Alfred Pernice (Greifswald), Ludwig Enneccerus (Marburg) und Karl Gareis vor. Pernice, 1841–1901 Berlin, Habil. Halle 1867, ord. Prof. Greifswald 1872, 1877 Halle, 1881 FWU. – Ludwig Enneccerus, 1843 Neustadt/Rüb. – 1928 Marburg, Habil. 1870 Göttingen, ord. Prof. Marburg 1873, 1887–1890 u. 1893–1898 MdR, Vertrauensmann Althoffs in der Berufungspolitik für die Jur. Fakultäten (ausführlich dazu: Jacobi 1999, S. 153–267). 223 Ebd., Bl. 43: Bestallung Krüger v. 21. 10. 1873. 224 Fritz Schulz 1927, S. XIX. 225 So zutreffend ders. a. o. O., S. XXI. 226 GStA …, Nr. 19, Bd. IV, Bl. 210; JurFak – PrMK v. 29. 7. 1888. 218

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und Nothelfer zur Ausfüllung von Lücken im Gesamtgebiet des Römischen und Bürgerlichen Rechts seine Bestallung erhielt.227 Politisch fügte sich der Vertreter der jüngsten Generation gut ins Kollegium ein. Endemann galt bis 1918 als Sympathisant der Reichs­ und Freikonservativen Partei, die eine auf Bismarck fixierte Politik der forcierten inneren Reichsgründung betrieb und nach 1890 zu den Hauptbefürwortern einer auf Weltmachtambitionen gerichteten Flotten­ und Kolonialpolitik zählte.228 Innere Stabilität als Basis außenpolitischer Handlungsfähigkeit und „Weltgeltung“ wiederum als Voraussetzung nationaler Existenzsicherung – in dieser einfachen Formel verdichtete sich die Weltanschauung Endemanns wie die der Nationalliberalen Dahn und Gareis. Sie strukturierte das gesamte rechtswissenschaftliche Werk des Zivilisten, zentriert es in „Volkseinheit und Volkserziehung“.229 Sein Familienrecht etwa, so Ende­ manns Schüler Eugen Ulmer in seiner Gedächtnisrede 1938, sei orientiert am Ideal des „einheitlichen, kraftvollen, an Leib und Seele gesunden, in Familie und Heimat gebundenen Volkes“. Das sei der „Leitstern, unter dem sein rechtliches Schaffen an den Ordnungen des Volkes“ gestanden habe. Daher auch seine Anteilnahme an ärztlichen­psychiatrischen Fragen, zu denen er sich erstmals in der Königs­ berger Juristischen Gesellschaft vernehmen ließ mit einer Untersuchung über die soziale Dimension des Alkoholismus.230 Frühe Ansätze fänden sich bei ihm auch zu einer erst ab 1933 realisierten Ehege­ sundheitsgesetzgebung. Wie auch sonst „Verbindungslinien“ kaum zu übersehen seien zwischen seinen rechtsdogmatischen Positionen im Familien­ und Erbrecht und „wichtigen Grundforderungen natio­ nalsozialistischer Rechtserneuerung“.231 Volksgemeinschaft durch Rechtsgemeinschaft – so klang es in der Wortmeldung des Extraordinarius zur „politischen Frage“ der BGB­Einführung.232 Einschränkung des Eigennutzes, Unterordnung unter das Ganze, Einbindung des Menschen in die Gemeinschaft, die seinen „Wert“ hebt – so formulierte Endemann sein unverändertes rechts­ und sozialpolitisches Credo in einer Heidelberger Rektoratsrede von 1917, nachdem er selbst, nach freiwilliger Meldung zum Heer mit 57 Jahren, drei Jahre den „grauen Rock“ getragen hatte.233 Ähnlich volkserzieherisch fassten die Staatsrechtler der Fakultät ihren Beruf auf. Dahns und Zorns Schüler Eduard Hubrich, 1894 habilitiert und seit 1898 nb. Extraordinarius für Staats­ und Kirchen­ recht, tat sich bis zur Berufung nach Greifswald (1908) als fleißiger Agitator der Deutschen Konser­ vativen Partei in Ostpreußen hervor – was die Bekämpfung des „zersetzenden jüdischen Einflußes auf unser Volksleben“ so einschloß wie den bärbeißigen Lobbyismus für die ostpreußischen Großa­ grarier, deren Wohlergehen allein den Bestand von „Christentum, Monarchie und Vaterland“ gegen „Sozialdemokratie und Anarchismus“ verbürgen könne. Und im Urteil des Bismarckianers Hubrich werde gerade diesen Feinden der Dönhoff&Dohna unter dem Regime Wilhelms II. so wenig energisch entgegengetreten wie der „Slavisierung“ der Ostprovinzen, die durch Landflucht ausbluteten.234 Daß Hubrich mit seinen politischen Optionen auch im engeren wissenschaftlichen Rahmen nicht hin­ Ebd., Bl. 218; Bestallung Endemann v. 18. 10. 1888. Vgl. Fricke 1985, S. 745–772, bes. S. 752–756. 229 So Sybille Hofer 1993, S. 47, ebd. zum Politikverständnis Endemanns S. 45–55. 230 Endemann 1892. Monographisch daran später anschließend: ‚Die Entmündigung wegen Trunksucht […]‘ (1904). 231 Ulmer 1938, S. 11. Erwähnt in diesem Kontext wird auch die öffentliche Parteinahme des Heidelberger Eme­ ritus für die NSDAP 1932/33. 232 Endemann 1898. 233 Endemann 1917, S. 11. 234 Hubrich 1902a; in einem Vortrag in der Generalversammlung des konservativen Vereins in Königsberg, am Reformationstag 1901, das Parteiprogramm erläuternd: „Was ist konservativ?“ sowie ebd. gegen den seit 1890 gefahrenen „Neuen Kurs“, der politisch nur „Rückschritt“ gebracht und den Mittelstand als „Mittelpunkt kräfti­ gen Preußentums“ vernachlässigt habe. Anstelle „fester Führung“, die dem „Parteitreiben“ steuere, sei überall die Verdrängung „starker Individualitäten“ und das Vordringen „geistigen Schlangenmenschentums“ zu beklagen (so auf einer Königsberger Versammlung deutscher Bürgervereine am 27. 4. 1900, Hubrich 1902a, S. 26 f.). 227

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term Berg hielt, belegen, nach dem Debüt zum ‚Recht der Ehescheidung in Deutschland‘ (1891),235 seine Abwägungen zwischen „Parlamentsdisciplin“ und „parlamentarischer Redefreiheit“ (1899) und seine „Vom Standpunkt eines Conservativen“ erörterte ‚Diätenfrage im Reichstag‘ (1902b). Hubrich, eigentlich kein Freund der konstitutionellen Monarchie,236 aber Reichstag und preußischen Landtag bereitwilliger als notwendige Übel akzeptierend als Zorn, nahm die Redefreiheit und die verfassungs­ rechtlich verbürgte Immunität, die Parlamentarier einlüden, ungehemmt strafrechtliche Grenzen zu überschreiten, als politisch nicht revidierbar hin. Er glaubte aber dringend empfehlen zu müssen, um die rhetorischen „Excesse“ vornehmlich sozialdemokratischer Abgeordneter in ihrer „aufwiegelnden“ Wirkung auf die „rohe Volksmasse“ einzudämmen, die Presseberichterstattung darüber in die Hände einer parlamentarischen „Kommission“ zu legen. Diese Zensurmaßnahme dünkte ihm effizienter als sitzungspolizeiliche Interventionen oder disziplinarrechtliche Maßregelungen etwa gegen höhere Be­ amte, die dem Reichstag angehörten.237 Auch Zorns Schüler Paul Schoen und Richard Weyl durfte ihr Meister Althoff reinen Gewissens empfehlen als „von gut conservativer aber nicht extremer Gesinnung“.238 Weyl war indes mehr Schü­ ler von Dahn und Gareis, von beiden angeregt zu seinen Qualifikationsschriften über das fränkische Staatskirchenrecht während der merowingischen und karolingischen Zeit.239 Er thematisiert in diesen Arbeiten im rechtshistorischen Gewand das Lebensthema seiner Lehrer und das juristisch­politische Modethema seiner Zeit, das Verhältnis von Staat und (römischer) Kirche. In beiden Studien belegt er den Primat weltlicher Macht, die ungeachtet des päpstlichen Einflusses die „herrschende Rolle“ spiele, während sich die Kirche mit der „dienenden“ abfinden mußte.240 Weyl geriet mit diesem Befund in Gegensatz zum historischen Teil von Zorns ‚Lehrbuch des Kirchenrechts‘ (1888), wo der Kulturkämp­ fer, wie immer in politischer Absicht aktualisierend, die päpstliche Dominanz über die fränkische Staatsgewalt seit Karl dem Großen als warnende Lehre aus der Geschichte offerierte.241 Dagegen rela­ tivierten Weyls rechtshistorische Studien die bei Zorn wie auch bei Dahn so beliebten Übertreibungen päpstlicher Machtambitionen und deren Konstruktion einer kontinuierlich dominanten römischen Machtpolitik. Von einem „päpstlichen Primat“ dürfe vom 7. bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts jeden­ falls nicht gesprochen werden.242 Wer um 1890 aus der Geschichte also Lehren ziehen wollte, dem bewies Weyl für zwei Jahrhunderte die „Normalität“ der Unterordnung der Kirche unter den Staat. Hubrich 1891, S. 270, im Kontext der Beratungen zum neuen Eherecht des BGB. Hier noch ganz Zorn fol­ gend, warnt er den Gesetzgeber, doch bitte eingedenk zu sein der „umstürzlerischen Bestrebungen der Sozialdemo­ kraten“, die sich auch und gerade gegen die Ehe richteten. Das Institut der Ehe als Grundlage des Staates müsse bei der Gesetzesreform gestärkt werden, um „die niederen Bevölkerungsschichten an eine edlere Auffassung der Ehe zu gewöhnen“. Daher sei auch zu erwägen, im Scheidungsfall den schuldigen Teil einer Strafsanktion zu unterwerfen. Geldstrafe genüge dabei nicht, es müsse schon die „empfindlichere Freiheitsstrafe“ sein. Hubrich knüpft dabei an Zorn 1888a an. 236 Diese Reserve vermittelt sein verfassungsgeschichtlicher Abriß, den er im WS. 1904/05 den Teilnehmern an den „volkstümlichen Hochschulkursen“ in Königsberg bot (Hubrich 1905, etwas erweitert unter anderem Titel ders. 1913). Der Verfasser gibt sich nur wenig Mühe, das Mißvergnügen am „parlamentarischen Regime“ zu ver­ bergen, das dem „Geist preußischer Rechtsentwicklung diametral“ entgegenstehe (1905, S. 155). Entsprechend abfällig urteilt er über den „vulgären Konstitutionalismus“, den sich in der Vormärz­Zeit eine „unzufriedene Lite­ ratenkaste“ auf die Fahne geschrieben habe, als deren Exponenten Hubrich wohl nicht zufällig den Königsberger Juden Johann Jacoby nennt (1913, S. 97, 106 f., 108). 237 Hubrich 1899, S. 469–494. 238 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. II, Bl. 51; Zorn – Althoff v. 3. 11. 1895. 239 Weyl 1888 (diese schmale Dissertation ist den „hochverehrten Lehrern“ Dahn und Zorn gewidmet), sowie die Habilitationsschrift (Gareis „als Zeichen aufrichtiger Verehrung“ dediziert), ders. 1892. 240 Weyl 1888, S. 78. 241 Zorn 1888a, S. 95; dagegen „mit Entschiedenheit“ Weyl 1892, S. 206 f. 242 Weyl 1892, S. 203 f. 235

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Als Verfechter des sozialen Konservatismus stellte sich Weyl 1894 mit einem Lehrbuch zum Reichs­ versicherungsrecht vor 243 und bot im Winter 1897/98 Königsberger Anwälten und Richtern seinen Vortragszyklus zur Einführung in das 1900 in Kraft tretende Bürgerliche Gesetzbuch an. Das BGB, so begeisterte Weyl sich, bedeute den „Sieg des Germanismus über den Romanismus“, die Ablösung des Römischen Rechts als des „Rechts für die Reichen“ zugunsten des BGB, das im „wirtschaftlichen ‚Kampf ums Dasein‘ “ den schwächeren Teil der Bevölkerung, „in sehr ostentativer Weise die Armen protegiert“.244 Eine Spätwirkung der kirchenrechtlichen Interessen Zorns zeigte sich bei Paul Schoen, 1896 nach Jena, von dort 1900 nach Göttingen berufen, der sich mit seinen zwei Bänden über das ‚Das evan­ gelische Kirchenrecht in Preußen‘ (1903–1910) zur maßgeblichen, freilich ganz positivistisch auf die Deskription des geltenden Rechts beschränkten Autorität auf diesem Rechtsgebiet aufschwang, sich dabei aber von den semi­absolutistischen Auslegungen seines Lehrers behutsam absetzend.245 Begon­ nen hatte Schoen bei Dahn mit einer handelsrechtlichen Dissertation. Erst als Regierungsreferendar wechselte er ins staatsrechtliche Fach und habilitierte sich 1894 mit einer Untersuchung zum ‚Recht der Kommunalbehörde‘. Ausgebaut hat er diese Arbeit noch in Königsberg, erschienen ist sie 1897 als Ergänzungsband zu Rönnes preußischem Staatsrecht. Es ist eine Sympathien für den „germanischen“ Selbstverwaltungsgedanken durchklingen lassende Summa des gegen die „centralisierenden Bestre­ bungen des Polizeistaates“ glücklich zum „Durchbruch“ gelangenden Rechtes der preußischen Kom­ munalverbände, eine Darstellung, mit der sich Schoen auch auf diesem Terrain von dem strengen Zentralisten Zorn abgrenzt.246 Beileibe nicht weniger tagespolitisch als Hubrich involviert, tat sich die unumstrittene konservative Galionsfigur der Fakultät hervor, eben dieser staatsrechtliche Ordinarius Philipp Zorn, der ursprüng­ lich im Milieu des süddeutschen Nationalliberalismus wurzelte, aber in dem Maße, wie die National­ liberalen nach 1878 mit Bismarck brachen, sich im konservativen Lager beheimatete. Er galt, mit einer offenen Flanke zur junkerlichen Konservativen Partei, als eine der „Hauptstützen der gemäßigt [Frei­] Konservativen Partei der Provinz“ sowie als allseits geachteter Vormann der „positiv gesinnten Kreise“ der protestantischen Kirche Ostpreußens, die ihn zum Präsidenten ihrer Provinzialsynode wählten.247 Daß im Herbst 1888 die Königsberger Nationalliberalen zur preußischen Abgeordnetenhauswahl ein Bündnis mit den ihm widerlichen „Fortschrittlichen“ vom Typus der Lasker, Bamberger, Rickert und Richter eingingen, nahm Zorn zum Anlaß, seinem Namen alle Ehre zu machen, sich wieder einmal in die Niederungen der Regionalpolitik zu wagen und gegen die reichsfeindlichen Kräfte im „altradikalen Königsberg“ derart ungestüm zu Felde zu ziehen, daß deren mit gleicher Münze heimzahlender publi­ zistischer Gegenstoß ihn bewog, bei seinem Minister Trost zu suchen, da er „in seinem ganzen Leben seelisch noch nie so gelitten“ habe wie unter solcher Polemik.248 Weyl 1894, S. 3–13, mit klarer Akzentuierung des „socialpolitischen“ Gewichts der Arbeiterschutzgesetzge­ bung. 244 Weyl 1898, S. 57–59. 245 Schoen 1903, S. 442 f., gegen Zorns Festlegung der Synoden auf eine rein beratende Funktion, ganz nach seinem Verständnis des Konstitutionalismus, demzufolge im monarchischen Staat das Parlament im Verhältnis zur Regierung auch nur eine „beratende Körperschaft“ sei (Zorn 1888a, S. 364, 376). – Schoens rigider Positivismus wird bei einem Vergleich mit Günther Holsteins, für die Zeit nach 1918 typisch „geistes­ und ideengeschichtlich“ orientierten ‚Grundlagen des evangelischen Kirchenrechts‘ besonders deutlich (Holstein 1928). 246 Schoen 1897, S. 7. 247 So die Würdigung, mit der das PrMK seinen Vorschlag, Zorn zum GJR zu ernennen, begründete, GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 116–120; an ZivK v. 9. 7. 1894. 248 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. II, unpag.; Zorn – v. Goßler v. 27. 10. 1888. Dort auch das Konzept für v. Goßlers Antwort v. 31. 10., die Zorn bestätigt: es sei nur zu begrüßen, daß er das Zusammengehen der „sog. Liberalen“ mit den „Fortschrittsjuden“ ins öffentliche Bewußtsein gehoben habe. Der postwendend ge­ druckte Text der Königsberger Wahlrede v. 16. 10. (‚Das Kartell mit besonderer Rücksicht auf Königsberg‘, Zorn 243

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Wie die Fortschrittlichen, denen er nie verzieh mit „Polen und Socialdemokraten“ gegen die Ver­ fassung des Norddeutschen Bundes wie gegen die Reichsverfassung gestimmt zu haben, war ihm natür­ lich die Arbeiterpartei stets „Gegenstand heftigen Kampfes, ja heißen Hasses“ gewesen. Von den Kon­ servativen grenzte sich der in seiner Bismarckvergötterung unübertreffliche Zorn lediglich in einem „Kardinalpunkt“ ab, dem „Antisemitismus“, der ihn kirchenpolitisch zum Gegner der Stoecker­Bewe­ gung werden ließ,249 obwohl er auch im Lebensrückblick von 1927 gestand, tief durchdrungen zu sein von der Überzeugung der „weltvergiftenden Gefahr des internationalen, insbesondere amerikanischen kapitalistischen Judentums“, dieser „Pest der Menschheit“, auf deren baldige Vernichtung am „Tag des Weltgerichts“ er hoffte.250 Mit Verblüffung mußte Zorn wahrnehmen, daß der Mommsen­Schüler Otto Gradenwitz, dessen Berufung als Nachfolger des von Zorn hochgeschätzten Romanisten Fried­ rich Endemann er 1895 noch hatte verhindern wollen, ihn als Judenfeind bei weitem übertrumpfte, so daß er dessen mit „einer gewissen Ostentation zur Schau getragene[n] Antisemitismus“ als peinlich empfand.251 Unter den Staatsrechtlern seiner Zeit fiel Zorn durch manche „extreme“ Mindermeinung auf. Von der vorkonstitutionellen Macht des Monarchen versuchte er in seiner Auslegung der Reichs­ und der preußischen Verfassung so viel wie möglich zu verteidigen. Die Reichsgründung war für ihn ein Akt monarchischer Gewalt, die Verfassung nichts als eine generöse Selbstbeschränkung, die die Krone sich auferlegte. In einem wissenschaftlichen Dauerstreit über den „doppelten“ Gesetzesbegriff, den Zorn ablehnte, war sein Bestreben, den Radius des Verordnungsrechts der Krone auszudehnen und somit das Mitwirkungsrecht des Parlaments einzudämmen. Wie unanfechtbar ihm der Monarch der alleinige Träger der Staatsgewalt war, ergibt sich aus seiner Ablehnung der üblichen Auffassung vom Monarchen als „Staatsorgan“. Folglich nimmt in seiner Verfassungsinterpretation der Bundesrat als „monarchisches Organ“ der Dynastien des im Bundesstaat zusammengeschlossenen Reiches eine starke Stellung ein, so daß das Reich bei ihm auf Monarchien beruhte. Das Volk war für Zorn allein Objekt der Herrschaft. Der Bürger ist nicht Träger vorstaatlich subjektiver, sondern Empfänger staatlich gewährter Rechte, ein „Unterthan“, dem der Staatswille gesetzt werde.252 Zorns ostentativer Reichspatriotismus, seine unge­ bremste Verehrung für Wilhelm I. und vor allem für den „Größten der Großen“, den Reichskanzler Bismarck, seine unverhohlene Sehnsucht nach vergangenen absolutistischen Zeiten, sein „übertrie­ bener Cultus gegenüber dem Souveränitätsbegriff“ gingen selbst dem Hohenzollern­Panegyriker Felix Dahn zu weit.253

1888b) gereiche also ihrem Autor zur Ehre. Auf dem Papier von Zorns Antwortbrief v. 3. 11. sucht man unwillkür­ lich nach Spuren eingetrockneter Tränen des Absenders, so gerührt fällt sein „aus tiefster Seele“ empfundener Dank „für die gestern empfangenen Zeilen“ aus. Kollege Gareis glaubt sich noch zwei Monate später für diese moralische Aufrüstung seines Freundes Zorn beim Minister bedanken zu müssen (ebd., Gareis – PrMK v. 1. 1. 1889). 249 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. II, Bl. 60; Zorn – Althoff v. 6. 2. 1896: „politisch und kirchlich kämpfe ich seit Jahren gegen Stoecker, allerdings nicht im Sinne des Liberalismus, und mein Lohn dafür ist, daß man mich […] als Hauptführer der Partei Stoeckers bezeichnet!“ 250 Zorn 1927, S. 66 f. 251 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. II, Bl. 63–65; Zorn – Althoff v. 24. 2. 1896. 252 Dazu vor allem Zorn 1880/83; ders. 1884; ders. 1885; ders. 1889; sowie seine verfassungsrechtlichen Aufsätze in dem Band ‚Im Neuen Reich‘, Zorn 1902. Sehr gut nachgezeichnet und systematisiert werden seine Positionen in der Dissertation von Julia Schmidt 2002, S. 74–111. 253 Die Fakultätskollegen trieb die Frage nach der Durchsetzbarkeit zwischenstaatlichen Rechts, damit nach der Möglichkeit von Völkerrecht und den Chancen schiedsgerichtlicher Beilegung internationaler Konflikte, Mitte der 1880er Jahre an den Rand des Zerwürfnisses. Ausgerechnet durch den linksliberalen Althistoriker Rühl, der Zorn als Königsberger Lokalpolitiker so verhaßt war wie als Gegner seiner universitätspolitischen Strippenzieherei, ließ sich Dahn unterstützen. Rühl hatte sich in einer anonymen Rezension von Dahns ‚Bausteinen‘ dem juristischen Kollegen mit einem Seitenhieb gegen Zorn empfohlen, dazu J. Schmidt 2001, S. 95 f.

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Anders als bei den Medizinern mußte Zorn sich in seiner Fakultät nicht vor „radicalen“ Liberalen und materialistischen Agnostikern fürchten. Gerade dank seines unermüdlichem Einsatzes sahen die Verhältnisse in der Juristischen Fakultät aus seiner Sicht besser aus als bei den Medizinern, obwohl Alt­ hoff dem Staatsrechtler nicht immer nachgab, wenn dieser es für „dringend erwünscht“ erachtete, daß „das semitische Element keine Verstärkung“ erhielte.254 Zwar blieb sein Konservatismus auf ihn und seine Habilitanden beschränkt, doch links neben ihm wirkten nur Nationalliberale wie Freund Dahn und dann Gareis, der die Universität seit 1892 im Herrenhaus vertretende Straf­ und Prozeßrechtler Güterbock sowie der Senior der Juristen, der Romanist Theodor Schirmer, während der noch bis 1898 lehrende einstige konservative Jingo Salkowski nach 1870 aller Politik zugunsten seiner Pandekten und seines stetig neue Auflagen erfordernden ‚Lehrbuchs der Institutionen‘ entsagt hatte255 – sieht man einmal ab von ihn quälenden Sorgen um das abrutschende Niveau des nach einer Reform schreienden juristischen Studiums.256 Hielte man sich allein an den Akteninhalt, schien Salkowski die meiste Energie aber dafür ver­ braucht zu haben, sein persönliches Fortkommen zu sichern. Da ihm das über zehn lange Jahre miß­ glückte, bevor er 1883 den Lehrstuhl Sanios ergatterte, spiegeln seine Anstrengungen die Macht­ und Rangverhältnisse in der kleinen Fakultät ebenso wider wie die komplexe Mannigfaltigkeit der Faktoren, die darauf und auf das individuelle akademische Schicksal einwirkten. Als Konservativer durfte Salkowski nach 1870 nicht auf politisch motivierte Unterstützung durch die tonangebenden nationalliberalen Ordinarien Schirmer, Güterbock und Dahn hoffen. Als es 1873 ein drittes, neu­ begründetes Ordinariat für Römisches Recht zu besetzen galt, schlossen sie ihn daher ostentativ aus und schlugen, wie erwähnt, allein den jüngeren Paul Krüger im fernen Innsbruck vor. Salkowski, den Verdacht hegend, die Kollegen ließen sich immer noch von Ressentiments leiten, die in seiner „politischen Parteistellung“ lägen, wandte sich deswegen an Falk. Und der nationalliberale Minister begann tatsächlich mit dem Votum seiner Königsberger Parteifreunde zu rechten und forderte sie auf zu begründen, warum Salkowski als Rechtswissenschaftler und Dozent ihren Ansprüchen nicht genü­ ge.257 Darauf reagierte die Fakultät, sekundiert von Kurator v. Horn, eher ausweichend, da man die Unzufriedenheit mit Salkowskis didaktischen Fähigkeiten betonte. Er bringe den Anfangssemestern nicht bei, die Rechtsbegriffe in erforderlicher Schärfe zu erfassen, was Güterbock und Dahn bei ih­ ren Veranstaltungen für Fortgeschrittene schmerzlich hätten erfahren müssen.258 Trotzdem setzte Falk GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. II, Bl. 45; Zorn – Althoff v. 7. 1. 1895. Zuerst 1868. Die 7., seinem Gönner v. Goßler „in freundschaftlicher Ergebenheit und aufrichtiger Verehrung“ gewidmete Aufl. konnte Salkowski 1898 kurz vor seinem Tod hinausschicken, unerschütterlich daran festhaltend, daß nur „auf der Grundlage des römischen Rechts“ ein „fruchtbares Studium des neuen Gesetzbuches“, des 1900 eingeführten BGB, möglich sein werde. „Juristische Schulung“ ohne Kenntnis des in den ‚Institutionen‘ darge­ botenen römischen Privatrechts erschien Salkowski undenkbar, da das bürgerliche Recht der Neuzeit überhaupt römischen Ursprungs wäre und zum „Gemeingut der Kulturvölker“ geworden sei (1898, S. XI, 1 f.). 256 Salkowski 1873, 1875b, dazu auch ders. in der Vorrede zur 2. Aufl. seiner ‚Institutionen‘, 1875a und in allen folgenden Auflagen beschwörend, was er zur Erreichung des „Hauptziels des Universitätsstudiums“ leisten wolle: „korrekt und methodisch“ denken, „Gesetze und Rechtsgeschäfte richtig interpretieren“ zu lehren. 257 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. IV, Bl. 8–9; JurF – PrMK v. 3. 3. 1873, Liste III. Roman. Ord. primo et unico loco Paul Krüger (Innsbruck), ebd., Bl. 5–6; Salkowski – Falk v. 4. 3. 1873 und ebd., Bl. 12, Ak­ tenvermerk PrMK zur Ausfertigung v. 1. 5. 1873, der fragt, ob Salkowski wirklich als Wissenschaftler und Lehrer so schlecht sei wie sich ex negativo aus dem Fakultätsvorschlag ergebe. Seine Hörerzahlen sprächen eine andere Sprache. Falk reflektierte zudem über die Folgen dieser Personalie und führte seine dienstherrliche Verantwortung ins Feld: Entschiede er sich für Krüger, würde dies die Karriere des Übergangenen, den die eigene Fakultät derart in Mißkredit bringe, praktisch beenden, ein Ordinariat außerhalb Königsbergs sei danach für ihn nicht mehr erreichbar. 258 Ebd., Bl. 10–11, 15–18; Kurator – PrMK v. 12. 4. u. 6. 5. 1873, zugleich darum bittend, man möge der Fa­ kultät eine nähere Begründung ihrer Entscheidung ersparen. 254

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durch, daß ihm eine zweite Liste präsentiert wurde, die aber wiederum Salkowski ignorierte.259 Zu einem Oktroi kam es deshalb nicht, weil Krüger bald darauf annahm.260 Aber schon bevor Sanio 1882 starb, erklärte die Fakultät ihre „früheren Bedenken“ gegen Salkowski für gegenstandslos.261 Krüger opponierte in einem schonungslosen Separatvotum, das Salkowskis ‚Lehrbuch der Institutionen‘ mehr als Kompilation denn als „rechte wissenschaftliche Arbeit“ abwertete, und betonte, daß der eigentliche Grund für die permanente Nicht­Beachtung seines Verfassers schlicht in der fehlenden Produktivität zu suchen sei. Nicht politische Aversionen, sondern sein fachliches Unvermögen hätten den Aufstieg in Königsberg und anderswo verhindert.262 In der Fakultät dachte man genauso, war im übrigen auch davon überzeugt, bei sinkenden Studentenzahlen und zurückgehender Bedeutung des Römischen Rechts, kein drittes romanistisches Ordinariat zu benötigen. Aber, so ließ Krüger Althoff vertraulich wissen, am Ende überwog das Mitleid.263

2.2.3. Die Medizinische Fakultät264 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wußten nur zwei Mediziner über Königsberg hinaus sich einen Namen zu machen: der Anatom und Physiologe Karl Friedrich Burdach (1776–1847) und der Anatom und Zoologe Karl Ernst von Baer (1792–1876). Ihnen, so urteilt Hans Prutz 1894, sei es allein zu danken gewesen, daß für die „bisher arg vernachlässigte Medicin an der Albertina“ in den 1820er Jahren ein „neues Zeitalter“ begonnen habe.265 Das galt aber nur für die nicht­klinischen Fächer, die sie auf ein solideres naturwissenschaftliches Fundament stellten, obwohl Burdach noch viel romantisch­naturphilosophischen Ballast mitschleppte. Für eine Umwälzung in den klinischen Fächern reichte ihre Kraft allerdings nicht. Durch ein Ordinariat vertreten waren dort nur die Chi­ rurgie und die Innere Medizin. Erst 1844, später als an anderen preußischen Universitäten, kam ein Lehrstuhl für Gynäkologie hinzu, den Albert Hayn (1801–1863) bis 1863 inne hatte. Zeigten sich in den 1840er Jahren anderswo Ansätze zur Fächerdifferenzierung in der Inneren Medizin, wurde dieser Ebd., Bl. 33 f. ; JurFak – PrMK v. 21. 7. 1873, Ergänzungsliste III. Roman. Ordinariat. Ebd., Bl. 35; Krüger – PrMK v. 5. 9. 1873. 261 Ebd. Bl. 122 f.; JurFak – PrMK v. 29. 6. 1881, Antrag, S. zum ord. Prof. zu ernennen. 262 Ebd., Bl. 140–142; JurFak – PrMK v. 13. 3. 1882, Liste Nf. Sanio u. Bl. 143 f.; Sep.votum Krüger v. 13. 3. 1882. 263 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 103 I, Bl. 61 f.; an Althoff v. 17. 5. 1882. Zugleich Antwort auf das Angebot, nach Greifswald zu wechseln, da Althoff wegen Krügers Separatvotum vermutete, der Freund fühle sich in der Fa­ kultät nicht mehr wohl. Der Romanist versicherte ihm darauf – eine im Vergleich mit der „Westsehnsucht“ vieler seiner Kollegen seltene Stimme! –, daß seine persönlichen Beziehungen „durchaus angenehm“ seien und er sich außer Berlin und Straßburg keinen Ort vorzustellen vermöge, „wo ich bessere erwarten könnte“. Salkowski, „der uns allen nicht sehr nahe steht“, den er aber „nicht gerade unsympathisch“ finde, sei aber „absolut“ kein Grund, „mich von hier wegzusehnen“. 264 Um die Königsberger Medizingeschichte des 19. Jahrhunderts steht es schlecht. Kaum mehr als Prutz 1894, im Eilgang durch die Fakultätsgeschichte des 19. Jhs. hastend, bieten Samter 1910 und O. Weiß 1910. Unbefrie­ digend kursorisch Scholz/Schröder 1970, S. 6–114. Wenige Fächer und Kliniken sind mit löchrigen, meist zu Jubeltagen verfassten Rückblicken bedacht worden, so Lichtheim 1910 zur Medizinischen, Kirschner 1922 zur Chirurgischen Klinik, Winter 1930 zur Univ.­Frauenklinik. Bargmann, im letzten historischen Moment glücklich aus den Instituts­ und Fakultätsakten schöpfend, konnte 1943 noch seine gut dokumentierte ‚Geschichte der Anatomie in Königsberg (Pr.)‘ veröffentlichen, die leider aber 1860 endet. Brauchbare Miszellen enthält das aller­ dings schwer zugängliche, von Bibliotheken nicht gesammelte Mitteilungsblatt der Ostpreußischen „Arztfamilie“, die sich nach 1945 zusammenfand. Ein Querschnitt aus diesem Rundbrief, der zweimal jährlich erschien, bei J. Hensel 1996. Von recht unterschiedlichem Wert sind die biographischen Mediziner­Artikel in der APB. Verwie­ sen sei zudem auf die biographischen Beiträge zu Rauschning/v.Nerée 1995. 265 Prutz 1894, S. 170 f. 259

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Prozeß in Königsberg durch den Ordinarius Ludwig Wilhelm Sachs (1826–1848) erheblich verzögert. Getaufter Jude und zeitweise Anhänger, dann rabiater Verfolger des religiösen Schwärmers Johann Wilhelm Ebel,266 gab sich Sachs bis 1840 dem politischen Leben hin, „während man von seinen wis­ senschaftlichen Leistungen urtheilte, dass sie durch seine ausgesprochenen metaphysischen Neigungen beeinträchtigt worden seien“.267 Als er im Juni 1848 starb, übernahm, per Hausberufung, Georg Hirsch (1799–1885) die Medi­ zinische Klinik. Hirsch praktizierte seit 1820 in seiner Vaterstadt und stand dem wissenschaftlichen Betrieb fern; nach zehn Jahren als Klinikchef war er vorzeitig gealtert und mußte sich krankheitsbe­ dingt immer häufiger vertreten lassen. Die Medizinische Poliklinik, die Sachs in Personalunion geführt hatte, übernahm der Bonner Privatdozent Karl Berthold Heinrich, der sich aber dem „tollen Jahr“ 1848 so hemmungslos in die Arme warf, der sich „mit Leidenschaft in [den] hochgehenden Wogen der politischen Kämpfe“ tummelte, daß der Katzenjammer von 1849 ihn mit ganzer Wucht traf. Darob „in tiefe Melancholie verfallen“, beging er im April 1849 Selbstmord.268 Sein Nachfolger Julius Möller, 1859 den unpäßlichen Hirsch auch in der Medizinischen Klinik beerbend, schockierte nach Ende der Reaktionszeit mit ähnlich politischer Militanz und verlor 1864, während der „Konfliktzeit“, sein Amt im Zuge eines Disziplinarverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt – und daran änderte sich bis 1873 fast nichts mehr – gab es in der Fakultät drei klinische Ordinariate für Chirurgie (Karl Ernst Albrecht Wag­ ner), Innere Medizin (Möller, Nachfolger 1865: Ernst von Leyden) und Gynäkologie (Adalbert Hayn, im Herbst 1863 plötzlich verstorben, 1864 an seine Stelle tretend ein Vorreiter der operativen Gynä­ kologie, Otto Spiegelberg aus Freiburg, den die Fakultät aber rasch infolge eines Breslauer Rufes verlor, ihn 1865 mit der Hausberufung des gebürtigen Königsbergers Hugo Hildebrandt ersetzend) sowie drei ordentliche Professoren für die theoretischen Fächer Physiologie (Wilhelm von Wittich, seit 1855 Nachfolger von Hermann von Helmholtz), Anatomie (1861 als Nachfolger Martin Heinrich Rathkes: August Müller) und Pharmakologie (seit 1844 als erster Ordinarius des Faches Karl Wilhelm Friedrich Cruse). Eine „besonders hervorragende Kraft“ vermochte v. Wittichs Assistent, der spätere Berliner Anatom Wilhelm von Waldeyer­Hartz, aber auch unter den Ordinarien von 1864 nicht wahrzuneh­ men.269 Erst nach Möllers Entlassung habe sich das geändert, mit Leydens und Spiegelbergs Berufung und der Bewilligung eines neuen beamteten Extraordinariats für Pathologie und pathologische Ana­ tomie, das 1865 Friedrich Daniel von Recklinghausen besetzte, der aber schon 1866 nach Würzburg ging und den Platz für Ernst Neumann räumte, den Sohn des Physikers Franz Ernst Neumann, einen Zögling der Fakultät, 1859 habilitiert. Bei seiner Bestallung, die erst nach Absagen mehrerer Konkur­ renten erfolgte, betrachteten ihn Fakultät und Kurator als Verlegenheitslösung, trotzdem stieg er 1869 zum Ordinarius auf und beendete seine ausschließlich an der Albertina verbrachte Amtszeit, die mit der Entdeckung des Knochenmarks als Blutbildungsorgan begann, der aber keine vergleichbar innova­ tiven Forschungen mehr folgten, 1903 mit dem posthumen Ehrentitel eines „Virchow des Ostens“.270 Vgl. Gause II, S. 499 f. Prutz 1894, S. 209. 268 Ebd., S. 269 f. 269 v. Waldeyer­Hartz 1920, S. 124. 270 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. IV, Bl. 7 f.; MedFak – PrMK v. 8. 3. 1866, Nf. v. Reckling­ hausen: primo et unico loco: Arthur Boettcher, 1833 Babern/Kurland–1889 Dorpat, nach Medizinstudium u. Prom. Dorpat 1856: Observationes microscopicae de ratione qua nervus cochlae mammalium terminatur, von 1856–1858 zur weiteren Ausbildung zu v. Brücke nach Wien u. Virchow FWU, 1858–1861 Dozent, 1861 ao., 1862 ord. Prof. f. Pathologie u. Anatomie Dorpat, 1877 an Tabes dorsalis erkrankt, 1883 Ruhestand; Pathologe mit stark anatomisch­entwicklungsgeschichtlichen Neigungen, 1868: Ueber die Entwicklung und den Bau des Ohrlabyrinths, nach Untersuchungen an Säugethieren (DBBL 1970, S. 85 f.). – Ernst Neumann berechtige allen­ falls zu Hoffnungen, komme aber nur als interimistischer Leiter des Path.­Anatom. Instituts in Frage, wenn Boe­ ttcher ablehne – so wie eine Reihe anderer Kandidaten, bei denen man schon vorgefühlt hatte. Auch der Kurator 266

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Jedes dieser sieben Ordinariate war mit der Leitung eines Instituts oder einer Klinik verbunden, die, ausgenommen die 1864 neu erbaute Chirurgie, um 1870 sämtlich als zu klein, zu alt und zu schlecht ausgestattet galten. Neben den ordentlichen Professoren, die exklusiv die Fakultät bildeten und ihre Geschäfte führten, lehrten nur zwei beamtete Extraordinarien, der gesundheitlich defekte Anatom Ernst Burdach, Jahrgang 1801, 1848 zu den „Radikalen“ zählend,271 in den 1860er Jahren „fortschrittlicher“ Stadtverordneter, sowie Heinrich Bohn, linksliberal wie sein Schwager, der Uni­ versitätsbibliothekar Rudolf Reicke, seit 1868 der erste Vertreter eines klinischen Spezialfaches, der Kinderheilkunde. Unter diesen Medizinern, vom Historiker Nitzsch neben den Naturwissenschaftlern seiner eige­ nen Fakultät als „reine Materialisten in allen Stücken“ gescholten,272 taten sich der Anatom und den „eitelen Glauben“ an „hohe [göttliche] Ahnherrn“ des Menschengeschlechts befehdende Darwin­An­ hänger August Müller,273 der „geistige Funktionen“ an „materielle Vorgänge“ bindende Physiologe Wilhelm von Wittich274 sowie der Internist Möller hervor, dieser dermaßen als politischer Heißsporn, daß er, wie erwähnt, wegen seiner „Agitation gegen Bismarck“ den Lehrstuhl einbüßte.275 Möllers Nachfolger, der Danziger Ernst Leyden (1865–1872)276, „ganz radical und ein entschiedener Verehrer Gambettas und der Republik“,277 sowie – ungleich eifriger – der durch verwandtschaftliche Bezie­ (ebd., Bl. 6, 12. 3. 1866) meinte zu wissen, daß Neumanns Leistungen zu „ungenügend“ seien, um ihn für v. Recklinghausens Nachfolge zu qualifizieren. Trotzdem erfolgte nach Boettchers Ablehnung die Berufung, ebd., Bl. 85, PrMK­Kurator, Bestallung zum ord. Prof. v. 9. 1. 1869. – Zu Neumann die Monographie seines Nachkommen E. Neumann­Redlin 1987, darin, S. 22 f., die wichtige Beobachtung, daß dem jungen Königsberger Pathologen früh in Virchow ein Gegner erwuchs. In dessen Archiv für Pathologische Anatomie, dem Zentralorgan des Faches, veröffentlichte er nach 1862, abgeschreckt durch eine Kritik des Herausgebers oder vielleicht auch aufgrund von dessen Weigerung, weitere Manuskripte Neumanns für das Archiv zu akzeptieren, nichts mehr (bis 1886). Da der kantisch­bodenständige Neumann es vermied, an Kongressen teilzunehmen und viele Studien eher zweitrangigen Redaktionen anvertraute, blieb dieser „Virchow des Ostens“ der scientific community nicht nur „persönlich unbe­ kannt“, sondern wurde auch mit seinen Forschungen nicht wahrgenommen. 271 Esau 1935, S. 98. 272 So über die „Fortschrittsmediciner“ an Chr. P. Jessen, Pfingstdienstag 1864, in: Below (Hg.) 1911, S. 23 f. 273 A. Müller 1866, S. 45, ferner zu den „Glanzseite[n] der Darwin’schen Theorie“ ebd., S. 7, 19–22. Beachtlich auch seine „Bohnenrede“ vor dem Kreis der Kant­Freunde, über ‚Die Grundlage der Kantischen Philosophie, vom naturwissenschaftlichen Standpunkte gesehn‘, 1869, dort bes. S. 416 ff.. Müller nimmt darin, Kant und Darwin verknüpfend, Auffassungen der 1940 von Konrad Lorenz in Königsberg konzipierten „Evolutionären Erkenntnis­ theorie“ vorweg. 274 v. Wittich 1868, S. 28. 275 Prutz 1894, S. 257; Naunyn 1925, S. 263; Scholz/Schroeder 1970, S. 45. Dazu Möller, Actenstücke der wider mich geführten Disciplinaruntersuchung, 1864. 276 Leyden, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn nobilitierter Berliner Ordinarius und gern von europäischen wie orientalischen Herrschern konsultierter Arzt, bekannte in seinen ‚Erinnerungen‘, als Gymnasiast in Marienwerder 1848 vom „Freiheitsfieber“ gepackt worden zu sein. In Königsberg sei er 1865 noch in die „alte streitsüchtige Stimmung vergangener Zeiten“ geraten, wo sich „Reaktion“ und „Fortschritt“ als „zwei feindliche Lager“ gegenü­ berstanden. Er selbst habe sich „dem politischen Treiben fern“ gehalten, doch ist nicht zu übersehen, daß für die Wahl des gesellschaftlichen Umgangs die jugendlichen März­Hoffnungen des Virchow­Schülers ausschlaggebend blieben. In Königsberg rief er mit dem anatomischen Prosektor Friedrich Goltz und dem Virchow­Schüler Hein­ rich Jacobson einen Debattierzirkel ins Leben, dessen „Versammlungen“ schnell vor allem bei den meisten Vertre­ tern naturwissenschaftlicher Fächer „großen Anklang“ fanden. Leyden heiratete Marie Oppenheim, Tochter des freisinnig orientierten Königsberger Bankiers Rudolf Oppenheim, dessen Sohn wiederum mit einer Enkelin eines Wortführers der adligen Liberalen Ostpreußens, Ernst von Saucken­Tarputschen (1791–1854), verheiratet war. v. Leyden 1910, S. 46 f., 93 f., 102 f., 106. 277 So Nitzsch am 26. 1. 1871 an seinen Bruder über Leyden, dem er gerade, mit nur einer Stimme in der Min­ derheit, bei der Rektorwahl unterlegen war, v. Below (Hg.) 1911, S. 92 f.

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hungen eng mit den ostpreußischen Linksliberalen liierte Bernhard Naunyn (1872–1888), bekannten sich zur Fortschrittspartei.278 Als Prorektor trat Naunyn frühen judenfeindlichen Tendenzen in der Studentenschaft entgegen, mußte aber enttäuscht erkennen, bei den meisten Kollegen dafür keinen Rückhalt zu finden.279 Dem wegen seines politischen Engagements entlassenen Gesinnungsgenossen Möller, der ungeachtet persönlicher Nachteile die Fahne seiner Überzeugung verteidigt habe, widmete Naunyn einen warmherzigen Nachruf.280 Für „unsere vielgeschmähte moderne Zivilisation“ brach er beim Rücktritt vom Rektorat fortschrittsfroh eine Lanze, zugleich sich gegen kulturkritisch­konser­ vative Idealisierungen der „einfachen, festen Lebensgewohnheiten“ von ehedem stemmend, da er als Arzt und Klinikchef gerade bei Patienten, die noch in solchen Strukturen wurzelten, der katholischen Landbevölkerung des Ermlands oder besonders bei der in „uralter Weise weiterlebenden jüdischen Bevölkerung“ Russisch­Polens in „wahrhaft erschreckender Häufigkeit alle möglichen Nervositäten“ angetroffen habe, die als vermeintliches Signum moderner Hast und „Lebeintensität“ gelten.281 Nau­ nyn, in seiner Straßburger Zeit und als Emeritus gern mit der Medizingeschichte des 19. Jahrhunderts befasst, begrüßte daher auch die Ausweitung sozialer Kompetenzen der Ärzte, mit der Tendenz, einer Theorie des „Volkskörpers“ das Wort zu reden. Zudem als alter „Fortschrittler“ daran glaubend, daß sich die Politik der Führung vernunftgeleiteter Wissenschaft anvertrauen müsse, die, soweit es die medizinischen Fächer betreffe, ihren triumphalen Weg ganz selbständig und unabhängig von der nati­ onalen Entwicklung nach 1870 beschritten habe, als Erzeugnis des deutschen „Volksgeistes“ quasi von unten gemacht und nicht von oben verordnet.282 Vor 1870 war Naunyns Philosemitismus noch verbreiteter, als die Fakultät wegen der Habilitation des jüdischen Pathologen Simon Samuel offensichtlich geschlossen den Konflikt mit dem Kultusmi­ nister von Mühler riskierte und ihm nach Jahren der Beharrlichkeit 1866 das Zugeständnis abrang, auch nicht­evangelischen Dozenten die venia verleihen zu dürfen.283 Mit Leyden, Naunyn und dem Ophthalmologen Julius Jacobson (1873–1889), dem Schwiegervater des pazifistischen Historikers Ludwig Quidde, und dem Chirurgen Carl Schönborn (1871–1886) bewahrten die Mediziner jedoch 278 Naunyn 1925, S. 283 f.; dort über seinen Onkel Karl Haebler, Mitglied im preußischen Abgeordnetenhaus und Führer der Deutschen Fortschrittspartei in der Provinz Preußen, zusammen mit anderen „Junglitauern“ Initiator des Budgetkonflikts. Haebler führte Naunyn in „freisinnige Kreise Königsbergs“ ein, vermittelte auch die Freundschaft mit dem freisinnigen Parteiführer Leopold von Hoverbeck. Folglich lautete Naunyns politische Selbsteinschätzung: „[Ich] war liberal vom linken Flügel und ständig Wahlmann für die Fortschrittspartei“, daher habe er sich in den „offiziellen [konservativen und nationalliberalen] Kreisen Königsbergs“ nicht wohl gefühlt. Zu Oberpräsident von Horn sei zwar nach anfänglicher Distanz ein engeres Verhältnis möglich gewesen, nicht aber mehr zu dessen Nachfolger von Schlieckmann (ebd., S. 326, 395). 279 Naunyn 1925, S. 384; Naunyn weigerte sich 1884, die judenfeindlichen Statuten des „Vereins Deutscher Studierender“ zu bestätigen, wurde aber vom Senat desavouiert, der nichts dabei fand. Nach den Erinnerungen des Diplomaten Rudolf Nadolny (1955, S. 15), der dem VDSt an der Albertina angehörte, lag das Hauptgewicht dieser der Stoecker­Bewegung entsprungenen Vereinigung in Königsberg nicht so sehr beim „Antisemitismus“ – man sei eher „national“ und „sozial“ gewesen. 280 Zuerst 1887, wieder in: Naunyn 1909, Bd. II, S. 1193–1196. Vgl. dazu Möller 1890. 281 Zuerst 1885, wieder in: ebd., Bd. II, S. 1243–1258: Anschauungen der modernen Wissenschaft über die sogenannte Nervosität, hier zit. S. 1247. 282 Zuerst 1900, wieder in: ebd., S. 1280–1292: Die Entwickelung der inneren Medizin mit Hygiene und Bakte­ riologie im 19. Jahrhundert, hier zit. S. 1291 f. 283 Dazu Prutz 1894, S. 281–287; gegen den heftigen Widerstand der Historiker Drumann und Voigt fand sich bereits im Januar 1848 eine Mehrheit, die für die Änderung der Statuten stimmte, um Juden an der Albertina den Weg zur Habilitation freizumachen. Darauf beriefen sich die Mediziner 1860, als sie Samuels ersten Antrag unterstützten. Daß der Pathologe den „Fortschrittsmedicinern“ unter den Ordinarien nahe stand, ergibt sich aus seinem Erfahrungsbericht aus dem Krieg von 1866, der bei allem verhaltenen Patriotismus doch pazifistische, kosmopolitische, „völkerbundliche“ Präferenzen erkennen läßt (Samuel 1867).

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länger den Geist ostpreußischen Fortschritts als ihre Nachbarfakultäten. So ist in Jacobsons ‚Briefen an Fachgenossen‘ unter spezialistischem Wust zur „Stauung in den Choroidalvenen“ oder „Extractio lentis in der Kapsel“ immer wieder von dem Zeitgeistwandel nach 1866 die Rede, der bei ihm häufige „Sonntags­ und Alltagsmelancholien“ auslöste, und der sich für ihn nahezu traumatisch in der Person Bismarcks verkörperte, dessen Politik ausschließlich dem Maßstab des Erfolgs gehorche, während er, wie zumindest „die gesammte Intelligenz“ bis 1848, „n u r von Ideen animirt“ worden sei.284 Bis da­ hin hätten die „materiellen Interessen“ nur eine „höchst untergeordnete Rolle“ gespielt, „Idealismus, politischer Freisinn waren die selbstverständlichen Glaubensbekenntnisse aller hervorragenden Geister, unter denen die Universität Bessel, Lobeck, Lehrs, Jacobi, Neumann, Burdach, Rosenkranz und An­ dere aufzuweisen hatte“. Was dann folgte, die „unerhörte Reaction“, nährte, verstärkt seit 1866 – „mit Sadowa“, mit dem Sieg der preußischen Armeen in der Schlacht von Königgrätz –, Jacobsons Gefühl, einer „unwiderstehliche[n] Gewalt des Zeitgeistes“ weichen zu müssen, der ihn seit der Reichseinigung endgültig zu isolieren drohte: „[…] seit 1870 befinde ich mich mitten in einer Gesellschaft, mit der ich Nichts gemein habe, als das Animalische“.285 Ungeachtet solch resignativer Rückzugsstimmung, die nicht allein politisch sondern auch durch eine ihn seit 1865 plagende Trigeminusneuralgie bedingt war,286 führte Jacobson in der Fakultät kei­ neswegs das eremitische Dasein eines Dozenten, der im augenärztlichen Spezialismus sein Genügen fand. Gerade unmittelbar nach 1870 setzte dieser nichtbeamtete Extraordinarius alle Hebel in Bewe­ gung, um zu beenden, was er in drei bis ins preußische Abgeordnetenhaus hineinwirkenden, einen überaus bissigen Ton anschlagenden Broschüren als einen „Nothstand im Cultus“ geißelte – das Fehlen ophthalmologischer Ordinariate und Kliniken an preußischen Universitäten.287 Mit seinem 1873 be­ willigten Aufstieg zum Ordinarius und mit der im Mai 1877 eröffneten neuen Universitäts­Augenkli­ nik erreichte sein von den ostpreußischen Matadoren der Fortschrittspartei (v. Hoverbeck, v. Saucken­ Tarputschen jr.) unterstützter publizistischer Feldzug für die aus der Umklammerung der Chirurgie befreite selbständige Stellung der Augenheilkunde ihre wichtigsten Ziele.288 Mit Eintritt des getauften Juden Jacobson in die Ordinarienriege nahm, wie der Anatom Ludwig Stieda rückblickend konstatierte, das „jüdische Element“ an Bedeutung zu. 1873 ging der pharmako­ logische Lehrstuhl Cruses an den ungetauften Juden Max Jaffé, der bis 1911 in Königsberg amtierte. 1883 trat mit dem Physiologen Ludimar Hermann ein weiterer Mediziner jüdischer Herkunft, eben­ falls nicht konvertiert, in die Fakultät ein. Zwar ohne die hochschulpolitischen Gestaltungsrechte der Ordinarien, aber gleichwohl nicht einflußlos waren Salomon Pincus und Julius Schreiber. Pincus, erst Jacobson 1894 (posthum hg. von seiner mit L. Quidde verheirateten Tochter Margarethe), S. 144–146, an einen Kollegen in Paris v. 10. 7. 1886; ebd., S. 189–194 v. 28. 1. 1887, bes. S. 192 f.: „Mein politisches Leben be­ ginnt mit dem Jahre 1840 in einer Zeit, in der alle Gebildeten, die Universität an der Spitze, fühlten, es könne mit dem Absolutismus auf die alte Art nicht weiter gehen … .“ Aber: „Alles was wir vor 40 Jahren mit Begeisterung für den Freiheitsgedanken schwer errungen, wofür wir Hab und Gut, selbst unsre bürgerliche Freiheit eingesetzt haben, ist für die gegenwärtige Generation werthlos geworden.“ Ähnlich an Dr. Wentscher in Thorn v. 17. 2. 1887, S. 228–230. – Karl Holl, der Biograph seines Schwiegersohns Ludwig Quidde, sieht in den „schlimmen Erfah­ rungen der Jugendzeit Jacobsons“, der habe erleben müssen, wie seinem Vater, einem „hochgeschätzten Königsber­ ger Orthopäden und Chirurgen“, aus konfessionellen Gründen die venia verweigert worden sei, das wesentliche Motiv für die frühe politische Orientierung am Liberalismus und die Begeisterung für die Toleranz verheißenden Ideen von 1848 (Holl 2007, S. 52 f.). 285 Jacobson 1894, S. 144 f. 286 Sein Schüler Adolf Vossius sprach dies Leiden in seiner Gedächtnisrede an. Jacobson bekämpfte den Schmerz zwanzig Jahre lang mit Morphium, seit 1885 mit Kokain. Die Drogensucht verursachte eine Herzschwäche, der er 1889 während eines Sommeraufenthalts im Seebad Cranz mit nur 61 Jahren erlag (Vossius 1889, S. 4 f.). 287 Erschienen 1868, 1869, 1872, wiederabgedruckt im Anhang zur posthumen Briefausgabe, Jacobson 1894, S. 519–572 288 Ebd., S. 573–580, Rede zur Einweihung der Königsberger Universitäts­Augenklinik am 3. 5. 1877. 284

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1872 habilitiert, erhielt 1875 das neu gegründete, besoldete Extraordinariat für Staatsarzneikunde und wurde damit der erste etatisierte Vertreter der Gerichtsmedizin in Königsberg.289 Der gleichfalls jü­ dische Internist Schreiber, durch und durch Kliniker und wie der Chirurg Egbert Braatz tüftlerisch an der Verbesserung des diagnostisch­therapeutischen „Werkzeugs“ arbeitend,290 kam 1888 bei der Beset­ zung des neuen Extraordinariats für medizinische Poliklinik und klinische Propädeutik zum Zuge.291 1888 intervenierte Stieda daher bei Althoff, als zu fürchten stand, mit dem für die Naunyn­Nachfolge genannten, von der Fakultät allerdings hinter dem Kieler Internisten Heinrich Quincke (der den Ruf ablehnte)292 und dem von den Gutachtern des Ministeriums sehr unterschiedlich beurteilten Erlanger Neuropathologen Adolf Strümpell nur tertio loco vorgeschlagenen Ludwig Lichtheim (1888–1912) werde die Grenze des Zuträglichen überschritten. Nachdem Neumann und Jacobson mit ihrem Son­ dervotum für den geborenen Ostpreußen Hermann Eichhorst (Zürich), ehemaliger Naunyn­Assistent und der „tüchtigste Mediziner“, der seit 1860 an der Albertina studiert habe,293 nicht durchgedrungen waren und auch eine zweite Liste in Berlin auf Ablehnung stieß, entschied Althoff sich für Licht­ heim.294 Dabei hatte sich Minister von Goßler, ob mit oder ohne Althoffs Zutun, ist nicht zu eruieren, GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, Bl. 113, 117; Kur. – PrMK v. 28. 12. 1872, Meldung über Habil. Pincus u. PrMK – Kur. v. 12. 8. 1875 betr. Verleihung des Extraord. an Pincus, s. u. Anm. 322. 290 Typisch, daß eine seiner wenigen monographischen Arbeiten der Rektromanoskopie von Darmerkrankungen gilt, die er mit einem selbst konstruierten Endoskop vornahm, Schreiber 1908. 291 Der aus der Provinz Posen stammende Schreiber war schon 1886 zum Direktor der Med. Poliklinik ernannt worden, zum SS. 1888 berief ihn das PrMK, ohne die Fakultät zu konsultieren, auf das neu etatisierte Extraordina­ riat (GStA …, Nr. 21, Bd. VIII, Bl. 97; PrMK – Kurator v. 19. 4. 1888). Mit diesem Schreiben wurde der MedFak mitgeteilt, daß Hermanns Assistent, der nb. ao. Prof. Oscar Langendorff, gleichfalls jüdischer Herkunft, fortan eine Besoldung von 1.800 M. erhalte. 292 Ebd., Bl. 78; Althoff – Kurator AUK v. 29. 2. 1888: Quincke habe abgelehnt, fraglich, ob die beiden anderen Genannten, Strümpell und Lichtheim, für Königsberg geeignet seien. Daher solle die Fakultät neue Vorschläge einreichen und sich zu Hoffman­Leipzig, Schultze­Dorpat und Eichhorst­Zürich äußern. 293 Ebd., Bl. 136–138; Separatvotum Neumann/Jacobson v. 12. 3. 1888, zuvor zur I. Liste schon Separatvotum Jacobson v. 19. 1. 1888 zugunsten von Hermann Eichhorst, 1849 Königsberg–1921 Zürich, med. Studium AUK 1869–1873, Prom. mit einer von Leyden angeregten Arbeit über Nervenregeneration und Nervendegeneration, wie Quincke Frerichs­Schüler (1874–1876 an dessen Med. Klinik FWU), ohne Habil. b. ao. Prof. f. Hautkrank­ heiten Jena, 1878 f. spez. Pathologie Göttingen, oö. Prof. f. spez. Pathologie u. Therapie Zürich 1884–1921, Verfasser eines vierbändigen, bis 1909 in sechs Aufl. verbreiteten Lehrbuches der inneren Medizin, aber nach Einschätzung seines Biographen Fasolt 1983, S. 35, ein reproduktives Talent, der „nichts wirklich Neues entdeckt“ habe. 294 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 181, Bd. II, Bl. 38 f.; Stieda an Althoff v. 14. 1. 1888: „[…] ob es nun zweckmäßig ist, das jüdische Element gerade hier in Königsberg zu vermehren, möchte ich bezweifeln.“ Lichtheim sei ihm zwar persönlich nicht bekannt. Aber: „Nebenbei höre ich, daß Lichtheim getaufter Jude ist (er stammt aus Schlesien), ist in Breslau geboren, und zwar soll er sich erst kürzlich haben taufen lassen. […] Unsere beiden Collegen Jaffé und Hermann sind durchaus ehrenwerte Männer, vortreffliche Mediciner und jede Fakultät muß glücklich und zufrieden sein, sie zu besitzen [aber eben Juden], Jacobson ist ein getaufter Jude. Von den 11 Extra­ ordinarien sind 4 Juden (Samuel, Pincus, Caspary, Schreiber). Langendorff [Hermanns Assistent] hat sich kürzlich taufen lassen, von den neun Privatdozenten sind drei Juden (Falkenheim, Minkowski, Treitel). Unter 28 Dozenten demnach 9 Juden – die getauften nicht mitgerechnet, denn die getauften Juden sind eben doch nur getaufte!“ – Liste Nf. Naunyn v. 25. 1. 1888 in: GStA …, Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 70–73: 1. H. Quincke, 1842 Frankfurt/O.– 1922 Frankfurt/M., Schüler von Frerichs, Habil. FWU 1870, oö. Prof. f. Innere Medizin Bern 1873, 1878–1908 Kiel, 1915 Reaktivierung als Prof. MedFak Frankfurt, Lungenforschung, Pionier der Lumbalpunktion. – 2. Adolf Strümpell, 1853 Gut Neu­Autz/Kurland–1925 Leipzig, Prom. u. Habil. Med. Klinik Leipzig, 1886 oö. Prof. f. Innere Medizin Erlangen, 1903 Breslau, 1909 Wien, 1910 Rückkehr nach Leipzig, Begründer der Neurologie als medizinisches Lehrfach in Deutschland (Kreuter), sein Lehrbuch der speziellen Pathologie und speziellen Thera­ pie der inneren Krankheiten (1883/84) erlebte bis 1934 stolze 32 Auflagen; autobiographisch: Aus dem Leben eines deutschen Klinikers (1925). Über ihn hatte Althoff den Marburger Physiologen Eduard Külz (1845–1895) 289

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bereits 1884 alle Mühe gegeben, um die Berufung des von der damals „fortschrittlich“­homogenen Fakultät einstimmig zunächst allein, dann primo loco vorgeschlagenen Züricher Physiologen Ludi­ mar Hermann zu verhindern,295 weil auch er aufgrund seines „mosaischen Glaubens“ für Königsberg befragt, der die wissenschaftliche Herkunft Strümpells aus der „Leipziger Schule“ als „nicht gerade bedeutend“ bemäkelte, nur einige Arbeiten für „recht wertvoll“ erachtete, sich vom „ungleichmäßig bearbeitet[en]“ Lehrbuch wenig beeindruckt zeigte und den aus eigner Anschauung erlebten klinischen Unterricht des Erlanger Internisten als „geradezu verderblich“ beurteilte (Gutachten v. 10. 2. 1888, ebd., Bl. 107 f.). Günstiger fiel das Votum des Ex­Königsberger Chirurgen Schönborn aus, der eigens zwei seiner Assistenten als „Spione“ von Würzburg nach Erlangen geschickt hatte (ebd., Bl. 109 f.; Sch. – Althoff v. 15. 2. 1888). – 3. L. Lichtheim (s. Catalogus), des­ sen Verdienste als Neuropathologe betont wurden. – Ausweislich ihrer Publikationen, ihres Ranges als deutsche Ordinarien und ihres Ansehen im Fach standen Quincke und Strümpell zu Recht vor Lichtheim, doch gerade dieses Renommee machte sie für Königsberg unerreichbar. Eine zweite Liste v. 19. 3. 1888 (ebd. Bl. 129–132) schraubte die Ansprüche daher zurück, ließ auch Lichtheim fallen und nannte: 1. Friedrich Albin Hoffmann, 1843 Ruhrort–1924 Leipzig, ord. Prof. Dorpat 1874–1886, 1886–1920 oö. Prof. Leipzig, Direktor Med. Poliklinik, Diabetes­Forscher, 1893: Lehrbuch der Konstitutionskrankheiten, 1896: Die Krankheiten der Bronchien. Sein ‚Handbuch der allgemeinen Therapie innerer Krankheiten‘ sei keine Kompilation, sondern eine originelle Leistung und „wissenschaftliche That“. Daher fiel das Votum für ihn einstimmig aus, wenn auch Neumann/Jacobson ihn für zu einseitig „medizinisch­chemisch“ hielten. – 2. Franz Riegel, 1843 Würzburg–1904 Bad Ems, 1873 Habil. f. Innere Medizin Würzburg (Über das Verhältnis der Atembewegung beim gesunden und kranken Menschen), 1874 Lt. Arzt Innere Abt. Bürgerspital Köln, 1879 oö. Prof. f. Innere Medizin Gießen, Schwerpunkte: Diagnostik u. Therapie der Magenkrankeiten, Asthma, Pulsuntersuchung. Für Riegel fiel hingegen das Votum knapp aus (5 : 3). Der von Neumann/Jacobson protegierte Hermann Eichhorst (s. o. Anm. 293) wurde mit 4 : 3 Stimmen abgelehnt und nicht vorgeschlagen. Gegen den Willen der Fakultät endete das Verfahren dann mit einem Althoff­ Oktroi zugunsten Lichtheims und zwar rasch nachdem die II. Liste v. 19. März in Berlin eingetroffen war, wie ein Dankschreiben Lichtheims an Althoff v. 17. 4. 1888 belegt (ebd., Bl. 135). Bestallungsvorschlag v. 20. 4. 1888 in: GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 175–177, prompt ausgeführt am 23. 4. 1888! 295 GStA …, Nr. 20, Bd. VII, Bl. 13 f.; MedFak – PrMK v. 14. 2. 1884, I. Liste Nf. v. Wittich, primo et unico loco Ludimar Hermann, einstimmig vorgeschlagen aufgrund seiner „hervorragenden wissenschaftlichen Productivität“ sowie seiner „ausgesuchten Begabung“ als Lehrer. Von ihm allein erwarte man die „grundlegende“ physiologische Schulung der ostpreußischen Ärzteschaft. Nach der ministeriellen Zurückweisung setzte man selbstgewiß Her­ mann primo loco, wiederum „einstimmig“, da sich die Überzeugung der Fakultät durch v. Goßlers Widerstand weiter „befestigt“ hatte, in ihm nicht nur einen international angesehenen, führenden Vertreter seines Faches zu gewinnen, sondern auch einen „Character“, dessen „collegiale Gesinnung auf das Vortheilhafteste“ bekannt sei, so daß es „geradezu ein Glück für die Fakultät“ wäre, ihn nach Königsberg zu holen. An zweiter Stelle, aber nur mit vier zu drei Stimmen, stand nun der ältere Kieler Physiologe Victor Hensen (1835 Schleswig–1924 Kiel), den man als Forscher in der ersten Reihe deutscher Physiologen wähnte, mit bedeutenden Arbeiten zur Physiologie der Zeugung und der Sinnesorgane, mit einschlägigen Beiträgen zu Hermanns ‚Handbuch‘. Hensen, der seiner nor­ delbischen Alma mater von der Immatrikulation bis zur Emeritierung die Treue hielt, promovierte in Kiel 1860, wurde im gleichen Jahr für Anatomie habilitiert und war schon 1868 Ordinarius für Physiologie, 1877 Rector magnificus. Er gehörte zu der ersten Forschergeneration, die sich vom morphologisch­beschreibenden dem biolo­ gisch­quantifizierenden Verständnis der Körperfunktionen zuwandten. Für seine Ortsfestigkeit ausschlaggebend war vor allem Hensens Interesse an der Meeresforschung, die sich von der Fischereibiologie (Populationsstatistik) nach 1870 schnell auf die Plankton­Forschung ausdehnte („Begründer der quantitativen Planktologie“, Porep 1970 sowie SHBL IV, S. 97–99). Die Ablehnung des Rufes führt Porep 1970, S. 60, auf Hensens meeresbiolo­ gische Interessen zurück. – Tertio loco, wieder nur mit 4:3 Stimmen, rangierte Siegmund von Exner (­Ewarten), 1846 Wien–1926 ebd., Sohn des Philosophen Franz E. (1802–1853), Schüler der beiden ehemaligen Königsber­ ger Physiologen Ernst Wilhelm v. Brücke (1819–1892, 1848/49 AUK, seitdem Wien) und v. Helmholtz, Habil. 1871 Wien: Ueber den Erregungsvorgang im Sehnervenapparate, 1874 ao. Prof., 1891–1917 ord. Prof. f. Physi­ ologie ebd. (Nf. v. Brücke). Von der Fakultät, die Exner „unter den jüngeren Physiologen zu den bedeutendsten“ rechnete, gewürdigt aufgrund seiner hirn­ und sinnesphysiologischen Forschungen, 1881: Untersuchungen über die Localisation der Functionen in der Großhirnrinde des Menschen, sowie seines Beitrags zu Hermanns ‚Hand­ buch‘: Physiologie der Großhirnrinde (Bd. II/2, 1879, S. 189–361); Exners fulminantes Hauptwerk erschien

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ungeeignet sei. Hermann hatte sich überdies öffentlich, in einer Züricher Rektoratsrede, zu Darwins „Descendenzlehre“ bekannt, die mit dem transzendentalen Zweckbegriff den „schöpferischen Willen“ und damit jeden theologisch­metaphysischen Bezug aus dem naturwissenschaftlichen Diskurs elimi­ niert habe.296 Gern hätte das Ministerium Victor Hensen aus Kiel an v. Wittichs Stelle gesehen, doch der hatte, wie später sein Fakultätskollege Quincke, den Ruf abgelehnt .297 Politisch hätte sich v. Goßler mit dem Linksliberalen Hensen, der für den „Fortschritt“ im preußischen Landtag saß und sich im Kieler Stadtparlament engagierte,298 gewiß keinen Gefallen getan. Zu schweigen von dem an dritter Stelle vorgeschlagenen Wiener Hirnphysiologen Siegmund von Exner, Mitarbeiter an Hermanns ‚Hand­ buch der Physiologie‘, der 1894 ungleich radikaler als Hermann die weltanschaulichen Konsequenzen aus seinen neurologischen Analysen zog, als er seinen ‚Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen‘, eine jede Ethik chemisch­physikalisch, aus nervösen Erregungen ab­ leitende „Physiologie der Moral“ vorlegte, ein materialistisches Kompendium, das man getrost als Gründungsdokument avant la lettre des atheistischen Logischen Empirismus des „Wiener Kreises“ begreifen kann.299 Fast erleichtert schien von Goßler dann, als er 1887 der Fakultät mit dem in Krakau in polnischer Sprache dozierenden Chirurgen Mikulicz­Radecki wieder einen Ordinarius mit zwar unpassender Ab­ stammung („slawisch“) und bedenklicher Konfession („Katholizismus“, wenn auch „von sehr milder Richtung“) konzedieren mußte, von dem aber, wenn auch erst nach eingehender Prüfung,300 wenig­ stens feststand, daß der Wiener Zögling Billroths ein „eifriger Deutscher“ mit nationalliberaler Präfe­ jedoch erst 1894: Entwurf der physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen (Biogramm in: ÖBL I, S. 276; ausführlicher Lesky 1965, S. 541–544). – Diese II. Liste Nf. v. Wittich v. 30. 5. 1884, in: GStA …, Nr. 20, Bd. VII, Bl. 87–89. 296 Hermann 1879; referiert bei Schawalder 1990, S. 41–44. 297 GStA, I. HA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 99–101; v. Goßler – ZivK v. 8. 8. 1884 zur Nachfolge v. Wittich: Hen­ sen, nur mit Gegenstimmen sec. loco plaziert, der als Protestant besser in die Fakultät passe als der „mosaische“ Hermann, habe den Ruf abgelehnt, um an seiner Heimatuniversität zu bleiben. Nach Hensens Absage habe die Fakultät „auf das inständigste“ ihren Wunsch erneuert, Hermann zu berufen, und ihm sei in Anbetracht fehlender Alternativkandidaten leider nichts übrig geblieben „als ihr zu willfahren“. Auch sei unübersehbar, daß Hermanns sechsbändiges ‚Handbuch der Physiologie‘ an „erster Stelle“ in der „physiologischen Literatur der Neuzeit“ stehe, sein ‚Grundriß der Physiologie‘ bereits sieben Auflagen und die Übersetzung in neun Sprachen erlebt habe! 298 Vgl. Artikel V. Hensen in: SHBL IV, S. 98; der linksliberale „Materialist“ Hensen saß 1867/68 für die Fort­ schrittspartei im preuß. Landtag, engagierte sich von 1894–1904 im Kieler Stadtverordnetenkollegium. 299 v. Exner 1894; dazu knapp und treffend Lesky 1965, S. 543 f.; Stadlers Geschichte des „Wiener Kreises“ (1997) verfolgt dessen „altösterreichische Spuren“ bis zurück zu Ernst Mach und Bernhard Bolzano und Franz Brentano, ignoriert aber die als Ursprungsmilieu gleich wichtige, von Erna Lesky 1965 umfassend dargestellte Wiener medizinische Schule des 19. Jahrhunderts. Den Namen Siegmund v. Exner sucht man daher vergeblich bei Stadler. 300 Es dürfte wenige Personalentscheidungen geben, bei denen ein ähnlich hoher Gutachteraufwand getrieben wurde wie bei der Schönborn­Nachfolge. Ausgerechnet der polnische Ex­Königsberger Adamkiewicz, nun Kollege Mikulicz’ in Krakau, ließ Althoff wissen, M. sei in seiner Nationalität „etwas unentschieden“. Vgl. GStA …, Nr. 20, Bd. VII, Bl. 293–313; dort ca. zwei Dutzend Gutachten von Billroth, Trendelenburg, v. Volkmann usw. zu den pari loco an erster Stelle vorgeschlagenen Otto Wilhelm Madelung, 1846 Gotha–1926 Göttingen, 1882 ord. Prof. Rostock, 1894 Straßburg, und Mikulicz. Der Zweitplazierte, Heinrich Braun (Jena), der 1890 Mikulicz in Kö­ nigsberg nachfolgte, galt Richard von Volkmann als indiskutabel, da „nur durch Beziehungen nach Jena“ gelangt (Bl. 293–295; an Althoff v. 5. 12. 1886). Ebd., Bl. 273–277; MedFak – PrMK v. 8. 11. 1886, Liste Nf. Schönborn. – Über die eher unglückliche Zeit inmitten chauvinistischer, „stockpolnischer“ Kollegen, die ihm selbst verübelten, daß der Chirurg seine Beziehungen nach Deutschland „eifrig“ pflegte, vgl. die erst 1988 publizierten Erinnerungen seiner Frau Henriette M.­R., S. 67–83. Die Berufung an die Albertina war daher nicht nur ein Aufstieg über „mehrere Stufen auf der akademischen Leiter“, es war auch eine Befreiung aus den „kleinlichen und schiefen Ver­

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renz sei.301 Aus „Achtung für das geordnete Staatswesen“, dem er seit dem SS. 1887 als Beamter diente, ersetzte Mikulicz, froh über die „strammere Zucht“ in Preußen, die sich vorteilhaft abhob „gegen das schlaffe und zum Teil verlotterte Wesen in Galizien“, seine österreichische durch die preußische Staatsbürgerschaft.302 Nach Ansicht des Staatsrechtlers Zorn mußte die von ihm argwöhnisch beäugte Konzentration jüdischer Dozenten auch die politischen Kräfteverhältnisse in der Universität verschieben. Denn Her­ mann, Lichtheim und Jaffé seien zwar „Mediciner ersten Ranges“, doch verstärkt um die Nicht­Juden Ernst Neumann (Pathologie), Rudolf Dohrn (Gynäkologie)303 und Jacobsons Nachfolger Arthur von Hippel, hätten hier Männer zusammengefunden, die „durch und durch radical“ seien.304 Aus der Sicht des Freikonservativen Zorn war die von ihm in herablassende Anführungszeichen gesetzte „Königsber­ ger ‚Bildung‘ der Gasse“ ohnehin allzu „sehr semitisch und radical gefärbt“, als daß er über die viel­ fachen Impulse, die von diesen medizinischen Kollegen im Rahmen des öffentlichen Vortragswesens auf akademisch gebildete Kreise „in der alten fortschrittlichen Hochburg“ Königsberg und in den größeren Provinzstädten ausgingen, viel Freude hätte empfinden können.305 Wenn sich aus der Außensicht Zorns um 1890 die Fakultät so weltanschaulich homogen ausnahm, so mochte das als Momentaufnahme stimmen und tatsächlich als zutreffendes Bild bis 1914 Bestand haben. Gleichwohl war diese „fortschrittliche“ Zusammensetzung das Resultat eines zwanzig Jahre währenden Ausleseprozesses, der zwischen 1872 und 1885 maßgeblich von Jacobson, Naunyn und Schönborn qua „Selbstrekrutierung“ gesteuert wurde. Einige Zufälle kamen ihnen dabei zugute. Der hältnissen“ im nationalistischen Milieu Krakaus, wo ihm deutschfeindliche Assistenten und Schüler als „heimliche Aufpasser und Widersacher“ die Arbeit erschwerten (ebd., S. 85). 301 GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 144–148; v. Goßler – ZivK v. 25. 1. 1887. Die Verhandlungen mit Madelung waren gescheitert, und es galt, den nun zur Berufung vorgeschlagenen Mikulicz in einem möglichst „deutschen“ Licht erscheinen zu lassen. Daher ausführliche Hinweise auf seine sächsische Mutter, seine deutsche Ehefrau, die allein gebrauchte deutsche Familiensprache, die unvollkommene Aneignung des Polnischen, das Bestreben, Kra­ kau zu verlassen. Und, was v. Goßler bei Beurteilungen von Chirurgen nie unterließ, der wichtige Hinweis, M. werde der preußischen Armee nützliche Dienste leisten. 302 H. Mikulicz­Radecki 1988, S. 286. 303 Der Holsteiner Dohrn war mit einer Jüdin verheiratet. Gegen Zorns Einschätzung, die weltanschauliche (ma­ terialistische) und politische („Fortschrittspartei“) Haltung in eines setzte, stellte sein Nachrufer die „vaterlän­ dische“ Einstellung des Burschenschafters Dohrn heraus, die ihn auch „die große Erhebung“ von 1914 „innerlich“ miterleben und ihn „von Herzen deutsch“ fühlen ließ (Ahlfeld 1916, S. 84). 304 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. I, Bl. 38; Zorn – Althoff v. 7. 5. 1890. – Wer die höchst seltenen, in der Berliner Staatsbibliothek nicht überlieferten, nur als Manuskript gedruckten ‚Erinnerungen‘ Hermanns in die Hand bekommt, fände Zorns Gruseln verständlich. Denn Hermann, Sohn eines dem Amt entflohenen Rabbiners, kredenzt Idealisten jeglicher Couleur ein ätzendes Vademecum in Sachen Religion: „Von einem Naturforscher ist gewiß nicht zu verlangen, daß er irgend etwas Konfessionelles ernst nimmt; er kann es höchstens als etwas histo­ risch Entwickeltes, als eine Reminiszenz an kindlichere [sic] Stadien der Menschheit respektieren, so sehr er auch fühlt, daß die Naturwissenschaft nichts fundamental erklären kann und alle Grundfragen offen läßt.“ (Hermann 1915, S. 144). Daß Hermanns metallische Nüchternheit vor der eigenen Konfession nicht halt macht, ergibt sich aus den herablassenden Bemerkungen über das Judentum allgemein, besonders aber über den Zionismus: „Der Zionismus erscheint völlig aussichtslos […], das starre Judentum, welches dort [im „neuen Staat“] herrschen wird, dürfte sich als intoleranter und kulturwidriger erweisen als das Papsttum.“ (ebd., S. 145). 305 Ebd., B Nr. 205, Bd. II, Bl. 4; Zorn – Althoff v. 16. 1. 1895 und ebd., Bl. 24; Zorn – Althoff v. 31. 3. 1895, am Vorabend seiner Bismarck­Geburtstagsrede, mit der er die „fortschrittliche Hochburg“ ein wenig in Aufregung zu versetzen gedachte. – Zorns an sich nicht unbegründete Furcht, die Wirksamkeit der Mediziner außerhalb von Hörsaal und Klinik könnte das weltanschaulich­politische Bewußtsein des Bürgertums und der Arbeiterschaft der Provinz beeinflussen, findet wenigstens beim Studium der Protokolle ihres sich an Kollegen und interessierte Laien wendenden, wichtigsten Podiums, des „Vereins für wissenschaftliche Heilkunde“, keine Bestätigung (vgl. unten 4.3.3.).

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wichtigste: 1871 starb der Chirurg Wagner während des Feldzuges in Frankreich. Er galt bis dahin als der starke Mann der Fakultät, zugleich als der unversöhnliche Feind Jacobsons und potentielles Opfer von dessen Kampagne für die Trennung von Chirurgie und Augenheilkunde. Wagner stemmte sich gegen Jacobsons Forderung nach „Autonomie“ und eigenem Ordinariat. Wie anderswo bei der Ablösung der Spezialfächer von ihren „Mutterdisziplinen“ auch, war das stets eine Machtfrage, da Einfluß und Geld neu verteilt wurden. Im Konflikt zwischen Wagner und Jacobson kamen persönliche Animositäten hinzu, da der in Königsberg auf großem Gesellschaftsfuß lebende Augenheilkundler als sarkastischer Kritiker im Kollegenkreis so gefürchtet war wie der ihm antipathische Choleriker Wag­ ner. Und endlich gab es den ideologischen Gegensatz zwischen dem konservativen Preußen, der sich 1866 wie 1870 regelrecht darum riß, als Militärarzt „ins Feld“ zu kommen, und dem liberalen Juden Jacobson, der während beider „Ernstfälle“ lieber daheim blieb.306 Ein weiterer Zufall im Berufungsroulette: Bei der Nachfolgeregelung Wagners kam nicht dessen Schüler und Stellvertreter Rudolf Schneider zum Zuge, dessen Ernennung selbst zum unbesoldeten Extraordinarius Jacobson jahrelang blockierte,307 und auch nicht der primo loco vorgeschlagene und vom kronprinzlichen Rektor protegierte Ernst von Bergmann, sondern der Berliner Chirurg und Lan­ genbeck­Schüler Carl Schönborn, den Kaiserin Augusta, angetan von seinen Leistungen in dem unter ihrem Patronat stehenden Augusta­Hospital wie als Leiter des Jüdischen Krankenhauses, „in erster Linie“ berücksichtigt wissen wollte.308 GStA …, Nr. 20, Bd. IV, Bl. 17 f.; Wagner – PrMK v. 10. 5. 1866: Obwohl mannigfach in Königsberg gebun­ den, wolle er angesichts des wohl sicheren Kriegsausbruches nicht wie 1864 gegen Dänemark „ganz still hier am Platze“ bleiben, sondern halte sich bereit, dem „Ruf der Armee“ zu folgen. Wochen später war es soweit: Wagner reise morgen zur Armee ab, meldete der Kurator am 6. Juli 1866, drei Tage nach der Schlacht von Königgrätz. Der Pathologe Neumann war da so wenig patriotisch wie Jacobson und machte den Kurator darauf aufmerksam, daß er als landsturmpflichtig jederzeit eingezogen werden könne, obwohl er doch auf seinem Posten „unter allen Umständen unentbehrlich“ sei (ebd., Bl. 20; Kurator – PrMK v. 4. 5. 1866). Jacobson nannte in einem Brief an den holländischen Kollegen Donders den Waffengang von 1870 nur „das barbarische Gemetzel“ (Jacobson 1894, S. 6). 307 Zu Schneider s. Catalogus. Der Wagner­Schüler fand sein Auskommen als Leiter der Chirurg. Abt. im Städti­ schen KHS. Als 1888 der Pädiater Bohn starb, machte Schneider, der sich inzwischen als Dozent mehr den Haut­ und Geschlechtskrankheiten widmete und damit auch die meisten Hörer (40–50 pro Semester) ansprach, einen Versuch, dessen planm. Extraordinariat zu ergattern. Sein Duzfreund, der einflußreiche Berliner Ordinarius Ernst von Bergmann, trat bei Althoff für den „armen Schlucker“ ein, blieb aber erfolglos, da der mit Nachforschungen beauftragte Kurator alles andere als Schneiders Bedürftigkeit feststellen konnte. Am StädtKHS erhielt er zwar nur 3.000 M., aber eine große Privatpraxis ermöglichte eine bürgerlich saturierte Existenz: Schneider versteuere jähr­ lich 10.700 M., verdiene aber vermutlich noch mehr, halte eine Equipage und ein Reitpferd! (GStA …, Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 88 f.; Schneider – v. Bergmann v. 4. 2. 1888, Bl. 87; v. Bergmann – Althoff v. 9. 2. 1888, Bl. 163; Kurator – PrMK v. 4. 5. 1888). Ans Ziel kam Schneider trotzdem: nachdem Bohns Lehrstuhl für ein neues Ex­ traordinariat Hygiene (Fraenkel) verwendet worden war, fiel es 1892 an Schneider – so will es zumindest eine ministerielle Rekonstruktion aus dem Jahre 1913 (ebd., Bd. XII, Bl. 270; undat. Aktenvermerk, Herbst 1913). Dem widerspricht Althoffs Angebot eines Extraord. f. Syphil./Dermatologie an Schneider v. 16. 8. 1892 (ebd., Bd. IX, Bl. 238), nachdem zum WS. 1891/92 Fraenkels Amt von Erwin v. Esmarch übernommen worden war. Für Schneider dürfte also ein neues Extraord. begründet worden sein. 308 GStA …, Nr. 20, Bd. IV, Bl. 156–158; MedFak – PrMK v. 24. 3. 1871, Liste Nf. Wagner: 1. E. v. Bergmann, 1836 Riga–1907 Wiesbaden, med. Studium in Dorpat, ebd. Prom. 1860 u. Habil. f. Chirurgie 1864, 1871 ebd. ord. Prof., 1878 Würzburg, 1882 FWU u. Direktor I. Chirurg. Klinik (Nf. Bernhard von Langenbeck), reiche Erfahrungen als Kriegschirurg (1866, 1870/71 sowie im Russ.­Türk. Krieg 1877), einer der bedeutendsten Chi­ rurgen seiner Zeit, berühmt geworden als Arzt des Kronprinzen, des 1888 an Kehlkopfkrebs verstorbenen Kaisers Friedrich III. – 2. Schönborn, s. Catalogus. – 3. R. Schneider, s. Catalogus. – Ebd., Bl. 179; Kaiserin Augusta – PrMK v. 15. 4. 1871. Dagegen Bl. 167; Kronprinz Friedrich Wilhelm – PrMK undat. (Mitte April 1871), für v. Bergmann, den er während des Krieges gegen Frankreich schätzen gelernt hatte. Darauf erfolgte zunächst die 306

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Das „fortschrittliche“ Kleeblatt nahm dann 1872 Gestalt an, als der zunächst von der Fakultät ge­ wünschte und auch berufene Züricher Internist Anton Biermer dem Ministerium eine Absage erteilte und die Bahn für Bernhard Naunyn frei machte.309 Neben diesen beiden nahmen 1873 dann Jacobson als Ordinarius für Augenheilkunde und Max Jaffé als Nachfolger Cruses in der Arzneimittelkunde (Pharmakologie) in der Fakultät Platz. 310 Damit war für die folgenden Berufungsentscheidungen ein Gegengewicht zu den „Wagnerianern“, dem Physiologen Wilhelm von Wittich, dem Anatomen Au­ gust Müller und dem Gynäkologen Hugo Hildebrandt etabliert. Müller, als Darwinist weltanschaulich dem Augenheilkundler nahestehend, politisch als Konservativer aber ein Widersacher des ihm auch menschlich antipathischen Jacobson,311 starb plötzlich 1875 und wurde zum SS. 1876 durch den Ausfertigung der Bestallung für Bergmann (Bl. 168, v. 28. 4. 1871), doch einerseits waren, ausgehend von der Kaiserin (durch Gutachten der führenden Berliner Chirurgen v. Langenbeck und v. Bardeleben), Zweifel daran gesät worden, ob der auf Kriegschirurgie spezialisierte Bergmann die günstige Königsberger Einschätzung verdiene (Bl. 164 f.; Aktenvermerk des Referenten für Minister v. Mühler v. 17. 4. 1871). Zudem schien er sich erst zum WS. 1871/72 aus Dorpat lösen zu wollen. Am 30. 4. 1871 war jedenfalls plötzlich die Entscheidung für Schönborn gefallen (Bl. 175; Ausfertigung der Bestallung). 309 Ebd., Bd. V, Bl. 23 f.; MedFak – PrMK v. 22. 3. 1872, Liste Nf. Leyden: 1. A. Biermer (1827–1892), Virchow­ Schüler, Habil. Würzburg 1855, Bern 1861, Zürich 1867. Bei Pagel, S. 170, figuriert er als eine der „bedeutendsten Kliniker der Neuzeit“[!]; ins Königsberger „neurologische“ Umfeld hätte er gleichwohl nicht gepaßt. – 2. Her­ mann Nothnagel, Alt­Lietzegöricke–1905 Wien, 1866 Habil. f. Innere Medizin AUK, I. Assistent Leydens ebd. bis 1868, Umhabil. FWU 1868, erneute Umhabil. nach Breslau 1870, WS. 1872/73 ord. Prof. f. Arzneimittellehre Freiburg, WS. 1874/75 ord. Prof. f. Innere Med. Jena, 1882 Wien; zu seiner Königsberger Zeit vgl. Neuburger 1922, S. 34–60, zu Jenaer Zeit: Giese/Hagen 1958, S. 551–559. Mit seinem Hauptwerk ‚Topische Diagnostik der Gehirnkrankheiten‘ (1879), der „hervorragendsten klinischen Arbeit der damaligen Zeit“ (Giese/Hagen) in der Königsberger Schultradition Leydens stehend. – Ebd., Bl. 25, telegr. Absage Biermers, der 1874 einen Ruf nach Breslau aber annahm, vgl. Alzinger 1992. – Ebd., Bl. 43–47; MedFak – PrMK v. 10. 6. 1872, II. Liste Nf. Leyden: 1a. B. Naunyn (s. Catalogus). – 1b. Hugo von Ziemssen, 1829 Greifswald–1902 München, 1863 ord. Prof. Erlangen, 1874 München, Pionier der Elektrotherapie. – 2a. Erneut H. Nothnagel. – 2b. Wilhelm Erb, 1840 Winnweiler/Pfalz–1921 Heidelberg, 1864 Prom. München, 1865 Habil. Heidelberg, 1869 ao., 1880 ord. Prof. u. Direktor Med. Poliklinik Leipzig, 1882–1907 oö. Prof. f. Innere Medizin Heidelberg, bis in die 1870er Jahre Untersuchungen zu Hirn­ und Nervenkrankheiten (in 2. Aufl. 1878: Handbuch der Krankheiten der peri­ pheren cerebrospinalen Nerven), dann intensive Befassung mit der Elektrotherapie (sein Handbuch dazu 1886 in 2. Aufl.), kulturkritisch 1894: Über die wachsende Nervosität unserer Zeit. Auch Erbs Nennung erklärt sich aus dem von Leyden begründeten neurologischen Schwerpunkt des Lehrstuhls (Drüll 1986, S. 62). – 2c. Theodor Jürgensen, 1840 Flensburg–1907 Tübingen, 1863 Habil. Kiel, 1869 ao. Prof. u. Direktor Poliklinik, 1873 ord. Prof. Tübingen. 310 Ebd., Bl. 78; PrMK – ZivK v. 7. 4. 1873: Auch in Königsberg sei nun das besoldete Extraord. in ein Ordinariat für Augenheilkunde umgewandelt und mit Jacobson besetzt worden. – Am 3. 2. 1873 war Karl Friedrich Wilhelm Cruse, geb. 1813, gestorben, seit 1870 leidend und von Jaffé vertreten, den die Fakultät nun allein für die Nach­ folge mit dem erweiterten Lehrauftrag für Materia medica, physiologische Chemie und Hygiene vorschlug. Die Bestallung erfolgte am 17. 4. 1873 zum SS. 1873 (ebd., Bl. 83 f.). 311 So in dem Endlosstreit um das nb. Extraordinariat für den Jacobson­Schüler Arthur von Hippel. Jacobsons erster Schüler Emil Berthold hatte sich mit Unterstützung Wagners, gegen den Willen seines Lehrers, 1866 für Augenheilkunde habilitiert. Auf Jacobsons Drängen stellte die Fakultät aber Ende 1873 nicht für ihn, sondern für den jüngeren, 1868 habilitierten v. Hippel den Ernennungsantrag zum ao. Prof. Müller, v. Wittich und Burdach traten für die älteren Ansprüche Bertholds und des Chirurgen Schneider ein. Jacobson versuchte in weit ausho­ lenden Stellungnahmen anhand der causa Berthold darzulegen, wie dieser abtrünnige Schüler nach dem „Zerwürf­ nis“ von 1866 sich dazu hergegeben habe, von der Wagner­Fraktion immer wieder gegen ihn und die berechtigte Forderung nach einem Lehrstuhl für Augenheilkunde instrumentalisiert zu werden, was umso skandalöser sei, da Berthold als fachlich unterdurchschnittlich bewertet werden dürfe (GStA …, Nr. 20, Bd. V, Bl. 130–132, 178– 184, 190–194; Stellungnahmen Jacobsons v. 2. 1. 1874 und abermals, gegen einen Fakultätsantrag v. 20. 12. 1874, Berthold zum ao. Prof. zu ernennen, Bl. 187–189, v. 26. 1. u. 28. 2. 1875). Ebd., Bl. 137 f.; Einlassung Ber­

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fakultätspolitisch eher indifferenten, auf vergleichend embryologische Studien konzentrierten Kieler Anatomen Karl Wilhelm Kupffer ersetzt.312 Der hegte, trotz baltendeutscher Herkunft, eine tiefe „Ab­ neigung gegen den Osten“ und folgte nach nur vier Jahren einem Ruf nach München, wo ihn ein „größerer Wirkungskreis“ und für den Anatomen „ergiebigere Arbeitsfelder“ lockten.313 Von ihm über­ nahm der Haeckel nahestehende Darwinianer Gustav Schwalbe aus Jena das Ruder. Aufgrund seiner kurzen Verweildauer – er ging 1883 nach Straßburg – gewann Schwalbe jedoch ebensowenig wie der dann ihn für nur zwei Jahre ersetzende Friedrich Merkel Einfluß in der Fakultät.314 Trotzdem zeigt die Berufung gerade Schwalbes, zusammen mit der gleichzeitigen Besetzung des zoologischen Lehrstuhls zunächst mit dem Haeckel­Schüler Richard Hertwig und bald darauf mit Carl Chun, einem Darwinianer etwas milderer Art, an, wie weit sich Medizin und Naturwissenschaften an der Albertina kurzfristig modernen, weltanschaulich stark befrachteten Forschungstendenzen öff­ neten. Schwalbe wandte sich in Straßburg der „Vorgeschichte des Menschen“ zu und diskutierte ganz unter dem Einfluß Darwins die Hypothesen über die Ausgangsformen des gegenwärtig die Erde be­ völkernden, in verschiedene Rassen „zergliederten“ homo sapiens.315 Mit seinem letzten, 1915 abge­ schlossenen Beitrag zu einem von ihm und Eugen Fischer geplanten Anthropologie­Sammelwerk stieß der mit seinem Geburtsdatum (1844) noch in der naturphilosophischen Ära wurzelnde Begründer der vergleichenden stammesgeschichtlichen Forschung bis in die sich formierenden „sozial­anthropo­ logischen“ Bestrebungen vor, die für seinen Mitherausgeber, den nach 1918 zum führenden „Rassen­ hygieniker“ aufgestiegenen Fischer, darauf gerichtet sein sollten, die „größten und lebenswichtigsten Probleme der Kulturvölker“ zu lösen: den europäischen Geburtenschwund, die „Ausmerzung Tapferer und Gesunder“, den „Männerverlust“, die der Erste Weltkrieg verursacht oder dramatisch verschärft habe.316 Im Vergleich mit Schwalbe, Merkel, Hertwig und Chun muß der Wechsel von Merkel zu Ludwig Stieda und später der von Chun zu dem Rostocker Zoologen Maximilian Braun jedoch wieder als Abkoppelung von innovativer Wissensproduktion vor allem an Berliner und Münchener Instituten tholds zu dieser „Beziehungsgeschichte“ v. 31. 1. 1874; ebd., Bl. 127–129; Eintreten Müller & Co. für Berthold u. Schneider v. 11. 12. 1873. Dazu Gutachten der beiden Koryphäen Theodor Leber (Göttingen) u. Richard Förster (Breslau), die in Bertholds Schriften keinen bedeutsamen Beitrag zur Augenheilkunde entdecken wollen (ebd., Bl. 213–215). 312 Ebd., Nr. 20, Bd. VI, unpag.; MedFak – PrMK v. 28. 10. 1875, Liste Nf. des am 14. 10. verst. A. Müller: 1. Alfred Stieda (Dorpat, kam 1886 zum Zuge, s. Catalogus). – 2. der aus dem Baltikum stammende, aus der Dor­ pater Universität hervorgegangene Kupffer (Kiel). Kupffer folgte zum WS. 1880/81 einem Ruf nach München. Zu Leben und Werk sehr ausführlich der ungez. Nachruf im Archiv für Mikroskopische Anatomie 1903, [Kupffer] 1903. 313 GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 25; PrMK – ZivK v. 5. 8. 1880 betr. gescheiterte Bleibeverhandlungen mit Kupffer, der trotz großzügiger Zugeständnisse nicht mehr in Königsberg zu halten gewesen sei. 314 GStA …, Nr. 20, Bd. VI; MedFak – PrMK v. 29. 7. 1880, Liste Nf. Kupffer: gleichrangig 1a. Walther Flem­ ming, 1843 Sachsenberg/Schwerin–1905 Kiel, 1871 Habil. Rostock, 1876 ord. Prof. f. Anatomie u. Histologie Kiel (Nf. Kupffer). – 1b. E. Schwalbe, s. Catalogus. – 1c. Fr. Merkel, zum WS. 1883/84 primo et unico loco vorgeschlagen und berufen als Nf. Schwalbes, s. Catalogus. 315 Bekenntnishaft Schwalbes Beitrag zu einer engl. Gedächtnisschrift zum 100. Geburtstag Darwins, dt. 1909, dort bes. die „engere Zusammengehörigkeit von Mensch und Affen“ gegen spezielle Abstammungstheorien vertei­ digend, die für den homo sapiens eine eigene Entwicklungsreihe reservieren: „Darwin’s Werk auf dem Gebiete der Abstammung ist nicht überwunden; je mehr man sich in das Studium der Formverwandtschaften der Affen und des Menschen vertieft, umso mehr wird unser Weg erleuchtet durch das von Darwin ausstrahlende helle Licht, durch Darwin’s besonnene Forschung, aufgebaut auf ein gewaltiges Material, in dessen Aufspeicherung niemand es ihm gleich getan hat“ (ebd., S. 31 f.). 316 Vgl. Schwalbe 1923, erschienen sieben Jahre nach dem Tod des Straßburger Anatomen. Dazu das programm­ tische Vorwort von E. Fischer, S. V f.

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gewertet werden.317 Was sich für den Standort Königsberg umso mißlicher auswirkte, als sich die Ver­ walter dieser Stagnation, Braun und Stieda, jeweils bis zur Emeritierung auf ihren Lehrstühlen nieder­ ließen, 25 bzw. 30 lange Jahre. Womöglich kam der aus Dorpat berufene Stieda 1885 nur deshalb auf die Liste, weil er neben seiner – wie sich bald herausstellte – zu Unrecht in höchsten Tönen gerühmten fachlichen Vielseitigkeit im Ruf stand, Philosemit zu sein – ebenfalls zu Unrecht.318 Zu diesem Zeitpunkt waren die „Fortschrittsmänner“ in der Fakultät aber bereits in der Mehrheit: Hildebrandt und von Wittich,319 beide seit 1879/80 leidend, waren durch Rudolf Dohrn und, wie erwähnt, nach kräftigem Widerstreben seitens des Kurators und des Ministers, einen weiteren Juden zu berufen, durch Ludimar Hermann abgelöst worden.320 Wie sonst nur die Philosophische profitierte die Medizinische Fakultät vom Gründungsboom der 1870er Jahre. Allerdings gewann sie, ausgenommen den 1873 neuerrichteten Lehrstuhl für Augenheil­ kunde, keine Ordinariate hinzu. Erst 1898 konnte das Extraordinariat für Hygiene und Bakteriologie zum Ordinariat aufgestockt werden. Ansonsten trugen Falk und seine Nachfolger der Spezialisierung in den medizinischen Fächern nur mit der üblichen Einrichtung von Extraordinariaten Rechnung. Zur Königsberger Zoologie vgl. u. Kap. 2.2.4.2. Ebd., Bd. VII, Bl. 144–150; MedFak – PrMK v. 4. 7. 1885, Liste Nf. Merkel: 1. L. Stieda, s. Catalogus. – 2. Wilhelm Henke, 1834 Jena–1896 Tübingen, 1865 ord. Prof. Rostock, 1872 Prag, 1875 Tübingen. – 3. Julius Kollmann, 1834 Holzheim b. Dillingen/Donau–1918 Basel, 1862 Habil. f. Anatomie u. Anthropologie Mün­ chen, 1870 ao. Prof. ebd., 1878–1913 ord. Prof. Basel. – Henke erhielt den Ruf, lehnte aber aus finanziellen Gründen und mit dem Althoff zur Genüge bekannten Hinweis auf die „Abgelegenheit der Provinz Ostpreußen“ ab, die für ihn auch nicht durch die „angenehmen dortigen socialen Verhältnisse“ aufgewogen werde, so daß er sich nicht entschließen konnte, seine „Heimath plötzlich so hart an die russische Grenze zu verlegen“ (Bl. 151–157, an Althoff v. 15. u. 23. 7. 1885). Über Stieda, der sofort für 5.400 M. annahm (Henke wollte 9.000!), hatte die baltische Lobby – allerdings öffentlich erst im Hamburger Correspondenten v. 3. 11. 1885 (Ausschnitt ebd., Bl. 175) – gestreut, daß er ein Freund der Russen und Juden sei, seinen Verbündeten im Kampf gegen die baltisch­parti­ kularistische Führung der Universität Dorpat, die wiederum keine reichsdeutschen Professoren mochte. Denn als „Ausländer“ wären sie dem Zaren viel zu loyale Untertanen, somit der Petersburger Russifizierungspolitik entge­ genkommend. Althoff wußte seit Juli 1885, durch den von Straßburg her befreundeten, gerade von Dorpat nach Rostock gewechselten Juristen Edgar Loening, daß Stieda tatsächlich der Kopf der anti­baltischen Opposition in Dorpat war. Von besonderer Juden­ oder Russenfreundlichkeit erwähnt Loening aber nichts (Bl. 176–179; an Althoff v. 12. 7. 1885). Ebenso der Dorpater Nationalökonom Richard Mucke an Goßler v. 10. 11. 1885 (ebd., Bl. 173 f.): es handle sich um Angaben einer „lügnerischen Presse“, die von den Dorpater Partikularisten gefüttert werde. 319 v. Wittich litt an Paralyse und starb 1884 nach einem Schlaganfall. Zur Liste Nf. v. Wittich s. o. Anm. 295. 320 Ebd.; Kurator – PrMK v. 6. 11. 1879 betr. Beurlaubung Hildebrandt für das WS. 1879/80. Nach weiteren Be­ urlaubungen erlag der Gynäkologe im Sommer 1882 einem Schlaganfall. Ebd., Bd. VII, unpag.; MedFak – PrMK v. 4. 11. 1882, Liste Nf. Hildebrandt: 1a. Peter Mueller, 1836 New Orleans–1922 Konstanz, Prom. Würzburg 1862, dort Assistent, 1866 Kriegsteilnahme, 1868 Habil. f. Frauenheilkunde Würzburg: Untersuchungen über die Verkürzung der Vaginalportion in den letzten Monaten der Gravidität, 1873 b. ao. Prof. Bern, 1874 ord. Prof. f. Geburtshilfe u. Gynäkologie, Direktor der kantonalen Frauenklinik, 1882/83 Rektor, Hauptwerk: Die Krankheiten des weiblichen Körpers in ihren Wechselbeziehungen zu den Geschlechtsfunctionen in 23 Vorträgen (1888), mit bevölkerungspolitischen Anklängen: Die Unfruchtbarkeit der Ehe (1885); der Königsberger Fakultät hatte er sich just empfohlen mit: Der moderne Kaiserschnitt, seine Berechtigung und seine Stellung unter den geburtshülflichen Operationen. – 1b. R. Dohrn (Marburg, s. Catalogus). – 2a. Paul Zweifel, 1848 Höngg bei Zürich–1927 Leipzig, 1874 Habil. Straßburg, 1876 ord. Prof. f. Frauenheilkunde Erlangen, 1887–1921 oö. Prof. f. Gynäkologie u. Geburtshilfe Leipzig, bildete dort eine „führende Schule der Gynäkologie heran“ (BLÄF II, S. 1733 f.; DBE X, S. 704), sein ‚Lehrbuch der Geburtshilfe‘ zwischen 1887 und 1903 in fünf Auflagen. – 2b. Ger­ hard Leopold, 1846 Meerane – 1911 Bärenburg/Erzgebirge, 1873 Habil. Leipzig, dort seit 1877 Hebammenleh­ rer, 1883 ao. Prof., 1883 Prof. u. Ltr. Frauenklinik Dresden, grundlegende Arbeiten über das Becken, frühe Stadien der Eieinbettung, Ovulation u. Menstruation, mit Paul Zweifel ‚Lehrbuch für Hebammen‘ 1889, bis 1902 in sieben Auflagen! 317 318

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1874 bewilligte der Finanzminister ein knapp bemessenes Extraordinariat für allgemeine Pathologie und Therapie, das Simon Samuel erhielt, das bei seinem Tod 1891 aber wieder wegfiel.321 1875 über­ trug Falk dem Königsberger Stadtphysikus Salomon Pincus eine ao. Professur für „Staatsarzneikunde“ (gerichtliche Medizin), die der Königsberger Gerichtsarzt Carl Seydel 1892 übernahm (s. u.).322 1875 stellte Falk der Fakultät die Etatisierung eines Extraordinariats für Psychiatrie in Aussicht. Da aber Mit­ tel für den Bau einer Klinik fehlten, zerschlug sich das Projekt.323 In dichterer Folge kamen dann erst wieder ab 1888 Extraordinariate hinzu: für Innere Medizin (Schreiber, 1888), Hygiene (Carl Fraenkel, 1889), Psychiatrie (Franz Meschede, 1892), Dermatologie (Rudolf Schneider, 1892) und Pädiatrie (Hugo Falkenheim, 1896) Fraenkel, jüdischer Herkunft, aber entschiedener Assimilant, der Meisterschüler Robert Kochs, mit einem zwischen 1887 und 1890 in drei Auflagen verbreiteten ‚Grundriss der Bakteriologie‘, 324 einer der ersten Profiteure der von Althoff flächendeckend mit Lehrstühlen beschenkten neuen me­ dizinischen „Leitwissenschaft“ Bakteriologie325, war unter diesen Vertretern der in Königsberg etwas später als im übrigen Reich etablierten Spezialfächer der einzige, der nicht über eine „Hausberufung“ ins Amt gelangte. 326 Fraenkels Königsberger Zeit war indes zu kurz, um sich wie später in Halle als „Volkshygieniker“ zu profilieren und, wie gerade in seiner jungen Disziplin üblich, weitreichende sozialpolitische Reformen anzumahnen, um den Kampf gegen Alkoholismus, Kriminalität und Ge­ burtenschwund bestehen und die Zukunft von „Volk und Nation“ sichern zu können.327 Als Fraenkel 321 GStA …, Nr. 20, Bd. V, Bl. 94 f.; MedFak – PrMK; Antrag, Samuel zum ao. Prof. zu ernennen. Ebd., Bl. 96; Antrag PrMK – PrMF v. 30. 5. 1873 betr. besold. Extraord., Bl. 120; PrMK – Kurator v. 21. 3. 1874: Extraord. f. allg. Pathologie mit 900 Thlr. im Etat 1874/75 bewilligt. Ebd., Bl. 157; MedFak – PrMK v. 24. 5. 1874, Vorschlag primo et unico loco: Samuel; ebd., Bl. 158 f., Bestallung v. 6. 7. zum WS. 1874/75. 322 GStA …, Nr. 20, Bd. V, Bl. 231 f.; MedFak –PrMK v. 27. 4. 1875, Liste f. b. ao. Prof. Staatsarzneikunde: Mit 3 : 2 Stimmen primo et unico loco Pincus, abstellend darauf, daß er als Stadtphysikus die „gerichtliche Obduction“ in den Unterricht einbeziehen könne, während – dies auf den zweiten gerichtsmedizinischen Privatdozenten, den Militärarzt Theodor Petruschky zielend –, ein Kandidat, der darüber nicht gebiete, wie ein Kliniker ohne Klinik da stünde. Dagegen das Separatvotum des Anatomen A. Müller, der für Petruschky insoweit eintrat, daß er für ihn eine Anerkennung, die Ernennung zum nb. ao. Prof. wünschte. Kurator von Horn, entschieden für Pincus plädierend, riet von einer Rangerhöhung Petruschkys ab: als Militärarzt sei er zwar anerkannt, als Person lasse er indes „eine gewisse Würde vermissen“, was mit dem Professorentitel kaum vereinbar sei (ebd., Bl. 227–230; an PrMK v. 26. 6. 1875). Mit anderen Worten: Petruschky war entweder dem Alkohol, der Damenwelt oder beiden allzu zugeneigt. 323 Ebd., Bl. 223; MedFak – PrMK v. 30. 4. 1875. Die Einrichtung einer psychiatrischen Professur sei sehr er­ wünscht, da Karl Ludwig Kahlbaums Abgang (1866, s. u., Anm. 333) eine noch nicht geschlossene, empfindliche Lücke hinterlassen habe. Doch die Professur sei nur sinnvoll, wenn zugleich eine Nervenklinik errichtet würde, da andernfalls ein sachgemäßer psychiatrischer Unterricht nicht stattfinden könne. 324 Die dritte, in Königsberg zum Druck beförderte Auflage steht bereits im Zeichen einer Ernüchterung über die diagnostischen Möglichkeiten des jungen Faches, da sich „Veränderungen von wirklich grundlegender und einschneidender Bedeutung“ seit 1887 nicht vollzogen hätten, die Erweiterung des ‚Grundrisses‘ daher nur wegen der Berücksichtigung neuer Mikroorganismen erforderlich gewesen sei, Fraenkel 1890, S. V f. 325 Dazu Berger 2009, S. 44–90. 326 Dieser als dringlich eingestufte Lehrstuhl mußte nicht neu in den Etat aufgenommen werden, da Bohns pädi­ atrisches Extraordinariat hierfür nur umgewidmet wurde, GStA …, .Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 279 f.; Kurator – PrMK v. 20. 7. 1889. Die Fakultät, ohne prinzipielle Bedenken, aber nicht einmütig überzeugt davon, daß eine „hygi­ enische Vertretung notwendig“ wäre, fühlte sich jedoch wieder einmal übergangen, wie der Kurator ans PrMK meldete. 327 Fraenkel 1908, dort u. a. mit Zahlen belegend, daß 56 Millionen Deutsche jährlich 881 Millionen Mark für Heer und Flotte aufbrächten, aber das Vierfache davon für Bier und Branntwein (S. 44). Daß er auch unabhängig vom das „Erbgut“ beeinträchtigenden Alkoholkonsum die demographischen Alarmglocken recht laut klingeln hörte, zeigt seine (unter dem geänderten Namen Fraenken publizierte) Rez. zum Mahnruf des Breslauer Natio­

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1891 nach Marburg wechselte, hätte die Fakultät lieber den aus der Schule des Münchener Hygiene­ Pioniers Max von Pettenkofer stammenden Hans Buchner gewählt als den aequo loco gesetzten Ad­ latus Robert Kochs, Erwin von Esmarch, der nur mit wenigen Untersuchungen zur bakteriologischen Methodik und zur Desinfektionstechnik hervorgetreten war, während sein Münchner Konkurrent der Fakultät trotz umstrittener Milzbrand­Experimente als bakteriologische Autorität galt.328 Gewählt wurde nicht der designierte bayerische Extraordinarius, der 1894 Pettenkofers Nachfolge antrat und der zu den „Mitbegründern der modernen Bakteriologe“ (so sein Schüler Max von Gruber) zählt, sondern der für günstige 1.800 M. zu erwerbende jüngere preußische Privatdozent, der sich weniger der Forschung, sondern mehr der intensiven praktischen Anwendung des erprobten bakteriologischen Wissens widmet, denn erst „in die Praxis übersetzt feiert [die Hygiene] ihre Siege und Triumphe“.329 Wie an den Namen der Klinikchefs abzulesen ist, die sich seit Ende der 1880er Jahre für ihre Spe­ zialfächer habilitiert hatten, waren viele „Hausgewächse“ darunter. Unumstritten unter ihnen waren eigentlich nur die beiden Pädiater Heinrich Bohn und Hugo Falkenheim, die die Kontinuität der Kö­ nigsberger Kinderheilkunde von 1870 bis 1924 exklusiv verkörperten.330 Wenig Ansehen genoß hinge­ gen Theodor Petruschky als Forscher in der gerichtlichen Medizin, so daß nicht ihm, sondern Salomon Pincus 1875 das Extraordinariat zufiel, obwohl Petruschkys Standardkolleg „Gerichtliche Medizin“ seit 1872 regelmäßig ungleich besser besucht war als die Veranstaltungen seines Konkurrenten, der Ende der 1880er seine Vorlesungen aus gesundheitlichen Gründen einstellte. 331 Von Pincus’ Nachfol­ ger Seydel war bekannt, daß er nicht einmal Wert auf den Professorentitel legte. Seit der Promotion (1861), so ermittelte die Fakultät 1883, habe er sechs kleinere Abhandlungen publiziert, und trotzdem

nalökonomen Julius Wolf, Der Geburtenrückgang (1913). Fraenkel griff politisch sehr weit über seine Fachkom­ petenz aus, wenn er anhand der russischen Geburtenzahlen eine „unmittelbare Gefahr“ für das Deutsche Reich ausmachte, das von der Masse im Osten „erdrückt“ werden könne. Ebenso wenig gefiel ihm die höhere Geburten­ rate deutscher Katholiken: Damit könnten „Verhältnisse bei uns sich breit machen, vor denen jeder wahre Freund unserer Nation nur warnen kann“ – nämlich die Hegemonie „Roms“. 328 GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 127–129; MedFak – PrMK v. 7. 10. 1891, Liste Nf. Fraenkel: 1a. Hans Buchner, 1850 München–1902 ebd., Sohn eines Prof. f. Gerichtsmedizin, 1874 Prom. München, 1875 Eintritt ins bayr. militärärztliche Korps, 1880 Habil. f. Hygiene in München, ebd. 1892 ao. Prof., 1894 oö. Prof. f. Hygiene u. Bakteriologie ebd. als Nachfolger seines Lehrers v. Pettenkofer. Der „Mitbegründer der modernen Bakteriologie“ (Max v. Gruber in: DBJ VII, 1902, S. 316), entdeckte 1878, bevor Louis Pasteur analoge Beobachtungen publi­ zierte, die „Abschwächbarkeit der Bakterien“, d. h. die Möglichkeit, pathogene Bakterien ihrer „krankmachenden Eigenschaften“ zu berauben. Ende der 1880er nochmals mit einer spektakulären Entdeckung hervorgetreten, der baktericiden Wirkung des Blutserums, eine „seiner besten Leistungen“ (Gruber). Buchner gelang dabei der Beweis, daß Blutserum aufgrund des Gehalts an kolloiden Stoffen („Alexine“) die Fähigkeit hat, Bakterien abzutöten. Die Laudatio erwähnt auch die, wie v. Gruber meint, „jugendlichem Ungestüm“ geschuldeten Mißgeschicke bei seinen Versuchen, Tuberkulose zu heilen oder den Milzbrandbazillus in einen Heubazillus umzuwandeln, die ihm das „Mißtrauen seiner Fachgenossen“ (Gruber) eintrugen. Trotzdem deutet die Ausführlichkeit des Vorschlags auf Präferenzen eher für Buchner denn für den aequo loco plazierten v. Esmarch (über ihn s. Catalogus) mit seiner viel dürftigeren Bibliographie hin. 329 v. Esmarch 1896, im Vorwort zu seinem ‚Hygienischen Taschenbuch‘ für Medizinal­ und Verwaltungsbeamte usw. 330 Das Extraordinariat des 1888 verstorbenen Bohn wurde zunächst zweckentfremdet und dem Physiologen Langendorff übertragen. Nach Langendorffs Rostocker Berufung (1892) vier Jahre vakant, fiel es mit der Bestal­ lung Hugo Falkenheims zum WS. 1896/97 wieder der Kinderheilkunde zu (GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 372; Bestallungserlaß v. 3. 10. 1896). Vgl. dagegen Anm. 344. 331 Das blieb auch nach Pincus’ Ernennung zum beamteten Extraordinarius so. Im WS. 1875/76 hatte Petruschky 37 Hörer, Pincus mußte seine Veranstaltung ausfallen lassen, weil sich niemand gemeldet hatte. Im SS. 1876 boten beide wiederum jeweils „Gerichtliche Medizin“ an, Petruschky mit größerem Erfolg (54, Pincus: 15), der ihm fast bis zu seinem Tod (1889) treu blieb.

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schien es 1892 keine personelle Alternative zu diesem seiner Wissenschaft entfremdeten Gerichtsme­ diziner zu geben.332 Ebenso im argen, aus Sicht der insoweit schonungslos selbstkritischen Fakultät, lagen die Dinge in der seit 1876 vom Privatdozenten Franz Meschede, einem Verfechter des Dogmas „Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten“, gelehrten Psychiatrie, die bei den Studenten lange kaum auf Resonanz stieß.333 Dieser im Vergleich etwa mit einer mittleren preußischen Universität wie Halle, wo Eduard Hitzig 1879 ein Ordinariat und 1891 eine moderne Klinik erhielt334, traurig­dürftigen Vertretung war es geschuldet, daß die Etatisierung dieses Spezialfaches für Königsberg erst erwogen wurde, als an allen anderen preußischen Universitäten, Kiel ausgenommen, bereits psychiatrische Lehrstühle bestanden. Meschedes Extraordinariat, zum SS. 1893 bewilligt, nachdem die Stadt sich endlich zur Finanzierung seiner „Irrenabteilung“ als Universitäts­Nervenklinik bereit erklärt hatte, übertrug Althoff dem allseits unbeliebten Psychiater mit der demütigenden Auflage, das Amt vertraue man ihm lediglich „zur Ver­ waltung“ an.335 Für Kuratorialrat Maubach war selbst diese Beförderung zuviel der Ehre, da er zwar die „Creierung“ eines psychiatrischen Extraordinariats für ein „dringendes Erforderniß“ gerade bei „unseren heutigen Verhältnissen“ erachtete, aber anstelle Meschedes mit seiner „wenig hervorragenden Lehrbefähigung“ eine wahrhaft „tüchtige Kraft“ damit betraut wissen wollte.336 Meschedes Ehrgeiz, so Zu der Zeit hatte sich das Urteil der Fakultät über Seydel auffällig gewandelt: er vertrete fleißig den maladen Pincus und empfehle sich durch seine „anerkennenswerte literarische Thätigkeit“ in der Staatsarzneikunde, was seine Ernennung zum ao. Prof. rechtfertige; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 56; MedFak – PrMK v. 30. 5. 1890. Seydels Bestallung zum nb. ao. Prof. erfolgte am 28. 1. 1891 (ebd., Bl. 96), doch damit wie mit der Übernahme von Pincus’ Lehrauftrag war keine Besoldung verbunden. Auch der ihm sehr gewogene Kurator v. Schlieckmann, der ihm zubilligte, unter Einschränkung der eigenen Praxis die vernachlässigte Gerichts­ medizin wieder in die Höhe gebracht und einen Kreis von 30 Hörern, zum Teil jungen Ärzten, um sich versammelt zu haben (ebd., Bl 106–108; an PrMK v. 26. 3. 1891), konnte Althoff nur zur Gewährung ao. Remunerationen be­ wegen (ebd., Bl. 109). Der wiederum plante, das etatisierte Pincus­Extraordinariat anderweitig, für die Psychiatrie, zu verwenden. Das scheiterte 1890/91 an der Unzulänglichkeit des Kandidaten Meschede und an der zögerlichen Haltung des Königsberger Magistrats, der die psych. Abteilung des Städt. Krankenhauses nicht als Universitätskli­ nik finanzieren wollte. Was mit Pincus’ Lehrstuhl geschah, bleibt ungeklärt. Für die Psychiatrie wurde jedenfalls 1893 ein neues Extraord. bewilligt. 333 Meschede bot im WS. 1876/77 „Praktische Psychiatrie“ an, die drei Hörer fand. 1878 las er mangels Interesse nicht, und auf niedrigem Niveau (3–6 Hörer) ging es dann bis Mitte der 1880er Jahre weiter. Ein Kolleg über „Psychiatrische Klinik“ fand im SS. 1886 größeren Zuspruch (31 Hörer). Durchschnittlich 20 Hörer belegten seitdem bis 1901 seine Veranstaltungen. Zahlen nach GStA, Rep. 76Va, Sek 11, Tit VII, Nr. 1, Bd. XIV ff. – Über Psychiatrie las erstmals zwischen 1863–1866 der seit 1856 an der Allenberger Heilanstalt tätige Karl Ludwig Kahlbaum (1828–1899, vgl. Katzenstein 1963), der sich 1864 auch für „allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten“ habilitierte; der Mitbegründer der wissenschaftlichen Psychiatrie mußte im Herbst 1866 jedoch an eine Görlitzer Privatklinik wechseln, weil der Fond, aus dem seine kurze Bahnfahrt Ta­ piau–Königsberg bezahlt wurde, erschöpft war – eine typische Knauserei, an der die frühe universitäre Etablierung der Psychiatrie in Königsberg scheiterte, die die Fakultät schon in den 1860ern mit Göttingen und Berlin, wo es die einzigen preußischen Lehrstühle für das junge Fach gab, hätte gleichziehen lassen (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I. Bl. 64–76; Habil. Kahlbaum u. LA Psychiatrie 1863/65). 334 Eulner/Glatzel 1957/58, S. 203 f. 335 GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 256 f.; PrMK – Kurator v. 7. 6. 1893. 336 Ebd., Bl. 141–144; Kurator (i. V. Maubach) – PrMK v. 1. 9. 1890; Maubach erkannte jedoch das Dilemma, das mit einer Ausschaltung Meschedes verbunden war. Dem von auswärts zu berufenden neuen Psychiater hätte nur das Krankenmaterial Meschedes zur Verfügung gestanden, „was schwere Kämpfe kosten“ und zu „unvermeid­ baren Reibungen zwischen den Beteiligten“ führen würde. Wenn es daher nicht gelingen sollte, Meschede zum Amtsverzicht zu bewegen, müsse man seinem Konkurrenten auch eine für die Lehrtätigkeit unverzichtbare Klinik bauen. Vermutlich um solchen Schwierigkeiten auszuweichen, hatte v. Schlieckmann einige Wochen später der „Etablierung“ der Psychiatrie in Königsberg widerraten (ebd., Bl. 93; an PrMK v. 17. 10. 1890). 332

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urteilte frühzeitig die Fakultät, psychische Krankheitskomplexe somatisch herzuleiten und sich daher mit pathologisch­anatomischen Befunden zu begnügen, sei schon methodologisch mindestens frag­ würdig. Im Grunde bewege er sich ständig an der Grenze zur Scharlatanerie. Ihm fehle die für einen Naturwissenschaftler elementare Befähigung, Tatsachen zu erfassen, sie in die richtige Beziehung zu setzen und daraus Schlüsse zu ziehen. Anstelle kritischer Beobachtung fänden sich bei ihm „confuse und phantastisch zu nennende Ausführungen“, die mit den Tatsachen nichts zu tun hätten. Aus unbe­ deutenden Beobachtungen zöge er „weittragende Consequenzen“, die er zudem in den „Tagesblättern unserer Stadt“ ins unbedarfte Publikum streue. Nein – seit der Habilitation (1875) sei das Interesse der Fakultät an ihm, der seine Arbeit immer mehr zersplittere und, aus persönlicher Eitelkeit, eine Fülle von Nichtigkeiten veröffentliche, schnell erkaltet. Nirgends verriete er die Neigung, „die Sachen so zu sehen, wie sie sind“, so daß Meschede nicht die bescheidenste Schülerarbeit angeregt habe.337 Einen Fürsprecher unter den Ordinarien fand er nur in dem Anatomen Stieda, der den Direktor des Städtischen Krankenhauses aber auch nicht als Forscher pries, sondern als stets erbötigen Leichen­ lieferanten, der ihm zudem Sektionen in seinem Haus gestattete und Stiedas Institut mit „besonders interessanten anatomischen Präparaten“ versorgte.338 Aber diese vernichtende Beurteilung schien 1893 vergessen, als dem 60jährigen Meschede das neue psychiatrische Extraordinariat anvertraut wurde und er 1894 auch die heruntergekommenen Dachgelasse, ehemalige „Spinnstuben“, des von ihm geleiteten Städtischen Krankenhauses fortan als psychiatrische Universitätsklinik führen durfte.339 . Der Physiologe Alfred Gruenhagen, mit brauchbaren Studien zur „thierischen Electricität“ und zur Innervation des Auges debütierend, in denen er sich noch von romantischen Vorstellungen über „Lebenskräfte“ und ähnlich „abenteuerlichen Anschauungen“ befreien mußte,340 war nach dem Urteil seines zeitweiligen Kollegen Friedrich Leopold Goltz zwar „gründlich durchgebildet“ und „vielseitig unterrichtet“, wies auch Lehrerfolge auf. Aber er habe als Forscher nicht gehalten, was er versprochen. In dem Maße wie in den 1870er Jahren seine „wissenschaftlichen Thaten“ immer belangloser gewor­ den seien, stieg seine „Selbstüberschätzung“. Die typische Privatdozenten­Bitterkeit beherrsche ihn, sei „chronisch“ geworden und schrecke jede Fakultät ab.341 Darum, um den zänkischen Gruenhagen nicht als Kollegen ertragen zu müssen, betraute die Fakultät nicht ihn, sondern Oscar Langendorff mit der GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VII, Bl. 34–36; Kurator – PrMK v. 9. 1. 1884 und Bl. 37–40; MedFak – Kur. v. 15. 12. 1883. – Was die Schülerarbeiten angeht, so begann sich das in den 1890er Jahren etwas zu bessern. 1891 promovierte der aus einer jüdischen Königsberger Kaufmannsfamilie stammende Georg Mal­ lison: Ein Fall von traumatischer Reflexpsychose, 1892 der Königsberger Eugen Krebs über Cocainismus, 1893 Rudolf Fabian, der Sohn des Heiligenbeiler Stadtphysikus über: Psychose nach Augenverletzung, 1894 August Hochmann, 1869 geboren als Sohn eines Grundbesitzers in Stallupönen; er erstellte für seine Promotion eine ‚Sta­ tistik der in den Jahren 1874–1892 in die städt. Krankenanstalt zu Königsberg aufgenommenen Geisteskranken und Deliranten mit besonderer Berücksichtigung des prozentualen Verhältnisses der Heilbaren und Unheilbaren‘. Dann trat bis 1898 eine Pause ein, bevor der Königsberger Arthur Neumann noch eine schmale Studie über ‚Psy­ chosen nach Schreck‘ einreichte. 338 GStA …, Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 205 f.; Stieda – Althoff v. 5. 7. 1888, den direkten Weg wählend, da sich die Fakultät geweigert hatte, einen Antrag zur Ernennung Meschedes zum nb. ao. Prof. zu stellen! Ebd., Bl. 207–211 auch eine vollständige Bibliographie der durchgehend kasuistischen Arbeiten Meschedes. 339 Vgl. seine bei der Klinikeröffnung gehaltene AV, Meschede 1895, S. 60 f., mit ihrem emphatischen Bekenntnis zur „naturwissenschaftlichen Auffassung der Seelenstörungen“. 340 Vgl. die Sammlung seiner frühen Studien: Gruenhagen 1873, S. 1 f.; in seinem Lehrbuch, Bd. I, 1885, S. 4 f., wird die „teleologische Weltanschauung“ wie selbstverständlich als antiquierter Standpunkt abgetan. Der Verfasser sieht keine Veranlassung mehr, an der „endlichen Lösung des Problems zu verzweifeln“, alle im organischen Reich waltenden Kräfte auf die im anorganisch herrschenden zurückzuführen. Das „lebende Geschöpf“ müsse „dem gleichen Gesetze unterworfen“ sein, „welches schrankenlos herrscht in der unbeseelten Natur“. 341 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 55 II, Bl. 161–166; Goltz – Althoff v. 17. 6. 1884. 337

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Lehrstuhl­Vertretung im SS. 1884, und sie setzte ihn nicht auf die Liste für die Wittich­Nachfolge, zu­ mal sie ihm verübelte, daß er seinen „Anspruch“ gebieterisch direkt bei v. Goßler angemeldet hatte.342 Von Kollegenneid und Intrigen weitgehend verschont blieb das Arbeitsfeld des Internisten Nau­ nyn. Auch deswegen bewies er mit seinem Nachwuchs eine glücklichere Hand. Unter seinen Schülern schafften es allerdings nur Hugo Falkenheim und Oscar Minkowski, sich in Königsberg zu habilitie­ ren. Minkowski, Sohn eines aus Litauen zugewanderten jüdischen Kaufmanns, wie sein Bruder Her­ mann, der Mathematiker, in Königsberg aufgewachsen und von Naunyn 1881 promoviert, begann in der Medizinischen Klinik seine bahnbrechenden experimentellen Pankreasstudien, mit denen er sich in die Geschichte der Diabetologie als „Großvater des Insulins“ einschrieb.343 Seine Vorlesungen zur „Pathologie des Harns“, über „Stoffwechselkrankeiten“ und „Krankenernährung“ waren, verglichen mit denen anderer Privatdozenten in der Fakultät, mit durchschnittlich zwanzig Hörern ungewöhn­ lich gut besucht. Doch der Verbleib an seiner Heimatuniversität stand wohl nie zur Wahl. Er ging mit Naunyn 1888 nach Straßburg, erhielt aber erst 1905 in Greifswald ein Ordinariat. Der gleichzeitig mit ihm 1885 habilitierte, publizistisch nicht sehr rege, sich vor allem als Kliniker verstehende Falkenheim spezialisierte sich auf Pädiatrie, bekam jedoch nicht das Extraordinariat des 1888 verstorbenen Hein­ rich Bohn, sondern mußte seine Privatdozentur lange mit einträglicher Privatpraxis abstützen, bevor ihm Althoff 1896 ein schlecht dotiertes Extraordinariat für Kinderheilkunde erwirkte.344 Zum engsten Schülerkreis Schönborns gehörte der Kölner Florian Beely, der 1872 noch in Berlin mit einer physiologischen Studie promoviert wurde, um dann dem frisch berufenen Chirurgen nach Königsberg zu folgen, wo er ihm bis 1880 als Assistent diente. Beely war 1878 auch Schönborns erster Habilitand, der 1879/80 ein mit vier Hörern indes schwach besuchtes Kolleg über „Orthopä­ dische Chirurgie“ hielt, ein neues Spezialgebiet, dem er sich als einer der ersten Chirurgen der jungen Generation zuwandte, das er seit dem WS. 1880/81 aber nicht mehr an der Albertina, sondern in Berlin ausbaute, wo er auch das von ihm ins Leben gerufene Zentralblatt für orthopädische Chirurgie herausgab.345 Schönborns zweiter Habilitand, der Schlesier Georg Stetter, 1879 mit der chirurgischen GStA …, Nr. 20, Bd. VII, Bl. 20–23; Gruenhagen – PrMK v. 26. 2. 1884, dazu Bl. 25–29 das nicht sonderlich imposante Verzeichnis seiner 16 Publikationen und die Aufstellung der unter seiner Regie verfassten Disserta­ tionen und exper. Studien. Kurz nach Hermanns Eintritt in die Fakultät gingen Gruenhagens Hörerzahlen dra­ stisch zurück, ein Grund mehr für dessen Unverträglichkeit. Seiner „ungehörigen“ Eingaben überdrüssig, mit Blick zudem auf seine „geringe Wirksamkeit“, verfügte der Minister endlich 1890, das von Gruenhagen seit 1873 geleitete „Medizinische Kabinett“ zu schließen und ihm damit den Dozenten­Abschied nahezulegen (ebd., Nr. 21, Bd. XVI, Bl. 52; PrMK – Kurator v. 31. 7. 1890). 343 Ewert u. a. 2006, S. 69–71. 344 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 355; Kurator – PrMK v. 18. 2. 1896, Weiterleitung des primo­loco­Vorschlags der Fakultät. Verwirrend in diesem Kontext die Äußerung des Ministeriums gegenüber dem Kurator v. 15. 1. 1896 (ebd., Bl. 347), man wolle das pädiatrische Extraordinariat, das bis 1892 der nach Rostock berufene Physiologe Langendorff besetzt hatte, wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuführen. Tatsächlich war Bohns Stelle aber 1888 nicht für Langendorff, der darum gebeten hatte, sondern für den Hygieniker Carl Fraenkel zweckentfremdet worden (ebd., Bd. VIII, Bl. 279, Kurator – PrMK v. 20. 7. 1889). 345 Die Institutionalisierung der Orthopädie gelang in Königsberg erst 1936. Bis dahin war es dem jeweiligen Ordinarius für Chirurgie stets gelungen, die Notwendigkeit einer eigenständigen Vertretung des Faches zu bestrei­ ten. Die auch im Vorlesungsbetrieb vernachlässigte Orthopädie etablierte sich daher außerhalb der Universität in der 1882 eröffneten Privatklinik des Schönborn­Assistenten Heinrich Hoeftmann (1851 Memel–1917 Königs­ berg, APB 279), der 1910 einen Verein zur Errichtung einer „Krüppel­, Heil­ und Lehranstalt“ ins Leben rief. 1913 war die Vereinskasse hinreichend gefüllt, um am nördlichen Stadtrand ein Haus mit 65 Betten errichten zu können. Hoeftmanns Anstalt, seit 1915 „Hindenburghaus“, die sich der „körperlichen und wirtschaftlichen Ent­ krüppelung“ Ostpreußens verschrieben hatte, diente zwischen 1918 und 1920 als Festungshilfslazarett 8 (ortho­ pädische Militärstation) sowie 1919/20 auch noch als militärische Kopfschußstation (vgl. Kiewe 1928, S. 5 f.; Scholz/Schroeder 1970, S. 80 f.). 342

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venia versehen, spezialisierte sich auf Verrenkungen und Knochenbrüche, veröffentlichte auch ein gut verkauftes kleines Kompendium über traumatische Luxationen,346 versäumte es aber, die durch Beelys Abgang freigewordene, große orthopädische Unterrichtslücke zu besetzen. Stattdessen versuchte sich der als außergewöhnlich phlegmatisch geltende Stetter347 in der Ohrenheilkunde neben dem älteren Wagner­Schüler Emil Berthold zu etablieren, doch der seit 1889 mehrfach beantragte staatliche Zu­ schuß für sein Ohrenambulatorium floß dann jenem Konkurrenten zu.348 Bertholds Ruf als HNO­ Arzt und Wissenschaftler war allerdings denkbar schlecht. In seiner zehn Betten bietenden Privatklinik behandelte der habilitierte Ophthalmologe noch bis Anfang der 1890er auch Augenpatienten. In die Otiatrie arbeitete er sich, unter Vernachlässigung von Rhino­ und Laryngologie, seit 1872 mühsam ein, publizierte wenig und verspielte sein geringes fachliches Ansehen dadurch, daß er sich wie Me­ schede öfter korrigieren mußte, weil er voreilig „ungenügend basierte Beobachtungen“ als „Tatsachen“ mitgeteilt hatte, wie die beiden Koryphäen Ferdinand Trautmann und Hermann Schwartze beklag­ ten.349 Trotzdem übertrug Althoff ihm 1891 das neu bewilligte HNO­Extraordinariat.350 In der Nachwuchsförderung war Naunyns Nachfolger Lichtheim ungleich erfolgreicher. Elf seiner Schüler erhielten zwischen 1892 und 1911 die venia für Innere Medizin: Paul Hilbert und Gustav Valentiner (beide 1892), Ernst Neisser (1893), Selly Askanazy (1897), Walter Rindfleisch, Ernst Rau­ tenberg (beide 1905), Carl Klieneberger und Gerhard Joachim (beide 1906), Leo Borchardt, Heinrich Lippmann (beide 1910) und Harry Scholz (1911). Mit Ausnahme von Borchardt und Scholz, die der Fakultät bis 1935 bzw. 1945 angehörten, leistete von ihnen aber niemand mehr einen nennenswerten Beitrag zur medizinischen Forschung. Auch Askanazy, Joachim und Hilbert nicht, die in der Fakultät ebenfalls als nichtbeamtete Extraordinarien bis in die 1930er Jahre wirkten. Rautenberg (Berlin­Lich­ terfelde), Rindfleisch (Dortmund), Neisser (Stettin), Klieneberger (Zittau), Valentini (Danzig) und Lippmann (Berlin­Friedrichshain) beendeten ihre Karriere als Abteilungs­ oder Klinikchefs. Neisser, seit 1931 im Ruhestand, und Klieneberger, beide jüdischer Herkunft, wurden Opfer der NS­Rassen­ politik, der sie sich durch Freitod entzogen. Die jüdischen Dozenten Borchardt und Askanazy verloren nach 1933 ihre Lehrberechtigung. Joachim ging im Mahlstrom der sowjetischen Eroberung Ostpreu­ ßens zugrunde, durch Selbstmord in einem Lager bei Insterburg.

Die seinem Lehrer Schönborn gewidmete Arbeit erschien zuerst 1886, in vierter Auflage 1896; berücksichtigte auch die erstmals Ende des 19. Jhs. klinisch bedeutsamer gewordenen „congenitalen Hüftgelenk­Luxationen“. 347 Beurteilung durch Mikulicz, in: GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, Bl. 157; Votum v. 9. 7. 1891. 348 Ebd., Nr. 20, Bd. IX, Bl. 114; PrMK – Kurator, Erlaß v. 26. 6. 1891. 349 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VIII; Bl. 198 f., Gutachten Schwartze für Althoff v. 18. 6. 1888, und ebd., Bl. 291–297, Gutachten Trautmann v. 8. 9. 1889 für Althoff. Ebenso negativ die Äußerungen von Eduard Külz (Marburg) v. 24. 6. 1888 (Bl. 194: keine Arbeit Bertholds von durchschlagender Wirkung, hat gegen jeden Brauch noch nie etwas über seine operativen Praxis veröffentlicht, als „solide und zuverlässig“ könne man ihn weder als Wissenschaftler noch als Arzt einstufen). Aus der Nähe urteilte Mikulicz: ihm falle auf, daß sich fast alle Kollegen über Bertholds ärztliche Tätigkeit „abfällig“ äußerten und auch von Patienten Klagen kämen. Er selbst fände aber nichts an ihm auszusetzen und glaube, als „Spezialarzt“ sei er „ganz tüchtig“ (ebd., Bl. 191; an Althoff v. 15. 6. 1888). Da auch Trautmann ihm bei aller Kritik die Führung einer ohrenheilkundlichen Poliklinik zutraute und von Heinrich Walb (Bonn) noch ein halbwegs positives Gutachten einging (v. 15. 11. 1889, ebd. Bl. 329), erhielt Berthold zum WS. 1890/91 ein schlecht besoldetes Extraordinariat und seine bis dahin mit 1.200 M. vom PrMK subventionierte Privatklinik wurde zur Univ.­Ohrenklinik. Finanziell war das seine Rettung aus einer „Nothlage“, die ihn nach eigener Einschätzung wie keinen anderen Nichtordinarius der Fakultät bedrückte. Ber­ thold führte diese Krise auf die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage, aber insbesondere auf die Konkurrenz der Spezialärzte zurück, die in Königsberg in den 1880ern „in unglaublicher Weise“ zugenommen habe (ebd. Bl. 274 f.; an PrMK v. 23. 6. 1889). 350 GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 114; PrMK – Kurator, Erlaß v. 26. 6. 1891. Berthold erhielt wie üblich karge 2.400 M. Jahresgehalt zuzüglich Wohngeld (660 M.). 346

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Beachtlich ist die neurologische Schwerpunktbildung, die in der Medizinischen Klinik bei v. Leyden ihren Ausgang nahm und von seinem Nachfolger Naunyn weiter gepflegt wurde. Leydens Schüler Goltz351 und Nothnagel352 arbeiteten über Physiologie und Pathologie des Temperatursinns, schlossen sich zusammen zu gemeinsamen Experimenten an vasomotorischen Nerven der Gehirnge­ fäße und analysierten zerebrale Funktionsstörungen.353 Studiert man die Vorlesungsverzeichnisse der 1870er und 80er Jahre, fallen bei Naunyn die Vor­ lesungen über Krankheiten des Gehirns ins Auge, der Physiologe Gruenhagen traktierte beharrlich Nervenphysiologie, v. Wittichs Assistent Oscar Langendorff die Physiologie des Gehirns, den Bau und die Funktion des Rückenmarks. Wittichs Nachfolger Hermann ebenso wie die Anatomen Kupffer, Schwalbe, Merkel überschütteten den Nachwuchs geradezu mit Kollegs zur Neurologie des Menschen, zur Anatomie der Sinnesorgane. Kupffer betrat als Schüler des der Histologie des zentralen Nervensystems zugewandten Friedrich von Bidder früh die Bahn vergleichend­embryologischer Forschung, promovierte über den Bau des Rückenmarks beim Frosch, und widmete sich, angeregt von den 1877 publizierten Studien Oscar Hertwigs, in Königsberg vor allem den Befruchtungsvorgängen im Zellkern, die er an Amphibien und Knochenfischen studierte, während er seine neurologischen Arbeiten erst nach 1880 in München wie­ der aufnahm, bis dahin jedoch regelmäßig eine gut besuchte Vorlesung über die „Neurologie des Men­ schen“ anbot.354 Für August Müllers Schüler, den Elbinger Adolf Berthold Benecke, 1870 Prosektor und seit 1877 als Nachfolger Ernst Burdachs beamteter Extraordinarius für topographische Anatomie, führten die gemeinsam mit Kupffer unternommenen Experimente zu den Befruchtungsabläufen in Fischeiern355 allerdings zu Themen weit außerhalb seines anatomisches Lehrgebietes: zur Beschäftigung mit der Fischfauna, dem Fischfang und der Fischwirtschaft in Ostpreußen. 1883 legte er dazu ein nie überholtes Standardwerk vor.356 Vor seinem frühen Tod zuletzt mit dem Zoologen Chun zusammenar­ beitend und mit der Fortpflanzung des Aals beschäftigt, richtete sich sein Augenmerk vornehmlich auf wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeiten seiner Forschungen.357 Der Physiologe Ludwig Ferdinand Goltz, 1834 Posen–1902 Straßburg, Neffe des westpreußischen Schriftstel­ lers Bogumil Goltz (1801–1870), Helmholtz­Schüler noch zu dessen Königsberger Zeit, 1862 Habil. f. Anatomie u. Physiologie (GStA …, Nr. 24, Bd. I, Bl. 56), Prosektor bei August Müller und Assistenzarzt in der Chirurg. Klinik, wurde 1869 nach Halle berufen, erhielt 1872 ein Ordinariat in Straßburg. Königsberger Arbeiten über Herzfunktion und Venentonus, in Straßburg vor allem Physiologie der Nervenzentren. 1869: Beiträge zur Lehre von den Functionen der Nervencentren des Frosches, 1881: Gesammelte Abhandlungen über die Verrichtungen des Großhirns; vgl. Pagel 614 f.; DBE IV, 92. 352 Zu Hermann Nothnagel, s. o. Anm. 309. 353 Neuburger 1922, S. 54 f. 354 GStA, Rep. 76Va, Sek 11, Tit VII, Nr. 1, Bd XIII, XIV. 355 Vgl. den Beitrag Kupffer/Benecke, Der Vorgang der Befruchtung am Ei der Neunaugen, in: FS Theodor Schwann 1878. 356 Benecke 1883. Im gleichen Jahr nahm er als Deputierter des Deutschen Fischerei­Vereins an der Internationa­ len Fischerei­Ausstellung in London teil (GStA, Rep. 89, Nr. 21660; PrMK – ZivK v. 27. 4. 1883 wg. Beurlaubung Benecke nach London). 357 Benecke las erstmals im WS. 1879/80 vor acht Hörern über „Künstliche Fischzucht“. Daß sich der Mediziner seit dieser Zeit in einen Fischereiexperten verwandelte, dürfte wesentlich aus seinem Mißerfolg als Anatomie­ Dozent zu erklären sein. „Seit Jahren“, so begründete er im November 1885 einen Urlaubsantrag, ginge der Be­ such seiner „früher“ gut frequentierten Vorlesungen zurück, im SS. 1885 habe sich sogar nur noch ein Student eingefunden. GStA, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 27, Bd. I, Bl. 252 f.; Benecke – PrMK v. 3. 11. 1885, betr. Urlaub zwecks Untersuchung des Fortpflanzungsverhaltens der Aale südlich von Venedig. Ob Benecke noch dorthin aufgebro­ chen ist, scheint fraglich, da er wenige Wochen später in Königsberg starb. Ebd., Bl. 231; Benecke – PrMK v. 24.6. 1885, Bericht über den Forschungsaufenthalt an der Zoologischen Station in Neapel und über Aal­Studien in den Lagunen vor Venedig, dabei die praktische Bedeutung für die heimische Fischwirtschaft betonend. Zu 351

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Auch Kupffers aus Kiel mitgebrachter Prosektor Paul Albrecht, 1877 habilitiert, wandelte auf ganz eigenen Wegen und wandte sich neben seinen Standardvorlesungen über Angiologie, Osteologie oder die „Sinnesorgane des Menschen“ so intensiv der Anthropologie zu, daß er 1882 „für einige Jahre“ Urlaub erbat, um an naturhistorischen Museen Westeuropas und in den USA Forschungen zur Ab­ stammungsgeschichte des Menschen wie zur Entwicklungsgeschichte des Lebens zu treiben.358 Alb­ recht ist dieser Urlaub schlecht bekommen, er endete 1894 in Brüssel, wo sich der Anatom in einem Anfall von „Geistesgestörtheit“ selbst tötete.359 Nur drei Semester las der 1877 umhabilitierte baltische Landsmann Kupffers, Georg von Seidlitz, dem bei seinem Debüt im WS. 1877/78 über „Darwinsche Theorie“ vierzig Hörer zuströmten, der sich 1879 aber ins Privatgelehrtentum verabschiedete.360 Kupffers Nachfolger Merkel galt als einer der führenden Forscher auf dem Felde der mikrosko­ pischen Anatomie der Sinnesorgane, der bahnbrechende Studien über den Ziliarkörper des Auges sowie über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbeltiere publiziert hatte. Andere Wege beschritt der Anatom Stieda, der die von Schwalbe und Merkel präferierte vergleichende Ent­ wicklungsgeschichte vernachlässigte, obwohl er sich in seiner Dorpater Assistentenzeit eingehend mit vergleichenden Studien zum zentralen Nervensystem der Wirbeltiere befasst hatte, die er in Königs­ berg allerdings nur unter wissenschaftshistorischen Aspekten fortsetzte.361 Auch die Dorpater anthro­ pologisch­völkerkundlichen Untersuchungen ließ Stieda am Pregel, im Umfeld einer weniger bunt gemischten Gesellschaft als in Dorpat, einschlafen. Auf die Neurologie kam der auch medizinhisto­ risch interessierte Baer­Biograph Stieda aber immerhin noch einmal in einem umfangreichen Beitrag zur Festschrift für seinen Amtsvorgänger Kupffer zurück, der die ‚Geschichte der Entwickelung der Lehre von den Nervenzellen und Nervenfasern während des 19. Jahrhunderts‘ behandelt und die neu­ rologische Wissenschaftsgeschichte von Sömmering bis Deiters nachzeichnet –, mit dem (unerfüllten) Versprechen ausklingend, die Darstellung bis zur Jahrhundertwende fortführen zu wollen.362 Hermanns Adlatus Oscar Langendorff kultivierte die Atmungsinnervation, die Physiologie des Herzens, der Verdauung, der sympathischen Nerven sowie der peripheren Ganglien, dazu die Lehre von den Reflexen,363 ging 1879 zu intensiven Untersuchungen über das Atmungszentrum über und versuchte nachzuweisen, daß es nicht im Gehirn, sondern im Rückenmark liege. Da Langendorff aber aus Sicht des Kurators Schlieckmann gleich doppelt belastet war, als Jude und Liberaler, zudem als Schüler des als „materialistisch“ verrufenen Hermann, erhielt er 1886 nicht Beneckes Extraordinariat, sondern mußte bis 1888 warten, als ihm die Besoldung aus dem Extraordinariat des verstorbenen Pädiaters Bohn zufloß.364

dieser Zeit redigierte er auch die Berichte des Fischerei­Vereins der Provinzen Ost­ u Westpreußen, der den Anstoß zu den Aal­Studien gab und ihn finanziell dabei unterstützte, sich in Italien über „Methoden zur Conservirung der Meeresthiere“ zu informieren. 358 GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 51; PrMK – ZivK v. 13. 6. 1882. 359 BLÄ I, S. 76. 360 GStA, Sek. 11, Tit. VII, Nr. 1, Bd. XIV, unpag.; Seidlitz war der erste Dozent, der in Dorpat „für Studierende aller Fakultäten“ Vorlesungen über Darwins Lehre hielt, die die „erklärenden Naturwissenschaften“ an die Stelle allenfalls poetischer Sagen über den Ursprung des Lebens gesetzt habe (1871, S. VI). 361 Die von Eisler 1919 zusammengestellte Bibliographie weist zwischen 1867 und 1875 sieben einschlägige Un­ tersuchungen aus, zuletzt 1875: Über den Bau des zentralen Nervensystems der Schildkröte. Danach hat er dieses Forschungsfeld nur noch selten betreten, auch unter den bei ihm angefertigten Königsberger Doktorarbeiten, immerhin 44 an der Zahl zwischen 1890 und 1912, finden sich nur drei zur neurologischen Thematik. 362 Stieda 1900, S. 79–194. 363 Tigerstedt 1909. 364 Vgl. Anm. 307 u. 344 sowie Schreiben PrMK – Kurator v. 15. 1. 1896, Unterrichtung über die Absicht, Lan­ gendorffs Extraord., vakant seit dessen Berufung nach Rostock zum SS. 1892, wieder für die Kinderheilkunde zu verwenden (GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 347).

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Max Perls, Schüler des Pathologen Ernst Neumann, hatte sich ebenfalls frühzeitig weltanschaulich so „materialistisch“ festgelegt, daß ein Fortkommen nicht in Preußen, sondern nur im hessischen Gießen möglich wurde. Über die von seinem Fach zu erwartenden Erkenntnisgewinne philosophierte er in staatsmetaphorischer Verkleidung.365 Illusionslos verglich er sein Metier mit dem des Historikers und Archäologen, der sich über die Reste, die verbliebene Hülle untergegangener Reiche beuge. Auch für den Geschichtsforscher sei „der Staat als solcher dahin“. Er versuche nur die Städte und Wege, in denen kein Leben mehr pulsiert, zu rekonstruieren. Nicht anders als der Pathologe, der auf seinem Sektionstisch das Ebenbild Gottes vor sich habe. Das existiere jedoch nur, solange Gehirn und Rücken­ mark das „Communicationssystem“ des Körpers in Gang halten. Erlöschen ihre Funktionen, sei auch alles „Göttlich­Menschliche“ entschwunden und vor uns liegt „der thierische Körper“. Dem Menschen erreichbare, relativ kurze Unsterblichkeit reduziere sich damit, nüchtern naturwissenschaftlich gese­ hen, auf die Geschlechterfolge, die Erblichkeit seiner somatisch­zerebralen Ausstattung.366 Angesichts dieses „neurologischen Verbundes“ ist nicht zu verwundern, daß einer der Nachfolger von Perls, der Schweizer Coelestin Nauwerck, der nicht nur durch starke Beteiligung im Vortragswesen des „Vereins für wissenschaftliche Heilkunde“ auffällt, einen eng an Virchow angelehnten Leitfaden zur „Sectiontechnik“ (1891) vorlegt, der sich am ausführlichsten der Sektion des Gehirns widmet und mit Ratschlägen zur „Instandsetzung der Leiche“ schließt.367

2.2.4. Die Philosophische Fakultät 2.2.4.1. Die Geistes­ und Staatswissenschaften Obwohl die größte unter den Königsberger Fakultäten, trat die Philosophische mit einem nicht eben imponierenden Personalbestand ins „Neue Reich“ ein. Als am besten vertreten galten die Geschichte und die Klassische Philologie mit vier bzw. drei Ordinariaten. Die eigentlich althistorische Professur von Wilhelm Drumann war 1857 mit dem Mediävisten Wilhelm Giesebrecht besetzt worden, dem 1862 Karl Wilhelm Nitzsch gefolgt war, der, neben dem 1869 durch Wilhelm Maurenbrecher abge­ lösten Fossil Friedrich Wilhelm Schubert, Ordinarius seit 1826, und dem ganz auf die Geschichte Griechenlands in Mittelalter und Früher Neuzeit fixierten Karl Hopf,368 in den ozeanischen Weiten zwischen antiker und neuzeitlicher Geschichte segelte.369 Hingegen spielte der luxurierende Kunst­ historiker Ernst August Hagen, Jahrgang 1797, der als einziger Ordinarius kein prüfungsrelevantes Fach vertrat, in der Fakultät kaum eine Rolle, so daß auch sein politisches Gewicht, als Biograph Max

Perls 1873, S. 10 ff. Einen pazifistisch getönten Seitenhieb kann der Vf. sich hier nicht verkneifen: was nütze es angesichts solcher Vergänglichkeit des menschlichen Lebens, wenn „rücksichtslose Politik und irregeleiteter Nationalstolz die Felder mit Leichen“ bedecke? 367 Nauwerck 1891, S. III f., 15–51 („Kopfhöhle“), 126 f. (Leicheninstandsetzung). 368 Hopf war 1862 als Nachfolger von Johannes Voigt berufen worden. Für kurze Zeit waren somit nach 1870 drei historische Ordinariate besetzt: Nitzsch, Maurenbrecher und der hauptamtlich als Direktor der Universitäts­ bibliothek amtierende Hopf, der im August 1873 starb. Sein Nachfolger an der Spitze der UB­AUK wurde der Kieler Altphilologe August Wilmanns (1833–1917). Nach dessen Wechsel nach Göttingen im August 1875 wurde das Amt des Bibliothekschefs dann verselbständigt. Der neue Inhaber, der Orientalist Johannes Roediger, nahm keinen Lehrauftrag mehr wahr. 369 Nitzschs universalhistorische Ambitionen dokumentieren die Königsberger Lektionskataloge und rühmen Nachrufer wie Jastrow in der ADB, doch für ein „standard work“ reichten sie nicht hin, wenn man nicht die aus dem Nachlaß hg. drei Bände seiner ‚Geschichte des deutschen Volkes bis zum Augsburger Religionsfrieden‘ (1883–1885) dafür gelten läßt. 365

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von Schenkendorfs, des ostpreußischen Poeten der Befreiungskriege,370 als Mann von „unwandelbarer Königstreue“ und „begeisterter“ Verehrer des ihm aus Kindertagen persönlich bekannten „Reichs­ einigers“ Kaiser Wilhelm I., nicht in die Waagschale fiel.371 Zu den beiden Klassischen Philologen, zwei Söhnen des Königsberger Judentums, Ludwig Fried­ länder, 1860 Nachfolger Lobecks, sowie dessen Meisterschüler Karl Lehrs, gesellte sich seit 1867 ein dritter, Henri Jordan, Privatdozent aus Berliner Réfugié­Familie, nachmaliger „Topograph Roms“.372 Wegen seiner bis dahin spärlichen Produktion und fehlenden Lehrtalents war Jordan keineswegs der Wunschkandidat der Fakultät für das dem Ministerium so mühevoll abgerungene dritte Ordinariat.373 Eine kurzzeitige und nur nominelle Verstärkung durch einen vierten Ordinarius erfuhren die Alter­ tumswissenschaften 1874/75, als August Wilmanns Hopfs Nachfolger als Oberbibliothekar wurde und zugleich dessen nun umgewidmeten Lehrstuhl okkupierte, der mit Wilmanns’ Versetzung nach Göttingen verloren ging.374 Dafür einen Ausgleich schuf die Neubewilligung eines Extraordinariats für Klassische Archäologie, das zum WS. 1875/76 der Breslauer Privatdozent Hugo Blümner erhielt, der 1877 aber, von den dürftigen Sammlungen enttäuscht und vom Königsberger Winter mitgenommen, die erste sich ihm bietende Chance nutzte und einen Ruf nach Zürich annahm.375 Hagen 1863, im Jahr zuvor gab er Schenkendorfs Dichtungen heraus, die im Zeitalter der Einigungskriege mehrere Auflagen erlebten. 371 Hagen 1897. – Hagens Vater, Professor für drei naturwissenschaftliche Fächer, erteilte den preußischen Prinzen während ihres durch Napoleon erzwungenen Königsberger Aufenthalts privaten Unterricht. 372 Ein erstes Zeugnis dieser zwei Jahrzehnte währenden topographischen Forschungen ist der gleich nach seiner Ankunft in Königsberg, im Dezember 1867 gehaltene Vortrag über ‚Die Kaiserpaläste in Rom‘ (Jordan 1868), der die Resultate von Ausgrabungen präsentiert, die Napoleon III. dort seit 1861 vornehmen ließ, in seinem „Eifer für das römische Cäsarenthum“ (ebd., S. 4). 373 Gefordert wurde das 3. Ordinariat seit 1862. Favorit war der Lehrs­Schüler Carl Friedrich Wilhelm Müller (1830–1903), bis ca. 1855 Lehrer am FC, dann am Gymnasium Landsberg/W. und seit 1865 JoachimsthalerG Berlin (zahlreiche Briefe von Lehrs an ihn in: Ludwich ed. 1894). Der Germanist Schade war aber Lehrs und Fried­ länder mit einem umfassenden Separatvotum in die Parade gefahren, das für Paul Wilhelm Corssen (1821–1875) eintrat, den „Eroberer und Beherrscher einer ganz neuen Provinz der sprachlichen Wissenschaft“, der „Entwick­ lungsgeschichte“ der lateinischen Sprache, die am besten vor „Phantastereien und subjektiver Einfallskritik“ be­ wahre, die Schade als Frucht einer „seit Decennien“ an der Albertina dominierenden „Richtung“ ausgemacht hatte, und die er für das exzeptionell „schlechte Latein“ an ostpreußischen Gymnasien verantwortlich machte (GStA …, Nr. 21, Bd. VI, unpag.; Schade – PrMK v. 3. 1. 1867 zu Vorschlag C. F. W. Müller der PhilFak. v. 20. 12. 1866). Der Kurator und Oberpräsident v. Eichmann stellte sich auf die Seite Schades, schlug aber vor, den vom PrMK ins Spiel gebrachten Jordan in der Hinterhand zu behalten. Corssen, der sich in Schulpforta vorzeitig nicht, wie Schade angab, allein deshalb hatte pensionieren lassen, um in Berlin seinen Studien zu leben, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen, galt dem PrMK als physisch überfordert (zu Recht – wie sein früher Tod bewies). Und trotz interner Bedenken Olshausens, den PD Jordan, der schon froh sein müsse, wenn man ihn aufgrund seiner mäßigen Leistungen als Forscher und Dozent sowie seiner „Persönlichkeit nach“ zum nb. ao. Prof. befördere (ebd., Aktenvermerk v. 15. 1. 1867), ins Ordinariat zu katapultieren, erfolgte die Bestallung im Februar 1867. Über Jor­ dan der kurze Nachruf von Prorektor und Senat sowie die Grabrede des Prorektors Julius Walter [Jordan] 1886, die unverblümt daran erinnerte, daß der Verstorbene als Dozent „lange mit Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt“ und sich „nur langsam in die akademische Lehrthätigkeit“ zu finden wußte. Der Knoten sei erst in Königsberg geplatzt, ab 1874, nach Erscheinen des ersten Bandes seiner Topographie Roms [1871] (ebd., S. 8 f.). Neben dieser zur Klass. Archäologie und zur Kulturgeschichte übergreifenden Passion widmete sich Jordan dem latinistischen Alltagsgeschäft, wie seine ‚Kritischen Beiträge zur Geschichte der Lateinischen Sprache‘ (1879) zeigen. 374 Wilmanns hat jedoch weder im WS. 1874/75 noch im SS. 1875 gelesen. 375 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 33 f.; Blümner – PrMK v. 22. 8. 1877: Obwohl er dem preußischen Staat, dem er seine Erstberufung verdanke, dies gern mit Treue vergolten hätte, müsse er nicht nur sich und seine Familie vor einem weiteren der schrecklichen ostpreußischen Winter südwärts in Sicherheit brin­ 370

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Geld gab es während der „Reaktionsära“ zwischen 1848 und 1858 für ein neues Ordinariat der Staatswissenschaften (Nationalökonomie), das seit 1855 Johann Karl Glaser besetzte,376 den 1868 Leo­ pold Ilse ersetzte. Ferner, kurz nach der Regentschaftsübernahme durch den 1861 im Königsberger Schloß gekrönten Wilhelm I. in den Etat aufgenommen, ein Ordinariat für deutsche Sprache und Literatur, das von 1859 bis 1863, zugleich mit dem Amt des Chefs der Universitätsbibliothek, Julius Zacher bekleidete, und das dann für vierzig Jahre an den Altgermanisten Oskar Schade fiel, der sich als erzkonservativer rocher de bronce der Fakultät bewähren sollte. Andere etatisierte neusprachliche Philologien neben der germanistischen suchte man, im Unterschied zu Bonn und Berlin, an der Alber­ tina bis 1872 vergeblich. Die Orientalistik samt Indogermanistik und Sanskrit war allein durch Georg Nesselmann vertreten.377 Ihn unterstützte seit 1868 der in der Theologischen Fakultät sich deplaziert fühlende, daher per Erlaß zur Philosophischen versetzte Hebraist August Simson, den Bruder des ersten Präsidenten des Reichstags – Eduard Simson, der bis 1861 der Juristischen Fakultät angehört hatte.378 gen, sondern auch der „Mangel“ einer brauchbaren Sammlung habe ihm die Entscheidung, den Ruf nach Zürich anzunehmen, erleichtert. Tatsächlich räumte die Fakultät dann in ihrem Nachfolgevorschlag ein, daß die vorhan­ dene dürftige Sammlung in einem schlecht beleuchteten und überfüllten Raum für Unterrichtszwecke eigentlich unbenutzbar untergebracht sei, während der Notbehelf, die „Gypsabgüsse“ der „Malerakademie“, Trivialitäten wie die Venus von Milo oder die Laokoongruppe, wegen eines Umbaus seit kurzem auch nicht mehr zur Verfügung stünde. Der Breslauer Privatdozent Blümner stand 1875 primo loco auf der Liste für das 1874 von der Fakultät beantragte (ebd., Bd. IX, Bl. 139 f.; PhilFak – PrMK v. 4. 6. 1874), im Etat 1875/76 bewilligte neue Extraordina­ riat für Klass. Archäologie. Sec. loco genannt: Adam Flasch, 1844 Helmstadt/Unterfranken–1902 Erlangen, Prom. München 1869 bei Heinrich von Brunn: Angebliche Argonautenbilder. Archäologische Abhandlung, 1873 Gym­ nasiallehrer in Würzburg, ebd. 1875 Habil. mit „gewagten Vermutungen“ (Sauer) über: Die Polychromie der grie­ chischen Vasenbilder, 1882 b. ao., 1889 oö. Prof. Erlangen (zu ihm eingehend, den Würzburger Archäologen, der nur wenig und Umstrittenes publiziert hatte, zudem Katholik war, auf der Königsberger Liste „auf gleicher Linie mit Blümner“ sehend, B. Sauer 1903). Anders als Flasch, der von 1870 bis 1873 als Hauslehrer und bayerischer Staats­Stipendiat vorwiegend in Rom tätig gewesen war, verfügte Blümner nicht über lebendige „Anschauungen der Monumente“ der Antike. Da es aber nicht um die Ausbildung von Archäologen, sondern um die von altphi­ lologischen Gymnasiallehrern ging, sei dies, so die Begründung des Berufungsvorschlags, unschädlich. Blümner könne dies durch Besuch vor allem der Berliner Sammlungen leicht ausgleichen (GStA …, Nr. 21, Bd. X, 33–37; Liste v. 30. 4. 1875)! Als Grundlage der Berufung genügte Falk der druckfrische erste Band von Blümners bis 1884 vier Bände umfassenden, positivistisch­kompilierenden Darstellung der „Gewerbe“ in der Antike (Blümner 1875). Diesem Thema hatte bereits seine Diss. über ‚Die gewerbliche Thätigkeit der Völker des klassischen Alterthums‘ gegolten (1869). 376 Zu Glaser s. u. Anm. 379. 377 Der 1811 in Elbing geborene Nesselmann war 1843 zum ao. Prof. f. orientalische Sprachen ernannt worden und hätte nach dessen Tod dem 1851 vorzeitig pensionierten Hebraisten Cäsar Lengercke (1803–1855) nachfol­ gen sollen. Das Berufungspatent war auch schon ausgefertigt, als eine vermutlich Nesselmanns politische Zuverläs­ sigkeit in Abrede stellende „Denunciation“ die Anstellung verhinderte. So bekam Justus Olshausen (1800–1882) die Stelle, zugleich die des Oberbibliothekars an der Universitätsbibliothek. Olshausen ging 1859 als Vortragender Rat ins Kultusministerium, dort in der Mühler­Ära als Hochschulreferent die Spinne im „holsteinischen“ Netz der preußischen Berufungspolitik, das von Mommsen und Trendelenburg in Berlin bis zu dem Kieler Nitzsch in Königsberg reichte. Als Olshausen fortging, kam endlich Nesselmann zum Zuge (vgl. GStA …, Nr. 21, Bd. VI, unpag.; Nesselmann – PrMK v. 12. 6. 1867 betr. seinen mühsamen Aufstieg in Königsberg, mit seit 1861 unzu­ länglichen 1.100 Talern). 378 Eduard Simson, 1810 in Königsberg geboren, jüdischer Herkunft, getauft, promovierte an der Albertina 1829 (sic!) zum Dr. jur. und erhielt sogleich die venia legendi. 1833 wurde er ao., 1836 ord. Prof. und gehörte der Fakultät auch noch an, als ihn 1848 seine politische Laufbahn im Paulskirchen­Parlament, als Präsident der Na­ tionalversammlung und seit 1850 als Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses vom Katheder fernhielt. Trotzdem kündigte er bis zum WS. 1860/61 weiterhin Lehrveranstaltungen im Lektionskatalog an. Zur Biographie B. v. Simson 1900, daraus eine Kurzfassung von Wolff 1929; neuerdings Kern 2001.

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Nitzsch, Maurenbrecher, Hopf, Hagen, Lehrs, Friedländer, Jordan, Schade, Nesselmann, Simson, Ilse sowie die Philosophen Karl Rosenkranz und Friedrich Ueberweg – mit diesen dreizehn geistes­ wissenschaftlichen Ordinarien nebst den neun, sämtlich vor 1870 besetzten naturwissenschaftlichen Lehrstühlen für theoretische Physik und Mineralogie (Franz Ernst Neumann, seit 1829!), Experi­ mentalphysik (Ludwig Moser), Mathematik (Friedrich Julius Richelot), Zoologie (Gustav Zaddach), Botanik (Robert Caspary), Chemie (Carl Graebe), Pharmazeutische Chemie (Hermann Spirgatis), Landwirtschaft (Theodor von Goltz) und Astronomie (Eduard Luther) zog die Fakultät ein ins „Neue Reich“. Damit stand die altehrwürdige Albertina mit den eher „neupreußischen“ Hochschulen Greifs­ wald und Kiel am unteren Ende der Rangliste deutscher Universitäten, dort also, wo sich um 1870 auch nur zwischen 400 und 600 Studenten zählen lassen. Berufungspolitik und weltanschauliche Fraktionierung An den Personalia der Philosophischen Fakultät ist am deutlichsten abzulesen, wie in den 1870er Jahren der außerhalb der Universität am Pregel dominante und auch auf die Albertina einwirkende liberaldemokratische Fortschrittsgeist der Vormärz­Ära relativ rasch dem nationalliberal getönten Konservatismus weichen mußte. Nach den Landtagswahlen von 1867 registrierte der Historiker Karl Wilhelm Nitzsch (1862–1872) einen „schroffen Uebergang vom liberalen ins conservative Extrem“, der auch die Universität erfasste. Obwohl kurz nach dem Abzug des seit 1864 beurlaubten, seit 1866 für die Konservative Partei im preußischen Abgeordnetenhaus sitzenden Nationalökonomen Johann Karl Glaser (1868)379 und der Selbstausschaltung seines gleichfalls regierungsfrommen Fachkollegen Leopold Ilse, der in Hessen für Bismarcks Politik laut die Trommel gerührt, und seinen Lehrstuhl an der Philipps­Universität mit dem Glasers getauscht hatte, die übrigen akademischen Verfechter des wahrhaft „extremen“ Konservatismus ohne Resonanz blieben.380 Glaser wollte im Winter 1863/64 zur Unterstützung der Politik Bismarcks mit Jahrbüchern für Gesellschafts­ und Staatswissenschaften die öffentliche Meinung in „verständig konservativer Richtung“ beeinflussen und zur „richtigen Erkenntniß der Preußischen Politik anregen“. Da das in Berlin geschehen sollte, erhielt er Urlaub, der Ende 1864 bis 1. 11. 1865, schließlich sogar bis 1. 11. 1866 verlängert wurde. Bismarck und Innenminister zu Eu­ lenburg zeigten sich so „lebhaft“ an dem Projekt interessiert, daß sie eine Berufung Glasers nach Berlin anregten, was Kultusminister v. Mühler aber dann allzu weit ging, der diese „nicht bedeutende Kapacität“ den Berlinern nicht oktroyieren wollte, denn dies aus durchsichtigen politischen Gründen zu tun, wäre „unvereinbar mit den Aufgaben der Universität“ (Zitate aus Schreiben v. Mühler – Zivilkabinett 22. 3. u. 21. 12. 1864, GStA, Rep. 89, Nr. 21658, Bl. 227, 230). 380 Der Nationalökonom Ilse schien mit Geld nicht umgehen zu können. Schon seine Studienzeit stand im Zei­ chen exzessiver Schuldenmacherei. Der Ortswechsel von Marburg nach Königsberg befreite ihn nicht von seinen Gläubigern. Er erleichterte nur, da den Geldverleihern am Pregel sein übler Ruf anfangs noch unbekannt war, die Aufnahme neuer Darlehen. Um 1875 schwebten nicht weniger als 36 Prozesse gegen ihn, seit 1874 hielt er sich da­ her so wenig wie möglich in der Stadt auf, arbeitete als Journalist in Düsseldorf und beantragte unter wechselnden Vorwänden seine Beurlaubung vom Lehramt. Um das Maß voll zu machen, rutschte der schwere Alkoholiker Ilse in die schamfreie Asozialität ab. Paul Krüger erinnerte sich an die Zeit um 1875, als Ilse nur noch hin und wieder „als Geistesabwesender“ in Königsberg „auftauchte, sei es im Rinnstein, sei es in der Kneipe“, und ein Kollege ihn „in der Gosse aufgelesen“ habe (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 103 I, Bl. 63 f.; an Althoff v. 21. 11. 1882). Ge­ gen Ilse wurde schließlich ein Disziplinarverfahren eröffnet, das 1882 mit seiner Amtsenthebung endete. Nur we­ gen des von ihm reklamierten Einsatzes, mit „preußischer und konservativer Richtung“ (PrMK), für die „erhabene Hohenzollern­Dynastie“ (Ilse) wollte das PrMK zwar keinen Deut von dieser Entscheidung abweichen, stellte dem obersten Dienstherrn aber anheim, ihm auf dem Gnadenwege eine Pension zu gewähren (Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 60–64; Eingabe Ilse – ZivK v. 31. 10. 1882 und Stellungnahme PrMK 8. 12. 1882). Zum Disziplinarverfahren vgl. Rep. 90, Annex F, Nr. 14. – Über den „nicht unbegabten, aber moralisch durchaus verworfenen, wenig unterrich­ teten journalistischen Abenteurer“, der „noch dazu ein Trunkenbold“ war, vgl. die Erinnerungen des Marburger Studenten und späteren Universitätsbibliothekars Otto Hartwig, 1906, S. 58.

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Für Nitzsch zeigte sich der „naive Charakter des hiesigen Liberalismus“ mitten in diesem Um­ schwung. Ältere Historikerkollegen wie der „ehrliche Gothaer“ Schubert, „durch seine beständige politische Thätigkeit von wissenschaftlichen Studien abgezogen“, hätten ihren Anteil daran, daß die historischen Disziplinen ihre Fühlung mit der „allgemeinen Bildung“ verlören und die politische Ur­ teilskraft auch deswegen an Realitätssinn einbüßte.381 Vor allem die Altphilologen Karl Lehrs, der den aufklärerischen Idealen seines Lehrers Lobeck verpflichtet blieb,382 der Experimentalphysiker Moser383 und Ludwig Friedländer hingen „fortschrittlichen Ideen“ an, wünschten das „Fiasco der Preußischen Politik“ und „vertheidigten den Segen der Kleinstaaterei mit Enthusiasmus“.384 Aber Arthur Ludwich, 1878 mit dem seltenen, in diesem Fall indes mit großer Emphase gebrauchten Argument, es gelte eine Schultradition an der Albertina zu bewahren, für die Nachfolge Lehrs’ vorgeschlagen, setzte zwar tat­ sächlich das philologische Lebenswerk seines Lehrers mit fleißiger homerischer Textkritik fort,385 nicht aber dessen politische Prätention, die sich etwa in althistorisch­philologisch verhüllter liberaler Zeitkri­ tik äußerte.386 In der Amtszeit des liberalen Kultusministers Falk, von 1872 bis 1879, blieb die Berufungspolitik von der Radikalität des konservativen Umschwungs noch verschont, doch verzögerte dies nur einen Prozeß, der nicht aufzuhalten war. Der Althistoriker Franz Rühl (1876–1911) war daher der letzte „Radikaldemokrat“, der vor 1918 in Königsberg einen Lehrstuhl erhielt. Der Internist Naunyn, „Fort­ schrittler“, wußte um 1880 nur noch wenige Dozenten aus der Nachbarfakultät zu nennen, die er, weil sie seine politischen Überzeugungen teilten, zu seinem „engeren Freundeskreis“ rechnete.387 Er­ wähnung fand der Botaniker Robert Caspary, als Vikar dem geistlichen Amt entflohen, seitdem zwar kein Ungläubiger, aber ein „Feind der Theologen“.388 Ferner der Archäologe Hirschfeld, der aber bald Nitzsch – Maurenbrecher v. 28. 1. 1869, in: Below/Schulz 1911, S. 313 f. Über Lobecks in Reden über antike Themata versteckte Zeitkritik seit 1848 vgl. Prutz 1894, S. 243 f. und unten Anm. 680. 383 Ohne Beleg von Esau 1935, S. 98, mit Lobeck und dem Privatdozenten Ernst Burdach (Anatomie) zu den „Radikalen“ gerechnet. 384 Nitzsch in Briefen an seinen Kieler Freund Christian Peter Jessen (1862–1875), ed. v. Below 1911, 37 f., 42, 45. – Zu beachten ist indes: Bei Lehrs bewirkte der von ihm so beurteilte deutsche Verteidigungskrieg gegen Frank­ reich 1870 („dem ekligen und wahnsinnigen Franzosenvolk“) eine Abkehr vom extremen Partikularismus, wie aus zwei Schreiben an den linksliberalen Kantianer Wilhelm Tobias v. 17. 9. u. 16. 10. 1870 hervorgeht („… warum soll ich das alles negiren?“), Ludwich ed. 1894, S. 824– 830. An noch versteckterer Stelle, in einem Privatdruck der Briefe an seinen Schüler Fritz von Farenheid (Beynuhnen), heißt es nach einem Abstimmungssieg des preuß. Ministerpräsidenten: „[…] für einen großen Verehrer Bismarcks, wie Sie es sind, und wie ich es jetzt a u c h [Sperrung, CT] bin […]“ (v. 10. 3. 1872, in: Lehrs 1878, S. 40). 385 Vgl. nur den ersten Band seines Hauptwerks zu ‚Aristarchs homerischer Textkritik‘, 1884, S. V, den „frucht­ baren Boden, den Lehrs urbar gemacht hat“, betreten wollend. Da der Hausheilige der Königsberger Gräzistik des 19. Jhs., der alexandrinische Grammatiker Aristarchus aus Samothrake (um 170 v. Chr.), den Homer­Text selbst aus verlorenen Handschriften kompilierte und sein Text wiederum nur durch spätere Grammatiker vermittelt wurde, speisen sich Ludwichs philologische Rekonstruktionen also aus mindestens vierter Hand, dabei sich im dichten Gestrüpp von Textvarianten, Lesarten, Kollationen, Konjekturen verfangend, das Kollegen vor ihm um die Überlieferung haben wachsen lassen. – Ganz in diesem Gleise fahren auch die kurz vor der Emeritierung ver­ öffentlichten Analysen über den ‚Homerischen Hymnenbau‘, in denen es Ludwich nicht gelingt, den Wust seiner Gelehrsamkeit auf eine oder mehrere zentrale Fragestellungrn hin zu gruppieren. 386 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV. Nr. 21, Bd. XI, Bl. 101–105; PhilFak – PrMK v. 30. 6. 1878, Nf. Lehrs: 1. Ludwich (seit 1875 Breslau). – 2. Erwin Rohde (1845–1898), Habil. Kiel 1870, ord. Prof. Jena 1876, 1878 Tübingen, 1886 Leipzig. – 3. Wilhelm Ritter von Hartel 1839 Hof/Mähren–1907 Wien, ebd. 1866 Habil. u. ord. Prof. 1872, 1896 Sektionschef, 1900–1905 k. u. k. Minister für Unterricht u. Kultus, s. Engelbrecht 1908. 387 Naunyn 1925, S. 321–323. 388 Die er, wie Naunyn berichtet, im Generalkonzil regelmäßig grob abgefertigt habe. Wie er stets „Fortschrittler“ für Illusionisten hält, so ironisiert Nitzsch auch R. Caspary, der als Prorektor in den Tagen der Versailler Reichs­ 381

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ins nationalliberale Lager wechselte. Ebenso wie der eher nationalliberale Latinist Henri Jordan, Cato­ Forscher aus Neigung zum pragmatischen Römertum, das sich nicht „subjektive Ideale der Sittlich­ keit construirt“, sondern das Göttliche als „einfach Gegebenes“ hinnimmt und „innig verehrt“, somit offenkundig ein Befürworter Bismarckischer „Realpolitik“.389 Jordan, ein Schwiegersohn Droysens, war indes mehr in seiner „geistigen Heimat“ Rom als in Königsberg zuhause, so daß er fakultätspolitisch kaum eine Rolle spielte.390 Schließlich zählten zu diesem Kreis der Indogermanist Bezzenberger,391 von 1890 bis zur Emeritierung 1921, im merklichen Gegensatz zur Randständigkeit seiner Disziplin, einer der einflußreichsten Dozenten in Fakultät und Universität, sowie der Zoologe und Schwiegersohn Carl Vogts, des „Vulgärmaterialisten“, Carl Chun, über den Althoff sich selbst beruhigend notierte, er sei wenigstens kein „blinder Anhänger Darwins“.392 Und im SS. 1883 trat als Hagens Nachfolger der Kunsthistoriker Georg Dehio in die Fakultät ein, der wenige Monate später der Schwiegersohn des „Fortschrittlers“ Friedländer wurde, und – seine baltischen Erfahrungen schienen das nahezulegen – der gleichwohl Bismarcks Reichsgründung als Endziel deutscher Geschichte guthieß, dessen weitere Hoffnungen sich aber auf den Kronprinzen und Ehrenrektor der Albertina zu konzentrieren schienen, die indes 1888 binnen 90 Tagen verflogen. Enttäuscht reagierte er daher auf Wilhelm II.393 Eine Sonderstellung als dem neben Hagen ältesten Verfechter der deutschen Einheitsidee, die sich mit seinem kantigen preußischen Royalismus zu vertragen schien, kam dem Physiker und Fakultäts­ nestor Franz Ernst Neumann zu. Geboren 1798, nahm er als freiwilliger Jäger 1815 am Feldzug ge­ gen den von Elba zurückgekehrten Napoleon teil und wurde bei Ligny schwer verwundet. Zunächst Theologie studierend, geriet er 1817/18 in Jena ins Zentrum der burschenschaftlichen Bewegung um Friedrich Ludwig Jahn. Von beiden Jugenderlebnissen blieb sein politisches Weltbild fortan bestimmt. 1848/49 agitierte er gegen „die Revolution“, trat aber für die nationalen Ziele der Paulskirche ein und stand einem Königsberger Wahlverein für den Erfurter Reichstag vor. Ein von ihm verfasster Aufruf forderte seine Mitbürger auf, den „deutschen Bundesstaat“ zu schaffen, als Garanten „der Macht und Freiheit des einigen Deutschlands“, ein „Werk Deutscher Einigung“, das freilich allein durch „geistigen Kampf“ und „Reform“ realisiert werden sollte – und nicht ohne Preußen, das „die Sache der deutschen Einigung zu seiner eigenen“ machen sollte.394 Daß der Veteran der Befreiungskriege in der „Con­ fliktszeit“ als Anhänger der Konservativen Partei und enthusiastischer Bismarckianer Wahlreden hielt und Geld spendete, lag in der Konsequenz einer politischen Vorstellung vom Primat der nationalen Einheit, dem die verfassungsrechtliche Freiheit nicht nur nachgeordnet, sondern Funktion der außen­ politischen Unabhängigkeit war, der „Freiheit“ von „Habsburgs Führung“ und seiner „Vasallenwirth­ gründung einen „populären Vortrag“ gehalten habe zum Thema: „‚Wie Deutschland sich auf seiner politischen Höhe halten kann“, wo der Botaniker bei „Religion und protestantische[m] Cultus“ begonnen, beim Gebrauch der Fremdwörter geendet habe, offenbar ohne die welthistorischen Ereignisse in Frankreich zu berühren. Nitzsch – Ernst Nitzsch v. 26. 1. 1871, in: v. Below (Hg.) 1911, S. 93 f. 389 Diesen Schluß auf Jordans politische Gesinnung legt Lübberts Nekrolog (1886, S. 228 f.) mit seiner dezi­ dierten Hervorhebung früher Sympathien für den römischen, zur „frischen That“ befähigten Realismus wie der Antipathie gegen „ideologische[s] Grübeln“ und der Suche nach „Idealen“ nur in der „transcendentalen Welt“ sehr nahe. 390 Naunyn 1925, S. 321. 391 Je intensiver sich Bezzenberger in die Geschichte der Befreiungskriege vertiefte, desto mehr tendierte er zu preußisch­konservativen bzw. seit 1918 zu deutschnationalen Positionen (siehe Bd. II). 392 PrMK, Aktennotiz zur Berufungsvereinbarung v. 28. 9. 1883, GStA …, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 49. Der Nachruf Chuns auf den britischen Naturforscher bestätigt diese Einschätzung: Darwin habe es vermieden, den „höchsten und letzten Fragen der Wissenschaften nahe zu treten oder gar eine vermeintliche Lösung derselben zu versuchen“, im Unterschied zu den deutschen Darwin­Enthusiasten, die bemüht gewesen seien, der „Entwicklungshypothese“ eine „geistige Vertiefung“ zu geben, was sehr vornehm Haeckels Verweltanschaulichung umschreibt. 393 Betthausen 2004, S. 116. 394 Aufruf und Wahlprogramm in L. Neumann 1907, S. 376–378.

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schaft in Deutschland“ wie vom französischen „Erbfeind“.395 Als Residium politischer Freiheit mußte unter diesen Bedingungen für Neumann allein die Universität, der Ort der „Lehr­“ und „Lernfreiheit“ übrig bleiben. Gerade der Naturwissenschaftler Neumann, als Berliner Theologiestudent vom Geist Humboldts berührt,396 profilierte sich in Königsberg als wissenschaftspolitischer Idealist, als das Pathos nicht scheuender Verteidiger von „Einsamkeit und Freiheit“ gegen die Zumutungen des politisch oder ökonomisch motivierten Pragmatismus, der allseits andrängenden Forderung nach der „Nützlichkeit“ wissenschaftlichen Forschens.397 Philosophie Diese Disziplin, die dank Kant wie keine andere den Ruhm der Albertina begründet hatte, erfreute sich nach dem Tod des „Alleszermalmers“ nie der besonderen Fürsorge des Kultusministeriums. Um 1870 ließen sich die Auswirkungen dieser Indolenz daher kaum übersehen. Karl Rosenkranz, Nach­ folger Herbarts seit 1833 und heute noch gemeinhin, aber unzutreffend, als „letzter Hegelianer“ ge­ handelt, baute Ende der 1860er Jahre körperlich rapide ab. 1873 mußte der neben dem Physiker Franz Ernst Neumann über Preußen hinaus bekannteste Repräsentant der Königsberger Gelehrten­ republik, der überzeugte „Konstitutionalist“, der 1848 beinahe preußischer Kultusminister geworden wäre,398 seine Vorlesungen wegen Erblindung einstellen.399 Ihm zur Seite stand seit 1862 als Extra­ ordinarius und Nachfolger des 1825 habilitierten, ultrakonservativen Herbart­Schülers Gottfried Friedrich Taute (1796–1862),400 der in der Ära von Mühler berufene (allerdings: heimliche) „Atheist und Materialist“,401 der Anti­Kantianer und „Historiker der gesamten Philosophie des Abendlandes“ Über Neumanns politische Einlassungen 1863 bis 1870/71 vgl. ebd., S. 381–389. Ebd., S. 89: Ein Erlaß des Rektors, des Theologen Marheineke, habe formuliert, was Neumanns Überzeugung geblieben sei „bis in’s höchste Alter“: das „Studium der Wissenschaften“ sei kein „Mittel zum Erwerb“, wer mit dem „praktischen Ende der Wissenschaften“ sich begnügen wolle, gehöre nicht auf die Universität, sondern möge sich in „‚anderen für die Technik eingerichteten Anstalten Fähigkeiten erwerben‘ “. 397 Die Zeugnisse reichen hier von seiner Rede zur Immatrikulationsfeier 1843, der Rede zur Übergabe des Pro­ rektorats 1844 bis zur Dankrede an die Studenten zur Feier seines 50jährigen Doktorjubiläums 1876, vgl. L. Neumann 1907, S. 354–356, 356–363, 391 f. 398 Dazu Herre 1919, S. VIII–XXVII sowie ausführlicher über Rosenkranz als Politiker: Esau 1935. 399 Im WS. 1867/68 las Rosenkranz mit großem Erfolg vor 109 Hörern über ‚Philosophie der Geschichte‘. Ab SS. 1868 heißt es in den Quästorakten immer öfter „wegen Augenkrankheit nicht gelesen“. Seine letzte Vorlesung (über „Naturphilosophie“) fand im WS. 1873/74 vor 96 Hörern statt. 400 Als schönes, das ausschließlich weltanschaulich­politische Verständnis von „Philosophie“ bezeugendes Doku­ ment vgl. den Brief des „Reaktionärs“ Taute an das Preuß. Kultusministerium, undatiert (Eingang 17. 1. 1859), GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. IV, Bl. 101–105. Darin sich, als einzigen Vertreter des Herbartiani­ simus an den „Königlichen Landesuniversitäten“ Preußens, für ein Ordinariat empfehlend, um mit solcher Autori­ tät versehen die „revolutionäre Gewalt“ zu brechen, die, Thron und Altar bedrohend, vom „Spinozismus, Panthe­ ismus und Materialismus“ der „Deutschen philosophische[n] Systeme“ der „Fichte­, Schelling­ und Hegel’schen Philosophie“ sowie von der „nihilisierte[n] Theologie“ Schleiermachers ausginge. 401 Ob Ueberweg wirklich Atheist und Materialist war, darüber war sich sein Königsberger Freund, der Medizi­ ner, Verfechter der „naturalistischen Weltanschauung“ und Radikaldemokrat Heinrich Czolbe (1819–1873) mit dessen Studienfreund F. A. Lange nicht ganz einig. Jedenfalls ließ er vorsichtigerweise davon nichts in seine Vor­ lesungen einfließen, während die zweifelsfrei materialistisch grundierten Publikationen, die für ein Fachpublikum bestimmt waren, nichts Bekennerhaftes aufwiesen und sich in der „Religionsfrage“ bedeckt hielten, obwohl ihr Verfasser früh in den Bannkreis von David Friedrich Strauß geraten war und schon als Bonner Privatdozent über die „Reform der religiösen Verhältnisse“ samt einer „Kirche der Zukunft“ nachdachte, die seine „Sehnsucht nach Gemeinschaft“ befriedigen sollte und die ihren Mitgliedern nicht mehr das Opfer wissenschaftlicher Überzeugung zumuten würde (Lasson). Lange dokumentiert jedenfalls in seinem Ueberweg­Nachruf, zuerst fürs ostpreußische Publikum in den Altpr. Monatsheften veröffentlicht, daß er Czolbes Urteil sehr weitgehend akzeptierte, wie sich 395

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Friedrich Ueberweg,402 1867 zum Ordinarius befördert, 1871 im Alter von 45 Jahren von einer Blut­ krankheit dahingerafft. Ihm folgte zum WS. 1871/72 der in Berlin kaum habilitierte, lebenslang ge­ gen „Materialismus und Monismus“ fechtende „Spätidealist“ Julius Bergmann und nicht etwa der von der Fakultät präferierte Friedrich Albert Lange.403 Dem linksliberalen Kantianer Emil Arnoldt, neben dem als Dozenten gänzlich erfolglosen Rosenkranz­Schüler Ernst Ferdinand Friedrich der ein­ zige Nachwuchsphilosoph aus den eigenen Reihen,404 in der „Reaktionsära“ von einer akademischen Karriere ausgeschlossen, blieb hingegen auch in Falks Amtszeit das von der Fakultät für ihn beantragte Extraordinariat versagt.405 Als Student bereits war Arnoldt der Königsberger Polizei als Sympathisant der „Freien religiösen Gemeinde“ des Predigers Julius Rupp unangenehm aufgefallen. 1851 mußte er auch in der verb. Aufl. seiner ‚Geschichte des Materialismus‘ nachlesen läßt. Ebenso bei Adolf Lasson, der betont, daß Ueberweg, ein Aktivist von 1848, bewaffnet im Berliner Studentenkorps und Redner in Volksversammlungen, 1861 in Bonn wieder Wahlmann im Constitutionellen Verein, in seiner Königsberger Zeit (ab 1862) immer „schärfer“ in seiner „oppositionellen Stimmung“ geworden sei, keine Freude an 1866 und 1870 empfinden konnte und sein Herz mehr für die Freiheit als für die Einheit schlug, er mehr Kosmopolit als Patriot gewesen sei (Lasson 1871). Zum Briefwechsel Lange – Czolbe vgl. Lange 1968, S. 299–324; dort (S. 328) auch die im Auftrag der Fakultät erfolgte Rosenkranz­Anfrage v. 23. 6. 1871 (am 9. 6. war Ueberweg gestorben!) an den Züricher „Colle­ gen“, ob er nicht geneigt sei, nach Königsberg zu kommen, zumal „Sie und ich uns bis dato durch die Geschichte des Französischen Atheismus einander näher gerückt“ seien! Auf eines der „Pamphlete und Offenen Briefe“ aus der Zeit des politischen Engagements in Bonn Bezug nehmend, folgert Wittmütz 1994, S. 167, Ueberweg habe den Sinn für das Mysterium wie das Dogma der christlichen Religion verloren: „Der Gott der Offenbarung bedeutete ihm nichts mehr.“ 402 Vgl. das jüngste Portrait von Wittmünz 1994, hier zit. S. 153. 403 GStA …, Nr. 21, Bd. VII, Bl. 172; PhilFak – PrMK v. 14. 2. 1872, Liste Nf. Ueberweg, unico loco J. Berg­ mann, dem sie als Herausgeber der Philosophischen Monatshefte attestiert, sich nicht auf einen „beschränkten Parteistandpunkt“ festgelegt zu haben und an der „Überwindung unseres Dualismus in den idealistischen und realistischen Extremen“ zu arbeiten. Die vom PrMK weitergeleitete Selbstbewerbung des Bonner Philosophen und Bibliothekars Carl Schaarschmidt (1822–1909) war stillschweigend unter den Tisch gefallen, ebenso die des zum Fakultätsinventar zählenden Privatdozenten F. Friedrich (ebd., Bl. 170, Kurator – PrMK v. 2. 3. 1872; s. u., Anm. 404). Das PrMK verfügte über positive Gutachten, die Trendelenburg und Harms über Bergmann erstattet hatten, die diese ungewöhnliche Beförderung eines PD zum Ordinarius rechtfertigen sollten (ebd., Bl. 173 f.; PrMK – ZivK, Bestallungsvorschlag v. 19. 3. 1872). – Für die weltanschaulichen Grundpositionen Bergmanns vgl. pars pro toto ders. 1882 („… was wohl aus der Menschheit werden würde, wenn ihr der Glaube an das Dasein Gottes, an die Freiheit des Willens, an die Unsterblichkeit der Seele gänzlich abhanden käme“); eine ausführlichere Präsentation der zeitkritischen Seite seiner Philosophie bei Sieg 1994, S. 174–189. 404 Friedrich, Jg. 1831, 1859 habilitiert, war der erste Dozent nach Herbart, der regelmäßig auch über Pädagogik las. Sein einziges monographisches Werk (‚Beiträge zur Förderung der Logik …‘) hatte er 1864 Rosenkranz, Tren­ delenburg und Prantl gewidmet. Ein anonymer Rez. ließ in den Altpr. Monatsheften 1864, S. 639, durchblicken, daß „wohlthätige Selbstkritik“ nicht nur „zur allmählichen Abstreifung manches Excentrischen führen“ möge. 1873 war Friedrichs kleines väterliches Vermögen aufgebraucht, sein Gesuch, ihm ein besoldetes Extraordinariat zu übertragen, wurde von der Fakultät, anders als bei Arnoldt, nicht unterstützt, da, wie es hieß, er wissenschaftlich ohne Bedeutung sei und nur ein bis zwei Hörer anziehe. Ab WS. 1875/76 stellte er seine Lehrtätigkeit ein. 405 Immerhin ist beachtenswert, daß sich die Fakultät überhaupt für Arnoldt stark machte! GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 126–130; PhilFak – PrMK v. 21. 7. 1878, Antrag Arnoldt zum ao. Prof. zu ernennen, unter Hinweis auf den erfolglosen Antrag v. 10. 7. 1876. In diesem älteren Antrag habe man noch um die Neubegründung eines Lehrstuhls gebeten, dessen Inhaber sich „in erster Instanz“ um die „Pflege der kantischen Philosophie“ kümmern solle. Nunmehr wolle man sich auf ein besoldetes Extraordinariat beschränken, in der Hoffnung auf die „segensreichen Folgen“, welche die „Wiederbelebung des Einflusses der edlen Denkart dieses Philosophen“ [Kant] auf „weitere Kreise unseres Volkes ausüben kann“. Auch auf diesen volkspädagogischen Kö­ der biß Falk nicht an. Der Antrag wurde wieder abschlägig beschieden, obwohl gerade diese politisch bewegten Wochen nach dem der SPD zugeschriebenen Attentat auf Kaiser Wilhelm I. die „idealistische Wende“ in der preußischen Berufungspolitik einläuteten – hin zu Kant, wie Köhnke 1986, S. 404, 422 f., 431–433 nachweist.

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wegen eines regierungskritischen Artikels in Rupps Volksboten für vier Wochen ins Gefängnis. Bis 1856 war ein gegen ihn anschließend an die Haft verhängtes Aufenthaltsverbot für Königsberg in Kraft, das ihn 1852 zum Ausweichen aufs Land zwang, das seitdem aber nicht mehr vollstreckt wurde, so daß er 1853 von Rosenkranz promoviert werden konnte.406 An die bereits vorbereitete Habilitation durfte der politisch „belastete“ Arnoldt, der sein Geld als Privatlehrer verdienen mußte, jedoch erst nach 1870 wieder denken. Von Rosenkranz und dem liberalen Altphilologen Ludwig Friedländer geför­ dert, erhielt er 1874 die venia, verbuchte bis 1878 als Privatdozent auch bemerkenswerte Lehrerfolge, resignierte aber nach den von Falk abgeschmetterten Fakultätsanträgen, zumal ihm dessen Referent Goeppert auch ganz ungeniert eröffnete, daß man im Ministerium nichts vergessen habe und er „in Preußen niemals würde angestellt werden“.407 Mit seinem Studienfreund Rudolf Reicke, seit 1870 Erster Kustos an der Universitätsbibliothek,408 personifizierte Arnoldt die um die Erforschung von Kants Leben und Werk verdiente „Königsber­ ger Lokaltradition“, die bei beiden nicht von ihrer Sozialisation im vormärzlichen Liberalismus zu trennen ist, zu dem sie sich lebenslang bekannten.409 Sein Schüler und Nachlaß­Herausgeber Otto Schöndörffer, der als Königsberger Gymnasiallehrer mithalf, diese linksliberale Kanttradition bis in die 1920er Jahre hinein zu bewahren, urteilt zu Recht, daß der Aufklärer Lessing, dessen „Ideal für wahres Menschentum“, dem „Selbstbestimmung und Gewissenhaftigkeit über alles gingen“, in „weit höherem Maße als Kant“ Arnoldts Hausgott gewesen sei.410 Daher las und interpretierte Arnoldt Kant im Geist Lessings, religions­ und staatskritisch, gegen das lutherische wie „römische“ Kirchenchri­ stentum, gegen die preußische Monarchie die kantische Projektion eines „Reiches aller vernünftigen Wesen“ als den „Endzweck der Schöpfung“ stellend.411 Gleichwohl stets kritisch und skeptisch gegen das idealistische Potential der Kantschen Philosophie, vertrat er weltanschaulich einen weniger dok­ trinären Liberalismus als der von ihm verehrte Johann Jacoby.412 So verließ Arnoldt 1860 zwar seine Landeskirche, wurde aber nicht Mitglied in Rupps Gemeinde. Bis Mitte der 1880er Jahre nannte er sich einen kantischen Republikaner, aber „prinzipiellen“ Gegner der Sozialdemokratie.413 Danach rückte er jedoch, im Umgang mit Königsberger Genossen wie Hugo Haase, der Partei näher, zahlte, ohne „erklärtes Mitglied“ zu sein, Beiträge in die „Partei­Kasse“ und bekannte, „sozialdemokratisch bei Reichstags­ und anderen Wahlen“ gestimmt zu haben – von dem Augenblick an, als sich die Fort­ schrittspartei, deren Mitglied er war, mit Bismarcks Außenpolitik aussöhnte.414 Natürlich verstand er sich als Kosmopolit und wähnte sich „frei von nationaler Beschränkheit“, so frei, daß ihm die Siege von 1866 und 1870/71 sowie die Reichseinigung des von ihm verachteten Bismarck gar nichts be­ Dazu Schöndörffer 1910b. Ders. 1910a, S. XVIII–XXXII, dort zu den Umständen der Habilitation und der auch im GStA (s. o., Anm. 405) überlieferte Schriftwechsel zwischen Fakultät und Ministerium 1876 bis 1878. Schöndörffers Briefe­ dition, sozialdemokratisch sympathisierend kommentiert, dokumentiert Arnoldts Verwurzelung im Königsberger Linksliberalismus, die sich prägnant in der Antwort auf den Aufruf zur Errichtung eines Bismarck­Denkmals in Königsberg ausdrückt: „Nach meinem Gefühl und Urtheil schließen Verehrung Kants und Wertschätzung Bismarcks einander aus. Ich hasse und verachte Bismarck.“ (GS, Bd. X, S. 337; an Stadtrat Walter Simon v. 12. 2. 1899 –, im freundlichsten Ton sprach er zugleich die Erwartung aus, Simon wieder beim Bohnenmahl zu begegnen). 408 Über Reicke s. unten Kap. 5 zur UB­AUK. 409 Zur „Königsberger Lokaltradition“ Stark 1993, S. 71–76, wo die beiden jedoch ohne diesen politischen Hin­ tergrund vorgestellt werden. 410 Schöndörffer 1911, S. 15. 411 Vgl. Arnoldts AV v. 13. 3. 1874: Über Kants Idee vom höchsten Gut, in: Ders., GS, Bd. II, S. 196–228, hier S. 225. 412 Vgl. persönliche Erinnerungen eines 1848er Demokraten an Johann Jacoby, in: Arnoldt, GS, Bd. VI, S. 225–241. 413 Briefkonzept an Kuno Fischer v. 9. 8. 1886 , in: Arnoldt, GS, Bd. X, S. 387. 414 Ebd., S. 462, an Karl Vorländer v. 30. 1. 1904. 406

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deuteten. Aber für ganz unberechtigt wollte er den Patriotismus nicht halten und auch seine „innigste Anhänglichkeit an deutsche Geistesart und Geisteseigentümlichkeit“ nicht verleugnen, so daß er Jacob Grimms Diktum beipflichtete, wer seine „deutsche National­Literatur“ kenne, dazu die Hauptwerke der Franzosen und Engländer, könne sich das Bildungsangebot der übrigen Europäer schenken.415 Ebenso selbstverständlich war ihm der „Antisemitismus verhasst als Leugnung und Bekämpfung der durch die Revolution von 1789 ins Bewußtsein der europäischen Menschheit gehobenen Menschen­ rechte“. Gleichwohl stand für ihn außer Frage, daß „bedenkliche Verhältnisse“, die die „Antisemiten“ anprangerten, „tatsächlich vorhanden“ seien. So hätten die Juden „die Börse inne“, sie kontrollierten einen beträchtlichen Teil des Großhandels, „haben die Presse in ihren Händen“, spielten in der Litera­ tur wie „der Gesamtheit des Menschengeschlechts nicht gerade [eine] günstige und wohltätige Rolle“, suchten sich „speziell in die Universitätsprofessuren einzudrängen“ und „bewohnen in den grossen Städten die besten Häuser“.416 Von keinem seiner philosophischen Kollegen, auch von seinem Lehrer Rosenkranz nicht, der sich 1848 selbst ins politische Abenteuer gestürzt hatte,417 sind über einen ähnlich langen Zeitraum eine solche Fülle dezidierter politischer Urteile überliefert, von keinem anderen Königsberger Dozenten eine vergleichbare linksliberale Überzeugungstreue, so daß Ministerialrat Goepperts Versicherung, man werde ihn nie in Preußen anstellen, von einem guten Gespür für die Feinde seines königlichen Herrn zeugt. Gegen den erklärten Willen der Fakultät, zur Unterstützung des erblindeten Rosenkranz, beauf­ tragte Falk 1873 daher nicht Arnoldt, sondern beorderte stattdessen den unausgewiesenen Breslauer Privatdozenten und Lotze­Schüler Richard Quäbicker in den Nordosten, der 1874 als Extraordinarius sogar besoldet wurde, aber 1875, da, „trappistischen Neigungen“ nachgebend,418 literarisch weiterhin unfruchtbar, nicht den Lehrstuhl Bergmanns erhielt.419 Der ging zum SS. 1875 für nur ein Semester Ebd., an Margarethe Quidde, geb. Jacobson, v. 3. 4. 1891, S. 228, u. ebd. v. 28. 4. 1891. Ebd., S. 288–290, an Olga von Hoverbeck v. 3. 5. 1885. Man mußte in dieser Zeit nicht Treitschke oder Stoecker anhängen, um zu solchen Ansichten zu gelangen, wie die große Zahl ähnlicher Urteile im ‚Ehebriefwech­ sel‘ Theodor Fontanes (bes. Bd. III: 1873–1898, Berlin 1998) belegt. Bemerkenswert auch die Ausführungen des 1864 dienstentlassenen, im politischen Leben Königsbergs aber weiterhin überaus präsenten Internisten Julius Möller, als Exponent der Fortschrittspartei ein Gesinnungsfreund Arnoldts. Vgl. Möller 1890, S. 241–264: ‚Die polnischen Juden‘. Möller vertraut auf die „Assimilationskraft unserer Nationalität“, die die von ihm sehr kri­ tisch gesehenen Juden modernisieren und jene unerfreulichen Begleiterscheinungen der jüdischen Zuwanderung verschwinden lassen würden, die, wie etwa das „starke jüdische Kontingent“ in der „Revolverpresse“, leider dem „Geschrei von der Verjudung der deutschen Presse einen gewissen Anhalt gegeben“ haben (ebd., S. 259). 417 Dazu ausführlich, gestützt auf 1945 untergegangene Materialien, die bei H. Rothfels entstandene Dissertation von Lotte Esau 1935. 418 So J. Bergmann 1880 in einer Rez. der Rosenkranz­Broschüre Quäbickers. 419 Falk schien persönlich auffällig interessiert zu sein, den in „ungünstigen Vermögens­Umständen“ lebenden Breslauer Privatdozenten „in seinem Vorwärtsstreben“ die Bahn zu bereiten (GStA, Rep. 89, Nr. 21569, Bl. 133; Falk – ZivK v. 3. 2. 1874 zur Begründung, Q. zum nb. ao. Prof. zu ernennen und ihn zur Ergänzung des Lehr­ angebots nach Königsberg zu schicken). Vgl. dagegen das indignierte Votum der Fakultät v. 14. 1. 1874: für die neuere Philosophie benötige man keine „Verstärkung“, weil Arnoldt ab SS. 1874 über Kant u. a. lese, und für die antike Philosophie sei Q. ausweislich seiner ohnehin spärlichen Publikationen der falsche Mann (GStA …, Nr. 21, Bd. IX, Bl. 94 f.). Quäbicker kam dann dank des Insistierens von Julius Bergmann und von Hermann Lotze am 1. 1. 1875 zu einem besoldeten Extraordinariat (GStA …, Nr. 21, Bd. IX, 163 f.; Lotze – Falk v. 20. 10. 1874: Der mittellose Q. sei in einem Zustand der Aufregung, der einen Schritt der Verzweiflung befürchten lasse; ebd., Bl. 165; Bergmann – Falk v. 2. 11. 1874: die bedrängten Umstände lassen ihn daran denken, seine Stellung zeit­ weise aufzugeben und in die Heimat zurückzukehren). Rückwirkend zum 1. 1. 1875 bewilligte das PrMK dann das besoldete (generöse 3.360 Thl.!) Extraordinariat, ebd., Bd. X, Bl. 3; PrMK – Kurator AUK v. 6. 4. 1875. Er bewarb sich unter Hinweis auf seine angeblich „außerordentlichen“ Lehrerfolge und die „verhängnisvollen“ Kon­ sequenzen, die eine Übergehung für seine weitere Laufbahn haben müßten, 1875 selbst bei Fakultät und Minister 415 416

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an den sich an Lotze anlehnenden Max Heinze420 und anschließend an einen weiteren Kenner anti­ ker Philosophie, an Julius Walter, den Sohn eines livländischen, im Nationalitätenkampf zwischen Baltendeutschen, Letten und Russen engagierten Kirchenpatriarchen.421, 422 Walter schloß sich, wie der Staatsrechtler Zorn Althoff einmal wissen ließ, der konservativen Ordinarien­Fraktion in der Uni­ versität an.423 Der baltische Philosoph lud in den Ankündigungen seiner Vorlesungen hin und wie­ der zu plakativ zeitkritischen Kollegs ein,424 litt aber unter den schwachen Hörerzahlen und deutete um die Nachfolge Heinzes (GStA …, Nr. 21, Bd. X., Bl. 83 u. 95; Q. – PrMK v. 30. 6. 1875 u. an PhilFak. v. 8. 6. 1875). Ihm war jedoch klar, daß die Fakultät ihn schon deshalb ablehnte, weil er ihr durch Falk aufgezwungen worden war, weil sie aufgrund der „Persönlichkeit“ des jungen Mannes an der Möglichkeit „collegialischen Zusam­ menwirkens“ zweifelte, und sie im übrigen einen Fachmann für die Geschichte der antiken Philosophie begehrte. Damit konnte Quäbicker, der bis dahin nur das Spektrum von Leibniz bis Schleiermacher abgedeckt hatte, nicht dienen. Trotzdem trat schon zu dieser Zeit Schade in einem gänzlich aussichtslosen, nur vom Althistoriker von Gutschmid mitunterzeichneten Separatvotum für ihn ein. Darin war er mit erheblichem rhetorischen Aufwand be­ strebt, die aus „intimsten Privatkreisen hinaus transpirierten, ihm zugeschriebenen Äußerungen“, die mindestens einmal auch den Senat beschäftigten, auf die „Jugend“ und die „westfälische Eigenart“ Quäbickers zu reduzieren, auf ein zur Unabhängigkeit neigendes Naturell, das zumindest verspreche, niemals als „Intrigant noch Stimmvieh“ unangenehm aufzufallen (GStA …, Nr. 21, Bd. X, Bl. 91–94; Separatvotum zur Liste Nf. Heinze v. 18. 6. 1875). 420 GStA …, Bd. IX, Bl. 193–196; PhilFak – PrMK v. 21. 11. 1874, Nf. Bergmann, zum 1. 4. 1875. – Heinze, seit 1874 in Basel, war als Zweitplazierter genannt worden, nach Edmund Pfleiderer (1842 Stetten/Remstal–1902 Tü­ bingen, ebd. 1877 ord. Prof.), der 1870/71 als württ. Feldprediger bis zur Belagerung von Paris bei der Truppe war, rühriges Mitglied der Nationalliberalen Partei, Vf. u. a. von: ‚Gottfried Wilhelm Leibniz als Patriot, Staatsmann und Bildungsträger‘ (1870), ‚Die Aufgaben der Philosophie in unserer Zeit‘ (1874), ‚Der moderne Pessimismus‘ (1875). Pfleiderer war erst seit SS. 1873 ord. Prof. f. Philosophie in Kiel und deshalb für Falk nicht disponibel: er könne in Kiel „nicht entbehrt“ werden, so der Minister in seinem Berufungsvorschlag, GStA, Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 150; an ZivK v. 9. 1. 1875. Zu Heinze s. Catalogus. – Bis 1863 Lehrer in Pforta (Nietzsche, dem er als Kollegen in Basel wiederbegegnete, und v. Wilamowitz­Moellendorff zählten dort zu seinen Schülern), danach Erzieher am großherzoglichen Hof in Oldenburg, hatte Heinze sich erst 1872 in Leipzig habilitiert mit: ‚Die Lehre vom Logos in der griechischen Philosophie‘ und einem Vortrag über ‚Die Sittenlehre des Descartes‘, die den „Vater der Moderne“ als Nachtreter der Alten, seine Morallehre als „aufgefrischte stoische“ präsentiert (1872, S. 24). – Trotz seines Kurzaufenthalts am Pregel, zehrte Heinze doch, von der 5. (1876/77) bis zur 10. Auflage (1907), von einem besonderen Königsberger Erbe: dem von ihm zur Fortführung übernommenen ‚Grundriß der Geschichte der Philosophie‘ von Ueberweg, der zwischen 1870 und 1945 verbreitetsten deutschen Philosophiegeschichte, die erstaunlicherweise seit Braasch 1894 noch nie Gegenstand historiographischer Forschung geworden ist. 421 Über Ferdinand Walter (1801–1869), Schüler Hegels und Schleiermachers in Berlin 1827/28, Pastor in Wol­ mar, 1855 livländischer Generalsuperintendent, „Vorkämpfer einer bewußten deutschen Volkspolitik“ in den rus­ sischen Ostseeprovinzen, vgl. die dickleibige Biographie seines Sohnes (1890) sowie die anonym verfasste Lebens­ skizze in v. Taube 1943, S. 126–133. Ausführlich über den „Volkstumspolitiker“ Walter die Königsberger Diss. von Heinrich Thimme 1938. 422 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, Bl. 84–90; PhilFak – PrMK v. 25. 6. 1875, Nf. Heinze: primo et aequo loco Julius Walter (Jena) und der um 1900 zur ersten deutschen Philosophen­Garnitur zählende Wilhelm Windelband (1848 Potsdam–1915 Heidelberg), Habil. Leipzig 1873, 1876 ord. Prof. Zürich, 1877 Freiburg, 1882 Straßburg, 1902 Heidelberg (über seinen Anteil an der „idealistischen Wende“ von 1878/79 vgl. Köhnke 1986, S. 424 ff.). – Walters Vorgänger Bergmann wechselte zum SS. 1875 nach Marburg. 423 Der von Falk 1875 unter dem Vorbehalt der Bewährung zunächst nur als beamteter Extraordinarius auf das Ordinariat Heinzes berufene Julius Walter erhielt am 28. 6. 1876 seine Bestallung als Ordinarius (GStA …, Nr. 21, Bd. X, Bl. 189). Er war bis 1910 im Amt und sein Freund Zorn glaubte ihn fest im konservativen Lager veran­ kert, wenn er sich auch zu dessen Leidwesen nicht öffentlich in die Pflicht nehmen ließ: Dieser Philosoph sei ein „Mensch von jener Vaterlands­ und Königstreue, welche nicht immer erst nach der Partei und dann erst nach dem Staat fragt“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. I, Bl. 28–29; Zorn – Althoff v. 26. 12. 1888). 424 So im WS. 1877/78: Ueber die Grundlagen der moralischen Weltanschauung und SS. 1881: Ueber die Phi­ losophie Schopenhauers und den modernen Pessimismus (VV AUK).

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dieses Desinteresse als „Entfremdung der Jugend“ von den „Idealen ihrer Väter“. An der Albertina, die einen Kant, Herbart und Rosenkranz vorzuweisen habe, müsse er erleben, wie die philosophische Doktorwürde an Kandidaten vergeben werde, die bar jeder philosophischen Bildung seien – ein ihn beschwerender und lähmender Übelstand, den er dem Minister und seinen leitenden Beamten sogar schon öfter persönlich nahe gebracht habe, ohne auf Resonanz gestoßen zu sein.425 Was er sich unter den „Idealen der Väter“ dachte, ließ sich weniger in seinem opus magnum zur Geschichte der Ästhe­ tik in der Antike426 als in einer vor illustrem Publikum gehaltenen Festrede zu Kants 100. Todestag entdecken. Vor den „Spitzen“ der Königsberger Militär­ und Zivilverwaltung, angeführt vom phi­ losophischen Ehrendoktor der Albertina, dem Kommandierenden General des I. Armeekorps, dem wilhelminischen Clausewitz Colmar von der Goltz, durfte Walter sich des Beifalls gewiß sein, wenn er Kant zwischen Bismarck und Moltke plazierte, um diese drei Preußen als Apostel ein und desselben Pflichtevangeliums zu vereinnahmen, das Glück nur dem verheiße, der seinen Egoismus dem Allge­ meinen unterordne: „Was wäre geworden, hätten auch diese Männer, die so ganz in Reih und Glied ihrem Pflichtbewußtsein folgten, sich das eigene Glück zum Ziele des Lebens gewählt?“427 Obwohl es staatsbürgerlicher Aktualisierung solcher Kant­Deutung kaum noch bedurfte, wollte General von der Goltz es sich im anschließenden studentischen Festcommers dann doch nicht versagen zu dekretieren, wie man den kategorischen Imperativ am besten verinnerliche, nämlich „dem Vaterlande Kräfte in guten und bösen Tagen zu widmen“.428 Als Rosenkranz 1879 starb, kam es zum dreijährigen Tauziehen zwischen Fakultät und Ministe­ rium um seine Nachfolge.429 Wie stets gewann der Minister, der im Frühjahr 1882 den Anspruch des literarisch immer noch stumm gebliebenen Quäbicker erfüllte, der weiterhin glaubte, das Ordinariat allein aufgrund seiner Lehrerfolge verdient zu haben. Lange erfreute er sich des zäh erstrebten Postens nicht. Nur wenige Wochen nach seiner Ernennung beging Quäbicker Selbstmord.430 An seine Stelle

GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. III, unpag.; Walter – PrMK v. 15. 5. 1893 anläßlich der Über­ sendung seiner ‚Geschichte der Ästhetik im Altertum‘. 426 Walter 1893. 427 Walter 1904, S. 13 f. – Gegen den „Indifferentismus der Zeit“, für „ideale Werthe“ im Sinne der Maxime „Die Pflicht ist die Richtschnur des Lebens“ Walter schon 1881, S. 142 f. 428 Chronik AUK 1903/04, S. 8. 429 Da der Aktenband verloren ist, der den Schriftwechsel zwischen PrMK und PhilFak in den Jahren 1880–1882 enthält, kann leider nur aus dem Schriftverkehr zwischen PrMK und ZivK rückgeschlossen werden, daß die Ab­ neigung der Fakultät gegenüber dem oktroyierten Quäbicker nach Rosenkranz’ Tod so frisch war wie 1873 (s. fol­ gende Anm.). 430 Quäbickers Königsberger Jahre bilden den historischen Kern von Hermann Sudermanns ‚Roman aus der Bis­ marckzeit‘: ‚Der tolle Professor‘ (1926). Quäbicker = Sieburth, ein freigeistiger Kneipen­ und Bordellgänger, atta­ chiert sich dem, von antimodernen Theologen (= Grau u. a.) unterstützten Germanisten Pfeifferling = Schade, dem „Bannerträger der schwarz­weißen Reaktion“ an jener Albertina, die zum Bedauern von dessen Gegenpart Auer­ bach = Ludwig Friedländer seit 1870 ihren Ruhm als „Hochburg des Liberalismus“ eingebüßt habe, da das Gros ihrer Dozenten sich wie das gesamte deutsche Volk zum Hymnensang um den Fußschemel Bismarcks versammle (Sudermann 1926, S. 106–111). Derartige Personalia lernte Sudermann in seinen Königsberger Studienjahren kennen (1875–1877). – Gegen den Widerstand der Fakultät versuchte Falks konservativer Nachfolger v. Puttka­ mer Q.s Hausberufung auf Rosenkranz’ Lehrstuhl durchzusetzen. Erst im März 1882, einige Wochen vor seinem Freitod, ist er noch zum Ordinarius und Nachfolger Rosenkranz’ ernannt worden, obwohl Falk und v. Puttkamer vor dieser Beförderung lange zurückgeschreckt waren, weil Q. sich seit 1874 als – höflich formuliert – „litterarisch wenig fruchtbar“ gezeigt hatte. Mit dem Lehrerfolg, der dem des Ordinarius Walter angeblich nicht nachgestanden habe, begründete das PrMK schließlich sein Aufrücken zum Rosenkranz­Nachfolger (Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 36 f.; PrMK – ZivK v. 9. 3. 1882, und prompte Bestallung v. 13.[!] 3. 1882). 425

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trat, als Sieger über den von der Fakultät noch einmal ins Rennen geschickten Arnoldt,431 der mit der Fakultas für Mathematik und Physik an Gymnasien ausgestattete Günther Thiele. Ihn begehrte die Fakultät, um, neben dem Philosophiehistoriker Walter, einen Systematiker zu gewinnen, der das Fach wieder in Fühlung mit den „positiven“ Wissenschaften bringen sollte, der aber während seiner Amts­ zeit (1882–1898) zunehmend religionsphilosophischen Ehrgeiz entfaltete, um, in geradezu provo­ kanter Preisgabe kantischer Positionen, „Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“ wieder mit dogmatischer Gewißheit zu offerieren.432 Geschichtswissenschaft Unter den Königsberger Historikern, die 1871 ins neue Reich eintraten, war Carl Hopf der politisch zurückhaltendste. Im Zweifel regierungsfromm, aber passiv sich von politisierenden Kollegen absen­ tierend, bezog er auch als Historiker keine „Standpunkte“, sondern huldigte einem Positivismus, dem jeder Aktenfund gleich mitteilenswert schien, eben „eher ein Sammler als ein Schreiber“. Seine aus­ ufernde ‚Geschichte Griechenlands vom Beginn des Mittelalters [um 400 n. Chr.] bis auf unsere Zeit‘ [1821–1866, mit Griechenlands Unabhängigkeitskrieg gegen das Osmanische Reich anhebend], ein so fundamentales wie unbenutzbares Werk, hatte er 1867 in den, nach einem Bonmot des Rezen­ senten von Gutschmid, enzyklopädischen „Ersch und Gruberschen Katakomben beigesetzt“.433 Sein früher Tod (1873) und die Übernahme seines Lehrstuhls durch einen Altphilologen beendete dann die Präsenz derart positivistischer Genügsamkeit unter Königsbergs Historikern – zumal in der 1872 einsetzenden Ära Adalbert Falks. Eine der ersten Personalentscheidungen dieses treuen Bismarckschen Lehnsmannes im Kampf „ge­ gen Rom“ betraf die Nachfolge des zum WS. 1872/73 nach Berlin berufenen Nitzsch. Mit dem Kieler Althistoriker Alfred von Gutschmid erhielt das Lehrgebiet nun einen wesentlich engeren Zuschnitt, 431 Wie Arnoldt Kuno Fischer am 31. 10. 1882 mitteilt, habe ihn die Fakultät hinter den von Walter „gewünsch­ ten“ Thiele sec. loco gesetzt, vor dem Trendelenburg­Schüler Friedrich Paulsen (1846–1908), 1875 Habil. FWU, ao. Prof. 1878; vgl. GS, Bd. X, S. 349. 432 Der von der Fakultät offenbar schon zu Lebzeiten Quäbickers ausgeguckte Günther Thiele (Halle), den dieser Schade gegenüber als „höchstens kleinen Ranges“ eingestuft hatte, kam dann zum WS. 1882/83 an die Albertina (ebd. Bl. 59; PrMK – ZivK v. 10. 10. 1882). – Zur Religionsphilosophie: Thiele 1895; treffend bemerkt dazu sein Schüler Max Apel, daß hier, um die kantischen Bedenken gegen die „Metaphysik des Uebersinnlichen“ auszu­ räumen, das „Kantische Lehrgebäude als Ganzes […] als baufällig vollständig abgebrochen“ werde (Apel 1897, S. 287). Ein wohl als Zustimmung aufzufassendes Inhaltsreferat liefert Kollege Walter 1897. 433 Mit dem ausdrücklichen Hinweis, er habe sich auf die „äußere Geschichte“ beschränkt, das „geistige, ökono­ mische usw. Leben ausgeschlossen“, dafür sei indes die Darstellung „bis ins kleinste Detail urkundlich verbürgt“, überreichte Hopf das Opus dem PrMK (GStA …, Nr. 21, Bd. VII, Bl. 13, Schreiben v. 2. 3. 1868). Zur ätzenden „Katakomben“­Bemerkung vgl. den Rezensenten v. Gutschmid (wieder abgedruckt in: ders. 1894, S. 426–434), zit. von E. Gerland 1899, S. 347. Unbenutzbar ist diese Geschichte nicht allein wegen fehlender Register oder grober Gliederung, sondern deswegen, weil nur die Chronologie die Exzerptsammlung, die Hopf hier auf 600 großformatigen Seiten zweispaltig als Beitrag für Ersch­Grubers Enzyklopädie drucken ließ, notdürftig struk­ turiert. Ohne den geringsten Kommentar des anonymen Herausgebers, brachte ein New Yorker Verlag Hopfs zweibändigen Wälzer 1960 noch einmal auf den Markt. Etwas später erschien 1964 der Nachdruck seiner ‚Veneto­ byzantinischen Analekten‘ von 1859, eine Art Familiengeschichte venezianischer Dynastengeschlechter auf den griechischen Inseln und somit eine Fingerübung für sein Monumentalwerk. – Zu den wenigen geschichtspolitisch brisanten Fragen, auf die sich Hopf neben der „Zigeuner­Frage“ (1870) überhaupt einläßt, zählt Fallmerayers These von der Vernichtung der Hellenen durch die Slawen, also vom biologischen Verschwinden der „Griechen“, so daß die Bevölkerung, die sich soeben aus osmanischer Knechtschaft befreit hatte, nicht das geringste mit dem Volk Homers, Platons und Aristoteles’ verbinde (Hopf 1867, Sp. 49 ff.) – eine Auffassung, die der vom Griecheni­ deal der Weimarer Klassik eingenommene Historiker umständlich, aber statistisch plausibel zurückweist.

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während Nitzsch im Kolleg die Weltgeschichte von Perikles bis Napoleon aufgeblättert hatte.434 In Kiel, seit 1867 Hauptstadt der neuen preußischen Provinz Schleswig­Holstein, war v. Gutschmid ge­ gen die Mehrheit antipreußischer Kollegen als „unbedingter Annexionist“ aufgetreten, wie sein Duz­ freund Heinrich von Treitschke anerkennend schrieb, und hatte sich viele Feinde unter den Nord­ elbiern gemacht.435 In Königsberg fühlte der keine Polemik gegen Fachgenossen scheuende Kritiker „historischer Combinationen“436, sich, auch wetterbedingt, nicht wohl und brach 1876 seine Zelte ab, um nach Jena zu gehen. Wie erwähnt, entpuppte sich, ohne daß dies für Fakultät und Ministerium erkennbar gewesen wäre, sein eigentlich recht aussichtslos auf der Liste plazierter Nachfolger Franz Rühl (1876–1911) als „Radikaldemokrat“. Bald nach seinem Umzug von Dorpat ließ er sich als Abgeordneter der Freisin­ nigen in die Königsberger Stadtverordnetenversammlung wählen.437 Bis zur Berufung in seinem Fach GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. IX, Bl. 16; PhilFak – PrMK v. 9. 12. 1872, Liste Nf. Nitzsch: primo et unico loco v. Gutschmid, als der vielseitigste, die Geschichte Ägyptens, Indiens, Griechenlands und Roms gleichermaßen beherrschender Althistoriker seiner Generation, der zudem als „höchst anregender“ Lehrer gelte. Das Ministerium war mit dem Vorschlag einverstanden, haderte aber mit dem leidigen Problem, daß Königsberg wegen der „Entlegenheit des Ortes und des harten Klimas“ eine „geringe Anziehungskraft auf deutsche Gelehrte“ ausübe, soweit sie nicht von Geburt der Provinz Preußen angehören. Von Gutschmid könne daher nur für 2.000 statt für 1.600 Thaler gewonnen werden (ebd., Bl. 17, an PrMF v. 15. 2. 1873). 435 Vgl. Treitschke an Friedrich von Weech v. 3. 12. 1864, in: ders., 1929, Bd. 5, S. 605; dazu auch die Briefe von Treitschke und Gutschmid, in: Liepmann 1916, S. 367–372. Vgl. a. Rühl 1894, S. XXV ff., der bei v. Gutschmid glaubte beobachten zu können, wie er sich gegen Ende seiner Königsberger Zeit vom nationalliberalen Standpunkt behutsam ab­ und den Freisinnigen zuwandte, da er Bismarcks Außen­ und neue Wirtschaftspolitik ablehnte, die er in Tübingen in „staatssocialistische Pläne des Reichskanzlers“ münden sah. 436 v. Gutschmid 1876, S. 141; der in Königsberg abgeschlossene Band enthält seine Auseinandersetzung mit der konstruktionsfreudigen ersten deutschen Assyriologen­Generation. Der einzige eigene monographische Versuch zur Geschichte des alten Orients, seine ursprünglich für die Encyklopaedia Britannica verfasste ‚Geschichte Irans‘, die Th. Noeldeke in dt. Übersetzung posthum herausgab (v. Gutschmid 1888) enthält sich daher jeder „Construk­ tion“, schüttet dafür aber nur einen allein chronologisch strukturierten, strikt ereignishistorischen Datenwust zur Auflösungsphase des alexandrinischen Reiches aus. 437 GStA, Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 167; PrMK – ZivK v. 27. 3. 1876, Liste Nf. v. Gutschmid: 1. Heinrich Nissen, 1839 Hadersleben–1912 Bonn, in Kiel Schüler von Nitzsch, Habil. Bonn 1867, b. ao. Prof. Marburg 1870, oö. Prof. 1877 Göttingen, WS. 1878/79 Straßburg, 1884 Bonn, galt schon in den 1870ern als der neben Theodor Mommsen beste Kenner der römischen Geschichte und Fachmann für „italische Landeskunde“, eigentlich eher hi­ storischer Geograph oder Vertreter der „antiquarischen Philologie“, weniger Althistoriker (Kirsten 1968). – 2. Sein nordschleswigscher Landsmann Christian Volquardsen, 1840 Hadersleben–1917 Kiel, 1874 ord. Prof. Kiel, 1878 Göttingen, 1897 Kiel. – 3. F. Rühl (Dorpat). – Dies eine „bereinigte“ Fassung der Fakultätsliste v. 5. 2. 1876, ebd., Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, Bl. 147–154, wo Volquardsen, Rühl und der im Ministerium dann „entsorgte“, von der Fakultät aber am ausführlichsten gewürdigte Holsteiner Victor Gardthausen (1843 Kopen­ hagen–1925 Leipzig), ein Kieler Schüler von Gutschmids, Habil. Leipzig 1873, b. ao. Prof. ebd. 1877–1919, mehr als Paläograph denn als Historiker eingestuft (das Mammutwerk über ‚Augustus und seine Zeit‘ erschien erst ab 1891), in „großem Abstand“ nach Nissen vorgeschlagen wurden. Falk bemühte sich um Nissen, der lieber in Marburg bleiben wollte (aber 1877 einem Ruf nach Göttingen sofort folgte!), während er es für untunlich hielt, Volquardsen der gerade durch andere Wegberufungen schwer gebeutelten Kieler Fakultät zu entziehen. So blieb der nachrangig gesetzte Rühl. – Zu Rühls politischen Präferenzen vgl. die Nachrufe von Mentz 1919 und o. V., Professor Dr. Franz Rühl †, in: KHZ Nr. 308 v. 4. 7. 1916. – Der Preis für seinen unzeitgemäßen Linksliberalis­ mus schien Rühl zwischenzeitlich zu hoch. Sichtlich verbittert schrieb er 1890 an Althoff, daß seine Berufungs­ aussichten nach Halle, wo er endlich dem „Mittelpunkt der deutschen Cultur näher zu kommen“ glaubte, sich deshalb eintrübten (resp. längst erledigt hatten!), weil „politische Vorbehalte“ gegen ihn bestünden. Dabei habe er sich schon länger öffentlicher Wirksamkeit enthalten und sei „politisch seit Frühjahr 1887 in keiner Weise mehr aufgetreten, weder persönlich noch schriftstellerisch“. Zudem sehne er den Zeitpunkt herbei, auch die „Tätigkeit in städtischen Angelegenheiten“ aufzugeben. Sein „freisinniges“ Amt als Königsberger Stadtverordneter behielt er 434

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lediglich mit einer schmalen Schrift über die mittelalterliche Rezeption des altchristlichen Apologeten Justin438 sowie mit einigen Miszellen bekannt, die der Königsberger Kommission aber hinreichten, um ihm die erwünschte, über das „eng Philologische“ hinausgehende Neigung zur „Culturgeschichte“ blanko zu bescheinigen, hegte der erst 33jährige, dem „Isolirschemel“ einer Schleswiger Gymnasial­ lehrerexistenz glücklich entronnene Rühl große Pläne. Nach dem Vorbild seines väterlichen Freundes Ferdinand Gregorovius, zu dessen achtbändiger ‚Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter‘ er das Ge­ neralregister lieferte, wollte auch er als Historiker ein „‚mare ingens et immensum‘ “439 befahren und, als Gegenentwurf zu Droysens klassischer Darstellung, entweder ein epochales Porträt Alexanders des Großen liefern, oder die Geschichte der Sklaverei in der antiken Welt schreiben.440 Über Vorstudien kam Rühl indes nicht hinaus, vielleicht auch deshalb nicht, weil er viel Zeit für Politisches opferte, wie sein gescheiterter Versuch belegt, 1881 für die Freisinnigen in den Reichstag einzuziehen.441 Überdies warf er sich sofort nach Dienstantritt auf die für ihn fachlich weit abliegende Geschichte des altpreu­ ßischen Liberalismus. Zeitgeschichte gewissermaßen, die er, in erinnerungspolitischer Absicht, mit einer Biographie der Symbolfigur der ostpreußischen Liberalen, des 1856 verstorbenen Oberpräsi­ denten Theodor von Schön, bereichern wollte, die er dann zwar auch wieder nicht ausführte, die aber den Anstoß zu einer Briefauswahl aus dessen Nachlaß und zeitraubenden Quelleneditionen zur Ge­ schichte der preußischen Reformzeit gab, die 1904 endlich in vier stattlichen, aus den Papieren Fried­

gleichwohl bis 1910! (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 181/II, Bl. 95; Rühl – Althoff v. 24. 2. 1890). Rühl wußte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß der Hallenser Kurator Wilhelm Schrader hier „invisible hand“ gespielt hatte. Er war bei Kultusminister v. Goßler vorstellig geworden, nachdem eine Fakultätsmehrheit für Rühls Berufung votiert hatte. Sichtlich verzweifelt bat Schrader, gerade diesen Althistoriker doch bitte schön von Halle „fernzuhalten“. Denn er kenne ihn aus seiner Zeit als Provinzialschulrat in Königsberg nur zu gut, fürchte seinen „Lehreinfluß“ und erinnere sich mit Grausen an sein „außeramtliches Verhalten“. Schrader, als gebeutelter Königsberger Exa­ minator, führte dazu ins Feld, daß die aus Rühls Kolleg stammenden Schulamtskandidaten seinem „nachteiligen Einfluß“ erlegen seien, und daß die „Correctur“ solcher demokratischer Ansichten „einige Mühe“ gekostet habe. Wenn Rühls „zuverlässiger Character“ gerühmt werde, so möge das angehen, dürfe aber so verstanden werden, daß er eben ohn Unterlaß seine Überzeugung „rücksichtslos hervorzukehren pflegt“ (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 159; Schrader – PrMK v. 5. 3. 1889). 438 Von v. Gutschmid wurde diese Broschüre (52 Seiten) nicht eben enthusiastisch besprochen, wieder abge­ druckt in: ders. 1894, S. 348–356; zugleich rezensiert mit Rühls als brave Fleißarbeit gewürdigter, umfangreicherer Mikrologie über ‚Die Textesquellen des Justinus‘, 1872. 439 Hönig 1921, S. 165, bezieht sich aber nicht auf das Lebenswerk zur römischen Geschichte sondern auf die nach 1875 in Angriff genommene ‚Geschichte des 30jährigen Krieges‘, ein Ozean, der sich dann selbst für Grego­ rovius als zu gewaltig erwies. 440 Hönig 1921, S. 407, Gregorovius – Rühl v. 8. 9. 1878 betr. der in Aussicht gestellten „Monographie über das antike Sklaventum“ und S. 436, Gregorovius – Rühl v. 9. 11. 1879, dessen Alexander­Projekt mit der „größesten Freude“ begrüßend. 441 Ebd., S. 452 f., Gregorovius – Rühl v. 20. 3. 1881: „Ihre Benachrichtigung, daß Sie sich zu einem Wahlkan­ didaten für den Reichstag [in seiner Vaterstadt Hanau] haben aufstellen lassen, hat mich nicht erfreut, sondern wahrhaft betrübt.“ Gregorovius, im „Oppositionszeitalter“ vor 1848 ein Verfechter liberaler Ideale, hatte, obwohl bis an sein Lebensende „erfüllt von der Weltanschauung des Liberalismus“, wie Rühl im Nachruf beharrte (1891b, S. 6), danach seinen Frieden mit dem preußischen Staat geschlossen, der seine römische Privatgelehrtenexistenz in den 1860er Jahren alimentierte (zu den Zahlungen vgl. den Schriftwechsel in GStA, Rep. 76Vf, Litt G Nr. 26) und dessen Politik er vor allem 1870/71 auch publizistisch verteidigte. Entsprechend hieß es gegenüber dem ebenfalls vom 1848er Geist zehrenden Rühl weiter: „Ich würde, wenn ich einen Staat zu formieren hätte, die Gelehrten aus dessen Parlament grundsätzlich verbannen und mich auf die Erfahrungen des politischen Lebens berufen, welche dartun, daß die Wirksamkeit der Professoren in ihm stets unter dem Grad dessen geblieben ist, was sie in der Wissenschaft geleistet haben. Denken Sie an unser Professorenjahr 1848, und sehen Sie sich noch heute in den Kammern aller Länder um. Es ist unmöglich, ein Licht an beiden Enden zu brennen.“

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rich August von Staegemanns geschöpften Bänden vorlagen.442 Der oberste Schulbeamte der Provinz, Wilhelm Schrader, der mit Rühl einige Jahre in der Wissenschaftlichen Prüfungskommission saß, hatte daher so Unrecht nicht, wenn er konzedierte, diesen Althistoriker rühme man wegen seiner metho­ dischen Gründlichkeit, doch zu „bedeutenden litterarischen Leistungen“ habe sie ihm nicht verholfen. Er sei mithin grosso modo mehr kritischer Philologe als Historiker. „Eine wirkliche historische Bildung und Auffassung besitzt Rühl überhaupt nicht.“ Was nicht verwundere, denn seine allgemeinen und insbesondere politischen Anschauungen stimmten nun einmal mit denen der „süddeutschen Demo­ kraten“ überein, vor allem in der „Abneigung gegen das preußische Staatswesen“. Abstrakte demokra­ tische Ideale, so meinte Schrader wohl, verdürben den historischen Sinn, ohne den Rühl weder für die antike noch für neuere preußische Geschichte etwas leisten könne.443 Über solchen Tratsch, der hinter seinem Rücken Althoffs Dispositionen beeinflußte, war Rühl hinreichend im Bilde. „Meine Stellung zu der preußischen Regierung für sehr schlecht zu halten, habe ich allen Grund“, klagte er dem Hei­ delberger Altphilologen Carl Wachsmuth 1885. Trotzdem klammerte er sich an den Strohhalm, daß man in Berlin doch Interesse haben müsse, durch seine Versetzung in den Westen das „fortschrittliche“ Königsberger Milieu zu schwächen:444 „Allein es ist immerhin die Möglichkeit vorhanden, daß in Berlin gerade kein abgelegter Assistent zu versorgen ist und daß die preußische Regierung es für bequem[er] hält, mich in dem loyalen Marburg, als in dem immer noch etwas unruhigen Königsberg zu wissen, obwohl ich seit langer Zeit in politischen Dingen gar nichts gethan habe.“ Immerhin war Rühl unter den Ordinarien nicht so isoliert, daß sich 1905 nicht eine erkleckliche Zahl von offenbar auch politisch mit ihm Sympathisierenden gefunden hätte, die ihn zur Rektorwahl vor­ schlugen, und ihn, bezeichnend für die relative Stärke des Liberalismus an der Albertina, sogar mit der Hälfte der Stimmen und, einmalig nach 1871, per Losentscheid ins Amt kegelten.445 Rühl 1896 und ders. 1900–1902, 1904. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 159; Schrader – PrMK v. 5. 3. 1889. Rühl hat diese, wie er zu Recht meinte, letzte verpaßte Chance, aus Königsberg fortzukommen, mit großer Verbitterung quittiert. In einem Brief an den seit 1886 in Leipzig amtierenden Carl Wachsmuth macht sich dieser Unmut noch ein Jahr später Luft: „Daß ich mich nicht gerade in einer heiteren Stimmung befinde ist richtig und erklärlich. Mit dem Gedanken, jemals hier fortzukommen, aus dieser Stadt, wo man fortgesetzt verbauert und wo die Menschen täg­ lich scheußlicher werden, habe ich mich hinlänglich vertraut gemacht, finde ihn aber darum nicht anmuthiger. Man macht sich, wenn man es nicht erlebt hat, keine Vorstellung, wie die geistigen und geselligen Zustände hier beschaffen sind und wer als reifer Mann hierher kommt, schlägt, wie ich mir zum Trost sage, die Hände über den Kopf zusammen.“ (SBB, Nl. 171 Wachsmuth, Mappe 91; Rühl – W. v. 29. 4. 1890). 444 SBB, Nl. 171 Wachsmuth, Mappe 91, Rühl – W. v. 20. 2. 1885 betr. eine Marburger Vakanz. 445 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. III, Nr. 1, Bd. II, unpag.; Kurator v. Moltke– PrMK v. 29. 1. 1905: Rühl sei erst im 3. Wahlgang zum Rektor gewählt, und zwar, da er mit dem Gegenkandidaten, dem Physiker Volkmann, pari gestanden habe, durch Los! Rühl, so der erzkonservative v. Moltke, sei „eine eigentümliche Erscheinung“, als Mensch aber eine „makellose Persönlichkeit“. Politisch sei er hingegen untragbar. Er agiere auf dem linken Flügel der Freisinnigen Volkspartei, sei auch im Verein Waldeck gewesen, betätige sich als Königsberger Stadtverordneter, pflege seine stark ausgeprägte Neigung zu Sarkasmus und Rechthaberei und übe unverhohlen Kritik an Maß­ nahmen der Staatsregierung, was aus dem Munde eines Beamten unangenehm auffalle, obschon manche seiner Attacken unfreiwillig stark ins Komische tendierten. Als Rektor 1905/06 sei er jedenfalls „wenig erwünscht“. Trotzdem möge ihm das Ministerium die Bestätigung nicht versagen, das hätte, als singulärer Eingriff „von oben“, unerfreuliche „politische Rückwirkungen“ angesichts der Tatsache, daß die letzte Weigerung von 1863 datiere und lediglich aus formellen Gründen erfolgt sei. Das Rektoramt dürfte auf Rühl „dämpfend“ wirken. Allerdings sollte man ihm auferlegen, sein Stadtverordnetenmandat ruhen zu lassen, um ihm die zweite öffentliche Bühne zu verschließen. – Die Akte enthält die Mitteilungen der Kuratoren über die Abstimmungsergebnisse bei den Rek­ 442

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Sehr viel bewußter als bei Rühl sollte der Typus des „politischen Professors“ bei den Neuhistorikern dominieren. Der mit den „Freisinnigen“ in der Fakultät über Kreuz liegende Nitzsch, der 1866 um ein Haar durch Heinrich von Treitschke ersetzt worden wäre,446 wollte damit schon unter Minister v. Mühler einen Anfang machen, der einem Paukenschlag gleichgekommen wäre. Auf sein Betreiben no­ minierte die Fakultät 1868 als Schuberts Nachfolger Hermann Baumgarten unico loco, jenen Mann, der gerade ätzend mit dem doktrinären Liberalismus der Fortschrittspartei abgerechnet hatte.447 Nur weil Baumgarten der wärmere Süden mehr behagte, ist den „Fortschrittlern“ in der Fakultät diese Provokation erspart geblieben.448 An seiner Statt kam der öffentlich hell für die nationalliberale Sache entflammte Wilhelm Maurenbrecher (1869–1877), der als Historiker des Reformationzeitalters wie als publizistischer Sympathisant der Bismarckschen Politik gleichermaßen antikatholisch und klein­ deutsch­borussisch orientiert war, der aber wissenschaftlich in Königsberg „nicht recht zum Zuge“ kam und nicht erst in Bonn als „Volksredner, als Mann der unkritischen Heldenverehrung und der Vermischung von nationalliberalem Pathos und wissenschaftlichem Anspruch“ galt.449 Ihm folgte als toratswahlen von 1886 bis 1924. In der Regel kam die neue Magnifizenz mit 2/3 der Stimmen ins Amt, nur die Wahl des Altphilologen Ludwig Jeep für 1903/04 fiel ähnlich knapp (19 von 37 Stimmen) aus wie die Rühls. 446 Nitzsch hatte zum WS. 1866/67 einen Ruf nach Kiel erhalten, und Mühler plante, wie er Bismarck darlegte, für den Fall einer Annahme, v. Treitschke an die Albertina zu holen, obwohl dessen „glühende Begeisterung für Preußen und seine weltgeschichtliche Sendung“ ihn als werbende Kraft besser für die „neuerworbenen Provinzen“ zwischen Nord­ und Ostsee qualifiziere (GStA …, Nr. 21, Bd. VI, unpag; v. Mühler – v. Bismarck v. 10. 8. 1866). Nachdem Nitzsch aufgrund einer Gehaltserhöhung den Kieler Ruf abgelehnt hatte, durfte Treitschke dann als borussischer Barde an die Förde ziehen. Vgl. a. Treitschke 1929, Bd. 5, S. 684–686; an seine Braut Emma von Bodmann v. 12. 7. 1866, sowie S. 688 f., v. 15. 7. 1866 (über ein Gespräch mit v. Mühler), wo er die Übernahme des Königsberger Lehrstuhls bereits als ausgemachte Sache meldet, der süddeutschen Offizierstochter versichernd, daß der Norden so schlimm nicht sei und sie mit der Aussicht tröstend, „jeden Sommer an der herrlichen Küste von Samland gute Stunden verleben“ zu können. 447 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VII, 84 f.; PhilFak – PrMK v. 23. 10. 1868, Liste Nf. F. W. Schu­ bert. Gewünscht wurde ein Fachmann für die neuere Geschichte, dafür empfahl sich Baumgarten (1825–1893), seit 1861 TH Karlsruhe, 1872 Straßburg, mit seiner dreibändigen Geschichte Spaniens (1865–1871). Der rührige politische Publizist fand in der allein dem Historiker Baumgarten geltenden Laudatio hingegen mit keinem Wort Erwähnung. 448 Wie selbstverständlich man glaubte, politisches Talent qualifiziere zum Historiker, belegt die vom PrMdI unterstützte Selbstbewerbung Constantin Rösslers um den Schubert­Lehrstuhl. Rössler (1820–1896), 1877–1892 Ltr. der Pressestelle der Reichsregierung, war 1847 in Jena für Staatswiss. habil. worden, lehrte dort als nb. ao. Prof. von 1857 bis 1860, trat dann in den Dienst der preußischen Regierung, um von Hamburg aus für deren Politik in Norddeutschland publizistisch zu werben; als Mann von „patriotischer Gesinnung“ empfahl das PrMdI den Presseattaché der preuß. Gesandtschaft in Hamburg für das Königsberger Amt (GStA …, Nr. 21, Bd. VII, Bl. 79 f.; an PrMK v. 31. 8. 1868). 449 Ebd., Bl. 96; PhilFak – PrMK v. 11. 1. 1869, II. Liste Nf. Schubert, primo et unico loco Maurenbrecher (Dorpat). Bestallung zum WS. 1869/70. Vgl. Maurenbrecher, ‚Die deutsche Frage 1813–1815‘, zuerst 1871 in den PrJb. sowie aus den Grenzboten separat: ‚Das deutsche Kaisertum‘, 1871; sein Beitrag zur Publizistik der Eini­ gungskriege: ‚Elsaß eine deutsche Provinz‘, 1870. Ab 1874 dann zahlreiche Beiträge zum „Kulturkampf“, vgl. die Bibliographie bei Wolf 1893, S. 31; historisch drapierend seine ‚Studien und Skizzen zur Geschichte der Reforma­ tionszeit‘ (1874). Daß Maurenbrecher als Schüler Heinrich von Sybels schon zur Studienzeit in einer Atmosphäre aufwuchs, in welcher „der politische Kampf zwischen Groß­ und Kleindeutschen auf historischem Gebiete tobte“, betont Wolf (ebd., S. 8). Das „Kaisertum der Ottonen und Hohenstaufen“ habe im „damaligen Zustande klein­ staatlicher Zersplitterung“ den Zusammenhang zwischen Historiographie und „der Gegenwart“ nicht nur bei den kleindeutschen Historikern gestiftet, die im Mittelalter „ein Bild verschwundener nationaler Größe“ suchten. Vgl. seine aus Leipziger Vorlesungen entsprungene, 1892 sogleich in zwei Auflagen erschienene ‚Gründung des Deutschen Reiches 1859–1871‘, die den professoralen Horror vor der „Zerrissenheit und Auflösung des deutschen Volkes“ (S. 1) in jedem Kapitel spüren läßt, und die Bismarck und Wilhelm I. entsprechend dafür huldigt, dem ein Ende bereitet zu haben. Bei aller Reklamation von „Parteilosigkeit und Selbständigkeit des Urteils“ (S. V) ist es

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Wahl Falks der gleichfalls im Rufe des Rhetors stehende Hans Prutz (1877–1901). Prutz, sich als Danziger Oberlehrer mit einer westpreußischen Regionalgeschichte exponierend, die ihm nach eigener Einschätzung zur „förmlichen Anklageschrift gegen den Polonismus und den Katholicismus“ geriet,450 der 1874 im Auftrag des Reichskanzleramtes eine Forschungsreise nach Tyrus unternahm, die „mit­ telbar“ auch „politische Interessen“ fördern wollte,451 lehrte als Berliner Privatdozent seit 1872 an der Städtischen Gewerbeschule und an der Kriegsakademie Geschichte, und galt der Fakultät nicht eben als die erste , sondern exakt als dritte Wahl. In „hohem Grade wünschenswerth“ schien ihr nämlich die Berufung des in Danzig geborenen Mediävisten Eduard Winkelmann, der Oberlehrer an der Ritter­ und Domschule in Reval war, sich in Dorpat habilitiert hatte, dort auf einen Lehrstuhl gekommen war, und der auch nach seiner Heidelberger Berufung der Historie des Ostseeraums treu geblieben war. Nach ihm, der dann wirklich so unerreichbar war wie befürchtet, hätte man am liebsten den Berliner Staatsarchivar Max Lehmann auf Maurenbrechers Lehrstuhl gesetzt. Doch „Pietät“ gegen­ über dem einstigen „König“ des Preußenlandes, dem Oberpräsidenten Theodor von Schön, dem die Albertina wie die Provinz so unendlich viel zu verdanken habe, verbot der Fakultät die Berufung eines Historikers, der sich soeben mit der Nachlaßedition aus den „Papieren“ Schöns in so polemischer, die Glaubwürdigkeit dieses Titanen der preußischen Reform­ und der Zeit der Befreiungskriege in Abrede stellender Weise unrühmlich beschäftigt hatte, wo doch „ein nicht kleiner Bruchtheil der hiesigen Bevölkerung“ das Andenken dieses Mannes „aus politischen Gründen“ für „werth hält“. Vor allem Rühl protestierte gegen Lehmanns Berufung. Beschäftigte er sich doch gerade mit der Disposition zu einem warmherzigen Schön­Porträt, das den philosophisch gebildeten Kantianer gegen den zur Mystik neigenden, historisch denkenden Reichsfreiherrn vom Stein in Szene setzte. Schön galt ihm als der ei­ gentliche „Politiker des dritten Standes“ im Vergleich mit Lehmanns Heros Stein, dessen Staatsideal bei näherem Hinsehen leider „stark mittelalterlich gefärbt“ gewesen sei.452 Deswegen stemmte sich Rühls wortreiches Veto gegen den späteren Stein­Biographen Lehmann, den er zu Unrecht für einen borus­ sischen Apologeten reaktionärster Sorte hielt.453 Mit der Folge, daß Lehmann ausschied und der Bon­ dann doch Absicht des Verfassers, Zeitgeschichte als das intensivste Medium der „Belehrung“ zu nutzen und „die politische sowohl als sittliche und patriotische E r h e b u n g des Geistes und Gemütes“ zu fördern (S. XIII). Entsprechend entschieden fällt das Verdikt gegen die Politik des Liberalismus seit dem preußischen Verfassungs­ konflikt aus: es sei die „Erbsünde des Liberalismus, sich in Gegensatz zu dem Heere zu fühlen“ (S. 63). Die Ein­ schätzung des „Volksredners“, der als Reformationshistoriker den Königsberger Archivschätzen keine Beachtung geschenkt habe, bei W. Hubatsch 1968b, S. 158 f. – Über Maurenbrecher, insbes. die weltanschaulich­politischen Implikationen seiner Arbeiten zur Reformationsgeschichte, Todte 2002. 450 Prutz 1872, S. IV; in seiner Geschichte des im späteren „Korridor“ gelegenen Kreises Neustadt zieht Prutz in aufklärerischem Duktus unablässig gegen die Macht der „staatsgefährlichen und bildungsfeindlichen“ katholischen Kirche zu Felde und schildert vor allem die Zeit der polnischen Herrschaft bis 1772 als eine Epoche tiefster „Ver­ elendung“ des Kreises wie ganz Westpreußens. 451 Zu diesen Machtprojektionen, die seinem Auftraggeber Bismarck nicht nur zu dieser Zeit reichlich verstiegen vorgekommen sein dürften, vgl. Prutz’ Reisebuch ‚Aus Phönizien‘ (1876), wo er in der Vorrede ausführt, daß in Syrien zunächst die Archäologen Fuß fassen müßten, daß es aber um weit mehr gehe als um die Erforschung des Landes im Rahmen der Geschichte der Kreuzzüge, nämlich um geopolitische Belange in einer Einflußsphäre des Vorderen Orients, in der Frankreich zurückzudrängen und das dorthin vorfühlende Rußland draußen zu halten sei, was bei der Deutschfreundlichkeit der arabischen Semiten nicht schwer fallen sollte (Prutz 1876, S. XV f.). 452 Rühl 1878, S. 222. – Ausführlich zur Kontroverse über die „Glaubwürdigkeit“ des Zeitzeugen Theodor von Schön erstmals die von Otto Hintze angeregte Untersuchung von M. Baumann 1910. 453 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Bd. X, Bl. 260–267; Separatvotum Rühl, Caspary, Zaddach v. 24. 1. 1877 zur Berufungsliste Nf. Maurenbrecher. Gegen Lehmanns nach „dem Muster akademischer Gerichtsreden“ konzi­ pierte „Streitschrift“, die Schöns Glaubwürdigkeit und damit überhaupt ein liberales Denkmal beschädigen wolle, setzte Rühl 1878 in Nord und Süd seine biographische Skizze des Oberpräsidenten, aus der aber nicht wie geplant die ultimative Darstellung zu Leben und Werk erwuchs.

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ner Frühneuzeithistoriker Martin Philippson sowie eben Prutz übrig blieben. Da Philippson, jüdischer Herkunft, nicht konvertiert war, verwies der Germanist Schade darauf, daß es unter Ostpreußens Pro­ testanten „aller Partheien“ wohl einen „schlimmen Eindruck“ hinterlassen werde, einen Juden, selbst wenn dieser von seinem Judentum nicht „öffentlich Gebrauch“ mache, nach Königsberg zu holen, ab­ gesehen von der unerwünschten Wirkung auf die Katholiken, die daraus womöglich Kapital schlagen könnten, um gegen einen Kultusminister zu hetzen, der lieber Juden als katholische Christen berufe. Kurator von Horn sah zumindest die Personalie Lehmann anders. Der habe sich mit „augen­ scheinlicher Liebe und patriotischer Wärme“ der preußischen Geschichte zugewendet und werde im gleichen Sinne auf Ostpreußens künftige Gymnasiallehrer einwirken. Ihn könne man daher trotz zu erwartender Widerstände unter Königsbergs liberalen Schön­Verehrern getrost berufen, da sich der von ihnen glorifizierte Oberpräsident zwanzig Jahre nach seinem Ableben gefälligst auch als historische Figur behandeln lassen und sich wissenschaftlicher Kritik stellen müsse. Lehmann wollte der Kurator also nicht im Wege stehen. Aber Philippson? Das sei zuviel des Guten: niemand dürfe annehmen, daß er, als Jude, die neuere Geschichte, anhebend mit dem Reformationszeitalter, mit gerechter Würdigung aller „ethisch­religiösen und vaterländischen Momente“ den Studenten vermittle, die er zu Erziehern der ostpreußischen Jugend ausbilden solle. So überstand allein Hans Prutz die Personalselektion. Des­ sen mediävistische Arbeiten, die Monographien über Heinrich den Löwen und den ersten Staufer­ kaiser Friedrich I., lehnte die Fakultät eher ab.454 Aber in ihren Augen habe er sich mittlerweile als Quellenkritiker geläutert, und als Lehrer an der Berliner Kriegsakademie müsse ihm auch „rednerische Begabung“ zugebilligt werden. Folglich erhielt die Fakultät einen das Fach in ganzer Breite fortan do­ minierenden Verlegenheitskandidaten anstelle ihrer Favoriten Winkelmann und Lehmann.455 Prutz, bald als Tagespublizist, Fest­ und Versammlungsredner viele Lorbeeren einheimsend, zählte, zum Verdruß Zorns, einige Jahre, Arm in Arm mit dem Juristen Theodor Schirmer, zu den „starken

Das Rezensionsecho auf Prutz’ Darstellungen der Stauferzeit war schlicht niederschmetternd. Prutz’ aus der Dissertation hervorgegangener Erstling über Heinrich den Löwen, 1865, kreidete der Sybel­Schüler Konrad Var­ rentrapp in der HZ Mangel an „Gründlichkeit“ und Ausweichen vor den „wichtigsten Fragen“ an (Varrentrapp 1866). Den dreibändigen ‚Friedrich I‘, 1871–1874, verriß Ludwig Weiland in einer sich auf zwanzig Seiten er­ streckenden Kritik als „Rembrandtsches Gemälde voll glitzernder und irreführender Lichteffekte“ und „unwissen­ schaftliche Leistung“ (Weiland 1874, hier die Zuspitzung des Textes durch die 1897 gegen Prutz’ Oktroyierung protestierende Marburger Fakultät, s. u. Anm. 1419). Auch in der Königsberger Zeit blieb sein Schaffen Ziel­ scheibe sehr ungnädiger Kritiker, so etwa seine ‚Urkunden und Regesten zur Geschichte des Templerordens …‘ (1883), die Engelbert Mühlbacher brandmarkte als die „flüchtigste Arbeit, welche Deutschland sich ziemlich lange Zeit auf dem Gebiete der Urkundenedition geleistet“ habe. Ausflüge auf neuzeitliches Terrain offenbarten den Kollegen kein glücklicheres Talent, wie Meineckes barsche Kritik (HZ 62, 1889, S. 197–241: „Phantasiegewebe“) eines Prutz­Aufsatzes über die letzten Herrscherjahre des Gr. Kurfürsten nahelegt (1885). Rez. zit. nach Demarche der Marburger Fakultät gg. Berufung von Prutz v. 9. 1. 1897 (GStA, Rep. 76Va, Sek. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. X, Bl. 76–79). 455 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, Bl. 253–255; PhilFak – PrMK v. 29. 1. 1877, Nf. Mauren­ brecher: 1. Eduard Winkelmann, 1838 Danzig–1896 Heidelberg, 1869 ao. Prof. Bern, 1873 ord. Prof. Heidelberg (Nf. Wilhelm Wattenbach), Hauptwerk 1873/78: Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig. – 2. Martin Philippson, 1846 Magdeburg–1916 Berlin, 1871 Habil. Bonn, 1875 ao. Prof. ebd., ord. Prof. Brüs­ sel 1878, aufgrund antideutscher Anfeindungen ab 1890 Privatgelehrter in Berlin, dort an seinem Hauptwerk arbeitend: Neueste Geschichte des jüdischen Volkes (3 Bde., 1907/11). – 3. H. Prutz, s. Catalogus. – In einem Separatvotum erklärte Oskar Schade sich ausdrücklich gegen Philippson, da er Jude sei (ebd., Bl. 268). Rühls Separatvotum vs. Lehmann (ebd., Bl. 260–267) traten bei der Botaniker Caspary und der Zoologe Zaddach, zwei „Freisinnige“, denen wie dem Althistoriker an der liberalen Ikone Schön gelegen war. Vier Wochen später ran­ gierte Winkelmann primo loco auf der dem Zivilkabinett eingereichten Vorschlagsliste des PrMK (GStA, Rep. 89, Nr. 21569, Bl. 178 f.; Liste Nf. Maurenbrecher v. 27. 2. 1877: 1. Winkelmann, 2. Philippson, 3. Prutz). 454

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Männern“ und „Meinungsmachern“ der Albertina.456 Resigniert wies der Philosoph Quäbicker, der selbst zur konservativen „Clique“ um Schade rechnete, auf die 1881 bereits fest etablierte „natio­ nalliberale Clique“ um Prutz hin, die die Berufungsweichen stelle. Leider auch nach Falks Abgang, unterstützt von dem 1882 durch Althoff abgelösten Ministerialreferenten Heinrich Goeppert, der, wenn auch „verschämt“, doch „gut nationalliberal“ sei.457 Nach Einschätzung des Historikers Theodor Wichert, der als Privatdozent betont konservativer Provenienz nicht avancieren konnte, hätten der „unwissenschaftliche Schreiber und Redner“, der von Falk für die Albertina akquirierte „Kulturkämp­ fer“ Prutz458, sowie „seine liberalen Freunde“ in der Fakultät einen „Ring“ gebildet, den selbst ein politisch einheitlicher dagegen arbeitendes Ministerium nur schwer durchbrechen könne.459 Zumal sich Prutz auch als Forscher gefällig erweisen wollte, als er sich im ersten Königsberger Jahrzehnt po­ litisch konform der Geschichte des Templerordens widmete, dem er die Ausbildung einer häretischen „Geheimlehre“ nachweisen wollte. 460 Prutz, der trotz der ihm zugeschriebenen starken Stellung in der Fakultät bei den Nachfolgern Falks, vor allem aber bei Althoff kein sonderliches Ansehen genoß, geriet in seinem zweiten Königsberger Jahrzehnt in den Ruf, „in Fragen der Politik wie in der Uni­ versitätsverwaltung in unerwünschter Weise oppositionell und nörgelnd hervorgetreten“ zu sein, was 1897 in seiner Darstellung der letzten Herrschaftsjahre des Großen Kurfürsten einen als brüskierend empfundenen Niederschlag fand.461 Und, wie dann die vier Bände seiner kurz vor der Emeritierung be­ 456 Verächtlich über „Prutz und seine Trabanten“: Zorn–Althoff v. 30. 4. 1894 (Nl. Althoff, B205 I, Bl. 87 f.). Über Schirmer urteilt das PrMK anläßlich eines Ordensvorschlags, daß er als Mitglied des Akad. Senats „berech­ tigten Einfluß“ ausübe (GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 93–100; an ZivK v. 29. 6. 1894). 457 SBPK, Nl. Schade, Karton 1; Quäbicker – Schade v. 1. 8. 1881. Q. bezeichnete sich hier als „conservativ“, war aber, wie erwähnt, ausgerechnet in der Falk­Ära der Fakultät als Extraordinarius aufgedrängt worden. 458 Bekennerhaft kündete er zu Beginn seiner Lehrtätigkeit an: Geschichte des Papsttums bis auf die Gegenwart (WS. 1877/78), Geschichte der Gesellschaftsverfassung und der socialen Frage (1878/79) und Geschichte und Kritik des Constitutionalismus (1879/80) (vgl. VV AUK). Fortan ging es ihm darum, die „akademische Jugend durch historische Kenntnisse zu bilden und national zu stählen“ (Prutz 1900b, S. 25). 459 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 175–181; Wichert an den Zentrumspolitiker August Reichensperger betr. das „akademische Cliquenwesen“ v. 7. 2. 1884, zugleich einräumend, daß Prutz lokalpolitisch, als „nationalliberaler Redner“ bald „Fiasco“ gemacht habe. In diesem ausführlichen Memorandum auch eine Er­ klärung für Prutz’ Berufungserfolg: Dem Minister sei vermutlich klar gewesen, daß er „streng­wissenschaftlich“ nicht auf die Liste gehörte, aber Maurenbrecher, der die Wahl seines Nachfolgers in der Fakultät bestimmte, wollte Philippson aus Bonn unbedingt „wegloben“, und um ihn Falk regelrecht aufzudrängen, mußte mit Prutz ein schwaches, vermeintlich chancenloses Alternativangebot her. 460 Damit wieder einmal auf einmütige Ablehnung der Zunft stoßend, vgl. Bernhard Kugler 1884, Rez. zu Prutz 1883, zit. n. Marburger PhilFak, s. Anm. 454. 461 Beachtlich ist hier Prutz’ Monographie ‚Aus des Großen Kurfürsten letzten Jahren‘ (1897). Um sich Wil­ helm II. anzudienen, wollte er partout S. M. höchstselbst ein Exemplar überreichen, obwohl, wie er in seiner Eingabe ans PrMK einräumte, das Werk „an manchen Stellen“ von dem „durch die Tradition fixierten Eindruck“ des „Ahnen“ Wilhelms abweiche (Prutz an PrMK v. 4. 11. 1897). Derart mißtrauisch gemacht, übergab Althoff das Opus dem preußischen Historiographen Reinhold Koser zur Begutachtung. Das Resultat war unerfreulich. Koser lobte die sorgfältige Quellenauswertung und kritisierte trotzdem die mangelnde Originalität, da die Grundzüge der „diplomatischen Geschichte“ des preußischen Staates nach 1675 seit Droysen eigentlich bekannt seien. Was bei Prutz wirklich neu sei, berühre indes höchst unangenehm. Der Königsberger Historiker habe nämlich fran­ zösische Akten ausgewertet, die über unschickliche Details der Bestechlichkeit preußischer Höflinge informierten und somit die Abhängigkeit des Kurfürsten von der Pariser Politik offenlegten. Dies, so der indignierte Koser, sei dazu angetan, „das in den herkömmlichen populären und patriotischen Darstellungen der Geschichte des Großen Kurfürsten gezeichnete Idealbild empfindlich zu stören“. Trost fand der Generaldirektor der Preuß. Archive allein darin, daß ein „preußischer Professor“ dies herausgefunden habe, und diese „peinlichen Einzelheiten“ nicht von einem französischen Gelehrten „in das Licht gezogen“ und (natürlich) „tendenziös interpretiert“ worden seien (an Althoff v. 20. 12. 1897). Nach diesem Gutachten empfahl das PrMK Seiner Majestät postwendend, den Kö­

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endeten ‚Geschichte Preußens‘ bewiesen, hatte sich Prutz in der preußischen Krönungsstadt zu einem so unbeirrbaren wie lästigen Dekonstrukteur der „preußischen Legende“ geradezu selbst radikalisiert, weil ihm Althoff einen Wechsel in den Westen versagte.462 Bis 1889 vertrat Prutz als einziger Ordinarius die mittelalterliche und neuere Geschichte, nachdem das zweite Ordinariat dem Fach verlorengegangen war, das Carl Hopf bis 1873 besetzt hatte. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde das von der Fakultät wie vom Kurator von Schlieckmann ersehnte, seit 1884 als Hopf­Ersatz geforderte Extraordinariat gewährt. Das sollte dem – ausweislich seiner Trübsinn näh­ renden Hörerlisten – freilich als Dozent erfolglosen Schlieckmann­Schützling Wichert zugeschoben werden, damit er Geschichte „von einem anderen Standpunkt“ vortrage als von dem Rühls (dem Verfechter der „extremsten Richtung der Fortschrittspartei“) oder Prutz’, die beide zudem als Mit­ glieder der Wissenschaftlichen Prüfungskommission uneingeschränkten Einfluß auf die historische Bildung der ostpreußischen Gymnasiallehrer ausübten.463 Wichert, der nur eine, wenn auch umfang­ reiche quellenkritische Untersuchung über spätmittelalterliche Historiographie vorzuweisen hatte,464 mußte indes 1887, da ihm finanziell die Puste ausging, seine Hoffnungen begraben und in den Biblio­ theksdienst wechseln.465 Von Schlieckmanns Beharrlichkeit profitierte dann der Mediävist Georg von

nigsberger Historiker, der seit 1890 zudem leider fortwährend als „oppositionell und nörgelnd“ aufgefallen sei, keinesfalls zu empfangen. Ihm wurde auch das eingesandte Exemplar retourniert (PrMK – S. M. v. 25. 2. 1898, wie übriger Schriftwechsel in: GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. III, unpag.). 462 Diesen Eindruck gewinnt man aus den Episteln, die die Zusendung seiner Veröffentlichungen begleiteten (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. II–III, unpag; pars pro toto: Prutz – PrMK v. 12. 12. 1888 an­ läßlich Zusendung von ‚Entwicklung und Untergang des Templerordens‘). Stets ging es um die Fortsetzung seiner jeweiligen Forschungen, um Finanzierung von Archivreisen von Malta bis Paris oder gleich ganz um die Verset­ zung an eine von ihm 25 lange Königsberger Jahre so heiß begehrte west­ oder süddeutsche Universität, die seiner und vor allem seiner Gemahlin Gesundheit zuträglicher sei, die ihn aber vor allem näher an die westeuropäische Archivlandschaft bringen würde. Darauf reagierte Althoff, höflich gesagt, hinhaltend. Die Dauerbettelei um Rei­ sestipendien und Geldzuwendungen wurde höchst ungnädig aufgenommen und bei passender Gelegenheit, Prut­ zens Audienz­Ersuchen von 1897 (s. o. Anm. 461), prompt gegen ihn verwendet. Als Prutz um 1890 einzusehen begann, daß er mit Althoffs Hilfe wohl nie in den Süden kommen würde, nahm er vom Templerorden Abschied und wandte sich der preußischen Geschichte zu; dazu mit kritischen Untertönen erstmals: Ders. 1884. 463 GStA …, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 173 f.; Kurator – PrMK v. 16. 5. 1884 wg. besold. Extraordinariat für W., vor allem für neuere Geschichte; ebd., Bl. 184; PrMK – PrMF, Antrag, bes. Extraord. in den Etat 1885/86 aufzuneh­ men, was wegen der politischen Haltung, die im Gegensatz zu der von Rühl und Prutz stehe, „sehr erwünscht“ sei. 464 Wichert 1881; das Werk über Jacob von Mainz, so Wichert im Vorwort, sei als Ableger einer großen Darstel­ lung zur Reichsgeschichte unter Ludwig dem Bayern entstanden, doch die ist von ihm nie veröffentlicht worden. 465 GStA …, Bd. XIII, Bl. 34–37; Gesuch Wicherts an PrMK v. 30. 6. 1883 (unterstützt vom Kurator am 14. 7. 1883, Bl. 32 f.). Er lehre, wie er unter kühnster Ausblendung seiner tristen, von 1–5 Hörern besuchten, manchmal auch „nicht zustande gekommen[en]“ Veranstaltungen behauptete, seit 1875 mit wachsendem Erfolg, habe zuletzt sogar mehr Hörer in seinen Vorlesungen als die Ordinarien, bestreite seinen und den Unterhalt der vierköpfigen Familie aber aus den Zuwendungen seines Schwiegervaters, eines Königsberger Kaufmanns, der nun, nach zwei Schlaganfällen im Sommer 1882, als Finanzier wegfalle. Daher fände er es nur gerecht, vom unbesol­ deten zum besoldeten Extraordinarius aufzusteigen. Diesem Gesuch wurde nicht entsprochen (Bl. 38), aber W. erhielt bis zu seinem Ausscheiden zumindest zeitweise eine ao., aber nicht ausreichende Remuneration. – Vgl. VI. HA, Nl. Althoff, B 198 I, Bl. 6–14, Brw. Wichert – Althoff 1886–1891: W. bat Althoff im Dezember 1886 noch­ mals persönlich um ein besoldetes Extraordinariat. Auf die Absage replizierte er im Februar 1887: da er „von na­ tionaler Gesinnung“ sei, habe er Verständnis für preußische Sparzwänge, denen er willig eigene Ansprüche opfere. Aber dann wolle er als „gescheiterter Privatdozent“ nicht gerne in Königsberg bleiben und bitte um den Einstieg in die Bibliothekslaufbahn, möglichst in Berlin. Althoff vermittelte ihm darauf zum 1. 9. 1887 eine Kustodenstelle an der Göttinger Universitätsbibliothek, von dort kehrte W. im Mai 1888 an die UB­AUK zurück, wo er sich 1895 vorzeitig in den Ruhestand versetzen ließ (GStA, Rep. 89, Nr. 21668, Bl. 47–49; PrMK – ZivK v. 3. 3. 1895).

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Below, dem das Ministerium eine „maßvolle konservative Gesinnung“ attestierte,466 während Prutz fortan nur (vermutlich extrem preußenkritisch) über Geschichte der Neuzeit dozierte.467 Von Belows Verhältnis zu Prutz war von Anfang an schlecht. Der damals im Archiv nahezu woh­ nende Erforscher der mittelalterlichen Stadtrechts­ und, am Beispiel der landständischen Verfassung in Jülich und Berg, der frühneuzeitlichen Territorialgeschichte, der Anfänge der Staatsbildung, 468 ver­ achtete Prutz als oberflächlich und journalistisch.469 Vom ersten Tag an versicherte er Althoff, liebend gern und jederzeit einen Ruf an eine andere preußische Universität annehmen zu wollen. Als ihm der Allgewaltige im März 1891 das Tor Richtung Münster öffnete, bekniete er Althoff geradezu, ihm den Wechsel sofort zum SS. 1891 zu ermöglichen.470 Um seine Nachfolge entspann sich ein langes Tauziehen, das von Below mit schneidig­abfälligen Verdikten über Kandidaten wie Ernst Bernheim, der den Ruf erhielt und ablehnte, und Bernhard von Simson zu beeinflußen versuchte.471 Von Below GStA …, Nr. 21, Bd. XVI, Bl. 146 f.; Einschätzung anläßlich seiner Versetzung nach Münster, Bestallungsvor­ schlag v. 3. 4. 1891. 467 Der Ostpreuße v. Below war nach 1879, nach zwei Semestern an seiner Heimatuniversität, bei Prutz, Rühl und Lohmeyer, rasch nach Bonn gegangen, um die „in Mittelmäßigkeit und Ressortdenken erstarrte Philosophische Fakultät“ hinter sich zu lassen. Gerade in der Geschichtswissenschaft habe dort nämlich damals der „Abstieg in die Provinzialität“ begonnen; so, ohne Beleg, Cymorek 1998, S. 30. Als der, wie meistens bei neu begründeten Lehrstühlen, ohne Konsultation der Fakultät vom PrMK ausgewählte v. Below 1889 als Extraordinarius zurück­ kehrte, sei das Verhältnis zum nunmehrigen Kollegen Prutz „distanziert“ geblieben (ebd., S. 43). Althoff hatte das Extraordinariat zuletzt mit der Begründung beantragt, daß Prutz als einziger Ordinarius seiner Aufgabe nicht nur quantitativ sondern auch „qualitativ“ nicht gewachsen sei und gerade das „Studium der Deutschen Geschichte“ an der Albertina „schwer danieder“ liege (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 119 f.; PrMK – PrMF v. 23. 6. 1888, Etatanmeldung). 468 Vgl. die die Herausbildung des Steuersystems, der Steuerverwaltung und der allmählichen Entstehung einer zentralen Staatsverwaltung verfolgende mikroskopische Untersuchung der Verhältnisse in Jülich und Berg vom 12. bis zum 16. Jh., ihre „Annäherung an den modernen Staat“, v. Below 1886–1891, hier zit. 1890/91, S. 205. Dazu eingehend Cymorek 1998, Kapitel III, S. 89 ff. – Von Beginn der akademischen Karriere an umgab v. Below jene Atmosphäre von Kritik und Polemik, die sein Lebenswerk auszeichnet, vgl. die in Elberfeld und Königsberg entstandene Streitschrift ‚Die Entstehung der deutschen Stadtgemeinde‘ (1889), die den Kampf gegen einen seiner Königsberger Amtsvorgänger dokumentiert, K. W. Nitzsch, und dessen aus v. Belows Sicht maßlos überschätzten, tatsächlich falschen und abwegigen Ansichten zur mittelalterlichen Verfassungs­ und Wirtschaftsgeschichte (S. VI– XI). Ein Dissens, der v. Below nicht hinderte, später als sehr warmherzig über ihren Absender urteilender Hg. von Nitzsch­Briefen hervorzutreten (1911). 469 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 9 II, Bl. 41; v. Below – Althoff v. 3. 7. 1891: Prutz habe Dissertationen passieren lassen, die nicht einmal die neuere Forschung auf dem jeweiligen Sektor berücksichtigt hätten, geschweige denn in hinreichender Weise die Archivquellen. In einem Fall habe Prutz selbst das Thema so wenig überblickt, daß er einen Doktoranden ins Dresdner Staatsarchiv schickte, wo man den bedauernswerten Junghistoriker mit der Nase drauf stieß, daß die Quellen, aus denen er schöpfen wollte, bereits vollständig publiziert worden seien. 470 Ebd., Bl. 33; an Althoff v. 11. 3. 1891. 471 Ebd., Bl. 41 ff.; an Althoff v. 3. 7. 1891. Über Simson lägen ihm Äußerungen „schlimmsten Entsetzens“ vor, er habe die „Trotzigkeit seines Vaters“ geerbt, des Königsberger Juristen und Reichsgerichspräsidenten Eduard von Simson. Simson­Publikationen wiesen „keine Spur von Geist“ auf und enthielten „kein allgemein historisches Verständnis“. Bernheim, jüdischer Herkunft, gelte als scharfsinnig, sei tatsächlich aber nur spitzfindig, was bedingt sei durch „natürliche Anlage“, den Mangel an eigenen Gedanken und der fehlenden „Belesenheit in den Quellen“. v. Below rückte die Arbeiten des Kollegen dabei an den Rand des Plagiats. Über Lohmeyer, den er bereits 1878/79 im Studium kennengelernt hatte, hieß es, daß er solide, quellengesättigte ostpreußische Landesforschung treibe, aber eben n u r die, die er zudem als didaktischer Chaot („formlos, ungeordnet und weitschweifig“, „übt daher keine Anziehungskraft aus“) im Kolleg nur schwer vermitteln könne. So sah das auch die Fakultät, die auf An­ frage Lohmeyers vermeintliche Anwartschaft auf das Ordinariat, geltend gemacht direkt gegenüber Althoff (ebd., Bl. 153–155; Schreiben v. 19. 6. 1891), diese nahezu verächtlich bestritt: Lohmeyer habe den engen Gesichtskreis der „provinzial­preußischen Geschichte“ nie verlassen, so daß er gewiß nicht der Mann des weiten historischen 466

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empfahl den editorisch erfahrenen baltendeutschen Waitz­Schüler Konstantin Höhlbaum, der sich in der Reformations­ so sicher bewege wie in der hansischen Geschichte, was die historischen Studien in Königsberg gewiß beleben werde.472 Den Lauf gewann jedoch der von ihm nur mit „großem Abstand“ hinter Höhlbaum empfohlene Leipziger Spätmittelalterhistoriker Georg Erler, den die Fakultät nach v. Belows Favoriten erst an dritter Stelle vorgeschlagen hatte.473 Erler folgte von Below auf den inzwischen zum Ordinariat heraufgestuften Posten. Ausgewiesen war er als Erforscher des „Zeitalters des großen Schismas und der Konzilien“ wie als Biograph des in Illusionen über Kirchen­ und Reichseinheit befangenen päpstlichen Kurienbeamten Dietrich von Nieheim (um 1340–1418).474 Bis zur Wegbe­ Blicks und der allgemeinen Bildung sei, den dieses Amt erfordere. Doch nicht allein seine „Einseitigkeit und Be­ schränktheit“ mißfalle, sondern auch sein befremdliches Versagen auf seinem überschaubaren Arbeitsfeld, da die Fachwelt seit 1882 auf die Fortsetzung der nur bis 1407 reichenden Darstellung der Landesgeschichte Ost­ und Westpreußens warte (ebd., Bl. 194; Votum an PrMK v. 4. 8. 1891). 472 Wie Anm. 471. 473 Die erste Wahl der Fakultät war der Greifswalder Geschichtsmethodologe und Verfassungshistoriker des Mit­ telalters Ernst Bernheim, 1850 Hamburg – 1942 Greifswald, 1875 Habil. Göttingen, bis 1883 PD ebd., seit 1883 oö. Prof. Greifswald, dessen nachmals so erfolgreiches ‚Lehrbuch der historischen Methode‘ 1889 erschienen war. Es war dessen hier bewiesene Fähigkeit, im Anschluß an Droysens ‚Historik‘ über den positivistischen Tellerrand hinausblicken zu können, die der Fakultät sehr imponierte. – An zweiter Stelle stand der ebenfalls jüdische, 1840 als Sohn des damaligen Ordinarius Eduard Simson (s. o., Anm. 378) in Königsberg geborene Bernhard v. Simson (gest. 1915 Berlin, s. APB 1505; NDB XXIV, 453 f.), quellenkritische Prom. AUK 1860 bei Wilhelm Giesebrecht: De statu quaestiones: sintne Einhardi necne sint quos ei ascribunt annales imperii specimen, 1863 Habil. Jena: Über die Annales Enhardi Fuldensis und Annales Sithienses, 1869–1872 preuß. Archivdienst, im Auftrag der BayAkW ‚Jahrbücher der deutschen Geschichte‘ für die Zeit Ludwig des Frommen, 1874 b. ao., 1877 – 1905 oö. Prof. f. Geschichte Freiburg, 1895/96 Prorektor, Schwerpunkt: Geschichte des Karolingerzeit, vor allem als Editor bewährt, „strenger Vertreter der historisch­kritischen Methode der Ranke­Schule“, „handwerklich perfekte Quellenforschung“, deren Resultate noch heute „unverzichtbares Fundament“ der Mediävistik (NDB), gab auf Droysens Anregung 1865 ‚Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg‘ heraus. 1900 Hg. der ‚Erinnerungen‘ seines Vaters, wie dieser politisch nationalliberal. – 3a. Erler, s. Catalogus. – 3b. K. Höhlbaum, 1849 Reval–1904 Gießen, Waitz­Schüler, 1871 Prom. Göttingen, 1875 Habil. ebd., vermutlich mit seinen knappen ‚Beiträgen zur Quellenkunde Alt­Livlands‘ (1873), 1880–1890 Stadtarchivar Köln, 1890 oö. Prof. f. mittelalterliche Geschichte Gießen (DBBL, S. 324). Die Fakultät schlug ihn aufgrund seiner verdienstvollen Arbeiten zur Geschichte der Hanse und Livlands vor, Editor von: Johann Renner’s [1525– 1583] Livländische Historien, Göttingen 1876. – Als Bernheim wegen der schlechteren finanziellen Aussichten und pädagogischen Wirkungsmöglichkeiten in Königsberg abgelehnt hatte (ebd., Bl. 208; an Althoff v. 3. 9. 1891), mußte die Fakultät sich gegen den von Althoff protegierten Erich Marcks (1861–1938), Habil. FWU 1887, wehren. Ebenso gegen den Reformationshistoriker Friedrich von Bezold (1848–1928), ord. Prof. Erlangen 1884, Bonn 1896, gegen Carl Rodenberg (1854–1926), Habil. FWU 1885, der zum WS. 1892/93 als b. ao. Prof. in Kiel unterkam, ferner gegen den nur landeshistorisch ausgewiesenen Oberlehrer und Hannoveraner TH­Dozenten Adolf Köcher (1848–1917), über den Althoff eine politische Einschätzung einholte: „Mitglied der Konservativen Partei“, „nicht streng conservativ, aber stets das Panier der Partei öffentlich geführt“ (ebd., Bl. 215); sowie gegen Wilhelm Arndt (1838–1895), Habil. Leipzig, 1876 b. ao., 1895 ord. Prof. ebd., allesamt Favoriten des Ministe­ riums. Erst ein Jahr nach Einreichung der ersten Liste fiel die Entscheidung dann für Erler (GStA …, Nr. XVI, Bl. 156–172; Liste für das im Etat 1891 neubegründete Ordinariat v. 6. 6. 1891 sowie ebd., Bd. XVII, Bl. 64–75; Stellungnahme PhilFak v. 12. 5. 1892). – Zu Erler vgl. ausführlicher Blecher 1999, der aber bezüglich der Königs­ berger Jahre beklagt, daß „durch die Kriegseinwirkungen kaum Unterlagen“ vorlägen, gemeint sind vermutlich solche aus Privatbesitz. Die wenigen Briefzeugnisse, die Blecher heranziehen kann, erklären Erlers öffentliche Zu­ rückhaltung wie die große Königsberger Lücke in seiner Bibliographie mit privatem Leid (Tod der Ehefrau, 1895, die ihm mit ihrem Vermögen einst erlaubt hatte, das Leipziger Schulgeschirr abzuwerfen). Überdies habe auch ihm das „rauhe Klima“ Ostpreußens zugesetzt (ebd., S. 87 f.). 474 Erler 1887; Dietrich v. N. sei „kein tiefer und kein klarer Denker“ gewesen, habe daher, obwohl als Historiker seiner Zeit bedeutender denn als „Darsteller der älteren deutschen Geschichte“, die „gewaltige Revolution inner­

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rufung nach Münster (1902) tat er sich indes nie als politischer Bekenner hervor. Nicht übersehen werden darf aber, daß Erler als Leipziger Oberlehrer in den 1880er Jahren beträchtlichen volkspäda­ gogischen Ehrgeiz bewiesen hatte. Nach dem Vorbild von Gustav Freytags Bestseller ,Bilder aus der deutschen Vergangenheit‘ kompilierte er aus den „Erzählungen deutscher Geschichtsschreiber“ eine dreibändige ‚Deutsche Geschichte‘ von der „Urzeit“ bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Mit dem er­ klärten Ziel, „Lust“ auf Geschichte in „weiteren Kreisen“ zu wecken, zwecks „Erhaltung der Liebe zum gemeinsamen Vaterlande“. Ein Jahrzehnt nach der preußisch initiierten Reichseinigung schien dem Untertanen des sächsischen Königs daran durchaus Bedarf zu bestehen, so daß er sein Unterfangen mit den Ursprüngen der Monumenta Germaniae bald nach den Befreiungskriegen verglich. Auch damals habe die Publikation historischer Quellen die Besinnung auf mittelalterliche Geschichte gefördert und damit das Einheitsbewußtsein der Deutschen gestärkt, mithin ein „nationales Werk“ vollbracht. So wollte auch Erler mit seinen Nacherzählungen die Bereitschaft steigern, sich mit dem Kontinuum „unser Volk“ zu identifizieren, das die von ihm aufbereitete tausendjährige Überlieferung fundierte.475 Zu Prutz’ „Ring“ zählte der sozialkonservative Nationalökonom Carl Umpfenbach, 1873 als Alt­ Katholik von Würzburg nach Königsberg gewechselt,476 der Agrarwissenschaftler Theodor von der Goltz, wie Zorn an der Spitze der Provinzialsynode kirchenpolitisch aktiv und gegen die Sozialdemo­ kratie um eine christliche „Lösung“ vor allem der (Land­) Arbeiterfrage bemüht.477 Auch der Vertreter der Klassischen Archäologie, Gustav Hirschfeld, in seiner Bildungsgeschichte manchen Berührungs­ punkt mit Prutz aufweisend,478 fand Anschluß an den Historiker, ebenso der Vertreter der neueren Phi­ lologien, der wiederum eng mit Felix Dahn befreundete Alfons Kissner. Er beteiligte sich mit Güter­ bock und Prutz am „Nationalliberalen Kränzchen“, das in Königsberg 1877 dafür warb, alle liberalen Kräfte zur Unterstützung Bismarcks zu sammeln.479 Unter Falks Nachfolgern von Puttkamer und von Goßler, denen der militant konservative Ober­ präsident und Kurator von Schlieckmann assistierte, reüssierten dann deren Parteigänger: Georg von Below, 1889 wie erwähnt auf das neue Extraordinariat für mittelalterliche und neuere Geschichte beru­ fen, der gleichfalls mit einem neubegründeten Extraordinariat versorgte Latinist Ludwig Jeep (1887), allen voran der Literaturhistoriker Hermann Baumgart, 1917 einer der Initiatoren und Mitbegründer der alldeutschen Vaterlandspartei Wolfgang Kapps, dem von Schlieckmann und sein vertrauter Berater halb der katholischen Kirche“, die sich vorbereitete, nicht erfasst, sondern sich davon überzeugt gezeigt, daß es nur eines „thatkräftigen Herrschers“ bedürfe, um „das Reich in seiner alten Macht und Herrlichkeit wieder erstehen zu lassen“. Ebenso wie er auf eine „gewaltige Persönlichkeit“ auf dem Stuhl Petri hoffte, um den inneren Zerfall der Kirche aufzuhalten – von einer Reform des Papsttums oder des hierarchischen Systems habe er, im Unterschied zu vielen Klerikern seiner Zeit, jedenfalls nichts gehalten. 475 Erler 1882, S. I–VIII. 476 s. Nachruf Chronik 1907. 477 Ausführlich zur Biographie Munier 1921, dort auch eine gute Bibliographie einschließlich der tagespolitischen Produktion, darunter markant die 1875 in den Grenzboten veröffentlichte Kaisergeburtstags­Rede in der KglDG: „Das Wesen und die Bedeutung der deutschen Socialdemokratie“, die in der damals gerade aktuellen Fehde v. Treitschke – v. Schmoller energisch die Position des Historikers ergreift und in der Entschiedenheit seiner Verdam­ mung der „Partei des Umsturzes“, die den „Zustand der Barbarei“ heraufführen werde, noch über ihn hinausgeht. 478 Prutz (1854–1859 am Stettiner Mariengymnasium) und Hirschfeld (1859/60 am Pyritzer Gymnasium) hat­ ten einen gemeinsamen Lehrer, den Altphilologen Franz Kern (1830–1894), der in Schulpforta auch Nietzsches Lehrer war. Als Kollegen traf Prutz ihn in Danzig wieder, wo er von 1869–1871 als Gymnasialdirektor amtierte, vgl. O. Kern 2008, S. 33–68, dort S. 62, 65, 68. 479 Zum „Nationalliberalen Kränzchen“ vgl. Stettiner 1925; Kissner findet sich noch inmitten der Unterzeichner eines Wahlaufrufes für den Initiator des „Kränzchens“, den damaligen Stadtkämmerer und 1884 zum Königsber­ ger Bürgermeister aufgestiegenen Hermann Hoffmann (1887–1889 MdR, 1893 OB Königsberg u. Mitgl. des Herrenhauses) zur Reichstagswahl, in: KHZ Nr. 36 v. 12. 2. 1890. Neben Kissner warben Prutz, der Mediziner Emil Berthold, Güterbock und Gareis für diesen nationalliberalen Kandidaten.

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Zorn 1890 zu einem Ordinariat verhalfen (s. u., S. 108 ff.). Aber auch der mehr und mehr zum Kon­ servatismus neigende Nationalliberale und treue Bismarckianer wie der Gräzist Alfred Schoene,480 wie von Gutschmid aus dem Umfeld des borussophilen Leipziger Grenzboten­Liberalismus Freytags und Treitschkes kommend, ließ sich, vielleicht mehr als Rhetoriker denn als Philologe unter von Goßler an die Albertina ziehen.481 Mit Prutz und Dehio zählte Schoene zu den nationalliberalen Ordinarien, die beim Thronwechsel zu Wilhelm II. im Juni 1888 sich wenig zukunftsfroh artikulierten. Die Schul­ politik des jungen Herrschers bot ihnen dann auch umgehend Stoff, um verhaltene Kritik am „Neuen Kurs“ nach Bismarcks Entlassung zu üben.482 Staatswissenschaft483 Der im Tauschverfahren 1868 von Marburg nach Königsberg gezogene Leopold Ilse, aufgrund seiner Arbeiten zur Politik des Deutschen Bundes ohnehin eher Politologe als Nationalökonom, fiel wegen seiner außerdienstlichen Eskapaden für den nationalökonomischen Unterricht aus. 484 Schon der dauernd abwesende Glaser konnte vom WS. 1865/66 an nur notdürftig durch den frisch habilitierten Friedrich Julius Neumann, im Hauptamt Assessor im Regierungspräsidium, ver­ treten werden. Er folgte zum SS. 1871 einem Ruf nach Basel, wo er sich 1873 mit einer Arbeit über Fabrikgesetzgebung unter die „Kathedersozialisten“ einreihte. Neumann, in Tübingen, wohin er 1876 Schoene, so Ehwald 1919, S. 99, habe Anschluß an Zorn, Güterbock u. Paul Krüger, an Julius Walter, an Baumgart und Dehio gefunden, über das Amtlich­Kollegiale hinaus aber auch an die ihm politisch fern stehenden Friedländer und Rühl. 481 Zur Berufung s. u., S. 116 f. Zur Vita: Ehwald 1919, dort über die feste Verankerung im Leipziger Grenzboten­ Milieu um 1860 (S. 90 f.); beachtlich auch die Freundschaft mit Paul de Lagarde. Während des Forschungsauf­ enthalts in Paris, am XII. Band der Inscriptiones Latinae arbeitend (1877–1884), belieferte Schoene die natio­ nalliberalen Organe Im Neuen Reich und Nationalzeitung regelmäßig mit Berichten über die politisch­kulturellen Entwicklungen in der französischen Hauptstadt. Hell strahlt Schoenes Borussismus in einer Rede über Friedrich den Großen (1884) und in jener Königsberger Festrede, die er am 18. Januar 1888 der Entwicklung des deutschen Nationalbewußtseins widmete, die überregional in der offiziösen Norddeutschen Allgemeinen Zeitung Beachtung fand als Zeugnis dafür, daß nunmehr auch „die Wissenschaft“ helfen wolle, die „selbstlose Hingabe an das Vater­ land“ zu fördern (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. II, unpag, NAZ v. 4. 2. 1888). Wenig spektakulär hatte Schoene freilich nur konstatiert, daß Nationalgefühl aus der Bereitschaft des einzelnen erwachse, Leib und Leben für die Gesamtheit einzusetzen. Die Universität und die historischen Geisteswissenschaften könnten einiges tun, um dieses Wir­Gefühl etwa durch die Vermittlung der allen gemeinsamen „Vorgeschichte“ zu wecken und zu festigen. Auch hülfe es, wenn die Eltern darauf achteten, ihren Kindern deutsche Vornamen zu geben. 482 Vgl. zu Dehios beifälligem Urteil über Schoenes „‚freie indirekte Kritik an W. II.‘ “, die er in der Kaiser­ geburtstagsrede von 1891 geübt habe, Betthausen 2004, S. 116. Im Bericht der KHZ Nr. 23 v. 27. 1. 1891 über die Feier des Kaisergeburtstages zu Schoenes Rede über ‚Die Geschichte der Schulreformen in Preußen‘ sind solche Zwischentöne natürlich nicht überliefert. Referiert wird lediglich, daß Schoene anknüpfte an die jüngste, vom Kaiser in die Wege geleiteten Schulreform, um dann überzuleiten zu den Reformen im 18. Jh., vom großen König angestoßen, von Rousseau via Basedow, Campe, Salzmann gestaltet. Der Friedrichs II. schulpolitische Verdienste krass idealisierende Ton könnte allerdings auch vom KHZ­Leser 1891 als Kontrastfolie zur Gegenwart verstanden worden sein, wenn es ausklingend heißt, das neue Gymnasium möge bitte (bitte!) so verdienstvolle Männer her­ vorbringen wie das von Wilhelms großen Ahnen reformierte humanistische Gymnasium! 483 Winkel 1988 verspricht im Titel seines Aufsatzes zwar Aufschlüsse über die ‚Entwicklung der Nationalöko­ nomie an der Königsberger Universität‘, konzentriert sich aber leider auf den 1807 verstorbenen Christian Jakob Kraus und behandelt die Wiederaufnahme des neueren nationalökonomisch­staatswissenschaftlichen Unterrichts nach 1850 bis zu Ilse, Umpfenbach, Elster, Hasbach, Gerlach nur mit wenigen Zeilen – auch weil sich für ihn das „Quellenmaterial“ nicht „ermitteln“ ließ (ebd., S. 120 f.). Die Aufsatzsammlung von Rauschning/v. Nerée 1995 spart die Nationalökonomie vollständig aus. Krüger 1983 ohne Königsberger Bezug. 484 S. o. Anm. 380 und sein Credo als „Lehrer der politischen Wissenschaften“, 1861, S. XII.

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berufen wurde, der Lehrer von Bernhard Harms, und wiederum Kollege des Völkerrechtlers von Mar­ titz, blieb dem sozialliberalen Geist seiner Königsberger Frühzeit treu: In der „Arbeiterfrage“, wo er den Staat als Regulator des Marktes nicht missen wollte, in der gerade in Ostdeutschland, in Posen und Westpreußen brennenden „nationalen Frage“, die er ebenso durch Assimilation zu lösen hoffte wie die „Judenfrage“.485 Gerade als Neumann fortzog, kumulierte der Ärger mit Ilse. Die Politik­Vorlesung im SS. 1871, von sechs Studenten besucht, stellte er infolge Armbruchs ein.486 Seitdem flatterten die Entschuldigungen und Urlaubsgesuche im Dutzend auf den Schreibtisch des Kurators. Minister Falk reagierte dank der ins Land fließenden französischen Reparationen großzügig und bewilligte 1873 ein neues Ordinariat. Dafür wollte er, ohne die Fakultät zu konsultieren, einen nationalliberalen Kandi­ daten gewinnen. Nach mehreren Absagen glaubte er mit dem Würzburger Ordinarius Carl Umpfen­ bach jemanden gefunden zu haben, der noch nicht zu den „Kathedersozialisten“ übergelaufen war. Daß Umpfenbach zudem „Alt­Katholik“ war, also Gegner der „Rom­Kirche“, dürfte dem „Kultur­ kampfminister“ Bismarcks nicht unlieb gewesen sein.487 Mit der Erwartung berufen, in ihm einen „wirksamen Vertreter der anti­kathedersocialistischen Richtung in der Volkswirthschaftslehre“ zu ge­ winnen, enttäuschte er aber mit seinen Publikationen das Ministerium dermaßen, daß Falks Nachfol­ ger 1880 sinnierte, wie man ein „Gegengewicht“ schaffen könne, um den Königsberger Ökonomen­ nachwuchs nicht weiter allein unter dem Einfluß dieses Dozenten zu belassen,488 der sich nachsagen lassen mußte, durch allzu genaue „Schilderung des socialen Elends“ in „Zeiten der Aufregung“ nur „zu leicht den Verdacht erwecken zu können, als handle es sich um eine der gewöhnlichen socialistischen Agitationen“.489 Freilich sprach sich hier viel Klassenkampfhysterie von oben aus, da Umpfenbach zwar wirklich dem Kathedersozialismus nahe stand, aber etwa mit seinen Ideen zur Altersvorsorge, die vom Staat nur organisiert, ausschließlich aber von den zur Sparsamkeit zu erziehenden Proletariern zu finanzieren sei, noch rechts von dem Sozialpolitiker Bismarck stand.490

485 Zu Neumann: Marcon/Strecker 2004, S. 290–294. – Harms zählt neben Gottfried Traub und Othmar Spann zu den Beiträgern der Festschrift [Neumann 1905]. – Zur nationalen wie zur Judenfrage ausführlich und im dezi­ diert assimilatorischen Sinn: Neumann 1888, S. 162–164, wo er die von ihm registrierte Annäherung christlicher und jüdischer Bevölkerung „mit Freude“ begrüßt. Zur Polenfrage ders. 1883, ein statistisch gestützter Warnruf, nicht allzu siegesgewiß vom „stetigen Vordringen“ des „Deutschtums“ in den „früher polnischen Teilen Preußens“ auszugehen. Zur Lage des Proletariats ders. 1872. 486 GStA, Rep. 76Va, Sek 11, Tit VII, Nr. 1, Bd XII; unpag., Vermerk des Quästors. 487 Vgl. zur vita Nachruf AUK Chronik 1907. – Falk hatte Umpfenbachs Berufung etwas nebulös damit mo­ tiviert, daß er der Mann sei, dem es gelungen sei, in den „jetzt hervortretenden Parteikämpfen“ seiner Disziplin einen „unabhängigen Standpunkt“ zu wahren. Daß Umpfenbach Katholik sei, verschlage nichts, denn ihm sei „jede dem Staat feindliche und unbequeme Richtung fremd“ (GStA, Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 129; Falk – ZivK v. 3. 6. 1873 wg. Besetzung der durch Etat 1873 neubegründeten II. Professur für Staats­ und Cameralwissen­ schaften); vgl. auch Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. IX, Bl. 34 f.; Bestallungsvorschlag v. 3. 6. 1873, beto­ nend, daß Umpfenbach zwar katholisch sei, aber jeder gegen den Staat „feindlichen oder unbequemen Richtung abhold“. 488 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 307 f.; PrMK – PrMF v. 26. 6. 1880, betr. der notwen­ digen Neubesetzung des Lehrstuhls Ilse, mit dessen Vakanz zu rechnen sei, weil Ilse vor seiner Zwangsentlassung stehe – die dann aber noch zwei Jahre auf sich warten ließ. Die Begründung des Ministers stützte sich offenbar auf ein Votum v. Horns, der Umpfenbach noch in seinen Erinnerungen als Mann „ohne eigene oder klare Ideen“ einstuft, „seiner Aufgabe entschieden nicht gewachsen“ in einer Agrarprovinz, die vom Vertreter der Nationalöko­ nomie praktisch verwertbare Forschungen erwartet habe (GStA, VI. HA, Nl. v. Horn, Nr. 4, Bl. 319). 489 W. v. Brünneck 1875, S. 19 zu Umpfenbach 1874. 490 Sein Modell zur „antiproletarischen Altersvorsorge“ präsentierte der Königsberger Nationalökonom paral­ lel zur Bismarckschen Sozialgesetzgebung, siehe Umpfenbachs Plädoyer für eine staatssozialistisch organisierte, „durchweg befriedigende antiproletarische Altersvorsorge“, um dem „Kommunismus“ die Gefolgschaft abspenstig zu machen, 1883, S. 9 f.

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Nach der 1882 endlich bewerkstelligten Amtsenthebung Ilses sollte ein neu spendiertes Extraordi­ nariat dazu beitragen, Umpfenbachs Monopol bei der Ausbildung ostpreußischer Nationalökonomen und Juristen zu brechen. Der Ordinarius behielt jedoch in der Berufungskommission das Heft in der Hand und schaffte es, den Conrad­Schüler Ludwig Elster durchzusetzen. Elster, „‚der reaktionärste unter den lebenden Docenten‘ “, wie ihn sein Breslauer Kollege Werner Sombart nannte491, mit einer Max Webers „Protestantismusthese“ antizipierenden Studie über ‚Johann Calvin als Staatsmann, Ge­ setzgeber und Nationalökonom‘ 1878 in Halle promoviert,492 hinterließ zum Abschied aus Königsberg eine Eloge auf den vorbildlichen Sozialreformer Sismondi,493 die letzte Zweifel an seinem Sozialkon­ servatismus beseitigte. Der zum WS. 1883/84 zum „Aufbau der Statistik“ und damit auch zur Neu­ tralisierung Umpfenbachs berufene Elster494 wechselte 1887 an die schlesische Alma mater und von dort 1897 als Nachfolger Althoffs auf dem Posten des Hochschulreferenten ins Kultusministerium,495 hielt sich in seiner kurzen Königsberger Zeit publizistisch zurück,496 erwies sich aber nach dem Urteil des Kurators von Schlieckmann eher als Taschenausgabe Umpfenbachs denn als sein Widerpart. Der frustrierte Kurator bat seinen Minister schon nach Elsters Einstandssemester darum, ein drittes staats­ wissenschaftliches Ordinariat zu bewilligen, da nunmehr beide Königsberger Nationalökonomen einer Richtung „huldigen“, die den „Zielen der Staatsregierung auf dem Gebiet der Wirthschafts­, Zoll­ und Steuerpolitik zum großen Theile widerstrebt“. Die Studenten, von denen die meisten nur die Albertina besuchten, nähmen solche Auffassungen mit ins „praktische Leben“, was angesichts der „zur Genüge bekannten politischen Strömungen der Provinz Ostpreußen“ nicht länger zu dulden sei. Daher müsse ein „staatsfreundlicher“ Dozent her, der für die Berliner Wirtschaftspolitik unter Studenten und in „allgemeinen Vorträgen für breite Kreise“ werbe. Am besten eigne sich dafür der in Dorpat lehrende

Zit. nach Lenger 1994, S. 54. – Sehr viel abträglicher über Elster als Sombart äußerte sich der Staatsbibliothe­ kar Hans Paalzow in einem Votum für Althoff v. 11. 7. 1906 (zit. nach: Neugebauer 2010, Bd. 2/2, S. 430 ff.): Als Gelehrter sei er unbedeutend, und selten sei jemand in Preußen aufgrund so geringfügiger literarischer Leistungen ordentlicher Professor geworden – nach vier Königsberger Jahren, 1887 in Breslau. Schon den Einstieg ins Königs­ berger Extraordinariat dürfte Paalzow als personalpolitische Panne gewertet haben, sprach er doch von der theore­ tisch verfehlten und wenig erheblichen Habilschrift. Elster sei ein rein reproduktives Talent, dem keine nennens­ werte Bedeutung für die Nationalökonomie zukäme, was nicht ausschließe, ein „guter Lehrer“ zu sein. 492 Elster 1878, bes. S. 218 f., wo es heißt, daß zwar nicht „alles“, was im England des 17. Jahrhunderts den „Fortschritt“ ausmache, „calvinischen Ideen“ zuzurechnen sei, aber die „puritanischen Elemente“ doch für den Gang der Dinge „vielfach den Ausschlag“ gegeben hätten. „In erster Linie“ trete der Einfluß der Lehre Calvins auf die wirtschaftliche Entwicklung bei den Hugenotten in Frankreich zutage, wo die „innerste Überzeugung“ des reformierten Glaubens die „industriellen Fähigkeiten und Tugenden des Einzelnen“ entfaltet habe. 493 Elster 1887, S. 323, dort auf jüngere Publikationen verweisend, die bereits darauf aufmerksam gemacht hät­ ten, wie Sismondis Werk „den Keim einer Richtung“ berge, „welche heute dahier als sog. Kathedersocialismus zur allseitigen Entfaltung strebt“. 494 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 7–14; Liste für neubegr. natök. Extraordinariat, Stellungnahme Kurator u. Sondervotum Schade April/Mai 1883. Nach Ilses Amtsenthebung war sein Lehrstuhl offenbar weggefallen, als Ersatz bekam die Fakultät das Extraordinariat, für das Elster an erster Stelle genannt wurde. 495 Ein Amt, für das ihn Paalzow (s. o. Anm. 491) für noch weniger geeignet hielt: sein Allgemeinwissen sei zu gering, ebenso sein juristisches Wissen, ihm fehlen Kenntnisse im Verwaltungs­, ja selbst im Hochschulrecht. Über die Personalia habe er keinen Überblick, verwechsle sogar Dozenten, bringe ihren Fachgebieten schwaches Inte­ resse entgegen, sei im persönlichen Umgang salopp bis zynisch, wirke, mit einem Wort, schädlich und verderblich in der preußischen Universitätspolitik. Trotz dieser vernichtenden Beurteilung blieb Elster bis 1915 auf seinem Posten. 496 Sieht man – für die Königsberger Zeit – ab von einer Studie über Arbeiterschutzgebung (Elster 1885), die „kathedersozialistische“ Sympathien verrät. 491

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Richard Mucke, der einst, was der Kurator offenbar nicht wußte, als Habilitand des 1882 amtsentho­ benen Bismarckianers Ilse von der Fakultät mit Aplomb zurückgewiesen worden war.497 Wirtschaftspolitisch von Schlieckmanns Erwartungen ebensowenig erfüllend, war Elsters Nachfol­ ger, der Fakultätsfavorit Wilhelm Hasbach,498 als Beiträger der Grenzboten und der Preußischen Jahr­ bücher, als Polemiker gegen die politisch angeblich unfähige Sozialdemokratie und ihren Theoretiker Kautsky,499 aber immerhin bemüht, sich vehement anti­sozialdemokratisch und als wortreicher Ver­ teidiger der konstitutionellen Monarchie wie des sozialen Königtums in Szene zu setzen, während sein Generalangriff auf die Weltanschauung des Demokratismus erst lange nach seiner Königsberger Zeit erschien.500 Der Schüler der Kathedersozialisten Wagner und Schmoller, dem in Greifswald von einer „liberalen Minorität“ Steine in den Weg gelegt wurden, weil seine „politische Gesinnung“ mehr als seine „theoretischen Standpunkte“ ihr „ein Gräuel“ waren, was sich vielleicht aus seiner von Wagner geprägten Position erklärt, die er in seinem Werk über die englische Arbeiterversicherung offenbart hatte.501 Periodisch entlud sich der Widerwille des versierten Adam­Smith­Kenners seitdem in im­ 497 GStA …, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 187–189; Kurator – PrMK v. 20. 5. 1884 wg. staatswiss. Ordinariats. Zum 1871/73 spielenden „Fall Mucke“, Nr. 25, Bd. III, Bl. 1–86. Hier ging es darum, dem ultrakonservativen Re­ negaten Ilse nicht dadurch Einfluß zu verschaffen, daß man ihm die Kür eines gleichgesinnten Privatdozenten erlaubte. Der nationalliberale Historiker Maurenbrecher, dem weder Ilses noch Muckes Publikationen über die Vormärzepoche behagten, weil sie den Liberalen bis 1848 kein günstiges Zeugnis ausstellen (vgl. nur Mucke 1873a, in der Vorrede auch nochmals Maurenbrecher scharf attackierend u. ders. 1875 sowie gegen die Sozialde­ mokratie 1873b), ergriff daher die Initiative und denunzierte den Leipziger Roscher­Schüler als Plagiator Ilses. Da die beiden Konservativen den Konflikt nach außen trugen und dabei die „junkerliche“ Ostpreußische Zeitung als Plattform nutzten, was weder dem damaligen Kurator von Horn noch dem PrMK gefiel, konnte Maurenbrecher mit Hilfe seines Parteifreundes Güterbock sogar eine Senatsmehrheit aufbieten, um Muckes Königsberger Habili­ tationspläne zu durchkreuzen. Mucke, inzwischen Privatdozent in Greifswald, war tatsächlich von Althoff 1883 als Kandidat für das neue Extraordinariat ins Spiel gebracht worden. Der Agrarwissenschaftler v. d. Goltz, ausersehen, Althoffs Wünsche in der Fakultät in einen Listenvorschlag zu transformieren, riet indes dringend ab, um nicht „alte Gegensätze wachzurufen“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff B Nr. 55 II, Bl. 181 f.; Schreiben v. 23. 1. 1883). Der Bibliothekar A. Wilmanns hatte 1874/75 beobachtet, daß der „Fall Ilse“ tatsächlich tiefe Gräben aufgerisssen hatte, über die PhilFak hinaus; der Historiker Hopf führte dabei die Fraktion der „Ilse­Freunde“ an (zit. nach Paalzow 1943, S. 20). 498 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 66–68; Liste Nf. Elster v. 11. 1. 1888: unico et aequo loco: W. Hasbach, (1849–1920, s. Catalogus), und Robert Meyer, 1885–1893 Handelsakademie Wien, 1855 Wien–1914 ebd., 1900 Sektionschef Finanzministerium, 1911 Minister, 1910 u. 1913/14 Präsident Statist. Zen­ tralkommiss., „Vorkämpfer“ der Volksbildung und der Steuer­ u. Wohnungsreform; ÖBL V, S. 442 f.. Zwischen den Zeilen äußerte sich über Meyer das Bedauern, daß er sich leider stark finanzwissenschaftlich spezialisiert habe. Daher – so muß man es verstehen – genoß der weltanschaulich ansprechbarere Hasbach, dessen Polemik gegen die Sozialdemokratie natürlich rühmend erwähnt wurde, mehr die Gunst der Fakultät. 499 Hasbach 1886. 500 Vgl. Hasbachs nach der frühen Kieler Emeritierung verfasstes opus magnum von 1912: ‚Die moderne De­ mokratie‘. In den Königsberger Jahren von 1887–1893 beschäftigte ihn die Auseinandersetzung mit den liberalen Klassikern der Nationalökonomie, s. Hasbach 1890 zu Quesnay und Adam Smith, der 1891, in einer Schmoller gewidmeten Monographie, durch Hasbachs gründliche Historisierung, in seiner Bedeutung ordentlich schrumpft: er sei ein systematischer Kopf gewesen, aber kein „bahnbrechender Geist“, zu sehr Naturrechtler und Rationalist, um die Funktionsweise menschlichen Wirtschaftens wirklich zu durchleuchten; vgl auch ders. 1896. Zu Hasbach: F. Hoffmann 1940, S. 154–158, der, angesichts von Hasbachs Monarchismus, etwas zu „milde“ urteilt, daß ein „aristokratischer Liberalismus“ sich bei ihm gegen den „Massendemokratismus“ gestellt habe. Eine Untersuchung zu Leben und Werk dieses Nationalökonomen stellt eine Forschungslücke dar, die, im Anschluß an F. Hoffmanns Kieler Disziplingeschichte, leider auch von Pusback 1988, S. 338 f. nicht geschlossen wurde. 501 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 63, Bd. I, Bl. 24–27; Hasbach – Gustav v. Schmoller (von diesem weiter­ geleitet an Althoff ) v. 12. 5. 1886. Vgl. Hasbach 1883, seinem „verehrten Lehrer“ Adolph Wagner gewidmet. In Hasbachs Augen hat die soziale Gesetzgebung Englands versagt, aber das Fehlen einer im Deutschen Reich soeben

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mer neuen Angriffen auf die „klassische Nationalökonomie“ (Smith, Ricardo, Say), ihre freihändle­ rischen Popularisatoren und Ideologen, die Marktradikalen des „plutokratischen Manchestertums“, den „Börsenliberalismus“ und „Wucherliberalismus“, ebenso wie gegen die Wagner/Schmoller­Kritik der Wiener Schule Mengers.502 Eingehende Studien zur englischen Agrarpolitik und zur „Landarbeiterfrage“ führten zu dem ge­ rade für Ostelbien bedenkenswerten Resultat, den sozialen Sprengstoff, den die einseitige Bevorzung des „Großgrundbesitzes“ nicht nur auf der Insel angehäuft habe, rasch durch die Förderung der „Klein­ und Mittelbetriebe“ zu entschärfen. Insoweit enthielt Hasbachs Resümee, gewonnen aus einem Wust britischer Enquête­Daten und Statistiken, eine indirekte Warnung an das preußische Herrenhaus und dessen „junkerliche“ Mehrheit: dem Londoner Oberhaus nicht in einer Politik des Klassenegoismus zu folgen, einer Politik, die signalisiere, daß die „überwiegende Mehrzahl des Adels“ die Anforderungen nicht begreife, „welche die Arbeiterfrage an sie stellt“ und daher die gewaltsame Umwälzung riskiere, anstelle „der langsamen Entwicklung zu neuen socialen und wirtschaftlichen Bildungen“.503 Die wissenschaftlichen Biographien von Elster und Hasbach, genau wie die des Umpfenbach nachfolgenden, mit einer ausladenden, dreiteiligen Proudhon­Monographie wie als Kenner der So­ zialphilosophien des 19. Jahrhunderts sich empfehlenden Karl Diehl (1899–1908),504 der der Beru­ fungskommission auch wegen seiner „maßvollen Haltung zu socialpolitischen Fragen“ behagte,505 wie die des Hasbach­Nachfolgers Otto Gerlach (1893–1923) und selbst noch die des auf Diehls Lehr­ stuhl berufenen Albert Hesse (1909–1921) führen überhaupt alle auf zwei Prägestätten zurück: auf die staatswissenschaftlichen Seminare in Berlin und Halle. Also auf die Kathedersozialisten Schmoller und Wagner sowie auf den nur das schmale Feld der Agrarökonomie und ­statistik beackernden, aber per­ sonalpolitisch außergewöhnlich einflußreichen Johannes Conrad.506 Diehl, Gerlach und Hesse durch­ eingeführten „Staatsversicherung“ für die „unteren Klassen“ werde auf der Insel durch die freiwillige „Hilfe wohl­ wollender oberer Klassen“ partiell kompensiert (ebd., S. 44–447). 502 Vgl. etwa Hasbach 1896, bes. S. 875–877. Ausführlicher seine beiden ideengeschichtlichen, auf Diltheys Spu­ ren wandelnden, die „Seele der modernen Weltanschauung“ (1890, S. 160) ergründenden Monographien zur po­ litischen Ökonomie von Quesnay und Adam Smith: Hasbach 1890 und ders. 1891. Bis in seine letzten Schriften stellt der „Plutokratismus“ neben dem Sozialismus für Hasbach den Hauptfeind einer gerechten Gesellschaftsord­ nung dar, die sich nur in der konstitutionellen Monarchie realisieren könne. Vgl. Hasbachs Zusammenfassung seiner publizistischen Interventionen gegen die „parlamentarische Kabinettsregierung“, 1919, S. 274, 277 (keine andere Regierungsform als die parlamentarische Demokratie lade das „internationale Börsen­ und Finanzkapital“ so offen ein, sich „in vollster Freiheit bewegen zu können“) sowie S. 294, wo er Robert Michels’ statistische Erhe­ bung über den hohen jüdischen Anteil in der sozialdemokratischen Funktionärsschicht zitiert und die Möglichkeit andeutet, daß „Finanzkapitalismus“ und sozialistisch­kommunistische Weltrevolution zwei Waffen in der Hand „des Generalstabs des internationalen Judentums“ sein könnten. 503 Hasbach 1894, S. 378–388, hier zit. S. 384, 387 f. Die unumwundene Warnung vor einer sozialen Revolution im Mutterland des Kapitalimus, ausgelöst durch die lamentable Lage nicht der Industrie­, sondern der Landarbei­ ter, äußerte Hasbach in einem Vortrag vor der Königsberger Geographischen Gesellschaft am 8. März 1889 (vgl. Tesdorpf 1898, S. 60 f.). Der Königsberger Nationalökonom nahm damit im Kern die Kritik Max Webers am ostelbischen Adel vorweg: für das Deutsche Reich seien die „Junker“ die falsche Machtelite, weil sie nicht mehr ökonomisch fähig und politisch willens seien, ihre Klasseninteressen dem Gesamtinteresse der Nation unterzuord­ nen! Dies glasklar herausarbeitend die Weber­Interpretation von Cornelius Torp 1998. 504 Diehl, Proudhon 1888–1894, dazu E. Böhm­Bawerks höchst beifällige Rezension der 3., 1896 veröffentlich­ ten Abteilung: P. J. Proudhon: sein Leben und seine Sozialphilosophie (1897). 505 GStA, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 21 f.,PrMK – ZivK v. 22. 11. 1898. Dazu auch unten S. 191 f. 506 Elster zählt zu den engsten Schülern Conrads, bei dem er sich 1880 habilitierte und mit dem zusammen er drei Auflagen des ‚Handwörterbuchs der Staatswissenschaften‘ (1888–1911) herausgab. Diehl habilitierte sich 1890 bei Conrad, der wiederum seinen Schüler Gerlach zu Elster nach Breslau schickte, wo Diehl (1889/90 zu einem post­doc­Studium bei den Mengers in Wien!) sich 1890 als Opponent in Gerlachs Habil.­Verfahren zur Verfügung stellte, vgl. Gerlach 1890.

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liefen in Halle zudem die rechtsphilosophische Schule Rudolf Stammlers, und machten sich dessen Kritik an der geschichtsphilosophischen Axiomatik des „Historischen Materialismus“ zu eigen. Im Einklang mit Stammler war für sie nicht das unterstellte marxistische Ideal der „höchstmöglichen Pro­ duktion“ zur allseitigen Bedürfnisbefriedigung maßgebend, sondern die „Gemeinschaft frei wollender Menschen“.507 Hasbach und Diehl wiederum waren dezidierte „Wagnerianer“, folglich mehr „theo­ retisch“ als „historisch“ orientiert, wie auch Gerlach und Hesse philosophisch interessiert und sich einig waren in der „Ablehnung des individual­wirtschaftlichen Ausgangspunktes, in der Preisgabe der Aufstellung wirtschaftlicher Naturgesetze, in der Betonung der Relativität aller wirtschaftlichen Er­ scheinungen, im Hinweis auf die Bedingtheit der Wirtschaftserscheinungen durch die gesellschaft­ lichen und rechtlichen Ordnungen“.508 Dieser historistische Relativismus richtete sich gleichermaßen gegen den Normativismus der westeuropäischen Klassiker der Nationalökonomie wie auch gegen den Gesetzesglauben des historischen Materialismus, wie ihn die marxistische Sozialdemokratie propa­ gierte.509 Um gerade die deutsche Sektion der Internationalen in ihrem Dogmatismus ideenhistorisch zu isolieren, hob Diehl alternative, nicht­marxistische Theorien ins kollektive Gedächtnis. Fast ein Jahrzehnt verwendete er daher auf die Beschäftigung mit dem Marx­Antipoden Proudhon, auf seine „zum Teil berechtigte Kritik des bequemen Optimismus der liberalen Ökonomie“510 und auf den von ihm sich herleitenden „freiheitlichen Sozialismus“. Diese Spielart des Sozialreformismus sei dem deutschen sozialen Königtum in der Beseitigung der ökonomischen Krisen des Kapitalismus und des „Pauperismus“ zwar ebenso unterlegen wie der auf die Diktatur des Proletariats hinarbeitende Mar­ xismus.511 Aber wie die Proudhon­Rezeption in der ohnehin von genossenschaftlichen Traditionen geprägten englischen und französischen Arbeiterbewegung beweise, müsse die Gesellschafts­ und Wirtschaftsreform nicht unbedingt den „staatsautoritär­kommunistischen Ideen“ von Karl Marx ge­ horchen, wie die deutschen Genossen sich dies vorstellten, sondern könnte auch in einen dezentral organisierten, „größte individuelle Freiheit“ gewährenden „Sozialismus“ münden.512

Dazu ein Rezensionsaufsatz zu Stammlers Hauptwerk ‚Wirtschaft und Recht‘, Diehl 1897a, bes. S. 847–849. Diehl 1924, S. 14. Vgl. auch Hesses programmatische Darlegungen aus der Breslauer Zeit, gegen die Klassi­ ker der Nationalökonomie wie die „österreichische ‚exakte‘ Schule“ und deren Annahme einer „Normalform der Wirtschaft“, gegen ihre Prätention, allgemeine Sätze aus einzelnen Tatbeständen herzuleiten, gegen den Anspruch, „wirtschaftliche Naturgesetze“ aufstellen zu können usw., Hesse 1926, S. 13–16, 22 f., 29 f.: „Die Relativität aller generellen Aussagen auf volkswirtschaftlichem Gebiet ergibt sich daraus, daß die konkreten Erscheinungen des Wirtschaftslebens von dessen Organisation, von den Menschen und von der äußeren Natur abhängen, diese räum­ lich verschieden sind und zeitlich sich ändern.“ Folglich könne es, und hier richtet sich Hesse gegen den Marxis­ mus, auch „soziale Gesetze“ im Sinne des historischen Materialismus nicht geben. Der wirtschaftende Mensch handelt stattdessen nach zeitlich bedingten „Werten“, „Idealen“, „Wertideen“ jenseits „einseitiger Partei­ und Klas­ senideale“, die eine „unparteiliche“ nationalökonomische Wissenschaft erfassen solle, um sie der Wirtschaftspolitik zur Richtschnur anzubieten (ebd., S. 42 f.). 509 Für Diehl vgl. bes. die aus Königsberger Vorlesungen für „breite Kreise“, 1905 erstmals publizierte, 1911 erweiterte, strikt antimarxistische Ideengeschichte ‚Über Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus‘. Früher schon gegen dessen Überschätzung der „Macht des Marxismus“ Diehls Kritik an Werner Sombarts ‚Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert‘ (zuerst 1896), derzufolge es mit dem „Internationalismus“ der Arbei­ terbewegung nicht weit her sei. Eigentlich verfechte nur die SPD den marxistischen Sozialismus und die Politik des Klassenkampfes, die westeuropäischen Arbeiterbewegungen seien gewerkschaftlich­reformerisch orientiert (Diehl 1897b, S. 339). 510 Diehl 1888, S. V. 511 Diehl 1896, S. 239. 512 Ebd., S. 203 f.; natürlich hält Diehl auch dies, wie das meiste, was von Proudhon herrührt, für eine Irrlehre (1888, S. V). Als eine relativierende Alternative zu Marx scheint sie ihm für den Weltanschauungskampf aber recht geeignet. 507

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Insoweit fügte sich niemand besser in die Linie Elster – Hasbach ein als der gebürtige Ostpreuße Otto Gerlach. Er gehörte zu Elsters ersten Schülern in Königsberg, promovierte 1888 bei Conrad in Halle, wo er sich Stammlers Einfluß öffnete, und ging für die Habilitation zu Elster nach Bres­ lau – „Beziehungen“, die sich 1893 als nützlich erwiesen, als er eher aussichtslos tertio loco auf der Königsberger Liste für die Hasbach­Nachfolge stand.513 In seinen ‚Kritischen Erörterungen zu den Wertlehren von Marx, Knies, Schäffle und Wieser‘ meldete Gerlach erstmals Vorbehalte gegen die ökonomistischen Abstraktionen der Liberalen wie der Marxisten an und ließ Sympathien für einen Sozialreformismus erkennen, der, von Stammler nur unwesentlich modifiziert, eine kantische Maxime zum Maßstab für eine gerechte Wirtschaftsordnung nahm: „Niemand soll in der Volkswirtschaft nur als Mittel aufgebraucht werden – auch nicht in der Weise, daß er aus Mangel an Arbeit infolge der bestehenden Organisation keinen Unterhalt hat.“514 Das Postulat der Freiheit aller von ökonomischer Knechtschaft sei folglich nichts dem „modernen Socialismus Eigentümliches“, sondern „der oberste Gesichtspunkt der Socialökonomik als Wissenschaft“, soweit sie sich dem von Stammler postulierten Fixpunkt des „socialen Ideals“ verpflichtet fühle. Demgegenüber müsse der Beweis, daß Marx’ Theorie des Klassenkampfs wirklich der Stammlerschen Idee einer Gemeinschaft frei wollender Menschen ge­ recht werde, erst noch geführt werden!515 Daß andererseits Stammlers Ideal nicht als Handlungsan­ leitung tauge, um „eine gerechte Welt aufbauen zu können“, schärfte Gerlach 1901 seinen Studenten ein, die sich zur Gründung eines „Akademisch­volkswirtschaftlichen Vereins“ zusammengetan hatten. Gesellschaftliche Änderungen soll demnach nicht unmittelbar der jedermann evidente Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit erzwingen – das wäre revolutionär. Allein die Wissenschaft, „die Lehre von der Volkswirtschaft“, soweit sozialökonomische Gegebenheiten in Frage stehen, befindet aufgrund eingehender empirischer Erhebungen über die „Berechtigung von Reformbestrebungen“. Dabei scheint sich für Gerlach die „Produktion auf dem Boden der Eigentumsordnung“ wissenschaft­ lich nicht als unvereinbar mit dem „sozialen Ideal“ erweisen zu lassen. Nur „Mißstände“ des Systems, keinesfalls das System selbst als idealwidrigen Mißstand deckt der Nationalökonom auf und regt Re­ formen an, die allein im unendlichen Fortschritt zu einer „gerechten Welt“ führen werden.516 In der großen Philosophischen Fakultät bildete diese sozialkonservative Kontinuität der National­ ökonomen nur eins von mehreren weltanschaulich und politisch divergierenden Lagern. Neben ihnen agierten weiter die Nationalliberalen des „Prutz­Klüngels“, die aber in der Amtszeit von Goßlers und seines neuen Hochschulreferenten Althoff, also zwischen 1882 und 1891 merklich an Einfluß verloren. Ebenso der alte liberale „Freisinn“, dem nach Friedländers Emeritierung und Dehios Weg­ berufung (1892), sieht man ab von den schweigsamen Sympathisanten Arthur Ludwich, dem Mathe­ matiker David Hilbert und dem Pharmazeuten Hermann Spirgatis, nur noch Rühl eine Stimme gab. Kunstgeschichte Unter den Geisteswissenschaftlern war Baumgarts konservativer „Idealismus“ mit der Berufung des wegen seiner „Hinneigung zum eigentümlichen Wesen des deutschen Kunstgeistes“ gelobten Kunsthi­ GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVII, Bl. 298–301; PhilFak – PrMK v. 26. 10. 1893, Liste Nf. Hasbach: 1. Clamor Neuburg (1851), 1875 Prom. Tübingen, 1878 Habil. Jena, Veröffentlichungen zu Zunft­ gerichtsbarkeit und Bergbau im 16. Jh., über Stadtrechte und Innungen. – 2. Ferdinand Toennies (1855–1936), Habil. f. Philosophie Kiel 1881, 1891 Tit. Prof. ebd., als SPD­Sympathisant zurückgesetzt, daher in Kiel erst 1908 ao. Prof., Forschungen zu Spinoza und bes. zu Hobbes, 1887 der soziologische Klassiker ‚Gemeinschaft und Ge­ sellschaft‘, der in der Laudatio als „sehr bemerkenswert“ Lob erfährt. – 3. Gerlach. 514 Gerlach 1890, S. 71. 515 Die kantische­stammlersche Maxime wieder ausspielend gegen Karl Vorländers neokantianischen Sozialismus, Gerlach 1903, S. 565. 516 Gerlach 1901, S. 18–23. 513

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storikers Berthold Haendcke (1894–1926) im Aufwind. Althoff zog Haendcke, dessen „Richtung“ die „geschichtlich idealistische“ sei, vor und leitete den „progressiven“, von Kissner beworbenen, vom nach Tübingen abgehenden Dehio­Nachfolger Konrad Lange (1892–1894) lancierten Richard Muther auf Zorns Intervention hin nach Breslau um.517 Haendcke stand hinter dem Prager Gymnasialprofessor und Privatdozenten Joseph Neuwirth, der fast ausschließlich zur Kunstgeschichte Böhmens gearbei­ tet hatte, und vor dem Landeskonservator der Rheinprovinz, Paul Clemen, an zweiter Stelle auf der Liste.518 Im Vergleich mit den Vorschlägen zu Dehios Nachfolge, für die man 1892 die erstrahlenden Sterne Wölfflin, Thode und Wickhoff nannte, hatte die Fakultät mit ihrer Liste zur Nachfolge des Durchzüglers Lange ihre Ansprüche ohnehin kleinmütig zurückgeschraubt.519 Was nicht verwundert, da Lange 1892 ja bereits dritte Wahl gewesen war, nachdem Althoff entschlossen war, der Fakultät August Schmarsow zu oktroyieren, der aber den Königsbergern nicht aufgenötigt werden wollte.520 Lange trat dafür ein, die Kunstwissenschaft volkserzieherisch aufzuwerten. Dafür wäre es nötig gewesen, den in Königsberg seit langem nicht mehr erteilten Zeichenunterricht wiederzubeleben und für möglichst alle Studenten obligatorisch zu machen. So wollte er an der Albertina, deren kunst­ historischer Apparat nach dem Muster der vorbildlichen großen Sammlungen in Leipzig und Straß­ burg hätte ausgestattet werden müssen, seinen Beitrag zur ästhetischen Erziehung des akademischen Nachwuchses leisten, mit dem Ziel, den „gebildeten Mittelstand“ auf eine „einheitliche Höhe des Kunstverständnisses“ zu heben. Gesellschaftliche Integration, bewirkt mittels einheitlicher ästhetischer Geschmacksbildung, die „deutsch­nationale Empfindung“ weckt und formt, soll die verlorenen „kla­ ren und einfachen Lebensverhältnisse“ der Vormoderne zurückbringen, die durch den „zerrissene[n] und widerspruchsvolle[n] Charakter unserer Kultur“, die „unser Volk […] in Parteiungen und Interes­ senkreise gespalten“ habe, verloren gegangen sei.521 Für einen unverzichtbaren Bestandteil solcher Er­ ziehung erklärte Lange dabei jedoch „die künstlerischen Strömungen der unmittelbaren Gegenwart“,

517 GStA, I. HA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 21, Bd. XVIII, Bl. 126–132 und 133–140; Liste Nf. Lange v. 17. 12. 1894 und Separatvotum Kissner v. 30. 11. 1894. Von der Fakultätsmehrheit wird Muther explizit abgelehnt als „extremer Vorkämpfer einer im höchsten Grade einseitigen Richtung“. Dazu GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 205, Bd. II, Bl. 4, Zorn – Althoff v. 16. 1. 1895: Muther werde wohl den „öden Realismus“ Langes predigen; mit Haend­ cke wäre hingegen die „Facultät, so ich höre, sehr zufrieden“ und für seine Ernennung „sehr dankbar“. Kissner meinte hingegen, Muther, ein „verständnisvoller Bewunderer der Moderne“, repräsentiere „Anschauungen jener Künstlerkreise“, auf denen die Zukunft der deutschen Kunst beruhe. Zudem sei er der richtige Lehrer gerade für Königsberger Studenten. Denn die neigten, durch „östliche und klimatische Verhältnisse“ bedingt, dazu, „viel in sich hinein aber wenig aus sich heraus in die Welt der Erscheinungen zu blicken“. Daher finde man den „hiesigen Studententyp“, wenn auch „langsam und schwerfällig“, zwar für „spekulative Reflexion gut vorbereitet“, während seine Sinne „wenig geschärft“ seien, ihm die „lebendige Erfahrung der Außendinge“ und folglich „ein Gefühl für die Form“ abgehe. – Zu Muthers Stellung in der Kunstdiskussion der neunziger Jahre: Schleinitz 1993, dort S. 37 f., allerdings ohne Beachtung der Königsberger Zeugnisse, zur Wahl zwischen Breslau und Königsberg. 518 GStA …, Nr. 21, Tit. IV, Bd. XVIII, Bl. 126–132; PhilFak – PrMK v. 17. 2. 1894, Liste Nf. Lange. 519 Die Liste war aufgrund einer leider nicht in der Berliner Akte überlieferten „Denkschrift“ Langes über die in Betracht kommenden Kunsthistoriker erstellt worden. Dadurch war Muther auf die Liste gelangt, der Langes Favo­ rit war, ausersehen als Widerpart zu Julius Walter und Hermann Baumgart, den beiden, auf „älterem ästhetischen Standpunkt“ stehenden Kollegen. Von Männern wie dem Springer­Schüler Adolph Goldschmidt (1863–1944), 1893 Habil. FWU, habe er dabei abgesehen, da er sich nicht entschließen könne, „zu einer Verstärkung des schon genügend starken semitischen Elementes in Königsberg beizutragen“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, Nr. 108 II, Bl. 80 f.; Lange – Althoff v. 7. 10. 1894). 520 GStA …, Nr. 21, Bd. XVII, Bl. 85–86; Schmarsow – Althoff v. 3. 6. 1892: er wolle den Königsbergern nicht durch das Ministerium aufgedrängt werden. 521 K. Lange 1893, S. 13–16, 201 ff. (Zeichenunterricht in allen Fakultäten), 227 ff. (Ausbau der kunsthisto­ rischen Apparate). Zeichenunterricht dürfte an der Universität nicht mehr seit Gründung der Kunstakademie (1845) erteilt worden sein. Zu Langes Reformvorschlägen vgl. E. Schulze 2004, S. 163–169.

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hielt also nichts vom „Lamentiren über den Verfall der wahren hohen Kunst“ seit der Goethezeit.522 Das brachte ihn in Opposition zu Verteidigern der klassizistischen Tradition wie Baumgart oder Zorn und erklärt sein Eintreten für den dezidierten „Modernisten“ Richard Muther als Amtsnachfolger. Im Vergleich mit dem Liberalen, dem architekturhistorisch betont kosmopolitisch­„abendländisch“ gestimmten Dehio, der sein unter dem steinalten Ernst August Hagen verdämmertes Orchideenfach in Königsberg – auch dank guter Bestände an Kupferstichen und Photographien – wieder zu zarter Blüte entfaltet hatte,523 im Gegensatz auch zu Lange, für den freilich auch schon „in erster Linie die deutsche niederländische Kunst“, weil „Blut von unserem Blut“, für die „allgemeine Anregung“ in Frage kam,524 leitete Haendckes Berufung eine nationale Verengung der Kunstgeschichte in Königsberg ein. Die erste selbständige Arbeit, die er am Pregel begann, galt nicht zufällig dem geliebten Meister Dürer, dessen Kunst „im Kerne des Denkens und Fühlens des deutschen Volkes wurzelte“,525 den freizulegen sein kunsthistorischer Ehrgeiz fortan galt. Was die erste Garnitur der deutschen Kunsthistoriker von ihm hielt, nachdem er zehn Jahre an der Albertina gewirkt hatte, teilte Wilhelm Bode Althoff unverblümt mit: „unübersichtliche Kollek­ tionen“ seien „aus Haendckes Feder“ entstanden, die durch einen „unerfreulich nüchternen Ton und eine kleinliche Auffassung“ mißfielen. Ihn finanziell zu päppeln, wenn er in Süddeutschland Ma­ terial für seine ‚Geschichte der deutschen Skulptur im 17. Jahrhundert‘ sammeln wolle, sei „nicht mehr zeitgemäß“.526 Die von Bode vermißte Kraft zur „Zusammenfassung“ des Stoffes war seinen Hauptwerken über die schweizerische Malerei des 16. Jahrhunderts (1893), der nur äußerlich an Jacob Burckhardt angelehnten ‚Die deutsche Kultur im Zeitalter des dreißigjährigen Krieges‘ (1906) so­ wie seiner treffend mit ‚Ein Handbuch‘ untertitelten, kompilatorischen ‚Entwicklungsgeschichte der Stilarten‘ (1913) wirklich nicht eigen.527 Soweit wie eine strukturierende Deutung in den zahllosen, Lange 1893, S. 247. GStA …, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 160; Kurator – PrMK v. 20. 11. 1878: Hagen habe angezeigt, daß er seine Vorlesungen einstellen, jedoch die Leitung der Kupferstich­Sammlung behalten möchte. Erst ein Jahr später machte die PhilFak Vorschläge für ein besold. Extraordinariat f. Kunstgeschichte (ebd., Bl. 247–249, an PrMK v. 20. 12. 1879), dabei den großen Mangel an geeigneten Kandidaten beklagend auf einem Gebiet, auf dem es von „Dilettanten“ und „Zweitverwertern“ wimmle, die höchstens für die „Malerakademie“ taugten, wo es sich nur darum handle, Schülern mit mäßiger Vorbildung etwas Orientierung zu geben. Für die Universität genüge das nicht, und da echte Gelehrte in dieser Disziplin halt rar seien, könne man nur den über gründliche „philologische“ [sic, gemeint: philosophische] Bildung im Geist der Hegelschen Schule verfügenden Münchener Privatdozenten Robert Vischer nennen. Dem Ministerium reichte das nicht, weitere Vorschläge wurden erbeten (ebd., Bl. 250, an Kurator v. 4. 2. 1880). Dann starb Hagen im Februar 1880 und nunmehr galt es, sein Ordinariat zu besetzen, auf das Dehio zum SS. 1883 aber zunächst als Extraordinarius, „zur Bewährung“, berufen wurde, die Beförderung zum Ord. erfolgte zum SS. 1884. Details seiner Berufung sind wegen eines Aktenverlustes nicht mehr aufzuklären, vgl. Betthausen 2004, S. 103 f. – Vischer, 1847 Tübingen–1933 Wien, Sohn des Ästhetikers und Literaurhistorikers Friedrich Th. V. (1817–1887), Habil. f. Kunstgeschichte München 1879, Kollege Dehios, ging 1882 als b. ao. Prof. nach Breslau, 1885 TH Aachen, 1892–1911 Göttingen. 524 Lange 1893, S. 246. 525 Haendcke 1899, S. 40. 526 GStA …, Nr. 27, Bd. III, Bl. 16; Bode – Althoff v. 2. 9. 1906. Ebd., Bl. 17/18, Althoff ­Kurator v. 20. 9. 1906: Mit Bezug auf das (vertraulich zu behandelnde!) Bode­Votum sei Haendckes Antrag abzulehnen. – Grundlage für Bodes Urteil war offenbar vor allem der schön ausgestattete, allerdings recht schmale Großoktavband, der Haendckes ‚Studien zur Geschichte der Sächsischen Plastik der Spätrenaissance und Barock­Zeit‘ (Dresden 1903) versammelte. Lexikalisch angelegt, nach Art einer landeskonservatorischen Bestandsaufnahme, liefert die sich jeder Deutung enthaltende Arbeit knappe Deskriptionen der unter die Schulen von Dresden, Freiberg und Schneeberg rubrizierten Meister. 527 Haendcke 1893; ders. 1913 (mit einigen Ergänzungen in 2. Aufl. 1924), dazu noch der aus Königsberger Vorlesungen für alle Fakultäten entstandene, ausschließlich beschreibend verfahrende Band über die ‚Deutsche Kunst im täglichen Leben‘, 1908. Die Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges von 1906 verzichtet lt. Vorwort 522

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vielfach mit „volksbildnerischen“ Absichten publizierten Aufsätzen und Presseartikeln Haendckes kon­ turenarm aufscheint, huldigt sie „unwägbaren Kräften“, einem ungreifbaren „Geist“, der ungeachtet aller eben nur „mit“­bestimmenden natürlichen, politischen und ökonomischen Faktoren Kunstwerke produziere.528 Diese so deklarierte Autonomie der Kunst machte für ihn ihren politisch­pädagogischen Wert aus: gerade weil „echte“ Kunst zeitenthobenen und überparteilichen Idealen folge, sei sie eine „gut treffende Waffe gegen innere Anarchie des geistigen und seelischen Lebens des Volkes“.529 Deutsche Philologie Eifernder als Haendcke predigte diesen, eigenem Selbstverständnis zufolge strikt unpolitisch­überpar­ teilichen „Idealismus“ Hermann Baumgart. Sein Amt verdankte er den politischen Intentionen Zorns. Mit dem Argument, dies sei unabdingbar im Interesse der Stabilisierung der „Ideale der Jugend“, der „ideale Auffassungen und Bestrebungen einzuprägen“ seien, wie sie sich in den „unsterblichen Werken der deutschen Classiker“ fänden, rückte der auch vom Kurator von Schlieckmann unterstützte Staats­ rechtler Althoff zu Leibe.530 ausdrücklich auf „zusammenfassende Erörterungen“ und bietet daher genau die Exzerpten­Kollektion, die Bode so abstoßend fand. Zeitbedingte Wertungen Haendckes enthält sie nur in Spurenelementen. Maßstab ist dabei die 1871 erreichte Reichseinheit, die „Wirtschaftseinheit“, für die angeblich schon Luther eingetreten sei, und die konfessionelle Einheit, die zwar ausblieb, aber, so tröstet sich der hanseatische Lutheraner, wenigstens sei im 17. Jahrhundert die Macht der Territorialstaaten, ihre „Selbständigkeit gegenüber der Kirche“, so weit gestärkt worden, daß sie fortan weniger „ultra montes blickten“. So sei das „deutsche protestantische Kaiserreich“ vorberei­ tet worden. Die katholischen Habsburger hingegen hätten nichts Besseres zu tun gehabt, als sich zu Schirmherrn der Juden aufzuschwingen, die als Profiteure des 30jährigen Krieges Ausgangspositionen besetzen konnten, um im 18./19. Jahrhundert zur „Geldmacht“ aufzusteigen (1906, S. 86 f., 100, 105, 165–168). 528 Haendcke 1898; in dieser Königsberger Kaiser­Geburtstagsrede über ‚Die bildenden Künste und die natür­ lichen Bodenverhältnisse‘ werden „Bodenbedingungen, Klima und Landschaft“ als letztlich ephemere Determi­ nanten der Kunstproduktion eingestuft. Daß die „Entwicklung von echter Kunst“ von der politisch­ökonomischen Machtentfaltung unabhängig sei, versucht Haendcke 1909 in einem längeren Aufsatz darzutun. So habe die Welt­ macht England seit dem 18. Jahrhundert als „Kunstland“ wenig geleistet, mit Gainsborough oder Turner nur „Meister zweiten Ranges“ hervorgebracht. Allerdings mußte Haendcke dann auch konzedieren, daß die deutsche Kunst mit dem Aufstieg des wilhelminischen Reiches nicht Schritt halte, denn „trotz eines Max Klinger“ habe sie „die höchste Stelle“ wohl noch nicht erklommen. 529 Haendcke 1911, S. 411. 530 Vgl. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 3 II, Bl. 57–62; Baumgart – Althoff v. 8. 6. 1887 betr. 2. german. Ordinariat und ebd., B Nr. 205 II, Bl. 11; Zorn – Althoff v. 3. 11. 1887: Gerade „hier in Königsberg“ sei die Professur für neuere Literatur ein umso größeres Bedürfnis, „als es hier wie an keiner anderen deutschen Hoch­ schule gilt, die Neigung zu ungeschichtlichem Sinn, zu blos negativer Verstandeskritik, welche die historischen Güter der Nation nicht zu schätzen weiß, zu bekämpfen“ […] „[Z]ur Stärkung des idealen und nationalen Sinnes der ostpreußischen Jugend“ wäre die Professur von hoher Wichtigkeit und Baumgart dafür der richtige Mann. Fast wörtlich kehrt diese Argumentation in der Begründung des Kurators v. Schlieckmann wieder, der eine omi­ nöse „jetzige Zeitrichtung“ namhaft machte, „welche überall und nicht zum Wenigsten auf den Universitäten die Ideale zu vernichten strebt“. Dagegen hülfen nur die „unsterblichen Werke der deutschen Classiker der neueren Zeit“ (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 77 f., Kurator – PrMK v. 25. 9. 1887). Grämlich hatte Althoff dies zunächst mit der Marginalie „Welch ein Urtheil“ kommentiert. Aber in der Etatanmeldung für 1888 hieß es bereits, daß das Fehlen eines Lehrstuhls für neuere deutsche Literaturgeschichte „vom nationalen Standpunkt äußerst beklagenswert“ sei (ebd., Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 34; Etatanmeldung v. 29. 6. 1887). Auch nach seiner Berufung, 1888 zunächst auf das bewilligte Extraordinariat, 1890 auf ein neues (pers.) Ordinariat, wurde Baumgart allerdings von dem seit 1863 amtierenden, ausschließlich die ältere Germanistik pflegenden Ordinarius Oskar Schade, einem Gesinnungsgenossen, kommunalpolitisch aktiv in konservativem Sinn, in der Fakultät neu­ tralisiert, ja „maltraitiert“, wie Zorn leicht resigniert Althoff meldete (Nl. Althoff, B Nr. 205 II, Bl. 96 f.; Schreiben

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Zur „Stärkung des idealen und nationalen Sinns der ostpreußischen Jugend“ erhielt Baumgart 1888 das eigens für ihn geschaffene Extraordinariat für neuere deutsche Literaturgeschichte und wurde 1890 sogar zum Ordinarius befördert531. Der Germanist blickte nicht erst gegen Ende des Ersten Weltkrieges, als er zum Mitbegründer der „Vaterlandspartei“ wurde, mit „Schrecken und Schande auf das Schwinden von Bindung und Zucht ringsumher“, wie es Friedrich Ranke in seinem Nachruf formulierte.532 Baumgart war zeitlebens „Aristoteliker“, unerschütterlich davon überzeugt, daß in der ‚Poetik‘ des Stagiriten die „ewig gültigen Gesetze des Schönen im Reich der Dichtung“ zu finden seien. Eine Gewißheit, die er in seinem ‚Handbuch der Poetik‘ (1887) gegen die in den achtziger Jahren an Boden gewinnenden „historisch­relativistischen“ Anschauungen eines Dilthey und Sche­ rer verteidigte (Ranke). Deshalb hatte der altphilologisch von Lehrs erzogene Baumgart sich in der „breitwogenden Flut des Meinungshaders‘ “533 um die Auslegung der aristotelischen Katharsis klar gegen die „verschrobene Theorie“ von Jacob Bernays gestellt, wonach sich die Tragödienwirkung auf eine medizinisch zu verstehende „Entladung“ und Lösung emotionaler Spannungen beschränke, auf „ekstatische Erregung“ statt „tragischer Erhebung“ in die „Region der geistigen Freuden“. Führe doch nur diese Erhebung zur Anerkennung der göttlichen Gesetze, zur Gewöhnung an das „edle Maß grie­ chischer Götter­ und Menschenbetrachtung“.534 Baumgart nahm damit schon als Doktorand eine Position ein, die sich letztlich als anachronistisch erweisen sollte, da sich, von Bernays ausgehend, von Baumgarts Altersgenossen Nietzsche wie von Jacob Burckhardt kräftig gefördert, die Vorstellung vom „nicht­olympischen Griechentum“ gegen das „idealistische Kulturbewußtsein des deutschen Bürger­ tums“ durchsetzte.535 Ebensowenig wie Baumgart die „Nachtseiten“ der Antike akzeptierte, um die Verbindlichkeit der „edlen Einfalt“ und der „stillen Größe“ des Griechentums nicht zu relativieren, so wenig wollte er die Normativität der deutschen Klassik in Frage gestellt wissen. „Lessing, Schiller und immer wieder Goethe“ bot Baumgart daher seinen Studenten und Lesern an, „kein Wort etwa von Kleist, von Mörike, Hebbel, Keller oder Storm oder gar von Ibsen“: Rückert sei der letzte gewesen, dessen Dichtungen als „beispielgebend“ in der ‚Poetik‘ von 1887 gelten (Ranke). Nicht verwunderlich darum, wenn Baumgarts tausendseitiger Faust­Kommentar in den 1890er Jahren ebenso unzeitgemäß wirkte, da er mitten hineingeriet in die „kritische Abwertung“ Fausts und des „Faustischen“.536 Den personifizierten „Tätigkeits­Mythus“, zu dem im Gefolge von Gründerkrach und Kulturkampf die Goethe­Philologie schon lange Distanz hielt, pries Baumgart ungerührt weiter als „prometheischen Geist rastlosen Schaffens“. Faust galt ihm zweifelsfrei als deutscher Nationalheros, als Verkörperung deutscher Wendung von der „Ideologie zur That“, die ganze Dichtung sei ein „Evangelium der schaf­ fenden und erlösenden That“, wie sie um 1870 zur „ideologischen Aufhöhung“ des preußisch­deut­ schen Einigungsprozesses und als Wegweiser einer germanischen Weltmission diente.537 v. 14. 7. 1894). – Schade wiederum war 1887 mit der Ernennung zum Geh. Regierungsrat geehrt worden, weil v. Schlieckmann seine „patriotische Gesinnung“ gewürdigt wissen wollte, da er, „durch vielfache Anfeindungen unbeirrt, stets im Sinne der Staatsregierung durch Wort und Schrift gewirkt“ habe und „weiten Kreisen ein leucht­ endes Vorbild“ gewesen sei; so die ministerielle Begründung des Antrags an ZivK v. 16. 3. 1887, GStA, Rep. 89, Nr. 26660, Bl. 149 f.. 531 GStA …, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 87; Ernennung v. 6. 4. 1888 und ebd., Bd. XVI, Bl. 38; Ernennung v. 22. 5. 1890. 532 Ranke 1926. Vgl. als eigenes „politisches Glaubensbekenntnis“ bes. Baumgart 1875a. 533 A. Silberstein (1867) zit. nach Gründer 1968, S. 498. 534 Baumgart 1875b + c und ders. 1877, hier bes. S. 57 f., vgl. a. ders. 1908. 535 Gründer 1968, S. 515 sowie Gründers Textslg. zum Streit um Nietzsches ‚Geburt der Tragödie‘, 1969. 536 Schwerte 1962, S. 191–242; im umfangreichen ‚Faust‘­Schrifttum, das Schwerte ausbreitet, fehlt allerdings Baumgarts Kommentar. J. Volkelt sprach 1903 von „harmonisierender Deutungswillkür“, zit. n. Klett 1939, S. 159. 537 Ebd., S. 148–190. – Baumgart 1893, S. 11, 69–71, 81; ders. 1902, S. 7. – Seine Faust­Interpretation hielt der Verfasser für so wichtig, daß er Althoff nahezu anflehte, er möge ein Exemplar der „Allerhöchsten Stelle“ zukom­ men lassen, was der Ministerialdirektor dann sogar tat, einem vermutlich beglückten Baumgart mitteilend, daß

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Wenn Baumgart als Verkünder vermeintlich „ewiger“ Gesetze literarischer Ästhetik unter den Literaturhistorikern seiner Zeit ins Hintertreffen geriet, so genügte doch allein die Konzentration seines Lehrauftrags fast ausschließlich auf die Weimarer Klassik, um ihn aus Sicht des zwanzig Jahre älteren Kollegen Oskar Schade zum Revolutionär zu stempeln, der mit der disziplinären Tradition germanischer Philologie in unerträglicher Weise gebrochen habe. Schade war in den 1880er Jahren, nachdem er mit der Publikation des ‚Althochdeutschen Wörterbuchs‘ (1882) sein wissenschaftliches Lebenswerk für abgeschlossen hielt,538 Wahlkämpfer für die Konservative Partei in Ostpreußen und zu jener Zeit auch der eigentliche Kristallisationspunkt für die wenigen Konservativen in der Fakul­ tät.539 Für Schade zählte Baumgart gar nicht mehr unter die „deutschen Philologen“, da er sich nie mit dem „grammatischen, metrischen, kritischen Studium befaßt“ habe. Das Alt­ und Mittelhoch­ deutsche kenne er „im besten Falle“ nur aus Übersetzungen, da er als Literaturhistoriker nie hinter das 18. Jahrhundert „zurückgegangen“ sei und sich selbst dort noch eingegrenzt habe auf „nur ganz bestimmte Teile, Lessing, Goethe, Schiller, namentlich mit Bezug auf Aristoteles und Kant“. Baum­ gart sei halt „wesentlich Ästhetiker“, bediene daher auch einen „entsprechend anderen Zuhörerkreis“. Die wenigsten darunter seien, wie bei Schade, „künftige Schulmänner“, sondern „sind Liebhaber der neueren deutschen Literatur aus allen Fakultäten, die kommen und gehen, und wenn sie da sind, sich freuen, über Faust u. a. etwas Geistreiches zu hören, wol auch manche Anregung wünschen“.540 Präziser ließen sich die Vorboten der Anfang des 20. Jahrhunderts dann zum Durchbruch gelangenden „gei­ stesgeschichtlichen“, die weltanschaulichen Bedürfnisse von „Liebhabern“ befriedigenden Richtung der Germanistik nicht erfassen.

Seine Majestät huldvollst geruht habe, die Gabe anzunehmen (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. III, unpag.; Baumgart – Althoff v. 10. 8. 1894 und Althoff – S. M. v. 12. 9. 1894, versichernd, der Verfasser habe sich „jederzeit als warmherziger Patriot erwiesen“). 538 So Marold 1907, S. 510: „Mit dem abschlusse der zweiten auflage seines altdeutschen wörterbuches war eigentlich auch schades wissenschaftliche tätigkeit abgeschlossen; er widmete sich fortan ausschliesslich seiner aka­ demischen tätigkeit …“ und: „… wendete sich mit besonderem interesse der politik zu“. 539 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. I, unpag.; Schade – PrMK v. 7. 12. 1882, seine Kandidatur zur Abgeordnetenhauswahl erläuternd, zu der ihn der Oberpräsident und Kurator ermuntert habe. Beigefügt ist die als Sonderdruck der OstprZ verbreitete Wahlrede v. 25. 10. 1882, in der er fordert, den „Kulturkampf“ zu beenden, weil er inzwischen leider auch auf die Ev. Kirche zurückwirke und den Prozeß der Entchristlichung nur beschleunige. Schulpolitisch lag ihm am Herzen, daß der Religionsunterricht der „eigentliche ideale Kern“ der Volksschulbildung bleiben müsse. Die soziale Frage wollte Schade im Sinne der schon sichtbaren Sozialgesetz­ gebung Bismarcks lösen, die die „weiße Sclaverei“ und „unchristliche Ausbeutung“ beenden werde. Schade wurde nicht gewählt, scheint aber noch eine zeitlang für die Konservativen agitiert zu haben, was zwei leider in der Akte nicht aufbewahrte „politische Reden“ belegen, die er am 31. 12. 1883 dem PrMK einsandte. Als ihn das PrMK 1894 zum Kronenorden II. Kl. eingab, waren es diese politischen, nicht seine wissenschaftlichen Verdienste, die ihn dafür empfahlen: Schade sei ein Mann von „eifriger patriotischer Gesinnung“, der „unbeirrt durch vielfache Anfeindungen“, „allzeit durch Wort und Schrift im Sinne der Staatsregierung gewirkt und so weiten Kreisen ein Vorbild gegeben“ habe (GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 93–100; PrMK – ZivK v. 29. 6. 1894 betr. Orden u. Eh­ rungen anläßlich des 350. Universitätsjubiläums). 540 GStA …, Nr. 21, Bd. XVI, Bl. 205–206; Eingabe Schades v. 29. 10. 1891 gegen die Absicht des PrMK, Baum­ gart an der Leitung des 1887 eingerichteten Deutschen Seminars zu beteiligen. Erst 1904 gelang es Baumgart, davon eine Neuhochdeutsche Abt. abzuzweigen und so zum Mit­Direktor zu werden. Daß die neueste Literatur (Hauptmann, Dehmel, Sudermann) Thema in Schades und nicht in Baumgarts seminaristischen Übungen war, ist indes bemerkenswert, vgl. Marold 1907, S. 504, 506.

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Romanische und Englische Philologie Seit 1868 rangierten Englisch und Französisch in der preußischen Lehrerprüfungsordnung gleichran­ gig mit den klassischen Sprachen.541 Mithin galt es für die Ausbildung dieser Neuphilologen zu sorgen. Bei der Gründung anglistischer und romanistischer Lehrstühle ging die Albertina aber zunächst leer aus. Erst spät war dem seit 1838 nebenamtlich als Lektor unterrichtenden Oberlehrer einer höheren Töchterschule, Theophil Herbst, 1865 ein Extraordinariat verliehen worden – ohne Gehalt, gegen eine spärliche Honorierung von 200 Talern jährlich.542 Von da an pünktlich gestellte Fakultätsan­ träge, dieses Extraordinariat zu etatisieren, lehnte das Ministerium regelmäßig unter Verweis auf die schlechte Haushaltslage ab, unbekümmert um die Warnung, den ostpreußischen Gymnasien drohe ein neusprachlicher Bildungsnotstand.543 Herbst starb unerwartet im Frühjahr 1868, und die Fakultät, wohlwissend, daß eine „Nachfolge“ im strengen Sinne gar nicht zu regeln war, schickte gleichwohl eine Liste nach Berlin, mit der Bitte, einen der vorgeschlagenen Kandidaten gleich zum Ordinarius zu machen – mit erwartbar negativer Reaktion.544 Ungeachtet der Tatsache, daß überhaupt kein Lehrstuhl vorhanden war, wiederholte sie ihren Ver­ such und schlug im Juni 1870 den nicht habilitierten Privatsekretär Alfons Kissner unico loco für ein vornehmlich romanistisch auszurichtendes Ordinariat vor. Infolge des deutsch­französischen Krieges geriet der Stein ins Rollen. Die Fakultät und Kurator v. Horn wiesen zur Jahreswende 1870/71 darauf hin, daß mindestens dem Französisch­Unterricht fortan staatspolitisch große Bedeutung zukomme, angesichts der nicht­deutschen Bevölkerung von Elsaß­Lothringen. Beamte und Lehrer, die dorthin versetzt würden, müßten zwangsläufig die französische Sprache beherrschen. Ein von v. Mühler erbe­ tenes Handschreiben des kronprinzlichen Königsberger Ehrenrektors Friedrich Wilhelm, ausgefertigt im Februar 1871 zu Versailles, bewirkte dann endlich die Zustimmung des störrischen Finanzministers v. Camphausen. Immer noch war Kissner der Favorit der Fakultät, dem nun zwar die Aussicht auf ein etatisiertes Ordinariat für 1872 geboten wurde, das er aber ablehnte und auf den ebenfalls nicht habi­ litierten Bonner Studienfreund Jakob Schipper verwies, der sich bereit fand, den Posten zunächst nur gegen eine Remuneration zu übernehmen.545 Zur Geschichte des Englischunterrichts im 19. Jh. ausführlich Finkenstaedt 1983, S. 54–125, dort zur Etablie­ rung an den Gymnasien und zu den Prüfungsordnungen, S. 72–77. 542 Der Oberlehrer an der höh. Bürgerschule Friedrich Michaelis (1813–1892), habilitiert für Geschichte, Geo­ graphie und neuere Sprachen, bot ebenfalls neuphilologische Kollegs an, fand aber selten Zuhörer. 543 GStA …, Bd. VII, Bl. 161 f.; Kurator – PrMK v. 11. 6. 1869. 544 Ebd., Bl. 60 f.; PhilFak – PrMK v. 24. 7. 1868: 1. Bernhard Ten Brink, 1841 Amsterdam–1892 Straßburg, Stud. bei Diez/Delius in Bonn, 1865 ebd.: Coniectanea in historiam rei metricae franco­gallicae, 1866 Habil. f. neuere Sprachen Münster: Kritische Untersuchungen über den Roman de Rou, PV: Über die Metrik Chaucers, ab WS. 1866/67 PD mit besold. LA Münster, AV: Die Bedeutung Adenet’s für die Entwicklung des altfranzö­ sischen Epos, SS. 1870 ord. Prof. f. abendländische Sprachen u. Literaturen Marburg, SS. 1873 erster Inhaber eines Lehrstuhl f. engl. Philologie Straßburg, 1870: Chaucer. Studien zur Geschichte seiner Entwicklung …, 1877/1889: Geschichte der englischen Literatur [bis zum 16. Jh.], aus dem Nl.: Shakspere. Fünf Vorlesungen, bis 1907 drei Aufl.; der nach 1870 führende dt. Anglist empfahl sich der Königsberger Fakultät als Könner auf beiden neusprachlichen Feldern. – 2. A. L. Meissner (Belfast), Hg. v. Palaestra Gallica (nicht bei Haenicke/Finkelstaedt 1992). – 3. A. Kissner (Meiningen, s. Catalogus), der nur seine Chaucer­Diss. vorweisen könne, die von der Fa­ kultät allerdings als „vortrefflich“ eingestuft wurde. – Der Oberlehrer Michaelis (s. Anm. 542), der 1863 wegen Erfolglosigkeit seine über fast 20 Jahre angebotenen neuphilologischen Seminare eingestellt hatte, reaktivierte sich nach Herbsts Tod wieder, galt aber für Fakultät und Kurator wegen seiner schlechten wissenschaftlichen Vorbil­ dung als unzureichender Ersatzmann (ebd., Bl. 161 f.; Kurator – PrMK v. 11. 6. 1869). 545 GStA, Rep.76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VIII, Bl. 39 f.; vgl. ebd., Bl. 62–65; Horn – PrMK v. 27. 12. 1870; Bl. 73–75; Vorschlag PhilFak v. 1. 12. 1870; dazu Bl. 70; Handschreiben des Kronprinzen v. 4. 2. 1870 sowie Bl. 93–95; Mai 1871, Absage Kissner und Vorschlag Schipper. 541

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Bei dem überschaubaren Personalangebot in einer Disziplin, die erst seit 1845 einige Habilitatio­ nen für „neuere Sprachen und Literaturen“ verzeichnete,546 war Schipper ein vielumworbener Mann, und nachdem er bereits 1872 einen verlockenden Ruf nach Wien abgelehnt hatte, erlag er 1876 dem österreichischen Werben. Daß er kein „Grammatiker“, sondern ein Literatur­ und Kulturhistoriker war, der sich politisch­aktualisierenden Transformationen seiner Forschungsinteressen nicht verschloß, zeigte sich zwar nicht in Königsberg, dafür umso klarer in den fast vierzig Jahren seiner Wiener Lehr­ tätigkeit.547 Die Regelung seiner Nachfolge mutet an wie ein Bäumchen­wechsle­dich. Diesmal empfahl Schip­ per den inzwischen in Erlangen etablierten Freund Kissner. 548 Und der von Falk prompt berufene fachlich bestürzend unausgewiesene, aber polyglotte und weltläufige „secretaire intime“ (vulgo: „Vor­ leser“) einer russischen Großfürstin, der sich für Anglistik wie Romanistik gleichermaßen empfehlende Ordinarius, er entschied sich diesmal, das heimische Frankenland mit Ostpreußen zu vertauschen, um der Albertina fast 25 Jahre treu zu bleiben. Wohl zwangsläufig, denn Kissners Chancen auf eine Wegberufung minderten sich mit jedem Jahr, das er verstreichen ließ, ohne das kleinste publizistische Licht zu entzünden. Bis 1888 unterrichtete Kissner als Direktor eines Romanisch­Englischen Seminars beide Sprachen allein, was dazu führte, daß letztlich der Zuspruch bescheiden ausfiel. Diese Doppelbe­ lastung hatte schon Schipper behindert549. Hinzu kam, daß der Ariost­Kenner und ­Herausgeber Kiss­ ner, Sohn eines Musikverlegers, eher künstlerische Neigungen pflegte, das Lehramt mehr als Sinekure genoß und als Forscher versagte.550 Der von ihm 1887 für Englische Philologie habilitierte Breslauer Oberlehrer Max Kaluza lief ihm daher schnell den Rang ab. Unter Verweis auf den erfreulichen Zu­ strom wie auf die Erfordernisse des „Handelsverkehrs mit England“ gelang es der Fakultät 1893, für

Zur Herausbildung des Doppel­Faches Anglistik/Romanistik Christmann 1985, dort zu den Habilitationen, S. 22 f. Zur Einrichtung des ersten Berliner anglist. Lehrstuhls, auf den Schippers Wiener Quasi­Vorgänger Julius Zupitza 1876 berufen wurde, vgl. Scheler 1987, S. 12–19. 547 Zu Schipper Kellner 1915; Brotanek 1916; Haenicke 1981, 155–157. 548 GStA, Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 176–177; PrMK – ZivK v. 23. 12. 1876. Die Fakultät qualifizierte, in Erman­ gelung anderer wissenschaftlicher Leistungen, die Marburger Chaucer­Dissertation Kissners als „bahnbrechendes“ und „Aufsehen erregendes“ Werk, zeigte sich aber offenkundig an dem vielgereisten einstigen Sekretär einer Groß­ fürstin deshalb so interessiert, weil ihr seine zahlreichen Aufenthalte in Frankreich, England und Italien ungemein imponierten. Man schien also weniger einen gelehrten Philologen als einen Sprachlehrer de luxe zu suchen. Die Fakultät hatte den 1868 frisch in Marburg promovierten, 24jährigen Schüler des Bonner Provenzialisten Friedrich Diez und des Anglisten Nicolaus Delius im gleichen Jahr tertio loco (s. Anm. 544) für ein an der Albertina neu zu gründendes Ordinariat vorgeschlagen und ihn 1870 wie 1873 sogar primo et unico loco genannt, sich dann aber mit (dem weitaus bedeutenderen) Jakob Schipper „begnügt“ (GStA …, Nr. 21, Bd. X, Bl. 219–223; Liste Nf. Schipper v. 9. 11. 1876). Die Berufung des seit SS. 1875 in Erlangen als Ordinarius amtierenden Kissner erfolgte zum SS. 1877. – Das Interesse für Kissner könnte durch Schade geweckt worden sein, dem die Arbeitgeberin des Anglisten, die Großfürstin Anna Paulowna, Mutter des Großherzogs Karl Alexander von Weimar, aus den 1850er Jahren gut bekannt war, als er in Weimar lebte und zusammen mit Hoffmann von Fallersleben eine vom Fürsten subventionierte Zeitschrift herausgab, das Weimarische Jahrbuch für deutsche Sprache, Litteratur und Kunst (vgl. Marold 1907, S. 498 f., 501). 549 Die „bebauung zweier sich rasch erweiternder arbeitsfelder“ habe die „kräfte eines einzelnen weit“ überstiegen, so daß Schipper zum SS. 1877 nur zu gern einem Ruf nach Wien gefolgt sei, wie ein Nekrolog vermerkt, Brotanek 1916, S. 100. 550 Vgl. die Angaben Gundlach, S. 543; die Umstände des 1901 verfügten Lehrstuhlstausches mit E. Koschwitz/ Marburg sind anhand der (ministeriellen) Aktenüberlieferung nicht zu klären. Daß der kränkelnde Kissner von Königsberg in ähnlich penetranter Weise fortdrängte wie Prutz oder Rühl ist nicht überliefert, so daß wohl die Notwendigkeit, den in Marburg in allerlei Fakultätsränke verstrickten Koschwitz in den Osten abzuschieben, den Ausschlag gab. 546

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Kaluza ein beamtetes Extraordinariat zu erwirken.551 Die Lehrtätigkeit dieses katholischen Schlesiers, der erst nach heftigem Drängeln 1902 (nur) zum persönlichen Ordinarius ernannt wurde,552 umfasste zwischen 1887 und der in Königsberg erfolgten Emeritierung 1921 das Gesamtgebiet seines Faches, von der Historischen Grammatik der englischen Sprache bis zu Übungen zur amerikanischen Gegen­ wartsliteratur. Als Forscher und Doktorvater verharrte er jedoch auf den Interessensfeldern seiner aka­ demischen Anfänge, der alt­ und mittelenglischen Sprache und Literatur. Darauf hatte ihn sein Bres­ lauer Lehrer Eugen Kölbing gestoßen (Promotion 1881: ‚Ueber das Verhältnis des mittelenglischen alliterierenden Gedichtes ‚William of Palerne‘ zu seiner französischen Quelle‘), und diese älteren Peri­ oden hielten ihn seit seiner von Kissner als Habilitationsleistung akzeptierten Edition ‚Libeaus Desco­ nus, die mittelenglische Romanze vom schönen Unbekannten‘ (1890) weiter im Bann, wie an größe­ ren Veröffentlichungen bis zur Jahrhundertwende abzulesen ist: 1893: ‚Chaucer und der Rosenroman‘, 1894: ‚Der altenglische Vers. Eine metrische Untersuchung‘ und: ‚Die Metrik des Beowulfliedes‘; 1900/01: ‚Historische Grammatik der englische Sprache‘. Kaluza war insoweit ein typischer Vertre­ ter der historisch­philologischen, sprachgeschichtlichen Ausrichtung seines Faches. Unter Berufung auf die sprachhistorische Dignität ihrer Forschungen hatte die neuphilologische Gründergeneration ja einst ihre Ebenbürtigkeit mit der klassischen Philologie legitimiert und erfolgreich ihre universitäre Etablierung betrieben.553 Statt froh über die Entlastung zu sein, dozierte Kissner bis zu seiner Versetzung nach Marburg (1901) in beiden Fächern. Auch diese Selbstüberbürdung mit Lehraufgaben hinderte ihn offenbar an der Forschung. Seine einzigen Habilitanden, Kaluza und der Berliner Zupitza­Schüler Carl Appel, wählten denn Königsberg auch nicht, um von Kissner zu lernen, sondern wohl als den passendsten Ort, um ihre Karriere nicht im Schatten einer „Autorität“ starten zu müssen.554 Auch der 1899 habili­ tierte Gustav Thurau verstand sich nicht als sein Schüler.555 Zu Kissners Unterstützung war 1879 ein französisches Lektorat bewilligt worden, das für einen Hungerlohn Jules Favre bis 1896 versah.556 Da sich zwischen 1880 und 1900 lediglich zwei Dutzend Studenten bei den Neuphilologen einfanden, wurde ihr Lektor nicht überbeansprucht. Das änderte sich seit der Jahrhundertwende. Nachdem die Fakultät deswegen lange vergeblich Anträge gestellt hatte, konzedierte ihr das Ministerium 1900 endlich ein englisches Lektorat, das der Australier Frede­ ric Sefton Delmer erhielt, dessen Bewerbung 1895 trotz der Empfehlung Herman Grimms gescheitert GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVII, Bl. 120–122; Etatanmeldung v. 23. 8. 1892 und Bl. 187; Bestallung Kaluza v. 27. 6. 1893. 552 GStA …, Nr. 21, Bd. XXI, Bl. 143; Bestallung v. 17. 4. 1902. 553 Zur romantisch inspirierten Bevorzugung der dem „Ursprung“ nächsten ältesten Sprachstufen und ihrer die extreme Philologisierung der frühen Anglistik determinierenden textkritischen Erschließung Christmann 1985, S. 12–14. Zur Fixierung des Berliner Fachvertreters Zupitza, eines Müllenhoff­Schülers, auf „ältere Texte“ vgl. Scheler 1987, S. 17. 554 Appel erhielt die venia für romanische Sprachen im WS. 1886/87 und folgte im SS. 1891 einem Ruf auf ein Breslauer Ordinariat. In der Königsberger und dann in der ersten Breslauer Zeit befasste er sich nahezu ausschließ­ lich mit sprachhistorischen und grammatischen Untersuchungen der provenzalischen Literatur, daraus 1895 seine ‚Provenzalische Chrestomathie‘. 555 Thurau 1899. 556 Favre, Jg. 1843, starb 1896. Er bekam 1.200 M. für seine Dienste, die Ordinarien bezogen 5–6.000 M. Man erwartete indes, er werde Einnahmen aus Privatstunden haben. Wie Kurator v. Bismarck aus „diskreten Ermitt­ lungen“ wußte, habe Favre jedoch „in besseren Kreisen nie Eingang gefunden“, da er seine ersten Schüler mit der „Gewährung von Darlehen belästigte“. Zudem sei er dem Alkohol sehr zugetan gewesen, verkehrte in Königsber­ ger Schänken mit Jedermann, mit „Handwerkern, Schutzleuten, Briefträgern“, vernachlässigte sein Äußeres, falle inzwischen durch einen „abstoßenden Geruch“ auf und sei so natürlich nicht mehr in der Lage, sich als Privatlehrer aus seiner „pekuniären Kalamität“ zu befreien (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, Bl. 33; Kurator – PrMK v. 5. 5. 1896). 551

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war, weil Kurator und Ministerium meinten, das Bedürfnis sei so gering, daß Favre auch den eng­ lischen Sprachunterricht übernehmen könne.557 Altertumswissenschaften So wie der Literaturhistoriker Baumgart für Schade ein „Neuerer“ war, der „feuilletonistisches“ Wis­ sen vermittelte, das eher nicht an der Universität und am Gymnasium weitergegeben werden sollte, so versah Ludwig Friedländer ausgerechnet den Altgermanisten mit diesem Etikett. Die politischen Gegensätze zwischen dem Konservativen und dem Fortschrittler schienen sich in der Konkurrenz ihrer Disziplinen umzukehren. Der humanistische Bildung mit kosmopolitischer Gesinnung gleichsetzende Friedländer verdächtigte die neueren, bloß „nationalen“ Philologien, Schades Germanistik sowie die mit Schippers Berufung etablierten neusprachlichen Philologien, als politisch rückschrittlich. Für ihn konnte daher nicht Zufall sein, daß etwa die deutsche Philologie noch dadurch protegiert werde, daß Schade, nicht aber er als der klassische Philologe, in die vom stockkonservativen PSK­Vorsitzenden Wilhelm Schrader geleitete Wissenschaftliche Prüfungskommission berufen worden sei.558 Dies habe den „Verfall“ des „klassisch­philologischen Studiums“ in Königsberg bewirkt, da sich immer weniger Studenten zu einem Fach hingezogen fühlten, dessen Ordinarius das Ministerium nicht für wert er­ achte, sie im Staatsexamen prüfen zu dürfen.559 Die Berufung des Archäologen Gustav Hirschfeld, der dem nationalliberalen Netzwerker Prutz politisch und persönlich nahestand, mußte Friedländer als weiteren Anschlag auf seine schwindende Hausmacht auffassen. Hirschfeld, Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns aus dem pom­ merschen Pyritz, doch getauft und dem „Judenthum sehr früh entfremdet“ (Rühl),560 1878 auf das von Hugo Blümner nur zwei Jahre bekleidete Extraordinariat berufen, allein aufgrund seines frischen

Ab 1884 erteilte Karl Lentzner englischen Sprachunterricht, der aber 1886 nach Breslau wechselte und, ver­ mutlich wegen unzureichender Honorierung, keinen Nachfolger fand. In Königsberg pflegte er wissenschaftlichen Austausch mit dem dortigen Shakespeare­Forscher Alexander Schmidt, der ihn anregte, mit einer Polemik in den Shakespeare­Bacon­Streit gegen jene „traurige Verirrung des menschlichen Geistes“ (Schmidt: „lues Baconiana“) Position zu beziehen, die das Werk des Stratforder Klassikers Francis Bacon zuschob (Lentzner 1890). – Zu Sefton Delmer: GStA …, Bd. II, Bl. 3; PhilFak – PrMK v. 29. 12. 1895: Antrag, den von H. Grimm empfohlenen Delmer als engl. Lektor einzustellen. Am 28. 2. 1896 antwortete das PrMK, daß Favre sicher auch für die Vermittlung des Englischen zuständig sei, für ein eigenständiges Lektorat werde jedenfalls erst der Etat 1897/98 etwas hergeben. Die PhilFak wies das zurück, da Favre ausschließlich für Französisch verpflichtet wurde, sonst hätte man s. Zt. nicht auf Lentzner zurückgreifen müssen. Für den „modernen Englischunterricht“, den Kaluza nicht biete, dessen Fehlen er aber auszubaden habe, weil er im Seminar elementare Dinge wie die korrekte Aussprache nachholen müsse, sei ein native speaker unentbehrlich. Zumal es nicht nur eine Nachfrage bei den Neuphilologen gäbe. Historiker, Geographen, sonstige Philologen benötigten das Englische „auf Schritt und Tritt“ (ebd, Bl. 22–24; an PrMK v. 6. 5. 1896). Nach Favres Tod bot Kurator v. Bismarck die preisgünstige Lösung an, zwei Königsberger Oberlehrer im Nebenamt zu beschäftigen, für Französisch und Englisch, die könnten sich Favres 1.200 M. teilen (ebd., Bl. 66; an PrMK v. 30. 11. 1896)! Das war dann aber dem Ministerium zuviel an Ignoranz gegenüber den Neuphilologen, und für Favre wurde mit dem Lütticher Dozenten Ernest Scharff bis 1902 ein mehr als vollwer­ tiger Ersatz gefunden, während, nach Überzeugung der Fakultät Königsberg die einzige deutsche Universität blieb, die einen Englischlektor entbehren mußte. Als 1900 die Etatisierung erfolgte, war Delmer wieder in Europa, und diesmal war es Lujo Brentanos Eintreten für seine „fesselnde Persönlichkeit“, mit der die Fakultät ihren Antrag begründete, den Australier für sich gewinnen zu wollen (ebd., Bl. 120–122; an PrMK v. 12. 5. 1900). 558 Vgl. Schraders Erinnerungen 1900, S. 192 ff. (zur Prüfungskommission), S. 206 ff., zum politischen Leben Ostpreußens, bes. 216 f. über seine Mitwirkung bei der Gründung des Konservativen Vereins Ende 1881, der Schade als Kandidaten zur Abgeordnetenhauswahl 1882 auf den Schild hob. 559 GStA …, Bd. VIII, Bl. 116 f.; Friedländer – PrMK v. 10. 10. 1870. 560 Die vita der Berliner Dissertation von 1870 gibt freilich noch an: „Fide institutus sum judaica.“ 557

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Ruhmes als Ausgräber auf dem Gelände Olympias,561 stand nicht zurück, wenn es galt, die Verdienste des hohenzollernschen Herrscherhauses um Preußen als Kulturstaat zu preisen.562 Als Forscher inte­ ressierte ihn weniger die antike Kunstgeschichte als die Rekonstruktion der Landkarte Griechenlands zwischen 1000 und 400 vor unserer Zeitrechnung. Wohl angeregt durch die Grabungserfolge des mit ihm befreundeten Heinrich Schliemann konzentrierte sich der Topograph Hirschfeld dabei auf Kleina­ sien, das er in den 1880er Jahren erwanderte, oft mehr Aufmerksamkeit den politisch­ökonomischen Zuständen des verfallenden osmanischen Reiches und des „aus der asiatischen Verkettung“ befreiten Griechenland schenkend als den Überresten antiker Stätten.563 Es wundert nicht, daß bei solchen Vorlieben Hirschfeld neben Zöppritz und Prutz unter den Gründern und Säulen der Königsberger „Geographischen Gesellschaft“ zu finden ist.564

561 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 76–78; PhilFak – PrMK v. 10. 12. 1877, Nf. Blümner (zum 1. 10. 1877 nach Zürich), erster und einziger Kandidat: Hirschfeld. Diese primo­loco­Nennung ist nicht zuletzt der bis dahin beispiellosen Pressekampagne geschuldet, die die Ausgrabungen in Olympia begleiteten. Erhoffte sich doch das juvenile Kaiserreich – nicht jedoch Bismarck! – von diesem exorbitant kostspieligen archä­ ologischen Engagement einen gewaltigen Gewinn: Ein „ ‚National­Denkmal‘ wissenschaftlicher Provenienz“, wie das mit deutscher Hilfe freigelegte Olympia, mußte (sollte) werbende Wirkung auf die europäische Staatenwelt ausüben, die das Reich nur als „reine Machtschöpfung von oben“ wahrnahm. Profilierte sich das Reich doch hier als Kulturstaat. Und nach innen war der Effekt auch nicht zu verachten: von Olympia ging das Signal aus, daß es höhere Werte gebe als materielle, und daß man sich in gemeinsamer Anstrengung vereine, um ihnen zu dienen – Archäologie als nationalpolitischer „Integrationsfaktor ersten Ranges“. Vgl. Sösemann 2002, S. 71 f. Hirschfelds kurz vor seiner Berufung in der Deutschen Rundschau publizierter Beitrag über die Grabungen bedient diese eher außerwissenschaftlichen Erwartungen des Publikums (und vielleicht auch der Berufungsskommission) in schönster Weise (Hirschfeld 1877). Bei dem Rigoristen v. Wilamowitz­Moellendorff ist nachzulesen, daß es mit Hirschfeld derart „unwissenschaftlich“ enden mußte, betrachtete er ihn doch schon 1874 als ungeeignet für den Posten des Athener DAI­Sekretärs („angesichts der person“ habe er dessen Befähigung „lebhaft bestritt[en]“, Calder 2003, Bd. I, S. 22 ff., an Mommsen v. 17. 6. 1874). 562 Dazu seine Rede zum preußischen Krönungstag ‚Preußen und die Antike‘, 1889: Kein Staat als Staat habe soviel für die Antike getan wie Preußen, und die erste „Friedensthat“ des neues Reiches, „unter dem Scepter dieses einzigen Mannes“, Kaiser Wilhelms I., sei die „großartige Aufdeckung des alten Festplatzes Olympia“ gewesen (ebd., S. 300, 315). Die Druckfassung ließ er dem kaiserlichen Enkel zukommen, seinen „Stolz auf unser erhabenes Preußentum“ bekundend (GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 4 f.; Hirschfeld – ZivK v. 20. 2. 1889). Daß H. es als „Be­ friedigung eines Herzensbedürfnisses“ empfunden habe, an der Herausgabe der ‚Gesammelten Schriften‘ Moltkes mitwirken zu dürfen (vgl. seine Einleitung zu Bd. VIII der Ges. Werke: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei …, 1893), versicherte Prutz in seinem Nachruf, 1895, S. 14. Zur Biographie ferner Lehnerdt 1898; Rühl 1905. Daß Hirschfeld trotz vieler Beweise „vaterländischer“ Beflissenheit wissenschaftspolitisch keine carte blanche spielen konnte, erfuhr er 1889, als sein Projekt, ein Handbuch über die griechischen Inschriften Klein­ asiens zu kompilieren, auf den robusten Widerstand der vom PrMK konsultierten Preuß. Akademie (Mommsen, Curtius) stieß, die davon abriet, für ein so windiges Unternehmen 6.000 M. Steuergelder zu vergeuden (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. II, unpag.; Gutachten PrAkW v. 21. 11. 1889 zu Hirschfelds Antrag v. 3. 5. 1889, ebd.). Zuvor hatte sein Vertrauen in den Kulturwillen der Hohenzollern schon ein wenig gelitten, nach­ dem nicht einmal seine persönliche Demarche beim Kronprinzen den Widerstand des Hausministeriums gegen die Unterbringung seiner wie zu Blümners Zeiten immer noch in einer besseren Abstellkammer deponierten archäo­ logischen „Gypssammlung“ in einem Trakt des Königsberger Schlosses zu brechen vermochte (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 22, Bd. II). – Hirschfeld war ein Großonkel Walter Benjamins, dessen „phänomenologische Alltagsarchäologie“ Zintzen 1998, S. 16, in diesen Familienzusammenhang rückt. 563 Hirschfeld 1897, Vorwort sowie S. 1–48 (Wanderungen und Wandlungen in Kleinasien), 76–208 (Ein Aus­ flug in den Norden Kleinasiens), S. 238–316 (Griechenland im letzten Jahrzehnt); vgl. ferner aus der größeren Zahl seiner Reiseschilderungen, die historische Topographie mit Kritik an der politisch­ökonomischen Gegenwart mischten, seine Korfu­Impressionen, Hirschfeld 1891d. 564 Zur Geographischen Gesellschaft vgl. unten Kap. 6.

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Zwangsläufig als Stärkung des um Schade gruppierten konservativen Flügels in der Fakultät wirk­ ten sich außerdem andere personelle Wechsel in den Altertumswissenschaften aus. Im November 1886 starb bei einer von Schönborn vorgenommenen Notoperation der Latinist Henri Jordan. Um seine Nachfolge muß ein erbitterter, in den Akten nicht hinreichend dokumentierter Kampf stattgefunden haben, der auf allen Seiten tiefe Wunden hinterließ. Rühl höhnte 1895, Philologen „existirten“ für ihn an der Albertina „nach der Affaire Schöne“ nicht mehr.565 Ob mit der Berufung des Göttinger Biblio­ thekars und Bruders des Generaldirektors der Kgl. Museen, Alfred Schoene, der einst als Erlanger Ordinarius demissionieren mußte, um staatsanwaltlicher Verfolgung zu entgehen,566 die Königsber­ ger Altphilologen wirklich ihm „feindliche Wege“ beschritten, fort von „aller Geschichte und allen Realien“, wie Rühl klagte, ist aber weder anhand der Lehrveranstaltungen noch anhand von Publi­ kationen zu bestätigen. Den eigentlich weltanschaulichen versteckte Rühl hier offenbar hinter dem bekannten fachlichen Gegensatz Philologie versus (Kultur­)Geschichte.567 Rühls Einfluß dürfte es jedenfalls zuzuschreiben sein, daß Schoene für die Fakultät nur zweite Wahl war. Für die Nachfolge Jordans favorisierte man den Ritschl­Schüler und Plautus­Editor Georg Götz (Jena) bzw., wiederum gegen den Widerstand Rühls, Theodor Birt (Marburg). Da Götz nicht zu gewinnen war, der von Althoff unter Mißachtung der Königsberger Wünsche angefragte Adolph Kießling (Greifswald) auch abgesagt hatte, der Extraordinarius Jeep nach Ansicht der von Rühl inso­ weit „gelenkten“ Fakultät viel zu beschränkt sei, um in Jordans große Jacke zu passen, offerierte man schließlich als Kompromißkandidaten Schoene.568 Über ihn urteilt Wilamowitz­Moellendorff 1891 SBB Nl. 171: Curt Wachsmuth, Mappe 91; Brief an Wachsmuth v. 29. 5. 1895 – wegen seines Augenleidens mit Schreibmaschine! Der „Fortschrittsmann“ Rühl scheint zu dieser Zeit der erste und für lange Zeit einzige Königsberger Ordinarius gewesen zu sein, der sich diese Segnung „neuzeitlicher“ Technik zu eigen machte. 566 Der (unglücklich) verheiratete Schoene war gegenüber einer minderjährigen Blumenverkäuferin zudringlich geworden, kam unter dem Druck staatsanwaltlicher Ermittlungen um die Demission ein und verschwand für einige Jahre nach Paris, wo er sich u. a. auch journalistisch betätigte; vgl. zum „Vorfall“ Sieg 2007, S. 149 f. 567 Ein kollegialer Umgang scheint Rühl trotz seiner Abneigung möglich gewesen zu sein, denn Schoene bedankt sich noch in Kieler Zeit für die „sorgfältige Kollation“ einer Handschrift zu Eusebius’ Weltchronik, 1900, S. VI. 568 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIV, Bl. 217–219.; PhilFak – PrMK v. 8. 1. 1887, Liste Nf. Jordan. Auswahlkriterium: Es bedarf eines gründlichen Kenners der lateinischen Sprache und Literatur sowie der röm. Altertumskunde. Der neue Ordinarius solle in die röm. Literatur einführen und die Studenten in den Metho­ den der Textkritik u ­exegese schulen, dazu intensiv lat. Grammatik lehren. Zudem sei Vertrautheit mit den Me­ thoden der historischen und sprachvgl. Forschung „dringend wünschenswert“. Vorgeschlagen wurden 1. G. Götz (1849–1932), von Fr. Ritschl 1877 in Leipzig habil. und mit der Fortsetzung seiner Plautus­Ausgabe betraut, 1894 abgeschlossen, „ganz vorzüglicher Schüler seines großen Meisters“, 1879 als Nachfolger Erwin Rohdes b. ao., 1886–1923 oö. Prof. in Jena. – 2. Th. Birt (1852–1933), 1878 Habil. Marburg, dort zum Ordinarius aufgestiegen und 1920 em., guter Kenner der röm. Poesie und vorzüglicher Metriker, 1882: Das antike Buchwesen; dieses Werk leide an Übereilungen, aber sei gelehrsam und scharfsinnig, zeige, wie die antike Schriftstellerei durch die Buch­ form mitbedingt war. – 3. L. Jeep. – Ebd., Bl. 221–224, 8. 1. 1887 Separatvotum Rühl: Götz sei zweifellos der ge­ eignetste, wenn man wolle, daß das Hauptgewicht liegen solle auf älterer röm. Literarturhistorie und auf Gramma­ tik. Genau darum sei Jeep aber ganz ungeeignet; anders hätte er nur über ihn geurteilt, wenn es um den Lehrstuhl Friedländers gegangen wäre (!). Birt sei nicht mit Götz gleichwertig. Seine Darstellung des antiken Buchwesens beweise zwar „entschiedenes Streben um Größe und Weite“, leider aber sei die Mehrzahl der Resultate falsch, was Erwin Rohde in seiner GGA­Rezension 1882 hinlänglich begründet habe. Birt könne daher die geforderten Ge­ biete nicht vertreten. Fazit: Jeep verschaffe man eine Remuneration und um Götz bemühe man sich nach Kräften! Fünf Monate später dann die zweite Liste, die an Götz und Birt festhielt, aber auch Schoene nannte. Seine Demis­ sionierung, der „Vorfall“ 1875 in Erlangen, sei gewiß „tadelnswert“, beeinträchtige aber seine Lehrtätigkeit nicht. Von den erwarteten Kompetenzen war nicht mehr die Rede, wohlwollend lobte man, daß er die Grenzgebiete von Philologie und Geschichte bearbeite (was Rühl gefallen haben müßte) und er höchst verdienstvolle Eusebius­ und Thukydides­Editionen vorweisen könne sowie Anteil am CIL habe (ebd., Bl. 275–278; PhilFak – PrMK v. 26. 5. 1887). Trotz der gefährlichen Formulierung, er verstehe ungewöhnlich geschmackvoll zu schreiben, was man 565

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Althoff gegenüber, daß vom Hl. Hieronymus, den Schoene ediert hatte, kein „weg zu Homer, Pindar und Theokrit“ führe, er von „griechischen dingen“ also keine Ahnung habe.569 Über den, selbstver­ ständlich wieder gegen Rühls Votum, mit einem neuen Extraordinariat getrösteten Ludwig Jeep hegte Wilamowitz keine günstigere Meinung.570 In der Tat stießen die über zwanzig Jahre alten Hieronymus­Arbeiten seiner Zeit vor allem bei Rühls Vorgänger von Gutschmid auf ein frostiges Echo,571 und der Ertrag seiner in Königsberg be­ gonnenen Fortsetzung lebenslanger Beschäftigung mit der Überlieferungsgeschichte der apologetisch motivierten ‚Weltchronik‘ des Kirchenvaters Eusebius ist wenig imponierend, mißt man dies an den aufs Kultur­ und Ideengeschichtliche gerichteten Erwartungen Rühls.572 Während der wenigen Kö­ nigsberger Semester, die er dann doch überwiegend der Latinistik widmete – mit Beimischungen über „Lessing als Philolog“ oder „Über das Leben Niebuhrs“ –, waren ihm während des dramatischen Rück­ gangs altphilologischer Studentenzahlen respektable Lehrerfolge vergönnt, vor allem bewährte er aber sein rhetorisches Talent als Laudator des preußischen Königshauses, des verehrten Reichskanzlers und seines Einigungswerkes. Um dies im Gemüt und Bewußtsein seiner Zuhörer zu verankern, bestieg Schoene immer wieder gern das Podium. So schon vor den Auslanddeutschen in Paris 1884, vor denen er bekannte, daß historische Erinnerung dazu diene, in „gemeinschaftlicher Erhebung“ zusammenzu­ finden, aus „gemeinsamer Verehrung neu geeinigt“ sich als Nation zu empfinden.573 Weiter ging es im Seminar aus Rühls Sicht 1892 rumpelnd zu Tale mit der Emeritierung Fried­ länders und der, ihn zunächst hoffnungsfroh stimmenden gleichzeitigen Wegberufung Schoenes nach Kiel.574 Rühl verlor innerhalb seines engeren fachlichen Umfeldes mit dem Abgang des Erzliberalen Friedländer an politischem Rückhalt. In dem freisinnigen, fakultätspolitisch aber inaktiven Gräzisten, dem jahrzehntelang mit antiken Homer­Kommentaren beschäftigten Lehrs­Schüler Arthur Ludwich (1878–1912),575 hatte er ohnehin nie eine feste Stütze besessen. So konnte er nicht verhindern, daß der Bismarckianer Schoene mit dem ihm verhaßten, nun ins Ordinariat gehievten Jeep, der nach seinen ‚Quellenuntersuchungen zu den griechischen Kirchenvätern‘ (1884) kaum noch etwas publiziert hatte,

anhand einer Novelle Schoenes nachprüfen möge, gab das auf so zweifelhafte Vorzüge abstellende Gutachten des Breslauer Altphilologen und Althoff­Beraters Wilhelm Studemund den Ausschlag, obwohl er darin überdies noch als ein von der Fakultät gar nicht erbetener „tüchtiger Kenner der Quellen griechischer Geschichte“ empfohlen wurde. Das PrMK pries als Schoenes Vorzug, griechische und römische Altertumskunde gleichermaßen vertreten zu können (GStA, Rep. 89, Nr. 21660, an ZivK v. 24. 6. 1887), doch fiel mit seiner Berufung zum WS. 1887/88 Jordans Lehrstuhl de facto an einen Gräzisten, der sich im Unterricht dann eher auf das Lateinische beschränkte, obwohl dafür der frisch berufene plm. Extraordinarius Jeep sorgte (Bd. XIV, Bl. 302, Bestallung v. 25. 7. 1887). Rühls Widerstand gegen ihn wie gegen Schoene ergibt sich aus späteren Briefäußerungen wie aus seinem nach 1890 gegen Jeep/Rossbach geführten Kleinkrieg (s. u., S. 120 f.). 569 Calder als Hg. des Briefwechsels Wilamowitz – Althoff unterstützt diese Einschätzung mit einer Anmerkung, die Schoene nur als „Belletrist“ gelten läßt (Calder 1989, S. 70). 570 Abfällig das Urteil von Wilamowitz über Jeep anläßlich der Nf. Jordan: dessen Claudian­Edition sei mißlun­ gen, Birt arbeite an einer zuverlässigeren Ausgabe (die 1892 erschien). Vgl. Wilamowitz – Althoff v. 26. 1. 1887, in: ebd., S. 24. 571 v. Gutschmid 1889, S. 422–447, bes. S. 431 f. 572 Schoene 1900; die Arbeit konzentriert sich auf Probleme der Überlieferungsgeschichte und korrigiert einige nebensächliche Deutungen, die Kirchenhistoriker wie Adolf von Harnack dem Material abgewonnen haben. 573 Schoene 1884, S. 1 f. 574 Auch Schoene gab seit 1888 vor, unter dem „Königsberger Ostwind“ zu leiden und wäre 1889 aus „Gesund­ heitsrücksichten“ gern nach Halle, auf eine althistorische Professur, 1892 lieber in das seinen „Hals“ schonende Marburg als ins Kieler Seeklima gezogen (GStA, VI. HA, B Nr. 167 III, Bl. 21, 25 f., 30 f.; an Althoff v. 1. 3. 1888, 26. 1. 1889, 9. 3. 1892). 575 Zu Ludwich ausführlich der Nachruf seines Schwiegersohns Tolkiehn 1922.

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einen politisch gleichgesinnten Nachfolger fand.576 Als wiederum Friedländers Nachfolger, der früh im Dienste Mommsens reisende Epigraphiker Johannes Schmidt 1894 an Magenkrebs starb,577 stemmte er sich vergeblich gegen die Berufung des Kieler Latinisten und Seneca­Forschers Otto Rossbach, den auch Schoene, der von Kiel aus Althoff beriet, für ungeeignet, für zu einseitig philologisch hielt.578 Rühl war der Ansicht, daß der mit Studien zur römischen Religions­ und Kulturgeschichte bestens ausge­ wiesene Georg Wissowa (Marburg) die seit Jeeps Aufstieg vollendete Philologisierung des Unterrichts eher zurückdämmen werde und die Lehrtradition Friedländers, des Chronisten der ‚Sittengeschichte Roms‘, besser fortsetzen könne als Rossbach,579 als dessen umfangreichste Arbeit aus fast drei Königs­ GStA, I. HA, Rep 89 H, Nr. 21661, Bl. 74 f., Berufungsvorschlag v. 3. 10. 1893. – Jeep stand im Sommer 1892 an dritter Stelle auch auf der Liste Nf. Friedländer; gegen ihn, der das Niveau weiter „absenken“ würde, brachte Rühl ein Separatvotum in Stellung – in diesem Fall erfolgreich, vgl. GStA, I. HA, Rep. 76 Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVII, Bl. 131–137, Votum v. 30. 7. 1892. – Über Jeep sein Schüler Tolkiehn 1913 (mit kurzer Biblio­ graphie). 577 Schmidt war nur zweite Wahl. Die Fakultät hatte auf ihrer I. Liste Nf. Friedländer v. 7. 7. 1892 (GStA …, Nr. 21, Bd. XVII, Bl. 101–104) den alten Favoriten Georg Götz (Jena) primo loco gesetzt, erneut sec. loco Theo­ dor Birt (Marburg) sowie Fritz Schoell (1850–1919), Ritschl­Schüler und Plautus­Forscher wie Götz, 1875 Habil. Leipzig, 1877 ord. Prof. Heidelberg, 1901 Hg. der ‚Kleinen Schriften‘ Rohdes, 1902 Hg. des Brw. Erwin Rohde – Friedrich Nietzsche. Jeep war ausdrücklich ausgeschieden worden, weil er nicht die römische Altertumskunde in ihrer ganzen Breite vertreten könne. Rufe ergingen an Götz und Birt, die beide ablehnten. Götz erwähnt im autobiographischen Teil seiner Geschichte der Jenaer Altphilologie diese Ablehnung (1928, S. 164). Auf eine Be­ rufung Schoells verzichtete das PrMK, da „aussichtslos“ (ebd., Bl. 83; an Kurator v. 19. 7. 1892). Trotzdem setzte die PhilFak Schoell an die Spitze ihrer II. Liste v. 30. 7. 1892 (ebd., Bl. 126–130), gefolgt von 2. August Luchs (1849–1938), Habil. Straßburg 1874, 1880–1920 ord. Prof. Erlangen. – 3a. Schmidt (Gießen, s. Catalogus) und – gegen Rühls obligates Separatvotum (ebd., Bl. 131–137) – 3b. Jeep. Schmidt, Kriegsfreiwilliger 1870/71, Prom. Halle 1874, Habil. ebd. 1877, war 1883 nach Gießen berufen worden, litt seit einer Expedition nach Nordafrika (1883–85) an Malariaanfällen und kam zum WS. 1892/93 als todkranker Mann an die AUK, der sich bereits Ende Dezember 1892 einer Operation unterziehen mußte. Anfang 1893 glaubte Wilamowitz Schmidts Protektor Mommsen beruhigen zu können, es gehe nach der Operation „vorzüglich“ (Calder 2003, Bd. II, S. 613 f; Brief v. 4. 2. 1893), trotzdem ließ er sich im SS. 1893 beurlauben; im WS. 1893/94 kehrte er nur für einige Stunden aufs Katheder zurück, im Januar 1894 starb er. Den Ausschlag für seine Berufung gab seine Edition eines Bandes des CIL, der „kulturhistorisch äußerst wichtige Partien der lateinischen Inschriften“ enthalte. – Vom WS. 1893/94 bis WS. 1894/95 vertrat der zum SS. 1895 nach Greifswald berufene Lieblingsschüler Useners, der von Wilamowitz 1890 in Göttingen promovierte, und von ihm auch für Königsberg empfohlene Alfred Gercke, Schmidts Lehrstuhl (vgl. Calder 1989, S. 100; Wilamowitz – Althoff v. 5. 10. 1893). 578 GStA, VI. HA, B Nr. 167 III, Bl. 38–42; Schoene – Althoff v. 30. 3. 1894 mit einem Kommentar zur Königs­ berger Liste (s. u. Anm. 579): Schenkl­Graz sei bedeutungslos, bei Brandt­Heidelberg sei ihm unerfindlich, warum er auf der Liste stehe und Rossbach, dem griechische Redner, Politiker, Philosophen, Historiker „völlig fremd“ seien, der nach der „speziell philologischen Seite“ mit Jeep „zusammenfalle“, wünsche er zwar „alles Gute“, aber er solle warten, bis der unheilbar kranke „arme Hirschfeld“, der 1892 verhindert hatte, daß Rossbach als Kandidat für Friedländers Nachfolge auf die Liste kam, das Zeitliche segne. Der von Althoff genannte Paul Cauer (Kiel) tauge auch nicht für Königsberg, da man diesen „Homeriker“ wohl kaum seinem „Antagonisten“ in der Homer­ Forschung, Ludwich, vor die Nase setzen könne. 579 Ebd., Nr. 21, Bd. XVIII, Bl. 19–24; Liste Nf. Schmidt v. 24. 2. 1894, offenbar im Tenor mit Blick auf Wis­ sowa, trotzdem von Rühl beeinflußt, da die Auswahl der Kandidaten unter dem Aspekt erfolgt sei, die klassische Philologie vor „schädlicher Verkürzung“ bewahren zu wollen und Gelehrte gewählt zu haben, die über „Religions­ lehre, Mythologie, Staatssacral­, Rechts­ und Kriegsalterthümer“ lesen könnten. Da Rossbach in Kiel Veranstal­ tungen über „römische Staatsalterthümer und griechische Mythologie“ angeboten habe, überdies auf zahlreiche Abhandlungen und Rezensionen zu Themen wie antikes Kriegswesen und Dämonen der Unterwelt verweisen könne, rückte er auf den ersten Platz der Liste. Wissowa sei zweifellos besser ausgewiesen, fände aber keine Berück­ sichtigung, da man zu wissen glaube, er werde einem Ruf nicht folgen. Nach Rossbach an 2. Stelle: Samuel Brandt (1848–1938), 1877 Habil. Heidelberg, 1883 b. ao. Prof. ebd., zugleich Gymnasiallehrer. – 3. Heinrich Schenkl 576

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berger Jahrzehnten tatsächlich nur ein Lebensportrait seines Vaters, des Breslauer Altphilologen August Rossbach, zu vermelden ist.580 Einige Zeit nach dessen Berufung bestätigte sich Rühls Warnung in der Klage Bezzenbergers über die „Unbedeutendheit Rossbachs“ wie über „die völlige Inferiorität Jeeps“, die „mehr und mehr erkennbar geworden sei“.581 Zu Rühls Ärger hatte Rossbach 1895 den Lehrstuhl des Klassischen Archäologen Hirschfeld okkupiert, mit der von ihm und Jeep formulierten Begrün­ dung, daß wegen zurückgehender Studentenzahlen die Archäologie auch von einem Philologen im Nebenfach vertreten werden könne, wie dies vor Blümners und Hirschfelds Berufung Usus gewesen sei.582 Diesen gelungenen Schachzug bezahlten die beiden Ordinarien mit dem für sie wohlfeilen Zu­ geständnis, Jeeps Extraordinariat dem lebenslang dem Königsberger Umfeld verhafteten Althistoriker Rudolph Schubert zu überlassen, über den Schoene Althoff meldete, er sei zwar „fleißig und solide“, könne also „keinen schädlichen Einfluß ausüben“, werde aber „als Lehrer und Forscher nie etwas Großes leisten“.583 Tatsächlich war an Schubert der sozial­ und wirtschaftshistorische Neueinsatz seiner (1859–1919), 1882 Habil. Wien, 1892 b. ao., 1896 ord. Prof. Graz, primär Textkritiker u. Hg. kaiserzeitlicher griech. u. latein. Autoren. 580 Rossbach 1907, zuerst 1900. Das Werk war selbständig erschienen, nachdem die Redaktion der Jb. über die Fortschritte der class. Alterthumswissenschaften den Nekrolog wegen kritischer Einlassungen gegen Ulrich von Wilamowitz­Moellendorff, einem Gegner von Rossbach sen., entsprechend „gekürzt“ hatte. – Ansonsten be­ schränkte sich der, den „Realien“, der Klass. Archäologie, der antiken Topographie und Religionsgeschichte doch aufgeschlossener als seine Kritiker ihm unterstellten gegenüberstehende Seneca­Forscher auf die so fachtypische Miszellen­Produktion, etwa in Beiträgen zu den Festschriften für Otto Benndorf (1898) oder Hugo Blümner, Hirschfelds Amtsvorgänger (1914). Selbstständig nur noch die von religionshistorischen Anmerkungen zugewu­ cherte, seinem Kieler Lehrer Richard Förster (1843–1922) gewidmete Broschüre über ‚Das alte Henna in Sizilien‘ (1912), die zwar große Vertrautheit mit der Überlieferung verrät, ohne daß Rossbach aber in der Lage war, das Material auf eine Mitte hin zu strukturieren. Selbst Rossbachs Kaisergeburtstagsrede über ‚Internationale und nationale Kunst‘ (1903) vermied jeden festen Standpunkt und begnügte sich mit einer wohltemperierten Kritik an einem „bisweilen zu krankhafter Reizbarkeit“ gesteigerten Nationalgefühl und deutschtümelnden Auswüchsen in der zeitgenössischen Kunstkritik, um dann mit Tacitus die Ursprünglichkeit „nationaler Kunstfertigkeit“ zu belegen (ebd., S. 8 f., 16 f.). 581 GStA …, Nr. 21, Bd. XXI, Bl. 20 f.; Bezzenberger – Althoff v. 19. 5. 1900. 582 Ebd., Bd. XIX, Bl. 6–8; Separatvotum Rossbach/Jeep zur Liste Nf. Hirschfeld v. 10./11. 7. 1895. Rühls Fa­ kultätsfraktion hatte hingegen die Wiederbesetzung mit einem Klass. Archäologen gefordert und dafür primo loco Hirschfelds Königsberger Vorgänger Hugo Blümner als einen der „vielseitigsten Archäologen“ seiner Zeit vorge­ schlagen, an zweiter Stelle den Ostpreußen A. Milchhöfer (Münster), tertio loco Theodor Schreiber (Leipzig) und Paul Wolters (DAI, Athen); ebd., Bl. 2–5, Liste v. 23. 7. 1895. 583 Ebd., Bd. XIX, Bl. 16–17; Schoene – Althoff v. 6. 10. 1895. Althoffs Konfident Paul Krüger hatte sich um­ gehört, als 1885 Schuberts Beförderung zum ao. Prof. anstand und von Jordan wenig Erfreuliches erfahren: Eine wohlwollende Beurteilung gebe es nur von v. Gutschmid, aber der sei bezüglich seiner Schüler nie „unbefangen“ (vgl. Rez. zu Schuberts ‚Geschichte der Könige von Lydien‘, v. Gutschmid 1885, wieder in: ders. 1892, S. 473 ff.). Das Bedürfnis nach Schuberts Vorlesungen zur griechischen Geschichte schwinde, seit Jeep dies Feld kultiviere. Aber um den Antragsteller Rühl nicht zu düpieren, habe niemand in der Fakultät opponiert (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 103 I, Bl. 80; an Althoff v. 17. 7. 1885). Ähnlich urteilte der Althistoriker Georg Busolt, 1878 ein Jahr vor Schubert an der AUK habilitiert und 1879 nach Kiel berufen: „Er geht eben gern im alten Geleise.“ Damit sei er zum Schaden für seine Karriere in Widerspruch zu der unter Mommsen „in Berlin herrschenden Richtung“ geraten, die einseitig Epigraphiker favorisiere, was Busolt auch nicht behagte. Schubert hingegen stehe in der Tra­ dition Niebuhr­Nitzsch­v. Gutschmid, füge aus der „litterarischen Ueberlieferung“ in quellenkritischer Feinarbeit „die kleinsten brauchbaren Stücke zu einem Neubau“ zusammen; an Althoff v. 26. 9. 1885, in: Chambers 1990, S. 73. Erheblich abschätziger klang ein vom PrMK angefordertes Votum des Bonner Althistorikers Heinrich Nissen über Schuberts ‚Agathokles‘: geringe Vertrautheit mit den hist. Hilfswissenschaften hindere ihn an der Ausschöp­ fung aller Quellen, und der verwendeten Überlieferung stehe er nicht kritisch genug gegenüber; noch schlimmer sei, daß „jede politische Auffassung der Ereignisse“ fehle, ja dem Vf. nicht einmal zu Bewußtsein komme, wie stark die von ihm behandelte Zeit von „bedeutenden Fragen der großen Politik“ geprägt worden sei. Eduard Meyer

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Disziplin, die Erschließung der alten Geschichte im Lichte moderner Fragestellungen, wie sie mit den Namen der nur wenig jüngeren Kollegen Robert von Pöhlmann, Karl Julius Beloch und Eduard Meyer verbunden war, spurlos vorübergegangen.584 Schuberts ‚Könige der Lydier‘ (1885), seine ‚Geschichte des Agathokles‘ (1887) und die späteren, Rühl, Ludwich und Krauske „in alter Anhänglichkeit“ ge­ widmeten ‚Quellen aus der Geschichte der Diadochenzeit‘ (1914), sind Musterbeispiele antiquarischer Geschichtsschreibung, mitunter naiv referierende Nacherzählungen antiker Historiker.585 Allerdings war gerade Rühl, der sein eigenes „Streben nach universaler historischer Bildung“ (Mentz) auf das Kolleg sowie außerfachliche Interventionen und Publikationen beschränkte,586 ansonsten aber, abgese­ hen von seiner ‚Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit“ (1897), die sich ausdrücklich dagegen verwahrte, „mit neuen Lehren auftreten zu wollen“,587 „keine größeren Werke“, sondern nur, da bei ihm „das Philologische und Paläographische“ überwog, „kleine Notizen“ publizierte, nicht der Ge­ lehrte, der Schubert mit den neueren Entwicklungen in seinem Fach hätte vertraut machen können, und der deshalb eigentlich auch nicht berechtigt war, sich über den Spezialismus Jeeps und Rossbachs zu erheben.588 Was ihn nicht hinderte, die Altphilologen dafür verantwortlich zu machen, daß er „mit lebhafter Betrübnis“ wahrnehmen müsse, wie seine Fakultät im Urteil der Gelehrtenrepublik, „bei auswärtigen kompetenten Beurteilern erheblich gesunken“ sei, und zwar infolge der skandalösen Per­ sonalentscheidungen in den Altertumswissenschaften, „welchen ich mich vergebens widersetzt habe“ –, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, wie seine ätzende Stellungnahme zum Habilitations­ verfahren von Johannes Tolkiehn verriet. Für Rühl brachte dieses Verfahren das Faß zum Überlaufen. Tolkiehn, ein Schüler Jeeps, als dieser noch am Friedrichskolleg Primaner unterrichtete, dann dessen Pilotfisch während des Studiums, eng verbunden mit Ludwich, dessen Schwiegersohn er wurde, trat im Sommer 1895 an, um die venia legendi zu erwerben. Jeep und Ludwich beschränkten ihre Fragen während des Colloquiums auf das umzirkelte Areal von Tolkiehns Habilschrift über die römische Rezeption Homers. Trotzdem versagte der Kandidat. Rühl stieß nach und stellte fest, daß Tolkiehn weder elementare „Grundsätze der Herstellung antiker Texte“ beherrschte noch in der Lage war, Xeno­ phons Vita zu repetieren. Das Unterfangen von Jeep und Ludwich, denen Rossbach blind sekundierte, hatte den ‚Agathokles‘ in den GGA 1888 verrissen und wurde 1890 vom Ministerium als Gutachter zu Schuberts ‚Herodots Darstellung der Cyrussage‘ bemüht, die für ihn nur wieder die bekannte Schwäche zeige, im fleißig gesammelten Material die Probleme „überhaupt nicht gesehen“ zu haben. Um Schubert die beantragte Unterstüt­ zung zu retten, bescheinigte ihm Rühl hingegen, „scharfe Quellenkritik“ geübt zu haben und endlich „mehr aus sich herausgegangen“ zu sein als in früheren Arbeiten (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. II, unpag.; Nissen – PrMK v. 22. 11. 1887, Rühl v. 12. 11. 1887, Meyer v. 7. 7. 1890). Rühls Hilfe zum Trotz: Schubert blieb aus ministerieller Sicht eine Fehlbesetzung, die man ungern alimentierte. 584 Dazu Christ 1982, S. 102–119. 585 Vgl. Schubert 1887; ders. 1914. 586 Vgl. Rühls schulpolitische Artikelsammlung aus der KHZ 1879/80, die er 1891a immer noch für aktuell genug hielt, um sie als Broschüre auf den Markt zu werfen. Rühl vertritt darin einen gemäßigt modernen Stand­ punkt, plädiert für eine Gymnasialreform zugunsten der naturwiss.­mathem. Fächer, will den lateinischen Aufsatz („brodlose Kunst“, mit der kostbare Zeit „unnütz vertrödelt“ werde) aus der Abiturprüfung eliminieren und meint, einem „Krebsschaden des deutschen Unterrichts“ zu Leibe zu rücken, wenn er die Eindämmung der „alt­ und mittelhochdeutschen Dinge“ fordert, zugunsten der „modernen klassischen Literatur“, um die „Kleinmeisterei“ in der „Behandlung der deutschen Literaturgeschichte“, wie sie noch auf der Universität herrsche, endlich zu beenden. – Ähnlich artikuliert sich Rühl 1891b in der Gedächtnisrede auf den Freund Ferdinand Gregorovius, in dessen ‚Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter‘ der kulturhistorische und somit der „monumentale Standpunkt“ überwiege. So noch 1905a, S. 114: „Weltgeschichte“ statt „Einzelforschung“! 587 Rühl 1897, S. VII. 588 Vgl. Rühls recht dürftige Bibliographie bei Mentz 1919, S. 51–55, die viele, zwei bis vierseitige „Notizen“ aus dem Rheinischen Museum verzeichnet; liest man diese Quisquilien nach, erinnert man sich unwillkürlich daran, daß Mentz erwähnt, Rühl sei zeitlebens ein leidenschaftler Sammler von Käfern und Schmetterlingen gewesen.

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Tolkiehns Desaster mit kranksheitsbedingter Absenz zu entschuldigen und ihm brave Leistungen aus früheren Tagen anzurechnen, provozierte nur Rühls Sarkasmus, für den er im Kollegenkreis berüchtigt war: Jeep und Ludwich müßten recht niedrige Ansprüche stellen, wenn sie von solchen „Leistungen“ befriedigt werden könnten. Wer wie sie auf frühere, gar auf Promotionslorbeeren rekurriere, der mache das Colloquium zur Farce, und wer sich aus langjähriger Bekanntschaft für den Kandidaten verbürge, der ahne wohl nicht, wie sehr das persönliche Moment dazu verführe, „sich über die wirkliche Befähi­ gung eines jungen Mannes zu täuschen“. Nein, hier handle es sich nicht um Aussetzer und „Irrthümer“ im Prüfungsstreß, sondern um „absolute Unwissenheit“, und die dürften Versager wie Tolkiehn nicht vor Studenten „beliebig entfalten“, denn die jungen Leute seien schließlich keine „animae vites“.589 Mit dem Bonner Privatdozenten August Brinkmann, der auf Rossbachs Lehrstuhl nachrückte, sollte die 1895 weitgehend geglückte Entsorgung der kulturhistorischen Tradition der Königsberger Altertumswissenschaften wohl ein wenig kompensiert werden. Doch zum einen blieb die Herrschaft des neuen altphilologischen Dioskurenpaares unangefochten, weil das vakante Ordinariat Rossbachs vor Brinkmanns Berufung zum Extraordinariat herabgestuft worden war, zum anderen waren die An­ forderungen für diese Stelle gesenkt worden: nicht mehr eine umfassende Berücksichtigung der antiken Religions­ und Kulturgeschichte wurde erwartet, sondern nur die Fähigkeit, die „prosaische Literatur der Griechen“ zu vermitteln.590 Brinkmann, als der Schüler und „direkte Erbe Hermann Useners“, ist in seinem Lehrangebot darüber hinausgegangen. Wie Usener war er davon überzeugt, daß sein Fach auch für „weite Kreise“ und die „vielen Laien“, die ein „lebendiges Bild antiker Kultur“ wünschten, Zusammenhangswissen zu vermitteln und so die „Universalität der Wissenschaft“ zu wahren habe, was ihn als Forscher auf die „Zeit des Übergangs vom Heidentum zum Christentum“ führte, „aus dem allmählich die neue Religion und Weltanschauung“ erwachsen sei.591 Relativ rasch fand der wenig publizierende Brinkmann als „vielseitiger und anregender Dozent“ größeren studentischen Zuspruch als die „Grammatiker“ Rossbach und Jeep, die 1900 sogar fürchten mußten, überhaupt vor leeren Bänken zu lehren, wenn der junge Kollege mit dem von einer knappen Minderheit in der Fakultät für ihn beantragten Ordinariat auch die volle Prüfungsberechtigung erhielte.592 Da Brinkmann zum WS. 1902/03 als Nachfolger Useners wieder nach Bonn zurückging, wirkte sich seine im Sommer 1900 genehmigte Rangerhöhung für seine Gegner aber kaum aus. Der seit 1900 in Berlin in „enge[r] Verbindung mit Wilamowitz­Moellendorff und Diels“ lehrende Latinist Richard Heinze, Brinkmanns Nachfolger zum SS. 1903, gleichfalls aus der Bonner Schule Use­ ners und Büchelers, brachte sein druckfrisches Hauptwerk, ‚Virgils epische Technik‘, nach Königsberg mit, das sein starkes Interesse an weltanschaulicher Aktualisierung nicht nur dieses als „Spiegel echter Ahnentugend“ gepriesenen „Nationalepos“, sondern des „römischen Volkstums“ überhaupt bekunde­ te.593 Heinze, Sohn des kurz in Königsberg lehrenden Philosophiehistorikers Max Heinze (1875), hatte Der umfangreiche Schriftwechsel zu diesem Habil.­Verfahren, allein die nach allen Richtungen austeilende Stellungnahme Rühls, aus der hier zitiert wird, zählt 16 hs. Seiten!, findet sich in: GStA …, Nr. 25, Bd. IV, unpag. 590 Ebd., Bl. 106–109; Liste Nf. Rossbach v. 12. 2. 1896: 1. Wilhelm Schmidt (Tübingen). – 2. Albrecht Diete­ rich (1866–1908), der Schwiegersohn Hermann Useners, 1891 Habil. Marburg, 1895 b. ao. Prof. ebd., 1897 ord. Prof. Gießen, 1903 Heidelberg. – 3. Brinkmann. Dieterich, ein Spezialist für antiken Volksglauben und Mysterien­ wesen, entsprach noch den Anforderungen, wie man sie einst an Rossbach als Nf. J. Schmidts gestellt hatte, war unter den neuen Auspizien aber, wie Schoene an Althoff am 4. 3. 1896 schrieb, „vom Forschungsfeld her nicht ganz passend“ (ebd., Bl. 111–113). 591 Vgl. das weltanschauliche Profil Brinkmanns im Nachruf von Oppermann 1924, S. 37, 42, 44 f. 592 GStA …, Nr. 21, Bd. XXI, Bl. 18–19; Votum Jeep, Rossbach u. a. gegen den Fakultätsantrag v. 11. 5. 1900; dazu ebd. Bl. 20–21 der sarkastische Brief Bezzenbergers an Althoff betr. die Inferiorität der beiden altphilolo­ gischen Ordinarien, mit der Schlußwendung: „Wenn Jeeps Vorlesungen leiden, haben die Studenten davon mehr Vor­ als Nachteile – und mir persönlich ist es sehr gleichgiltig … .“ 593 Heinze 1903, 1908 in 2., 1915 in 3. Aufl.; dazu kurz Körte 1929, S. 128; vgl. bes. Heinzes Leipziger Antritts­ vorlesung ‚Über die gegenwärtigen Aufgaben der römischen Literaturgeschichte‘, 1907, die zunächst um Verständ­ 589

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zudem schon als Horaz­ und Lukrezinterpret wie als Editor sein gediegenes Wissen um die Rezeption der griechischen Philosophie und Religion in der römischen Literatur bewiesen, trat also als altphi­ lologischer „Universalist“ in Brinkmanns Fußstapfen, entfaltete aber keine nachhaltige Wirkung, da er zum WS. 1906/07 einem Ruf nach Leipzig Folge leistete. Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß mit Heinze, markanter noch als mit dem literarisch weniger produktiven Brinkmann, Fakultätsmehrheit und Ministerium sich für eine Abkehr von der nicht nur in Königsberg geheiligten „Textkritik und Editionsphilologie“ und „Selbstbeschränkung auf technische Aspekte“ des Faches entschieden. Heinze stand für den Mut zur „Gesamtdeutung“ der römischen Literatur, die „Wesenszüge römischer Mentali­ tät und Kultur in die Mitte“ ihrer von der antiquarischen Textkritik zur aktualisierenden Interpretation fortschreitenden Anstrengungen um das antike Erbe rückte.594 In auffälliger Parallelität zum Niedergang der mathematisch­naturwissenschaftlichen „Königsber­ ger Schule“ (s. unten, S. 140 ff.) vollzog sich nach 1870 der Abstieg ihres altertumswissenschaftlichen Pendants. Die Lobeck­Lehrs­Tradition der philologisch­grammatischen Ausrichtung, die Königsber­ ger „Wortphilologie“, verlor gegenüber der von Boeckh ausgehenden Berliner „Sachphilologie“ an Attraktivität.595 Der dem Welckerschen, ihm durch Otto Jahn vermittelten „Totalitätsideal“ einer Phi­ lologie, Archäologie, Geschichte und Religionswissenschaft verbindenden Disziplin huldigende junge Wilamowitz­Moellendorff und Mommsen sprachen in den 1870ern bereits wie selbstverständlich von den bekannten „Mängeln“ der Königsberger Fachvertreter.596 Es ist daher nicht verwunderlich, wenn nach dem Tod von Lehrs (1879) die Habilitanden ausblieben. Die so mühevolle Habilitation des im philologischen Spezialismus versunkenen Tolkiehn (1895, s. o.), die letzte vor 1918, schließt diesen Trend zur Marginalisierung nur ab.597 Schon Friedrich Wilhelm Blass, habilitiert 1874 mit dem zwei­ ten Teil seines Kolossalwerks über die attische Beredsamkeit598 und 1876 rasch nach Kiel berufen, stieß Wilamowitz durch „beschränkheit“ ab, bei aller anerkannten Meisterschaft in der Beherrschung der

nis für die in Königsberg von Ludwich, Jeep und Rossbach vertretene Richtung warb, weil im 19. Jahrhundert die meiste Arbeitskraft aufgewendet werden mußte, „um die Texte nach jahrhundertelanger Verwahrlosung auf die erreichbare älteste und echteste Gestalt zurückzuführen“ (ebd., S. 161). Nach den erzielten großen Fortschritten seien jedoch auch die Schattenseiten, das „Unwesen oberflächlicher Sammelei“ und die „geisttötende Trocken­ heit mechanischer Handlangerarbeit“ zutage getreten (ebd., S. 164), so daß für Heinze die Stunde der eigentlich literarhistorischen Forschung schlug, die es „kulturhistorisch“ zu erweitern galt, was bei ihm 1907 höchst modern erscheinende soziologische Fragestellungen evozierte („Wert der literarischen Produktion für den Produzierenden wie für den Rezipierenden“, „Wesen des literarischen Ruhms“, „Bedeutung der literarischen Produktion für den Begriff der allgemeinen Bildung“, „soziale Stellung […] des Dichters“, „Mäcenaten­ und Patronatswesen“), die sich verdichten sollten in der Ergründung der „Bedeutung der Literatur im religiösen, politischen, geselligen Leben der Nation“ (S. 174). Heinzes „Neigung zur Behandlung von Problemen des röm. Staates, des öffentlichen Lebens in seinen Formen, verbunden mit ungewöhnlicher Kenntnis des röm. Rechtes in seinen Institutionen und seiner Wirkung in der Politik und Gesellschaft“, hebt auch H. Dahlmann in: NDB VIII, 1969, S. 148, hervor. Vgl. a. die von Erich Burck zusammengestellte Sammlung: Heinze 1960. 594 Hier dem jüngsten Versuch folgend, Heinzes innovative disziplingeschichtliche Position zu bestimmen, in: Hehl u. a. Bd. 4,1, 2009, S. 585–587. 595 Dazu die nur noch als Zitatensammlung brauchbare HU­Diss. von C. Lehmann 1964. 596 Calder III, 2003, Bd. I, S. 56 f.; Mommsen – Wilamowitz v. 7. 6. 1877, ebd., S. 190 ff., Wilamowitz – Momm­ sen v. 18. 2. 1882, dazu insbes. die Hg.­Anm. 581. 597 Jeeps kumul. Habil. von 1883 ist wie der Einstieg eines Externen zu werten und trug im übrigen infolge zweier ihn schließlich ins Ordinariat befördernden Hausberufungen erheblich zu der Provinzialisierung des Faches bei. 598 GStA …, Nr. 25, Bd. III, Bl. 105, Meldung über Habil. Friedrich Wilhelm Blass für Klass. Philologie: Die at­ tische Beredsamkeit. 2. Abt.: Isokrates und Isaios, AV: De ratione qua Graecorum sermo podestes tertio a. Chr. n. saeculo a pristina praestantia degenravit.

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Sprachgeschichte und Grammatik des Griechischen.599 Ähnlich ist Hugo Merguet einzuschätzen, von Jordan und Friedländer 1875 mit der venia für (vergleichende) Sprachforschung bedacht aufgrund seines Glossariums zu den Reden Ciceros, dem er zwischen 1887 und 1894 noch ein dreibändiges Le­ xikon zu den philosophischen Schriften dieses Stoikers sowie 1886 eins zu den Schriften Cäsars folgen ließ, zu einer Zeit, als bereits jede Hoffnung auf eine Wegberufung geschwunden war, so daß er 1898 resignierte und seine Lehrbefugnis zurückgab.600 In der angrenzenden Alten Geschichte sah es nicht besser aus. Wie erwähnt, forderte Rühl im berufungspolitischen Kleinkrieg stets gern die Beachtung des „Totalitätsideals“ ein, entsprach dem mit seiner Miszellenproduktion aber selbst nicht. Aber auch auf diesem Niveau zog er keine Schüler heran. Die letzten Althistoriker, die sich vor 1918 habilitierten, der promovierte Philosoph Georg Busolt (1879)601 und Rudolph Schubert (1879),602 fühlten sich seinen Vorgängern, Nitzsch und von Gutschmid verbunden. Da Ludwich als Hüter der Lehrs­Tradition bis 1912 auf Posten blieb, Jeep bis 1910 und Rossbach gar bis 1925, ist das Königsberger Seminar unter dieser Leitung weniger als Forschungs­ denn als Ausbildungsstätte für ostpreußische Latein­ und Griechisch­Lehrer anzusehen.603 Orchideenfächer: Indogermanistik, Sanskrit, Orientalistik, Slavistik Angesichts verschwindend geringer Hörerzahlen muß auffallen, wie einig sich Fakultät, Kurator und Ministerium darin waren, die vergleichende Sprachwissenschaft und die Sanskrit­Philologie in Königs­ berg zu fördern. Bis zum Ende der 1870er Jahre führte Ferdinand Nesselmann, Jahrgang 1811, wenige Philologen und Theologen in die Anfangsgründe orientalischer Sprachen sowie des Sanskrit ein. Nes­ selmann, durch das Lehramt nicht ausgefüllt, tummelte sich lange Zeit im öffentlichen Leben der „Ge­ Calder III, 2003, S. 363 ff.; Wilamowitz –Mommsen v. 3. 3. 1885. Ebd. auch der Hinweis der Hg. auf die Beurteilung für Althoff v. 26. 1. 1886 betr. einer Berufung Blass’ nach Halle: als „antisemit“ wie als „orthodoxer lutheraner“ passe er dort schwerlich neben den Juden Eduard Hiller. 600 Merguet, vermutlich aufgrund des ersten Bandes seines Lexikons zu den Reden Ciceros Habil. f. Sprachfor­ schung 17. 2. 1875, AV: De ratione qua comparatio linguarum litteris profait. GStA …, Nr. 25, Bd. III, Bl. 106. 601 Dazu und zur Königsberger Privatdozentenzeit Busolts vgl. Chambers 1990, S. 25–47. 602 Zu Schubert s. o. S. 119 f. 603 Mustert man die Promotionen von 1870 bis 1882, begegnen einem bei der Hälfte der Doktoranden in den Altertumswissenschaften ostpreußische, zumeist Königsberger Gymnasiallehrer, die auch neben dem Beruf in be­ scheidenem Maß noch literarisch produktiv blieben, sich kulturpolitisch oder im gelehrten Vereinswesen engagier­ ten. Zu nennen sind hier: Schmidt, Eduard, De Iliades paraphrasi Bekkeriana et metaphrasi Villoisoniana (1875), als Schmidt­Lötzen vor allem als Regionalhistoriker und Editor hervorgetreten. – Zippel, Gustav, Quaestionum Illyricarum specimen (1876), Freund Busolts, 1893 Prof. am FC, div. althist. Publikationen, u. a.: Die Heimat der Cimbern (1894). – Becker, Heinrich, Studia Apuleiana (1879), Oberlehrer FC; Mollmann, Ernst, Quatenus Sallusticus e scriptorum graecorum exemplo pendeat (1879), 1882 Oberlehrer KneipG, 1889 Prof. ebd., Die Bi­ bliothek des Kneiphöfischen Gymnasiums (1894). – Fischer, Richard, Quaestionum de praetoribus Atticis saeculi quinti et quarti a. Ch. n. specimen (1881, Rühl gewidmet), 1883 Lehrer, 1890 Oberlehrer KneipG, (Hg.), Briefe und Aktenstücke aus der Zeit der preußischen Herzöge (1888), Das Polenthum in Westpreußen (1893), mit Armstedt, Heimatkunde von Königsberg (1895). – Nietzki, Maximilian, De Thucydideae elocutionis proprietate quadam, unde ducta, quomodo exculta, quatenus imitando efficta sit (1881), 1884 ord. Lehrer StädtRG, 1887 AltstädtG, 1890 KneipG, Oberlehrer, 1895: Heinrich Heine als Dichter und Mensch. – Arnold, Carl Franklin, Quaestionum de fontibus appiani specimen, habilitiert sich 1886 für Kirchengeschichte (s. Catalogus). – Lejeune Dirichlet, Georg (1858–1920), De equitibus atticis (1882, Rühl gewidmet), Urenkel von Moses Mendelssohn, Lehrer u. Oberlehrer KneipG, 1903 Direktor AltstädtG, 1896 Stadtverordneter, 1914 Vorsteher der Stadtver­ ordnetenversammlung, 1917 im Vorstand des Königsberger Ortsvereins der Dt. Vaterlandspartei (APB 998). – Hecht, Maximilian, Quaestiones homericae (1882, Friedländer u. Ludwich gew.), Verfasser eines der wichtigsten landeskundlichen Werke vor 1918: Aus der Ostmark (1898). – Kobilinski, Georg von, De A, I, Y vocalium apud Homerum mensura pa. I, 1886 Lehrer, 1892 Oberlehrer WilhelmsG.

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bildeten“ Königsbergs, als das Reformjudentum unterstützender Publizist,604 als Organisator der von Regierungsseite beargwöhnten Schillerfeier von 1859,605 ebenso als eher außerakademische Resonanz suchender Enthusiast der Provinzialgeschichte, mit seinen Wörterbüchern prussischer Sprachreste und des Litauischen, die ihn als Bereicherer der Landeskunde auswiesen.606 Krankheiten zwangen ihn seit 1865 sich zurückziehen.607 Seit 1869 war auch der Zulauf zu seinen Lehrveranstaltungen so gering, daß sie entweder nicht zustande kamen oder abgebrochen werden mußten, weil Nesselmann vor leeren Bänken saß. 1875 erlitt er einen Schlaganfall, der seine „Geisteskräfte“ zwar nicht schwächte, aber die Attraktivität seines Kollegs weiter minderte. Zudem, so Kurator von Horn, sei unverkennbar, daß der „Mangel an wissenschaftlicher Regsamkeit“ erheblichen Anteil am schlechten Lehrerfolg habe. Die jüngsten indogermanistischen Forschungen, die den Zusammenhang zwischen dem Griechischen und dem Sanskrit herausgearbeitet hätten, seien an Nesselmann vorbeigegangen, und es übersteige wohl seine Fähigkeiten, sich diesen Innovationen zu öffnen.608 Mit dem 1878 habilitierten Sanskritisten Richard Garbe, 22 Jahre jung (!), stünde jedoch ein Ersatzmann in den Startlöchern.609 Das Ministerium reagierte erstaunlich rasch, und im Herbst 1879 durfte sich die Fakultät über ein neues Ordinariat für Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft freuen. Den blutjungen Garbe, obwohl das „Schooßkind“ der Fakultät610, wollte man freilich noch nicht zum Ordinarius machen. Obwohl es daher nur darum ging, die neue Stelle für ihn auf ein Extraordinariat zurechtzuschneiden, mußte es auf Falks Nachfolger v. Puttkamer den Eindruck machen, als würden auf Garbes Posten die Weichen für „unsere ganze Kulturentwicklung“ gestellt. Sein Amt dürfe nämlich nicht in die Hand so „moderner“ wie unphilologisch „allgemeiner“ Sprachwissenschaftler fallen, die ihren Hörern vorwie­ gend kulturhistorische Spekulationen böten. Nur der philologisch geschulte Sanskritist, als „Control­ leur“ der Indogermanistik, sei befugt, die historischen Lehren aus der Sprachvergleichung zu ziehen, solle nicht durch die modische „allgemeine“ Sprachwissenschaft der „Ruin unserer hohen Schulen“ bewirkt werden. Von Garbe, mit einer Studie ‚Ueber das Accentuationssystem des altindischen No­ minalcompositums‘ promoviert, zudem ein Kenner der griechischen Grammatik, so der offenkundig

Vgl. Nesselmann 1843: ‚Ueber den Jüdischen Reformverein in Frankfurt‘, der sich zu Recht von der „geist­ tödtenden Thalmudlehre“ abwende, die sich am deutlichsten in der „Demoralisirung“ wie in der „physischen Entnervtheit der Juden Rußlands“ zeige (ebd., S. 438 f.); dagegen J. B. Lowositz 1844 und Nesselmanns Replik 1844, S. 119 f. in der N. den Vorwurf zurückweist, ein „Judenfeind“ zu sein. 605 Zur Schillerfeier Nesselmanns ‚Actenmäßige Geschichte‘ (1860) der schwierigen und polizeilich behinderten Vorbereitungen, die deutliche Abgrenzungen gegenüber Johann Jacobys Versuch enthält, die Feier im Interesse des linksliberalen „Fortschritts“ zu vereinnahmen. 606 Nesselmann 1873, dort S. VII sich beklagend, daß er eine „sehr lebhafte Theilnahme“ an seinen Forschungen bei „auswärtigen Gelehrten“ registriere, während die „Gelehrten unserer an der Sache zunächst betheiligten Pro­ vinz“ leider „theilnahmslos“ geblieben seien. 607 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VIII, Bl. 160; Nesselmann – PrMK v. 13. 12. 1871, sein „Schmerzenskind“, eine Studie über die prussische Sprache einreichend, die während der Rekonvaleszenz entstan­ den sei. Im übrigen plage ihn die Teuerung. Bereits 1867 hatte er seine bedrängte Lage offengelegt, die ihn lange gezwungen habe, nebenher an einer privaten Mädchenschule Unterricht zu erteilen, weil die 1.100 Taler, die man ihm seit 1861 zahle, seine Familie nicht ernährten. Da ihn Krankheit am Nebenerwerb hindere, wende er sich an den Minister, der allerdings nur mit geizigen 100 Tl. aushalf (ebd., Bd. VI, unpag.; Nesselmann – PrMK v. 12. 6. 1867). 608 GStA …, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 65–68; Kurator – PrMK v. 13. 12. 1877. 609 Ebd., Bl. 203–205; Kurator – PrMK v. 3. 6. 1879: Zu Nesselmanns Vorlesung hätten sich wieder nur 1–2 Hö­ rer eingefunden, und vermutlich sei sie inzwischen auch abgebrochen worden. Er sei mittlerweile auch körperlich einfach unfähig. Garbe hingegen habe 9 Hörer! 610 So neidisch­ätzend der Historiker Wichert an den preuß. Parlamentarier Reichensperger v. 7. 2. 1884 (Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 175–181). 604

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hinter diesem Fakultätsgutachten steckende Germanist Oskar Schade, sei diese philologische Askese zu erwarten.611 Aber Garbe war nicht nur provozierend jung, er schien auch zu ausschließlich Sanskritist zu sein, um die von Nesselmann vernachlässigte, nur gelegentlich von Schade angebotene Indogermanistik zu lehren. Politische Interessenten nahmen schließlich diese Berufungsangelegenheit der Fakultät aus der Hand. Im Abgeordnetenhaus sah sich von Puttkamer mit der Forderung konfrontiert, das neue Ordinariat mit einem Kenner des Litauischen zu besetzen.612 Ein Ansinnen. das sich der Minister zu eigen machte, um mit Adalbert Bezzenberger sogleich den idealen Kandidaten zu präsentieren, einen ausgepichten Experten für die altpreußische und litauische Sprache, der die „durch den Ort erheischte Richtung“ der Indogermanistik vertrete.613 Der derart mit Vorschußlorbeeren bedachte und große Erwartungen weckende, erst 29jährige Göttinger Indogermanist, Sohn eines germanistisch ambitio­ nierten, mit dem „Hause Grimm“ und Hoffmann von Fallersleben verkehrenden Kasseler Schulrats, 1873 promoviert und schon ein paar Monate später, mit 23 Jahren, habilitiert, hatte mit ‚Beiträgen zur Geschichte der litauischen Sprache‘ (1877) und der Textedition eines lettischen Katechismus von 1586 das Fundament für die neue Spezialdisziplin der Baltistik gelegt, die er in Königsberg mit ‚Litauischen Studien‘ (1882), ‚Lettischen Dialekt­Studien‘ (1885) und einer volkskundlichen Monographie über ‚Die Kurische Nehrung und ihre Bewohner‘ (1889) so weit ausbaute, daß er in die Wissenschaftsge­ schichte als deren „eigentlicher Begründer“ eingegangen ist.614 An Bezzenbergers Bibliographie ist in­ des unschwer abzulesen, daß seine produktive baltistische Phase nach einem guten Jahrzehnt mit dem Erscheinen des Nehrungs­Buches fast abrupt endete. Als Linguist war er daneben ohnehin nicht mehr aufgefallen, sieht man ab von seiner Herausgeberschaft der von ihm 1877 begründeten Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen. Nach 1890 wandte Bezzenberger sich stattdessen der ostpreu­ ßischen Geschichte des frühen 19. Jahrhunderts, vor allem aber der Vorgeschichte zu. 1891 übernahm er den Vorsitz der Altertumsgesellschaft Prussia, die er bis 1916 leitete. Im Rückblick, so sein Schüler Reinhold Trautmann, sei es schwer zu entscheiden, welchem der Gebiete, der Baltistik oder der Volks­ kunde und Vorgeschichte, er „mehr Kraft und Zeit gewidmet hat“.615 Ausschlaggebend für den faktischen Rückzug von den baltistischen Studien dürfte das schwache Echo bei den Studenten gewesen sein, im Verein mit der Enttäuschung über die Indolenz des Kultus­ ministeriums und des Kuratoriums gegenüber der Slavistik, für die erst 1914 ein Extraordinariat er­ richtet wurde. Von sich aus habe Bezzenberger, „den die Lehrtätigkeit nicht mehr befriedigte“, keine Brücke zu den slavischen Sprachen geschlagen, sich daher als Baltist um „schöne Erfolge“ gebracht. Und er sei auch, ohnehin „kein Mann der Synthese“, die „große Gesamtdarstellung der preußischen Sprachreste schuldig geblieben“, wie Trautmann kritisiert, zugleich eine Trotzreaktion des Gelehrten nahelegend, „der sich an einer kleinen und vernachlässigten Universität wie Königsberg“ im Stich ge­ lassen fühlte und dem Ministerium überdies verübelte, Rufe nach Halle (1893) und Breslau (1896) ge­ gen den Widerstand der einflußreichen „Leipziger Richtung“ der „abstrakten“ Linguistik nicht durch­ gesetzt zu haben, die den schon sehr spezialisierten „Vertreter der Wort­ und Sachforschung im Sinne Jacob Grimms“ aus „nichtigem Schulhaß“ den Ausbruch aus seiner östlichen Isolierung versperrte.616

GStA …, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 238–245; PhilFak – PrMK v. 24. 11. 1879, Vorschlag zur Besetzung des neuen Ordinariats f. Sanskrit u. vgl. Sprachwiss. 612 Ebd., Bl. 268; Auszug aus Protokoll der Sitzung des Preuß. Abgeordnetenhauses v. 9. 2. 1880, Forderung des Abgeord. Julius Bergenroth, einem Thorner Oberlehrer, der für die Deutsche Fortschrittspartei sprach. 613 Ebd., Bl. 270; PrMK – ZivK v. 15. 3. 1880. Die Ernennung erfolgte am 5. 4. 1880 (ebd., Bl. 285 f.) zum SS. 1880. Zu Bezzenberger vgl. auch unten, S. 132 ff. 614 Trautmann 1922, S. 14. Vgl. dazu auch unten den Abschnitt zur „Regionalisierung des Wissens“. 615 Ebd., S. 13. 616 Ebd. und S. 14. 611

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Garbe, der sich im Laufe seiner Königsberger Jahre immer stärker von der Grammatik zur in­ dischen Philosophie hingezogen fühlte, und der von 1885 bis 1887 einen zweijährigen Studienaufent­ halt in Benares finanziert bekam, erhielt trotz Bezzenbergers Berufung ein besoldetes Extraordinariat für Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft.617 Wie keine andere Unternehmung Königsberger Professoren vor 1914 bezeugt Garbes exorbitante Mittel, 12.000 Mark, vier Jahresgehälter eines gut dotierten Extraordinarius, verschlingende Indienreise die sich ankündigende kulturwissenschaftliche Ausrichtung in den philologisch­historischen Fächern. Bezeichnend hierfür ist Garbes Begründung seines Projekts, die er zudem binnen vierzehn Tagen, in einem „Nachtrag“ für den Minister von Goß­ ler, kulturhistorisch noch schärfer akzentuierte, um seine Forschungen zur indischen Philosophie da­ mit kühn in die hegelianische Perspektive einer Weltgeschichte des menschlichen Geistes zu rücken. Ursprünglich schien es ihm nur darum zu gehen, an Ort und Stelle Material zu sammeln, um eine aktuelle, nämlich die zwischen Friedrich Max Müller (Oxford) und einigen kontinentalen Indologen umstrittene Frage zu entscheiden, ob die Samkhya­Lehre der philosophische Vorläufer buddhistischer Religion und ihr Schöpfer Kapila gar identisch mit dem Gotamo sei. Dies wollte vor allem Garbes Für­ sprecher Hermann Oldenberg geklärt sehen, während die Preußische Akademie, ebenfalls ihre Erwar­ tungen indologisch beschränkend, hoffte, der junge Königsberger Gelehrte werde in letzter Minute, bevor die als gewiß geltende Europäisierung des Subkontinents sie ersticke, die nur mündlich überlie­ ferte Lehrtradition abschöpfen und so wichtige, systematische Aufschlüsse zum Verständnis nicht nur der Samkhya­Philosophie gewinnen.618 In seinem Antrag hatte Garbe aber auch schon weitergehendere Absichten verraten. Einen Beitrag zur „Entzifferung“ der „Geistesgeschichte des indischen Volkes“, des „ältesten Kulturvolkes des indogermanischen Stammes“, wolle er gewiß leisten, indes solle es damit nicht sein Bewenden haben. Denn gerade die dualistische, rationalistische Samkhya­Lehre biete sich zum Vergleich mit ähnlichen abendländischen philosophischen Systemen an, trage also dazu bei, das Selbstverständnis europäischen Geistes zu vertiefen.619 Garbe muß geahnt oder jemanden gefragt haben, der mit den Antragsusancen vertrauter war als er, daß mit solcher Motivierung immer noch nicht das „herrvorragend allgemeine Interesse“ zu be­ friedigen sein würde, für das der, wie sein Ministerpräsident und Freund Bismarck, „reiner Wissen­ schaft“ heftig abholde Finanzminister Scholz allein bereit war, die Kasse aufzuschließen.620 Garbes „Nachtrag“ lieferte von Goßler daher die Argumentationshilfe, um Scholz von der nicht weniger als universalen Bedeutung des Garbeschen Projekts zu überzeugen. Dafür betonte der Sanskritist den im­ mensen Einfluß indischer, religiöser wie philosophischer Spekulation auf frühgriechische Denker und mittelbar, durch die Verarbeitung im Neuplatonismus, auf die gesamte europäische Geistesgeschichte. Um nicht in den Verdacht zu geraten, altbekannten romantischen Schwärmereien vom Gangestal als dem exklusiven indogermanischen Hort der Urreligion und der Urweisheit des Menschengeschlechts nachzuhängen, wußte Garbe genau die Grenze seiner intendierten „Einfluß“­Forschungen zu markie­ ren, wenn er seinem Adressaten versicherte, daß viele „Resultate europäischen Denkens in vollständiger Unabhängigkeit entstanden“ und „auf ganz anderen Grundlagen aufgebaut“ seien als die indische Philosophie. Was hier wie eine Vorwegnahme der Spenglerschen Kulturmorphologie auftritt, planiert GStA …, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 316; Bestallung v. 26. 6. 1880. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 27, Bd. I, Bl. 174–176; PrAkW – PrMK v. 23. 4. 1885 und ebd., Bl. 183–186; H. Oldenberg – PrMK v. 1. 7. 1885. Oldenberg hatte bereits am 10. 2. 1885 positiv gegutachtet (ebd., Bl. 162), ebenso die Koryphäe F. M. Müller – PrMK v. 23. 2. 1885 (Bl. 160) und Garbes Tübinger Lehrer Rudolf von Roth – PrMK v. 6. 10. 1884 (ebd., Bl. 154). Vgl. auch GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 51 II, Brw. Garbe – Althoff 1883–1887 und Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 113; PrMK – ZivK v. 24. 8. 1885. 619 Ebd., Bl. 194–203; Garbe – PrMK v. 1. 7. 1885. Das hier v. Goßler im Schnellkurs vermittelte Privatissimum über die „sechs Systeme“ der indischen Philosophie findet sich ausführlicher wieder in Garbe 1903, S. 37–94 sowie in der 1917 in umgearb. zweiter Auflage erschienenen Monographie über den indischen Rationalismus. 620 Ebd., Bl. 181 f.; PrMF (Scholz) – PrMK v. 9. 6. 1885. 617

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tatsächlich den Grund für Garbes universalistische Auffassung der „Organisation des menschlichen Geistes“. Denn ungeachtet der Isoliertheit der Kulturen gegeneinander ergebe sich – was seine Studien in Benares bekräftigen würden – eine auffällige Übereinstimmung der Weltdeutungen. So glaube man „am Eingang der Neuzeit Wort für Wort eine indische Upanishad zu lesen in der Lehre des Nicolaus Cusanus, dem die Gottheit die dreifache Ursache für alles Existierende (causa efficiens, formalis et fina­ lis)“ sei. In den Texten der deutschen Mystik des 14. Jahrhunderts wiederum, bei Meister Eckart und Tauler, „findet man Aussprüche genug, welche als wörtliche Übersetzungen aus sanskritischen Origi­ nalen gelten könnten“. Als eine „Wiedergeburt der Samkhya­Philosophie“ trete uns der Dualismus Descartes’ entgegen: in beiden Systemen würden der Seele „vegetative Funktionen abgesprochen und dem Leibe, bzw. der Materie, welche ihrerseits keinerlei psychische Zustände hat, vindicirt“. Ebenso sei „Berkeleys Idealismus und Phänomenalismus, welcher nur den unendlichen Geist als in Wahr­ heit seiend, die Existenz aber einer an sich seienden Körperwelt als eine falsche Annahme erklärt“, in England und Indien mit dem Immaterialismus der Vedanta­Philosophie verglichen worden. Ähnliche Parallelen zuhauf böten Schellings Schriften oder Fichtes Spekulationen über das absolute Ich, das sich bei ihm in schönster Übereinstimmung mit Kapilas Aphorismen individualisiere, weil sich dies aus der Verschiedenheit des moralischen Verdienstes ergebe. Solche, von ihm nur exemplarisch angedeutete Aufdeckung der in Indien und Europa unabhängig voneinander entstandenen Denkstrukturen konnte unmöglich als „ziellose Liebhaberei“ Garbes, als nur für den „engeren Kreis von Indianisten von be­ deutungsvollem Werth“ gelten, sondern mußte letztlich die unumschränkte Gültigkeit des timid aufgeklärten europäischen, christlich­protestantischen Rationalismus und der westlichen Zivilisation bestätigen.621 Eine Ansicht, die von Goßler teilte. An der von Garbe verheißenen Aufklärung über die interkulturell gültigen, also anthropologisch determinierten und fixierten Mechanismen der Weltauf­ fassung und Sinngebung bestand daher das selbst vom preußischen Kassenwart Scholz nicht mehr zu bestreitende „hervorragende allgemeine Interesse“.622 Daß Garbes Indienbild von einem „humanistischen Kulturideal überformt“ gewesen sei, daran kann also schon aufgrund seiner Einlassungen zwecks Finanzierung der Indienreise kein Zweifel sein.623 Die Normativität der europäischen „Zivilisiertheit“ und der verbindliche Maßstab der „ethischen Religion“ des Protestantismus führten ihn nahezu von selbst zur metahistorisch „wertvollen“, weil vernünftigen Idealen entsprechenden, „rationalistischen“ Samkhya­Philosophie, zur konfrontrativen Deutung der „Weisheit des [priesterlichen] Brahmanen und des Kriegers“, die unverkennbar kultur­ kämpferische, antikatholische Konnotationen aufweist, und ebenso konsequent zur „Begrüßung der britischen Kolonialherrschaft“, die dem „rückständigen Indien“ endlich den „Fortschritt“ bringe.624 Angesichts solcher Dispositionen mag die Ehe mit Anna Wichert, der Tochter des mit allen Fasern 621 Ebd., Bl. 187–193; Garbe – PrMK v. 9. 7. 1885. Auf die Struktur des „menschlichen Geistes“ hatte Garbe vage schon im ersten Anlauf seines Antrags Bezug genommen, vgl. ebd. Bl. 149–153; Garbe – PrMK v. 12. 10. 1884. 622 Wie Anm. 607, Bl. 205–210; PrMK – PrMF v. 3. 8. 1885 (Entwurf ). 623 So Malinar 2003, S. 128 f., den Einfluß des Ethnologen E. B. Tylor, The origin of culture, 1871, auf Garbe betonend. Zur Gegenüberstellung Priester – Krieger, Garbe 1903, S. 1–36 (entstanden in der Königsberger Zeit, zuerst 1893 in Nord und Süd). 624 Malina 2003, S. 132. Gleich nach seiner Rückkehr veröffentlichte Garbe ‚Indische Reiseskizzen‘ (1889), mit deren separatem Abdruck in der nationalliberalen Zeitschrift Nord und Süd er zuvor seine Reisekasse etwas aufge­ bessert hatte. Sie nehmen offen Partei für Englands „Kulturmission“ in Indien, die für ihn mehr als durch den Un­ abhängigkeitsdrang der dortigen Eliten durch die „liberale Kurzsichtigkeit“ im „Mutterland“ gefährdet werde, und vielleicht sei es „in der That das Ideal eines großen Theils der englischen Radicalen“, daß die britische Herrschaft in Indien sich „in Wohlgefallen auflösen“ möge, bevor „noch der Russe an die Pforten des Landes pocht“ (Garbe 1888, S. 98, wieder als Schlußaufsatz in Garbe 1889, S. 205 ff.). – Garbes Eurozentrismus ließ ihn später in der von Theologen, Orientalisten, Philologen und Religionswissenschaftlern mit Leidenschaft diskutierten Frage nach dem Grad der wechselseitigen Abhängigkeit von Buddhismus und Christentum eine moderate Position einnehmen. Je­ nen radikalen Reduktionismus zurückweisend, der das Neue Testament ganz von den Lehren des Buddha abhängig

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dem Königsberger Liberalismus zugehörigen „Dichters und Richters“ Ernst Wichert, primär einer un­ ergründlichen Herzenswahl entsprungen sein, aber daß überdies gemeinsame weltanschauliche Über­ zeugungen die zarten Bande flechten halfen, ist zu vermuten. Garbes Nachfolger wurde 1896 nicht, wie von der Fakultät vorgeschlagen, der mikrologische Theodor Zachariae,625 der ihn während seiner indischen Studienreise zwei Jahre lang vertreten hatte,626 sondern der aus Kielhorns Göttinger Schule hervorgegangene Rudolf Otto Franke, der, ungeachtet starker philosophischer und religionshistorischer Interessen, seit seiner Berliner Habilitation (1891) mit sprachgeschichtlich­grammatischen Studien über das Verhältnis des Sanskrit zu den mittelin­ dischen Dialekten beschäftigt war, die ihn auch nach seiner Berufung noch lange fesselten und die 1902 in zwei Monographien zur ‚Paligrammatik und ­Lexikographie‘ wie zu ‚Pali und Sanskrit in ihrem historischen und geographischen Verhältnis auf Grund der Inschriften und Münzen‘ einen vor­ läufigen Abschluß fanden.627 Franke, bis zu seinem Tod 1928 in Königsberg, kam von sprachwissen­ schaftlicher Seite dann zu den Überlieferungsfragen buddhistischer Lehre, mit denen er sich in seiner zweiten Lebenshälfte fast ausschließlich auseinandersetzte. Das führte in Rezensionen auch zu gele­ gentlicher Kritik am europäischen, deutschen „Neubuddhismus“. Vom streng philologischen Stand­ punkt aus argumentierend, relativierte er den weltanschaulich motivierten Optimismus der modernen Jünger des Gotamo, aus dem unüberschaubaren Überlieferungsbestand die „reine Lehre“ Buddhas herausfiltern zu können. Franke, so Hans Heinrich Schaeder in seinem Nachruf, bekannte sich auf diesem ideologisch umkämpften Areal zur „Unmöglichkeit streng objektiver Erkenntnis“, widerstand der „Versenkung in die buddhistische Heilslehre“, die „seit Generationen auf abendländische Seelen die stärkste Wirkung“ ausübte und beschränkte sich stattdessen darauf, „die vorhandene Überlieferung in mühseliger Kleinarbeit kritisch zu durchdringen und sich mit Einzelergebnissen zufrieden“ zu ge­ ben – was ihm die schwierige Quellenerschließung auferlegte, der Franke einen großen Teil seiner Zeit widmete und die er 1913 mit der Edition des wichtigsten buddhistischen Lehrtextes, des Dighanikâya, und 1923 mit der Übersetzung und Erklärung eines buddhistischen Spruchbuches, des Dhammapada, krönte.628 Mit seinen ‚Studien zu einer Kulturgeschichte des alten Indiens‘ strebte Julius von Negelein, Gar­ bes von Franke und Bezzenberger 1899 zur Habilitation geführter Schüler, von vornherein über die

sah, möchte Garbe nur vier Entlehnungen konzedieren, die die Originalität der Lehre Jesu in Frage stellten (Garbe 1914, S. 47 ff.). Vgl. Junginger 1997, S. 34–39. 625 Das Lebenswerk des Hallenser Indologen besteht im wesentlichen aus einer Fülle von Rezensionen und Mis­ zellen, von denen er viele selbst 1920 gebündelt hat, die in ihrer Mehrzahl aber erst fast fünfzig Jahre nach seinem Tod in zwei stattlichen Bänden seiner ‚Opera minora‘ vereint wurden (1977). Der Bruch mit der von Garbe in Königsberg inaugurierten geistesgeschichtlichen Tradition wäre mit seiner Berufung also noch brutaler ausgefallen als mit der Frankes. 626 GStA …, Nr. 21, Bd. Bl. 53–56; PhilFak – PrMK v. 28. 11. 1895; Liste Nf. Garbe: 1. Zachariae (Halle, s. Catalogus), 2. Franke (s. Catalogus) und 3. Bruno Liebich (1862–1939), Breslau, auch aus Kielhorns Schule, 1890 Habil. FWU; gelobt wurden seine Studien zur Erhellung der kulturgeschichtlichen Beziehungen zwischen Indien und Westeuropa, aber er war, wie seine weitere Entwicklung zeigt, vor allem Sanskrit­„Grammatiker“. 627 Daraus S. 68–74, über indisches Sprachgut bei antiken Schriftstellern, wieder abgedruckt in der Edition O. v. Hinübers, Franke 1978, Bd. I, S. 1–7; die Grammatik­Monographie ebd. vollständig S. 9–111. Dort in Bd. II auch seine Studien zur Lehre des Buddha. Nachweis seiner Rezensionen zum deutschen Neu­Buddhismus in Bd. I, S. IX–XVI. 628 Vgl. Glasenapp/Schaeder 1929, Bibliographie Frankes sowie Hinweis auf den Nachlaß, woraus hervorgeht, daß Franke doch eine Gesamtdarstellung des Buddha in Angriff genommen und weitgehend für die Reihe ‚Klas­ siker der Religion‘ auch schon abgeschlossen hatte, die aber leider weder von seinem Amtsnachfolger v. Glasenapp noch von einem anderen Indologen für den Druck fertig gemacht worden ist. – Zu den „entzaubernden“, kritisch mit der Überlieferungsgeschichte des Buddhismus umgehenden Arbeiten Frankes: Hahn 1995.

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bloße Sanskritphilologie hinaus.629 Wie Bezzenberger, der für Pierers Conversationslexikon den Artikel über ‚Germanische Mythologie‘ schrieb,630 bot von Negelein im „Verein für fortbildende Vorträge“ Kurse über ‚Germanische Mythologie‘ an, mit scharfer, die „ursprüngliche Verbindung“ zur indischen Mythologie aufzeigender „arischer“ Konnotation und einer antichristlichen, gegen den „Schlamm fremder Glaubensmeinungen“ gerichteten Spitze. Negelein rief dabei zum „Streben nach deutsch­na­ tionaler Unabhängigkeit“ auf, die man gewinne, wenn man das „Gold altdeutschen Glaubens“ finde, „gereinigt von den Schlacken halbchristlicher und christlicher Kultur“. Obwohl er, da eine „völlige Umbildung unseres Geschmacks“ erforderlich sei, wenig Zuversicht versprühte, wenn er auf die „Wie­ derbelebung der altheidnischen Tradition“ spekulierte – für ganz unmöglich hielt er die Anknüpfung an „urdeutsches Leben, Empfinden und Handeln“ nicht.631 Noch nach dem Weltkrieg pochte von Negelein darauf, daß der „eigentliche Zweck alles philologischen Forschens“ verfehlt werde, wenn es nicht das „Seelenleben“ aus den „Urkunden des Altertums“ wachrufe. Ziel sanskritistischer Mühe sei mithin die „Wiederherstellung des Geisteslebens des indogermanischen Asiens als eines der bildungs­ reichsten Teile der alten Welt“. Diese Erweckung fördere ein „Persönlichkeitsbewußtsein im Sinne der Einzel­, Stammes­ oder Rasseneigenart“, die von der „Individualität“ Besitz ergreifen, deren Denken und Handeln leiten solle.632 Nicht zufällig waren diese Bekenntnisse 1924 Garbe gewidmet, dem Kö­ nigsberger Lehrer, von dem von Negelein das geschichtsphilosophische Axiom der „Gesetzmäßigkeit menschlicher Geistesentwicklung“ und der sie determinierenden psychischen Ausstattung übernom­ men hatte.633 Da demnach das „Indoariertum“ dem modernen „Germanen“ seelisch­intellektuell ver­ wandt sei, stehe der sanskritistisch angeleiteten, endlich zu einem „geschlossenen Weltbild“ findenden arischen Regeneration nichts im Wege, an deren Ende für von Negelein eine Kultur wartet, die den Menschen lehrt, „das Einzelne als Glied eines großen Ganzen zu sehen“.634 Der eurozentrisch­aufklä­ rerische Standpunkt seines Lehrers war mit diesem „Weltbild“ durchaus vereinbar, wie von Negelein in seiner ‚Weltgeschichte des Aberglaubens‘ kundtat.635 629 GStA …, Tit. IV, Nr. 25, unpag.; PhilFak – PrMK v. 9. 7. 1899, Meldung Habil. v. Negelein. PV: Eine ethische Idee im Veda; AV: Das Roßopfer, seine Vollziehung und Bedeutung. Monographisch expliziert diese AV 1903 in ‚Das Pferd im arischen Altertum‘. – Am 13. 7. 1900 meldete der Kurator dem PrMK, daß v. Negelein „auf unbestimmte Zeit“ um Beurlaubung gebeten habe, um als Krankenpfleger an einer „nach China zu entsendenden Expedition“ teilzunehmen (ebd.). Am 3. 7. 1900 war aus Freiwilligen ein Expeditionskorps des Heeres gebildet worden, um zusammen mit dem Marinekorps den in China ausgebrochenen „Boxeraufstand“ niederzuschlagen. v. Negelein könnte also bald darauf, kurz vor seiner Einschiffung in Wilhelmshaven, als Ohrenzeuge auch der „Hunnenrede“ Wilhelms II. gelauscht haben. 630 Bezzenberger 1891. 631 Negelein 1919 (unwesentlich veränderte 3. Aufl. [= 11.–15. Tsd.] der Erstauflage von 1907), S. 5 f.; zum „germanischen Aberglauben“ (statt: „Mythologie“!) vgl. a. von Negelein 1931, S. 257–339. 632 v. Negelein 1924, S. VIII. Ähnlich schon 1903, S. IX, in seiner Monographie über ‚Das Pferd im arischen Altertum‘, den weltanschaulichen Mehrwert spezialphilologischer wie ethnologischer Kärrnerarbeit herausstrei­ chend: „Das Studium der Antike […] liefert die einfachsten aber auch die gesündesten und vernünftigsten Ideen der Menschheit. Man irrt, wenn man glaubt, daß es ein bloßer Zeitvertreib für müßige Personen und für müßige Stunden sei! Wir können uns vielmehr aus ihm eine Lebensauffassung bilden, eine Weltanschauung gewinnen. Ja, in vernünftiger Weise in unsere Zeit gesetzt, muß es zum mächtigsten Mittel werden, das moderne Leben sittlicher und vernünftiger zu gestalten.“ 633 Eine Ansicht, die sich dem marxistischen wie liberalen „Fortschritts“­Optimismus jedoch verschloß, weil er einer „rohen Massenherrschaft“ das Wort rede (v. Negelein 1935, S. 397). 634 v. Negelein 1924, S. VIII u. 1. 635 Die beiden Bände, deren Erscheinen der 1931 verstorbene Erlanger Ordinarius nicht mehr erlebte, wurden geschrieben, um über den Aberglauben aufzuklären und dazu beizutragen, „die Menschheit“ aus diesem „Sumpf“ und „Morast“ der Unwissenheit zu befreien (1935, S. 436–440) und sich stattdessen an einem in der „Ewigkeit“ zu suchenden „Ideenreich“ zu orientieren.

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Mit der Etablierung Garbes war die Generosität des Ministeriums gegenüber den „kleinen Fä­ chern“ aber noch keineswegs an eine Grenze gelangt. Der Theologe August Simson, Bruder des Reichs­ gerichtspräsidenten, hatte 1868, nach seinem Wechsel in die Philosophische Fakultät, einen Lehrstuhl für hebräische Sprache inne und bot seitdem ein Kolleg über hebräische Grammatik und eine Übung zu alttestamentlichen Texten an. Seit langem gesundheitlich reduziert, bat er im Frühjahr 1882, ihn von dieser Lehrverpflichtung zu entbinden.636 Unverzüglich stand der Fakultät ein Ersatzordinariat zur Verfügung, das zum WS. 1882/83 mit einem „richtigen“ Orientalisten, dem Hallenser Extraordina­ rius August Müller, besetzt wurde, von der Fakultät empfohlen als Gelehrter, der nicht im Bann des „sprachlichen Details“ verharre, sondern dem eine vergleichende Grammatik der semitischen Sprachen und eine Literaturgeschichte vor Augen stehe.637 In Königsberg setzte er indes mehr seine Forschungen zur Rezeption der griechischen Philosophie und Wissenschaften durch die Araber fort und verfasste eine opulente, an ein breites Publikum adressierte Geschichte des Islam.638 In einem Portrait des be­ rühmten Fachkollegen Ernest Renan offenbarte Müller, wie er für sich selbst weltanschaulich und politisch die Pflöcke eingeschlagen hatte. Ob die Christen eines „beliebigen Kirchenthums“, die von Glaubenszweifeln weit stärker angefochten seien als die Muslime, noch kräftig genug seien, „den Geist des wissenschaftlichen und des religiösen Idealismus zusammenzuschmelzen“, eine Art zweiter Refor­ mation zu bewirken, um den „praktischen Materialismus“, die „moderne Barbarei“, die in oberen wie unteren Schichten der Bevölkerung „mit erschreckender Schnelligkeit um sich greift“, zu überwinden, erschien ihm vom Standpunkt des vergleichenden Religionswissenschaftlers höchst zweifelhaft. Gewiß war Müller nur, daß der Materialismus der Massen sich, wie in Frankreich 1871, demokratisch or­ ganisierte und sich unfähig zeige, „irgend etwas Positives zu schaffen“. Statt aus der materialistischen „Barbarei“ herauszuführen, den Menschen aus der „Sclaverei seiner natürlichen Neigungen und Be­ dürfnisse“ zu befreien, rutschten sie unter demokratischer Herrschaft nur umso tiefer hinein, wie das „bedauerliche Untergehen Frankreichs in einem verschlechterten Amerikanismus“ beweise, eine Pro­ phezeiung Renans, die sich im Nachbarland erfülle.639 Daß der seit 1871 manifeste Deutschenhaß Renan daran hindere, einen Barbarismus in ganz anderer Gestalt zu bekämpfen, war dem sich in Königsberg „unter den Augen der Russen“ fühlenden Arabisten auch nicht zweifelhaft. Obwohl Renan klar sehe, daß „es in der europäischen Politik das einzig vernünftige wäre, Frankreich, Deutschland und England thäten sich zusammen, die Thüre geschlossen zu halten, durch welche der Russe nach dem Westen hineinzudrängen Miene macht“, sei ihm die Parteinahme für eine solche Politik wegen „Elsaß und Lothringen“ unmöglich.640 Die Orientalistik erfuhr im November 1889 eine nur kurz währende Verstärkung durch Heinrich Zimmern, der sich unter Delitzschs Einfluß der Assyriologie zugewandt hatte und wohl nur aufgrund guter Kontakte zu Müller Königsberg als Ort seiner Habilitation für semitische Sprachen wählte. Mit Müller wechselte er zum SS. 1890 nach Halle.641 Zimmerns Antrittsvorlesung über ‚Die Assyriologie als Hülfswissenschaft für das Studium des Alten Testaments und des klassischen Altertums‘ bot die GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 45; PrMK – ZivK v. 26. 4. 1882. Ebd., Wiedergabe der Müller­Laudatio der Fakultät. 638 Einzelheiten zu Müllers Berufung sind nicht zu ermitteln, da der den Zeitraum 1880–1882 umfassende Band über die Professoren der Königsberger PhilFak im Dahlemer Ministerialaktenbestand fehlt. – Müllers dickes, kom­ pilierendes Werk ‚Der Islam im Morgen­ und Abendland‘ (1885) wurde von der Fachkritik als zu populär und schon fast als außerhalb wissenschaftlicher Konkurrenz geschrieben aufgefaßt, so etwa v. Gutschmid 1886, wieder in: ders. 1890, S. 758–762. 639 Müller 1888, S. 331 f., 342. Ebd., S. 343 f., sich als „einen grundsätzlichen Judenfreund“ bekennend, rügt Müller den plakativen Philosemitismus, der aus den jüngsten Veröffentlichungen Renans spreche („vollkommen unerfreulich“). 640 Ebd., S. 342 f. 641 Zimmern 1890. 636

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Dienste seiner Disziplin ohne historistisches Auftrumpfen, aber für seine Zuhörer mit unabweisbarer Konsequenz, an zur Aufklärung über die Grundlagen „unsere[r] gegenwärtige[n] Weltanschauung“, die immer noch eine jüdisch­christliche sei, und für die die Rekonstruktion der „geheimen Verbin­ dungslinien zwischen Babylon und Jerusalem, bzw. Athen und Rom“, der Beziehungen zwischen „den [älteren] babylonischen urgeschichtlichen Legenden“ und der „biblischen Urgeschichte“, nicht ohne Folgen für die Glaubensgewißheit bleiben konnte.642 1894 habilitierte sich der Keilschriftforscher Felix Peiser aus Breslau. An der Oder hatte er sich nicht nur als Vorsitzender des Ortsvereins der „Gesellschaft für ethische Kultur“ persönlich unbeliebt gemacht, so daß er sich für Assyriologie nach Königsberg umhabilitierte. Aber dort umgaben ihn bald „Gerüchte“. Da für einen Privatdozenten mit diesem Fach an der Albertina nicht die geringsten Aus­ sichten bestanden, mußte die Wahl dieser abgelegenen Wirkungsstätte Verdacht erregen. Politischen Verdacht, wie der Breslauer Kurator selbstverständlich voraussetzte, als er seinem Königsberger Kollegen versicherte, gerade in dieser Hinsicht sei Peiser nicht aufgefallen. Trotzdem war es nicht allein die Beru­ fung des berühmten Leipziger Assyriologen Friedrich Delitzsch, die ihm an der Viadrina neben diesem Ordinarius jede Zukunft verbaute. Mit seinem „anmaßende[n] Wesen“ sei er angeeckt. Die Fakultät habe ihn zudem gemaßregelt, weil er im Kolleg eine Berliner Schmähschrift gegen den Breslauer Althi­ storiker Ulrich Wilcken verteilt habe. Daß man ihm die volle venia für Semitistik wegen unzureichender Arabischkenntnisse nicht zugestehen wollte, wie der Königsberger Rektor als „Gerücht“ nach Berlin meldete, kam noch belastend hinzu. Ausgelöst wurden die amtlichen Investigationen zwischen Breslau, Königsberg und Berlin durch Peiser selbst. Bald nach seiner Umhabilitation war er zu einer Forschungs­ reise nach London aufgebrochen, um im Britischen Museum assyrische „Tontäfelchen“ zu entziffern. Nach einigen Tagen erteilte ihm die Museumsleitung Hausverbot, weil er die Tafeln angeblich „vorsätz­ lich beschädigt[e]“. Die Deutsche Botschaft meldete den peinlichen Vorfall. Über den Dienstweg kam die Sache zu Althoff. Rasch führte dann Peisers Einvernahme durch Rektor und Kurator zu den bis nach Breslau reichenden „Durchleuchtungen“. Die Londoner Vorwürfe konnte Peiser schließlich entkräften, aber ungünstiger hätte sein akademischer Neustart nicht ausfallen können.643 Als Assyriologe, im Unterschied zu Breslau „mit der vollen venia für semitische Sprachen“, erwarb er sich dann, getragen von günstigen Urteilen seines Berliner Lehrers Eberhard Schrader, trotzdem relativ schnell einen guten Ruf. Peiser wandte sich von den „rein philologischen Aufgaben“ ab und, wie schon in der Breslauer Zeit, „historischen Fragestellungen“ zu. Dabei schwebte ihm eine soziolo­ gische „Rekonstruktion der babylonischen Gesellschaft, ihrer wirtschaftlichen, rechtlichen, sozialen Lebensbedingungen“ vor.644 Überdies fand er mit seinen Anregungen, das assyrisch­babylonische Ur­ kundenmaterial zu rechtsvergleichenden Untersuchungen zu nutzen, ein offenes Ohr bei Josef Koh­ Merkwürdig, daß die jüngste kurze Ergographie in: Hehl u. a. 2009, Bd. 4,1, S. 349–353, die weltanschauliche Dimension gerade der frühen Schriften des Leipziger Assyriologen ignoriert, der sich 1894 an der Pleisse einführte mit der Antrittsvorlesung zum wahrlichen brisanten Thema: Die Herkunft des biblischen Schöpfungsberichtes. 643 Der gesamte Vorgang in GStA …, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, unpag.; Schriftwechsel in Sachen Peiser 1894/95. – Die „Schmähschrift“, die Peiser an seine Studenten verteilte, war eine Polemik des mit ihm befreundeten Assyrio­ logen Hugo Winckler gegen Wilcken. Aus Wincklers Nl. gab Peiser 1913 heraus: Vorderasien im 2. Jahrtausend auf Grund archivalischer Studien (dazu die umfangreiche Selbstanzeige, Peiser 1914c). – Brockelmann 1981, S. 28, 1893–1900 Privatdozent in Breslau, erinnerte sich, Peiser habe „um unangenehmer Affairen wegen bald darauf nach Königsberg gehen“ müssen, „wo ich ihn dann nicht zu unser beider Freude später [1903] wieder traf“. 644 Peiser hielt die Zeit jedoch nicht für reif für eine monographische Darstellung der Geschichte Babyloniens und Assyriens. Vgl. seine ‚Skizze der Babylonischen Gesellschaft‘ 1896a, S. 1; auch dies erklärt seine Konzentration auf das babylonische Rechtsleben. Vgl. a. Peiser 1896b, eine kleine Sammlung assyrischer und babylonischer Texte, die Einblick in die Rechtsverhältnisse vermitteln sollen. Über Peisers kulturhistorische Präferenzen vgl. den Nachruf G. Bergstraessers 1921, dort auch ein Indiz dafür, daß es so schlecht mit Peisers Arabischkenntnissen nicht bestellt sein konnte, hatte ihn doch Heinrich Leberecht Fleischer, der „greise Meister der Arabistik“, als Leipziger Dokto­ randen zum Famulus gewählt. 642

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ler (Berlin).645 In Königsberg zog ein so disponierter Gelehrter immerhin hinreichend „viele“, in der Regel eine Handvoll Hörer an, so daß er in fast jedem Semester die angekündigten Vorlesungen auch wirklich halten konnte. Er wußte also, wie ihm die Fakultät unter Hinweis auf die moderne „Bibel­ kritik“ bescheinigte, die Notwendigkeit assyriologischer Veranstaltungen gerade für Theologen, Phi­ lologen und Historiker geschickt zu vermitteln.646 Obwohl Peiser ab 1898 zudem als Gründer und Hauptherausgeber der Orientalischen Literatur­Zeitung (OLZ ) sein fachliches Ansehen mehrte, und er sich kontinuierlich als Hebraist bemühte, seine Kompetenz in der alttestamentlichen Forschung zu beweisen,647 blieb er trotzdem an der Albertina letztlich so isoliert, daß er einen großen Teil seiner Energien, wie Bezzenberger, auf die denkbar weit von Euphrat und Tigris entfernte heimatkundliche Prähistorie konzentrierte und 1916 als dessen Nachfolger zum Vorsitzenden der Altertumsgesellschaft Prussia aufrückte.648 Seit 1896 stand ihm in der Assyriologe Paul Rost zur Seite, der von Greifswald nach Königsberg umhabilitiert wurde, ein Keilschriftenexperte mit Neigungen zur Slavistik. Der in Moskau geborene Kaufmannssohn übernahm daher ab 1896 das russische Lektorat und erhielt, nach zahlreichen vergeb­ lichen Vorstößen durch die Fakultät, 1915 das erste besoldete Extraordinariat für slavische Philologie an der Albertina.649 Die Regionalisierung des Wissens Von den drei Vertretern der Orchideenfächer, Peiser, Rost und Bezzenberger, profitierte die Regi­ onalisierung der Fakultät, d. h. die Erforschung der ostpreußischen Vorgeschichte wie die zaghafte Hinwendung zu Sprache, Geschichte und Kultur der slavischen Nachbarn. Bezzenberger bewies hier frühzeitig pragmatisches Gespür für die fortschreitende Spezialisierung, berücksichtigte Sanskrit nur noch in Lehrveranstaltungen für Anfänger, überließ die Indologie Garbe und Franke, konzentrierte sich ansonsten auf die vergleichende Sprachwissenschaft650 und schränkte sich dabei stark auf das Li­ tauische und Lettische ein, um von dort, „auf der Suche nach der Urheimat der baltischen Stämme“, überzugehen zur Vorgeschichte, Volkskunde und historischen Landeskunde des „Preußenlandes“. Im SS. 1897 bot er erstmals „Vorgeschichte und vorgeschichtliche Altertümer Ostpreußens“, im SS. 1899 „Urgeschichte Ostpreußens“ an, so daß seitdem der Indogermanist die bis 1919 im Fächerkanon sonst

Zu Kohlers rechtsvgl.­orient. Interessen nur kurz: Nies 2009, S. 118. GStA …, Tit. IV, Nr. 25, unpag.; Antrag der PhilFak v. 30. 6. 1896, Peiser zum ao. Prof. zu ernennen, was das PrMK mit Erlaß v. 14. 10. 1896 ablehnte! Schrader stufte Peiser in einem von der Fakultät zitierten Gutachten als den einzigen wirklichen Kenner der babylonischen Rechtsquellen unter den Assyriologen ein. 647 Die Nähe zur AT­Forschung hat Peiser bald selbst auf dieses Gebiet geführt, die sich 1914a zu einem Büchlein verdichteten: Hosea. Philologische Studien zum Alten Testament; dazu die Selbstanzeige Peiser 1914b. Zuvor über den Propheten Habakuk: Peiser 1903. 648 Zu Peiser die Nachrufe von Ebert 1921 und G. Bergstraesser 1921. Das Interesse an der ostpreußischen Vor­ geschichte erwachte bei Peiser recht früh. Bereits 1904 legte er mit dem Lehrer Emil Hollack einen detailierten Fundbericht über ‚Das Gräberfeld von Moythienen‘ im masurischen Kr. Sensburg vor – gestützt auf „wertvolle Vorarbeiten“ Bezzenbergers bei der Bestimmung der gefundenen Münzen und Bernsteinanhänger (Peiser 1904, Vorwort). 649 Dazu s. u., Kap. 4. 4.1. 650 Freilich mehr als Organisator, Herausgeber und Redakteur der von ihm 1877 begründeten Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen, die 1906 mit Ernst Kuhns Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Ge­ biete der indogermanischen Sprachen verschmolz. Bezzenberger selbst hat darin nicht mehr als eine große Anzahl von zumeist etymologischen Miszellen veröffentlicht. Bezeichnenderweise thematisiert sein umfangreichster Beitrag nach 1890 wieder die Sprachgeschichte seiner Wahlheimat: Studien über die Sprache des preußischen Enchiridi­ ons, 1907. 645 646

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fehlende Prähistorie vertrat.651 Insoweit setzte er die Gepflogenheiten seines Vorgängers Nesselmann fort, der sich mangels Auslastung als Orientalist früh um ‚Die Sprache der alten Preussen‘ (1845) küm­ merte und seine Sammelarbeit 1873 mit einem ‚Thesaurus Linguae Prussicae‘ krönte.652 Vor seiner Berufung hatte auch der Göttinger Privatdozent mit ‚Beiträge[n] zur Geschichte der litauischen Sprache‘ die Weichen in Richtung Königsberg eigentlich selbst gestellt.653 1879 reiste er zu wochenlangen Sprachstudien „diesseits der Grenze wie in Russisch­Litauen“ und kam anschließend nach Tilsit, um die „Litauische Literarische Gesellschaft“ aus der Taufe zu heben.654 Womit er, gemein­ sam mit Nesselmann und anderen ostpreußischen Folkloristen, aus „reinstem wissenschaftlichen Idea­ lismus“, um eine vermeintlich vor dem Aussterben stehende Sprache und Kultur „durch Aufzeichnung und Sammlung“ wenigstens „für die Wissenschaft“ zu retten,655 unfreiwillig die nationallitauische Bewegung anstieß, der er aber zeitlebens „fremd“ gegenüberstand und deren von den Versailler Sie­ germächten ermunterten Zugriff auf das deutsche Memelland nach 1919 er „besonders schmerzlich empfunden“ habe .656 Gleich in den ersten Monaten nach seiner Ankunft setzte Bezzenberger seine Feldforschungen in den litauischen Sprachzonen Nordostpreußens fort.657 1881 beantragte er, nach drei selbstfinanzierten Wanderreisen, erstmals Unterstützung, um auf der Nehrung die Sprache der kurischen Fischer, die „bislang keine Aufmerksamkeit erfahren“ habe, aufzuzeichnen.658 In den Seme­ sterferien während der 1880er Jahre erwanderte Bezzenberger sich sein Renommee als Begründer der baltischen Philologie:659 „Er lernte fast jeden Ort südlich und nördlich der Memel kennen und ver­ folgte aufmerksam die sich durchschneidenden Dialekteigentümlichkeiten; überschritt die russische Grenze und lernte das Gouvernement Kowno kennen, durchforschte Kurland und Livland, überall die Leute ausfragend und sich Aufzeichnungen machend […].“660 Sprachwissenschaftliche Früchte dieser eifrigen Erhebungen waren u. a. seine ‚Litauischen Forschungen‘ (1882), die Arbeiten ‚Zur litauischen Dialektforschung‘‚661 ,Lettische Dialekt­Studien‘ (1885), die von ihm angeregte, die „Ausbreitung deutscher Kultur nach dem Osten Europas“ dokumentierende Arbeit seines Schülers Walter Prellwitz Vgl. VV­AUK. Der Druck war vom PrMK mit 200 Thln. gefördert, Nesselmanns entsagungsvolle Spurensuche mit 100 Thln. belohnt worden (GStA …, Nr. 21, Bd. IX, Bl. 83; Kurator – PrMK v. 29. 12. 1873). 653 Bezzenberger 1877; die Arbeit ist seinem Münchener Lehrer Martin Haug gewidmet und will, auf der Basis litauischer Texte des 16./17. Jhs., nicht mehr geben als „die Mitteilung [des] von mir gesammelten Materials“, das zusammen mit einem „tunlichst bald nachzusendenden Handbuch der altpreussischen Mundart“ (das nie erschie­ nen ist) als „Vorarbeiten zu einer vergleichenden Grammatik der s. g. baltischen Sprachen gelten sollen“ (ebd., S. XXXV f.). 654 Dazu AprM 16, 1879, S. 483–485, mit Statutenentwurf und ebd., S. 659–669, mit Statut und einer ersten Mitgliederliste. Bezzenberger und Nesselmann waren sogleich in den Vorstand gewählt worden. Unter den Eh­ renmitgliedern findet sich neben Oberpräsident v. Horn der Oxforder Religionswissenschaftler und Sanskritist Friedrich Max Müller (1823–1900). Aus Königsberg sind die Kantianer Reicke und Arnoldt dabei, der Jurist und Reiseschriftsteller Louis Passarge, der gerade seine Wanderungen über die Kurische Nehrung und Exkursionen in andere Teilen Pr. Litauens in einem Sammelband veröffentlicht hatte (‚Aus Baltischen Landen‘, 1878). Ferner der Landeshistoriker Lohmeyer und der Germanist Schade. Kurz zur Geschichte dieser Gesellschaft: F. Scholz 1990, S. 128–132. 655 Aufruf zur Begründung der Gesellschaft, in: AprM 16, 1879, S. 484. 656 So Bezzenbergers Schüler Trautmann 1923, S. 299. 657 Der Ertrag dieser August Fick gewidmeten, Lieder, Sprichwörter, Rätsel, „abergläubische und andere volks­ tümliche vorstellungen und gebräuche“ bietenden volkskundlichen ‚Litauischen Forschungen‘ erschien 1882. 658 GStA …, Tit. IV, Nr. 27, Bd. I, Bl. 51; Bezzenberger – Kurator v. 26. 12. 1881 wg. 750 M. Reisezuschuß, die gewährt wurden. 659 So im Nachruf seines Schülers Gerullis 1922, S. 271. 660 Trautmann 1923, S. 298. 661 In Bd. VIII und IX seiner Beiträge, 1884, 1885. 651

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über ‚Die deutschen Lehnwörter im Preußischen und Lautlehre der deutschen Lehnwörter im Litau­ ischen‘ (1891)662 und, auf breiter regionalhistorischer und volkskundlicher Basis, seine Monographie über ‚Die Kurische Nehrung und ihre Bewohner‘ (1889),663 die bis dahin umfassendste Arbeit, bei Erscheinen das vielfach faszinierende „Hauptwerk“ über einen bald darauf von Künstlern und Li­ teraten ins Magische entrückten Landstrich,664 der als „preußische Sahara“ bis zur Jahrhundertmitte auf die seltenen Besucher eher abschreckend gewirkt hatte, der sich dann aber, auch aufgrund der Werbewirkung der Bezzenberger­Arbeit, zusehends, auch dank weiterer indirekter Reklame, die von den Schriften Königsberger Zoologen, Botaniker und Geologen ausging, zum touristischen Anzie­ hungspunkt und zu einem, ja, noch vor der an „romantischen“ Naturszenarien reichen Samlandküste, dem mit „Erinnerungsorten“ gesegneten Königsberg und dem abgelegen „verwunschenen“ Masuren, zu dem markanten Identifikationsraum der Provinz entwickelte.665 Wie von selbst fiel Bezzenberger als Ethnologen Preußisch­Litauens eine landeskundliche Füh­ rungsposition zu, als er 1891 für 25 Jahre den Vorsitz der Altertumsgesellschaft Prussia übernahm, damit zugleich als ehrenamtlicher Museumsleiter der Herr ihrer reichhaltigen Sammlungen wurde, ihre Sitzungsberichte redigierte und sich sukzessive als Prähistoriker, mit „Feder und Spaten der Vorge­ schichte“ Ostpreußens zugewandt, einen Namen machte.666 Bezzenberger ersetzte aber nicht den „Vater“ der Litauer, den Ombudsmann ihrer Interessen, den Militärprediger und Lehrer Friedrich Kurschat, der seit 1841 das in der Theologischen Fakultät ange­ siedelte „Litthauische Seminar“ leitete und 1871 zum nb. ao. Professor in der Philosophischen Fakultät befördert wurde. Ihm hielt einer seiner Gönner unter den hohen Militärs Königsbergs zugute, seit 1848 die Litauer zu loyalen preußischen Untertanen erzogen und so der womöglich zur Illoyalität verführenden Agitation der „destructiven Fortschrittspartei“ das Wasser abgegraben zu haben. Dieser „Repräsentant“ der litauischen Bevölkerung im ostpreußischen Nordosten werde von allen Behörden, staatlichen, militärischen, kirchlichen, als Vermittler ihres „Verkehrs“ mit seinen Landsleuten in An­ spruch genommen. Und das Provinzialschulkollegium beauftragte ihn 1866 mit der Erstellung eines Prellwitz 1891, S. 1. Diese Dissertation bildete den ersten und einzigen Band eines Unternehmens, das ‚Die deutschen Bestandteile in den Lettischen Sprachen‘ aufspüren wollte, um mit dem „Nachweis des deutschen Ein­ flusses“ auf die „Sprachen der Völker des östlichen Europas, welche ihr Volkstum dem deutschen Einflusse gegen­ über bewahrt haben“, nicht allein, „das deutsche Herz zu erfreuen“, sondern in der Sprachforschung zur Erhellung „dunkler Gebiete“ der europäischen Kulturgeschichte beizutragen. Auch Prellwitz’ 1892 in erster, 1905 in zweiter Auflage erschienenes ‚Etymologisches Wörterbuch der Griechischen Sprache‘ erhob explizit kulturhistorische An­ sprüche, wenngleich der Autor entsprechende Schlußfolgerungen aus den lexikalisch knappen Einträgen zu ziehen dem Leser selbst überließ. 663 Ausführlich besprochen durch den geologischen Kollegen Alfred Jentzsch 1890. 664 Der Wirkung dieser Verzauberung erlag bekanntlich auch Thomas Mann, der sich mit dem Geld des Nobel­ preises von 1929 im litauisch okkupierten Nidden ein Ferienhaus errichtete. Näheres Bd. II. 665 Vgl. zur landeskundlichen Literatur des 19. Jhs. die von Bezzenbergers Kollegen Hahn, „unter wesentlicher Mitarbeit“ von Rudolf u. Johannes Reicke, 1892 zusammengestellte Bibliographie, darin S. 37, auch die Hervor­ hebung der Bezzenberger­Schrift als „Hauptwerk“. Einem größeren Publikum außerhalb der Provinz wurde die Kur. Nehrung durch die eindringlichen Beschreibungen in L. Passarges ‚Aus Baltischen Landen‘ (1878) bekannt. Als „gesunkenes Kulturgut“ nahezu kanonisiert sind die Wahrnehmungsraster in der 2. Aufl. von Ambrassats ‚Handbuch der Heimatkunde‘ (1912, S. 62 f.): in der vermeintlich trostlosen Öde der Dünen, zwischen zwei un­ endlichen Wasserflächen, verlasse der Besucher Zeit und Raum, betrete außerirdische Gefilde. Zur Geschichte der Landschaftsentdeckung in Ostpreußen vgl. Tilitzki 1982 und ders. 1984. 666 Trautmann/Ebert 1922. – Als Doktorvater schien Bezzenberger indes hinter seinen Möglichkeiten zurückzu­ bleiben: der Baltist Gerullis und der Slavist Trautmann gingen zwar aus seiner Schule hervor, ansonsten weist das HSV nur aus die Dissertation des späteren preuß. Landtagsabgeordneten und (seit 1918) Wortführers „großlitau­ ischer“ Gebietsansprüche („Memelland“) Wilhelm Gaigalat, Die Wolfenbütteler Litauische Postillenhandschrift aus dem Jahre 1573. Phil. Diss. AUK 1900. 662

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deutsch­litauischen Wörterbuchs (1870–1873) sowie einer litauischen Grammatik (1876). Dem Me­ meler Landrat schien er 1871 der richtige Mann zu sein, um publizistisch die litauischen Wähler im Sinne des konservativen Kandidaten, des Feldmarschalls von Moltke, zu beeinflußen.667 Soweit wie Bezzenberger neben Garbe und Franke mit Sprache und Geistesgeschichte Indiens in Berührung blieb, dürfte primär das ihm nachgerühmte Bestreben, seine baltischen Studien „in die großen Zusammenhänge osteuropäischer Kulturgeschichte“ einzuordnen,668 Spuren hinterlassen haben. Wie erwähnt, griff das der von ihnen geförderte Sanskritist von Negelein mit seiner populären ‚Germanischen Mythologie‘ eifrig auf. Er ließ sich aber auch von dem Baltisten Bezzenberger anregen, auf der Suche nach gemein­arischen Vorstellungen, sich mit dem Aberglauben der Bewohner der Ku­ rischen Nehrung zu befassen.669 Als Schüler Paul de Lagardes und des „begeisterten Royalisten“ August Fick stand Bezzenberger dem „altdeutschen Glauben“, dessen Wiedererweckung v. Negelein für machbar hielt, nicht fern.670 Nicht von ungefähr empfahl Fick daher einen jüngeren Schüler, Otto Hoffmann, Bezzenbergers Ob­ hut, der ihn 1889 habilitierte,671 während ein anderer Schüler des Göttinger Indogermanisten, eben Franke, wohl dank Bezzenberger, Garbes Lehrstuhl erhielt.672 Hoffmann, ein Mit­Abiturient Alfred Hugenbergs und „glühender Verehrer Bismarcks“, profilierte sich in Königsberg als Verteidiger des humanistischen Gymnasiums,673 ließ sich, trotz weitgehender Inanspruchnahme durch seine in drei Bänden veröffentlichten Studien über ‚Griechische Dialekte in ihrem historischen Zusammenhang‘ (1891–1898),674 von Bezzenbergers prähistorischem Enthusiasmus immerhin soweit anstecken, daß er später in seiner Münsteraner Zeit (ab 1907) die Bearbeitung der ‚Deutschen Vorgeschichte‘ in Geb­ hardts Handbuch übernahm. Und er lieferte, wie v. Negelein, sogar einen kleinen Beitrag über ‚Volks­ GStA …, Nr. 21, Bd. VIII, Bl. 57–60; Generallt. Ludwig von Hanenfeldt (1815–1888, seit 1857 im Gene­ ralstab des 1. Armeekorps in Königsberg) an v. Mühler, undat., etwa Mitte 1870. Ebd., Bl. 83; Landrat v. Gra­ matzki – Fr. Kurschat v. 17. 1. 1871. Daß Kurschat als Kenner der litauisch­slavischen Sprachen viel zu Schades ‚Althochdeutschem Wörterbuch‘ (1882) beitrug, geht aus dessen Vorrede hervor. Daß darüberhinaus gemeinsamer Konservatismus die beiden Philologen freundschaftlich verband, klingt an und dürfte sich aus dem heute leider unzugänglichen, „warm enpfundenen nekrolog“ ergeben, den Schade 1884 im Parteiorgan, der Ostpreußischen Zeitung veröffentlichte (nach Marold 1907, S. 508). 668 Trautmann 1923, S. 298. 669 v. Negelein 1902. 670 Vgl Bezzenbergers Nachruf auf den verehrten Lehrer A. Fick, 1916c. 671 Mit der Arbeit: Das Präsens der indogermanischen Grundsprache in seiner Flexion und Stammbildung. Zu Hoffmann siehe Catalogus. Daß Hoffmann 1896 ein Extraordinariat in Breslau erhielt, dürfte ebenfalls auf Ficks Protektion zurückgegangen sein, der dort von 1888 bis 1891 als Ordinarius amtierte und den Freundschaften mit den dortigen Fakultätsgrößen Studemund, A. Rossbach und Hillebrandt verbanden, s. Bezzenberger 1916c, 315 f. – Hoffmanns letzte angekündigte Vorlesung im SS. 1896: Die Heimath und älteste Cultur der indogermanischen Völker. 672 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIX, Bl. 53–56; PhilFak – PrMK v. 28. 11. 1895, Liste Nf. Garbe. 673 O. Hoffmann 1889. Der Königsberger Slavist K. H. Meyer, Hoffmanns Schüler und Ex­Kollege in Münster, streicht im Nachruf heraus, wie der Verstorbene durchdrungen gewesen sei von der Bildung des Griechentums, vom Geist und der Straffheit der Römer, deren Sprache und Staat eine wunderbare Harmonie zeigten. Daher sei aus ihm ein „wegweisender Kämpfer für klassische Sprachen in den höheren Schulen“ geworden. Meyer vergißt nicht, daran die Bemerkung zu knüpfen, daß der „im Zeitalter Bismarcks“ aufgewachsene „glühende Verehrer des Altreichskanzlers“ das Jahr 1933 „mit tiefer Beglückung empfunden“ habe – offenbar darin die Wiederkehr eines Staates von „wunderbarer Harmonie“ erkennend. 674 Hoffmann, anknüpfend an die Dialektstudien seines Hannoveraner Gymnasialdirektors H. L. Ahrens, hob im Vorwort des ersten Bandes noch die Bedeutung seines sprachhistorischen Unternehmens für die allgemeine griechische Frühgeschichte bis zur „dorischen Einwanderung“ hervor (1891, S. III, S. 3–14). Er vernachlässigte diesen Kontext aber bald und ergab sich dafür ausführlichen Referaten zu den Quellen (Inschriften) sowie peniblen Rekonstruktionen der Laut­ u. Formenlehre, von Wortschatz, Wortbildung und Syntax. 667

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tümliches aus dem preussischen Littauen‘ (1898).675 Zum de facto hauptberuflichen Politiker wurde der Münsteraner Ordinarius 1918 als Mitbegründer der DNVP, als deren Abgeordneter im Preu­ ßischen Landtag, im westfälischen Provinziallandtag und im Stadtverordnetenkollegium Münsters.676 Bezzenbergers landeshistorisches Interesse reichte über die prähistorische Zeit hinaus. Mehrfach edierte er Quellen zur Ära der preußischen „Erhebung“ gegen Napoleon. 677 Dies verband ihn mit dem Althistoriker Rühl, der die Briefwechsel Theodor von Schöns mit Lehrs, Pertz und Droysen heraus­ gab, aus den nachgelassenen Papieren des Reformers Friedrich August von Staegemann umfangreiche Konvolute ‚Briefe und Aktenstücke‘ ans Licht zog und sich im Verein für die Geschichte von Ost­ und Westpreußen regelmäßig mit Referaten über die preußische Reformära zu Worte meldete.678 Das ge­ schah etwa gleichzeitig mit der zum Jubiläum von 1894 gelieferten Universitätsgeschichte von Prutz, die zu Recht wegen ihrer gründlichen Verknüpfung mit den „großen politischen Tagesfragen“ des 19. Jahrhunderts Lob erntete.679 Zu diesem Jubelfest erschien auch Arthur Ludwichs Edition der für die Königsberger Geistesgeschichte aufschlußreichen Briefschaften Lobecks und Lehrs‘ (1894).680 Und in diese Zeit fällt zudem die Publikation der Quellen zur Geschichte der Reformation im Herzogtum Preußen durch den Kirchenhistoriker Tschackert,681 der dem Thema zudem zwei gefällig geschriebene biographische Miniaturen widmete, über Paul Speratus, der „wesentlich [den] innersten Charakter Hoffman 1898b; ethnologisch ist auch die Fragestellung seiner in Breslau entstandenen Arbeit ‚Die Make­ donen, ihre Sprache und ihr Volkstum‘ (1906), die einen Beitrag zur Klärung der in der Altertumswissenschaft des ausgehenden 19. Jhs. heftig umstrittenen Frage leisten möchte, ob „das Alexanderreich und die hellenistische Kultur als durchdachte großartige Schöpfungen des griechischen Geistes“ zu verstehen seien, oder ein in den Norden Griechenlands eingefallener Barbarenstamm, die Makedonen, „die fremde griechische Kultur und den griechischen Geist in sich aufgenommen“ habe. Da eine solche Assimilationsleistung einem „psychologischen Rätsel“ gleichkäme (1906, S. III), kann es für Hoffmann, in den Fußspuren seines Lehrers August Fick, nur darum gehen, die ethnische Zugehörigkeit der Makedonen zu den griechischen Völkern sprachhistorisch zu beweisen, wobei er sich vor allem auf die Personennamen stützt, die ihn am Ende mit unumstößlicher Gewißheit verkünden lassen: „Die Namen der echten vollbürtigen Makedonen, vor allem die Namen der Fürsten und Adligen, sind ihrer Bildung und ihren Lauten nach rein griechisch.“ Mithin seien ihre Träger „echte Griechen“ (ebd., S. 230 f.), ihr „Volkstum“ griechisch, woraus sich erkläre, daß sie, über verschiedene Völker herrschend, nie den „Zusam­ menhang mit der griechischen Kultur“ verloren, nie ihre griechische Sprache aufgegeben und sich immer „als Griechen gefühlt“ hätten (S. 260 f.). Damit ist die staatsschöpferische Kulturleistung Alexander d. Gr. als genuin griechisch verteidigt gegen die alternative Konstruktion einer illyrisch­thrakischen und damit letztlich slavischen Abkunft (ebd., S. 36, 252), die es, offenbar als Delegitimierung der These von den in einsamer Höhe stehenden indogermanisch­arischen Kulturträgern, abzuwehren galt. 676 Schwentner 1942; K. H. Meyer 1942; NDB IX, S. 436. 677 Außerhalb der Vor­ und Frühgeschichte war es die Zeit der Befreiungskriege, die Bezzenberger fesselte. 1900 folgte eine Neubearbeitung von Georg Bujacks Broschüre über den Preuß. Landtag in Königsberg 1813. Im Jubi­ läumsjahr schließlich eine Quellenedition zur Geschichte der ‚Franzosenzeit‘ in Ostpreußen (Bezzenberger 1913). 678 Rühl 1896; für seine Mitarbeit im Geschichtsverein vgl. die Sitzungsberichte in der AprM 1890–1908. 679 Vgl. R. Fischer 1894, S. 697. 680 Wie Fischer zu Prutz (s. Anm. 679), so ist auch dem Rezensenten G. Lejeune­Dirichlet (1895, S. 451) daran gelegen, den politischen Aspekt dieser Edition zu betonen, die es nicht länger erlaube, Lobeck als „Stockphilo­ logen“ und „weltentrückten Stubengelehrten“ zu belächeln. Seine Briefe zeigen den Königsberger Gräzisten viel­ mehr als einen Mann, der „volles Verständnis und reges Interesse für die großen politischen Aufgaben seiner Zeit, namentlich auch für die Gefahren der kirchlichen und politischen Reaktion“ gezeigt habe. Lobecks Schüler Albert Lehnerdt (von 1878 bis 1891 Direktor des Friedrichkollegs) gab 1865 etwa die Hälfte von dessen achtzig ‚Akade­ mischen Reden‘ heraus, aus denen Lehrs 1902, S. 480 f., in einer Rezension von 1866, herauslas: „Freiheit! tönt es aus allen Blättern.“ – Als weiteren Beitrag zur Königsberger Geistesgeschichte ließ Ludwich dieser Edition 1902 eine um Bibliographie und Verzeichnis der Lehrveranstaltungen bereicherte Sammlung der ‚Kleinen Schriften‘ von Lehrs folgen. 681 Tschackert 1890. 675

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der preußischen Kirche schuf“,682 sowie, zum Universitätsjubiläum, über Herzog Albrecht als ‚refor­ matorische Persönlichkeit‘, die den Gründer der Albertina auch als Vorkämpfer „deutschen Geistes im Osten“ feierte und die die seiner Tatkraft zu verdankende Evangelisation der aus „Völkersplittern verschiedener Sprachstämme“ bestehenden Bevölkerung des jungen Herzogtums in ihrer Bedeutung für „die Entwicklung der deutschen Kultur“ rühmt.683 Um die mikrologische Rekonstruktion der im 10./11. Jahrhundert östlich der Weichsel einset­ zenden Heidenmission machte sich der Kirchenhistoriker Heinrich Voigt verdient.684 Und Hermann Ehrenberg,685 in der Leipziger Schule Wilhelm Arndts für den Archivdienst erzogen, bis 1889 im Po­ sener, dann im Königsberger Staatsarchiv, 1894 mit einer von Dehio angeregten Arbeit habilitiert,686 für die Bewahrung des Königsberger Stadtbildes fechtend, trat mit architektur­ und kulturhistorischen Studien zur regionalen Kunstgeschichte hervor und bot regelmäßig „privatissime, aber unentgeltlich“ Exkursionen zu den ostpreußischen Bau­ und Kunstdenkmälern an.687 Ein Haendcke­Schüler, der spätere Landeskonservator Anton Ulbrich, promovierte über die Wallfahrtskirche im ermländischen Heiligelinde, und machte sich im Amt um den praktischen Denkmalschutz wie um die wissenschaft­ liche Aufarbeitung von Ostpreußens Kunst­ und Kulturgeschichte vielfach verdient.688 Beachtlich sind auch die „Heimathskunde“­Vorlesungen des Philosophen Walter, der, Historiograph der antiken Äs­ thetik, besonderes Interesse an der „Bedeutung bildlicher Veranschaulichung für die Heimathskunde“ offenbarte.689 Ferner wäre die sprachhistorische Spurensuche Paul Rosts zu erwähnen, die der slavisch­ wendischen Restbevölkerung im Ostseeraum, vor allem den Kaschuben, galt.690 Diese Bestrebungen künden von einer Intensivierung landesgeschichtlicher Forschung, belegen aber zugleich, daß hier zunächst nur nebenamtlich gesät und geerntet wurde. Die Albertina war bis Tschackert 1891, S. 88. Tschackert 1894, S. 64. Durch Albrecht sei Königsberg „für Ost­Europa ein zweites Wittenberg“ geworden (ebd., S. 3). Auch als Rezensent von Erich Joachims (Staatsarchivar in Königsberg) groß angelegter ‚Politik des letzten Hochmeisters in Preußen‘ blieb Tsch. (1896) seiner Albrecht­Verehrung treu. 684 Voigt 1899. 685 Ehrenberg promovierte 1882 bei Arndt mit einer Arbeit zur deutschen Verfassungsgeschichte des 14. Jhs. (Ehrenberg 1883), einem um 1880 erst neu erschlossenen Forschungsfeld. 686 GStA …, Nr. 25, Bd. IV, unpag.; Kur. – PrMK v. 4. 8. 1894, Meldung der Habilitation des Königsberger Staatsarchivars Hermann Ehrenberg für Kunstgeschichte: Italienische Beiträge zur Geschichte der Provinz Ost­ preußen, zusammengestellt aus Handschriften­Sammlungen, vornehmlich der Vatikanischen Archive. 687 Ehrenberg war 1889 vom Staatsarchiv Posen ans StA Königsberg versetzt worden und hatte sich bei Dehio kunsthistorisch weitergebildet; die Habilitation im Sommer 1894 lag in der Hand von Konrad Lange (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, unpag., Habil. 4. 8. 1894). Ehrenberg begleitete das von der Provinzialver­ waltung geförderte, achtbändige Werk des Landeskonservators Adolf Boetticher über ‚Die Bau­ und Kunstdenk­ mäler der Provinz Ostpreußen‘ (1892–1898) in der AprM mit eingehenden Besprechungen. Und zuletzt, zum umfangreichsten Band über Königsberg, mit einer (wie sich zeigen sollte: nur ansatzweise beherzigten) denkmalpo­ litischen Mahnung an die Stadtplaner, Boettichers Bestandsaufnahme bei der Modernisierung zu berücksichtigen und etwa das historische Speicherviertel nicht dem Hafenausbau zu opfern (Ehrenberg 1897). 688 A. Ulbrich, Die Wallfahrtskirche in Heiligelinde. Einleitung und erster Teil, Phil. Diss. AUK 1901, R.: Haen­ dcke. Vgl. seine ‚Kunstgeschichte Ostpreußens‘, die er, gedacht für eine breitere Leserschaft, 1932 veröffentlichte (zur Einbettung: Bd. II). 689 Walter hielt im SS. 1896, öffentlich, einstündig, eine Vorlesung „Ueber die Bedeutung bildlicher Veranschau­ lichung für die Heimathskunde“ und, offenbar als Fortsetzung, im WS. 1898/99, wiederum öffentlich, „Ueber den Begriff der Heimathskunde in der Pädagogik, anknüpfend an die Sammlung ostpreußischer Landschaftsbilder in der Universität“ (VV­AUK). Er legte Mitte der 90er Jahre auch eine Schausammlung an, die er bis 1910 ver­ waltete und alljährlich um etwa hundert Zeichnungen, Bilder und Photographien erweiterte. 1911 übergab er den Bestand an den Germanisten Walther Ziesemer, der auf diese Sammlung sein Institut für Heimatkunde aufbaute. 690 Rost bot im SS. 1900 erstmals ein Kolleg über „Kassubische Dialekte“ an; zur slav.­wend. Restbevölkerung: Rost 1907. 682 683

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1900 und darüberhinaus eben kein Zentrum landeshistorischer Bewußtseins­ und Identitätsbildung. Um die engste Nachbarschaft, die Geschichte Polens und Rußlands, kümmerte man sich so gut wie gar nicht. In der Universitätsbibliothek fand sich um 1900 kaum ein Werk zur Geschichte und Kultur slavischer Völker.691 Die Historiker, weder die Lehrstuhlinhaber Nitzsch, Hopf, Maurenbrecher, Prutz, von Below und Erler, ebensowenig die Privatdozenten, von denen es mit Karl von Kalckstein692, Theo­ dor Wichert und Max Immich zwischen 1870 und 1900 freilich nur drei für mittlere und neuere Ge­ schichte gab, fühlten sich dafür unzuständig. „Provinzial­“ oder „vaterländische“ Geschichte zu vermit­ teln, das oblag seit 1873 dem besoldeten Extraordinarius Karl Lohmeyer. Lohmeyer, Jahrgang 1832, von Schubert und Nitzsch 1866 habilitiert, von Prutz gerne gedemütigt und zurückgesetzt, zudem auf­ grund schwerer körperlicher Behinderung (er kam ohne Arme zur Welt) zu „Gereiztheit“ neigend, die ihn „wenig beliebt“ machte,693 zog als Extraordinarius kaum Schüler heran, verlor sich zudem in der Ordensgeschichte. Diese bedauernswerte Gestalt war ein Protektionskind Friedrich Wilhelms IV., der ihm Ausbildung und Studium aus seiner Privatschatulle finanziert hatte. Seit 1858 setzte dessen Bruder das mildtätige Werk fort, und Lohmeyer verstand es immer wieder, für eine wichtige „vaterländische Arbeit“, eine nie publizierte Biographie Herzog Albrechts, Unterstützung zu erlangen.694 Bei dem 1873 gewährten Fixum spielte königliche Barmherzigkeit ebenfalls eine Rolle, da Lohmeyer weder Fakultät noch Ministerium mit überdurchschnittlichen Leistungen für sich einzunehmen wußte. Die in seinen häufigen Eingaben seit 1870 anstelle der Albrecht­Biographie versprochene ‚Geschichte von Ost­ und Westpreußen‘ kam über den 1879 publizierten ersten Teil nie hinaus, der am Vorabend der Schlacht von Tannenberg (1410) endet.695 Soweit der schwer neurotische Mann, der spät eine Ehe schloß, die

Vgl. u. Kap. 4.4.4. v. Kalckstein habilitierte sich 1871 und las über Themen der alten Geschichte (Alexander der Große, Völker­ wanderung) sowie vor allem über französische Geschichte der Frühen Neuzeit. 1880 gab er, wie später Wichert, die Hoffnung auf eine akademische Laufbahn auf. Er zog nach Berlin, wo er sich nach Auskunft des Polizeiprä­ sidenten als Journalist und Agitator der Fortschrittspartei seinen kärglichen Unterhalt verdiente, vgl. GStA …, Nr. 25, Bd. III, Bl. 152–157; Brw. betr. Entziehung der venia Ende 1884, da v. Kalckstein seit vier Jahren keine Veranstaltungen mehr in Königsberg anbiete. 1891 griff er mit einer Broschüre in den Streit Pro und Contra Hu­ manistisches Gymnasium ein, die auch ein Licht auf seinen auch der „Frauenfrage“ gegenüber aufgeschlossenen Sozialreformismus wirft. 693 So das Urteil des Chirurgen v. Eiselberg 1938, S. 134. Der Dauerkonflikt mit Prutz ist durch viele Eingaben Lohmeyers dokumentiert, bes. GStA …, Nr. 21, Bd. XIX, Bl. 265–269, eine „Denkschrift“ v. Dezember 1895, die die Demütigungen seit 1877 bilanziert. Viel Material auch in ebd., Nr. 25, Bd. IV, unpag., wo die 1897 aus­ brechende Fehde mit dem Königsberger Staatsarchivar und Kunsthistoriker H. Ehrenberg eine breite Aktenspur hinterlassen hat. 694 GStA, Rep. 76Vf, Litt. L Nr. 26, unpag.; diese dicke Personalakte enthält für die Zeit bis 1870 ein Dutzend Verlängerungsgesuche Lohmeyers, der sein Begehr mit stets neuen Hindernissen (Krankheit, Materialfülle, die an­ geblich forschungsfeindliche Unordnung des Königsberger Staatsarchivs) zu begründen wußte. 1868 muß ihm die Bettelei selbst schon peinlich geworden sein und er verband ein neuerliches Verlängerungsgesuch mit dem Ange­ bot, sich im Staatsarchiv nützlich zu machen. Was man dort mit dem wenig feinfühligen Argument ablehnte, den armlosen Lohmeyer, der froh sein solle, wenn man ihm gegen jede archivalische Praxis verstoßend gestatte, auch wertvollste Akten mit seinen „Zehen, Zähnen und Lippen touchieren“ zu dürfen, als Hilfsarbeiter nun wirklich nicht gebrauchen zu können (Staatsarchiv Königsberg – PrMK v. 3. 3. 1868). 695 Nach zwölfjähriger Albrecht­Forschung glaubte Lohmeyer 1870, den weitläufigen Beziehungen des Herzogs in mittel­ und westdeutschen Archiven nachspüren zu müssen. Den immer wieder beklagten, von ihm nicht be­ wältigten Aktenmassen des Königsberger Staatsarchivs wollte er also neues Material hinzufügen. Da er wohl selbst einsah, daß dieses Ausweichen einer Kapitulation gleichkam, kündigte er zugleich eine „Gesamtgeschichte [West­ und Ost­] Preußens“ an, da die seines Lehrers Voigt veraltet sei. Er habe mit der Abfassung bereits begonnen, die Geschichte der heidnischen Zeit des Ordenslandes niedergeschrieben und hoffe zuversichtlich, weit über Voigt hinaus bis ins 17. Jahrhundert zu gelangen (ebd., Lohmeyer – PrMK v. 26. 2. 1870). 691 692

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mit der Einweisung seiner Frau in eine Nervenheilanstalt zerbrach,696 sich in seinen Arbeiten über die Ordenszeit hinauswagte und ins 17. Jahrhundert vorstieß, geriet ihm dies zur Apologie der Ho­ henzollernherrscher und zur Anklage gegen die nur eigennützige Interessen verfolgende, das Gesamt­ wohl verratende Politik der ostpreußischen Stände. Eine Deutung, die sich Ende des 19. Jahrhunderts aktualisierend gegen „die Parteien“ und das Parlament in der konstitutionellen Monarchie gerichtet verstehen ließ.697 Daß Lohmeyer neben dem älteren Gymnasiallehrer Max Toeppen (1822–1894), dem er neidlos die „erste Stelle unter den Forschern in altpreußischer Geschichte“ einräumte,698 trotzdem zur neuen „kritischen“ Generation der Landeshistoriker zu rechnen ist, ist seiner programmatischen Antrittsvorlesung im Juni 1866 zu entnehmen, die sich gegen die „Vorzeitliches“ verklärende, mit Ro­ mantizismen gespickte, nur selektiv quellenkritisch verfahrende neunbändige, gleichwohl einen Torso darstellende ‚Geschichte Preußens‘ (1827–1839) seines Lehrers Johannes Voigt wandte.699 Alles in allem ist daher erst eine zwar bescheidene, aber immerhin etwas Neues ankündigende Tendenz zur interdisziplinären Regionalisierung des Wissens erkennbar, die sich nach 1900 ausweitete zu einer größeren landeskundlichen Wende bei den Historikern, Geographen, Nationalökonomen, Geologen und Agrarwissenschaftlern. Damit stand Königsberg nicht allein. Ausgerechnet an der Reichsuniversität Straßburg vollzog sich zur selben Zeit eine Regionalisierung des Wissens in allen geisteswissenschaftlichen Fächern, juristische, nationalökonomische und theologische Spezialdiszipli­ nen inbegriffen. Plausibel klingt die Erklärung, über den Umweg akademischer Untermauerung elsäs­ sischen Heimatbewußtseins sollte Studenten und bildungsbürgerlicher Öffentlichkeit ihre tiefe Ver­ wurzelung in deutscher Kultur nahe gebracht werden. Im Medium der Landes­ und Lokalgeschichte hoffte man, das Reichsbewußtsein im Grenzland zu fördern.700 In Königsberg waren andere Faktoren ausschlaggebend. Welche, ist ungewiß. Aus dem Bestreben, eine antislawische Identität auszubilden, erwuchsen sie jedenfalls nicht. Das Interesse an den Nachbarn jenseits der russischen Grenze war Ende des 19. Jahrhunderts dafür schlicht zu gering, der „Nationalitätenkampf“ in Posen zu weit ent­ fernt und von neuerdings entdeckten „starken Einflüssen der polnischen und litauischen Kultur“, derer man sich hätte erwehren müssen, kann in Ostpreußen bis 1945 ohnehin nicht ernsthaft die Rede sein.701 Mit großem Vorbehalt, angesichts der noch gänzlich unbekannten „Gesamtgeschichte der Regionalforschung an deutschen Universitäten“ und der sie fundierenden „Bedürfnisstrukturen“,702 sind die Königsberger Hinwendungen zum Lokalen und Regionalen daher vielmehr als Ausfluß einer auf die Umwälzungen der industriellen Moderne antwortenden Kreation „natürlicher“ Beharrungs­ zonen und mentaler Reservate zu werten. Hermann Lübbes von Joachim Ritter inspirierte berühmte „Kompensationsthese“ erweist sich zu Erklärung des Phänomens immer noch tragfähig: Je rasanter die Normen, Traditionen und Wertorientierungen der Vormoderne der „Verwandlung der Welt“ in der Die Ministerialakten enthalten Eingaben, überwiegend Bitten um Gehaltserhöhung, Reisekostenzuschüsse oder Schuldenübernahme, in Hülle und Fülle, vgl. GStA …, Nr. 21, Bd. X – XXIII (1870–1906). Seine Hei­ rat (1879) nahm Lohmeyer zum Anlaß, um mehr Gehalt zu bitten. 1883 erhielt er aus dem königlichen Fond 4.000 M. um „Altschulden“ zu tilgen, und als seine Frau 1904 in der Heilanstalt verschwand, sah er dies primär als Kostenfaktor und Anstoß für einen Anspruch auf neuerliche „außerordentliche“ Unterstützung. 697 Vgl. Lohmeyer 1907, eine Sammlung seiner Aufsätze und Vorträge seit 1870. 698 Vgl. seinen Nachruf auf Toeppen, Lohmeyer 1894, S. 148. 699 Lohmeyer 1866, S. 343, gegen die vor allem von polnischer Seite zu leicht angreifbare „panegyrische Schil­ derung, welche Voigt vom Orden entwirft“. Kein Wunder, denn das von seinem Königsberger Vorgänger als Landeshistoriker benutzte Material sei „unvollständig und lückenhaft“, seine „Kritik unzureichend“, seine Inter­ pretation „eine einseitig beschränkte“. Zu Voigt als Historiker Altpreußens und zu Lohmeyers Kritik: Maschke 1928, S. 130. 700 Roscher 2006, S. 268–310, 310 f. 701 Die Ansicht vom vermeintlich starken polnisch­litauischen Kultureinfluß vertritt R. Traba, zuletzt 2010, S. 27; tendenziell auch A. Kossert 2001 und 2005, der einem multikulturellen Narrativ huldigt, dazu Tilitzki 2007. 702 So zutreffend Roscher 2006, S. 311.

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ersten Globalisierung zum Opfer fallen,703 desto zuverlässiger sucht der „territoriale Mensch“704 nach Abwehrstrategien, die Statik gegen Dynamik setzen. Der Regionalismus, die Konstruktion raum­ und landschaftsbezogener Identität, die Herausbildung eines auf fest umgrenzte Regionen fixierten Ge­ meinschaftsbewußtseins, die Gruppe, die sich über gemeinsame „Heimat“ definiert, die Region auch als Nation im Kleinen, soziale Kohäsion mittels Traditionsstiftung – in solchen Schlagworten bündeln sich die gängigsten Deutungen der vor 1848 zu beobachtenden, sehr zahlreichen Gründungen von regionalen Geschichtsvereinen.705 Was auf den Kathedern der Albertina an regionalem Bewußtsein vermittelt wurde, antwortete also auf die erste Globalisierung, nicht auf die „slawische Gefahr“.

2.2.4.2. Die Natur­ und Agrarwissenschaften Physik Soweit wie die Albertina im 19. Jahrhundert in der preußisch­deutschen Universitätslandschaft ein eigenes Profil aufwies, verdankt sie dies der von dem Physiker Franz Ernst Neumann und dem Ma­ thematiker Carl Gustav Jacobi mit Unterstützung des Astronomen Bessel in den 1830er Jahren be­ gründeten „Königsberger Schule“. Ihr Mathematisches­Physikalisches Seminar war das erste seiner Art an einer deutschen Universität und zeichnete sich durch die Kombination der Mathematik mit der theoretischen Physik aus. Man ging mit dem Versuch, die Studenten in den Forschungsprozeß einzubeziehen, neue didaktische Wege. Das Institutsprogramm prägte 1866 die preußische Prüfungs­ ordnung und konnte damit die strenge Ausrichtung des Studiums auf die Forschung zu Lasten der „angewandten“ und der „Elementarmathematik“ bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts fixieren. „Als ideale Pflanzstätte mathematischer und physikalischer Forscher“, unter ihnen Gustav Kirchhoff, Otto Hesse und Heinrich Weber, entließ die „Königsberger Schule“ mehrere Absolventen in akademische Karrieren.706 Die wissenschafts­ und bildungshistorische Bedeutung der Schule beruhte nach jüngsten, Neumanns Nachlaß und die partiell überlieferten Seminarberichte auswertenden, akribischen Studien von Kathryn M. Olesko nicht primär darauf, daß ihr Gründer unter die „giants of nineteenth­century physics“ zu rechnen wäre,707 sondern darauf, daß diese Anziehungskraft allein auf der Persönlichkeit der Lehrer, nicht auf ihrem Ruf als Forscher beruhte. Die materielle Ausstattung schreckte überdies Dazu das Epos von Jürgen Osterhammel 2009; zur „politisch strukturierenden Kraft“, der Macht, mit der die erste Globalisierung die Handlungsspielräume der reichsdeutschen „Entscheider“ nach 1871 einengt, sehr eindrücklich Torp 2005. Zur „Philosophie des Regionalismus“ vgl. Lübbe 1979. 704 Greverus 1972. 705 Maßgeblich dazu Kunz 2000, mit Fallstudien zu Thüringen, Schleswig­Holstein, Brandenburg u. a., leider von diesem empirisch gut gesicherten Terrain sich auch ein paar Mal zu Schlenkern Richtung Osten verleiten lassend, was prompt schief geht, wenn er meint, das Regionalbewußtsein hätte sich dort aus dem „Antislawismus“ (ebd., S. 62) genährt. Vgl. auch, mit kritischen Einlassungen zu Lübbes These, G. Weiß 2005. 706 Olesko 1981; dies. 1991, dies. 1995. Vgl. a. Stichweh 1984, S. 358–364, 367 f. 707 So L. Pearce Williams in seinem Vorwort zu Olseko 1991, S. VIII. Im Gegensatz dazu die zeitgenössische Einschätzung des preußischen Kultusministers v. Goßler, wohl auf der Grundlage einer Eingabe der Königsberger Fakultät, Neumann als den Schöpfer der mathematischen Physik und einen der „größten Physiker aller Zeiten“ zu ehren (GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 126 f.; PrMK – ZivK v. 10. 7. 1886, Ordensvorschlag zum 60. Doktorjubi­ läum). Dies 1894 wiederholend Minister Bosse zur Begründung des Vorschlags, Neumann den Titel Excellenz zu verleihen. Der große Physiker sei einzureihen unter die Koryphäen der Wissenschaft, Alexander von Humboldt, Wilhelm Weber, Hermann von Helmholtz; seit den Tagen Kants sei er der bedeutsamste Gelehrte, den die Al­ bertina aufzuweisen habe, auswärtiges Mitglied der Akademien Berlin, Wien, Petersburg, London, Paris, Rom; seit 1886 hänge das Neumann­Portrait des Königsberger Akademie­Professors Wilhelm Steffeck in der Berliner Nationalgalerie (ebd., Nr. 21661, Bl. 113; PrMK – ZivK v. 30. 6. 1894). 703

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eher ab. Das Seminar ließ sich die preußische Unterrichtsverwaltung nur ein Almosen kosten. Und Neumann kämpfte über 50 Jahre vergeblich um die Mittel für ein physikalisches Labor. Ermattet durch zahllose vergebliche Appelle, ihn endlich mit den allerdürftigsten Instrumenten auszurüsten, damit er sich vor den von Ferne angelockten Studenten nicht mehr genieren müsse, zahlte er 1847 aus dem kleinen Erbe seiner Frau eine „Werkstätte“ im eigenen Haus auf dem Hintertragheim.708 In den 1860ern verlor die Schule ihre Attraktivität, da es inzwischen weit besser geförderte For­ schungsstätten nicht nur an Preußens Hochschulen gab.709 Nach wiederholten Krankheitspausen gab Neumann, der auch in seinen als „gut“ besucht geltenden physikalischen Standardvorlesungen zur Theorie der Elektrizität bzw. zur Theorie des Lichts nur durchschnittlich fünfzehn Hörer erreichte, 1874 zunächst die mineralogischen Vorlesungen auf. Das Gehalt für diesen Lehrauftrag floß in ein neu gegründetes Ordinariat für Mineralogie und Kristallographie, das Max Bauer erhielt. Neumann, 77 Jahre alt, wollte sich fortan ganz der theoretischen Physik widmen, stieß aber auch hier rasch an seine natürlichen Grenzen und erbat zur Unterstützung einen jüngeren Kollegen.710 Mit dem Leip­ ziger Privatdozenten Woldemar Voigt übernahm einer seiner Schüler diese Aufgabe, für den Falk ein neues Extraordinariat für „mathematische Physik“ durchsetzte. Das ministerielle Interesse am Physik­ Standort Königsberg ging aber bereits zu diesem Zeitpunkt, als Neumann zum Denkmal seiner selbst zu versteinern begann, über die Voigt­Personalie nicht hinaus. Dies ergibt sich aus den Umständen von Voigts Wegberufung, zum WS. 1883/84 nach Göttingen. Kurz zuvor war ein Vorstoß der Fakultät, sein Extraordinariat in ein Ordinariat umzuwandeln, gescheitert. Als Voigt dann fort war, um mit großzügiger gewährten Mitteln die „letzten Probleme der Physik“ vom Feld der Kristallphysik aus anzugehen,711 erkannte man, wie knapp ihn das Ministerium gehalten hatte, da er fast alle „besseren In­ strumente“ aus eigener Tasche finanzieren mußte. Mit ihm zogen dann auch diese Instrumente als sein Privateigentum nach Göttingen um, und der „Restbestand“, den er zurückließ, war so „unbedeutend“, daß keinem Nachfolger zugemutet werden sollte, mit so dürftigem Werkzeug Forschung und Lehre fortsetzen zu müssen. Auch die „tüchtigste Lehrkraft“ könne, bevor nicht „erhebliche Mittel“ in die Neuausstattung flössen, nicht daran denken, das Fach auf jener Höhe zu halten, die unter Neumann den Ruhm der Königsberger Physik ausmachte.712 Man gab sich daher lieber mit dem Provisorium zufrieden, daß ein Voigt­Schüler, der Privat­ dozent Paul Volkmann, 1882 mit einer Arbeit ‚Ueber die Cohäsion von Salzlösungen‘ habilitiert, die theoretische Physik vertrat, bis er zum SS. 1885 per Hausberufung auch ins Extraordinariat ein­ rückte. Volkmann, 1894 zum Ordinarius ernannt, blieb dreißig Jahre auf diesem Posten, betätigte sich als Hüter und Historiker der „Jacobi­Neumann­Tradition“713 wie als weltanschaulich ambitionierter, L. Neumann 1907, S. 373 f. Verwiesen sei nur auf den unmittelbaren ostdeutschen Konkurrenten Breslau, wo es seit 1865 zwei Ordinariate für Physik gab, dazu eine sehr gute apparative Ausstattung, bei allerdings beengten Räumlichkeiten. Dem wurde 1901 mit einem Neubau abgeholfen, für dessen Einrichtung das PrMK wiederum eine „beträchtliche Summe“ ausschüttete, so daß es 1910, abermals durch einen Erweiterungsbau gewachsen, als „mustergültig“ auch noch die Bedürfnisse der Breslauer TH­Studenten befriedigte (s. ed. G. Kaufmann 1911, Tl. 2, S. 440–448). 710 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Bd. X, Bl. 28 f.; Kurator – PrMK v. 7. 5. 1875: Zur Entlastung Neumanns müsse ein mathematischer Physiker herkommen, am besten Voigt. Das PrMK beantragte daraufhin umgehend Mittel für ein Ersatz­Extraordinariat (ebd., Bl. 31; an PrMF v. 21. 5. 1875). 711 So Voigt über die Bedeutung seines Hauptforschungsgebietes in Göttingen, 1910, S. 5. 712 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 109 f.; PhilFak – PrMK v. 20. 11. 1883 zur Nf. Voigt. Ebd., Bl. 80, PrMK – Kurator AUK v. 17. 10. 1883: Das beantragte Ordinariat für Physik habe sich beim PrMF leider nicht erwirken lassen. 713 Wie sehr er sich dieser Tradition verpflichtet fühlte, versicherte er dem Ministerium bereits in einer Vita von 1884 (GStA …, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 117). Als Neumann 1895 starb, hielt Volkmann die Grabrede und gab die Gedächtnisschrift heraus, zur Monumentalisierung seines Lehrers, der als Wissenschaftler stets Preuße, Patriot und Protestant geblieben sei (1896b, S. 27). Zudem ließ er mindestens drei wissenschaftshistorisch orientierte Doktor­ 708

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„anti­materialistisch“, vor allem „anti­monistisch“ ausgerichteter Vermittler „moderner Physik“,714 zu der er aber selbst als produktiver, origineller Forscher nichts mehr beisteuerte, was die Anziehungskraft seines Instituts auf Studenten und dessen wissenschaftliches Ansehen hätte erhöhen können.715 Als Ordinariat blieb neben dem des faktischen Emeritus Neumann nur das seit 1839 von Ludwig Moser besetzte für Experimentalphysik erhalten, als dessen Nachfolger – bezeichend für die Zustände: nach dreisemestriger Vakanz – Carl Pape (1878–1904) und nicht der vorrangig erwünschte Breslauer Ordinarius Oscar Emil Meyer berufen wurde.716 Wegen der „Mängel“ von Mosers konkurrrenzlos schlecht bestücktem „Cabinett“ machte sich die Fakultät ohnehin keine Hoffnung auf eine Spitzen­ kraft. Bei Meyer setzte man wie ein Glücksspieler auf die extrem unwahrscheinliche Chance, er werde aus alter „Anhänglichkeit an den [Königsberger] Ort seiner Studien“ Breslau den Rücken kehren, was er natürlich nicht tat. Pape lehrte zuvor an der wenig renommierten Landwirtschaftlichen Akademie im oberschlesischen Proskau,717 und die Fakultät mußte ausdrücklich versichern, sie habe sich davon überzeugt, daß sein „Sinn für wissenschaftliche Forschung“ trotz der dortigen „Ungunst der Verhält­ nisse lebendig“ geblieben sei.718 Wie sich herausstellen sollte, traf das nicht zu, aber anders als für den in seinem „mit allen Hilfsmitteln“ ausgestatteten Institut sitzenden Meyer war für Pape der Wechsel an den deprimierenden Königsberger Arbeitsplatz ein Aufstieg. Allerdings zunächst ausschließlich we­ gen des etwas höheren Gehalts. Über die „veraltete“, „mangelhafte“ Institutsausstattung urteilte Pape, dessen „geringe Erwartungen noch unterboten“ worden seien, sie stehe hinter dem zurück, was er aus Proskau gewöhnt sei, wo er, mit zwar nur knausrigen 1.050 M. im Vergleich zu den lächerlichen 600 M., mit denen Moser sich abzufinden hatte, über einen fast doppelt so hohen Anschaffungsetat geboten habe. Er wunderte sich, wie mit einem Arsenal, dem „das Unentbehrlichste“ fehle, jemals Vorlesungen und Demonstrationen bestritten werden konnten.719 Um überhaupt Universitätsniveau zu erreichen, müsse das Fixum auf 2.400 M. steigen. Bedeutende außerordentliche Zuschüsse seien nötig, um einen Grundstock an Apparaten zu erwerben. Ein Assistent sei unabdingbar, ebenso der arbeiten zu Neumanns Werk anfertigen: 1903: Hecht, Heinrich, F. E. Neumann’s Methode zur Bestimmung der Wärmeleitungsfähigkeit schlecht leitender Körper …, 1905: Glage, Gerhard, F. E. Neumann’s Methode zur Bestimmung der Wärmeleitungsfähigkeit gut leitender Körper in Stab­ und Ringform, 1909: Henning, Fritz, Eine ältere Methode F. Neumanns zur Bestimmung der Wärmeleitungsfähigkeit (1831) und ihr Studium an Marmor, Sandstein, Eisen, Messing. 714 Dazu Volkmann 1909; „Anti­Materialismus ist der Subtext“ von: ders. 1896a u. 1910a. 715 Siehe unten Kap. 4.4.2. 716 Der seit langem kränkelnde Moser, der ohne Unterrichtung des Kurators öfter seine Veranstaltungen hatte absagen müssen, beantragte Ende 1876 seine Entbindung von den Lehrverpflichtungen, las aber bereits seit Ja­ nuar 1876 nicht mehr (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, Bl. 210–212, 216; Kurator – PrMK v. 1. 12. 1876, Entpflichtung am 18. 12. 1876). Auch ihn mußte zunächst Voigt vertreten, drei Semester lang, bevor zum SS. 1878 Pape Mosers Lehrstuhl übernahm. Der PrMF hätte die Stelle am liebsten eingespart, da aus seiner Sicht Voigts Vertretung den experimentalphysikalischen Bedürfnissen der Königsberger Studenten hinreichend Genüge tue (ebd., Bl. 293–298; Schriftwechsel PrMK mit PrMF, April 1877). 717 Knapp zur Geschichte der 1847 eröffneten, 1881 geschlossenen und in ein Lw. Institut an der Univ. Breslau überführten Akademie, die sich tatsächlich binnen kurzer Zeit großes Ansehen erwarb, aber eben nur im Kreis agrarwissenschaftlicher Ausbildungsstätten, vgl. Zorn 1964, S. 21–28; zu Pape dort lediglich die Bemerkung, er habe über „eine beträchtliche Sammlung physikalischer Apparate und Meßinstrumente“ verfügen dürfen, die 1881 z.T. an die Lw. Hochschule Berlin überführt wurde (ebd., S. 29). 718 GStA …, Bl. 286–297; PhilFak – PrMK v. 4. 1. 1877, Liste Nf. Moser: 1. O. E. Meyer, gleichrangig sec. loco folgten: Pape – Eduard Lücke (1871 Habil. Göttingen) – Heinrich Weber, 1839 Leipzig als Sohn des Physiologen Ernst Heinrich W., 1863 Prom., danach Studium bei Neumann/Richelot, 1866 Habil. f. Physik Göttingen, 1867 ord. Prof. TH Braunschweig, gest. ebd. 1928. 719 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 15, Bd. II, Bl. 48–52; Pape – Kurator v. 20. 4. 1878. Daß in Mosers Zeit überhaupt Demonstrationen im Physikunterricht möglich waren, erklärte sich Pape aus dessen Bereitschaft, aus der Privatschatulle Apparate zu finanzieren.

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Umzug in größere Räume.720 Was ihm bevorstehe, laufe ohne Übertreibung auf eine „Neugründung“ der Königsberger Experimentalphysik hinaus.721 Tatsächlich erhielt Pape nach und nach die bean­ tragten Mittel. 1879 räumte man ihm auch die zweite Haushälfte in der Tragheimer Kirchenstraße frei, so daß sein „Cabinett“ nicht mehr mit einem alchimistischen Kabuff zu verwechseln war. Aber 1881 wähnte der Experimentalphysiker sich weiter mitten in der „Aufbauarbeit“, die er, da ihm sein Institutsetat nicht auf 2.400 M. erhöht wurde, ständig mit außerordentlichen Zuschüssen finanzieren mußte.722 Althoff räumte 1884 ein, die „Dotationen sämtlicher naturwissenschaftlicher Institute“ in Königsberg seien „äußerst knapp bemessen“.723 An der bedrängten Lage der Institutsleiter änderte das nichts. 1885 äußerte sich Pape zwar fast zufrieden, da er bei seiner „Neugründung“ dank der Zuschüsse „wesentliche Fortschritte“ erzielt habe, doch das Niveau der anderen deutschen Universitätsinstitute sei halt immer noch nicht erreicht.724 Trotz einiger Verbesserungen entwickelte sich die Königsberger Physik mithin nicht so, daß sie Anschluß auch nur an die mittleren Institute im Reich hielt. Hinkte unter Moser, Jahrgang 1805, die Königsberger Experimentalphysik den neueren Entwicklungen spätestens seit 1860 hinterher, wurde sie unter Pape, der schon bei Übernahme des Moser­Cabinetts deutlich gemacht hatte, unter solchen tristen Umständen nicht zum wissenschaftlichen Arbeiten zu kommen,725 bis zur Jahrhundertwende endgültig abgehängt, parallel zur theoretischen Physik unter Volkmann. Die von beiden geleiteten Institute, das mathematisch­physikalische Labor Volkmanns und das experimental­physikalische In­ stitut Papes, bezogen 1886 zwar einen Neubau. Eine gedeihliche Entwicklung wurde damit indes nicht angebahnt, da der Jahresetat viel zu knapp bemessen war.726 Ende der neunziger Jahre fanden beide Direktoren keine promovierten Nachwuchskräfte mehr, die für das gebotene kleine Gehalt bereit gewesen wären, einen Assistentenposten zu übernehmen.727 Papes Institut wies zu diesem Zeitpunkt, infolge häufiger Krankheit des pensionsreifen Direktors und unzureichender Dotation, wieder muse­ ale Züge auf. Volkmann, auf die seit 1899 steigenden Hörerzahlen verweisend, wurde die überfällige umfassende Erneuerung seines Instiuts verweigert. Statt der beantragten 36.000 M. für eine moderne Ausstattung, für Instrumente vom Galvanometer bis zu Waagen und Gewichtsätzen, bewilligte der Finanzminister nur 8.000 M.728 Als Pape sich 1904 in den Ruhestand verabschiedete, war der Königs­ berger Physik durch die im gleichen Jahr gegründete TH Danzig ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Pape mußte mit vier Zimmern (95 Quadratmeter) in der Tragheimer Kirchenstr. 73 auskommen. Alles, so der Bericht des Kurators ans PrMK v. 1. 11. 1878 (ebd., Bl. 157–159, dazu auch Papes Beschreibung der Räumlich­ keiten v. 22. 10. 1878, ebd., Bl. 160–163), sei dort „eng, klein, stickig“, einen Platz zum eigenen wiss. Arbeiten gebe es nicht, nicht einmal einen eigenen Schreibtisch! Derart „klägliche Verhältnisse“ müßten den Institutsleiter entmutigen. Die Ausweitung in die andere Haushälfte war vom Finanzminister aber abgelehnt worden. 721 Ebd., Bl. 120–122; Pape – Kurator v. 22. 1. 1880. Statt der bei Dienstantritt geforderten 10.000 M. habe er seitdem in zwei Raten nur 6.000 M. erhalten, das Fixum sei nur auf 1.000 statt auf 2.400 gestiegen. Erleichterung habe immerhin die Bewilligung eines Assistenten gebracht. 722 Ebd., Bl. 186 f.; Pape – Kurator v. 1. 2. 1881. Vgl. den alljährlichen Antrag auf Bewilligung ao. Mittel. Statt der beantragten 3.000 M. wurden immerhin jedesmal 2.000 M. gewährt. 723 Ebd., Bl. 287; PrMK (Althoff ) – PrMF v. 27. 6. 1884. Für Pape solle der Sachetat von 1.000 wenigstens auf 2.000 M. steigen. Finanzminister Scholz lehnte auch diesen Antrag ab. 724 Ebd., Bl. 297; Pape – Kurator v. 22. 1. 1885. 725 Ebd., Bl. 160–163; Pape – Kurator v. 22. 10. 1878. 726 GStA …, Tit. X, Nr. 15 III, Bl. 16–18; Kurator – PrMK v. 23. 4. 1887 wg. zu knapper Mittel, die nicht einmal ausreichten, die Institutsdiener zu bezahlen. 727 Ebd.; Bl. 120 ff., mehrere Anträge von Pape und Volkmann, fortgeschrittene Studenten einstellen zu dürfen, unter ihnen August Kapp (1899–1902), ein Verwandter des späteren Generallandschaftsdirektors. Als Physiklehrer unterrichtete Kapp, „ein glühender Sozialist“, bis zur Pensionierung am Hufen­Gymnasium (vgl. die Würdigung seines Kollegen, des Schriftstellers Ernst Wiechert (1887–1950) in dessen Erinnerungen 1949, S. 200 f.). 728 Ebd., Bl. 166–168, 189; Antrag Volkmann v. 1. 3. 1900 und Bewilligungsbescheid v. 20. 10. 1900. 720

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Um dagegen bestehen zu können, wünschte die Fakultät die Rückkehr des in Göttingen als Geophy­ siker (Erdbebenforschung) zu Weltruhm gelangten Emil Wiechert, Volkmanns Assistenten von 1889 bis 1897, der als „ungemein erfinderisch auf experimentellem Gebiet“ galt und wegweisend über die Grundlagen der Elektrodynamik gearbeitet hatte.729 Althoff schickte stattdessen den jüngeren und weniger renommierten Gerhard Schmidt, aufgefallen mit seiner Entdeckung der Radioaktivität des Thors und der Thorverbindungen.730 Mathematik In der Mathematik war die Königsberger Spitzenposition eigentlich schon mit Jacobis Wechsel nach Berlin, 1842 (!), wieder verloren gegangen, wenn auch sein Schüler und Nachfolger Friedrich Julius Richelot (1843–1875) im Urteil der Fachgenossen als bestmöglicher Ersatzmann galt. Von seinem Extraordinarius Johann Georg Rosenhain (1856–1884) wollte das aber niemand behaupten, und auch er selbst nicht, da er rückblickend den „Mißerfolg meiner productiven Bestrebungen“ freimütig ein­ räumte.731 An die Stelle Richelots trat zum WS. 1875/76 Heinrich Weber, den es, 1863 mit einer physika­ lischen Arbeit promoviert, 1864/65 zur Fortsetzung seiner Studien zu Richelot und Neumann gezogen hatte, und der sich damit als würdiger Erbe der „Königsberger Schule“ empfahl, den die Fakultät primo et unico loco vorschlug.732 Weber verließ aber gleichzeitig mit Voigt nach dem SS. 1883 die Fakultät, so daß, abgesehen vom „Enkel­Schüler“ Volkmann, die personelle Kontinuität der Schule Neumann­ Jacobi abbrach. Webers Nachfolger Ferdinand Lindemann (1883–1893), von Felix Klein in Erlangen promoviert, mit 27 Jahren Ordinarius in Freiburg (1879), stark beeinflußt von dem aus Königsberg gebürtigen Invariantentheoretiker Alfred Clebsch, ebnete der von ihm 1882 erbrachte Nachweis der Transzendenz von Π den Weg auf einen preußischen Lehrstuhl.733 Lindemann promovierte Hilbert Über das Niveau der Königsberger Physik sagt es sehr viel aus, daß Wiechert (1890), außer Volkmann (1882), der einzige Habilitand zwischen 1870 und 1911 war! Zur physikalisch­mathematischen „Königsberger Schule“ im Überblick Schlote 1995. 730 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 39–44; PhilFak. – PrMK v. 13. 7. 1904, Liste Nf. Pape. 731 Ebd., Bd. X, Bl. 50 f.; Gesuch Rosenhains v. 12. 5. 1875, ihn trotzdem ausnahmsweise aus Prestigegründen zum Ordinarius zu ernennen, um gegenüber dem neuberufenen, viel jüngeren Richelot­Nachfolger Weber keinen Ansehensverlust erleiden zu müssen. Ob Rosenhains Produktivität nach vielversprechenden Anfängen infolge po­ litischer Enttäuschungen und Maßregelungen dauerhaft litt, darf gefragt werden. 1816 als Sohn jüdischer Eltern in Königsberg geboren, hatte sich der frisch habilitierte Privatdozent 1844 ins politische Leben Breslaus gestürzt, einen „Turn­Verein für Handwerksgesellen“ ins Leben gerufen, sich als „Hauptbeförderer von Volksversamm­ lungen und Wortführer“ jener hervorgetan, die „Widerstand und Unzufriedenheit gegen die Regierung“ schürten. 1848 sei er dann sehr aktiv unter jenen Aufwieglern gewesen, die es darauf anlegten, die „Studierenden, besonders die jüdischen“, den „demokratischen Verbindungen zuzuführen“. Allein die „lächerlichen Seiten“ seiner Persön­ lichkeit hätten seine Wirkung begrenzt, und er habe dann, nach einer „Verwarnung“ durch den Breslauer Kurator, den Rückzug aus der Politik angetreten und sich zur Lösung vom Judentum entschlossen, wie der Hochschulre­ ferent Johannes Schulze das Zivilkabinett anläßlich der Königsberger Berufung Rosenhains zu beruhigen wußte (GStA, Rep. 89, Nr. 21658, Bl. 82 f.; Schulze – ZivK v. 10. 7. 1856). 732 GStA …, Nr. 21, Bd. X, Bl. 45–47; PhilFak – PrMK v. 30. 4. 1875, Liste Nf. Richelot. Zu Weber vgl. G. Frei 1995. Vgl. a. den allzu kurzen Überblick bei Roquette 1995. 733 Liste Nf. Weber ist für das SS. 1883 leider mit dem Bd. XII (1880–1882) der Dahlemer Ministerialakte ver­ loren. Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 67–69; PrMK – ZivK v. 18. 4. 1883, Bestallungsvorschlag Nf. Weber, ist jedoch zu entnehmen, daß die Fakultät an erster Stelle Georg Frobenius, 1849 Berlin–1917 ebd., gesetzt hatte, einen jungen Gelehrten aus der Berliner Mathematiker­Schule, 1875 Prof. f. höhere Mathematik ETH Zürich, dort mit Studien zur abstrakten Gruppentheorie bekannt geworden. Das Ministerium hatte diesem Wunsch entsprochen und Fro­ benius den Ruf angetragen, erhielt aber eine Absage, die sich auf Bedenken gegen das „rauhe Clima“ Königsbergs stützte. Lindemann, Clebsch­Schüler, hatte hingegen keine Furcht, aus dem milden Freiburg an die Ostsee zu 729

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und Minkowski, sorgte dafür, daß Adolf Hurwitz 1884 Rosenhains Extraordinariat erhielt. Er habili­ tierte Hilbert (1886) und den durch die Schule von Kronecker und Weierstrass gegangenen, infolge Blindheit schwer gehandicapten Victor Eberhard (1888). Maßgeblich förderte er die Habilitationen von drei Astronomen: Johannes Raths (1886), dem Weierstrass­Schüler Julius Franz (1888) und Fritz Cohn (1893) sowie die des späteren Geophysikers und Hilbert­Freundes Emil Wiechert (1890). Auf den ersten Blick scheinen dies Indizien für eine glänzende Wiederbelebung mathematischer Studien auf Jacobis Lehrstuhl zu sein. Doch Lindemanns Memoiren weisen demgegenüber auf die trostlose Ausstattung hin, auf die die in seiner zehnjährigen Amtszeit Althoff mühsam abgerungenen Etaterhö­ hungen für die praktisch 1883 nicht vorhandene Seminarbibliothek, den nie behobenen Raummangel, die geringe Studentenzahl.734 Daß das Ministerium wie an der Physik auch an der Königsberger Mathematik sparen wollte, belegt die zögerliche Etatisierung eines mathematischen Extraordinariats. Mit der Vertretung des arg reduzierten, nervenleidenden Rosenhain war zum SS. 1884 der durch die nunmehr führenden ma­ thematischen Schulen in Berlin und Göttingen geprägte Adolf Hurwitz beauftragt worden. Erst im Etat 1885/86 wurde aus dem besoldeten Lehrauftrag eine feste Stelle, die, nach Hurwitz’ Wechsel ans Züricher Polytechnikum, 1892 Lindemanns Habilitand, der gebürtige Ostpreuße David Hilbert besetzte,735 bevor der 1893 Lindemanns Nachfolge antrat und seinen Stuhl zum SS. 1894 für den Bonner Zahlenteoretiker Hermann Minkowski frei machte.736 Hilbert folgte zum SS. 1895 einem Ruf nach Göttingen, womit auch die mathematische Sektion der „Königsberger Schule“ endgültig ihre Pforten schloß. Für lediglich ein Jahr nahm Minkowski Hilberts Platz ein.737 Nur wenig länger hielt es

wechseln. Als zentrale Empfehlung galt seine Leistung, das uralte Problem der Quadratur des Kreises gelöst zu haben. 734 Zitiert bei Wußing 1995, S. 524 f. 735 Ebd., Bd. XVII, Bl. 105–109, PhilFak – PrMK v. 5. 7. 1892; Liste Nf. Hurwitz: primo et unico loco Hilbert, zum 1. 10. 1892 berufen. 736 Ebd., Bd. XVII, Bl. 199–204; PhilFak – PrMK v. 11. 7. 1893, Liste Nf. Lindeman, gleichrangig genannt: 1a. Alexander Brill, 1842 Darmstadt–1935 Tübingen, Prom. 1864 Gießen, 1867 Habil. ebd., 1869 ord. Prof. Polytech. Darmstadt, 1874 Polytech. München, 1884 ord. Prof. f. Mathematik Tübingen, gilt mit Max Noether als Begründer der algebraisch­geometrischen Richtung in der Theorie der algebraischen Funktionen (NDB II, S. 613), mit Noether 1894: Die Entwicklung der Theorie der algebraischen Funktionen in älterer und neuerer Zeit. – 1b. D. Hilbert, s. Catalogus. – 1c. Martin Krause, 1851 in Wilknit bei Elbing–1920 Dresden, Studium an AUK und bei Koenigsberger in Heidelberg, dort 1875 Habil., 1878 ord. Prof. Rostock, 1888–1920 TH Dresden. – 1d. Aurel Voss, 1845 Altona–1931 München, 1869 Prom. Göttingen: Ueber die Anzahl reeller und imaginärer Wurzeln höherer Gleichungen, Habil. f. Mathematik ebd. 1873: Ueber lineare Complexgebilde, 1875 ord. Prof. TH Darmstadt (Nf. Brill), 1885 TH München (wiederum Nf. Brill), 1891 oö. Prof. Würzburg, 1902 München, Schüler Kleins, Flächentheoretiker, Geschichte und Wissenschaftstheorie der Mathematik, beachtenswert: Über das Wesen der Mathematik (1908, drei Aufl. bis 1922), sowie: Die Beziehungen der Mathematik zur Kultur der Gegenwart, in: Paul Hinnebergs ‚Die Kultur der Gegenwart‘ III/1,2; 1913. – Ebd., Bl. 210 f.; Bestallung Hilberts v. 1. 8. 1893. – Ebd., Bl. 284–290; PhilFak – PrMK v. 24. 11. 1893, Liste Nf. Extraord. Hilbert: 1. Hermann Minkowski (1864, s. Catalogus), 1885 in Königsberg bei Lindemann promoviert. – 2. Heinrich Burkhardt (1861– 1914), 1889 Habil. Göttingen, 1897 ord. Prof. Zürich, 1908 TH München. – 3. Eduard Study (1862–1930), b. ao. Prof. Marburg 1893, Bonn 1894 (Nf. Minkowski), oö. Prof. 1897 Greifswald, 1904 Bonn (Nf. Lipschitz), dort 1927 em. – Ebd., Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 149–151; Bestallungsvorschlag PrMK – ZivK v. 10. 3. 1895. Zu Hilbert vgl. Reid 1970; Peckhaus 1990 und Rowe 1995. Zu Minkowski s. Schwermer 1995 sowie die Briefe an Hilbert, ed. Rüdenberg/Zassenhaus 1973. 737 GStA …, Nr. 21, Bd. XVIII, Bl. 183–190, Liste Nf. Ordinariat Hilbert: 1. Hermann Minkowski. – 2a. Franz Meyer (1858, s. Catalogus), Bergakademie Clausthal. – 2b. Otto Hölder (s. Catalogus), Tübingen.

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dessen Nachfolger auf dem Extraordinariat, Paul Staeckel, am Pregel aus,738 dessen Stab zum SS. 1897 der mit Arbeiten zur algebraischen Invariantentheorie bekannt gewordene Franz Meyer übernahm, der vierte Dozent in vier Jahren, der aber in Königsberg seßhaft und dort 1924 emeritiert wurde.739 Als Minkowski zum WS. 1896/97 nach Zürich ging, konnte er den aus Tübingen berufenen, sich im Nordosten in der Verbannung fühlenden Otto Hölder als seinen Nachfolger etablieren, 740 dessen Ordinariat an Meyer fiel, dessen Stelle als persönlicher Ordinarius wiederum Arthur Schoenflies zum SS. 1899 erhielt.741 In der jüngsten Lebensskizze zu Franz Meyer heißt es zwar, der Clausthaler Professor sei nach Königsberg als „eines der wichtigsten Zentren der Mathematik in Deutschland“ berufen worden,742 738 Ebd., Bd. XVIII, Bl. 313–318; PhilFak – PrMK v. 27. 5. 1895, Liste Nf. Extraord. Minkowski: 1. Paul Staeckel (s. Catalogus), 2. H. Burkhardt (Anm. 736), 3. Ludwig Maue (Straßburg). Ebd., Bl. 327–329, Bestallungsvor­ schlag v. 10. 7. 1895, Berufung Staeckels zum WS. 1895/96. 739 Ebd., Bd. XIX, Bl. 305–310; PhilFak – PrMK v. 15. 2. 1897, Liste Nf. Staeckel mit dem Antrag, sein Extra­ ord. in ein Ordinariat zu verwandeln. Die Albertina stehe bisher hinter allen anderen preußischen Universitäten zurück, selbst die kleineren Univ. Kiel und Greifswald haben zwei Mathematik­Ordinariate. Verknüpft wurde dieser Antrag mit dem Appell, die große Königsberger Tradition zu wahren. Der Tiefstand der Frequenz in den mathematischen Studien, wie er 1890 erreicht worden sei, sei eine Folge der Überfüllung des Lehrerberufs gewesen und dürfe nun wohl auch an der AUK als überwunden gelten. Man hoffe zuversichtlich, daß die Hörerzahlen mit dem absehbaren Lehrermangel im Osten wieder ansteigen. Um gut darauf vorbereitet zu sein, wäre allerdings auch die erhebliche Beeinträchtigung des mathematischen Unterrichts durch den häufigen Dozentenwechsel auf beiden Lehrstühlen endlich zu beheben. Vorgeschlagen wurden: 1. Franz Meyer (s. Catalogus). – 2. Otto Staude, 1857 Limbach bei Chemnitz–1928 Rostock, Prom. Leipzig 1881: Lineare Gleichung zwischen elliptischen Coor­ dinaten, 1883 Habil. f. Mathematik Breslau: Geometrische Deutung der Additionstheoreme der hyperelliptischen Integrale und Functionen erster Ordnung im System der confocalen Flächen zweiten Grades, 1886 ao., 1887 ord. Prof. f. Mathematik Dorpat, 1888 oö. Prof. Rostock, Hauptwerke: Die Focaleigenschaften der Flächen zweiter Ordnung. Ein neues Kapitel zu den Lehrbüchern der analytischen Geometrie des Raumes (1895), Analytische Geometrie des Punktes, der geraden Linie und der Ebene. Ein Handbuch zu den Vorlesungen und Übungen über analytische Geometrie (1905), Analytische Geometrie des Punktepaares, des Kegelschnittes und der Fläche zweiter Ordnung (1910), Analytische Geometrie, 2 Bde. (1910), wissenschaftshistorisch: Die Hauptepochen der Entwick­ lung der neueren Mathematik (1902), politisch: ,Dorpat und Rostock‘ (1918). – 3. Adolf Kneser, 1862 Grüssow/ Westpr.–1930 Breslau, Prom. 1884 bei Leopold Kronecker FWU: Irreduktibilität und Monodromiegruppe alge­ braischer Gleichungen, noch im selben Jahr Habil. f. Mathematik Marburg: Ueber einige Fundamentalsätze aus der Theorie der algebraischen Functionen von mehreren Variabeln, 1900: Lehrbuch der Variationsrechnung, 1911: Die Integralgleichungen und ihre Anwendungen in der mathematischen Physik; Vater des Greifswalder u. Tübin­ ger Prof. f. Mathematik Hellmuth Kneser (1898–1973), 1933 sec. loco auf der Liste Nf. Kurt Reidemeister in Königsberg. 740 Ebd., Bl. 236, und Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 196 f.; PrMK – ZivK, Bestallungsvorschlag v. 8. 10. 1896. 741 GStA …, Bd. XX, Bl. 154–161; PhilFak – PrMK 17. 11. 1898 Liste Nf. Hölder: 1. H. Burkhardt, nunmehr in Zürich (Anm. 736) – A. Schoenflies (1853, s. Catalogus), Göttingen, der geometrische Arbeiten vorgelegt, zuletzt sich der Mengenlehre zugewandt habe, der sein Renommé vor allem aber einem „großen Werk zur Kry­ stallstruktur“ verdanke, das seinen Rang in der angewandten Mathematik begründete. Zudem habe er den Grund­ lagen der Flächentheorie eine neue, „ungemein“ vereinfachende Wendung gegeben. – 2a. Friedrich Engel, 1861 Lugau/Sa.–1941 Gießen, Schüler von Sophus Lie, 1887 Habil. Leipzig, 1899 ord. Honorarprof. ebd., 1904 oö. Prof. Greifswald, 1913 Gießen, Mitarbeit an Lies ‚Theorie der Transformationsgruppen‘ (1888–1890), eher re­ produktives Talent, Hg. der Ges. Abhandlungen Lies, Studien zur Geschichte der Mathematik. – 2b. Kurt Hensel, 1861 Königsberg–1941 Marburg, 1884 Prom. u. 1886 Habil. FWU, Schüler Leopold Kroneckers, 1892 ao. Prof. ebd., 1902 oö. Prof. Marburg. – Schoenflies wurde berufen, aber das Ordinariat erhielt im Tausch Meyer, mit dessen Extraord./pers. Ordinariat Schoenflies vorlieb nehmen mußte. – Die Besetzung der mathematischen Lehr­ stühle falsch darstellend: Scharlau 1990, S. 197–199. R. + G. Fritsch 2001, S. 150, sprechen fälschlich von einem für Schoenflies neu eingerichteten Lehrstuhl. Korrekt hingegen Lorey 1916, S. 366. 742 R. Fritsch 1995, S. 564.

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und auch in den Erinnerungen Gerhard Kowalewskis, der Hilbert, Minkowski und Staeckel erlebte, und sich bei ihnen mit allen aktuellen Entwicklungen des Faches seit Riemanns Geometrie, mit den Theorien von Galois und Weierstrass, mit Kroneckers algebraische Ideen, sowie, vermittelt durch Jaco­ bis Enkelschüler Louis Saalschütz, auch mit der älteren Königsberger Schule vertraut machen durfte, scheint das Mathematische Seminar diese Hauptrolle in der Disziplingeschichte um 1895 noch ge­ spielt zu haben.743 Gleichwohl handelte es dabei um eine Schlußvorstellung, was bei Kowalewski auch durchscheint, wenn er erwähnt, daß sich bei Minkowskis erster Vorlesung über Höhere Algebra nur zwei Hörer einfanden, er selbst und sein Bruder Arnold, der spätere „ewige“ Königsberger Privatdozent und Extraordinarius für Philosophie.744 Für den Niedergang des nordöstlichen Seminars als Forschungsstätte war einerseits der Ausbau der mathematisch­physikalischen Wissenschaftsstandorte Göttingen und Berlin ursächlich. Andererseits ist zu beachten, daß der bildungspolitische Wind sich in den 1880ern zu drehen begann. Die Kö­ nigsberger Studienorganisation war darauf abgestimmt, Wissenschaftler zu erziehen. Diesen Anspruch setzte Richelot sogar in der preußischen Prüfungsordnung von 1866 durch.745 Diese „hochgespannten, rein wissenschaftlichen Anforderungen“, der Primat des „Abstrakten“, die Geringschätzung der ange­ wandten Mathematik, führten dazu, die schulischen, auf Vermittlung von „Elementarmathematik“ ge­ richteten Anforderungen zu vernachlässigen. So entstand zwischen der Mathematik des Gymnasiums und der der Universität eine „tiefe Kluft“.746 Anfang der 1890er Jahre formierte sich unter Schulmathe­ matikern und im Verein Deutscher Ingenieure eine Gegenströmung zugunsten der „Anwendungen“.747 Die neue preußische Prüfungsordnung von 1898 revidierte schließlich das „Königsberger System“, orientierte die Anforderungen an die Lehramtskandidaten stärker an Unterrichtsbedürfnissen und schuf eine besondere Lehrbefähigung für angewandte Mathematik an Gymnasien, eine Kehrtwende, die ab 1900 die Vergabe von Lehraufträgen für angewandte Mathematik und Mechanik nach sich zog.748 Zeitgleich verlegte das Ministerium mit Schoenflies’ Berufung den Schwerpunkt des Extraordi­ nariats auf angewandte Mathematik, und es habilitierte sich der Oberlehrer an der Baugewerkschule, Emil Müller, für Geometrie und Mechanik.749 Die mit Hilberts Göttinger Berufung abgeschlossene Demontage der mathematischen Königsber­ ger Forschungsstätte traf also zeitlich zusammen mit dem Ende ihres bildungs­ und schulpolitischen Einflusses. Dieser Entwicklung entsprechend wurden die Lehrstühle mit eher reproduktiven Geistern wie Franz Meyer und Arthur Schoenflies besetzt. Meyers Hauptwerk, die ‚Encyclopädie der mathe­ matischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer Anwendungen [auf Physik, Geophysik, Mechanik, Astronomie und diverse technische Fächer]‘, von ihm seit 1898 herausgegeben, wollte mit Konsequenz G. Kowalewski 1950, S. 21–26. Ebd., S. 23. 745 Lorey 1916, S. 99; nur die Kandidaten dürften die Lehrbefähigung für die oberen Gymnasialklassen erhalten, die sich „als ausgebildete Mathematiker zeigen und in die Höhere Geometrie, die Höhere Analysis und Analytische Mechanik soweit eingedrungen sind, daß sie auf diesem Gebiet eigene Untersuchungen mit Erfolg anstellen kön­ nen“. Eine Formulierung in der amtlichen Prüfungsordnung, die „wörtlich von Richelot“ stamme. Damit hatte die Königsberger Schule den „amtlich anerkannten Einfluß auf das Höhere Schulwesens“ Preußens zwar erreicht, zugleich aber ihren Zenit als „ideale Pflanzstätte mathematischer und physikalischer Forscher“ überschritten. 746 Ebd., S. 102. 747 Ebd., S. 243; 1891 gründeten Schulmathematiker den „Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts“. Zu den Gründern und Aktivisten des Vereins zählte auch ein Zögling der „Königsberger Schule“, Albert Schülke (1856–1943, vgl. APB 641), 1882 bei Heinrich Weber promoviert (Die Bewegung eines Rotationskörpers in den inkompressiblen Flüssigkeiten), bekannt geworden durch seine 1895 erstmals veröffentlichte, in vielen Auflagen verbreitete vierstellige Logarithmentafel; er beschloß seine Laufbahn als Gymnasialdirektor in Tilsit (1912–1922). 748 Lorey 1916, S. 245 f. 749 GStA …, Nr. 25, Bd. IV, unpag., Meldung über kumul. Habil. Müller v. 3. 8. 1899. 743

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ausschließlich eine Summa des Faches sein, eine Gesamtdarstellung der „gesicherten Resultate“.750 Wichtiger als Forschung, die er den skeptisch beäugten Zentren in Berlin und Göttingen überließ, war ihm die Weitergabe eben dieser „Resultate“ an zwei Generationen ostpreußischer Oberlehrer.751 Seine Biographen betonen zwar, daß Schoenflies sich entgegen seinem Lehrauftrag mehr mit Fra­ gen der Reinen Mathematik beschäftigt und vor allem seinen Ruf als „Pionier der mengentheore­ tischen Topologie“ in Königsberg begründet habe,752 aber wie bei Meyer ist leicht anhand der Biblio­ graphie zu erkennen, in welch großem Umfang didaktische und referierende Publikationen die letzten Göttinger und die Königsberger Jahre bestimmen, beginnend mit seinem Lehrbuch ‚Einführung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaften‘ von 1895 (bis 1931 elf Auflagen) bis zu seinen Beiträgen über Mengenlehre (1899), Kinematik (1902), Krystallographie (1906, zusammen mit dem Königsberger Mineralogen Otto Mügge und dem Ex­Königsberger Theodor Liebisch) und über Pro­ jektive Geometrie (1909) für Meyers ‚Encyklopädie‘.753 Astronomie Vom europäischen Ruf der Königsberger Astronomie, vom ersten Lehrstuhlinhaber Friedrich Wilhelm Bessel zwischen 1810 und 1846 begründet, war Ende des 19. Jahrhunderts so wenig übrig geblieben wie von der physikalisch­mathematischen „Königsberger Schule“ Neumanns, Jacobis und Richelots. Unter Eduard Luther (1858–1887) waren keine Neuanschaffungen mehr getätigt worden. Die bis 1862 gebräuchliche rasche Publikation von Beobachtungsdaten kam außer Übung. Die Zeitschrift der Sternwarte erschien in immer größeren Abständen. Als der wegen seines Rufs als dynamischer Orga­ nisator und praktisch begabter Astronom von der Fakultät ausgewählte Carl F. Peters (1888–1895),754 der sich mit einem Büchlein über Fixsterne auch um eine populärwissenschaftliche Vermittlung astro­ nomischer Beobachtungen bemüht hatte, an Luthers Stelle trat, fand er bis 1862 zurückreichendes, unpubliziertes Material vor, für dessen Veröffentlichung er fünf Bände der ‚Astronomischen Beobach­ tungen‘ veranschlagte.755 Ähnlich niederschmetternd empfand er die veraltete Ausstattung der Stern­ warte. Die Hauptinstrumente stammten aus Bessels Zeit und hätten auch zuletzt damals wissenschaft­ lichen Anforderungen genügt. Nun seien sie „kaum mehr als solche zweiten Ranges zu bezeichnen“. Seit über vierzig Jahren sei an astronomischen Präzisionsinstrumenten „so gut wie nichts angeschafft“ worden.756 Der neue Refraktor, den Peters benötigte, um mit anderen Sternwarten in der Beobachtung schwacher Objekte konkurrieren zu können, ein 23.000 M. teures Fernrohr, wurde ihm verweigert, Diesen enzyklopädischen, sammelnden und systematisierenden Schwerpunkt des Vierteljahrhunderts in Kö­ nigsberg kräftig betonend sein Nachrufer B. Arndt 1935, vgl. zur ,Enzyklopädie‘ auch Tobies 1994. 751 Zu Meyer auch unten Kap. 4.4.2. 752 R. + G. Fritsch 2001, S. 163; eine Zusammenfassung seiner Überlegungen von 1908 rechnen sie unter jene Arbeiten, die die „Entwicklung der Mathematik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts am meisten beeinflusst haben“. 753 Vgl. ebd., S. 170–173, die Bibliographie von 1895–1910. 754 GStA …, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 16–26; PhilFak – PrMK v. 29. 12. 1887, Liste Nf. Luther: 1. C. F. Peters (Kiel, s. Catalogus). – 2a. Paul Harzer, 1857 Großenhain/Sa.–1932 Kiel, Prom. (1878) u. Habil. (1882) Leipzig, nach Anstellungen an den Sternwarten Leipzig u. Pulkowo 1887 Direktor Sternwarte Gotha, 1896–1926 oö. Prof. f. Astronomie Kiel, „einer der letzten bedeutenden Astronomen der klassischen Epoche“, sich modernen astrophy­ sikalischen Forschungen erst in der spätesten Kieler Zeit öffnend (NDB VIII, S. 17). – 2b. A. Lindstedt (1854), 1885 ord. Prof. d. Mathematik Dorpat, 1887 Stockholm. – 3. Th. Albrecht, Direktor der Astron. Abt. des Geodät. Inst. Berlin. 755 GStA …, Tit. X, Nr. 16, Bd. VII, Bl. 121–122; Kurator – PrMK v. 13. 9. 1889: Peters wolle 12.500 M. Druckkostenzuschuß, verteilt auf den voraussichtlichen Veröffentlichungszeitraum bis 1898. Dazu auch die Aus­ führungen von Peters v. 24. 10. 1889, Bl. 132–135, über die Masse unpublizierter Beobachtungsdaten. 756 Ebd., Bl. 115 f.; Peters – PrMK v. 26. 1. 1889. 750

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weil sich die Installation in den alten Turm der Sternwarte nach Einschätzung von Gutachtern, die das Ministerium heranzog, nicht mehr lohnte.757 Als der Bau des neuen Turms genehmigt wurde, war Peters, der im Anschluß an sein Fixstern­Buch auch in Königsberg immer wieder in Vorträgen und Aufsätzen einem breiten Publikum die „Geheimnisse des Kosmos“ enträtselte, schon ein Jahr tot.758 Als neuer Direktor nutzte dann Hermann Struve (1895–1903)759, herbeigelobt als „Beobach­ ter ersten Ranges“, dem es zu verdanken sei, über die Bewegungen im Saturnsystem exaktere Daten zu haben als über andere Planetensyteme,760 die Chance, um die Anschaffung eines stärkeren, aber auch kostspieligeren Refraktors durchzusetzen. Mit der Begründung, daß auf diese Weise der große Aufwand für den Turmneubau sich wirklich rentiere und nur so die Sternwarte Bessels Ära endlich hinter sich lasse.761 Mit dem „vortrefflichen Instrument“ setzte Struve seine in Pulkowa begonnenen Beobachtungen des Saturnsystems fort, die auch nach dem Wechsel in Berlin im Zentrum seiner astro­ nomischen Forschungen standen.762 Da dies aber die erste und letzte nennenswerte Investition war, und Struves Nachfolger Hans Battermann (1903–1920) in ungezählten Eingaben nicht einmal für seinen Mechaniker eine angemessene Bezahlung durchzusetzen vermochte, geriet die Sternwarte schon lange vor dem Ersten Weltkrieg im Vergleich etwa mit Babelsberg, so stark ins Hintertreffen, daß die Fakultät größte Mühe hatte und sich mehrere Absagen dabei einhandelte, einen Ersatz für Battermann zu beschaffen.763 In den dreißiger Jahren taugte die Sternwarte dann nach Ansicht eines Ministerial­ beamten nur noch, um als Kulisse für ‚Faust I‘ zu dienen.764 Unter den vier Direktoren Luther, Peters, Struve und Battermann, in einem Zeitraum von sechzig Jahren, als sich an anderen Sternwarten der Wandel von der überkommenen, ihre wissenschaftliche Ziele auf die Steigerung der Meßgenauigkeit begrenzenden Positionsastronomie zur Astrophysik voll­ zog, tat sich in Königsberg nichts, im brutalsten Sinne nichts, um sich dieser modernen Entwicklung des Faches zu öffnen.765 Nachwuchs blieb unter so ungünstigen Bedingungen weitgehend aus. Trotzdem sind immerhin drei Habilitanden innerhalb des Jahrzehnts zwischen 1885 und 1895 zu registrieren. Eine stattliche Zahl für ein so randständiges Fach. Johannes Rahts und Julius Franz, mehr die Gehilfen als die Schüler des maladen Luther, habilitierten sich 1886 und 1888.766 Dem jüngeren Rahts gelang es nicht, sich aus der subalternen Stellung des Sternwarten­Faktotums zu befreien. Mit 46 Jahren war seine Sehkraft so Zum Zustand der Sternwarte 1878–1920; GStA …, Tit. X, Nr. 16, Bd. VII u. VIII. Zur Biographie Treichel 1976; zu den Fixsternen: Peters’ 1883. 759 Aus einer weitverzweigten holsteinischen Mediziner­ und Naturwissenschaftlerfamilie stammend (vgl. Trei­ chel 1974). Ein Zweig naturalisierte sich in Rußland. Struves Vater leitete seit 1862 die Sternwarte Pulkowa bei St. Petersburg. Sein Sohn wäre ihm sicher nachgefolgt, hätte die Russifizierungspolitik nicht auch dieses interna­ tional renommierte Forschungsinstitut erfasst. Sie trieb Struve außer Landes und eröffnete den Königsbergern die Chance, ihn zu gewinnen, der sonst niemals seine exzellent ausgestattete Sternwarte in Pulkowa mit dem unzulänglichen Königsberger Institut vertauscht hätte. Vgl. GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVIII, Bl. 206–212; PhilFak – PrMK v. 7. 2. 1895, Liste Nf. Peters: 1. Hermann Struve, Pulkowa (s. Catalogus) – 2. Paul Harzer und 3. Theodor Albrecht, beide schon auf der Liste für die Nf. Luther, s. Anm. 754. 760 GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl.154 f.; PrMK – ZivK v. 26. 3. 1895, Bestallungsvorschlag. 761 GStA …, Nr. 21, Bd. XIX, Bl. 180 f.; Struve – PrMK v. 10. 7. 1895. 762 Struve 1908, hier zit. S. 5. 763 Zur Nachfolge Battermann 1918/20 siehe Bd. II. 764 Siehe Bd. II. 765 Nicht allein die Königsberger Sternwarte verpasste den astronomischen Zug der Zeit wie die umfassende Hamburger Habilitationsschrift Felix Lühnings zur Geschichte der Kieler Sternwarte (2007) zeigt, wo 1926 der erste Astrophysiker berufen wurde (ebd., S. 571–585). Aber Kiel konnte nicht auf eine mit Bessels Wirken verbun­ dene Tradition verweisen, so daß es schon bemerkenswert ist, wie gleichgültig die Berliner Wissenschaftspolitik gerade mit dem astronomischen Traditionsstandort Königsberg umging. 766 Vgl. Habil. Rahts, Franz u. Cohn in: GStA …, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III u. IV. 757

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weit herabgesetzt, daß er 1900 um Beurlaubung, ein Jahr später um die Versetzung in den Ruhestand bat, um dann als Statistiker in Berlin eine respektable zweite Karriere zu starten.767 Julius Franz, ein Schüler des Mathematikers Weierstrass und des Berliner Astronomen Foerster, 1872 in Halle promo­ viert, spezialisierte sich in seiner Königsberger Zeit (1877–1895) auf die Erforschung des Mondes,768 setzte daneben seinen Ehrgeiz darein, zur „Förderung des naturwissenschaftlichen Lebens der Stadt“ beizutragen und dem „wissenschaftlichen Gesellschaftsleben nahe zu stehen“, was ihm, 1886 Vor­ standsmitglied der PhÖG, auch glückte.769 Publizistisch viel präsenter als Rahts erhielt er 1897 einen Ruf nach Breslau. Seine Observatorstelle übernahm der 1893 von Peters habilitierte Fritz Cohn, seit 1891 Rechner an der Sternwarte.770 Es dauerte dann jedoch bis 1932, bevor sich nach Cohn, der 1909 einem Ruf an die Berliner Universität folgte, wieder ein Astronom in Königsberg habilitierte.771 Geographie 1875 war der Fakultät ein von ihr wegen der „Nothstände“ des erdkundlichen Gymnasialunterrichts dringend erwünschtes neues geographisches Ordinariat bewilligt worden.772 Da Minister Falk das nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich so reichlich vorhandene Geld dazu verwendete, um auch an anderen preußischen Universitäten geographische Lehrstühle zu finanzieren – nachdem das Fach seit 1873 als besonderes Prüfungsfach im Oberlehrerexamen zugelassen war –, jedoch etwas früher als in Königsberg, fand die dortige Fakultätskommission den Markt schon fast ausverkauft vor.773 Nachdem die Gründungswelle in der Geographie die Albertina somit etwas „spät“ erreiche, wie die sich wieder einmal zurückgesetzt fühlende Fakultät gekränkt formulierte, gebe es kaum noch geeignete Kräfte, und bevor man auf „irgendwelche Gymnasiallehrer“ zurückgreife, die mehr Heimatkundler denn Geographen seien, wolle man gern abwarten, bis Qualität nachgewachsen sei –, wenn es Falk nicht gelingen sollte, von den zwei Kandidaten, die überhaupt noch in Frage kämen, einen, am besten den Gothaer Oberlehrer Hermann Wagner, zu gewinnen.774 GStA …,Tit. X, Nr. 16, Bd. VII, Bl. 301–310; zuletzt Kurator – PrMK v. 1. 6. 1901 wg. Pensionierung Rahts’; die 1.302 M., die ihm jährlich zustanden, entsprachen dem kärglichen Gehalt der Institutsdiener, Gärtner usw. 768 J. Franz 1912 u. 1913. 769 Franz durfte 1884 an Stelle Luthers die Festrede zu Bessels 100. Geb. halten und war 1887–1897 Sekretär der PhÖG. 770 Ebd., Bl. 233; Kurator – PrMK v. 2. 12. 1897. Cohn versah die Franz­Position zunächst zwei Jahre stellvertre­ tend. 771 Cohn hatte 1897 eine Tochter seines verstorbenen Lehrers Peters geheiratet, was die offenbar in der Fakultät bestehenden Reserven gegenüber dem Sohn eines Königsberger jüdischen Kaufmanns nicht abbaute. 1904 setzte ihn die Fakultät mehr „e. h.“ an dritter Stelle der Liste für Struves Nachfolge. – Weder Struve noch Battermann zogen einen Habilitanden heran. Vgl. zur 1932 erfolgten Habilitation Kurt Walters Bd. II. 772 Die Fakultät verwies dabei auf die Forderungen der Lehrerverbände, die Geographie nicht länger als Anhäng­ sel des historischen Unterrichts geringzuschätzen, sondern, als Konsequenz aus der Zulassung als Prüfungsfach im Oberlehrerexamen, sie zu verselbständigen. Nur so könnten hinreichend qualifizierte Geographielehrer ausgebildet werden (GStA …, Nr. 21, Bd. IX, Bl. 115; PhilFak – PrMK v. 29. 12. 1874). In Königsberg hatte Karl Friedrich Merleker (1803–1872), 1830–1866 Oberlehrer am FC, seit den 1840er Jahren über geographische Themen gele­ sen und auch ein ‚Lehrbuch über historisch­komparative Geographie‘ (1839/42) verfasst, aber die naturwiss. Seite des Faches nie berücksichtigt. 773 Zur Etablierung geographischer Lehrstühle unter Falk vgl. Engelmann 1983, S. 62–78. 774 GStA …, Nr. 21, Bd. X, Bl. 66–69; PhilFak – PrMK v. 30. 4. 1875: 1. H. Wagner (s. Catalogus). – 2. Sophus Ruge (1831–1903), Polytech. Dresden, ebd. Habil. 1872, ebd. 1874 b. ao. Prof.; hatte mit einer Programmschrift über ‚Das Verhältnis der Erdkunde zu den verwandten Wissenschaften‘ 1873 gegen eine zu starke naturwiss. Orientierung optiert. Wandte sich folglich seit 1875 der ‚Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen‘ (1881) zu. Zur Berufung Wagners knapp Engelmann 1983, S. 78 f.; vgl. a. Denecke 1995. 767

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Wagner, den Falk nicht lange bitten mußte, trat sein Amt zum SS. 1876 an. Er galt als Vertreter der naturwissenschaftlichen, „physischen“ Geographie, erwies sich aber im Vorlesungsbetrieb wie in populären Vorträgen anthropogeographischen Themen zugeneigt, vor allem der Völkerkunde, der Ge­ schichte der Entdeckungen und des Kolonialismus.775 Wagner gründete in Königsberg die Ortsgruppe der Deutschen Kolonialgesellschaft und warb dafür, dank „unserer heutigen stattlichen Flotte“, ohne „Furcht vor Verwicklungen“, endlich „Colonialpolitik“ zu treiben. Wobei er gern den „Kernpunkt germanischer Staatenbildung“, „blühende deutsche Tochterstaaten“, auf dem „morsch gewordenen Boden des romanischen Amerika“ und nicht in Afrika, Asien oder Ozeanien gesehen hätte.776 Trotz so engagierter „politischer Geographie“ wollte er, als er zum WS. 1880/81 nach Göttingen umzog, bei der Auswahl seines Nachfolgers sicherstellen, daß die Studenten wieder in die von ihm selbst oft verlassene Bahn einschwenkten, da es primär um die Ausbildung von Gymnasiallehrern gehe, die, mit Blick auf die zu vermittelnden kartographischen, landschaftskundlich­geologischen wie meteorologischen Kenntnisse, am besten auf naturwissenschaftlichem Boden gedeihe. Deshalb setzte er einen Freund, den Gießener Physiker und um die Theorie der Meeresströmungen verdienten Geo­ physiker Karl Zöppritz durch, was leicht fiel, da er ihn als Absolventen der „Königsberger Schule“ von Neumann und Richelot empfahl.777 Zöppritz hielt Wagner gegenüber allerdings die Versicherung für angebracht, Vorlesungen über „historisch­politische Erdkunde“ bedeuteten ihm kein Opfer sondern eine Freude.778 Kollegen wie der Agrarwissenschaftler von der Goltz nahmen ihn gleichwohl eher als Geophysiker wahr, der daher bei weitem nicht Wagners Erfolge als Dozent erreicht habe.779 Immerhin rief Zöppritz 1882 die „volksbildnerisch“ engagierte „Geographische Gesellschaft“ ins Leben, die – mit „Durchhängern“ vor allem 1914/18 – bis 1944 für das interessierte städtische Publikum in langen Königsberger Wintermonaten einen lehrreich­unterhaltsamen „Weltspiegel“ bot.780 Und er formalisierte, wie gleichzeitig der Zoologe Chun, den Unterricht praxisnah, verstetigte Wagners kartographische Übungen, machte Exkursionen zum Pflichtprogramm und baute das be­ Vgl. VV­AUK: Entdeckungsgeschichte Afrikas (1877/78), Ueber England und seine Colonien (1878/79), Völkerkunde (4stündig!, 1879/80). 776 So in einem ursprünglich vor Königsberger Publikum gehaltenen, in Göttingen zum Druck beförderten Vor­ trag, der eingangs daran erinnerte, daß unter dem Großen Kurfürsten die ersten preußischen Kolonisierungsexpe­ rimente in Westafrika von Königsberg und Pillau ihren Ausgang genommen hätten, Wagner 1881, S. 3. Zu den eigenen lateinamerikanischen Präferenzen und zum Vertrauen in die junge Marine, ebd. S. 24 f., 28 f. In seinem kolonialpolitischen Draufgängertum kritisierte der Geograph gar das „Reichskanzleiamt“, weil es in Südafrika auf die „britische Eifersucht“ Rücksicht nehme statt die deutsche Einwanderung ins Burenland auch um den Preis eines Krieges gegen England zu riskieren (ebd., S. 26). Nur die übergeordnete Erwägung, daß „der arbeitsame Deutsche nicht in Ländern mit schwarzer Frohnarbeit gedeiht“, ließ ihn Afrika weniger attraktiv erscheinen als Südamerika. 777 GStA …, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 295–301; PhilFak – PrMK v. 26. 5. 1880, Liste Nf. H. Wagner. 1. Zöppritz, 2. wiederum S. Ruge (Polytech. Dresden) sowie 3. der von der Geologie herkommende Hallenser Privatdozent Rudolf Credner, der 1881 einen Ruf nach Greifswald erhielt. 778 Aus dem Briefwechsel Zöppritz – Wagner 1880 zitierend, Hirschfeld 1885, S. 14. Sein öffentliches Debut auf dem ersten deutschen Geographentag 1881 in Berlin bestritt er wieder mit einem geologisch­physikalischen Thema über „Mittel und Wege zur besseren Kenntniß vom inneren Zustand der Erde“, wie er in Königsberg weiter der Geophysik „mit unveränderter Liebe zugetan“ blieb (Hirschfeld 1885, S. 15, 17). In der von ihm mit begrün­ deten Königsberger „Geographischen Gesellschaft“ wirkte er im Geiste Wagners und sprach über die Erforschung Afrikas, Frankreichs Kolonien und die soeben erworbenen des Deutschen Reiches in Westafrika (ebd., S. 20). Zur Berufung und dem geophysikalischen Arbeitsschwerpunkt: Engelmann 1983, S. 88–90. Die einzige selbständige Veröffentlichung in Königsberger Zeit war bezeichnender Weise ein Beitrag zur naturwissenschaftlich­mathema­ tischen Richtung der Geographie, ein ‚Leitfaden zur Kartenentwurfslehre‘ (1884, 1899 von dem Wagner­ und Zöppritz­Schüler Alois Bludau neu hg.). 779 GStA, Nl. Althoff, v. d. Goltz – Althoff v. 23. 3. 1883, zit. v. Engelmann 1983, S. 89. 780 Vgl. unten Kap. 6. 775

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scheidene Karten­ und Bücherkonvolut, dem Wagner den Namen „Geographische Sammlung“ zu­ legte, in Richtung Institut aus.781 Der Tod riß Zöppritz im März 1885 mitten aus diesem Auf­ und Ausbau seines Faches heraus. Daß er in vier Königsberger Jahren ebensowenig wie Wagner streng naturwissenschaftlich Kurs gehal­ ten hatte, irritierte die Berufungskommission offenbar nicht, die in kürzester Zeit drei Kandidaten für die Nachfolge präsentierte, die alle die „naturwissenschaftliche Geographie“ in Königsberg fortsetzen sollten.782 Berufen wurde der primo loco genannte Joseph Partsch, der aber aus „Familienrücksichten“ lieber in Breslau bleiben wollte. Althoff reichte den Becher weiter an den zweitplazierten Münchner Privatdozenten Albrecht Penck, der vor dem Beginn einer großen, 1906 auf dem Berliner Lehrstuhl von Richthofens endenden Karriere stand.783 Penck, dessen Ansehen sich auf seine morphologisch­ geologische Habilitationsschrift über ‚Die Vergletscherung der Deutschen Alpen‘ (1882) gründete, war trotzdem bereit, sich weit von diesem Forschungsgebiet zu entfernen. Der Bestallungsvorschlag lag auf Althoffs Schreibtisch, als im Juni 1885 Pencks Telegramm einging, das eine Berufung nach Wien meldete. Althoff depeschierte umgehend zurück, daß die Ernennung eingeleitet sei und er Penck als für Königsberg gebunden betrachte. Es bedurfte ministerieller Interventionen aus Wien, um Althoff diesen Fisch wieder vom Haken zu nehmen.784 Im zweiten Anlauf lockerte die Fakultät ihre Bedingungen. Der an erster Stelle genannte Paul Güßfeld war kein Exponent der „physischen Geographie“. Nach dem Urteil von Althoffs Berater Ferdinand von Richthofen, damals noch in Leipzig, war Güßfeld allerdings überhaupt kein Expo­ nent irgendeiner Richtung der jungen Universitätsdisziplin, sondern ein sich geschickt vermarktender Afrika­ und Arabien­Reisender, sportiver Bergsteiger, geistig beschränkter Kavallerieoffizier, ohne jede wissenschaftliche Vorbildung, dem letztlich alles fehlgeschlagen sei, bis auf das Erklimmen einiger hoher Gipfel. Daß ihn die honorige Berliner Gesellschaft für Erdkunde zu ihrem Generalsekretär gemacht habe, verdanke er seinen tadellosen Umgangsformen und seinen geschäftlichen Talenten. Für das Königsberger Ordinariat sei er jedenfalls „gänzlich ungeeignet“.785 Sprach’s, und legte Althoff seinen jungen Leipziger Kollegen Friedrich Hahn, einen der „kenntnisreichsten Geographen“ seiner Generation, ans Herz, den die Königsberger bereits hinter Güßfeld plaziert hatten, mit dem von leid­ voller Erfahrung mit „klimageschädigten“ Professoren zeugenden Hinweis, daß die Gesundheit des Hirschfeld 1885, S. 16, Zöppritz’ seinen Studenten in die Hand gedrückte ‚Kartenentwurfslehre‘ erwähnend. GStA …, Nr. 21, Bd. XIV, Bl. 2–10; PhilFak – PrMK v. 7. 5. 1885: 1. Joseph Partsch (1851–1925), Habil. für alte Geschichte und Erdkunde 1875 Breslau, ebd. 1876 b. ao., 1884 ord. Prof., 1905 Leipzig. – 2a. Theobald Fischer (1846–1910), 1876 Habil. Bonn, 1879 ord. Prof. Kiel, 1883 Marburg, arbeitete vor allem zur Länder­ kunde des Mittelmeerraums. – 2b. Albrecht Penck, München, s. folgende Anm. 783 A. Penck, 1858–1945 (NDB XX, S. 172 f.), seit 1878 geologische Forschungen über das Eiszeitalter, 1885– 1906 ord. Prof. Wien, 1906–1926 FWU, gilt mit seinen glazialmorphologischen Arbeiten (1879: Die Geschiebe­ formation Norddeutschlands), als Begründer der modernen Geomorphologie; als ein Hauptwerk sind die drei Bände ‚Die Alpen im Eiszeitalter‘, 1901–1909, anzusehen; „der bedeutendste deutsche Geograph in der ersten Hälfte des 20. Jhs.“ (NDB). 784 GStA …, Nr. 21, Bd. XIV, Bl. 11–13; Penck – Althoff v. 20. 6. 1885: obwohl er sich durch die Familie seiner Braut wie durch eine vage Aussicht auf ein Ordinariat an München gebunden fühle, sei er bereit nach Ostpreußen zu gehen, der „Heimatprovinz“ seiner eigenen Familie. Die am 23. 6. 1885 Althoff mitgeteilte Wiener Berufung ließ solche Sentimentalitäten unter den Tisch fallen (ebd., Bl. 24 und Bl. 23, Althoffs Antwort v. 24. 6.). Am 4. 7.1885 teilte Althoff dem Geographen sehr verstimmt mit, daß er einer vom Wiener Unterrichtsministerium bei v. Goßler erwirkten ministeriellen Anweisung folge und ihn von seiner Zusage entbinde. 785 Ebd., Bl. 58–60; v. Richthofen – Althoff v. 1. 8. 1885. Etwa gleichzeitig hatte Partsch Althoff noch einige jüngere Geographen empfohlen: Ferdinand Löwl (1856–1908), Prag, wie Penck ein Fachmann für die Geographie u. Geologie der Alpen, Fritz Regel (1853–1915), Jena, dort 1884 mit einer geomorphologischen Arbeit über den Thüringer Wald habilitiert, und F. W. Paul Lehmann (1850–nach 1930), RG­Direktor in Stettin, vgl. Engelmann 1983, S. 103 f. 781

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Sachsen ungeachtet seines blaßen und schwächlichen Aussehens doch als gut eingestuft werde, ein Kriterium, das man bei einer Berufung nach Ostpreußen wohl nicht mehr außer Acht lassen dürfe.786 In den 1890er Jahren wandte Hahn sich mehr und mehr der Landeskunde Ost­ und Westpreußens zu, die er jedoch vornehmlich durch seine Doktoranden erforschen ließ.787 Als persönlichen Abschluß seines in akribischen Forschungsüberblicken für Wagners Geographisches Jahrbuch788 gepflegten Inte­ resses an der Geographie des schwarzen Kontinents erschien 1901 die von Hahn gänzlich umgearbei­ beitete, größtenteils „neu geschriebene“ Sieversche Länderkunde Afrikas.789 Das opulente Werk, das die „welthistorischen“ Ereignisse in Südafrika (Burenkrieg) noch bis zum Herbst 1900 berücksichtigt, enthält sich jedes kritischen Seitenhiebs auf die Kolonialpolitik Englands und der übrigen europä­ ischen Mächte, wohl um umso selbstgewisser die Berechtigung der deutschen Landnahme vor allem in Südwest­ und Ostafrika darstellen zu können. Bedenklich erschien ihm in Deutsch­Ostafrika lediglich die gefährliche Geduld mit den „Arabern und dem Islam“ sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit von den „Juden Ostafrikas“, den Indern. Die deutsche Herrschaft solle sich stattdessen mehr „auf die Neger selbst“ stützen.790 Die materielle Ausrüstung des „Geographischen Lehrapparats“, die Zöppritz Hahn hinterlassen hatte, war bescheiden. Sie hatte Platz in einem schmalen Zimmer im Erdgeschoß des Hauptgebäu­ des. Damit verbunden war ein kleiner Saal für 30 Hörer. Der Etat für Neuanschaffungen lag bei den in Preußen üblichen 300 Mark, die weder für größere Bücher­ noch Kartenkäufe ausreichten. Eine Handbibliothek mußte Hahn erst aufbauen, sie umfasste 1891 erst 150 Bände. Die UB („arge Lücken“) half mit geographischer Literatur nicht aus, „nahegelegene auswärtige Bibliotheken zur Aus­ hülfe“ standen ihm nicht zur Verfügung. Bei den Zeitschriften mußte Hahn mit eigenen Beständen einspringen. Auch bei den Karten halfen die reichen „Privatsammlungen“ des Ordinarius aus, der als Junggeselle einen erklecklichen Teil des Gehalts in seine Bibliothek investieren konnte. An „Appara­ ten“, Globen, Modellen für die Projektionslehre, geodätischen und meteorologischen Instrumenten, war außer einem Erdglobus aus Peschels Nachlaß, 1891 „noch nichts vorhanden“.791

Ebd., Bl. 50–56; PhilFak – PrMK v. 27. 7. 1885, II. Liste Nf. Zöppritz: 1. P. Güßfeld, 1840 Berlin–1920 ebd., 1868 Habil. f. Mathematik Bonn, seit 1873 Forschungsreisen in Afrika, 1882 Südamerika, 1892–1914 Prof. f. Geographie und Leiter des naturwiss. Unterrichts am Seminar für Orientalische Sprachen Berlin, über seine berg­ steigerischen Leistungen veröffentlichte der erfolgreiche Reiseschriftsteller 1886: In den Hochalpen. – 2. F. Hahn (s. Catalogus). – 3. Rudolf Credner, 1850 Gotha–1908 Greifswald, 1878 Habil. Halle, 1881 b. ao., 1891 oö. Prof. f. Geographie Greifswald, 1901 Rektor, Begründer der Geographischen Gesellschaft zu Greifswald, bedeutender Anreger und Präzeptor der Landeskunde Pommerns. – Vgl. zum Ringen um die Zöppritz­Nachfolge: Engelmann 1983, S. 101–104, 110–112. 787 Siehe oben das Kapitel: Die Regionalisierung des Wissens. 788 Vgl. GeogrJb. 14, 1890/91, S. 62–107 (Afrika), dort auch (S. 31–62) ausführlich über seinen zweiten Schwer­ punkt als Berichterstatter: Australien und Polynesien; ebd. 20, 1897, S. 127–164; 25, 1902 zu Afrika, 26, 1903, zu Australien/Polynesien usw. 1895 war Hahn in den engeren Kreis der Mit­Hg. des GeogrJb eingetreten. 789 Hahn 1901, S. V. 790 Ebd., S. 319 f.; zur im Oktober 1899 zum Krieg eskalierten Auseinandersetzung zwischen Engländern und Buren betont zurückhaltend und damit von der enthusiastischen reichsdeutschen Parteinahme für die „stammver­ wandten“ niederländischen Einwanderer am Kap erheblich abstechend, ebd. S. 201–215. 791 Hahn 1891, S. 446–448. Zur weiteren, sehr langsam verbesserten Ausstattung Hahns jährlicher Kurzbericht in Chronik AUK 1891–1915. 786

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918 Geologie, Mineralogie und Paläontologie

In den Geowissenschaften war die Albertina, wie die Fakultät anklagend formulierte, 1895 die einzige preußische Universität, „wo alle drei Fächer noch in einer Hand liegen“.792 Eine Benachteiligung, die man noch bis 1901 ertragen mußte, als der Finanzminister endlich das oft geforderte beamtete Extraordinariat für Geologie und Paläontologie genehmigte und es dem Privatdozenten Ernst Schell­ wien, 1895 von Koken habilitiert, anvertraute.793 Die Geologie war bis dahin sträflich vernachlässigt worden. 1869 erhielt Gottlieb Michael Berendt zwar die venia für das Fach, doch hauptamtlich war der im Handelministerium angestellte und nach Königsberg beurlaubte Bergreferendar im Auftrag der Physikalisch­Ökonomischen Gesellschaft (PhÖG) mit der geognostischen Untersuchung und Kar­ tierung der Provinz beauftragt. Eine Arbeit, die, da auf die jüngeren Erdschichten konzentriert, der Landwirtschaft zugute kommen sollte. Um Berendt als Geologen stärker akademisch einzubinden, drangen Fakultät und Kurator darauf, ihn zum Extraordinarius zu ernennen und angemessen zu hono­ rieren. Der beharrliche Kurator v. Horn rang Falk 1872 mit einiger Mühe die Beförderung Berendts ab, aber ein Gehalt brachte ihm der Professorentitel bis 1875, bis zu seinem Wechsel nach Berlin, nicht ein.794 Bei der Landeskartierung setzte der Sachse Alfred Jentzsch Berendts Arbeit fort, der sich im Oktober 1875 überdies umgehend habilitierte, sich große Verdienste um die geologische Sammlung der PhÖG erwarb,795 sich aber nach über zwanzig, durch schwachen studentischen Zuspruch verlei­ deten Dozentenjahren mit einer Titularprofessur abfinden mußte.796 Bis 1875 fiel die Geologie eigent­ lich in den weitgespannten Lehrauftrag des Physikers Neumann, der sich geologisch aber uninteressiert zeigte, und dessen Reich (wie erwähnt) das Ministerium erst zu Falks Zeiten unter den Erben aufteilen konnte: Max Bauer wurde 1875 auf ein neues Ordinariat für Mineralogie und Geologie berufen,797 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVIII, Bl. 350–357; Liste Nf. Koken, PhilFak an PrMK v. 23. 7. 1895. Noch­ mals ebd., Bd. XX, Bl. 202 f.; Antrag v. 13. 1. 1899 für ein geol. Extraord., betr. Geol./Paläontologie stehe die AUK in Preußen in „ungünstiger Ausnahmestellung“. Dazu leider nichts bei: Ritzkowski 1995. 793 Ebd., Bd. XXI, Bl. 48; PhilFak – PrMK v. 17. 3. 1900, nochmals Extraord. Geologie beantragt. Ebd., Bl. 76, Vereinbarung mit Schellwien zum SS. 1901 v. 22. 3. 1901. 794 GStA …, Bd. VIII, Bl. 197 f.; PhilFak – PrMK v. 2. 12. 1871 wg. Ernennung Berendts zum ao. Prof. Ebd., Bl. 202; PhilFak – PrMK v. 11. 6. 1872: Bitte um dringende Entscheidung, Berendts Weggang wäre „unersetz­ licher Verlust“. Am 26. 11. 1872 erfolgte die Bestallung zum Extraord., aber ausdrücklich ohne Besoldung! Zwei Jahre später vertröstete das PrMK den Kurator mit der Nachricht, Berendts Dotierung sei für den Etat 1874/75 beantragt worden (ebd., Bl. 240–243). Der gebürtige Berliner hatte sich in zehn Jahren gut in die ostpreußischen Verhältnisse eingelebt und war, auch mit einem der ersten ausführlichen Reiseberichte über die Kurische Nehrung (1867) sowie mit einer Geologie dieser „preußischen Sahara“ (1869, diese offenbar auch als Habil.schrift verwen­ dend, vgl. Berendt – PrMK v. 5. 5. 1870 in: GStA …, Nr. 25, Bd. II, Bl. 247) zum geachteten Landeskundler geworden. Nebenher bekämpfte er Darwins Evolutionstheorie als zwar geistreich, aber unerwiesen (Berendt 1870). Zu Neumanns Eintreten für Berendts Absicherung in der Fakultät, vgl. L. Neumann 1907, S. 389 ff. 795 Die Katalogisierung der von Berendt zwischen 1865 und 1874 aufgebauten Sammlung, ihre Einfügung und Präsentation im Provinzialmuseum (seit 1879 im Haus Lange Reihe 7), sie ist das Verdienst von Jentzsch, dessen Führer durch die Sammlungen erstmals eine anschauliche Darstellung der Geologie Ostpreußens liefert (Jentzsch 1892). 796 Jentzsch (s. Catalogus) war 1866 von der Realschule ans Dresdner Polytechnikum gegangen, promovierte in Leipzig 1870 und mußte in Königsberg vor Einleitung des Habil.­Verfahrens wegen des fehlenden Abiturs um Dispens einkommen (GStA …, Nr. 25, Bd. III, Bl. 111; Kurator – PrMK v. 4. 6. 1875), der gewährt wurde, so daß er am 25. 10. 1875 mit der AV: „Ueber das Schwanken des festen Landes“ die umfassende venia für Geologie, Paläontologie und Mineralogie erhielt. 797 GStA …, Nr. 21, Bd. X, Bl. 5–8; PhilFak – PrMK v. 18. 12. 1874 betr. „Wiederbesetzung der vereinigten Professur für Mineralogie und Geologie“, d. h. Zusammenlegung von Berendts Extraordinariat und Neumanns mineral. Ordinariat. 1. Ernst Weiß (1833–1890), Prom. Halle 1860, Geol. Landesanstalt Berlin, ord. Prof. Berg­ akademie Berlin, wesentlich beteiligt an den preuß. geol. Landesuntersuchungen. – 2a. Max Bauer als Mine­ 792

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Voigt versah seit 1876 auf einem neuen Extraordinariat die theoretische Physik. Bauer und sein Nach­ folger Theodor Liebisch (WS. 1884/85–SS. 1887)798 verstanden sich aber primär als Mineralogen. Hatte Bauer, der sich – wie so viele, deren Klagen den amtlichen Schriftverkehr mit Althoff in einen Wetterbericht verwandelten – aus dem „entsetzlichen Königsberger Klima“ fortsehnte,799 immerhin noch vulkanologische Interessen gepflegt, widmete sich Liebisch ausschließlich der Kristallphysik.800 Die Königsberger Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Kristallform und den physika­ lischen Eigenschaften der Kristalle speisen sein Lehrbuch ‚Physikalische Krystallographie‘ (1890), für lange Zeit das Standardwerk, mit dem Liebisch auch dem „streng mathematischen Geiste“ Neumanns huldigte.801 Ähnlich verwertete Bauer seine überwiegend mineralogischen Königsberger Lehrveranstal­ tungen 1886 in einem ‚Lehrbuch der Mineralogie‘, das er Neumann zum 60. Doktorjubiläum widme­ te.802 Eigenartigerweise vergaben Bauer und Liebisch aber keine mineralogischen, sondern nur geolo­ gische Doktorthemen, und Liebisch wünschte sich ausdrücklich einen Geologen als Nachfolger, den

raloge „vorzüglich physikalischer Richtung“ (offensichtlich der Wunschkandidat Neumanns). – 2b. Carl Klein (1842–1907), 1869 Habil. Heidelberg, 1873 ao. Prof. ebd., 1877 ord. Prof. Göttingen, 1887–1907 FWU, 1875: ‚Einleitung in die Krystallberechnung‘. – 2c. Arnold von Lasaulx (1839–1886), Habil. Bonn 1868, ao. Prof. Bres­ lau 1875, 1880 Kiel, 1881 Bonn. Nachdem Goeppert sich Rat bei Ferdinand Roenne (Breslau) geholt hatte, der mit Verve Bauer empfahl (ebd., Bl. 9, Schreiben v. 25. 1. 1875), erhielt der Marburger Privatdozent den Ruf zum SS. 1875. 798 Ebd., Bd. XIII, Bl. 204–209; PhilFak – PrMK v. 11. 7. 1884, Liste Nf. M. Bauer: 1. Th. Liebisch (Greifswald, s. Catalogus). – 2a. Emil Cohen (1842–1905), 1871 Habil. Heidelberg, 1878 b. ao. Prof. Straßburg, SS. 1885 ord. Prof. Greifswald, Geologe u. Petrograph, während der Greifswalder Zeit vor allem Arbeiten zur Meteoriten­ kunde, „im politischen Leben unseres Kreises hat er eine bedeutende Rolle gespielt“, wie der anonyme Nachrufer rühmt in: Chronik Universität Greifswald 19, 1904/05, S. 3–6. – 2b. Cornelius Dölter y Cisterich (1850–1930), 1875 Habil. Wien, 1876 ao., 1883 ord. Prof. Graz, Vulkanologe u. Spezialist für Mineralanalyse, 1890: ‚All­ gemeine chemische Mineralogie‘. – Von Liebisch erhoffte man die Fortsetzung der „mineralogischen Tradition Neumanns“. Gründliche physikalisch­mathematische Kenntnisse der Kristallographie bezeuge sein ‚Lehrbuch der geometrischen Krystallographie‘. Auf gute geologische Schulung [die der Fakultät offenbar nicht so wichtig war] deute seine Dissertation über Diluvialgeschiebe in Schlesien. Wie sich aus seinem privaten Schriftwechsel mit Althoff ergibt, war es Bauer, der seinen Favoriten Liebisch unangefochten auf die Liste brachte, weil er am besten in die Königsberger Verhältnisse passe. Cohen folgte dann Liebisch in Greifswald nach, offenbar gegen Bedenken Althoffs und der Fakultät, die Bauer mit dem indes auch ihn wenig überzeugenden Argument aus dem Weg räumen wollte, C. sei weder „jetzt“ Jude, noch „je einer gewesen“, denn „er ist gleich bei seiner Geburt getauft worden“. Da Bauer wußte, es komme nicht auf die Religion, sondern auf die „Abstammung“ an, „die eine jüdische ist“, was aus seinem Namen folge, verwies er auf die Ehe mit einer Tochter des Heidelberger Historikers Ludwig Häusser (1818–1867) – „die Frau ist also jedenfalls durchaus christlich [sc. germanisch, deutsch]“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 6, Bd. III, Bl. 15 f.; Bauer – Althoff v. 21. 7. 1884). 799 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 6, Bd. III, Bl. 5–8; Briefe Max Bauers v. 1., 4. u. 7. 7. 1884, betr. den miserablen Gesundheitszustand seiner Frau und der sich eröffnenden Möglichkeit, zum WS. 1884/85 auf einen Marburger Lehrstuhl zu gelangen. 800 Sein erstes opus magnum hatte er als Breslauer Extraordinarius bereits 1881 vorgelegt: ‚Geometrische Krystal­ lographie‘, ein 500­Seiten­Werk („mit 493 Holzschnitten“). Über Liebisch, der auf kristallographisch­mineralo­ gischem Gebiet das Lebenswerk Franz Neumanns „bewußt und erfolgreich“ fortgesetzt habe, vgl. den Nachruf von Karl Schulz 1922. 801 Schulz 1922, S. 419. 802 M. Bauer 1886. Eine Verbeugung vor seiner Wirkungsstätte, der „Hauptstadt des Bernsteinlandes“, stellt darin eine ausführlichere Behandlung dieses Minerals organischen Ursprungs dar (ebd., S. VII). Liebischs mathe­ matische Fixierung bestimmte auch den privaten Umgang, der mit den Fachvertretern Lindemann und Hurwitz besonders eng gewesen sei, und zu diesem „Kreis“, offenbar einem naturwissenschaftlichen Pendant zum „Mon­ tagskränzchen“, stießen der „mathematische Physiker“ Volkmann und der Zoologe Chun (Schulz 1922, S. 419).

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er mit dem preußischen Landesgeologen Wilhelm Branco auch erhielt.803 Zunächst mit einer Tochter Hermann von Helmholtz’ verheiratet, nach deren Tod Schwiegersohn des nicht minder berühmten, aus Königsberg stammenden Physikers Gustav Kirchhoff, verfügte der merkwürdige Mann, der sich als Soldat und Landwirt versucht hatte, bevor ihn die Liebe zur Geologie ergriff, über beste Verbindungen zu Althoff, der ihm, nach „seelisch“ bedingter Demission, die Rückkehr ins akademische Amt ermög­ lichte, noch dazu auf ein Berliner Ordinariat. In einer dort gehaltenen Rede zu Kaisers Geburtstag ließ der Veteran des deutsch­dänischen Krieges seinen Royalismus so ungeniert in die Zügel schießen wie sonst nirgends in seinem abundanten Oeuvre. Ausführlich widmete er sich dabei den ‚Wirkungen und Ursachen der Erdbeben‘, um zum pathetischen Schluß aus naturwissenschaftlicher Metaphorik politische Belehrung zu keltern: Wie die Sterne auf einen Mittelpunkt hin gravitierten, so sei jeder Deutsche auf sein Volk hin orientiert. „Wer anders gravitiert als zu dem Deutschen Mittelpunkte, der […] schädigt unseres Volkes Macht und Sicherheit“. Da aber Seine Majestät wiederum Zentrum des Volkes sei, darf Branco ausrufen: „Die Sterne lehren uns die Königstreue.“804 Zu solchen Auslassungen fand er in Königsberg keine Zeit. Aber daß Althoffs Wahl 1887 nicht nur auf den qualifizierten Geologen, sondern auch auf den enthusiastischen Monarchisten gefallen war, darf man unterstellen. Branco, zum WS. 1890/91 schon wieder nach Tübingen enteilend, begleitet von seinem aussichtsreichsten Schüler Fritz Pompeckij,805 befaßte sich während seines östlichen Gast­ spiels wie eh und je mit Paläontologie, was die von ihm mitbestimmte Ausrichtung der Nachfolgerliste auf Geologen und Paläontologen entscheidend beeinflußte und nach heftigem Ringen und vielen Fru­ strationen letztlich zur Bestallung des Berliner Privatdozenten Ernst Koken führte. Jedoch erst, nach­ dem es gelungen war, den Paläontologen Koken dem Ministerium als potentiellen Mineralogen zu „verkaufen“. Denn in einer sonderbaren Verkehrung der Fronten stellte sich die Fakultät geschlossen hinter Branco und wollte sich der mineralogisch­kristallographischen, bei den Studenten auf keinerlei Resonanz mehr stoßenden Tradition des Neumann­Lehrstuhls leichten Herzens entledigen, während das Ministerium starrsinnig daran festzuhalten gedachte.806 Vielleicht deshalb verhandelte Althoff mit 803 GStA …, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 233–235; PhilFak – PrMK v. 9. 3. 1887, Liste Nf. Liebisch: 1a. Branco (Berlin) – 1b. Johannes Lehmann­Hohenberg, 1851 Königsberg–1925 Weimar, Habil. Bonn 1880, b. ao. Prof. Breslau 1884–1886, ord. Prof. 1886 Kiel, Mineraloge und Petrograph, vor allem „rechtsreformerisch“ aktiver politischer Publizist, 1903 deswegen amtsenthoben. – 2. Ernst Kalkowsky, s. Anm. 806. – Da Branco primär Paläontologe war und als solcher von der Fakultät auch ausdrücklich gewünscht wurde, erscheint seine Berufung als völlige Abkehr von der mineralogischen Ausrichtung des Lehrstuhls, vgl. auch Bestallungsvorschlag PrMK – ZivK v. 12. 4. 1887, in: GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 151–153. 804 Branco 1902, S. 115 f. 805 1908 der Nach­Nachfolger Brancos, s. u.. 806 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVI, Bl. 41–46; PhilFak – PrMK v. 1. 7. 1890, I. Liste Nf. Branco: 1a. Heinrich von Eck, 1837 Gleiwitz/O. S.–1925 Stuttgart, Sohn eines Hütteninspektors, nach naturwiss. Studium bei Ferdinand Roemer in Breslau 1865 ebd. promoviert (Über die Formation des bunten Sandsteins und des Muschelkalks und ihre Versteinerungen in Oberschlesien), Habil. 1866 Bergakademie Berlin, preußischer Lan­ desgeologe, 1871 oö. Prof. Polytechnikum Stuttgart, 1900 wegen Erblindung em.; gelobt von der Fakultät wegen seiner gründlichen Arbeiten über den Muschelkalk in Rüdersdorf, seiner Untersuchungen zu „triadischen Bil­ dungen verschiedener Gegenden“, insbesonders zur oberschlesischen Trias, seiner kartographisch­geognostischen Unternehmungen [im Schwarzwaldraum] sowie als „sorgfältiger Beobachter schwieriger Lagerungsverhältnisse“. Zur Beruhigung Althoffs endete die Laudatio mit einem kursorischen Verweis auf mineralogische Miszellen über Glimmer, Kalkspat usw. (Biogramm in NDB IV, S. 276 f.). – 1b. E. Kayser, 1845 Gut Friedrichsberg bei Kö­ nigsberg – 1927 München, 1870 Prom. FWU bei Ernst Beyrich: Über die Contact­Metamorphose der körnigen Diabase im Harze, 1871 ebd. Habil. f. Petrographie, 1872 Privatdozent Bergakademie Berlin, 1873 Preuß. Geol. Landesanstalt, 1881 Prof. ebd., 1885–1917 ord. Prof. Marburg, zum Zeitpunkt der Verhandlungen mit Königs­ berg schloß Kayser den ersten Band seines Hauptwerkes ab (‚Lehrbuch der Geologie‘, 1891/93). Die Fakultät betonte seine petrographischen, noch am ehesten mit der von Althoff erwünschten Mineralogie verwandten An­

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dem Erstplazierten Emanuel Kayser nur obenhin und nahm die Absage des in Marburg mit der Geo­ tektonik des Rheintals beschäftigten, mit paläozoischen Studien bekannt gewordenen gebürtigen Ost­ preußen ohne Bedauern zur Kenntnis.807 Mit ihrer zweiten Liste, die neben Koken den Heidelberger Extraordinarius Achilles Andreae vorschlug, der fast exklusiv zur Geologie des Elsaß geforscht hatte, ertrotzte die Fakultät endlich die Verlagerung des Schwerpunkts auf Geologie und Paläontologie.808 Koken war dabei gegenüber Andreae der klare Favorit deswegen, weil er als tüchtiger Erforscher der Vorzeitfauna sich nicht in Details verlor, sondern im Ruf stand, „grundlegende Einsichten“ über die Herkunft der fossilen Säugetierfauna und die Entwicklungsgeschichte der Knochenfische vermitteln zu können. Koken sei jedem Spezialismus abgeneigt und bestrebt, seine Studien „auf breiter Grundlage verallgemeinern“ zu wollen.809 Ein Lob, dem er 1893 in seinem populär gehaltenen Kompendium über ‚Die Vorzeit‘ ebenso gerecht geworden ist, wie mit dem ebenfalls nicht nur ans Fachpublikum sich wendenden mächtigen Band über ‚Die Leitfossilien‘ (1896). In Kokens Königsberger Schriften wie in späteren Arbeiten ist das Bemühen unverkennbar, Darwins Abstammungslehre – bei prinzipieller Zustimmung – mit paläontologischen Befunden zu kontrastieren, die sich aus der „natürlichen Zucht­ wahl“ und dem „Kampf ums Dasein“ nicht erklären ließen. Insoweit stemmte sich Koken gegen die voreilige Verweltanschaulichung gerade seines Faches, das „descriptive Wissenschaft“ bleiben und sich fänge, zeigte sich aber vor allem von seinen paläozoischen Studien beeindruckt, die ihm dem Ruf einer „Autorität“ eingetragen hätten, dazu kämen seit Amtsantritt in Marburg die an tektonischen Problemen orientierten Un­ tersuchungen im rheinischen Schiefergebirge. – 1c. Gustav Steinmann, 1856 Braunschweig–1929 Bonn, Prom. München 1877: Ueber fossile Hydrozoen aus der Familie der Coryniden, Habil. f. Geologie Straßburg 1880, b. ao. Prof. Jena 1885, oö. Prof. Freiburg, 1906–1924 Bonn (Wenig 1968, S. 301). Obwohl auch bei ihm akzentuierend, daß er seit Jahren Mineralogie zumindest im Kolleg berücksichtige, war doch nicht der eindeutige geologische Schwerpunkt zu verdecken, der sich aus seiner Beteiligung an der geognostischen Kartierung Elsaß­Lothringens und Badens sowie aus seiner „reichen Erfahrung“ ergab, die er während einer Forschungsreise beim Studium der Geologie der Anden erworben hatte.1890 hatte er zudem mit Ludwig Döderlein fast 1.000 Seiten ‚Elemente der Paläontologie‘ veröffentlicht, und dieser Richtung ist Steinmann auch treu geblieben, vgl. ‚Die geologischen Grundlagen der Abstammungslehre‘ (1908) und das 1917 in 2. Aufl. erschienene Teubner­Bändchen: ,Die Eiszeit und der vorgeschichtliche Mensch‘. – Für den Fall, daß Althoff an einer mehr petrographischen Vertretung inte­ ressiert sein sollte, bot man ihm, als „wissenschaftlich gleichwertig“ mit den Erstplazierten, den jenenser Extraor­ dinarius Ernst Kalkowsky (1851–) an, 1874 in Leipzig promoviert (Mikroskopische Untersuchungen von Felsiten und Pednen Sachsens) und 1878 ebd. habilitiert (Die Gneissformationen des Eulengebirges in Schlesien), 1886 b. ao. Prof. Jena, Verfasser eines gesteinskundlichen Lehrbuchs ‚Elemente der Lithologie für Studirende bearbeitet‘ (1886). 807 Ebd., Bl. 47; PrMK – Kurator v. 28. 7. 1890: Kayser würde ungern aus Marburg fortgehen, daher habe man davon abgesehen, ihn zu drängen. Im übrigen mißfalle die Ignoranz, die die Liste gegenüber der Mineralogie zeige. Schon wegen der „glänzenden Königsberger Tradition“ dieses Faches erwarte man neue Vorschläge. 808 Ebd., Bl. 101–110; PhilFak – PrMK v. 12. 11. 1890; II. Liste Nf. Branco, primo et aequo loco E. Koken (s. Ca­ talogus) und A. Andreae, 1859 Frankfurt/M.–1905 Hildesheim, Prom. Straßburg 1883: Beiträge zur Kenntnis des Elsässer Tertiärs, Juli 1884 Habil. f. Geologie Heidelberg: Das Oligocän im Elsaß, 1887 nb. ao. Prof. ebd., während der Königsberger Beratungen auf einer Studienreise im östlichen Mittelmeerraum, zum SS. 1891 b. ao. Prof. f. Ge­ ologie u. Paläontologie Heidelberg, 1894 Direktor des Roemer­Museums in Hildesheim (Drüll 1986, S. 3); „einer der wenigen neueren deutschen Geohistoriker“, der den jüngsten Abschnitt der Erdgeschichte (Tertiär) zu seinem Hauptstudiengebiet machte (NDB I, 281 f.). – Als Trostpflaster für die neuerliche Mißachtung des ministeriellen Wunsches nach einem Mineralogen versicherte die Fakultät Althoff einerseits, sie sei von Kokens Befähigung, sich umgehend mit mineralogischer Forschung vertraut zu machen, fest überzeugt, andererseits regte man im Wider­ spruch dazu an, den kristallographisch geschulten Liebisch­Schüler und 1887 habilitierten Assistenten Benno Hecht (s. Catalogus) zum beamteten Extraordinarius zu ernennen, der Koken mineralogisch entlasten werde (ebd., Bl. 109 f.). 809 Ebd., die sehr ausführliche Laudatio, die vom PrMK ohne Abstriche in den Bestallungsvorschlag v. 17. 12. 1890 übernommen wurde, vgl. GStA, Rep. 89, Rep. 21661, Bl. 30–32.

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vor der Versuchung hüten solle, „alles einheitlich“ erklären zu wollen. Daß „unermüdliches Sammeln von Thatsachen“ am Ende eine „klare Weltanschauung“ erzeuge, schien ihm indes nicht zweifelhaft. Aktuell aber ertöne der Widerspruch empirischer Forschung gegen die „Annahmen des Darwinismus“ so laut, daß man besser auf „das geistreiche Spiel der Deduction“ verzichte, zu dem das Werk des bri­ tischen Gelehrten verführe.810 Mit dem von Koken inspirierten Primo­loco­Vorschlag, den ihm vermutlich aus der Berliner Zeit gut bekannten Mineralogen Conrad August Tenne, Kustos am dortigen Naturkunde­Museum, zu be­ rufen, wollte die Fakultät die paläontologisch­geologische Ausrichtung des Ordinariats offensichtlich wieder revidieren, wenn man nicht unterstellt, ihr eigentlicher Wunschkandidat sei Wilhelm Deecke gewesen, der Greifswalder Fachmann für die Geologie des Ostseeraums. Von Max Bauer beraten, der die Ansicht vertrat, geologisch biete Ostpreußen „nichts“, und ein Geologe, der in Königsberg „wenig zu forschen“ finde, sei dort eben am falschen Platz, verwarf Althoff 1895 die Fakultätsliste für Kokens Nachfolge und oktroyierte den seit 1886 in Münster lehrenden Kristallographen Otto Mügge, was die Rückwendung zur Linie Bauer – Liebisch besiegelte.811 Mügge las öfter über Gesteinskunde, demonstriert an ostpreußischen Geschieben, und über Vulkanologie, und er bot Einführungen in die Geologie an. Trotzdem ist nicht zu übersehen, wie er die Geologie und zumal die Paläontologie sukzessive seinem Extraordinarius Schellwien überließ, um weiterhin die Kohäsionseigenschaften der Kristalle und, als Königsberger Schwerpunkt, regelmäßige Verwachsungen verschiedenartiger Kristalle zu erforschen. Die praktische Umsetzung seiner Experimente behielt er dabei stets im Auge, da Mügge besondere Aufmerksamkeit den Strukturflächen der technisch wichtigsten Metalle schenkte. Die Ar­ beiten kurz vor der Annahme eines Göttinger Rufes als Nachfolger von Liebisch (1908) galten der Erkennung radioaktiver Wirkungen in Gesteinen, die insoweit „bahnbrechend“ waren, als sie den An­ stoß zur Altersbestimmung von Mineralien und Gesteinen aufgrund radioaktiver Messungen gaben.812 Daß mit Branco und Koken zunächst zwei Paläontologen den beiden Kristallographen Bauer und Liebisch nachfolgten, schien mit den schlechten Arbeitsbedingungen im „Mineralien Cabinett“ zu­ Koken 1893, S. 616 f., 635; vgl. a. ders. 1902, S. 3–6, 12 f., 25–33. Auf das Verhältnis zu Darwin nicht eingehend der ansonsten ausführliche Nachruf v. Huenes 1912. Es ist gewiß kein Zufall, daß der Baltendeutsche Friedrich von Huene, 1897 von Koken in Tübingen promoviert, 1902 habilitiert über die Saurier der deutschen Trias, lange dessen Assistent, zu den wenigen Exponenten der Faches im 20. Jh. zählt, die sich von Darwin un­ beeindruckt zeigten und glaubten, Paläontologie und christliche Religion ließen sich miteinander in Einklang bringen (Reif/Lux 1987). 811 GStA …, Nr. 21, Bd. XVIII, Bl. 350–357; PhilFak – PrMK v. 23. 7. 1895, Liste Nf. Koken: 1. Conrad August Tenne, 1853 Hildesheim–1901 Bad Ems, 1878 Prom. Göttingen: Krystallographische Untersuchungen einiger organischer Verbindungen, 1885 Habil. f. Mineralogie u. Kristallographie FWU, Kustos d. Mineralog.­ Petrographischen Sammlung des Berliner Museums für Naturkunde, posthum 1902: Die Mineralfundstätten der Iberischen Halbinsel. – 2. Wilhelm Deecke, 1862 Lübeck–1934 Freiburg, 1884 Prom. Straßburg, 1886 Habil. f. Geologie u. Paläontologie Greifswald, SS. 1893 b. ao. Prof., WS. 1905/06 Prof. f. Mineralogie u. Geologie ebd., WS. 1906/07–1931 oö. Prof. f. Geologie u. Paläontologie Freiburg, dort im Nebenamt 1907–1924 Direktor der Bad. Geol. Landesanstalt, während der Greifswalder Zeit viele Arbeiten zur Geologie des Ostseeraums, zur Geolo­ gie und Landeskunde Pommerns (s. Badische Biographien N. F., Bd. I, 1982, S. 92–94). – 3. Franz F. Graeff, 1855 Bretten/Baden–1902 Freiburg/Br., 1878 Prom. Freiburg, 1878–1884 Assistent Chem. Inst. ebd., 1888 nb. ao. Prof., 1892 besold. LA, 1896 b. ao. Prof. f. Mineralogie, Kristallographie u. Petrographie ebd., Arbeiten zur Lan­ desgeologie Badens, primär Mineraloge. – Ebd., Bl. 358; Althoff – Kurator v. 16. 9. 1895: Der Liste könne nicht zugestimmt werden, die Fakultät möge sich zu Mügge äußern. Mit Schreiben v. 18. 8. 1895 hatte Bauer Althoff von Deecke und Graeff entschieden abgeraten, Tenne gerade einmal als „passabel“ eingestuft und ihn auf Reinhard Anton Brauns (1861–1937) in Gießen aufmerksam gemacht, der die optischen Anomalien von Kristallen erforscht hatte. Mügge käme auch in Betracht, doch scheine der Fakultät seine „mehr mathematische Richtung“ nicht er­ wünscht (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 6, Bd. III, Bl. 35). 812 Über Mügges Königsberger Forschungen sein Schüler H. Rose 1932, S. 408 f. 810

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sammenzuhängen, die Bauer 1875 vorfand und die sich bis Liebischs Wegberufung trotz bohrender Eingaben nicht wesentlich besserten. 1882 klagte Bauer im obligatorischen Jahresbericht, der Zu­ stand der Mineraliensammlung, die aus Platzgründen teilweise unzugänglich in 50 Kisten auf dem Dachboden lagere, sei „ungenügend“, die beengten Räumlichkeiten machten wissenschaftlich ruhiges Arbeiten unmöglich, selbst dann, wenn er Instrumente hätte, die ihm kristallographische Untersu­ chungen erlaubten.813 Dies erklärt wohl auch sein Ausweichen auf geologische Themen bei der Vergabe von Doktorarbeiten und der Förderung seines Assistenten Fritz Noetling, den er 1882 für Geologie und Paläontologie habilitierte.814 Kurz vor seinem Wechsel nach Marburg gestand Bauer, daß er auf seinem eigentlichen Forschungsfeld, der Kristallographie, nach zehnjährigem Wirken in Königsberg „fast ganz lahm gelegt“ sei.815 Liebisch schrieb dem Ministerium noch deutlicher ins Stammbuch, wie groß der durch konse­ quente Berliner Indolenz entstandene Abstand zur Heroenära Königsberger Naturwissenschaft inzwi­ schen geworden war. Das Mineralienkabinett besitze nämlich nicht die Bedeutung eines wohlein­ gerichteten Instituts, sondern sei lediglich eine Sammlung. Was aber wie an anderen preußischen Universitäten zu fordern sei, sei die Verbindung von Vorlesungen mit praktischen Anleitungen in den modernen physikalischen Untersuchungsmethoden der Mineralogie. Nicht nur die Studenten der beschreibenden Naturwissenschaften, auch die Chemiker und Physiker seien darauf angewiesen, die Methoden „mineralogisch­krytallographischer Forschung praktisch kennen zu lernen um sie jederzeit selbständig anwenden zu können“. Wer sich daran erinnere, daß an der Albertina ein Franz Neumann als Professor der Mineralogie und Physik gewirkt habe, dessen „glänzende Leistungen auf dem Gebiet der Krystallographie von maßgebendem Einflusse auf die Entwickelung der mineralogischen Studien“ gewesen seien, und wer daran heute die Erwartung knüpfe, gerade an seiner Wirkungsstätte seien die Mittel für Lehre und Forschung in der Mineralogie ausreichend bemessen, „um den […] in unge­ schwächtem Maße fortwährenden Impulsen jenes Meisters zu folgen“, werde sich „sehr bald enttäuscht sehen“, wenn er die Zustände des Kabinetts und seine instrumentellen Hilfsmittel kennenlerne. Und er werde dann „nicht mit Unrecht geneigt sein, hieraus eine Erklärung der Thatsache zu entnehmen, daß den Studierenden der beschreibenden Naturwissenschaften an dieser Universität das Interesse für die Nahrung, welche sie aus dem Boden der Physik ziehen können, in so bedenklichem Grade ge­ schwunden ist“.816 Mit dieser Argumentation warb Liebisch zwar 6.500 M. ein, um endlich ein paar Apparate für sein im SS. 1886 erstmals angebotenes „Krystallographisches Praktikum“ anschaffen zu können, doch für eine Wiederbelebung der Neumann­Tradition reichte das natürlich bei weitem nicht aus, so daß mit der Berufung des Geologen und Paläontologen Branco kurzerhand der Lehr­ und Forschungsschwer­ punkt verlagert wurde. Allein Liebischs einziger Habilitand Benno Hecht bot bis 1893 regelmäßig (ausstattungsbedingt) schwach besuchte kristallographische Übungen an.817 Trotz der dann mit Mügges Berufung zum WS. 1895/96 erneuten Schwerpunktverlagerung zurück auf die Mineralogie, war es Koken gelungen, mit seinem Habilitanden Ernst Schellwien die landes­ kundlich orientierte Geologie in einer 1890 mit neuen Räumlichkeiten versehenen, vom Kabinett zum GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 13, Bd. II; Bauer – PrMK v. 20. 4. 1882. Noetling bot zwischen 1882 und 1885 seiner venia entsprechend schwach besuchte Veranstaltungen, u. a. über „Fossile Wirbelthiere“ und „Geognosie des norddt. Flachlandes“ an. 1886 trat er in die Dienste des India Office und leitete von Kalkutta aus die Geolog. Landesuntersuchung im östlichen Indien. 815 Wie Anm. 813; Bauer – PrMK v. 31. 3. 1883. 816 Ebd.; Liebisch – PrMK v. 31. 3. 1885. 817 Ebd., Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVIII, Bl. 49; Kurator – PrMK v. 7. 4. 1894: Hecht (s. Catalogus) habe eine Stelle als Hilfslehrer an der Städt. Realschule angenommen und beabsichtige, seine (schlecht bezahlte) Assistentenstelle am Mineral. Institut zu kündigen und die akademische Laufbahn zu verlassen – wohl auch infolge der unzuträglichen Arbeitsbedingungen. 813

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Institut heraufgestuften Forschungsstätte zu verankern. Nach mehreren erfolglosen Fakultätseingaben durfte Schellwien 1901 die unter Preußens Universitäten insoweit „ungünstige Ausnahmestellung“ Königsbergs beenden, als Althoff endlich für ihn ein, auch dank der jüngsten Erfolge der prähisto­ rischen Forschung, die das „Interesse an erdgeschichtlichen Fragen“ noch gesteigert hätten, „zwingend notwendig“ gewordenes geologisches Extraordinariat genehmigte.818 Schellwien, der 1906 überraschend starb, und sein Nachfolger Alexander Tornquist819, belebten die seit Berendt und Jentzsch eingeschlafene Provinzialgeologie wieder. Schellwien erforschte die Geologie der nahen Samlandküste und gab damit den Anstoß, um Landverluste durch verbesserten Küstenschutz einzudämmen.820 Tornquist legte 1910 die quasi abschließende, seit 100 Jahren nicht mehr revidierte Monographie zur ‚Geologie von Ostpreußen‘ vor.821 Von Schellwien hatte er die 1903 für schwindelerregende 300.000 Mark vom Preußischen Staat angekaufte, dem Geologischen Institut überlassene Bernsteinsammlung von Stantien & Becker übernommen und sie seit 1911 in großzügig ausgebauten Institutsräumen öffentlich zugänglich gemacht. Für Tornquist symbolisierte das „Gold des Nordens“ das „Bernsteinland Ostpreußen“, und zugleich sah er seine Sammlung, „die größte der Welt“, im „Mittelpunkt“ des Publikumsinteresses „in Königsberg und der Provinz“, so daß die Alber­ tina über kein besseres Instrument verfüge, um naturwissenschaftliches Wissen zu popularisieren und die Identifikation der „Gebildeten“ mit ihrer Heimatregion zu festigen. Um dies noch effizienter tun, den Werbeeffekt der Sammlung erhöhen zu können und sicherzustellen, daß Königsberg weiterhin der „Mittelpunkt der Bernsteinforschung“ bleibe, bemühte Tornquist sich seit 1911 um die Übernahme der wertvollsten Teile der vom Landesgeologen Richard Klebs zusammengetragenen Kollektion, deren Verkauf in die USA befürchtet wurde. Nach langwierigen Verhandlungen und mühsamen Bittgängen bei privaten Geldgebern wurde im Juli 1914 der Vertrag geschlossen, doch der Kriegsausbruch ver­ hinderte dann die Übernahme der „Klebs’schen Bernsteinsammlung“, die erst 1926 von Tornquists Nachfolger Karl Andrée dem Institut einverleibt werden konnte.822 Chemie und Pharmazeutische Chemie Das erste selbständige Ordinariat für Chemie, die zuvor mit der Physik und anderen Naturwissen­ schaften von dem Universalgelehrten Karl Gottfried Hagen vertreten wurde, erhielt 1833 Friedrich

Ebd., Bd. XX, Bl. 202 f; PhilFak – PrMK v. 13. 1. 1899 betr. geolog./paläont. Extraordinariat für Schellwien. Ebd., Bd. XXI, Bl. 48; PhilFak – PrMK v. 17. 3. 1900 nochmals wg. Extraord. Geologie. Ebd., Bl. 76, 79 Beru­ fungsvereinbarung und Bestallung zum 1. 4. 1901. 819 Die unmittelbare Nachfolge trat noch im WS. 1906/07 der Branco­Schüler Josef Pompeckij an, gebürtiger Ostpreuße, 1867 geb. als Sohn eines kath. Gutsbesitzers im Kr. Rössel/Ermland, 1890 an der Albertina promoviert (Die Trilobitenfauna der ost­ u. westpreußischen Diluvialgeschiebe), der auch schon für das SS. 1907 in guter Schellwien­Tradition eine Vorlesung zur „Geologie Ostpreußens“ ankündigte, dann aber nach nur drei Monaten in Königsberg zum 1. 4. 1907 einem Ruf nach Göttingen folgte. 820 Schellwien 1905. 821 Tornquist 1910. 822 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 61 Adhib.; darin vor allem die Korrespondenz zwischen Tornquist und Kurator v. Windheim/PrMK 1911–1914 mit der einschlägigen, oft wiederholten Argumentation zur wis­ senschaftspolitischen Bedeutung der Bernsteinsammlung. Klebs hatte zeitweise als Direktor bei Stantien & Becker im Bergwerk Palmnicken/Samland gearbeitet und sich mit seltenen Funden eine ca. 11.000 Stücke umfassende Privatsammlung aufbauen dürfen, die er in seiner Königsberger Wohnung aufbewahrte. Als er 1911 starb, lancierte die Erbengemeinschaft, deren Sprecher der 1913 nach Königsberg berufene Berliner Pathologe Carl Kaiserling, Schwiegersohns Klebs’, war, daß US­Museen ohne zu zögern für 100.000 Mark zum Ankauf bereit seien. Torn­ quists diskrete Ermittlungen in den USA konnten derlei Absichten nicht bestätigen, und so gelang es ihm nach und nach bis 1914 den Preis auf 65.000 M. zu drücken.

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Philipp Dulk, der dieses Amt bis zu seinem Tod 1851 versah.823 Ihm folgte 1853 der Sachse August Friedrich Werther, der zuvor an der Berliner Artillerieschule unterrichtet hatte und dem in seinen ersten Jahren das Dulk vorenthaltene Laboratoriumsgebäude genehmigt und eingerichtet worden war, ohne daß damit eine zureichende Ausbildungs­ und Forschungsstätte entstanden wäre.824 Fast gleichzeitig, ab 1855 als Privatdozent, widmete sich der Königsberger Hermann Spirgatis der pharmazeutischen Chemie, untergebracht in einem den Namen Labor kaum verdienenden Gelaß neben dem alten Uni­ versitätsgebäude auf der Dominsel,825 während in der Medizinischen Fakultät seit 1844 ein Lehrstuhl für Pharmakologie bestand, den bis 1873 der Kurländer Karl Friedrich Wilhelm Cruse besetzte. Werther starb 1869. Da die Medizinstudenten nicht nur bei Cruse hörten, sondern Werthers Fach zu den Pflichtveranstaltungen in den vorklinischen Semestern zählte, reklamierten die Mediziner ein Mitspracherecht bei der Nachfolgeregelung. Die Vorschläge der Philosophischen und Medizinischen Fakultät gingen dann aber unvereinbar weit auseinander. Nach dem Willen der einen sollte Spirgatis Werther beerben, um endlich ein brauchbares Labor zu erhalten. Dafür, so schlug man vor, genüge es, seinen Lehrauftrag auf experimentelle Chemie auszudehnen, und ihm für den „Rest“ einen Extra­ ordinarius zu attachieren, den Bunsen­Schüler Rathke, der wegen seiner in Königsberg bei Neumann einst erworbenen guten mathematisch­physikalischen Kenntnisse auch die an Bedeutung gewinnende physikalische Chemie vertreten könne. Die Mediziner hingegen sahen die pharmazeutische Chemie hinreichend durch ihren Kollegen Cruse sowie durch Spirgatis in seiner hergebrachten Position ab­ gedeckt und begehrten einen Fachmann für physiologische Chemie. Ihr Favorit hieß darum Adolf Baeyer, der am Berliner Gewerbeinstitut lehrte und sich seit 1860 mit Untersuchungen über die Harn­ säuregruppe qualifiziert hatte. Dies erschien auch Mühler die sinnvollere Alternative zu sein, doch gab ihm der spätere Chemie­Nobelpreisträger einen Korb – die Königsberger Arbeitsbedingungen dürf­ ten abschreckend gewirkt haben.826 Die physiologischen Chemiker, die er v. Mühler empfahl, Lothar Meyer (Karlsruhe) und Rudolph Fittig (Göttingen), behagten der Fakultät nicht, zumal Neumann sich Zu Dulk (1788 Schirwindt/Ostpr.–1851 Königsberg), 1826 Habil. AUK, vgl. Prutz 1894, S. 164, und auf der Basis von H. Matthes 1928: Rud. Schmitz 1969, S. 222 f. 824 Rud. Schmitz 1969, S. 223–225. 825 Ebd., S. 225–228. 826 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VII, Bl. 156 f.; PhilFak – PrMK v. 27. 7. 1869, Liste Nf. Werther. Ebd., Bl. 158–160, Liste MedFak v. 25. 7. 1869, primo et aequo loco Baeyer sowie – die Mediziner hatten hier wirklich die erste Garde des Nachwuchses unter den Biochemikern im Auge – Felix Hoppe­Seyler (1825–1895), ord. Prof. Tübingen 1861, der Begründer der physiologischen Chemie als eigenständiger Disziplin, der 1884 als Prof. in Straßburg auch das erste Institut f. physiol. Chemie einrichtete; seit 1877 Hg. der von ihm ins Leben gerufenen Zeitschrift für physiologische Chemie. – Ebd., Bl. 167, PrMK – Baeyer v. 9. 9. 1869, Angebot des Königsberger Lehrstuhls. Ebd., Bl. 177, PrMK – Kurator AUK v. 8. 11. 1869: nach Baeyers Ablehnung prüfen, ob Lothar Meyer (1830–1895), 1868 ord. Prof. TH Karlsruhe, 1876 Tübingen, hatte 1869 gerade Aufmerksam­ keit erregt durch sein „Periodensystem der Elemente“, oder Rudolph Fittig (1835–1910), 1866 ao. Prof. Göttin­ gen, 1876 ord. Prof. Straßburg, 1869 Entdeckung des Phenanthrens, in Frage kommen, die Baeyer empfohlen hatte. Von den Medizinern wurden beide als zu „experimentell“ abgelehnt (ebd., Bl. 191, Votum v. 27. 11. 1869) und statt ihrer genannt die wiederum in der Nachbarfakultät bereits als schlechtere Alternative zu Rathke zu­ rückgewiesenen (ebd., Bl. 170–172, Votum PhilFak v. 8. 9. 1869) Privatdozenten Otto und Buff. – Robert Otto, 1837 Braunschweig–1907 ebd., nach pharmazeut. Ausbildung und naturw. Studium in Braunschweig, Göttin­ gen, Greifswald Prom. ebd. 1862: Untersuchung über einige Zersetzungsproducte der Hippursäure, schon 1863 ebd. Habil. f. Pharmazie u. Chemie, 1870 als Nf. seines Vaters als ord. Prof. an die TH Braunschweig berufen (Jarck/Scheel 1996, S. 454), Hauptwerk die bis 1896 in sieben Aufl. verbreitete: ‚Anleitung zur Ausmittelung der Gifte und zur Erkennung der Blutflecken bei gerichtlich­chemischen Untersuchungen‘. – Heinrich Ludwig Buff, 1844 Gießen–1902, Sohn des Prof. f. Chemie Johann Heinrich B. (1805–1878), Habil. f. Chemie Göttingen 1869. – Zu Neumanns Favorit Bernhard Rathke vgl. Gundlach 1927, S. 470: geb. 1840 in Königsberg als Sohn des Anatomen Martin Heinrich R. (s. o. 2.2.3.), gest. 1923 Meran, 1869 Habil. Halle, 1876 ao. Prof. ebd., 1882 dauernd beurlaubt. 823

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auf Rathke versteift hatte. Mühler bot trotzdem Meyer, immerhin auch ein Neumann­Schüler, das Amt an, bekam aber den nächsten Korb, weil das badische Ministerium diesem soeben alle Wünsche für eine splendide Institutsausstattung bewilligt hatte.827 Schließlich scheiterte selbst Mühlers Versuch, den in Marburg in einem gleichfalls recht desolaten Labor arbeitenden Ludwig Carius, im Urteil seiner Fachgenossen alles andere als eine Spitzenkraft, zu verpflichten.828 Der Knoten platzte, als Kurator von Horn als Kompromißkandidaten den für beide Fakultäten akzeptablen Leipziger Chemiker Carl Graebe, einen Baeyer­Schüler, präsentierte und durchsetzte.829 Graebe, 1862 in Heidelberg von Bun­ sen promoviert, entdeckte 1868 die Grundsubstanz des Alizarins, das Anthracen. Zusammen mit dem Berliner Chemiker Carl Liebermann glückte es ihm unmittelbar darauf, das Alizarin, den wichtigsten Farbstoff der Krappwurzel und damit einen Naturfarbstoff zu synthetisieren. Ihre Patente übertru­ gen Graebe und Liebermann 1869 der Badischen Anilin­ und Sodafabrik (BASF), die mit der tech­ nischen Ausführung ihrer Farbstoffsynthese begann.830 Beiden Chemikern war mit dem synthetischen Alizarin die „erste große, vollständig originale Leistung der jungen deutschen Teerfarben­Industrie“ gelungen, und sie legten damit die Basis für die „Weltgeltung der deutschen Farbenindustrie“.831 Der von Haus aus ohnehin begüterte Graebe, durch den Patentverkauf wirtschaftlich unabhängig, nahm zum SS. 1870 trotzdem den Ruf an die Albertina an. Ungeachtet der bedrückend schlechten La­ boratoriumsausrüstung, der beengenden Räumlichkeiten und überwiegend nur von Medizin­ und Landwirtschaftsstudenten besuchten Praktika, schien sein Ehrgeiz darauf gerichtet, das unter Werther abgerutschte Unterrichtsniveau wieder zu heben und gleichzeitig, in engem Zusammenwirken mit der BASF, die Farbstoffchemie voranzubringen. Als er im Juli 1875 einen Ruf auf Carius’ Marburger Lehr­ stuhl erhielt, schien dies Ziel erreicht, denn der Kurator lobte seine Aufbauarbeit in höchsten Tönen, um das Ministerium zu veranlassen, dem Mann, der das Studium der Chemie in Königsberg „geradezu neu belebt“ habe, generös entgegenzukommen, ihm den Um­ und Ausbau des Labors und mittelfristig auch einen Neubau zu gewähren.832 Graebe erhielt die ministerielle Zusage, lehnte den Marburger Ruf ab und beendete trotzdem wenige Monate darauf seine Lehrtätigkeit. Die Motive dafür sind aus den Akten nicht aufzuklären, aber Anfang 1876 begab sich der Chemiker in eine Nervenheilanstalt in Blankenburg im Harz, die er zum Winter 1876/77 auf ärztliche Empfehlung Richtung Süden ver­ ließ.833 Kurator von Horn teilte seinem Minister nicht mit, warum Graebes „Nerven“ versagt hatten, er wagte indes die Einschätzung, daß diese „Krankheit“ keine Privatsache geblieben und somit zu ver­ tuschen sei, sondern dem gesellschaftlichen Ansehen des Professors schade. Trotz höchster Wertschät­ zung gerade des Dozenten Graebe, hielt es von Horn für die beste Lösung, auf eine Rückkehr in die Ebd., Bl. 192 f; PhilFak – PrMK v. 24. 12. 1869, Stellungnahme zu Meyer/Fittig, ebd., Bl. 194; PrMK – L. Meyer v. 25. 1. 1870 u. Bl. 178, Absage Meyers v. 31. 1. 1870. Meyer, der ebenso wie sein Bruder, der Breslauer Physiker Oscar Emil M., bei Neumann studiert hatte und nun versicherte, daß es ihm eine große Freude gewesen wäre, an der Seite seines alten Lehrers wirken zu dürfen, wollte sich dem badischen Ministerium gegenüber nicht als undankbar erweisen – abgesehen davon gäbe es aber auch erhebliche Bedenken wegen der „geographischen Abgeschlossenheit“ und wegen des „durch eigene nicht ungetrübte Erfahrung bekannte[n] rauhe[n] Klima[s]“, dem er seine und seiner Familie „wenig kräftige Gesundheit“ nicht aussetzen wolle. 828 Ebd., Bl. 196; Carius (1829–1875), ord. Prof. Marburg 1865 (Schmitz 1978, S. 267–271) – PrMK v. 13. 2. 1870: er sei nicht abgeneigt, fürchte aber das „rauhe Clima“, zudem verbessere er sich finanziell nicht. 829 GStA, Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 77; v. Horn – PrMK v. 17. 3. 1870. 830 Strahlmann in: NDB VI, 1964. 831 So Graebes Nachrufer Paul Duden/Hermann Decker 1928, S. 16 f. 832 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, Bl. 104 f.; Kurator – PrMK v. 30. 7. 1875. 833 Nach Duden/Decker 1928, S. 18, sei die „schon ausgesprochene Versetzung wieder zurückgenommen“ wor­ den, was Graebe, für den sich gleichzeitig auch eine Berufung nach Straßburg zerschlug, außerordentlich ver­ stimmt habe und in ihm die Befürchtung wachrief, er müßte dauernd in Königsberg bleiben. Eine derart schon sicher geglaubte Wegberufung löste dann einen „Nervenzusammenbruch“ aus, „der die Form einer schweren Me­ lancholie annahm“. 827

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alten Verhältnisse, die ihm „peinlich“ sein könnten, lieber zu verzichten.834 Im März 1877, nachdem er den Winter in Zürich zugebracht hatte, entschloß sich Graebe zu von Horns Erleichterung statt zu einem weiteren Urlaubs­ zum Entlassungsgesuch.835 Im Sommer 1877 vertrat ihn bereits im vierten Semester der von ihm habilitierte Privatdozent Heinrich Otto Salkowski, der sich damit einen Anspruch auf die Nachfolge erworben hatte. Dies meinte zumindest eine Mehrheit in der Fakultät, die ihn als experimentell begabten, vielseitig pro­ duktiven Forscher in der organischen Chemie schätzte, der sich vor allem um die Systematisierung der Benzolderivate verdient gemacht habe, was seine eingestandenen, erheblichen Defizite als Dozent und Betreuer im Labor aufwiege.836 Eine ansehnliche Minderheit, zu der sich Kurator von Horn gesellte, gewichtete die Anforde­ rungen indes entschieden anders. Was Berufungserwägungen in fast allen anderen Disziplinen nach 1870 belegen, traf auch für die Chemie zu: den „praktischen“ Aspekten des Studiums räumte man ei­ nen immer höheren Stellenwert ein, und oft fiel die Wahl auf den qualifizierten Lehrer eher als auf den ausgewiesenen Forscher. So auch im Falle Salkowskis, der, nach Ansicht von Horns und der Dissenter, durch seine Unfähigkeit, die Studenten im Labor anzuleiten und sie zu berufstauglichen Chemikern auszubilden, das Fach „hier zum Stillstand“ gebracht habe, was seine Leistungen als Forscher eben nicht kompensierten.837 Das Ministerium akzeptierte dies und ließ einen Ruf an Carl Liebermann ergehen, Graebes einstigen Kompagnon bei den Arbeiten zur Farbstoffsynthese. Aber der, obwohl nur Professor an der Berliner Gewerbe­Akademie, wollte nicht Ordinarius im „rauhen Klima“ Königsbergs werden.838 Auch der einstimmig secundo loco plazierte Münchener Extraordinarius Julius Volhard, der als nächster den Ruf erhielt, sagte ab, weil er seine kranke Frau nicht ins „Königsberger Klima verpflanzen“ mochte.839 Beide dürften familiäre Sorgen aber nur vorgeschützt haben, denn weder reizte die Bezahlung, die mit 4.000 Mark unter dem Gehalt eines Berliner Gewerbelehrers lag, noch lud die Laborausstattung zu einem Ortswechsel ein. Auch der von der Fakultätsminderheit ins Spiel gebrachte Heidelberger Chemiker Wilhelm Lossen, ein katholischer Rheinländer, profiliert mit zahlreichen Un­ tersuchungen über Hydroxylamine und gerühmt als didaktisch erfolgreicher Leiter des chemischen Praktikums im Heidelberger Laboratorium, nahm erst nach einer „Bedenkzeit“ den Ruf an, um dann bis zu seiner Emeritierung (1903) zu bleiben.840 Der chemische Unterricht in der Philosophischen Fakultät wurde nach Lossens Eintreffen wieder an drei Lehrstühlen und Laboren angeboten, die aber als Forschungsstätten bedeutungslos waren. Be­ zeichnend dafür ist, daß Lossen sich akademisch erst bekannter machte, als er sein Fachgebiet verließ und sich gegen Ende seiner Amtszeit im Sinne der Zentrumspartei streitlustig in den „Fall Spahn“, in GStA …, Nr. 21, Bd. X, Bl. 196–198; Kurator – PrMK v. 20. 10. 1876. Ebd., Bl. 280; Graebe – Kurator v. 9. 3. 1877 und Bl. 278 f., Schreiben des Kurators an PrMK . 14. 3. 1877: es sei das beste so! 836 Ebd., Bd. XI, Bl. 7–15; PhilFak – PrMK v. 31. 5. 1877, Liste Nf Graebe: 1. Salkowski, 2. Carl Liebermann (Berlin) und J. Volhard (München), beide wie Graebe Schüler Baeyers. Als Pluspunkt für Salkowski glaubte die Fakultät ins Feld führen zu dürfen, daß der geborene Ostpreuße an die „Unbilden unseres Klimas gewöhnt“ sei, also nicht wie viele andere deswegen bald nach der Berufung fortstreben werde! 837 Ebd., Bl. 19–26; Separatvotum Umpfenbach, Simson, H. Wagner, Goltz, Jordan, M. Bauer, Ritthausen v. 29. 5. 1877 und ebd., Bl. 4 f., Kurator – PrMK v. 15. 6. 1877, demzufolge die sieben Dissenter nur von acht Anwäl­ ten Salkowskis überstimmt worden seien. Die Minderheit plädierte für 1. W. Lossen (Heidelberg). – 2. J. Volhard. – 3. für den späteren Nobelpreisträger und gebürtigen Ostpreußen Otto Wallach (1847–1931), Bonn, 1889–1915 Göttingen, während sie richtig einschätzte, daß Graebes einstiger Kompagnon Liebermann für Königsberg nicht zu gewinnen sei. 838 Ebd., Bl. 28; Liebermann – PrMK v. 11. 7. 1877, Absage, da das rauhe Klima der fragilen Gesundheit seines kleines Sohnes zusetzen könnte. Tatsächlich dürften finanzielle Gründe den Ausschlag gegeben haben. 839 Ebd., Bl. 37; Volhard – PrMK v. 30. 8. 1877. 840 Ebd.; Bl. 40; Lossen – PrMK v. 4. 10. 1877 zum WS. 1877/78 für 4.000 M. zzgl. 660 M. Wohngeldzuschuß. 834

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die Debatte um die „Voraussetzungslosigkeit“ der Wissenschaft sowie, in einem „Offenen Brief“ an den Breslauer Fachkollegen Albert Ladenburg, auch in die Materialismus­Debatte in der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte einmischte.841 Besonders die Ladenburg­Adresse verwahrte sich dagegen, daß die vermeintlich „notwendige Folge“ naturwissenschaftlicher Forschung die Negierung des christlichen Glaubens an einen persönlichen Schöpfergott sein müsse. Aus Materie lasse sich die Entstehung von Bewußtsein nicht erklären. So habe die Naturwissenschaft keinerlei Konsequenz für die Weltanschauung und somit auch nicht für Lossens katholischen Glauben, der gefeit dagegen sei, sich der „Verwirklichung sozialdemokratischer Ideale“ hinzugeben, auf die der von Ladenburg lan­ cierte, nicht mehr auf jenseitige Belohnungen vertröstende materialistische Humanitarismus „konse­ quenterweise“ hinauslaufe.842 Lossens engster Fachgenosse, der bis 1896 das 1868 neu begründete Ordinariat für Pharmazeu­ tische Chemie bekleidete, Hermann Spirgatis, 1881 endlich mit einem Laboranten versehen und seit 1888 im halbwegs genügenden neuen Institut in der Besselstraße,843 ging ganz in der Apotheker­ ausbildung auf und hatte der Forschung weitgehend entsagt.844 Ebenso Heinrich Ritthausen, Ordi­ narius auf dem ebenfalls neubegründeten Lehrstuhl für Agrikulturchemie (1873). Bei Ritthausen, der sich seit seiner Studienzeit geradzu monomanisch der Chemie der vegetabilischen Eiweißstoffe und ihrer Zersetzungsprodukte widmete, zeigen die seit etwa 1880 rückläufigen Veröffentlichungen auf diesem Spezialterrain an, daß sich der Direktor des agrikulturchemischen Labors fast ausschließlich auf den Experimentier­ und Unterrichtsbetrieb konzentrierte, dabei sein Eremitentum so krass kul­ tivierend, daß er mit „praktischer Landwirtschaft“ am liebsten nicht mehr in Berührung gekommen wäre.845 Lossen, Spirgatis und Ritthausen war gemein, daß sie nicht zur ersten Garnitur ihres Fachgebiets zählten, daß sie schon zwischen 40 und 50 Jahre alt waren, als sie ihre Lehrstühle erhielten, und daß sie diese dann jeweils ein Vierteljahrhundert besetzten. Zum Schaden des Faches und der Königsberger Chemiestudenten, wie ihre Nachfolger beklagten. Althoff mußte sich bereits Ende der achtziger Jahre, als er Lossen für eine Berufung nach Kiel in Erwägung zog, darüber ins Bild setzen lassen, wie wenig in­ novativ der Königsberger Ordinarius sei, daß seine besten Jahre als Forscher wohl hinter ihm lägen.846 Als der Kekulé­Schüler Heinrich Klinger, älterer Bruder des Bildhauers Max Klinger, 1878 in Bonn habilitiert, akademisch groß gewordenen in den Weltruf genießenden Verhältnissen eines imperialen Lossen 1901 zum Anteil der Katholiken unter dt. Hochschullehrern; eine abgewogene statistisch unterbaute Studie, die das PrMK gegen den beliebten katholischen Vorwurf, Katholiken bei Berufungen zu diskriminieren, in Schutz nahm; zum Fall Spahn vgl. Lossen 1902; schon als Emeritus formulierte er die Verwahrung gegen Laden­ burg, Lossen 1903. 842 Lossen 1903, S. 6 f. (unter Berufung auf Du Bois­Reymond), 11, 17 ff., 23. 843 Zu einem Neubau fehlten die Mittel. Spirgatis bezog daher die Räumlichkeiten von Lossens Chem. Laborato­ rium, das in ein neues Haus in die Drummstraße umgezogen war. 844 Spirgatis hat wohl nie verwunden, 1870 nicht auf Werthers Lehrstuhl berufen worden zu sein. Seine Enttäu­ schung war damals so groß, daß er den Kurator gebeten hatte, sich aus der Lehre vollständig in die Forschung zurückziehen zu dürfen, zumal man ihm auch noch den Tort antat, den jungen Ordinarius Graebe sofort mit 1.000 Talern zu besolden, während er, obwohl gleichrangig, nach 15 Dozentenjahren mit 600 abgefunden wurde, vgl. GStA …, Nr. 21, Bd. VIII, Bl. 24; Kurator – PrMK v. 20. 4. 1870. Eine Gehaltsaufbesserung half dann über den schlimmsten Schmerz hinweg, aber verhinderte auch, daß Spirgatis sich der Forschung widmete. 845 In seinem Hausblatt, dem Journal für practische Landwirthschaft, gingen die im Vorfeld der Leipziger Pro­ motion 1853 schon 1851 einsetzenden Publikationen nach 1875 merklich zurück, nach 1884, kurz vor seinem 60. Geburtstag, verstummte Ritthausen. Über dessen Verachtung der Praxis, die wohl aus schlechten Erfahrungen während der langen Dozentenjahre an der Landwirtschaftsakademie Waldau herrührte, vgl. den freilich nicht sine ira geschriebenen Brief seines Kollegen Marek an Althoff v. 18. 10. 1885 (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 126 I, Bl. 81–84). 846 Urteile über Lossen 1889, zit. in v. Brocke 1991, S. 341. 841

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Instituts, des Chemie­„Tempels“ am Rhein,847 1895 als pharmazeutisch­chemischer Ersatzordinarius für den 72jährigen Spirgatis berufen, 1903 auf Lossens Lehrstuhl rückte, fand er das Laboratorium bar jeder modernen Ausstattung vor, weil Lossen, der sich „seit Jahren mit Rücktrittsgedanken“ trug, keine Anträge auf Besserung der Verhältnisse mehr gestellt hatte. Zurückgezogen auf seinen Doktoranden­ kreis habe er das Labor und den experimentellen Unterricht seinen Assistenten überlassen, und so sei eine „Assistentenwirtschaft eingerissen“, die eine noch schlimmere Unordnung hinterlassen habe als seiner Zeit der senile Spirgatis,848 dessen Pharmazeutisches Labor auf Vordermann gebracht zu haben sich Klinger rühmte.849 Der 1888 endlich bezogene Neubau des seit Graebes Zeiten geplanten Che­ mischen Laboratoriums genügte bereits 1904 in keiner Hinsicht mehr den Anforderungen. Klinger klagte über Raummangel, veraltete Ausstattung, eine Bibliothek mit großen Lücken in den Zeitschrif­ tenbeständen, einen zu knappen Etat und zu wenig Personal. 1905 verhandelte man über diese Misere im Preußischen Abgeordnetenhaus. Dem Ministerium lastete der Abgeordnete Posseldt an, die „reine Chemie“ an der Albertina seit 1894 so stark vernachlässigt zu haben, daß nun infolge mangelhafter Ausstattung keine „vollständige Ausbildung“ mehr möglich sei. Zoologie Seit den Zeiten des großen Karl Ernst von Baer (1822–1834) war die Königsberger Zoologie mit der Anatomie verbunden, und erst nach dem Tod von dessen Nachfolger Martin Heinrich Rathke (1834–1860), der wie v. Baer zu den Pionieren der modernen Entwicklungsgeschichte zählte, wan­ derte die Anatomie in die Medizinische Fakultät, wo sie August Müller 1861 übernahm, während die zoologische Hälfte seines Lehrgebiets als selbständiges Ordinariat in der Philosophischen Fakultät verblieb und, nach vierjähriger Vakanz, mit Müllers Danziger Landsmann und Schüler Ernst Gu­ stav Zaddach besetzt wurde, der sich 1844 an der Albertina habilitiert hatte und danach für zwölf Jahre zum verhaßten Schuldienst am Friedrichskollegs verdammt blieb.850 Der publizistisch wenig rege Zaddach, der viel Lebenszeit seinem Hauptwerk, den ‚Beobachtungen über die Arten der Blatt­ und Holzwespen‘ (1862–1865) opferte,851 setzte die Tradition v. Baer­Rathke nicht fort, trieb stattdessen „beschreibende Naturgeschichte“ 852 und war mehr „reiner, systematischer Zoologe“, der sich zum

Dazu eindrucksvoll, gestützt auf Richard Anschütz’ große Kekulé­Biographie von 1929, Helferich 1970, S. 122–130. 848 GStA …, Nr. 21, Bd. XIX, Bl. 173–176; Kurator an PrMK v. 7. 6. 1896, Bericht über pharmazeutisches La­ bor, das unter Klingers Vorgänger Spirgatis „verwahrlost“ sei, die eingeleitete Besserung werde „Jahre“ brauchen; Spirgatis sei seit langem nicht mehr auf der Höhe seiner Wissenschaft gewesen, habe in letzter Zeit das Semester auch immer schon vorzeitig abgebrochen, um in die Sommerferien zu gehen. 849 GStA …, Tit. X, Nr. 47, Bd. II, Bl. 45–49; Klinger an Kurator v. 20. 6. 1904. 850 Zaddach, 1817 in Danzig geb., fand nach seiner Bonner Promotion (1841) ein Auskommen als Lehrer für Naturgeschichte am FC. Sein erster Arbeitstag dort, und offenbar nicht nur der, muß von kafkaeskem Grauen begleitet gewesen sein. Albrecht (1881) erinnert im Nachruf daran, daß ihm die Tränen gekommen seien, „als er in den Hof des alten finsteren Gebäudes trat“. Zaddach unterrichtete an der Universität von 1841 bis 1853 nur nebenamtlich als Privatdozent. 1853 verließ er das FC, blieb als hauptamtlicher, jedoch nichtbeamteter ao. Prof., ohne ausreichende Vergütung und mußte nebenher Stunden geben. Rathkes Ordinariat, nunmehr: für Zoologie und vergleichende Anatomie, übernahm er zusammen mit der, bis dahin von dem Astronomen(!) Luther, kommis­ sarisch verwalteten Direktion des Zoologischen Museums zum SS. 1864. – Etwas ausführlicher zur Zoologie unter den „beschreibenden Naturwissenschaften“ der Albertina im 19. Jh.: Speiser 1910, S. 26–30. 851 Posthum veröffentlicht von dem Danziger Hauptlehrer und Mitforscher Carl Gustav Brischke, Zaddach/ Brischke 1883. 852 Vgl. Vorlesungsverzeichnisse AUK 1864–1881: Standardvorlesungen Zaddachs sind „Naturgeschichte der Säugethiere“, „… der Vögel“, „… der Fische“, „… der Gliederthiere“. 847

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Ziel gesetzt hatte, alle „heimischen Thierklassen“ zu erfassen.853 Dem 1876 in Dorpat verstorbenen Altmeister von Baer widmete er einen ausführlichen Nachruf, der offen ließ, ob Zaddach dessen an „Zwecken“ in der natürlichen Entwicklungsgeschichte festhaltende Darwin­Kritik teilte.854 Verdienste erwarb sich der „Entomologe und Faunist“, der nebenher das nahe Samland geologisch erforschte,855 um den Aufbau des Zoologischen Museums, wo er in einem separaten Saal eine „Ostpreußensamm­ lung“ zusammentrug.856 Mit dem 30jährigen Haeckel­Schüler, dem „völlig unter dem Bann des Darwinismus“ (Goldsch­ midt) stehenden Richard Hertwig, der zum WS. 1881/82 dem im Juni 1881 verstorbenen Zaddach nachfolgte, hätte die Linie v. Baer­Rathke im Anschluß an die moderne Entwicklungsgeschichte und Zellforschung wieder aufgenommen werden können. Zusammen mit seinem Bruder Oscar spürte Hertwig seit seiner Jenaer Habilitation (1875) den Zell­ und Kernteilungsprozessen der Protozoen nach. In Königsberg studierte er zum ersten Mal die Kernteilung des Helizoon Actinosphaerium Eich­ horni und leitete damit eine Reihe von Protozoenuntersuchungen ein, welche zytologisch und fort­ pflanzungstheoretisch wichtige Ergebnisse brachten: „Von da an waren dieses Protozoon und das ciliate Infusor Paramaecium für fast 1 ½ Jahrzehnte seine Hauptforschungsobjekte neben den nie vergessenen Seeigeleiern.“857 Aber diese langwierigen Analysen der Befruchtungsvorgänge, die „direkten Einblick in die Geheimnisse des Lebens“ eröffnen sollten, fanden nicht mehr in Königsberg, sondern in Bonn und seit 1885 in München statt, wo Hertwig eines der im internationalen Maßstab größten zoolo­ gischen Zentren schuf und einen stattlichen Schülerkreis heranzog, zu dem mit Otto Koehler auch sein Königsberger Nachfolger (1925) gehörte.858 An der Albertina reichten die vier Semester, die er blieb, gerade einmal, um den Torso eines Institutsbetriebs aufzubauen, nämlich im Museum einen Hör­ und einen Mikroskopiersaal einzurichten.859 Sie reichten allerdings auch, um ein klares Bekenntnis zu Darwin abzulegen, in einer Gedenkrede auf den im April 1882 verstorbenen Biologen, die etwas voreilig triumphierend verkündete, das Rin­ gen um dessen Ideen, das sogar den „Kampfplatz politischer Parteien“ erreicht habe, sei zumindest in Deutschland entschieden. Hierzulande habe Darwin keine Gegner mehr ! Großzügig übersah Hertwig dabei die Widerstände, die nicht nur in der Königsberger Theologischen Fakultät zu vermuten waren, Vgl. den Nachruf des Anatomen Paul Albrecht 1881. Zaddach 1877. 855 Wie Albrecht 1881 betont, damit durchaus „Zweckforschung“ betreibend. Die erste Abhandlung ‚Ueber die Bernstein­ und Braunkohlenlager des Samlandes‘ (1860) sondiert die Möglichkeiten wirtschaftlicher Ausbeutung, ebenso seine Studie über ‚Das Tertiärgebirge des Samlandes‘ (1867). Derart ausgewiesen, wurde er durch das Preuß. Handelsministerium 1868 mit der Nachprüfung von Bernsteinvorkommen in tertiären Ablagerungen in Westpreußen und Pommern beauftragt (dazu 1869a und allgemein: 1869b). 856 Harms 1924, S. 15. 857 Doflein 1920, S. 768 f. 858 R. Goldschmidt 1920, S. 771, 774; vgl. a. Koehlers Erinnerung an ‚Richard Hertwigs Kleines zoologisches Praktikum‘ (1920). 859 Harms, S. 16. Über die Lehrjahre der Brüder Oscar und Richard Hertwig bei Haeckel vgl. V. Franz 1943, dort S. 41–43 auch ein Brief an den auf Ceylon weilenden, in der „großartigen Tropennatur“ schwelgenden Meister v. 14. 11. 1881 mit ersten Königsberger Impressionen, die an Preußens „zweiter Residenzstadt“ kein gutes Haar las­ sen („Sündflut von Schmutz“, „so enge schmutzige Straßen findet man doch in Kleinstädten selten“), die auch das Zoologische Museum nicht schonen („mit Bälgen so vollgepropft, daß für Unterrichtszwecke nur ein Auditorium für etwa 30–40 Zuhörer vorhanden ist, sonst aber auch gar nichts; kein Raum zum Mikroskopieren, kein Biblio­ thekszimmer, kein Gläserzimmer“), aber optimistische Ausblicke eröffnen: Auf den zu Zaddachs Zeiten geplanten Erweiterungsbau, das wissenschaftliche Potential, das in einem auskömmlichen Etat und genügend Personal (As­ sistent, Konservator, Diener – die freilich noch erst „ordentlich gezogen“ werden müßten!) stecke, sowie auf den sich ankündigenden großen Zustrom an Hörern („Im Kolleg über Parasiten sind etwa 100. Ich glaube auch im Privatkolleg später auf 80 Zuhörer rechnen zu können.“). 853

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und ebenso die Vorbehalte selbst seiner engeren Fachkollegen, wie den des Botanikers Caspary, gegen jene weltanschauliche Konsequenz der Abstammungslehre, auf die es ihm aber entscheidend ankam: für Gott war kein Platz mehr in einer „reflectierten Naturbetrachtung“, der die Welt das Produkt un­ bewußt, zweckfrei wirkender, „mechanischer Kräfte“ war und die nicht mehr nach der „Einwirkung zwecktätiger Ursachen“, also übernatürlicher, göttlicher Macht suchen müsse.860 Für Hertwig kam zum WS. 1883/84 der Leipziger Privatdozent Carl Chun, der nicht der Wunsch­ kandidat der Fakultät war. Der hieß Otto Bütschli, galt als außergewöhnlich erfolgreicher Lehrer und Organisator, der seit 1878 in kürzester Zeit den Heidelberger zoologischen Unterricht zu neuer Blüte gebracht habe, und der trotzdem, mit Arbeiten zur Entwicklungsgeschichte der Biene, mit Beiträgen zur Zellenlehre und mit monographischen Abhandlungen zu Bau und System der Nematoden, seinen Platz in der ersten Reihe zoologischer Forscher behauptete.861 Da wenig Aussichten bestanden, Bütschli zu den Hyperboreern zu locken, richtete sich das eigentliche Interesse auf den secundo loco gesetzten Bremer Museumsdirektor Friedrich Wilhelm Spengel. Dessen sehr weite, die Anatomie der Wirbeltiere und der Mollusken ebenso wie den Bau und die Entwicklung der Würmer oder das Urogenitalsystem der Amphibien umspannende Publikationspalette imponierte den Königsbergern, die wie stets darauf achteten, jemanden zu bekommen, der als einziger Dozent das gesamte Fachgebiet abzudecken ver­ mochte. Spengels größtes Handicap resultierte aus mangelnder Lehrerfahrung, da er nur wenige, nicht durch Zulauf belohnte Göttinger Semester als Privatdozent aufzuweisen hatte. So stach ihn am Ende, nachdem Bütschli den Ruf aus Preußen nur benutzt hatte, um mit dem badischen Kultusminister Verbesserungen seiner Heidelberger Stellung auszuhandeln,862 der von der Fakultät wegen seines Spe­ zialismus nur nachrangig genannte Chun aus, der sich bisher „ausschließlich“ mit den Coelenteraten beschäftigt habe und von dem nur eine schmale, wenn auch mit eigenen, künstlerisch bemerkens­ werten, wissenschaftlich wertvollen Zeichnungen gut illustrierte Monographie über die Rippenquallen im Golf von Neapel vorliege. Letztlich waren es daher Chuns zehn Leipziger Dozentensemester sowie die vage Einschätzung, in ihm wenigstens keinen „blinden Anhänger Darwins“ zum Erzieher ostpreu­ ßischer Biologielehrer zu berufen, die Althoff zu seinen Gunsten entscheiden ließen.863 In der Tat erwies sich Chun in dieser Hinsicht als gemäßigt, da er „Über Entstehung der Arten (Darwinismus)“ nur zweimal gegen Ende seiner Amtszeit las.864 Daß er in seinem Hauptforschungsge­ biet, das er sich unter schwierigen Umständen in Königsberg erschloß, der ozeanischen Tiefseefauna, Hertwig 1883. GStA …, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 22–25; PhilFak – PrMK v. 25. 6. 1883, Liste Nf. R. Hertwig: 1. O. Bütschli, 1848 Frankfurt/M.–1920 Heidelberg, 1868 Prom. Heidelberg, 1869 Assistent bei Rudolf Leuckart in Leipzig, ent­ wicklungsgeschichtliche Spezialisierung, Kriegsfreiwilliger 1870/71, 1872 Assist. Zool. Inst. Kiel bei Karl Möbius, 1876 Habil. Polytech. Karlsruhe: Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien; ord. Prof. f. Zoologie Heidelberg 1878–1919; Hauptwerk in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Tierreichs Bd. I: Sarkodina und Sporozoa (1880). – 2. Johann Wilhelm Spengel, 1852 Hamburg– 1921 Gießen, Habil. f. Zoologie 1879 Göttingen, 1. 4. 1881 Direktor Städtische Sammlung für Naturgeschichte Bremen, 1887 oö. Prof. Gießen, seit 1886 Hg. Zoologische Jahrbücher (ebd. 46, 1924, S. 1–74, Nachruf von Sieg­ fried Becher). – 3. Carl Chun (1852–1914, siehe Catalogus), Schüler Leuckarts, Habil. Leipzig 1878. 862 Ebd., Bl. 61 f.; Bütschli – Althoff v. 7. 9. 1883. Er werde seine Bedingungen nach den Verhandlungen in Karlsruhe stellen, ebd. Bl. 69; Aktenvermerk Althoff v. 11. 9.: Die Sache schwebe noch, aber B. werde vermutlich ablehnen, sowie ebd. Bl. 70, Vermerk v. 15. 9.: B. habe am 13. 9. 1877 abgelehnt. Althoff hatte zuvor Gutachten von Karl Möbius (Kiel), Ernst Ehlers (Göttingen) und Leuckart (Leipzig) eingeholt. Nur sein Lehrer Leuckart setzte sich rückhaltlos für Chun ein, während die beiden anderen Althoff bestärkten, Bütschli zu „erwerben“, und im Falle einer Absage auf Spengel auszuweichen (ebd., Bl. 56–60, 65 f.). 863 Ebd., Bl. 69; Aktenvermerk Althoffs v. 11. 9. 1883: wenn Bütschli absage, empfehle sich Chun wegen seiner ausgezeichneten Qualitäten als Dozent; zu Darwin, ebd., Bl. 48 f.; Vermerk Althoffs zur Vereinbarung mit Chun v. 20. 9. 1883. 864 VV­AUK, WS. 1888/89, WS. 1890/91. 860

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am Leitseil von Darwins Theorien voranschritt, ist in der populären Zusammenfassung ‚Aus den Tiefen des Weltmeeres‘ (1900) leicht nachzulesen.865 Gerade die mitunter bizarre Formenwelt, die sich in ex­ tremer Meerestiefe entwickelte, die zu Beginn von Chuns Arbeit noch als azoische, lebensfeindliche Region galt, schien Darwins Theorie von der spezialisierenden Anpassung und Veränderung der Arten unwiderleglich zu bestätigen. Und, abgesehen von der ökonomisch­politischen Dimension der ozea­ nischen Explorationen für das seit 1880 auf Kolonialerwerb bedachte Deutsche Reich, ist ein anderes wissenschaftsexternes Motiv Chuns in der Präsentation seiner Forschungen kaum zu übersehen. Seine massive Ästhetisierung der „Wunderwelt“ des Meeres betont den Eigenwert der Natur und relativierte so den durch das christliche Weltbild gestützten tradierten Anthropozentrismus. Insoweit war Chun nicht unbeeinflußt von der materialistischen, die „natürliche“ an die Stelle der christlichen Religion setzenden Naturphilosophie seines Schwiegervaters Carl Vogt.866 Länger als Hertwig, bis 1891, hielt es Chun, der über Breslau 1898 als Ordinarius und Nachfolger Leuckarts wieder nach Leipzig zurückkehrte,867 in Königsberg zwar aus, aber für seine auf die atlantische Tiefseefauna gerichteten Forschungsinteressen war der Standort schlecht gewählt. Das WS. 1887/88 verbrachte er auf den Kanarischen Inseln, um im Auftrag der Preuß. Akademie der Wissenschaften die pelagische Tierwelt zu erforschen, eine Unternehmung, deren Auswertung ihn bis zum Weggang nach Breslau im SS. 1891 beanspruchte.868 Auch Chuns bedeutendster Schüler, Carl Brandt, den er 1885 mit einer Arbeit über ‚Die kolonienbildenden Radiolarien des Golfs von Neapel‘ habilitierte, wechselte rasch nach Kiel, ins universitäre Zentrum deutscher Meeresforschung.869 Der Berliner Privatdozent Oswald Seeliger, von Chun sehr geschätzt, sein Vertreter während der Kanarenexpedition, hatte eben­ falls mit meeresbiologischen Forschungen zur Entwicklungsgeschichte der Seescheiden begonnen und wandte sich in der Königsberger Zeit zellbiologischen und genetischen Fragen zu.870 Chun 1900. Leider nicht sehr prägnant arbeitet Kockerbeck 1997 (dort S. 66–76 zu Chun) die emanzipative, religions­ feindliche Funktion der naturwissenschaftlichen Naturästhetisierung seit Mitte des 19. Jhs. heraus. 867 Dort widmeten ihm seine Schüler 1912 eine nicht alltägliche Festschrift zum 60. Geburtstag, die neben einer knappen Geschichte des im Vergleich mit Königsberg personell viel besser ausgestatteten Leipziger Zoologischen Instituts und einer Aufstellung der Veröffentlichungen Chuns eine bio­bibliographisch penible Erfassung aller 156(!) Doktoranden bringt, die die große Bandbreite der zoologischen Interessen des Institutchefs widerspiegeln. Gerade im Vergleich mit dem Wirken seines Königsberger Nachfolgers Braun sticht dessen Monomanie dabei recht krass ins Auge ([Chun 1912]). 868 GStA, Rep. 89, Nr. 21660, Bl. 158 f.; PrMK – ZivK v. 14. 8. 1887 wg. Beurlaubung für diese von der PrAkW mit 4.000 M. unterstützte Expedition. Chun war im Mittelmeer bereits auf eine unerwartet reiche Fauna gestoßen und hatte damit die zeitgenössisch gängige Ansicht widerlegt, in diesen Regionen sei Leben unmöglich. Obwohl das Forschungsgebiet Chuns an fernen Küsten lag, war er doch zugleich bemüht, das Interesse der Studenten auf die heimischen Gewässer zu richten, wie seine Gründung einer kleinen biologischen „Haff­ und Ostseestation“ beweist. Harms 1924, S. 16, rechnet ihm zudem die Einführung eines „geregelten Kursbetriebs“ und den Aufbau einer vergleichend­anatomischen Sammlung hoch an. GStA …, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 112; PhilFak. – PrMK v. 24. 4. 1888, Beurteilung Seeligers. 869 Die Habilitation Brandts erfolgte im Juli 1885 (ebd., Nr. 25, Bd. III, Bl. 175; Meldung PhilFak – PrMK v. 25. 7. 1885). Zum SS. 1887 übernahm Brandt eine Lehrstuhlvertretung in Kiel, ein Jahr später erfolgte dort seine Ernennung zum ord. Prof.; über ihn als Begründer der modernen Symbioseforschung und seinen Anteil am Auf­ bau der deutschen Meeresforschung vgl. Remane 1965, S. 167–169. – Chuns zweiter Habilitand, Erich Haase, war nicht sein Schüler. Er kam 1889, vermutlich veranlaßt durch seinen Kösliner Schul­ und Breslauer Studienfreund, den Astronomen Julius Franz, als Assistent ans Zoologische Museum, habilitierte sich im Juni 1889 und schiffte sich 1890 nach Bangkok ein, wo er als Direktor ein Naturhistorisches Museum aufbauen sollte; 1894, kurz vor seiner Rückkehr, ist er dort gestorben. 870 Seeliger promovierte 1882 in Wien mit einer an der Zoologischen Station zu Triest entstandenen Arbeit ‚Zur Entwicklungsgeschichte der Ascidien‘, habilitierte sich 1886 in Berlin bei Franz Eilhard Schulz (1840–1921) und mußte unter diesem ungeliebten Ordinarius bis 1898 ausharren, bevor er einen Ruf nach Rostock erhielt. 865 866

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Mit Chuns Nachfolger, dem vor den Nicht­Ordinarien Karl Grobben (Wien) und Friedrich Bloch­ mann (Heidelberg) an erster Stelle genannten Rostocker Ordinarius Maximilian Braun, der während seiner Dorpater Jahre die Fauna der östlichen Ostsee erforscht hatte, schien sich die von Chun ein­ geschlagene Richtung in regional­baltischer Beschränkung in Königsberg zu etablieren.871 Stattdessen dominierte für drei Jahrzehnte, bis zu Brauns Emeritierung 1921, eine extreme Spezialisierung, aber nicht auf die Ostseefauna, sondern auf die Parasitologie. Braun, wie auch die Sitzungsberichte der Physikalischen­Ökonomischen Gesellschaft ausweisen, legte dort in frappierender Weise ein Desinte­ resse an den Tag, wo sein Fach die größte öffentliche Beachtung fand: in der Diskussion um Darwins Deszendenztheorie, um die gesellschaftspolitisch für so hochrelevant erachtete Frage der „natürlichen Auslese“. Dabei hatte Braun sich 1878 in Würzburg über ‚Die Entwicklung des Urogenitalsystems der ein­ heimischen Reptilien‘ habilitiert. Während seiner Zeit als Prosektor und Ordinarius im entlegenen Dorpat (1880–1886) schlief sein Interesse an der Entwicklungsgeschichte aber ein. Stattdessen fand er für sich einen neuen Schwerpunkt: in faunistisch­systematischen Arbeiten, in der Musterung der nie­ deren Tierarten im Baltikum und im Finnischen Meerbusen, begleitet vom praktischen Engagement zur Hebung des Fischfangs, gepaart mit modern anmutenden Vorschlägen zum Naturschutz und zur Bestandsschonung. Von der Hydrobiologie führte ein gerader Weg zur Parasitologie, als er den Weg der Bandwurmlarven in Fischen bis in die menschliche Nahrungskette verfolgte. In Dorpat entstand die erste Auflage des nachmaligen, bis 1925 in sechs Auflagen verbreiteten Werkes über ‚Die tierischen Parasiten des Menschen‘, die ins Englische und Italienische übersetzte „Parasitenbibel“, die er 1909 mit Für das WS. 1887/88 hatte Chun Seeliger als „fesselnden“ Dozenten empfohlen (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 20, Bl. 207; an Althoff v. 21. 7. 1887). Unter der Versicherung, Seeliger, Sohn reicher Eltern aus Österrei­ chisch­Schlesien, sei keineswegs „jüdischer Herkunft“, wie eine weit verbreitete Fama laute, pries ihn Chun als bei weitem befähigsten Kandidaten für ein Greifswalder Ordinariat an, nachdem er sich mit Forschungen über den Generationswechsel in marinen Tierkolonien (Pyrosomida, Feuerwalzen), über Entwicklungsprozesse der Seelilien und über nicht­geschlechtliche Fortpflanzung in kritisch­ablehnender Auseinandersetzung mit Theodor Boveris Aufsehen erregenden Arbeiten weiter qualifiziert habe (ebd., Bl. 214 f.; an Althoff v. 18. 8. 1895). 871 GStA, Nr. 21, Bd. XVI, Bl. 118–127; PhilFak – PrMK v. 12. 11. 1890, Liste Nf. Chun: 1. M. Braun (s. Catalogus). – 2a. Karl Grobben, 1854 Brünn–1945 Salzburg, 1877 Prom. Wien, Habil. f. Zoologie ebd. 1879, ebd. ao. Prof. 1884, ord. Prof. ebd. 1893, entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen zu niederen Krebstieren, morphologische Studien zu Mollusken, neue Einsichten zu deren Stammesgeschichte, vgl. 1892: Zur Kenntnis des Stammbaums und des Systems der Crustaceen, auch Systematiker, 1908: Die systematische Einteilung des Tierreichs, bearbeitete das Lehrbuch der Zoologie seines Wiener Lehrers, des Darwinisten Carl Friedrich Claus (1835–1899), bis 1932 zehn Auflagen. Mitglied des wiss. Stabes der Pola­Expedition zur Erforschung des östl. Mittelmeeres, mehrere Studienaufenthalte an der von Claus begründeten österr. meereszoologischen Station Triest. – 3b. Friedrich Blochmann, 1858 Karlsruhe–1931 Tübingen, 1881 Prom. und 1885 Habil. bei Otto Bütschli (s. o. Anm. 861) in Heidelberg, 1888 nb. ao. Prof. ebd., 1889/90 Lehrstuhl­Vertretung TH Karlsruhe, 1891 oö. Prof. f. Zoologie u. vgl. Anatomie Rostock (Nf. M. Braun), 1898 Wechsel nach Tübingen, dort emeritiert 1925, wie Grobben spezialisiert auf Entwicklungsgeschichte, untersucht an verschiedenen niederen Arten, 1892/95: Untersuchungen über den Bau der Brachiopoden [Armfüßer, solitäre, festsitzende Meerestiere], 1895: Die mikro­ skopische Tierwelt des Süßwassers, arbeitete wie Chun an der Zool. Station Neapel, u. a. über Aplysia [Meeres­ schnecken] im Golf von Neapel, von der Fakultät werden erwähnt auch Studien zur Zellbiologie und zur Entwick­ lungsgeschichte von Gastropoda (Schnecken). – Ebd., Bl. 131 f., Assessor Schmidt – Althoff v. 1. 12. 1890, Bericht über Besuch einer Vorlesung Brauns in Rostock: er unterrichte sachlich und anschaulich, empfehle sich durch sei­ nen zwanglosen Verkehr mit den Studenten, denen er gegenüber aufgeschlossen sei, auf alle ihre Fragen eingehend. Braun lese vor 14 Hörern, mache auch äußerlich einen günstigen Eindruck, sei von mäßig großer Gestalt, trage einen blonden Vollbart. Kein Wunder, daß Althoff einen derart als befähigt eingestuften Lehrer umgehend zur Bestallung vorschlug und dabei der Laudatio der Fakultät folgte, die Brauns parasitologische Verdienste, seine For­ schungen zur Entwicklungsgeschichte des Bandwurms betont hatte (ebd., Bl. 128–130; Entwurf v. 17. 12. 1890); die Berufung erfolgte zum 1. 4. 1891.

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einem für Ärzte und Tierärzte verfassten ‚Leitfaden zur Untersuchung der tierischen Parasiten des Men­ schen und der Haustiere‘ ergänzte.872 Den parasitischen Würmern galt fortan Brauns Aufmerksamkeit auch in Rostock (1886–1890), und wiederum in Königsberg. Der Preis dieser autistischen Verengung: am Zoologischen Museum der Albertina rauschte der biologische Zug der Zeit im Eiltempo vorbei. Während Braun, der auch seinen Assistenten und, bis 1918, einzigen Habilitanden, den nur höchst ge­ legentlich über Vererbungslehre lesenden Max Lühe auf die Parasitologie festlegte,873 seine Arbeitsstätte zur parasitologischen Hochburg ausbaute, fanden in Würzburg, München oder Berlin die „Großtaten der Zellforschung, der Entwicklungsphysiologie und der Vererbungslehre“ statt.874 Botanik Kurs auf eine unzeitgemäße Sackgasse nahm im 19. Jahrhundert auch die Königsberger Botanik. 1859 folgte Robert Caspary dem 1858 verstorbenen Historiker der Botanik, Ernst Heinrich Friedrich Meyer, an dessen Königsberger Berufung (1826) Goethe ein Anteil zugeschrieben wird.875 Caspary, der 1862 den Preußischen Botanischen Verein gründete, wandte sich der heimischen Pflanzenwelt zu, publizierte dazu eine Fülle rein deskriptiver Miszellen, die über das Niveau von Be­ stimmungsübungen nicht hinauslangten. Daneben galt seine Liebe den Seerosengewächsen, denen er 1868 bis nach Lappland nachspürte. Er verlor darüber den Anschluß an die botanische Forschung, die sich um 1870 in der Pflanzenphysiologie, Zellforschung und Vererbungslehre neue Felder erschloß.876 Auf denen reüssierte Ferdinand Cohn, der Breslauer „Vater der Mikrobiologie“, der „Humboldt des Mikrokosmos“, 1872 der erste jüdische Ordinarius des Deutschen Reiches, der ungleich attraktivere Konkurrent im Wettlauf um die Gunst ostdeutscher Botanik­Studenten – zumal das an der Oder von zwei Ordinarien besetzte Fach mit einem reich ausgestatteten Institut und mit einem Herbarium von Weltrang lockte.877 Der Pflanzengeograph Caspary hingegen, ein „im schärfsten Grade cholerisches

Zusammen mit seinem Assistenten Lühe, der den umfangreicheren Teil über die Protozoa beisteuerte, wäh­ rend Braun die Helminthen (u. a. Nematoden, Trematoden) und Arthropoda (u. a. Läuse, Flöhe) abhandelte, Braun/Lühe 1909. 873 Max Lühe, s. Catalogus. 874 Koehler 1931. Die Verengung der Forschungsinteressen ist schon an der Festschrift zum 60. Geburtstag ab­ zulesen (Zoologische Jahrbücher Suppl. 12, H. 3, 1910). Die Schülerarbeiten von Alfons Dampf, Max Lühe, Paul Speiser, Arnold Japha bleiben alle im Rahmen der alten „beschreibenden“ Naturlehre, der umfangreichste Beitrag von Eugen Dietz gilt den Saugwurmparasiten der Familie der Echinostomiden, und Johannes Thienemann berich­ tet über sein Lebensthema, den Vogelzug in Ostpreußen. 875 Prutz 1894, S. 166; v. Selle 1944, S. 264 ff.; Meyer, geb. 1791 Hannover, Teilnehmer an den Befreiungskriegen 1813–1815, hatte sich in Göttingen in der Med. Fak. habilitiert, wandte sich aber nach einer „Reihe von Unfäl­ len“ der Botanik zu, die er an der Albertina seit 1826 als Extraordinarius, seit 1829 als ord. Prof. vertrat. Als sein Hauptwerk gilt die unvollendete, vierbändige ‚Geschichte der Botanik‘ (1854–1857). Meyer, Schwiegervater des Zoologen Zaddach, starb am 7. 8. 1858 in Königsberg. 876 Vgl. zur Fachgeschichte immer noch: Mägdefrau 1992. Zu R. Caspary vgl. den ausführlichen, mit einer ca. 300 Miszellen umfassenden Bibliographie versehenen Nachruf seines Schülers Johannes Abromeit 1887. 877 Über die Botanik in Breslau, wo sich Casparys Nach­Nachfolger Carl Mez 1890 habilitierte, vgl. die Dar­ stellung des Instituts­Direktors Ferdinand Pax in: G. Kaufmann (Hg.) 1911, Tl. 2, S. 477–499. Zu Ferdinand Cohn (1828–1898), dem Begründer der Pflanzenphysiologie und der biologisch­systematischen Bakteriologie (im engsten Austausch mit dem in der Provinz Posen noch unbekannt wirkenden Tierarzt Robert Koch), der seit 1884 mit dem (ungeliebten) zweiten Ordinarius Adolf Engler einen Pflanzensystematiker an die Seite gestellt bekam, vgl. M. Klemm 2002, bes. S. 137 ff. zu Cohn als Begründer der Bakteriologie, und S. 187 ff. zur Umsetzung in die Agrarwissenschaften. Daß Cohn im Gegensatz zu Caspary die Lehren Darwins, mit dem er persönlich bekannt war (Klemm, S. 234 ff.), zustimmend rezipierte, bedarf eigentlich keiner Erwähnung. 872

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Temperament“ und daher in der scientific community kaum teamfähig,878 erfasste in den 1880er Jahren monomanisch, Landkreis für Landkreis, die „heimathlichen Florengebiete“, als er mitten aus dieser Arbeit heraus, die Ostpreußen „zu den floristisch besterforschten Theilen Deutschlands“ machte,879 abberufen wurde.880 Als sammelnder und systematisierender Empiriker lehnte er „Hypothesen und Theorien“ ab, selbstverständlich auch die revolutionäre Theorie Darwins. Immerhin machte er sich die Mühe, sich ausführlich mit der Deszendenzlehre zu beschäftigen und ihren Urheber persönlich in Down aufzusuchen, um ihm das Geständnis zu entlocken, die „Theorie“ von der „Abänderung der Arten“ sei bestenfalls eine „Hypothese“. Obschon Caspary deren botanische Bestätigung an den „Tat­ sachen“ nicht erwartete, und er sich nicht für Darwins Lehre entscheiden konnte, weil einfach „zu viel dagegen“ spreche, pries er seine systematische Feinarbeit als aussichtsreichere Alternative zur Entwick­ lungsgeschichte an. Wenn jemand – höchstwahrscheinlich aber ablehnend – über die „Hypothese“ entscheide, dann der Systematiker, der die Entwicklung der Arten nach allen Richtungen feststelle und dabei „sorgfältigst neu entstehende Formen“ beobachte.881 Als für Caspary die Nachfolgefrage zu beantworten war, fiel die Wahl nicht auf den mit der Vertre­ tung beauftragten Berliner Privatdozenten und Schwendener­Schüler, den katholisch missionierenden Max Westermaier, einen Casparys Darwin­Antipathie weit übertrumpfenden Gegner des britischen Biologen,882 sondern auf den Heidelberger Ordinarius Ernst Pfitzer, auch weil er ein gebürtiger Ost­ preuße war und als Casparys Schüler galt. Pfitzer sei der Systematiker, den man für die auf Phar­ mazeuten, Mediziner und „Schulamtscandidaten“ konzentrierte Königsberger Botanik benötige und der die von seinem Lehrer etablierte Tradition pflanzensystematischen Forschens fortsetzen werde. Das erhoffte man sich auch vom zehn Jahre jüngeren, über beträchtliche tropische Reiseerfahrung

So über den tüchtigen, aber „einseitigen“ und streitsüchtigen Botaniker Kurator v. Horn in seinen Erinne­ rungen, GStA, VI. HA, Nl. v. Horn, Nr. 4, Bl. 323. 879 So der sehr kurze Nachruf seines Schülers Ernst Pfitzer in den Berichten der Deutschen Botanischen Gesellschaft, deren Nekrologe sonst nicht so sparsam ausfallen. Auch fehlt bei Caspary das obligate Photo, so wohl der Ein­ schätzung der Redaktion Rechnung tragend, daß die Erinnerung an einen Forscher, dem „keine bahnbrechende Entdeckung“ (Pfizer 1888, S. XXX) gelang, ohnehin bald verblasse. Noch schnöder reagierte die Redaktion auf den Tod von Casparys Nachfolger Luerssen (1916). Für ihn gab es überhaupt keinen Nachruf! 880 Abromeit 1887; während des Aufenthalts in einem Gutshaus im westpreußischen Kr. Flatow stürzte Caspary dort die hell erleuchtete Treppe herab und starb an den Folgen des dabei erlittenen Schädelbruchs, was, wie man Abromeits Darstellung auch verstehen kann, Anlaß zu Gerüchten gab, der Botaniker sei nicht mehr ganz nüchtern gewesen. 881 Abromeit 1887, zum Inhalt eines mir unzugänglichen Aufsatzes aus der Botanischen Zeitung Nr. 45, 1882, worin Caspary seine Darwin­Visite schildert und sein Verhältnis zur Abstammungslehre erläutert. 882 Der aus Bayern stammende Westermaier hatte Althoff gegenüber sein Bekenntnis allzu krass herausgekehrt als er ihn um ein Extraordinariat bat, gleich wo, denn „eine katholische Kirche, die ich nicht entbehren kann und will, gibt es meines Wissens in jeder deutschen Universitätsstadt, daher mögen Sie mich irgendwohin dirigiren“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 197 II, Bl. 35 f.; Schreiben v. 6. 9. 1887). Diese Bitte um eine Dozentur erhörte Althoff zwar mit dem Versetzungserlaß für Königsberg, nicht aber den frommen Wunsch nach einer Verpflanzung ins katholische Milieu. Da Althoff vermutlich auch Westermaiers Engagement in der katholischen Gemeinde Berlins, in den Arbeiter­ und Gesellenvereinen dort, bekannt war, dürfte er an einer Verfestigung von dessen Königsberger Position nicht im Traum gedacht haben. 1890 folgte W. einem Ruf als Lehrer ans Kgl. Lyzeum zu Freising, 1896 erhielt er, auf besonderen Wunsch Papst Leos XIII. und gegen den Widerstand der Fakultät, eine Professur an der neugegründeten katholischen Universität von Fribourg. Als er dort 1903 starb, rühmten ihn zahlreiche Nachrufe als „heiligmäßigen Sohn der Kirche“, ein vielfach angeregtes Verfahren zur Seligsprechung scheint aber in Rom nicht zum Abschluß gelangt zu sein, vgl. Oehl 1943 und Westermaier 1979 sowie Koller 1970. Westermaiers ‚Kompendium der allgemeinen Botanik‘ von 1893 verheißt, die „Ordnung der Dinge“ zu beleuchten, nimmt dem Leser aber jede Hoffnung, er könne die botanischen „Lebens­Rätsel“ ohne den Glauben an einen „Schöpfer“ lösen, ebd. S. 303 f. 878

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verfügenden Bonner Kustos Wilhelm Schimper, der mit dem an der Eberswalder Forstakademie leh­ renden Christian Luerssen an zweiter Stelle genannt war.883 Luerssen, Verfasser eines vor allem an Apotheker und Mediziner adressierten Handbuchs der sy­ stematischen Botanik und eines für Studierende gedachten erfolgreichen Lehrbuchs884, und daher of­ fenbar eingestuft als guter Didaktiker, zählte nicht zu den Spitzenleuten seines Faches. Nach einer Ausbildung auf dem Lehrerseminar und Tätigkeit an einer höheren Töchterschule in Bremen mit Hilfe eines Senatsstipendiums, quasi auf dem zweiten Bildungsweg, promoviert und 1872 in Leipzig habilitiert, zunächst auf die dank Hamburger Handelsexpansion nicht mehr unerreichbare Südsee­ Flora spezialisiert,885 erhielt erst 1884 seine erste Berufung – und die nur an eine Forstakademie. Aber selbst der an Eberswalder Kargheit gewöhnte Luerssen fand seine ohnehin geringen Erwartungen an die Ausstattung des Königsberger Instituts unterboten. In den frühen 1890er Jahren mußte er seine wissenschaftliche Arbeit einstellen, um sein ansehnliches Herbarium zu ordnen und vor Insektenfraß zu schützen.886 Mit diesen Reorganisationssorgen lange belastet, gelang es Luerssen bis zu seiner Eme­ ritierung 1910 zwar, den Verfall der Sammlungen zu stoppen, doch ging das, zumal unter dem Druck steigender Studentenzahlen, zu Lasten von Forschung und Lehre. Luerssen bot fast ausschließlich Ver­ anstaltungen für Anfänger an, dazu Botanik für Mediziner, Chemiker, Pharmazeuten. Forschung fand am Institut überhaupt nicht mehr statt, und die Lehre verharrte auf denkbar niedrigstem Niveau. Die einzige Nachwuchskraft, der 1900 mit 43 Jahren habilitierte Johannes Abromeit, Sohn eines Guts­ besitzers aus der Nähe Gumbinnens, war durch und durch ein Schüler von Luerssens Amtsvorgän­ ger Caspary, also primär Systematiker, der sich mehr und mehr der von seinem Lehrer begonnenen Inventarisierung der Flora Ost­ und Westpreußens hingab und der als Provinzialbotaniker und (seit 1901) Vorsitzender des Preußischen Botanischen Vereins vielfältige Vortrags­ und Naturschutzakti­ vitäten entfaltete.887 Bei der Dominanz der Pflanzenphysiologie vor 1914 mußte Abromeit daher als GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 31–37; PhilFak – PrMK v. 26. 10. 1887, Liste Nf. R. Caspary. Primo loco stand der gebürtige Ostpreuße Ernst Pfitzer (1846–1906), 1867 von Caspary promoviert, 1869 Habil. Bonn, seit 1872 in Heidelberg. Pfitzer sei der Systematiker, der die Caspary­Tradition fortsetzen werde. An dem an zweiter Stelle neben Wilhelm Schimper (1856–1901), 1883 Habil. in Bonn, dort seit 1886 ao. Prof. u. Kustos, 1899 ord. Prof. Basel, vorgeschlagenen Luerssen wußte die Fakultät vor allem seine didaktischen Verdienste als Verfasser dreier botanischer Lehrbücher zu schätzen. 884 Als sein Hauptwerk, in Leipzig entstanden und die Berufung nach Eberswalde ebnend, ist dieses mit fast 2.000 Seiten imponierende‚ zweibändige ,Handbuch der systematischen Botanik mit besonderer Berücksichtigung der Arzneipflanzen‘ (1879/82) anzusehen, ein Resultat exzessiven Sammelns, Beschreibens, Rubrizierens, ein Mu­ sterbeispiel des enthemmten naturwissenschaftlichen Positivismus, der seinen „Wert“ bekanntlich „in sich selbst“ haben wollte. 885 Nur klassifizierend: Luerssen 1873. 886 GStA …, Tit. X, Nr. 12, Bd. V, unpag.; Luerssen an PrMK v. 26. 3. 1895: Die umfangreichen Sammlungen seien seit Jahrzehnten nicht geordnet worden, er komme vor lauter Verwaltungsaufgaben nicht mehr zu wissen­ schaftlicher Arbeit. Allein 2/3 des Herbariums sei derart ungeordnet, daß ein Auffinden bestimmter Arten völlig unmöglich sei. In den morphologischen Sammlungen hätten Insekten Hunderte von Nummern zerstört, ebenso seien im Herbarium nur noch „Pflanzentrümmer“ übrig geblieben. Die schützende Präparation werde ihn etwa 10–12 Jahre beschäftigen! 887 GStA …, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, unpag.; PhilFak – PrMK, Meldung über Habil. v. 22. 3. 1900. PV: Über den Wert anatomischer Merkmale in systematischer Hinsicht. Am 19. 2. 1900 dann die AV: Über Bastardisierung im Pflanzenreiche. Als Habilschrift hatte Abromeit wiederum eine systematische Arbeit vorgelegt: Samenpflanzen (Phanerogamen) aus dem Ritenbenks­District [Botanische Ergebnisse der Grönland­Expedition]. 1898 war unter Mithilfe des Geologen Alfred Jentzsch der erste Teil einer ‚Flora von Ost­ und Westpreußen‘ erschienen, der Luers­ sen 1894 etwas vorgearbeitet hatte: ‚Beiträge zur Kenntnis der Flora Ost­ und Westpreußens‘. 1893 hatte Abromeit den ehrenvollen Auftrag der Bearbeitung der botanischen Resultate der deutschen Grönlandexpedition unter sei­ nem Landsmann v. Drygalski übernommen, 1900 half er i. A. der preußischen Regierung mit bei der Vorbereitung botanischer Ausstellungsobjekte für die Pariser Weltausstellung. – Abromeit wurde von Luerssen 1888 als Assistent 883

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„typischer Vertreter der altmodischen Systematik“ gelten, der sich überdies, wie die Fakultät später mitleidig konstatierte, mit seiner pflanzengeographischen Konzentration auf die engere Heimat jede Berufungschance verbaute.888 Agrarwissenschaften 1869, nachdem die ostpreußischen Landwirte soeben von einer verheerenden Dürrekatastrophe heimgesucht worden waren, erwirkte das Kultusministerium beim preußischen Finanzminister den ersten agrarwissenschaftlichen Lehrstuhl für die Albertina, den zum WS. 1869/70 Theodor von der Goltz erhielt, ein Fachmann für landwirtschaftliche Betriebslehre, der sich kurz nach seiner Berufung eingehend mit den agrarpolitischen Problemen Ostelbiens, vor allem mit der „Landarbeiterfrage“ zu befassen begann.889 Als Lehrer fand von der Goltz in seinen ersten Semestern wenig Zuspruch. Zum einen, weil ihm kein Institut zur Verfügung stand – für das erst 1872 Mittel bewilligt wurden und das als Neubau 1876 bezugsfertig war –, zum anderen, weil er mit seinen regelmäßigen publizistischen Einlassungen890 zum chronischen Konflikt zwischen Gutsbesitzern und Landarbeitern sowohl die agra­ rischen Interessenverbände der Provinz wie auch die sozialdemokratischen Anwälte des Landproleta­ riats gegen sich aufbrachte und zudem, als „Freund der positiven Union“ kirchenpolitisch engagiert, sich die beiden großen politischen Lager Ostpreußens, „Freisinnige“ und „Altkonservative“, auch auf diesem Feld zu Feinden machte.891 Ungeachtet der durch die Institutsgründung verbesserten Studienbedingungen mußte v. d. Goltz mit dem Vorwurf der „Praxisferne“ leben. Die von ihm gebotene Betriebs­ und Taxationslehre, seine Kollegs „Ueber die Arbeiterfrage“, die Vorlesungen über „Encyclopädie der Landwirthschaftslehre“, „Allgemeine Ackerbaulehre“ oder zur „Geschichte der deutschen Landwirthschaft“ wären ihm auch ohne Institut möglich gewesen und boten nach der Ansicht seiner zahlreichen Kritiker nur „Theorie“. Schon die praxisnähere Pflanzenbaulehre und die Tierzucht sparte der nationalökonomisch ausgerich­ tete und interessierte von der Goltz weitgehend aus. Als „Praktiker“ wirkte neben ihm seit 1872 nur ein Lektor für Tierheilkunde, Carl Richter, der 1876 im Institut auch eine bescheidene Tierklinik er­

eingestellt, ging 1922 in den Ruhestand, unterrichtete aber weiter und blieb öffentlich sehr präsent. Auf der Feier zu seinem 80. Geburtstag, die 1937 im Botanischen Institut stattfand, wurde eine „Caspary­Abromeit­Stiftung“ eingerichtet. Vgl. den Bericht in: KAZ Nr. 80/81, 18. 2. 1937. 888 Vgl. Vogel 1927. 889 Als Administrator der Lw. Akademie Waldau, nahe Königsberg (1862–1869), hatte v. d. Goltz schon eine Reihe von sozialpolitischen Vorschlägen zur Linderung des Landarbeiterelends in Nordostdeutschland publiziert. Insoweit war er für den hochkonservativen Kultusminister v. Mühler also kein unbeschriebenes Blatt, und doch erfolgte die Berufung zum WS. 1869/70 ohne amtliche Bedenken. Vgl. Rep. 89, Nr. 21659, Bl. 67; PrMK – ZivK v. 15. 5. 1869 zur Besetzung des neuen Lehrstuhls für Landwirtschaft. Zu v. d. Goltz vgl. vor allem die Biographie von Kurt Munier 1921. Kurator v. Horn notierte etwas spitz, v. d Goltz sei in Berlin wegen seiner „konservativen Gesinnung“ ein „wol angeschriebener Mann“ gewesen, damit unterstellend, dies habe bei der Berufung zur Amts­ zeit v. Mühlers den Ausschlag gegeben (GStA, VI. HA, Nl. v. Horn, Nr. 4, Bl. 325). 890 Vgl. Konkordia. Zeitschrift für die Arbeiterfrage (1870–1876), sowie 1872b und Anti­SPD: 1875b. 891 Munier 1921, S. 16 ff., v. d. Goltz mit der Selbsteinschätzung zitierend, er verstünde sich als „liberal­konser­ vativ“, also rechts von den Nationalliberalen stehend, und wie der nationalliberale Kollege Zorn sich um 1880 der kleinen „Freikonservativen Partei“ zuordnend. Seine sozialkonservativen Positionen in der Landarbeiterfrage finden sich abgesteckt: v. d. Goltz 1872a, wesentlich erweitert 1874; ferner 1875a. Zum sozialpolitischen Enga­ gement, auf Munier gestützt, Kühner/Morgen 1934, S. 153 f. – Kurator v. Horn, dem das Landwirtschaftliche Institut 13 Jahre lang ein „Sorgen­ und Schmerzenskind“ blieb, machte den mangelnden Praxisbezug und den langweiligen Vortrag des Chefs für die fehlende Anziehungskraft des Instituts verantwortlich. Die Gutsbesitzer schickten ihre Söhne jedenfalls lieber zu Kühn nach Halle (GStA, VI. HA, Nl. v. Horn, Nr. 4, Bl. 325 ff.).

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öffnen durfte.892 1873 kam der Agrikulturchemiker Heinrich Ritthausen dazu, der nur mit Mühe zum Wechsel von Bonn nach Königsberg bewogen werden konnte.893 Schnell stand für Kurator v. Horn fest, damit einen Mißgriff getan zu haben. Ritthausen mochte vielleicht ein guter Chemiker sein, verweigerte sich aber als „stiller zurückgezogener Mann“ der Anforderung, „nach außen zu wirken“, vor allem der Kooperation mit den Landwirtschaftlichen Zentralvereinen.894 Da er, neben Nahrungs­ mittelchemie, nur über die Pflanzenernährung von Nutztieren und über Düngung las, blieb die eigent­ liche Pflanzenbaulehre ein Desiderat. Das Ministerium versuchte diesem Mißstand abzuhelfen und gewährte 1876 ein Extraordinariat, das man, ohne Rücksprache mit der Fakultät, dem 1875 in Halle mit ‚Untersuchungen über Bodenwärme‘ habilitierten Adolf Ritter von Liebenberg übertrug, um von der Goltz endlich durch einen Pflanzenkundler zu unterstützen.895 Von Liebenbergs Wirken erhöhte die Anziehungskraft des Studiums, doch nach vier Semestern folgte er zum WS. 1878/79 einem Ruf ins heimatliche Wien.896 Nach dem Willen der von v. d. Goltz beratenen Fakultät sollte es mit einem Fachmann für Pflanzenbau weitergehen, und sie schlug daher den 1877 habilitierten Gustav Marek vor, wiederum einen Österreicher, der aus dem Hallenser Landwirtschaftlichen Institut hervorgegan­ gen war.897 Die Landwirtschaftlichen Zentralvereine von Danzig, Königsberg und Insterburg boten hingegen ihren ganzen Einfluß auf, um das zu verhindern. Als Lehre aus der Dürrekatastrophe von 1867/68 hatten viele Landwirte von Ackerbau auf Viehzucht und Milchwirtschaft umgestellt und wünschten nun einen entsprechend ausgewiesenen wissenschaftlichen Berater, den sie in Wilhelm Fleischmann, einer in Mecklenburg wirkenden, internationales Ansehen genießenden Koryphäe auf dem Gebiet des Molkereiwesens gefunden zu haben glaubten.898 Da Minister Falk mit einem „billigen“ Extraordinariat und einem Institut, das nicht einmal die primitivsten Lehrmittel für Fleischmann be­ reit hielt, nichts zu bieten hatte, was ihn für Königsberg einnehmen konnte, mußte sich die Agrarlobby auf eine zukünftige Etatisierung eines zweiten Ordinariats vertrösten lassen.899 Das Landwirtschaftliche Institut war nach Mareks Ankunft bald einem zweifachen Druck ausge­ setzt: offensichtlich im Vergleich mit Berlin, Bonn, Halle und Breslau vom Ministerium bedenken­ los vernachlässigt, stünden die Königsberger, wie Althoff später rückblickend freimütig einräumte, in scharfer und nicht sehr aussichtsreicher Konkurrenz zu den wichtigsten preußischen Instituten, so daß auch junge ostpreußische Landwirte lieber dem „Zug nach Westen“ folgten. Dazu kamen die Span­ nungen der Königsberger „Akademiker“ mit den „Praktikern“ der Landwirtschaftskammer einerseits, 892 GStA …, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 218 f.; Antrag v. d. Goltz, Richter zum nb. ao. Prof. zu ernennen v. 20. 9. 1879. Richter war seit 1843 Departments­Tierarzt in Gumbinnen gewesen und wechselte 1871 in die gleiche Posi­ tion im Regierungsbezirk Königsberg. Neben ihm weist das VV noch bis 1878 Veranstaltungen eines Tierarztes Dr. E. Neumann aus. 893 Ebd., Bd. IX, Bl. 9 f.; PrMK – PrMF v. 12. 3. 1873 wg. Dotierung des neuen Ordinariats. Wegen der schlech­ ten Bezahlung von 1.200 Thl. hätte sich das Ministerium bereits mehrere Absagen eingehandelt. Auch Ritthausen verlange 1.700, was angesichts der teuren Königsberger Lebensverhältnisse (die Jahresmiete einer Familienwoh­ nung liege über 500 Thl.) nicht unbillig sei, zumal mit Ritthausen nun endlich überhaupt jemand angebissen habe, der zudem als ehemaliger Lehrer der Landwirtschaftsakademie Waldau bei Königsberg mit den „localen und climatischen Verhältnissen“ vertraut sei! 894 GStA, VI. HA, Nl. v. Horn, Nr. 4, Bl. 327r, 328. 895 Ebd., Bd. X, Bl. 191; PrMK – v. Liebenberg v. 3. 8. 1876, Übertragung eines Extraord. gg. Remuneration und für SS. 1877 in Aussicht gestellter Etatisierung. 896 Ebd., Bd. XI, Bl. 113 f.; Kurator – PrMK v. 28. 7. 1878: wegen der guten Lehrerfolge müßte man eigentlich alles tun, v. Liebenberg zu halten, aber die Königsberger Institutsverhältnisse böten wahrlich kein Äquivalent für das, was ihn in seiner österreichischen Heimat erwarte. 897 Ebd., Bl. 139–141; PhilFak – PrMK v. 24. 7. 1878, Liste Nf. v. Liebenberg: primo et unico loco Marek. 898 Ebd., Bl. 142–147; Eingaben der ost­ u. westpr. Zentralvereine zugunsten eines Lehrstuhls für Molkereiwesen in Königsberg vom Juli 1878. 899 Ebd., Bl. 153 f.; Antwortentwurf Falk f. Lw. Zentralvereine, August 1878.

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untereinander andererseits. Marek ruinierte seinen Ruf, zunächst nur innerhalb der Fakultät, frühzeitig durch Kompetenzfehden mit dem Ordinarius von der Goltz.900 Von dessen Nachfolge – v. d. Goltz’, vom Dauerstreit mit Marek zermürbt, folgte zum SS. 1885 erleichtert einem Ruf nach Jena901 – hatte die Fakultät den in Praktikerkreisen durchaus geschätzten Extraordinarius902 darum in demütigender Form ausgeschlossen.903 Laut Vorschlagsliste, unter der Federführung des scheidenden Ordinarius ent­ standen, sollte die Betriebslehre weiter im Mittelpunkt des Unterrichts stehen, so daß der 52jährige Hugo Grahl von der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin primo loco gesetzt wurde.904 Parallel 900 Ursächlich dürfte der Streit um Einfluß und Geld gewesen sein: v. d. Goltz vertrat hauptsächlich die Lw. Betriebslehre, der „sehr tüchtige“ Marek aber Tierzucht und Pflanzenproduktion, Fächer, die vom Ministerium stärker gefördert wurden. Ihm kam daher das Gros der „Institutsmittel allmählich in die Hände“, auch der Assi­ stent und der Gärtner waren in Mareks Arbeitsbereich tätig, so daß bei dem sich gegenüber seinem Extraordinarius zurückgesetzt fühlenden Ordinarius „gewisse bittere Empfindungen“ angesichts der „fortschreitenden Zurück­ drängung seines Einflusses“ gesteigert würden, was wiederum dem „kollegialen Einvernehmen“ wenig zuträglich sei, wie Kurator v. Horn nur 15 Monate nach Mareks Berufung am 6. 3. 1880 meldete – um (erfolgreich) für v. d. Goltz einen trostpflästerlichen „Roten Adler vierter Güte“ zu erbitten; GStA, I. HA, Rep. 89, Nr. 26660, Bl. 10– 12. Eine andere Bewertung legt Althoffs langjähriger „Informant“, der Jurist Paul Krüger, nahe: Landwirtschaft­ liche Kreise seien auf Marek schlecht zu sprechen, die Fakultät setze seine Fähigkeiten nicht hoch an und über seine Persönlichkeit sei man sich allgemein einig: er gelte als „unleidlicher College“, den man sich „möglichst vom Hals hält“. Er sei wie viele seiner Landsleute, „die Tschechen“, von „unangenehm aufdringlicher Freundlichkeit“, welche aber die Unaufrichtigkeit nur zu sehr durchscheinen lasse. Diese „schlimme Seite seines Characters“ habe sich im langjähigen Kampf gegen v. d. Goltz offenbart, „den er in der verletzendsten Weise geführt hat“ (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B N. 103 I, Bl. 78 f.; an Althoff v. 12. 7. 1885). In v. Horns Rückschau stießen hier zwei unvereinbare Temperamente aufeinander: der konservative Protestant Goltz und Marek, der katholische Böhme, „mit dem Character und den Eigenschaften desselben“. Damit waren die Rang­ und Kompetenzfehden schon programmiert, die dem Hochschulreferenten Goeppert und v. Horn „unsägliche Arbeit u. Mühe bereiteten“ und das Ansehen des Instituts in der Provinz nahezu ruinierten (GStA, VI. HA, Nl. v. Horn, Nr. 4, Bl. 327). 901 Rep. 76Va …, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 225; v. d. Goltz – PrMK v. 16. 12. 1884, Telegramm betr. das Jenenser Angebot, für üppige 6.000 M. an die Saale zu wechseln. Althoffs postwendende, kühle Antwort, im Bewußtsein finanziell nicht mithalten zu können, aber auch froh, sich fortan in Königsberg um einen Konflikt weniger küm­ mern zu müssen: „Ich stelle anheim!“ 902 So nach Ansicht des Kuratorialrats Tomaszewski, an Althoff v. 9. 8. 1885 (ebd., Bd. XIV, Bl. 70–72). Es sei Goltz’ großem Einfluß zuzuschreiben, daß Mareks Tätigkeit in der Fakultät gering eingeschätzt werde und sie M. nicht als Nf. Goltz vorschlug. Aber unter Ostpreußens Landwirten werde M. „sehr geschätzt“. Sie stuften den Wert seiner Lehrtätigkeit erheblich höher ein als den von Goltz. Bei ihnen sei er ein geachteter Mann, dessen Ernennung zum Ordinarius gern gesehen werden würde. Zu bedenken sei auch: seit sein Antipode Goltz fort ist, dürfte der Widerstand gegen M. in der Fakultät abnehmen. Der auch von der Landwirtschaft gewünschte Fleischmann wäre natürlich eine ebenso gute Wahl, für das Ordinariat aber wohl zu sehr Spezialist. M. jedenfalls würde „striken“, wenn man ihm Fl. als Direktor des Lw. Instituts vor die Nase setzte. 903 Nicht in den Berufungsakten, sondern an abgelegener Stelle findet sich ein Schreiben des Kommissionsvor­ sitzenden Prutz an den Minister v. 17. 7. 1885, das über Mareks Ausgrenzung informiert: Die Kommission, be­ stehend aus Prutz, Umpfenbach, v. d. Goltz, Ritthausen und Caspary, habe nicht einmal erwogen, Marek auf die Liste zu setzen. Seine Arbeiten würden „sehr abfällig“ beurteilt, gelten als „zurechtgemachtes Blendwerk“, das einer Nachprüfung nicht standhalte. Sein Hörerkreis sei klein, und von diesen wenigen Studenten gebe es kein günstiges Urteil über den Dozenten Marek, der sich im übrigen mit seinen „Intriguen“ gegen Goltz in eine „üble Position“ und in die „soziale Isolierung“ manövriert habe. Niemand in der Fakultät würde für seine Nennung eintreten (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. I, unpag.). 904 Rep. 76Va …, Bd. XIV, Bl. 42–47; PhilFak – PrMK v. 7. 5. 1885, Liste Nf. Goltz, die Auswahl am Schwer­ punkt Betriebslehre orientierend: 1. Hugo Grahl (1834 – ?), 15 Jahre lang prakt. Landwirt bei Dresden, agrarwiss. Studium u. Prom. München, Dozent Proskau, 1874 Lw. Hochschule Berlin. – 2. Hugo Werner (1839–1912), 1869 Dozent Proskau, 1871 Bonn Poppelsdorf, ord. Prof. ebd. 1872, 1889 Lw. Hochschule Berlin. – 3. Wilhelm Kirchner, 1848–1921, 1882 Habil. Halle, Milchwirtschaftler, ord. Prof. u. Direktor Lw. Institut Leipzig.

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dazu trommelte die Agrarlobby erneut für ihren Favoriten Wilhelm Fleischmann.905 Gleichzeitig wollte Marek sich im Alleingang dem Ministerium mit einer schnellen Ablehnung eines Rufs ans Polytechni­ kum in Riga und einem ausufernden „Tätigkeitsbericht“ als Goltz­Nachfolger geradezu aufnötigen.906 Goltz gönnte ihm diesen Triumpf nicht, warnte Althoff und bestellte Ritthausen zum Interimsvertre­ ter.907 Mit dem Umzug Goltz’ nach Jena zum SS. 1885 bröckelte zwar nicht der Widerstand gegen Marek, aber für Grahl und die Betriebslehre wollte sich auch niemand ins Zeug legen, so daß Althoff im September 1885 mit dem zögerlichen Fleischmann abschließen konnte.908 Für diesen Tort rächte sich Marek an seinem neuen Kollegen. Der Goltz­Nachfolger monierte daher bald, daß seine „Be­ rufsfreudigkeit“ nur wenige Semester nach Dienstantritt erlahmt sei, weil der Pflanzenzüchter Marek in seinen Gefilden, der allgemeinen Landwirtschaftslehre, der Betriebs­ und Taxationslehre, Fächern, von denen er nichts verstehe, expandiere und ihm die ohnehin nicht zahlreichen Studenten abspenstig mache. Dies hatte einen beide Seiten verbitternden, langwierigen Streit provoziert, den Althoff nur notdürftig beilegen konnte.909 Marek, Jahre vor Ausbruch einer Gehirnkrankheit im Kollegenkreis komplett isoliert und als Psychopath gehandelt, litt in seiner letzten Lebenszeit unter Verfolgungswahn und starb 1896 in der Heilanstalt Kortau bei Allenstein.910 Vom SS. 1894 bis zum WS. 1895/96 fiel der pflanzenbaukundliche Unterricht aus. Mareks verwaiste Abteilung machte Ende 1895 auf die beiden Wunschkandidaten der Fakultät, die in Jena bzw. Breslau sich an eine großzügige Ausstattung gewöhnt hatten, einen zu ärmlichen Eindruck, als daß sich einer von ihnen zur Annahme des ihnen

Ebd., Bl. 244–246; Eingaben der Zentralvereine v. 6. u. 18. 3. 1885. Zustimmend Kurator v. Schlieckmann: Er habe über die Lehrtätigkeit und die „politische Gesinnung Fleischmanns von maßgeblicher Seite allergünstigste Zeugnisse“ erhalten und könne den Demarchen der Landwirtschaftsvereine nur zustimmen. 906 Ebd., Bl. 68; Marek – PrMK v. 15. 7. 1885 betr. Ablehnung Riga und ebd. Bl. 402–408; Tätigkeitsbericht Lw. Institut v. 15. 5. 1885. 907 GStA, VI. HA, Nl. Althoff B Nr. 126 I, Bl. 81–84; Marek – Althoff v. 18. 10. 1885 zur „unerträglichen Übergehung“ bei der Goltz­Vertretung, von der ausgerechnet Ritthausen profitiere, der mit der praktischen Land­ wirtschaft nichts zu tun haben wolle. Marek versagte es sich nicht, bei dieser Gelegenheit auf die Vernachlässigung des Instituts durch v. d. Goltz hinzuweisen, zu dessen „Erbschaft“ auch der indiskutable Zustand der Bibliothek gehöre, für die seit Jahren keine bedeutenden Zeitschriften angeschafft worden seien, sogar das Journal für Land­ wirthschaft habe er abbestellt. Vgl. dagegen ebd., B Nr. 55 II, Bl. 193; v. d. Goltz – Althoff v. 3. 8. 1885, den Vorschlag zurücknehmend, Marek mit der Vertretung zu betrauen, und ebd., Bl. 195, an Althoff v. 11. 8. 1885 aus seiner Sommerfrische Gut Posegnick im Kr. Gerdauen: Marek kündige für das WS. schon Betriebslehre an, fühle also auf das Terrain des Ordinarius vor, weshalb lieber Ritthausen die Vertretergeschäfte übernehmen solle. – Das Urlaubsdomizil des Königsberger Agrarwissenschaftlers weist darauf hin, daß er unter Ostpreußens Landwirten nicht nur als „Theoretiker“ verschrien war, sondern ein paar „reformerische“ Parteigänger für sich einnahm. Dazu zählte sein Gastgeber auf Posegnick, Johann Hermann Neumann, Mitglied des Reichstages für die Nationallibe­ ralen von 1874 bis 1877 (W. Wagner 2009, S. 967). 908 Ebd., Bl. 66 f.; Vereinbarung Fleischmann – Althoff v. 15. 9. 1885 zum SS. 1886. 909 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 125–129; Eingabe Fleischmann ans PrMK v. 1. 8. 1888 wg. Mareks Übergriffen in sein Lehrgebiet der allg. Landwirtschaftslehre (Betriebs­ u. Taxationslehre), ebd. Bl. 136; Fleischmann – PrMK v. 8. 9. 1888 gegen die vorgeschlagene „Freiheit“ für ihn und Marek, anzukündigen, wie es ihnen beliebt, sowie ebd., Bl. 141, Fl. an Althoff v. 9. 11. 1888, mit der Bitte, Marek an eine andere Univer­ sität zu versetzen. Althoff nahm die Anregung auf, dachte an Göttingen, bekam aber vom dortigen Institutsleiter Gustav Drechsler eine barsche Absage (ebd. Bl. 142 f.; Schreiben v. 16. 11. 1888): Marek, wenn auch in seinem „Specialfach“ zu Recht gerühmt, sei extrem unkollegial, vertrage sich mit niemandem, ein notorischer Intrigant, der schon v. d. Goltz „weggebissen“ und der gegen Fleischmann unverzüglich mit neuer „Minier­Arbeit“ begonnen habe, werde sich in Göttingen niemals integrieren lassen. Für eine Versetzung komme nur Kiel in Betracht, da dort niemand seine Kreise stören werde. Den von Althoff dann vermittelten Kompromiß stellte Marek sehr schnell wieder in Frage (ebd., Bl. 145 ff.) 910 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Bd. XIX, Bl. 197; Meldung des Kurators v. 23. 5. 1896. 905

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von Althoff aufgedrängten Rufes hätte entschließen können.911 Die wie üblich weniger renommierte Kandidaten vorschlagende zweite Liste brachte die Berufung des nicht habilitierten Assistenten am Berliner Zoologischen Institut, Georg Rörig, eines Ungeziefer­Spezialisten für „die kleinen Feinde der Landwirtschaft“, der in seiner kurzen Königsberger Amtszeit weniger Interesse an der Pflanzenzucht als am ostpreußischen Jagdwesen und an der Wildbiologie zeigte.912 Fleischmann richtete 1887 auf der Domäne Kleinhof­Tapiau, nordöstlich von Königsberg, eine Versuchsmolkerei ein, erweiterte 1888 im Königsberger Institut sein Laboratorium für Chemie der Milch um das Instrumentarium für milchwirtschaftlich­bakteriologische Arbeiten und ging, wie seine Schüler und Assistenten R. Krüger, Georg Leichmann, Karl Hittcher (1899 habilitiert) und Ernst Gutzeit (1898 habil.) fast volltändig auf in der „Milchforschung“ und ihrer praktischen Umsetzung. Vor allem in den sich schnell auszahlenden Untersuchungsreihen zur Verbesserung der Butter­ und Käsebereitung zwecks Eroberung des Berliner Marktes.913 Aus diesen Forschungen entstand 1893 die „Bibel“ dieses Fachgebietes, Fleischmanns ‚Lehrbuch der Milchwirtschaft‘, das „erschöpfendste Buch der allgemeinen Milchwirtschaftswissenschaft auf dem Erdenrund“,914 das bis 1920 fünf weitere, von ihm bearbeitete Neuauflagen erlebte, ins Englische, Russische, Spanische übersetzt wurde. Als „Be­ gründer der modernen Milchwirtschaft“ kam Fleischmann das Verdienst zu, die Milch­, Butter­ und Käseerzeugung von einem agrarischen Haus­ und Nebengewerbe zu einem ökonomisch profitablen Standbein auch der ostpreußischen Landwirtschaft entwickelt zu haben.915 Unter dem derart zehn Jahre lang, von 1886 bis 1896, höchst einseitig auf Milchwirtschaft konzen­ trierten Fleischmann916 entspannte sich zwar der politische Gegensatz, der sich zwischen seinem frei­ konservativen Vorgänger von der Goltz und den hochkonservativen Wortführern der ostpreußischen Agrarier aufgetan hatte, aber den Vorwurf der „Praxisferne“ hielt ein Teil von ihnen auch ihm gegen­ über zunächst aufrecht, wie er andererseits in der Fakultät eben als Praktiker für „kaum salonfähig“

Ebd., Bl. 35 f.; PhilFak­PrMK v. 15. 11. 1895, Liste Nf. Marek: Konrad von Seelhorst/Jena und Kurt von Rümker/Breslau. Beiden waren noch glänzende Karrieren vergönnt: der Generalssohn v. Seelhorst übernahm 1912 als Nachfolger Fleischmanns das Göttinger Lw. Institut, v. Rümker, 1914/18 kriegspropagandistisch äußerst rege, folgte 1912 einem Ruf an die Lw. Hochschule in Berlin. – Ihre Absagen und weitere Korresp. ebd. Bl. 39 ff. – Ähn­ liche Angaben über den Zustand von Mareks Abteilung, deren Ausstattung seit Jahren nicht ergänzt und verbessert worden sei, machte dessen Nachfolger Rörig in einem Schreiben an das PrKM v. 26. 10. 1897, in: ebd., Tit. X, Nr. 41, Bd. VI, unpag. 912 GStA …, Nr. 21, Bd. XIX, Bl. 133–135; PhilFak – PrMK v. 5. 3. 1896, II. Liste Nf. Marek: 1. G. Rörig, Jg. 1863, erst 1892 in Halle promoviert: Oscinis frit und pusilla. Ein Beitrag zur Kenntniss der kleinen Feinde der Landwirthschaft, 1893 Assistent Zool. Inst. FWU (s. Catalogus). – 2. Adolf Helmkampf, 1866 Celle. – 1885 RG Göttingen, lw. Lehre, 1887–1892 agrarwiss. Studium Göttingen, Prom. ebd. 1892: Untersuchungen über die Feststellung des Düngungsbedürfnisses der Ackerböden durch die Pflanzenanalyse, nicht habilitiert, Landwirt­ schaftslehrer in Weilburg, gab ein weit verbreitetes Lesebuch für länd. Fortbildungsschulen heraus, seit 1911 unter dem Titel ‚Herd und Scholle‘, ferner 1909: Rechenbuch für ländliche Fortbildungsschulen, 1910: Des Landwirts einfache und praktische Buchführung, Veröffentlichungen, die es mehr als rätselhaft erscheinen lassen, warum man dem Weilburger Oberlehrer die Übernahme eines Königsberger Extraordinariats zutraute, zumal die kurze Laudatio bedauerte, außer seiner Dissertation lägen von Helmkampf keine weiteren Arbeiten vor! 913 Schuler 1942, 48–51, 144–159. 914 Schuler 1942, S. 161, das Lob des zweiten deutschen „Milchpapstes“ Benno Martiny (1836–1923) zitierend. 915 Auf der Basis von Schuler 1942 das Urteil von Brandsch 1995, S. 687. 916 Ein zweites wissenschaftliches Standbein bildete Fleischmann mit seinen agrarhistorischen Studien zur „alt­ germanischen und altrömischen Landwirtschaftsgeschichte“ erst in Göttingen aus. Vgl. Schuler 1942, S. 60, 168–176; dort auch der zeitgemäße Hinweis auf R. W. Darrés Lob für Fleischmann als den „gründlichsten Ken­ ner der altgermanischen Landwirtschaftsgeschichte“, von dessen Forschungen eins der beiden Hauptwerke des NS­Landwirtschaftsministers und „Reichsbauernführers“, ‚Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse‘ (1928) profitierte. 911

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und „minderwertig“ galt, weil er eine auf die „Erzeugung der gewöhnlichtsen Sachgüter gerichtete Disziplin“ vertrat.917 Die „Angelegenheit Backhaus“ Als Fleischmann 1896 nach Göttingen wechselte, schickte das Ministerium, ohne die Fakultät zu kon­ sultieren, zum WS. 1896/97 Alexander Backhaus zunächst als Fleischmanns Vertreter nach Königs­ berg. Ihm gelang es kurzfristig, mit Fortbildungskursen für ältere Landwirte die Akzeptanz des Insti­ tuts zu erhöhen. Der Rückschlag trat ein, als Backhaus sich mit agrarstatistischen Vergleichen zwischen der ostpreußischen und der westdeutschen Landwirtschaft, die Ostpreußens Agrarlobby als Torpe­ dierung ihres zollpolitischen Kurses auffaßte, höchst unbeliebt machte und sich in einen Federkrieg mit der Landwirtschaftskammer einließ, deren Hintergrund auch das Ressentiment des aus Hessen stammenden Westdeutschen gegen den „landwirtschaftlichen Großbetrieb“ Ostelbiens bildete. Daß er sich eine „zweckmäßige[re] Besitzverteilung“ vorstellen konnte, daß er anregte, „Latifundien“ könnten mit staatlicher Hilfe „zerlegt“ und durch viele Pächter bewirtschaftet werden, daß er kein „gewalt­ sames Zerschlagen der großen Güter“ befürwortete, aber sich klar gegen eine „weitere Ausdehnung des Großbesitzes“ aussprach,918 hörten die Agrarfunktionäre, die eben aus jener „Großbesitzer“­Klientel stammten, gewiß nicht gern. Ebensowenig wie man im Ministerium erfreut war, daß Backhaus, 1893 Kandidat zur Reichstagswahl für die oberhessischen Nationalliberalen und den dortigen Bund der Landwirte,919 ungeachtet seiner rituell an den Tag gelegten Zufriedenheit mit den politischen Verhält­ nissen im geeinten „Verfassungsstaat“, dessen „starkes Königtum“ die „gefährliche, wilde Parteiwirt­ schaft im Zaume“ halte, dessen Sozialreformen dem Glanz und der Macht des jungen Reiches auch die „innere Gesundheit“ gäben, während die „Zollschutzgesetzgebung unter der genialen Führung seines ersten Kanzlers“ den Weg gezeigt gabe, wie die deutsche Landwirtschaft vor dem Druck aus­ ländischer Konkurrenz zu bewahren sei, daß er also ungeachtet dieses blauäugigen „Es­ist­erreicht“­ Optimismus,920 nicht zögerte, die „ganz besonderen Mißstände“ im höheren landwirtschaftlichen Unterrichtswesen Ostpreußens öffentlich scharf anzuprangern. Die „Fürsorge der Regierung“, so Backhaus, ende vor den Grenzen der vier östlichen Provinzen (Pommern, Posen, Ost­ und Westpreu­ ßen), obwohl die doch ein Drittel der landwirtschaftlichen Produktion Preußens erzeugten. Jedenfalls aber erstrecke sie sich nicht auf das Landwirtschaftliche Institut der Albertina, für das der Etat 1898/99 spärliche 22.574 M. gegenüber der phantastischen Förderung von Bonn­Poppelsdorf (227.220), der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin (233.170) und dem Institut in Halle (156.572 M.) sowie der immer noch üppigeren Dotierung Breslaus (48.276) oder Göttingens (29.552) ausweise.921 Backhaus’ Passion galt der Einrichtung eines Versuchsguts, weil er davon überzeugt war, nur ein „Versuchs­ und Demonstrationsapparat“ ziehe Studenten an, und weil er sein Fach aus der Liebig anzulastenden, in Königsberg von Marek und Fleischmann kultivierten naturwissenschaftlichen Ein­ seitigkeit befreien wollte. Die Gesetze des wirtschaftlichen Lebens seien komplizierter als die Natur­ gesetze. Zwar blieben die Natur und ihre naturwissenschaftlich angeleitete Nutzbarmachung die Basis der Agrarwissenschaft, doch der Unterricht ausschließlich in der „Produktionslehre“ mit allen Fleischmann, in: Schuler 1942, S. 51. Backhaus 1898a, S. 291. 919 GStA, Rep. 76Vf, Litt. B, Nr. 61, Bd. I, unpag.; Vita Backhaus undat. [Mitte 1898]; ebd., Backhaus – PrMK v. 12. 11. 1898, darin die Erwähnung, daß er um der Königsberger Stellung willen (erneut) die sichere Übernahme eines Reichstagsmandats ausgeschlagen habe. 920 Vgl. seine Rede zum Hochschulkurs für praktische Landwirte: Über die Entwicklung der deutschen Land­ wirtschaft im 19. Jh. samt Ausblick ins 20. Jh., getragen von der Gewißheit, das deutsche Kaiserreich sei unstreitig dauerhafter gegründet als das erste französische Empire, Backhaus 1900, S. 1–6. 921 Backhaus 1898a, S. 294. 917 918

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Feinheiten von „Düngung und Fütterung, über Sortenwahl, Racefragen, über Maschinentechnik und landwirtschaftliches Gewerbe“, führe in die Sackgasse, wenn im Wirtschaftsbetrieb „die größten Fehler unterliefen“. Die „nötige Zentralisation“ von Produktions­ und Betriebslehre sei aber nur in prak­ tischer Bewährung, auf einem Versuchsgut möglich.922 „Gegenströmungen“ in der Landwirtschafts­ kammer und die mangelnde Unterstützung in Berlin vereitelten Backhaus’ Pläne zunächst.923 Als man dem vermögenden Mann, der schließlich 1897 aus eigener Tasche in Quednau einen Gutsbetrieb erwarb, nach diesen „mannigfachen Verwicklungen“, den Konflikten mit der Landwirtschaftskammer, überdies noch „geschäftliche Manipulationen“ anlastete, trennte sich das Ministerium im SS. 1903 von dem ewigen „Vertreter“, dessen Stellung seit langem unhaltbar geworden war.924 Die seit 100 Jahren verstaubenden Personalakten des unglücklichen Backhaus925 lassen diese allein aus der Korrespondenz zwischen Fakultät und Ministerium gespeiste Rekonstruktion jedoch in einem etwas anderen Licht erscheinen. Es ist hier nämlich wie immer: die Masse des Überlieferten steigert die Unübersichtlichkeit dessen, was man leichthin Vergangenheit nennt. Der Widerstand der Großagrarier, die in der Landwirtschaftskammer den Ton angaben, war, wie soeben geschildert, gewiß für Backhaus’ Scheitern ursächlich. Aber eben nicht allein. Kein glücklicher Start war die De­facto­Oktroyierung des Göttinger Extraordinarius im September 1896, nachdem sich die ferienbedingt entblößte Fakultät im Oktober zusammensetzen wollte, um über den Nachfolger von Fleischmann zu beraten. Vielleicht wäre es dann ohnehin auf Backhaus hinausgelaufen, da ihn der nach Göttingen abgehende Ordinarius nachdrücklich empfohlen und „keine Spur von Opposition“ gegen diesen Vorschlag registriert hatte.926 Trotzdem: ihm zuzurechnende gesellschaftliche „Unebenheiten“ hätten das Entrée des jungen, „viel­ geschäftigen“ Dachses verpatzt, wie der ihm zunächst gewogene Kurator v. Bismarck leicht zerknirscht meldete. Der bemooste Agrikulturchemiker Ritthausen, und der kaum weniger betagte Nationalöko­ nom Umpfenbach seien von Anfang an seine Feinde gewesen, weil ihnen Innovationen im Landwirt­ schaftlichen Institut gegen den Strich gingen. Umpfenbach plädierte gar dafür, das immer weniger frequentierte Institut zu schließen. Ob die beiden nicht die Sprechpuppen des von Göttingen aus auf die Königsberger Dinge einwirkenden Fleischmann seien, gab v. Bismarck zu bedenken, obwohl für ihn schwer zu vermitteln war, warum der große Milchwirtschaftler im Sommer 1896 jemanden zu seiner Vertretung herbeiloben sollte, den er dann schon im Herbst mit Hilfe seiner Konfidenten zu Fall zu bringen versuchte.927 Fleischmann hätte allerdings Anlaß zum blitzartigen Stimmungsumschwung gehabt, wenn er Backhaus’ Urteil über sein Ex­Institut in der Tragheimer Kirchenstraße ad notam Backhaus 1903, S. 1–14. Vgl. auch seine Jahresberichte, Backhaus 1898b, S. 99 („Für alles, was mehr nötig wurde, mußten Privatmittel aufgewandt werden … .“). 923 In den Berufungs­ und Institutsakten, leider auch nicht in den Akten des Zivilkabinetts, haben diese Konflikte keinen Niederschlag gefunden, daher bleiben nicht nur Details im Dunkeln – bis dann die Personalakten viele Fragen beantworten. Hinweise auf den Konflikt ergeben sich aber schon aus dem Schriftwechsel des Ministeriums mit dem Zivilkabinett. Im März 1898 lobte das Kultusministerium noch, Backhaus habe, obwohl er mit den anderen preußischen Instituten einen „schwierigen Wettbewerb“ bestehen müsse, 1897 mit wissenschaftlichen Fortbildungskursen erfreuliche Resonanz gefunden, da 250 Landwirte daran teilgenommen hätten (GStA, I. HA, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 6 f.; Mitteilung v. 29. 3. 1898). Ein Jahr später hieß es hingegen, die Bestallung von Back­ haus solle noch nicht vollzogen werden, da seine agrarstatistische Untersuchung des preußischen Ostens und sein Vergleich mit dem Westen in landwirtschaftlichen Kreisen großes Befremden erregt habe, und er nunmehr in ein publizistisches Scharmützel mit der ostpreußischen Landwirtschaftskammer geraten sei (ebd., Bl. 99; Schreiben v. 24. 4. 1899). Dazu, mit allen „Anlagen“ zu diesem Federkrieg, Rep. 76Vf, Litt. B, Nr. 61, Bd. I. 924 GStA, I. HA, Rep. 89/21662, Bl. 173; PrMK­ZivK v. 4. 6. 1903. 925 Vf. war zu eigenem Erstaunen wirklich der Erstbenutzer der für die erste Königsberger Zeit 1906 weitgehend abgeschlossenen, drei Bände (1891–1918) mit weit über 1.000 Blatt umfassenden Personalakten! 926 Rep. 76Vf, Litt. B, Nr. 61, Bd. I, unpag.; Fleischmann – Althoff v. 28. 8. 1896 unmittelbar nach der Fakultäts­ sitzung, in der aber nur 9 von 29 Mitgliedern anwesend waren, die nicht wagten, einen Beschluß zu fassen. 927 Ebd., Kurator – PrMK v. 17. 2. 1897.

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hätte nehmen müssen. Der einst mit Hosianna begrüßte Fleischmann, die milchwirtschaftliche Ze­ lebrität, hatte, so rapportierte Backhaus dies dem Ministerium, einen Saustall hinterlassen. Schon im SS. 1896 habe sich niemand mehr als Landwirtschaftstudent immatrikuliert. Was nicht verwundere, denn Fleischmanns Institut sei „dürftig und antiquiert“ gewesen. Wissenschaftliche Arbeiten seien seit Jahren daraus nicht mehr hervorgegangen. Nicht einmal eine Versuchsmolkerei habe es gegeben, da man die Anstalt in Tapiau kurz vor seiner Amtsübernahme vom Königsberger Institut abgetrennt hatte. Eine neue Molkerei sowie eine Versuchstierhaltung sei erst von ihm eingerichtet worden, ebenso mußte er die veralteten Sammlungen, die lückenhafte Bibliothek und das dürftige Labor reorganisie­ ren.928 Kurator v. Bismarck stimmte Backhaus in dieser Bestandsaufnahme anfangs zu: Fleischmann habe Theorie und Wissenschaft zu sehr betont, der Praxis „zu geringe Beachtung“ geschenkt.929 Back­ haus setzte leicht höhnisch in seiner Jungfernrede vor den Praktikern des landwirtschaftlichen Zentral­ vereins im Dezember 1896 noch eins drauf: Da gäbe es diesen „denkwürdigen Schrank“, den sein Vor­ gänger v. d. Goltz einst anschaffen durfte, für 200 Taler, Aufbewahrungsort für ein paar Modelle und Sämereien, und der habe dann bis 1876 das „Institut“ verkörpern müssen. Und danach sei es wenig besser geworden, die finanzielle Ausstattung blieb so dürftig, daß er 1897 und 1898 das alljährlich stets erzielte Defizit mit Privatmitteln ausgleichen mußte.930 Und zum Dank für seinen aufopferungsvollen Einsatz, der dem Institut wieder Anziehungskraft verliehen und die Studentenzahl von 0 auf 50 gestei­ gert, die Brücke zur Praxis endlich geschlagen habe – zum Dank dafür verweigere ihm die Fakultät das Ordinariat und das Ministerium sekundiere bei dieser Demontage seines Ansehens noch. Denn so oft wie ihm Referent Elster die Ernennung als unmittelbar bevorstehend in Aussicht stellte, so oft, daß er „täglich, stündlich“ darauf gerechnet habe, genauso oft sei er auch enttäuscht worden.931 Tatsächlich hatte v. Bismarck im März 1898 dafür plädiert, Backhaus das Ordinariat nicht länger vorzuenthal­ ten, und Elster fertigte umgehend den Bestallungsvorschlag aus, so daß die Ernennungsurkunde mit königlicher Unterschrift vom 4. April 1898 bald wieder auf seinem Schreibtisch lag.932 Von da an be­ gann sich das Blatt zu Backhaus’ Ungunsten jedoch zu wenden. Elster erinnerte sich an eine anonyme Denunziation vom November 1897, die Backhaus bezichtigte, im Institut auf Staatskosten zur Ent­ wicklung von Milchpulver geforscht, die Resultate aber privat an Fabrikanten verkauft zu haben. Am 25. April 1898 versuchte Backhaus diese Vorwürfe mit einer schlüssigen Darlegung seiner Beziehungen zu Milchpulverproduzenten zu entkräften. Elster schien überzeugt, zögerte aber weiter, die Ernennung zu vollziehen. Im Sommer 1898 tauchte der neue Vorwurf auf, einen Warschauer Geschäftspartner in Sachen Milchpulver um 50.000 M. geprellt zu haben.933 Und im Herbst 1898 hob Backhaus mit den erwähnten ‚Agrarstatistischen Untersuchungen‘ für sich die zweite Grube aus. Dies kostete ihn den Rückhalt der ostpreußischen Agrarlobby sowie des Kurators, der nun mutmaßte, Backhaus könne ein „Schaumschläger“ sein, für den sich die „Staatsautorität“ nicht einsetzen dürfe.934 Doch dies und der Widerstand der Fakultätsmehrheit935 hätten nicht ausgereicht, den Direktor des Landwirtschaftsinsti­ tuts zu Fall zu bringen. Am Ende schien das zweifelhafte „Geschäftsgebaren“ eines privatwirtschaftlich Ebd., Backhaus – PrMK v. 12. 11. 1898. Ebd., Kurator . PrMK v. 17. 2. 1897, am Rand Althoffs Marginalie: „Das ist die allgemeine Meinung in Ost­ preußen. Man wünscht stärkere Betonung der Praxis, der landwirtschaftlichen Betriebslehre.“ 930 Ebd., gedruckte Rede vor dem ostpr. Centralverein v. 18. 12. 1896 und Backhaus – PrMK v. 12. 11. 1898. 931 Ebd. 932 Ebd., v. Bismarck – PrMK v. 5. 3. 1898, PrMK – ZivK v. 29. 3. und Bestallungsurkunde v. 4. 4. 1898. 933 Ebd., Chronologie anhand des Untersuchungsberichts, der das 1900 eröffnete Disziplinarverfahren gg. Back­ haus (zunächst) abschloß, dem PrMK mitgeteilt vom Kurator am 15. 3. 1901. 934 Ebd., Kurator – PrMK v. 21. 10. 1898. 935 Aufgrund seiner unbestreitbaren Verdienste war die 1897 noch stabile Front etwas abgebröckelt, wie sich aus einem Separatvotum von Schade, Bezzenberger, Walter, M. Braun, Erler und Schoenflies v. 16. 2. 1900 ergibt. Die Dissidenten untermauerten ihre Unterstützung mit elf für Backhaus positiv lautenden Gutachten bekannter 928

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agierenden Beamten den Ausschlag zu geben, der das vorgebliche Quednauer „Versuchsgut“ ohne Genehmigung des Kurators als Gewerbebetrieb führte und dabei den Unterricht zu kurz kommen ließ, was, wie v. Bismarcks Nachfolger v. Richthofen forderte, die „schleunige Entfernung“ des Mannes unumgänglich mache.936 Als die Untersuchungen des Universitätsrichters Wollenberg deswegen anlie­ fen, war prompt wieder ein anonymer Denunziant zu Diensten, der, wegen Backhaus’ angeblich übler Leuteschinderei, Quednau als eine zu behördlichem Einschreiten gleichsam nötigende „Brutstätte der Socialdemokratie“ ausmalte.937 Das Ministerium entsandte daraufhin Assessor Eilsberger, um sich von ihm über die „Verhältnisse des landwirtschaftlichen Unterrichts an der Universität Königsberg“ detail­ liert ins Bild setzen zu lassen. Dessen ausführliche, mit plastischen Charakteristiken der professoralen Streithähne gefüllten Bericht versah Elster zwar schon nach den ersten Absätzen mit der Marginalie „Eine ganz toll gewordene Gesellschaft“, in der vor allem Backhaus mit den Quednauer Praktiken sowie der übelsten seiner Eigenschaften, es „mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen“, schlecht wegkam, aber rechtlich bot auch dies keine ausreichende Handhabe, ihn aus dem Amt zu entfernen.938 1902 hatte die „Angelegenheit Backhaus“ so tiefe Spuren in der Philosophischen Fakultät hinter­ lassen, daß nicht nur dort „starke Parteiungen“ entstanden waren, sondern sich auch die Mitglieder der anderen Fakultäten für und wider den Agrarwissenschaftler zu gruppieren begannen.939 Um den deutscher Agrarwissenschaftler. v. Bismarck beurteilte die Kräfteverhältnisse sogar noch günstiger für Backhaus: das Für und Wider ihn spalte die Fakultät (an PrMK v. 23. 3. 1900). 936 Ebd., Bd. II, unpag.; Kurator v. Richthofen – PrMK v. 10. 2. 1902 u. 24. 6. 1902 mit Bericht über eine münd­ liche wie schriftliche Abstimmung in der Fakultät, ob Backhaus noch länger tragbar sei. Dazu Bericht PhilFak über mündliche Abstimmung in der Fakultätssitzung am 6. 5. 1902 und Einzelvoten der schriftlichen Abstimmung, derzufolge Backhaus in Schade, Bezzenberger, Hahn, M. Braun, Jahn, Baumgart, Erler, Busse, Schoenflies und Brinkmann immer noch über einen kräftigen Halt verfügte, fast alle Naturwissenschaftler, sein Kollege Stutzer und der Nationalökonom Diehl aber kompromißlos gegen ihn votierten, und damit, obwohl seine unversöhnlichsten Feinde, Umpfenbach, Ritthausen, Prutz, der Fakultät nicht mehr angehörten, immer noch die Mehrheit gegen ihn stand. 937 Ebd, Bd. II; Anonymus – Kurator v. 11. 3. 1903. Falls nicht eingeschritten werde, so der Denunziant, der sich als in abhängiger Stellung beschäftigt ausgibt, reiche er sein – politisch von ihm offenbar als vielseitig verwendbar eingeschätztes – Material an die „socialdemokratische Presse“ weiter. 938 Ebd., Bd. II; Eilsberger – PrMK v. 11. 3. 1903. Gisevius wird hier als Regisseur des Intrigenspiels entlarvt, der Backhaus 1898 aufgrund seiner „unsauberen“ Milchpulvergeschäfte aus dem Amt zu kegeln versuchte. G. recht­ fertigte dies Eilsberger gegenüber damit, daß er den Aufstieg des „wissenschaftlich sehr minderwertigen“ Backhaus zum Ordinarius verhindern wollte. Eine ebenso unerfreuliche Seite von Gisevius’ Charakter beleuchtet Eilsber­ gers Schilderung seiner Beziehung zum Extraordinarius Gutzeit, den er gängle, schikaniere und zum Assistenten herabzudrücken versuche, was den in einen inzwischen bis zur Arbeitsunfähigkeit gehenden Zustand „nervöser Überreizung“ getrieben habe. Die beiden Herren verkehrten daher nur noch „durch Zettel“ miteinander. Bei allem Verdienst um die Saatzucht in Ost­ und Westpreußen, bei aller Anerkennung auch für Gisevius’ organisatorische Talente, müsse über seine Versetzung, gegen die er sich sträube, nachgedacht werden. Zumal der Krieg zwischen Backhaus, Gisevius, Gutzeit sich ausgeweitet habe: auf Assistenten und Studenten. Besonders auf dem Versuchsgut Waldgarten gerieten die Parteien immer wieder derart aneinander, daß deswegen schon der Universitätsrichter bemüht worden sei. Solche „unausgleichbaren“ Zustände hätten sich herumgesprochen, der Zuzug von Studenten aus dem Baltikum tendiere daher gegen Null. Eilsbergers Rapport verschont allein Stutzer, der allerdings dafür getadelt wird, daß er als ältester Ordinarius nicht frühzeitig vermittelt habe. – Eine rechtliche Prüfung, einge­ reicht von Backhaus’ Berliner Anwalt, Justizrat Paul Krüger, v. 26. 3. 1903, resümiert, daß „Quednau“ sowenig wie die „Milchpulveraffäre“ eine Amtsentfernung rechtfertige (ebd., Bd. II). Gegen eine Ordnungsstrafe von 300 M. stellte das Ministerium dann das Verfahren auch ein (Verfügung v. 11. 5. 1903, ebd.). 939 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. II, Nr. 2, Bd. VI, unpag.; Kurator v. Richthofen – PrMK v. 18. 3. 1903 betr. die ministerielle Anregung, Bezzenberger, Baumgart oder den Juristen v. Blume zum Kuratorialrat zu bestellen. Da die „Parteiungen“ so stark seien, werde kein Professor das Amt neutral ausüben können, sondern „sofort das Mißtrauen“ der jeweiligen Gegenpartei erregen.

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Störenfried zu entfernen, setzte der Kurator von Richthofen zum juristischen Feinschliff an und drech­ selte aus einer Schusseligkeit von Backhaus eine disziplinarrechtlich zu ahndende Pflichtverletzung. Das dadurch angestoßene militärische Ehrengerichtsverfahren, das seine Entlassung als Leutnant der Landwehr („mit schlichtem Abschied“) nach sich zog, wirkte dann wieder auf Backhaus’ Stellung als Dozent zurück.940 Gerade dieser Verlust der für einen Professor so nebensächlich erscheinenden, in der wilhelminischen Gesellschaft aber überaus reputierlichen Offizierscharge brachte ihn, der sich selbst als „Dreyfuss von Königsberg“ bedauerte, endlich zu Fall und zerstörte sogar die Aussicht, als beurlaubter Extraordinarius einen außeruniversitären Wirkungskreis zu finden.941 Zermürbt nahm „Backhaus­ Dreyfuss“, wie Althoff höhnte, 1906 das Angebot der uruguayischen Regierung an, in Montevideo ein landwirtschaftliches Institut aufzubauen.942 Erst im WS. 1913/14 kehrte er, inzwischen halbwegs rehabilitiert, vom Rio de la Plata an den Pregel zurück, um dort über Kolonialpolitik und tropische Landwirtschaft zu lesen.943

Backhaus wollte sich 1902 im Versuchsgut Waldgarten etablieren, das der LWK unterstand. Die Mittelbewil­ ligung für die Einrichtung eines Dienstzimmers macht v. Richthofen daher von deren Zustimmung abhängig, wis­ send, daß sie Backhaus wegen der Todfeindschaft mit dem LWK­Geschäftsführer Rodewald (ein Neffe Umpfen­ bachs!), den er bereits „gefordert“ hatte, nicht erteilt würde. Trotzdem schickte Backhaus der LWK den Entwurf einer Zustimmungserklärung, die man auch als Versuch auslegen konnte, der Kammer das Einverständnis und von Richthofen die Mittelbewilligung abzuluchsen. Richthofens sofort dem PrMK mitgeteilte, so spitzfindige wie böswillige Interpretation als „versuchte Täuschung eines Vorgesetzten“ setzte sich gegen alle Einwände von Back­ haus und seinen Rechtsberatern durch und diente auch von Richthofens Nachfolger v. Moltke, um bis 1906 die Rehabilitierungsbegehren des Agrarwissenschaftlers abzuschmettern. Ebd., Bd. II, unpag.; v. Richthofen – PrMK v. 1. 11. 1902, Beschluß im Disziplinarverfahren v. 11. 5. 1903, Wiederaufnahmebegehren Backhaus’ mit ausführ­ licher (24 S.!) Darlegung des „Waldgarten“­Sachverhalts aus seiner Sicht v. 30. 1. 1905, sowie v. Moltke dagegen („völlig haltlos“) v. 10. 3. 1905, dazwischen lag die Entscheidung im militärischen Ehrengerichtsverfahren, die das Berliner Bezirkskommando IV am 7. 2. 1905 fällte. 941 Backhaus war zum WS. 1903/04 beurlaubt worden, um sich ein außeruniversitäres Betätigungsfeld zu suchen. Als Angestellten des Berliner Magistrats, der ihm die Verwaltung der Rieselfelder der Reichshauptstadt übertrug, schien ihm das geglückt zu sein. Infolge der Entscheidung des Ehrengerichts wurde ihm aber die definitive Anstel­ lung versagt, und Backhaus bat am 2. 4. 1905 um Wiederverwendung im preuß. Hochschuldienst (ebd., Bd. II). Stattdessen erhielt er abermals Urlaub und mußte sich hartnäckig weiter (erfolglos) im PrMK und per „Immediat­ gesuch an Seine Majestät“ um seine Rehabilitierung bemühen. 942 Im März 1906 teilte Backhaus dem PrMK das Angebot der Regierung in Montevideo mit, dort ein Univer­ sitätsinstitut aufzubauen und das Landwirtschaftsstudium in Uruguay einzurichten. Im Juli 1906 schiffte er sich ein und unterschieb einen Vierjahresvertrag. Den Dreyfus­Vergleich fügt er seiner Bitte um Urlaubsgewährung bis 1910 bei (aus Montevideo an PrMK v. 17. 7. 1906). Dazu Althoffs Marginalie: „Ich bin natürlich sehr dafür, daß Backhaus­Dreyfuss [sic!] ad Kalendas Graecas beurlaubt wird, vorausgesetzt, daß er uns sein ganzes Gehalt nebst W. G. Z. [Wohngeldzuschuß] zurückläßt …“ – der Ministerialdirektor empfahl daher, trotz der „unerschwing­ lichen Kosten“ für jedes Wort eines Übersee­Telegramms, die Beurlaubung „ohne Gehalt“ in der Antwort aus­ drücklich zu vermerken. 943 Auch in Montevideo verwandelte sich seine Wirkungsstätte bald wieder in ein „wahres Schlachtfeld“, auf dem sich „Backhaus und seine Gegner befehdeten“, wie der deutsche Gesandte zu melden wußte (an AA v. 31. 10. 1910, in: ebd., Bd. II). Er wurde deshalb gezwungen, „ohne Abschiedsessen“, „ohne Anerkennung“, seine Stellung aufzu­ geben. Zurückgekehrt nach Deutschland, ereilte ihn im Frühjahr 1911 der Ruf der neuen Regierung, in Uruguay landw. Versuchsstationen aufzubauen, nachdem Kaiser Wilhelm II. im Februar 1911 verfügt hatte, den „einfachen Abschied“ in die ehrenvolle Versetzung „zu den aus eigenem Ansuchen ausgeschiedenen Offizieren“ zu verwan­ deln (ebd.). Der zweite südamerikanische Aufenthalt endete im Mai 1912 in dem Desaster der Amtsenthebung wegen „Obstruktion“, Untersuchungsverfahren und überraschender Rehabilitierung nebst Wiedereinsetzung ins Amt, das der entnervte Backhaus im Herbst 1912 nur noch einige Wochen wahrnahm, um dann die Passage nach Hamburg zu buchen. Vom WS. 1913/14 bis WS. 1914/15 unterrichtete er wieder an der Albertina, nicht ohne sich mit einem nationalliberalen Parteifreund in neue Gerichtshändel zu verstricken (ebd., Bd. II). 940

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Die Pflanzenkundler Gisevius und Gutzeit Für den gedeihlichen Fortgang von Forschung und Lehre am Institut nicht förderlicher als die Causa Backhaus hatte sich die Regelung von Mareks Nachfolge erwiesen. Der unter Mißachtung des Fakul­ tätswillens berufene Georg Rörig war als Pflanzenkundler eine erwartbar glatte Fehlbesetzung. Was ihm selbst klar war , denn er nutzte die erste Gelegenheit, Ende des WS. 1897/98 an die neuerrichtete Biologische Reichsanstalt zu wechseln, wo er sich als Wildbiologe einen Namen machte.944 Ihm folgte der Ostpreuße Paul Gisevius, den die Fakultät, wäre sie denn einmal gefragt worden, keinesfalls nomi­ niert hätte, weil man ihn wegen zweier gescheiterter Habilitationsversuche, bei von der Goltz und bei Fleischmann, in schlechtester Erinnerung behalten hatte. Gisevius, so befürchtete man, sei genau der Mann, den sich die ostpreußischen Agrarier wünschten, ohne wissenschaftliche Ambitionen, Verfasser von gängigen Handbüchern „zum Gebrauch für den Praktiker“, langjähriger Leiter einer Landwirt­ schaftschule im märkischen Dahme und offenbar entschlossen, auch das Königsberger Institut auf das Dienstleistungsniveau einer Ackerbauschule herabzudrücken.945 Diese düstere Prognose erfüllte sich zwar nicht, aber Gisevius, der gleich nach seiner Ankunft mit Backhaus in einen Streit geriet, der das Verhältnis zwischen beiden auf Dauer zerrüttete und von dem die erwähnte Milchpulver­Intrige 1898 ihren Ausgang nahm,946 fühlte sich naturwissenschaftlich offenbar wirklich nicht so sattelfest, daß er, ungeachtet der mit Verve initiierten Saatzuchtversuche und der Einrichtung von Versuchsfeldern in der ganzen Provinz, die Pflanzenkunde zu seiner Domäne hätte machen können. Statt dessen wich er auf Kulturtechnik, Betriebslehre und Maschinenkunde aus, während sein Habilitand Ernst Gutzeit sich ein neues pflanzenkundliches Spezialgebiet erschloß, die landwirtschaftliche Bakteriologie, für die ihm 1899 ein Extraordinariat verliehen wurde.947 Nach anfänglichen Lehrerfolgen befiel ihn der Marek­Bazillus, und Gutzeit begann, tatsächlich als Folge der schikanösen Behandlung durch Gisevius, sich im Institut selbst zu isolieren. Er sei „mißtrauisch, ge­ häßig, unverträglich“, in einem Ausmaß, „daß dies nur auf eine geistige Störung zurückgeführt werden könne“. Damit schien ein zweiter „Fall Marek“ gegeben, nur daß Gutzeit nicht in einer ostpreußischen Heilanstalt endete. Aber die Fakultät schloß seine weitere „ersprießliche Wirksamkeit“ aus und einigte

944 GStA …, Nr. 21, Bd. XX, Bl. 32; PrMK – Kurator: Rörig werde zum 15. 5. 1898 entlassen, weil er sich Hals über Kopf für die Annahme des Rufes an die Reichsanstalt entschieden habe. 945 Ebd., Bd. XX, Bl. 198–200; PhilFak – PrMK v. 5. 7. 1898. Althoff ließ die Fakultät fast ein Jahr ohne Antwort, bevor er die Beschwerde dann zurückwies (ebd., Bl. 201; PrMK – PhilFak v. 29. 4. 1899). Gegen Backhaus hatte die Fakultät genauso argumentiert, um ihm das Ordinariat zu versperren. Zur Fleischmann­Nf. schlug man darum nicht ihn, sondern wieder den angeblich wissenschaftlich ungleich qualifizierteren Kurt von Rümker (Breslau) und den eher mit der „tropischen Agrarkultur“ in den deutschen Kolonien vertrauten Poppelsdorfer Extraordi­ narius Ferdinand Wohltmann (1857–1919) vor (Rep. 76Vf, Litt. B, Nr. 61, Bd. I, unpag.; PhilFak – PrMK v. 15. 1. 1897). Dagegen eine Rechtfertigungsschrift von Backhaus an Kurator v. Bismarck v. 17. 2. 1897, darauf hinweisend, daß kein geringerer als Roscher seine Leipziger Dissertation mit dem seltenen Prädikat „egregia“ (rühmlich) ausgezeichnet, Johannes Conrad sie sofort in seine Schriftenreihe aufgenommen habe, was schlecht zum Vorwurf der „Unwissenschaftlichkeit“ passe (ebd.). 946 Ebd., Gisevius – PrMK v. 2. 12. 1899 mit einer 20(!) hs. Seiten umfassenden Beschwerde, die sich nerv­ tötend vor allem kleinlichen Streitereien um Kompetenzfragen widmet. Daß Gisevius 1898 sich an Lesser in Warschau wandte, um Material gegen Backhaus in die Hand zu bekommen, ergibt sich aus Eilsbergers Bericht (s. o., Anm. 938). Erleichtert wurde ihm dies durch Lessers Königsberger Anwalt, den Notar Hagen, der einst der Vormund und Pflegevater des frühverwaisten Gisevius war! 947 Ebd., Bl. 211; Vereinbarung PrKM mit Gutzeit v. 13. 7. 1899 über ein neu begründetes beamt. Extraord. Bakteriologie und Pflanzenkrankheiten.

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sich mit ihm deshalb auf eine zunächst auf zwei Jahre befristete Beurlaubung, die 1906 bis 1908 ver­ längert wurde, bis ihn das Ministerium schließlich 1910 in Halle unterbrachte.948 Die trübe Bilanz nach 25 Jahren 1901 hätte das Landwirtschaftliche Institut sein 25. Gründungsjubiliäum feiern können, aber abgese­ hen von Fleischmanns unbestrittenen Verdiensten um die ostpreußische Milchwirtschaft, gab es sonst auf kaum einem Sektor eine halbwegs ungetrübte Erfolgsbilanz: Goltz’ Betriebslehre war auf wenig Resonanz in der Praxis gestoßen, in der „Landarbeiterfrage“ hatte er gegen jedes erreichbare Schienbein getreten. Marek verschwendete einen Teil seiner Energien in Kleinkriegen gegen Goltz und Fleisch­ mann, die das Ansehen des Instituts nachhaltig schädigten und die Studenten vergraulten. Seine Nach­ folger Rörig und Gisevius waren als Pflanzenkundler Fehlbesetzungen, während der in dieser Hinsicht kompetente Institutsnachwuchs Gutzeit seine kurze Lehrtätigkeit aufgrund neurotischer Störungen einstellte. Und Backhaus verprellte nach gedeihlichen Anfängen die Großagrarier und scheiterte mit seinen Bestrebungen, auch unter persönlichen Opfern ein Versuchsgut einzurichten, das Forschung und Lehre auf preußisches Durchschnittsniveau gehoben hätten. Die agrarwissenschaftlichen Fächer fügen sich damit nahtlos in den im letzten Jahrhundertviertel zu beobachtenden Königsberger Abwärt­ strend in – ausgenommen vielleicht Geologie und Mineralogie – allen Naturwissenschaften.

Ebd., Nr. 19, Bd. VI, Bl. 83–87; PrKM – PrFM, Etatanmeldung 20. 8. 1906. Zur Behandlung Gutzeits durch den kontrollwütigen Pedanten Gisevius vgl. o. Anm. 938.

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3.

Die politische Atmosphäre vor der Jahrhundertwende

Wenige Tage vor Bismarcks Entlassung im März 1890 glaubte auch Oberpräsident und Kurator von Schlieckmann den Boden unter den Füßen zu verlieren. „Heute abend“, schrieb er am 8. März auf­ gebracht an Kultusminister von Goßler, sei er auf einem mehrheitlich von Professoren besuchten Fest gewesen, und er habe dort die „hochgradige Erregung unter den Betheiligten“ gespürt. Einige Be­ rufungen, die anstünden, hätten die „Besorgnis einer Vermehrung des sich jetzt sehr vordrängenden fortschrittlichen und semitischen Elements“ provoziert, namentlich „sprach man sich sehr gegen den Pester Juden Goldzier [sic] aus“.949 Den Arabisten und Semitisten Ignaz Goldziher hatte August Müller, ein Freund des Budapester Gelehrten, der Fakultät als „genial“ anzupreisen gewußt, so daß er Anfang März 1890 ganz oben auf der v. Schlieckmanns Schreibtisch passierenden Vorschlagsliste für seine Nachfolge stand.950 Und Althoff hatte Müller seinen Favoriten mit dem Argument ans Herz GStA, VI. HA, Nl. Althoff, A I, Nr. 148, Bl. 38; v. Schlieckmann – v. Goßler v. 8. 3. 1890. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, Bl. 212–223; PhilFak – PrMK v. 18. 2. 1890, I. Liste Nf. A. Müller: 1a. I. Goldziher, 1850 Stuhlweißenburg–1921 Budapest, nach orient. Studien in Budapest, Leiden, Leipzig und Berlin 1870 Prom., 1872 Habil., 1876 Sekretär der Budapester jüd. Kultusgemeinde, 1900 Lektor am Rabbinerseminar ebd., 1894 nb. ao., 1905 ord. Prof. Univ. Budapest, gilt als der weltweit bedeutendste Kenner der Religionsgeschichte des Islam in seiner Zeit. Goldzihers Werke, so die enthusiastische Laudatio, bewiesen die Weite seines Gesichtskreises und die „genial zu nennende Fähigkeit zur Aufspürung geistiger Strömungen in der Geschichte“, was im Verein mit guter philologischer Schule überraschende Ergebnisse zeitige. Obwohl in der ge­ drückten Stellung eines Sekretärs der „israelitischen Cultusgemeinde“ wirkend und an seinem Judentum hängend, sei er von „Abneigung gegen das Christenthum“ frei, so daß er in der protestantischen Königsberger Fakultät gewiß keinen „Anstoß in konfessioneller Beziehung“ erregen werde. – 1b. Hermann Ethé (1844 Stralsund–1917 Bristol; vgl. Enzyklop. Iranica IX, 1999, S. 1–3), 1868 Habil. München, 1872 nach Oxford zur Katalogisierung parsischer Hss. der Bodleiana, dann Hss.­Katalogisierung India Office Lib. London, 1875 Prof. Aberystwith/Wales. War schon 1882 bei der Nf. Simson genannt worden. Seine Berufung würde die literarhistorische Seite des Unterrichts stärken. Der Fleischer­Schüler Ethé gebiete über kaum zu übertreffende Kenntnisse der parsischen Literatur [die er auch in populären Vorträgen wie z. B. ‚Die höfische und romantische Poesie der Perser‘, 1887, ausbreitete, wie er überhaupt literarische u. kulturkritische Interessen pflegte, vgl. seine ‚Essays und Studien‘, 1872, dort etwa ätzend zu „Meister Richard“ Wagner, S. 174–197]. Peinlich befremdend habe es in der internationalen Gelehrtenrepu­ blik gewirkt, daß nach Abschluß seiner Katalogisierungen nicht er 1889 den Oxforder orientalistischen Lehrstuhl erhielt, sondern ein jüngerer Engländer. Ein Königsberger Ruf wäre mithin die Korrektur einer im Ausland gegen einen Deutschen begangenen Ungerechtigkeit. – 2. Siegmund Fraenkel, 1855 Frankfurt/O.–1909 Breslau, 1877 Prom. Straßburg: Beiträge zur Erklärung der mehrlautigen Bildungen im Arabischen, Habil. f. semit. Sprachen Breslau 1880: De vocalibus in antiquis Arabeno Carminibus et in Corano peregrinis, ebd. 1886 ao., 1893 oö. Prof. ebd., aus der Habilschrift entfaltet sein Hauptwerk 1886: Die aramäischen Fremdwörter im Arabischen; gelobt wurden seine „in einem weiteren Anschauungskreis mit sicherer philologischer und sprachwissenschaftlicher Methode sich bewegenden Studien“. – 3. Carl Bezold, 1859 Donauwörth–1922 Heidelberg, Fleischer­Schüler, Prom. 1880 Leipzig: Die große Dariusinschrift, 1883 Habil. f. sem. Sprachen München, 1885–1894 von der Preuß. Akademie der Wissenschaften finanzierter Forschungsaufenthalt im Brit. Museum London zur Beschrei­

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gelegt, daß dieser vollkommen deutsch gebildete Jude, der in Ungarn „über Gebühr zurückgesetzt“ werde, dem preußischen Staat die Chance biete, mit seiner Berufung an jene Tradition der Toleranz an­ zuknüpfen, die ihm stets Zuwachs geistiger Kräfte aus der Fremde gebracht habe.951 Für den Preußen v. Schlieckmann, der offenbar etwas dem überall „reichs­ und königsfeindliche Elemente“ witternden Amtsvorsteher von Wehrhahn aus Hauptmanns ‚Biberpelz‘ ähnelte,952 waren dies aber genau jene fin­ steren Mächte, von denen nichts als Unterminierung und Umsturz zu fürchten war. Ihm galt es schon als tolerantes Zugeständnis, wenn er anstelle Goldzihers den Berliner Oberlehrer Gustav Jahn (1890– 1903) akzeptierte, dem das Ministerium zwar den Religionsunterricht in höheren Klassen verboten hatte, wegen seiner „ungebührlichen Hervorhebung des Kritischen in der Erklärung der Entstehung, des Gehaltes und Zusammenhanges der biblischen Bücher“, der aber sonst den als staatstragend gel­ tenden „Standpunkt der nationalliberalen Partei“ einnahm.953 bung der assyrisch­babylonischen Tafeln, SS. 1894 oö. Prof. f. orientalische Philologie Heidelberg, 1914–1919 auch Direktor des Ägyptologischen Instituts ebd., 1916/17 Prorektor (Rektoratsrede zu: Die Entwicklung der semitischen Philologie im Deutschen Reich), 1886–1922 Mit­Hg. Zs. f. Assyriologie und vorderasiatische Archäolo­ gie, Hauptwerk sein fünfbändiger ‚Catalogue of the Cunciform Tablets in the Kouyunjik Collection of the British Museum‘ (1889–1899); über die Assyriologie hinaus, so empfiehlt ihn die Fakultät, beherrsche er „weite Gebiete der orientalischen Philologie“. Für ein breites Publikum in der Reihe von Velhagen & Klasings Monographien zur Weltgeschichte: Ninive und Babylon (2., erw. Aufl. 1903, bis 1926 vier Aufl.) sowie in den korpulenten, prachtvoll illustrierten Bänden von Ullsteins Weltgeschichte Bd. 3, Berlin 1910, S. 1–127: Die Kulturwelt des alten Orients. 951 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 135, Bl. 108 f.; Müller – Althoff v. 18. 12. 1889 und 7. 3. 1890. – Goldzi­ her scheint von Müllers Bemühungen nichts erfahren zu haben, zumindest hält das Tagebuch (Goldziher 1977, S. 124 f.) darüber nichts fest. Zu Müller – Goldziher nur kurz: Haber 2006, S. 170 f. 952 Diesen Eindruck vemittelt am kräftigsten der Zivilist Paul Krüger seinem „hochverehrten Freund“ Althoff, wenn er im Schreiben v. 12. 12. 1883 zum Kapitel „Heiteres“ übergeht und den Briefpartner mit ein paar Anek­ doten erfreut, die Schlieckmann durch sein Auftreten nahezu „unerschöpflich“ produziere, und die die Ignoranz des Kurators (wozu brauche es einen Physiologen, wenn es einen Physiker gäbe, wozu einen Pathologen neben einem Anatomen, da ja ohnehin klar sei, daß Leichen „alles Kranke“ gewesen seien usw.) recht anschaulich machen (GStA, VI. HA, Nl. Althoff, Nr. 103 I, Bl. 70 f.). Weniger erheiternd fand Krüger, daß v. Schlieckmann sich seit 1884 traute, „sich in Angelegenheiten zu mischen, die nicht in seine Kompetenz gehören“. So habe er die JurFak „angewiesen“, einem nach Genf abgehenden Studenten das Zeugnis vorzuenthalten, da dieser „im Verdacht des Nihilismus“ stehe (ebd., Bl. 73; an Althoff v. 3. 5. 1884). 953 GStA …, Nr. 21, Bd. XVI, Bl. 34 f.; PSK – PrMK, Juni 1890. Interessant der Tagebucheintrag Ignaz Goldzi­ hers, der Jahn während seines Berliner Studienjahres kennenlernte: Jahn habe sich wegen „eines Conflictes mit der Kirchenbehörde“ von der Theologie ab­ und der Orientalistik zugewandt. Durch ihn sei er in die „Hegel’sche Philosophie und in die Tübingische Theologie“ eingeführt worden, ihm verdanke er die Kenntnis von David Friedrich Strauß und dessen Lehrer Ferdinand Christian Baur (Goldziher 1977, S. 39). Die im Schulprogramm des Cölnischen Realgymnasiums publizierte Abhandlung ‚Kritik der synoptischen Evangelien‘ fiel eher moderat aus und gab vor, den „bleibenden Gehalt des christlichen Glaubens“ sichern zu wollen, eckte aber allein schon mit seinem Bekenntnis zu Baur und Strauß an (Jahn 1866, S. 1, 33). – Auf der zweiten, viel schwächeren Fakul­ tätsliste Nf. Müller v. 29. 5. 1890 (ebd., Bl. 27–31) hatte Jahn an erster Stelle neben Johannes Mordtmann (1852 Konstantinopel–1932 Berlin) gestanden. Mordtmann, Sohn des hanseatischen Geschäftsträgers bei der Pforte, des Orientalisten Andreas David M. (1811–1879), orient.­altphil. Studien in Bonn (Usener, Bücheler, Prym), Leipzig (Fleischer, Ebers), FWU (Kirchhoff, Mommsen), ebd. Prom. 1874: Marmora Ancyrana, bis 1912 im dt. Konsular­ dienst im östlichen Mittelmeer. Zur Zeit der Königsberger Beratungen deutscher Konsul in Saloniki. Der Laudatio zufolge eigentlich kein Gelehrter, sondern mehr Kenner des „heutigen Orients“ und der „lebendigen“ semitischen Sprachen. Die Fakultät verwies daher nur auf einige epigraphische und topographische Arbeiten. Tatsächlich hatte M. in „scheuklappigem Bienenfleiß“ (Arno Schmidt) seit 1875 nur einen Strom epigraphischer Miszellen, über „lauter Einzelfragen“ produziert, „versagte sich großen literarischen Darstellungen“ (Babinger 1933). Nach 1918 Stambul unter Rettung seiner Bibliothek verlassend, kurzzeitig in Innsbruck (wo er HonProf. war) über islamische Realien lesend, seit 1920 Lehrtätigkeit am Orient. Seminar FWU, Fachmann für die „Südarabistik“, von Babinger treffend als „dilettante in des Wortes alter und edelster Bedeutung“ bezeichnet, als Kenner des Orients, der „selbst

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Um seinem Minister zu veranschaulichen, wie unterwühlt der Boden in dessen eigenen Verant­ wortungsbereich bereits war, ließ ihm der Kurator eine Übersicht über die „politische Richtung und Parteistellung“ Königsberger Dozenten zugehen, die, wie es bedauernd hieß, nicht vollständig und nicht absolut zuverlässig sei, jedoch aufschlußreich genug, wenn man die „Art“ bedenke, „in welcher das Material beschafft werde mußte“ – wie von Schlieckmann fast schamhaft seine polizeilichen Me­ thoden „verdeckter Ermittlung“ umschrieb.954 Berücksichtigt man, daß es tatsächlich nicht einfach gewesen sein dürfte, das Puzzle der politischen Fraktionierung der Professorenschaft zusammenzusetzen, und daß es von Schlieckmann gewiß nicht innerhalb der vier Wochen gelang, das Material zu beschaffen, die seit seinem „Goldziher­Schock“ vergangen waren, sind die Zuordnungen erstaunlich präzise – was darauf hindeutet, daß er vermutlich schon viel früher und systematisch „Erhebungen“ hat anstellen lassen. Schlieckmanns Gesinnungsto­ pographie orientiert sich stur an der Parteienlandschaft und kennt fünf Sektoren: „freisinnig“ (links­ liberal), nationalliberal (rechtsliberal), konservativ sowie – als Randphänomene – freikonservativ und „ultramontan“ (katholisches Zentrum); Sozialdemokraten sind nicht darunter – sicher zu Schlieck­ manns größter Erleichterung, obwohl er den Althistoriker und Jacoby­Freund Rühl nicht mehr unter die Freisinnigen rubrizierte, sondern ihm als „Demokrat“ eine Sonderstellung zuwies:

Theologische Fakultät 1. Ordentliche Professoren Konservativ: Johann Georg Sommer [AT], Heinrich Voigt [Syst. Theol.], Rudolf Grau [NT], Hermann Jacoby [Prakt. Theol.] Freikonservativ: Karl Benrath [Kirchengesch.] Nationalliberal: Carl Heinrich Cornill [AT] 2. Extraordinarien Konservativ: Albert Klöpper [NT], Friedrich Zimmer [NT], August Dorner [Syst. Th.]

Orientale“ geworden war, und der zu den im Habsburgerreich, in England und Frankreich häufigen, im Deutschen Reich seltenen Kennern zählte, die den Orient „in sich aufgenommen“ hatten. – 2. Karl Vollers, 1857 Hook­ siel/Ostfriesland–1909 Jena, 1875 G Jever, theol.­orient. Studium, Lic. theol. Jena 1880, Prom. Halle 1883: Das Dodekapropheton der Alexandriner, 1883–1886 Bibliothekar SBB, als ihn die Fakultät vorschlug, war V. seit 1886 Vize­Direktor der Kairoer Khediven­Bibliothek, 1892 erschien sein ‚Catalogue de la section européenne‘ (= Publi­ cations de la Bibliothèque de la Khédiviale; 4), 1896 Prof. f. orientalische Sprachen Jena, 1897–1903 Katalogisie­ rung der orientalischen Handschriftenbestände der UB Leipzig, 1906: Volkssprache und Schriftsprache im alten Arabien, 1907 im Verlag von Eugen Diederichs: Die Weltreligionen in ihrem geschichtlichen Zusammenhange (2. Aufl. 1921, dort im Vorwort seiner Witwe: „Sein Herz gehörte den religionswissenschaftlichen Problemen.“). Von der Königsberger Fakultät besonders gewürdigt die von Vollers 1882 übernommene Fortsetzung des Lebens­ werks des Orientalisten Julius Heinrich Petermann (1801–1876, 1837 ao. Prof. f. orient. Sprachen FWU, 1867/68 norddt. Konsul Jerusalem), des fünfbändigen ‚Pentateuchus samaritanus‘ (zur Biographie Mangold 2007, S. 68; fehlerhaft Liebrenz 2008, S. 89 f.). – Bereits am Rand der ersten Liste (s. Anm. 950) notierte Althoff Erwägungen zu Jahn und hielt den Entzug der Lehrbefugnis für Religion fest, kommentierte jedoch: es sei geschehen, weil er nicht „Hengstenbergianer“ war. Für das Ministerium reiche es indes, daß Jahn als „gemäßigt“ einzustufen sei. 954 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, A I, Nr. 148, Bl. 40–42; v. Schlieckmann an von Goßler v. 4. 4. 1890 mit „Über­ sicht“.

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Juristische Fakultät 1. Ordentliche Professoren Konservativ: Philipp Zorn [Staatsr.], Carl Salkowski [Röm.R.] Nationalliberal: Theodor Schirmer [Röm. R.], Carl Güterbock [Strafr.], Carl Gareis [Staatsr./ZivilR.] 2. Extraordinarien Nationalliberal: Friedrich Endemann [Röm.R.] Medizinische Fakultät 1. Ordentliche Professoren Freisinn: Ludwig Lichtheim [Inn. Med.], Rudolf Dohrn [Gynäk.], Ludimar Hermann [Physiol.], Ernst Neumann [Pathol.], Max Jaffé [Pharmak.], Arthur v. Hippel [Augenheilk.] („ultrafortschrittlich“) Nationalliberal: Johannes Mikulicz­Radecki [Chir.], Ludwig Stieda [Anat.] 2. Extraordinarien Freisinn: Alfred Grünhagen [Physiol.], Simon Samuel [Pathol.], Rudolf Schneider [Chir.], Julius Caspary [Dermat.], Julius Schreiber [Inn. Med.], Oscar Langendorff [Physiol.], Carl Fränkel [Hygiene] Nationalliberal: Pincas [= Salomon Pincus, Staatsarzneikunde], Erich Berthold [HNO] 3. Privatdozenten Freisinn: Carl Seydel [Gerichtsmed.], Hermann Münster [Gynäk.], Theodor Treitel [Augenheilk.], Georg Stetter [Chir.], Richard Zander [Anat.], Hugo Falkenheim [Kinderheilk.], Paul Michelson [Dermat.] Nationalliberal: Franz Meschede [Psychiatrie] Philosophische Fakultät 1. Ordentliche Professoren Konservativ: Franz Neumann [Physik], Oskar Schade [Dt. Philol.], Alfred Schoene [Kl. Philol.], Julius Walter [Philos.], Gustav Hirschfeld [Kl. Archäol.], Adalbert Bezzenberger [Indogerm.], Wilhelm Fleischmann [Agrarwiss.], Christian Luerssen [Botanik], Wilhelm Branca [Geol.], Friedrich Hahn [Geogr.] Nationalliberal: Ludwig Friedländer [Kl. Philol.], Carl Umpfenbach [Staatsw.], Heinrich Ritthausen [Agrarw.], Alfons Kissner [Roman. Phil.], Hans Prutz [Geschichte], Carl Pape [Physik], Ferdinand Lindemann [Mathem.], Ludwig Dehio [Kunstgesch.] Freisinn: Hermann Spirgatis [Pharm. Chemie], Arthur Ludwich [Kl. Philol.], Günther Thiele [Philos.], Carl Chun [Zoologie], Friedrich Peters [Astron.] Demokrat: Franz Rühl [Alte Geschichte] Ultramontan: Wilhelm Lossen [Chemie]

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2. Extraordinarien Konservativ: Paul Volkmann [Physik], Rudolph Schubert [Alte Geschichte], Ludwig Jeep [Kl. Philologie], Georg v. Below [Geschichte] Nationalliberal: Karl Lohmeyer [Geschichte], Carl Richter [Vet. Med.], Hermann Baumgart [Dt. Philol.] Freisinn: Louis Saalschütz [Mathem.], Adolf Hurwitz [Mathem.], Reinhart Blochmann [Chemie] Unbekannt: Gustav Marek [Agrarw.] („Katholik“), Richard Garbe [Indologie], Wilhelm Hasbach [Staatswiss.] 3. Privatzdozenten Konservativ: Victor Eberhard [Mathem.], Julius Franz [Astronomie] Freisinn: Hugo Merguet [Kl. Philol.], Lassar Cohn [Chemie], Alfred Jentzsch [Geol.], Johannes Rahts [Astron.] Unbekannt: David Hilbert [Mathem.], Max Kaluza [Engl. Philol.], Carl Appel [Romanist.], Benno Hecht [Mineralogie], Erich Haase [Zoologie], Heinrich Zimmern [Orient.] Das Bild, das sich heute nur mühsam aus retrospektiver Musterung der Professorenpublizistik, privater und dienstlicher Korrespondenzen zusammensetzen läßt, bestätigt von Schlieckmanns Übersicht zur universitären „Gesinnungslage“: Der linksliberale ostpreußische „Fortschritt“ verteidigte noch Ende des 19. Jahrhunderts seine stärkste Bastion in der Medizinischen Fakultät sowie unter den Natur­ wissenschaftlern in der Philosophischen Fakultät, während die kulturwissenschaftlichen Weltanschau­ ungsdisziplinen, die Theologen, Juristen, Philologen und Historiker einen rechtsliberal­konservativen Block bildeten. Doch ungeachtet des Alarmismus von Schlieckmanns stand die Albertina auch nach Aufhebung des Sozialistengesetzes nicht in der Gefahr, daß dort die „staatstragende“ Mehrheit unter der Profes­ sorenschaft verloren gehen würde. Trotzdem war eine sich ausbreitende Endzeitstimmung und Wa­ genburgmentalität nicht zu übersehen. Gerade die Reden zum „Jubelfest“ von 1894, der Feier des 350jährigen Bestehens der Universität, verraten bei allem zur Schau getragenen Stolz auf die „innige Beziehung“ zwischen Geist und Macht und wortreich versicherter „Liebe zum erhabenen Herrscher­ hause“, daß man Risse im Fundament des Gesellschaftsgefüges wahrnahm, die aus akademischer Per­ spektive sogar noch tiefer erschienen als sie in Wirklichkeit waren. Nicht schuldlos an diesem Krisengefühl war das „erhabene Herrscherhaus“. Denn das Festkomitee hatte allen Grund, an Wilhelms II. Fürsorge zu zweifeln. Zog er es doch vor, statt dem Fest „durch persönliche Gegenwart den höchsten Glanz“ zu verleihen, auf Reisen zu gehen, und einen Ersatzmann vierter Güte, den Hohenzollernprinzen Friedrich Leopold zu schicken, obwohl das Einladungsschrei­ ben ihn nachdrücklich daran erinnert hatte, daß hier die erste Universitätsgründung seines Hauses zu feiern sei, und ihm das „geheiligte Band“ vor Auge führte, „daß in der ernstesten Zeit unseres Staates dadurch geknüpft worden, daß im Jahre des Tilsiter Friedens durch die Gnade Seiner Majestät des Königs dessen erstgeborener Sohn Friedrich Wilhelm die Albertina durch Uebernahme des Rectorats beglückte“ – ein Amt, in das dann 1861 Wilhelms „in Gott ruhender Vater“ eingetreten sei.955 Als wollte man in Berlin die Indolenz des Kaisers noch übertrumpfen, sagte auch der Kultusmini­ ster Bosse kurzfristig ab, um nach Karlsbad in die Kur zu gehen. Ein Unterstaatssekretär, zusammen mit den Referenten Althoff und Naumann, mußte ihn vertreten. Kein Wunder, wenn einer der Festredner 955

Bonk, Jubelfest, 1895, S. 5–7; Einladungsschreiben v. 8. 5. 1894.

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mahnte, der Worte des Altphilologen Lobeck zur 300­Jahr­Feier von 1844 zu gedenken: „… ‚einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt‘ “.956 An ähnlichen Bekundungen herrschte kein Mangel. An Begründungen für diese allenthalben spürbare Untergangsangst auch nicht. Allgemein glaubte man den grassierenden „Naturalismus“ (Fleischmann) und den „Andrang der materiellen Interessen“ (Ga­ reis) für die wankende Stellung mindestens der Universitäten verantwortlich machen zu können, die die „goldene Zeit des Humanismus“ und „universeller Durchbildung“ der spezialwissenschaftlichen „technischen Schulung“ opferten, wie Bezzenberger klagte957. Wenn, „im Zeitalter des Verkehrs, des Dampfes und der Elektricität und der kraftvollen Realpolitik“ andere Orientierungen gefragt waren, durften dann, wie Gareis folgerte, die Universitäten noch die „geistige Führerschaft der Nation“ be­ anspruchen, müßten nicht „andere Mächte die Führerrolle im Reiche der Geister“ übernehmen?958 Mit diesem sich ankündigenden Wandel schlage natürlich die letzte Stunde des vom „Idealismus“ beherrschten Zeitalters, die „kranke menschliche Gesellschaft“ (Gareis) löse die „christliche Gesell­ schaft“ ab, die bisher das Zeitliche dem Ewigen untergeordnet habe (Jacoby).959 Darum, so Gareis, könne schon die nächste Zukunft „Gewaltiges, ja Furchtbares“ bringen, „hinter den verschlossenen Thoren des kommenden Jahrhunderts können Gefahren, entsetzliche Gewalten lauern, denn wie die Abgrundtiefen der altnordischen Mythe lange gebändigt zwar, aber stets drohend an den Grundfesten des Erdreichs rütteln [sic], so bäumen sich dort und da rohe Triebe, unsittliches Streben, gemeine Sit­ tenlosigkeit, ja selbst das blutige Verbrechen gegen die Ordnung der Menschheit und ihre Sitte auf“.960 Jeder Zuhörer wußte, daß Gareis hier die sozialdemokratische Gefahr mythisierend umschrieb, die „staatszersetzenden Elemente“, der man vielleicht Herr werde, wenn endlich die „Sorge für die allmä­ lige Lösung der socialen Fragen die Hauptaufgabe“ der – möglichst akademisch beratenen – Politik bilde, um die „verderbendrohende Kluft […] zwischen niederen und höheren Schichten“ (Jacoby) zu schließen. Gegen diese „großen Volksmassen“, die nicht ohne Schuld der gebildeten Stände einer alles „Ideale, Hohe und Heilige“ negierenden Gesinnung anhingen, die „jeder menschlichen und göttlichen Ordnung feindlich“ gegenüberstünden, gegen diese Bedrohung, so forderte Rektor Fleischmann, hät­ ten die Universitäten ein „Bollwerk“ zu errichten, einen „festen Damm“ gegen die Überflutung der „Schätze von Kultur und Gesittung“.961 Notfalls, so hieß es auf dem Diner der „alten Commilitonen“, stünden die cives academici wie 1831 beim Königsberger Cholera­Aufstand und während der 1848er­ Revolution, bereit, den „inneren Feinden der Ordnung“ bewaffnet entgegenzutreten.962

Ebd., S. 97; Ansprache eines Exponenten des liberalen Königsberger Judentums, Dr. med. Ferdinand Falkson (geb. 1820, immatrikuliert 1838), auf dem Commers in der Börse. 957 Ebd., S. 83; Ansprache bei der Grundsteinlegung der Palästra Albertina am 27. 7. 1894. 958 Ebd., S. 67 f.; Rede Gareis am 27. 7. 1894. Der Zivilrechtler hatte ähnliche Sorgen kurz zuvor in seiner Rekto­ ratsrede über das scheinbar unverfängliche Thema einer Reform des juristischen Studiums geäußert: die staatsbür­ gerliche Bildung (zu der Gareis als volkspädagogischer Pionier bereits 1881 in Würzburg einen ‚Leitfaden für den Unterricht in der Staatskunde‘ beigesteuert hatte), die Kenntnis des Zusammenhangs von Staat und Recht, sei bei den in den Anfangssemestern ausschließlich privatrechtlich gedrillten, mit dem „egoistischen“ Römischen Recht überfütterten Jus­Studenten in jeder Hinsicht verbesserungswürdig. Denn frühzeitig gehe diesen „juristischen Rekruten“ im hergebrachten Curriculum der Zusammenhang mit dem sozialen „Ganzen“ („Familie, Sippe, Ge­ meinde, Gau, Staat“) verloren. Bei dieser „völligen Vernachlässigung des Staatsgedankens und der Gesellschafts­ Interessen“ sei nicht verwunderlich, „daß die so gebildeten Juristen nicht den sozialen Aufgaben unserer Zeit, ja auch nicht den theoretisch gebildeten Sozialistenführern stets und vollständig gewachsen sein würden“ (Gareis 1894, S. 13–15) – das waren also „die anderen Mächte“, die in den Startlöchern standen, um die „Führerrolle“ an sich zu reißen. 959 Bonk, S. 31–33, Festpredigt Hermann Jacoby im Königsberger Dom. 960 Ebd., S. 72. 961 Ebd., S. 62, Rede am 27. 7. 1894. 962 Ebd., S. 92, Ansprache des Eisenbahndirektors Krüger. 956

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Wie kräftig die Revolutionsfurcht das politische Klima bestimmte, wie sehr man auf die Feinde im Innern fixiert war, so stark, daß der äußeren, „slawischen Gefahr“ in den neunziger Jahren nur mit ei­ nigen rhetorischen Floskeln („an der Grenze des Deutschthums unter dem Schutze des Hohenzollern­ Aars“)963 gedacht werden mußte, erhellt im Sommer 1898 wie ein Blitz der Vorschlag, den National­ ökonomen Werner Sombart von Breslau nach Königsberg zu berufen. Die Entscheidung für eine Liste, die der Rostocker Ordinarius Karl Diehl anführte, wo der viel ausgiebiger gewürdigte Sombart aber auf Platz zwei rangierte, war mit zehn gegen acht Stimmen denkbar knapp ausgefallen. Wer sich für Sombart eingesetzt hatte, läßt sich nur vermuten. Ganz sicher der „radikale Demokrat“ Rühl, der mit Bezzenberger, Prutz, Hahn, Braun und Erler auch zu den Unterzeichnern eines Separatvotums zählte, das sich über den alle akademischen Formen verletzenden Widerstand des Fachordinarius Umpfen­ bach beschwerte und gegen die Plazierung des Königsberger Extraordinarius Otto Gerlach an vierter Stelle protestierte, weil er seit seiner Herberufung (1893) „wissenschaftlich nicht das Geringste“ vorzu­ weisen habe.964 Umpfenbach, dessen schwindende Leistungsfähigkeit überhaupt erst die Einrichtung eines staatswissenschaftlichen Ersatzordinariats erforderlich gemacht hatte, wollte sich, weil für ihn dessen „marxistischer Standpunkt“ außer Zweifel stand, die Begründung des Vorschlags Sombart in der Fakultätssitzung nicht einmal anhören, versuchte die Verlesung auswärtiger Voten zu verhindern und verließ, als er überstimmt wurde, den Saal, um unmittelbar darauf mit einer direkten brieflichen Intervention beim Minister Sombart zu Fall zu bringen. Der sei zwar kein Anhänger von Marx „im Vollumfang von dessen Lehren“, deren Widersprüchlichkeit ihm bewußt seien, doch sei er überzeugt von der „materialistischen Geschichtsauffassung“, vertrete mit Marx die Lehre von der historischen Notwendigkeit der ökonomischen Bewegung, deren durch den Klassenkampf herbeizuführendes Ziel die kommunistische Zentralisierung aller Erwerbsmittel sei. Die eigentümliche politische Brisanz einer solchen theoretischen Position werde sich enthüllen, wenn man Sombart beriefe. Denn gerade in Ost­ preußen habe die Sozialdemokratie „neuerdings“ um sich gegriffen. In die kleinen Städte und aufs platte Land sei sie in einer „Ausdehnung und Stärke gedrungen, daß der Giftstoff der Verhetzungsleh­ ren in allen Kreisen der Bevölkerung wirken kann“. Auch „unsere jungen Studenten“ seien davon nicht unberührt geblieben, „und gar Mancher mag schon stark inficiert sein, wenn er auch mit sich ringt“. Da gelte es denn, „die jüngeren noch wenig erfahrenen Leute mit dem ganzen Ernst der Wissenschaft zu stützen und ihr Denken in die Wege zu leiten, daß sie sich auf gewonnenen gesunden national­ ökonomischen Anschauungen gleich in den ersten Semestern eigene feste Urteile bilden können“. Jede „kleinste Ablenkung im marxistischen Sinne“, gedeckt von der „Autorität der Hochschule“, bedeute eine ernste Gefahr für die Weiterentwicklung der Studenten und fördere das „Weiterumsichgreifen der socialdemokratischen Verpestung“.965 Noch dramatischer malte der 1898 amtierende Oberpräsident und Kurator, Wilhelm von Bis­ marck, der bei Dienstantritt 1895 von den im „Geist von 1848“ befangenen Königsbergern und der Ebd., S. 44, Ansprache des Königsberger Oberbürgermeisters Hoffmann; ebd., S. 40, ähnlich Rektor Fleisch­ mann, der ohne konkrete Frontstellung nach Osten nur auf die geographische Lage der Universität „als äußerster Vorposten des Deutschthums“ hinwies. 964 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XX, Bl. 122–23; Separatvotum v. 5. 8. 1898. 965 Ebd., Bl. 124–25; Umpfenbach an Minister Bosse v. 5. 8. 1898. Um Sombarts Parteinahme für den Mar­ xismus zu belegen, verwies Umpfenbach auf dessen Züricher Vorträge, ‚Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert‘, Bern 1897, die der Verfasser bekanntlich in der 5. Aufl. (1905) vollständig umarbeitete und von allen zu „Mißverständnissen“ Anlaß bietenden Passagen befreite. Die Begründung des Berufungsvorschlags (w. o., Bl. 116–121; Phil. Fak. an PrMK v. 5. 8. 1898) konzediert, daß dieses Werk auf „einigen Seiten“ den Eindruck erwecken könnte, der Autor sei selbst Marxist, doch sei dieser Verdacht „abwegig“ – Sombart zeige nur viel „Ver­ ständnis für fremde Gedankengänge“. Mit Diehl wurde dann ein Nationalökonom berufen, der in einem langen Rezensionsessay diesem Werk Sombarts eine wohl mit Sympathien erklärbare Überschätzung der „Macht des Marxismus“ vorgeworfen hatte (Diehl 1897b, S. 339).

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in „breiten Schichten der Bevölkerung auffallend frisch erhalten[en] Stimmung der Confliktszeit“, re­ serviert empfangene zweite Sohn des Reichsgründers,966 die politischen Folgen der Sombart­Berufung aus: „In der Provinz Ostpreußen sind bekanntlich die politischen Gegensätze sehr scharf entwickelt, und die wirtschaftspolitischen Fragen spielen in der ganz überwiegend Landwirthschaft betreibenden Provinz mit Rücksicht auf den Interessengegensatz zwischen dem Lande und den Seestädten, der Nähe Rußlands mit seinem Getreideexport, der mangelhaften Absatzverhältnisse und dem Mangel an länd­ lichen Arbeitern eine große Rolle.“ Die Agrarlobby habe die gesamte konservative Partei auf ihrer Seite, ein Großteil der agrarischen Führungsleute im Reich stamme aus Ostpreußen. Zugleich gewinne, wie die jüngste Reichstagswahl gezeigt habe, die Sozialdemokratie in der Provinz an Boden. Die Stadt Königsberg sei bereits in ihren Händen, auf dem Lande wachse sie außerordentlich an. Angesichts dieser Polarisierung müsse man froh sein, wenn die Albertina Neutralität wahre und keine der beiden extremen sozialpolitischen Richtungen unterstütze. Bismarck legte daher größten Wert darauf, daß auch in Zukunft „die Nationalökonomie hier“ kein „Stütz­ und Sammelpunkt für parteipolitische Bestrebungen“ werde, „vor allem nicht für die Socialdemokratie“. Entscheide sich der Kultusminister aber für Sombart, einen temperamentvollen Mann von großer Rednergabe, der gewiß auch schnell „im öffentlichen Leben“ außerhalb der Universität Furore mache, dann werde die Stellung der ost­ preußischen Sozialdemokratie in einer Weise mit staatlicher Hilfe gefestigt, die auf viele Menschen „verwirrend“ wirken dürfte. Sombart stelle in seinen Veröffentlichungen den „demokratischen Kollek­ tivismus“ und den Klassenkampf, der nichts anderes als die „Revolution“ bedeute, als etwas Notwen­ diges dar, ignoriere die auf Ausgleich der Klassengegensätze bedachte Funktion des Staates, spreche von der „historischen Mission der Socialdemokratie“ und bekenne sich offenbar dazu. Gestatte man ihm, dies politisch unreifen Studenten zu vermitteln, gehe denen bald jedes Gefühl dafür verloren, daß die sozialdemokratischen Ziele nur auf dem „Wege der offenen Auflehnung gegen die Gesetze, unter gewaltsamer Beseitigung des angestammten Herrscherhauses und deshalb auf verbrecherischem Wege erreicht werden können“.967 Seit Mitte der neunziger Jahre gab es gerade mit Blick auf die Zusammensetzung der Philoso­ phischen Fakultät zu derart panischen Reaktionen eigentlich kaum Anlaß. Mochte die Sozialdemo­ kratie sich in Ostpreußen ausbreiten, mochte Zorn über Königsberg als „fortschrittliche Hochburg“ klagen968 –, mit Ausnahme der Mediziner bewegten sich die Fakultäten mit jeder neuen Berufung und Habilitation politisch in die entgegengesetzte Richtung. Und bei den Medizinern vermochten die oberpräsidialen Kuratoren zumindest punktuelle Erfolge in ihrem Bemühen zu erzielen, den unge­ liebten Typus des „Fortschrittsjuden“ von der Fakultät fernzuhalten oder am Fortkommen zu hindern. Von Schlieckmann hielt sich 1886 für verpflichtet, gegen den primo et unico loco von der Fakultät vorgeschlagenen Hermann­Schüler, den Physiologen Oscar Langendorff, jüdischer Herkunft, formel­

Über die „Beklemmungen“, die „fortschrittliche Gemüther“ in „Königsberg selbst als auch in anderen Städ­ ten“ Ostpreußens empfanden, berichtet Wilhelm Bismarcks Biograph Penzler, 1902, S. 229. Es dauerte eine Reihe von Jahren, bis der Graf in der städtischen Gesellschaft Fuß fassen konnte, was nach Penzlers Darstellung auch der von seiner Frau organisierten „Häuslichkeit“ zu danken war; Sybille Gräfin Bismarck, geb. v. Arnim (Köchelsdorff/ Uckermark), war jene „Schwiegertochter“ des Reichskanzlers, die Marion Gräfin Dönhoff im Winter 1945, aus Ostpreußen flüchtend, auf Schloß Varzin in Hinterpommern bei Vorbereitungen zum Freitod antraf, um nicht der Sowjetarmee in die Hände zu fallen; Dönhoff 1977, S. 29 f. 967 GStA w. o., Bl. 112–115; v. Bismarck an Minister Bosse v. 3. 8. 1898; auch der Kurator bezog sich auf ein­ schlägige „Stellen“ in Sombarts Sozialismus­Vorträgen. Daß man im Ministerium wohl nicht eine Minute erwog, Sombart als ernsthaften Kandidaten zu betrachten, ergibt sich aus den von Althoff oder von Elster stammenden Marginalien zu Bismarcks Protestschreiben: „an Sombart ist doch gar nicht zu denken“, „auf keinen Fall“ (in Vor­ schlag zu bringen), „sehr wahr“ (zu Bismarcks Diktum, die SPD verfolge ihre Ziele auf „verbrecherischem Wege“). 968 GStA, VI. HA, Nl. Althoff, Nr. 205, Bd. II, Bl. 24; Zorn an Althoff v. 31. 3. 1895. 966

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haft vorzubringen, er gehöre zur „extremsten Richtung der Fortschrittspartei“, er habe in deren Sinne „wohl auch gewählt und gewirkt“.969 Mit einem ähnlich stereotypen Hinweis verhinderte Bismarck jr. die Habilitation des Dermatolo­ gen Samuel Jessner.970 Dieser sei im „Verein Waldeck“ politisch aktiv, einem Klub, der „eine extreme fortschrittliche Tendenz verfolgt“. Einen solchen Mann, zudem bis 1879 russischer Staatsbürger und mit einer (jüdischen) Russin verheiratet, könne man nicht den Weg zur akademischer Wirksamkeit er­ öffnen in einer Fakultät, die ohnehin am „Überfluß jüdischer Privatdozenten leidet“.971 An Bismarcks Veto scheiterte auch die beantragte Ernennung des Pathologen Max Askanazy zum Extraordinarius, dem der „starke jüdische Einfluß“ in der Fakultät diese „Bevorzugung“ vor älteren Privatdozenten verschaffen wolle.972 Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, daß das expandierende „feindliche“ Umfeld insoweit auf die Berufungspolitik zurückwirkte, als sich bei den Kuratoren die Überzeugung festigte, wenigstens die Landesuniversität von diesen Einflüssen frei halten und sie sogar nach Kräften zu einer Gegenmacht ausbauen zu müssen. Darum reagierte man auch auf kleinere Herausforderungen als die drohende Sombart­Berufung höchst gereizt. Zorn tat sich neben Bismarck dabei besonders hervor und agierte ja, denkt man nur an die Berufung des Kunsthistorikers Haendcke zurück, fakultätsübergreifend relativ glücklich. Im Dienst der für ihn gerechten Sache überschritt er sogar mitunter die Grenze zur Denun­ ziation. Über den Philosophen Günther Thiele etwa flüsterte er Althoff zu: der sei sicher keine „con­ servative Persönlichkeit, vielmehr eine radicale“, was seine „wiederholte Beteiligung an Wahlen in radi­ calstem Sinn“ ebenso bezeuge wie seine ausgeprägte „Abneigung gegen Adel und Großgrundbesitz“.973 Über Thiele gab es indes anderslautende, besser begründete Einschätzungen, denen zufolge er ein „Nationalliberaler mit eklektischen Neigungen nach rechts und nach links“ gewesen sei, und der von Althoff konsultierte Hans Vaihinger bestätigte, daß es in Thieles Werk nichts Umstürzlerisches zu entdecken gebe, im Gegenteil, noch die jüngste religionsphilosophische Publikation über ‚Die Philo­ sophie des Selbstbewußtseins und der Glaube an Gott, Freiheit und Unsterblichkeit‘ (1895) bemühe

969 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VII, Bl. 235 f.; Kurator – PrMK v. 22. 6. 1886. Dazu ebd. Bl. 237 f.; Liste Nf. Berthold Benecke v. 11. 5. 1886, ord. Prof. f. topographische Anatomie, die die Fakultät in eine solche für mikroskopische Anatomie umgewidmet sehen wollte, um sie mit Langendorff zu besetzen. Aus dem Vorhaben wurde nichts, vielleicht aufgrund der Intervention durch v. Schlieckmann. Das weitere „Schicksal“ des Lehrstuhls ist aus den Akten nicht aufzuklären. 970 Sein erstes dermatologisches ‚Compendium‘, 1893 in Beyer’s Königsberger Buchhandlung erschienen und für ein regionales Publikum aus Studenten und Ärzten berechnet, muß ein schöner Verkaufserfolg gewesen sein, denn seitdem produzierte der auch insoweit „fortschrittliche“ Mediziner einen Haufen von Ratgeber­Broschüren, die sich bald auch auf „Sexualfragen“ erstreckten; einschlägige Vorträge zu diesem Thema versammelte er 1922 in einem Wälzer über „das gesamte Geschlechtsleben“ (1926 in 2. Aufl.), der ihm endlich den Weg in die Fakultät ebnete, als Lehrbeauftragter für Sexuallehre (vgl. dazu Bd. II: 1918–1945). Jessner war der Vater des Regisseurs Fritz Jessner (1889–1946), 1925–1933 Intendant des Neuen Schauspielhauses in Königsberg. 971 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, Bl. 301 f.; Kurator – PrMK v. 11. 11. 1895. Bismarck wäre in Berlin aber wohl nicht durchgedrungen, wenn in diesem Fall sich nicht auch die Fakultät gesperrt hätte, die Jessners erstes Gesuch am 23. 2. 1893 einstimmig abgelehnt hatte. Gleichwohl berief sich Jessner Kultusminister Bosse gegenüber auf positive Zeugnisse von deren Mitgliedern Jaffé und Lichtheim, während er sich über die Ab­ lehnungsgründe zunächst ahnungslos gab, schließlich aber seine „bekannte Zugehörigkeit zur freisinnigen Partei“ und den Vorsitz der Königsberger OG der „Gesellschaft für ethische Kultur“ ansprach (ebd., Bl. 303 f.; Schreiben v. 28. 7. 1895). 972 Ebd., Bl. 366 f.; Kur. – PrMK v. 16. 2. 1900 zum Antrag der MedFak., die Privatdozenten Samter, P. Hilbert und M. Askanazy zu nb. ao. Prof. zu ernennen. Obwohl Bismarck den Antrag bzgl. Samter und Hilbert unter­ stützte, wurde letztlich nur Samter ernannt. 973 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIX, Bl. 354; Zorn an Althoff v. 24. 2. 1896.

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sich in Auseinandersetzung mit Kant den Gottesglauben neu zu befestigen.974 Exakt dies, versicherte Thiele seinem Minister bei Übersendung des Werkes, sei seine Absicht gewesen, die „Bekämpfung des Materialismus und Atheismus“ sowie die „Vertheidigung von Religion und Sittlichkeit“.975 Als der seit 1895 seinen Amtspflichten nur noch sporadisch nachkommende, vom rauhen Seewind gepeinigte und kranke Thiele 1898 seine Emeritierung erreichte, folgte ihm mit Ludwig Busse (1898–1904) ein Philosoph, der auch Zorn nicht mehr politisch zu irritieren vermochte. Bei Busse, so hieß es im Fakultätsvorschlag, seien seine Studien über den Skeptizismus zu loben, die, bei großer Nähe zu Her­ mann Lotze, alle Einwände gegen die Metaphysik zurückwiesen und bestätigten, daß ihr Verfasser mit der „Resignation empiristischer und positivistischer Zeitströmungen nichts gemein“ habe; im übrigen habe er sich, angeregt von eigener Übersee­Erfahrung (als Professor in Tokio zwischen 1886–1893), mit einigen Aufsätzen zur ostafrikanischen Kolonialpolitik des Reiches profiliert.976 Busse wurde mit seinem in Königsberg entstandenen, um die ausführliche „Widerlegung des Materialismus“ bemühten und die „Grundzüge einer idealistisch­spiritualistischen Weltanschauung“ entwerfenden Hauptwerk ‚Geist und Körper. Seele und Leib‘ den in ihn gesetzten Erwartungen gerecht.977 Nur scheinbar weit entfernt von den Haarspaltereien des „Leib­Seele“­Diskurses entwickelte sich die Schulpolitik auch für Königsberger „Idealisten“ wie „Realisten“ zu einem gern betretenen Turnier­ platz. Im seit 1850 tobenden „preußischen Schulkrieg“ (E. R. Huber), um 1890 schon zum Stellungs­ krieg erstarrt, standen sich die Verteidiger der humanistisch­altsprachlichen Gymnasialbildung und die Anwälte einer auf die beruflichen Anforderungen einer modernen Industriegesellschaft vorbereitenden „Realschule“ unversöhnlich gegenüber. Unter Kultusminister v. Mühler gelang den „Realisten“ ein bedeutender Geländegewinn, als sich 1870 den Realschulabiturienten das Universitätsstudium für die mathematisch­naturwissenschaftlichen und neusprachlichen Fächer öffnete. Eine weitere Stärkung des „realistischen Moments“ erfolgte 1882 mit den unter Minister v. Goßler verfügten Lehrplänen, die an den Humanistischen Gymnasien Griechisch und Latein zugunsten von Mathematik, Naturwissen­ schaften, Geographie und Französisch zurückdrängten. Mit dem berühmten „Schulprogramm“ Kaiser Wilhelms II. vom Mai 1889, der von ihm im Dezember 1890 einberufenen Schulkonferenz und der dort auf den Weg gebrachten nochmaligen Umgestaltung der Lehrpläne zugunsten „gegenwarts­ bezogener Fächer“ fanden sich die „Humanisten“ endgültig auf dem Rückzug. An der Albertina klatschte dafür am lautesten der Laryngologe Paul Harry Gerber Beifall.978 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIX, Bl. 351 (Urteil des Neutestamentlers Ernst Kühl) und Bl. 371–73; 20. 3. 1896 Gutachten Vaihinger über Thiele. Ähnlich lautend das Urteil des theologischen Kollegen Hermann Jacoby in dessen Rezension von Thieles gegen die „weitverbreiteten skeptischen Neigungen“ gerichte­ ten, die „Grundlagen der Religion und Sittlichkeit“ verteidigenden ‚Philosophie des Selbstbewußtseins‘ in: Ev. Gemeindeblatt Königsberg 51, 1896, Nr. 10, S. 53 f. (ebd., Bl. 376). Im Ministerium folgte man diesen Einschät­ zungen, wie eine Aktennotiz v. 30. 11. 1897 belegt (GStA …, Bd. XX, Bl. 20): Thiele stehe auf „positivem Boden“ und bekämpfe den Materialismus, seine Wirksamkeit in Berlin sei erwünscht, eventuell sei er auch für Bonn ge­ eignet, als Nachfolger des 1897 verstorbenen, ebenfalls im publizistischen Kampf gegen den „Materialismus“ lange in vorderster Front aktiven Jürgen Bona Meyer. Akklamierend das Rezensentenecho „im Reich“ bei H. Schwarz, Rehmke, Uphues, O. Ritschl, vor allem der Katholik Gutberlet hob zustimmend hervor, daß es diesem Königsber­ ger Philosophen gelungen sei, „den Kant’schen Bann zu durchbrechen“ und „ganz und gar unkantisch“ den Mut zu „letzten Spekulationen“ aufzubringen (ders. 1896; Sammlung der Rez. in: GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. III, unpag.). 975 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XIV, Nr. 12, Bd. III, unpag.; Thiele­PrMK v. 15. 11. 1895. 976 GStA …, Bd. XX, Bl. 52–60; Phil. Fak., Nf. Thiele, Liste v. 6. 6. 1898. Diese Wertung ging ein in den Er­ nennungsvorschlag, den das Ministerium dem Zivilkabinett unterbreitete (I. HA, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 10–12; 2. 7. 1898). Die Zweitplazierten waren der für das Ministerium ganz indiskutable Eduard von Hartmann­Adept Arthur Drews und der Kantphilologe Erich Adickes. 977 Busse 1913 (zuerst 1903). 978 Gerber 1891. 974

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Der Althistoriker Rühl hatte in diese Diskussion bereits im Vorfeld der Goßlerschen Lehrplanre­ form publizistisch eingegriffen. Diese in der Hartungschen Zeitung 1880 erschienenen Stellungnahmen legte er 1891 als Kommentar zur Schulkonferenz fast unverändert erneut vor. Der Altertumsforscher entpuppte sich darin als Fürsprecher „moderner Bildung“. Einzig das Griechische wollte er nicht ge­ schmälert wissen. Aber nicht wegen der ihm eher zweifelhaften Bildungseffekte bloßer Sprachaneig­ nung, sondern um dem Schüler am Beispiel von „ganz einfachen und übersichtlichen Verhältnissen“, wohin „Gunst und Haß des heutigen Parteilebens kaum dringen“, die „Grundbegriffe des Staatslebens, der Politik, des öffentlichen Rechts zum Bewußtsein“ zu bringen – „eine unschätzbare Mitgabe zur Orientirung in unserer heutigen so mannigfach complicirten und von so vielen verschiedenen Strö­ mungen beherrschten Welt“.979 Den klassischen Philologen wollte er den lateinischen Aufsatz als „Ueberbleibsel der mittelalter­ lichen Cultur“ ersatzlos streichen. Dem germanistischen Kollegen Schade, für den sich „deutsche Poesie“ zwischen Otfried und Walther von der Vogelweide abspielte, schrieb er ins Stammbuch, daß weniger „mittelhochdeutsche Metrik“ als Kenntnis des „lebendigen Neuhochdeutschen“ vermit­ telt, mehr „moderne klassische Literatur“ als der für „menschliche Bildung so unfruchtbar[e] Krist“ Otfrieds gelesen werden solle.980 Rühl plädierte nicht nur bei den Germanisten für mehr Modernität, Gegenwartsnähe. Die Aus­ bildung der Geschichtslehrer vertrüge durchaus intimere Vertrautheit mit der Geographie, mit wirt­ schafts­, sozial­ und verfassungshistorischen Tatsachen, mit „Staat und Gesellschaft“. Ungeachtet seiner Lobpreisung des didaktischen Wertes un­„complicirter“ antiker Verhältnisse, sei den Schülern auch mehr Zeitgeschichte zuzumuten, angefangen mit der Französischen Revolution, „in der alle heu­ tigen politischen Bewegungen wurzeln“. Halte man nur die „jeweilige Tagespolitik“ dem Unterricht fern, lasse sich durch vergleichende Betrachtung der deutschen wie französischen Geschichte seit 1789 sehr eindrucksvoll zeigen, wie es unter den Hohenzollern möglich geworden sei, die „segensreichen Ergebnisse“ der bürgerlichen Revolution auch auf „friedlichem Wege durchzuführen“. Hier kam Rühl, der Königsberger Stadtverordnete der Fortschrittspartei, dem politischen Kern des kaiserlichen Schul­ programms am nächsten. Auch Wilhelm II. hatte empfohlen, „die neue und neueste Zeitgeschichte in den Kreis der Unterrichtsgegenstände einzubeziehen und nachzuweisen, daß allein die Staatsgewalt dem Einzelnen den Schutz seiner Freiheit und seines Rechts verbürge“, vor allem aber zu demonstrie­ ren, daß der Arbeiter Schutz und Fürsorge nur von einem geordneten monarchischen Staatswesen zu erwarten habe und nicht von revolutionärer Umsetzung kommunistisch­sozialistischer Gesellschaftsu­ topien.981 Auf diesem Standpunkt mit seinem Monarchen unerwartet einig, kostete es Rühl keine Überwindung, seine Sympathie mit Heinrich von Treitschkes moderat „realistischen“ Positionen im „Schulkrieg“ zu betonen.982

Rühl 1891a, S. 40. Ebd., S. 14 f. 981 Huber IV, S. 916. 982 Ebd., Vorwort. Dazu ein drei Wochen vor Eröffnung der Schulkonferenz an Treitschke abgeschickter Brief Rühls, SBB, Nl. Treitschke, Kasten 8, Nr. 92, Schreiben v. 10. 11. 1890: „Ich kann nicht umhin zu glauben, daß die Zeit für die platonischen Erklärungen für das humanistische Gymnasium vorbei ist, ich würde meinen, daß es jetzt gelte, die Mängel schonungslos aufzudecken, welche die Wirksamkeit einer an sich guten Organisation hemmen und schädigen und dabei zugleich Protest gegen die Verkümmerung des griechischen Unterrichts zu er­ heben, wie sie in den letzten Jahren in Preußen eingetreten ist. Soviel man von hier aus wahrnehmen kann, haben die pädagogischen Parteien mit den politischen gar nichts zu thun, um so unbefangener werden sich alle Fragen erörtern lassen.“ Rühl antwortete hier auf die Zusendung von Treitschkes Aufsatz ‚Die Zukunft des Deutschen Gymnasiums‘ vom September 1890, wieder abgedr. ders., Aufsätze, Reden und Briefe, Bd. IV, 1929, S. 678–684.

979

980

196

Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

4.

Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914

In zweifacher Hinsicht war der Jahrhundertwechsel für die Albertus­Universität nicht nur ein kalenda­ risches Ereignis. Denn in den Jahren nach 1900 ist vor allem in den Geistes­ und Naturwissenschaften eine Verjüngung der Dozentenschaft zu registrieren, und in allen Fakultäten nehmen die Studenten­ zahlen zu. Die Statistik, beginnend Ende der neunziger Jahre, weist aus, wo die Gewinner zu suchen sind: in der Philosophischen und, seit 1908, in der Medizinischen Fakultät. Studentenfrequenz AUK 1898–1914983 1898/99 1899 1899/00 1900 1900/01 1901 1901/02 1902 1902/03 1904 1904/05 1905 1905/06 1906 1906/07 1907 1907/08 1908 1908/09 1909 1909/10 1910 1910/11 1911 1911/12 983

Gesamt

Theol.

Jur.

Med.

Phil.

764 787 826 878 874 906 911 967 977 1.010 934 1.002 1.040 1.106 1.112 1.084 1.107 1.131 1.192 1.304 1.368 1.380 1.392 1.487 1.505

63 77 78 93 92 100 88 88 85 75 54 68 62 75 78 72 68 78 78 80 80 78 74 90 92

218 221 264 284 283 276 300 336 357 361 346 342 376 345 362 325 315 291 308 312 309 294 273 280 280

249 246 230 245 225 222 205 198 204 203 176 185 171 217 211 216 221 243 282 305 347 353 391 422 432

234 243 254 256 274 308 318 345 331 371 358 407 431 469 461 417 503 519 524 607 632 655 654 695 701

Nach AUK Chronik 1898–1914. Für den Zeitraum 1830 bis 1941 siehe Titze 1995, S. 388–401.

Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914

1912 1912/13 1914 1914/15

Gesamt

Theol.

Jur.

Med.

Phil.

1.571 1.616 1.515 1.257

125 140 173 160

273 277 217 177

451 485 534 387

722 714 627 533

197

Isoliert, allein für die Königsberger Verhältnisse betrachtet, mögen diese Zahlen als ungetrübte Er­ folgsbilanz gelesen werden, da sich die Studentenzahl von 1898 bis 1911 verdoppelte. Im innerpreu­ ßischen Vergleich verweisen sie die Albertina trotzdem auf den vorletzten Platz. Nur Greifswald zog weniger Studenten an, das 1902 neugegründete Münster hingegen, obwohl zunächst ohne Medizi­ nische Fakultät, bildete mit Kiel und Marburg das Mittelfeld. Gemessen an allen 20 Universitäten des Reiches belegte Königsberg 1903 den 17. Rang, eine Position im unteren Tabellenbereich, die bis 1914, abgesehen von unwesentlichen Schwankungen, nicht verlassen wurde. Führt man andere Parameter ein, wie die Zahl der Promotionen, sieht es für Königsberg noch erheblich ungünstiger aus. Zwischen 1888 und 1908 schloßen dort 16 Juristen mit der Promotion ab, bedeutend weniger als an jeder anderen preußischen Universität (Greifswald: 641, Göttingen: 557, Breslau: 396). Mit neun Promotionen bei den Theologen, wo Berlin, Halle, Greifswald und Göttingen an der Spitze lagen, allerdings bei weitem nicht mit den gewaltigen Absolventenzahlen der Juristen, wurde die Albertina im gleichen Zeitraum nur noch von Kiel unterboten. Bei den Medizinern lag man mit 628 Promotionen an 6. preußischer Stelle, jedoch klar überboten von den im Studentenranking ebenfalls im unteren Reichsdrittel angesiedelten Einstiegs­Universitäten Kiel (1.500) und Greifswald (1.200). In der Philo­ sophischen Fakultät (434 Promotionen) überflügelt Königsberg nur Münster (393; Greifswald: 467, Kiel: 528, Breslau: 700, Marburg: 928, Göttingen: 1.088, Halle: 1.401, Berlin: 2.373), das erst 1902 zur Volluniversität ausgebaut wurde, was den Vergleich verzerrt, so daß auch hier die Albertina faktisch an letzter Stelle lag.984 Ein günstigeres Placement erreicht die Albertus­Universität nur, wenn man die Univertätsetats vergleicht. 1890 kamen 778.000 M. aus der preußischen Staatskasse der östlichsten Hochschule zu­ gute, nur Berlin (2 Millionen), Halle (939.000), Breslau (884.000) und Bonn (868.000) erhielten mehr Geld. 1903 behauptete Königsberg diesen fünften Platz auf der Etatliste, den es bis 1914 in etwa verteidigen konnte. Jedoch ist nicht zu übersehen, daß Universitäten, die, in absoluten Zahlen, geringere Zuwendungen erhielten, doch in Relation zu den Zuschüssen von 1890 erheblich stärker gefördert wurden. Ein extremes, weil den Aufbau einer neuen Universität betreffendes Beispiel ist Münster. Als Akademie erhielt diese Hochschule 1890 gerade einmal 156.000 M., 1903 aber 370.000, was eine Steigerung um 140 % bedeutet, während der Königsberger Etat im gleichen Zeitraum nur um 30% wuchs. Ähnlich im Vergleich zur Albertina günstige Relationen weisen aber auch die Etats von Göttingen (1890: 377.000; 1903: 635.000), Kiel (1890: 561.788; 1903: 943.000) und Greifswald (1890: 262.000; 1903: 493.000) aus, die um 80–90 Prozent stiegen. Verglichen mit außerpreußischen Universitäten sieht es kaum besser aus: Sachsen erhöhte den Haushalt Leipzigs um 90 %, ein finan­ zieller Mehraufwand, den auch Hessen für Gießen aufbrachte. Baden bewilligte für Heidelberg und Freiburg um 40 bis 65 % mehr Zuschüsse, Bayern gab für München, Würzburg und Erlangen 30 bis 50 % mehr Geld aus.985 Von einer außergewöhnlichen Vernachlässigung Königsbergs zeugen diese Vergleiche zwar nicht, aber sie belegen ebensowenig, daß der preußische Staat seiner ältesten Universität eine Vorzugsstellung 984 985

Nach Petersilie 1910, S. 217–225. Zahlen nach Lexis 1903.

198

Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

eingeräumt hätte. Im Gegenteil: Blickt man auf die Einzeletats vor allem der medizinisch­naturwissen­ schaftlichen Disziplinen, fällt es nicht schwer, Gleichgültigkeit gegenüber Königsberger Bedürfnissen zu erkennen. Unbestreitbar ist, wie im einzelnen darzulegen ist, die Zurücksetzung der Agrarwissen­ schaften bis zur Berufung Johannes Hansens (1910). Ähnlich bescheiden steht es um die Geologie, die erst 1901 um ein Extraordinariat ergänzt wurde. Die beiden physikalischen Institute bezuschußte Berlin zwar mit 18.000 M. (1903), so daß vor ihnen nur Berlin (32.000) und Göttingen (28.600) lagen. Aber bis 1903, als der seiner Aufgabe seit langem nicht mehr gewachsene Carl Pape endlich um Entpflichtung bat, war damit der Niedergang der physikalischen Forschung in Königsberg nicht aufzuhalten. 122 Studenten der Mathematik und Naturwissenschaften zählte man 1879, dreizehn Jahr später nur 30. Nach erheblichen Schwankungen stabilisierte sich deren Zahl bis 1910 auf 70, ohne je wieder den Stand von 1879 erreicht zu haben.986 Offenbar genügte also diese sich relativ üppig ausneh­ mende Alimentation nicht, um das über lange Zeit Versäumte aufzuholen. Auch die Chemiker hatten, sollte man angesichts ihres Etats (25.000) meinen, keinen Anlaß zu übertriebener Klage. Trotzdem ist unverkennbar, daß sie hinter Berlin (120.000), Breslau, Marburg (je 35.000) und Göttingen (33.000) nur gleichauf mit Kiel lagen. Von 1903 bis 1909 reduzierte sich die Zahl der Chemiestudenten von 61 auf 27, eine klare Folge der unzureichenden Ausstattung von Klingers Institut987, das den gleichen unteren Mittelplatz einnahm, den der Etat auch Zoologen und Botanikern zuwies. Die Mediziner litten unter der Bevorzugung Breslaus, dessen Kliniken vor dem Ersten Weltkrieg zu den modernsten der Welt zählten. Ein Ausbau, der in der ostelbischen Konkurrenz eindeutig zu Lasten der Albertina ging. In Göttingen war, ein Lieblingsprojekt Althoffs, vor 1890 ein eigener Klinikstadtteil entstanden. In die Medizinischen Fakultäten in Marburg, Kiel, Bonn und Greifswald floß ebenfalls mehr Geld als nach Königsberg.

4.1.

Die Theologische Fakultät

4.1.1. Berufungen Trotz rückläufiger Studentenzahlen gewann die Fakultät seit 1900 an Dozentenstellen. Im wesent­ lichen war dies jedoch Folge der wieder einmal, wie schon nach 1871, vom Ministerium lange igno­ rierten Überalterung ihres Personals. Auslösend für die wundersame Stellenvermehrung wirkten die Eingaben des erst 53jährigen Dorner, der als Westdeutscher immer wieder über das ihm unzuträgliche Königsberger Klima klagte, sich aber vor allem aus der Fakultät fortwünschte, so daß er bereit war, am Ort zu bleiben, wenn man ihn nur in die Philosophische Fakultät beriefe.988 In Berlin überhörte man sein Ansinnen, gewährte aber ein Ersatzordinariat, das zum SS. 1900 Gustav Ecke erhielt.989 1905 war neuerlich Ersatz fällig. Diesmal für den Vertreter der praktischen Theologie, den seit 1868 amtierenden Hermann Jacoby, Jahrgang 1836 und inzwischen Fakultätssenior. Auch als Uni­ versitätsprediger hatte er an Anziehungskraft verloren.990 Zwei Jahre lang geschah daraufhin nichts, und Jacoby, der sich erst 1912 zurückzog, las weiter. Zum WS. 1907/08 schickte das Ministerium, ohne Absprache mit der Fakultät, den Marburger Homiletiker Johannes Bauer, der schon 1910 nach Heidelberg wechselte.991

986 987 988 989 990 991

Petersilie 1910, S. 104 f. Ebd., S. 104. GStA …, Nr. 18, Bd. V, Bl. 300; Versetzungsgesuch Dorners v. 31. 1. 1900. S. o. Kap. 2.2.1. GStA …, Nr. 18, Bd. VI, unpag.; PrMK (Elster) – PrMF v. 24. 8. 1905. Ebd., PrMK – Ev. Oberkirchenrat v. 7. 6. 1907. Eine Vorschlagsliste findet sich nicht in den Akten.

Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914

199

Dem schwer erkrankten Alttestamentler Giesebrecht mußte 1907 ein Extraordinarius zur Seite treten. Die Fakultät entschied sich für den Greifswalder Privatdozenten Fritz Wilke.992 Im SS. 1908 beginnend, nahm er flugs zum SS. 1909 einen Ruf nach Wien an. Um einen adäquaten Nachfolger zu locken und den auch in Königsberg länger zu fesseln als Wilke, setzte die Fakultät ein Ersatzordi­ nariat durch. Der 1898 noch als Cornill­Nachfolger bei Jacoby und Dorner auf „schroffe Ablehnung“ gestoßene, 1890 in Königsberg habilitierte Max Löhr stand nun an zweiter Stelle. Er übernahm mit der Zusage Wilkes Posten unter der Bedingung, ihm für das Etatjahr 1910 ein Ordinariat einzurichten – ein Versprechen, das nicht mehr eingelöst werden mußte, da Giesebrecht im gleichen Jahr starb und Löhr seinen Lehrstuhl bekam.993 Neben diesen Ersatzlösungen kam es zu einigen regulären Personalwechseln. Die etatrechtlich et­ was undurchsichtigen Berufungen von Ecke, Achelis und Lezius, 1899 eingefädelt, 1900/01 vollzogen, mit dem Effekt einer übergewichtigen Vertretung der Kirchengeschichte, wurden bereits erwähnt.994 Von diesen drei Neuzugängen blieb – zu ihrem beständigen Kummer – nur Lezius der Fakul­ tät bis zur Emeritierung 1925 erhalten. Ecke nahm zum SS. 1903 einen Ruf nach Bonn an. Wohl einvernehmlich zwischen Fakultät und Ministerium als einziger Nachfolger vorgeschlagen, kam Carl Stange, seit 1895 Privatdozent in Halle, an die Albertina. In ihm begrüßte die Fakultät den Apolo­ geten des „positiv­kirchlichen Standpunkts“, der bereits mit seinem Erstling, 1892, die „Wahrheit der christlichen Moral“ gegen die „Vertreter der modernen Sittenlehre“ (Paulsen, Wundt, v. Hartmann) verteidigt habe.995 Da der ungemein schreibfreudige Stange sich in Königsberg abgeschnitten glaubte, entschwand er nach nur zwei Semestern nach Greifswald, wo ihn 1912 dann endlich der Ruf auf das „große“ Göttinger Ordinariat für Systematische Theologie ereilte.996 Stange hätte die Fakultätsmehrheit gern durch den Berliner Privatdozenten und Schrittmacher der Schleiermacher­Renaissance, Georg Wobbermin, ersetzt, der auf religionspsychologischer Basis den Gottesglauben gegen Philosophie und Naturwissenschaften sichern und, insoweit einig mit Dor­ ner, das Vordringen des theologischen Psychologismus und Historismus verhindern wollte. An zwei­ ter Stelle stand der Kieler Ordinarius Erich Schaeder, 1894/95 schon einmal als Extraordinarius in Königsberg. Wie der nach ihm gesetzte, 1891 in Halle habilitierte Kähler­Schüler Karl Müller, seit 1896 Ordinarius für reformierte Theologie in Erlangen,997 war Schaeder aber wohl nur ein Zählkandi­ dat. Der mit kräftigem Flügelschlag sich bemerkbar machende Wobbermin hingegen, dessen Karriere auch wirklich auf einem Berliner Lehrstuhl endete, dürfte vom Ministerium als Durchzügler eingestuft worden sein, den man in Königsberg allzu schnell wieder verloren hätte.998 Zudem opponierte Stange, der gern Johannes Kunze, wie dessen Lehrer Luthardt streng lutherisch und „antiliberal“, an seiner 992 Ebd., TheolFak – PrMK v. 17. 12. 1907, Liste b. ao. Prof. AT: 1. Wilke (Jg. 1879, PD Greifswald 1905, s. Ca­ talogus). – 2. Friedrich Küchler (1874–1921), Habil. FWU 1906, 1910 b. ao. Prof. Straßburg, 1919 Heidelberg. – 3. Gustav Westphal (1874–1913), 1903 Habil. Marburg, 1910 ao. Prof. ebd. 993 GStA …, Nr. 22, Bd. I, Bl. 165; Meldung über Habil. Löhr im November 1890. Seine orientalistischen Kenntnisse hatte der 1864 in Stettin geb. Löhr bei August Müller in Königsberg erworben, sein semitistischer Lehrer und Doktorvater in Göttingen, wo er 1889 zum Dr. phil. promovierte, war Paul de Lagarde, was bei Löhrs späterem exzessiven Philosemitismus wohl festgehalten zu werden verdient. – Zur Berufung GStA …, Nr. 18, Bd. VI, unpag.; TheolFak – PrMK v. 29. 3. 1909, Liste Nf. Wilke: 1. der Schlesier Georg Beer (1865–1946), 1891 Habil. Breslau, 1895 nb. ao. Prof. Halle, 1900 b. ao. Prof. Straßburg, 1910 oö. Prof. Heidelberg, 1934 em., wie Giesebrecht zur Wellhausen­Schule zählend. – 2a. Löhr (s. Catalogus). – 2b. Carl Steuernagel (1869–1958), 1895 Habil. Halle, 1907 ao. Prof. ebd., 1914 oö. Prof. Breslau, 1935 em., 1945–48 LA in Greifswald, 1948 em. – Ebd., Vereinbarung mit Löhr v. 12. 5. 1909 zum SS. 1909 mit der Zusage des Ordinariats für 1910. 994 S. o. Kap. 2.2.1. 995 GStA, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 169; Vorschlag PrMK v. 17. 4. 1903. 996 Zu Stange: Wesseling 1995. 997 Über ihn eindrücklich aus persönlichem Erleben v. Loewenich 1979, S. 115–117. 998 GStA …, Nr. 18, Bd. VI, unpag. Vorschlag Nf. Stange v. 19. 1. 1904.

200

Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

Statt gesehen hätte.999 Jacoby und Kühl verweigerten sich ebenfalls und votierten für den von Martin Kähler geprägten Breslauer Systematiker Martin Schulze.1000 Zu Kühls Leidwesen war durchgesickert, daß er dieser Personalie wegen mit Althoff in Verbindung stand. Das trug seinem Favoriten die „Abnei­ gung“ der Fakultät ein, die zu recht mutmaßte, der Ministerialdirektor ziehe hinter ihrem Rücken mit Hilfe Kühls seine Fäden zugunsten Schulzes.1001 Der Versuch der Fakultätsmehrheit, Althoffs Plan zu durchkreuzen, mißlang jedoch erwartungsgemäß. Althoff wartete das Eintreffen der für ihn unerheb­ lichen Vorschlagsliste kaum ab, da präsentierte er Zivilkabinett und Oberkirchenrat Martin Schulze als Stanges Nachfolger.1002 Wenig Aufwand verursachte die Nachfolgeregelung für Hans Achelis, der zum SS. 1907 Königs­ berg mit Halle vertauschte. Da das von ihm kirchenhistorisch genutzte Extraordinariat ohnehin ein neutestamentliches war, fand die per Hausberufung erfolgte Wiederbesetzung mit dem Königsberger NT­Exegeten Richard Adolf Hoffmann allgemeine Zustimmung.1003 Umkämpft indes war dann wieder, wer nach Johannes Bauer den (Ersatz­) Lehrstuhl für prak­ tische Theologie besetzen sollte. Ob der primo loco genannte Berliner Homiletiker Eduard Simons, immerhin schon 55 Jahre alt, mehr als ein Platzhalter war, scheint fraglich. Mit dem späteren Dan­ ziger Stadtsuperintendenten Paul Kalweit, seit 1898 Studiendirektor im niederschlesischen Naumburg am Queis, stand ein Ostpreuße an zweiter Stelle, in dem man den eigentlichen Favoriten vermuten möchte. Tertio loco kam Alfred Uckeley hinzu, der jüngste Kandidat, geboren 1874 in Kolberg, ha­ bilitiert 1905 in Greifswald, ein Schüler Victor Schultzes und Martin von Nathusius’, aber, wie fast absichtsvoll betont, wissenschaftlich lange schwach ausgewiesen, bis er mit zwei Werken, ‚Die moderne Dorfpredigt‘ (1908) und ‚Moderne Predigtideale‘ (1910), über den Horizont seiner eher heimatkund­ lich orientierten Beiträge zur Kirchengeschichte Pommerns und Hessens hinauszublicken schien.1004 Ungeachtet der offenkundig nicht in seine Richtung weisenden Fakultätspräferenzen durfte Uckeley zum SS. 1910 sein Amt antreten. Zehn Jahre später schaltete er dort als die bis zur NS­Machtergrei­ fung nahezu unumschränkt herrschende Figur. Der letzte Neuzugang vor dem Weltkrieg, der ähnlich lange wie Uckeley der Fakultät angehörte, hieß Alfred Juncker. Er folgte dem Neutestamentler Kühl nach, kam wie der Systematiker Schulze aus Breslau, hatte dort seine gesamte akademische Laufbahn verbracht, die ihn endlich 1909 auf ein be­ amtetes Extraordinariat führte, galt als zur „positiven Richtung“ gehörig und war publizistisch, abgese­ hen vom ersten Band einer ‚Ethik des Apostels Paulus‘ (1904), nicht sonderlich produktiv.1005 Ebd., Separatvotum Stange. Kunze (1865–1927), 1894 Habil. Leipzig, 1899 nb. ao. Prof. ebd., 1903 oö. Prof. Wien, 1905 nach Greifswald. 1000 Ebd., Separatvotum Jacoby/Kühl. Zu Kähler und Schulze s. u. S. 207 ff. 1001 Ebd.; Kühl – Althoff v. 18. 1. 1904: Leider sei in der Kommissionssitzung offenbart worden, daß die Anregung für seinen Vorschlag, Schulze auf die Liste zu setzen, aus dem Ministerium herrühre. Mit der prompten Folge, daß Schulze eben von der Fakultätsmehrheit abgelehnt wurde und nur durch das Separatvotum auf die Liste kam. 1002 Ebd.; die Liste datiert vom 19. 1., am 23. 1. reicht das Ministerium den Vorschlag dem Zivilkabinett, am 29. 1. 1904 dem OKR ein, am 13. 4. 1904 erfolgt die Vereinbarung mit Schulze, als 2. Systematiker neben Dorner und oö. Prof. für Syst. Theologie, Symbolik und Religionsphilosophie den Lehrstuhl Stanges zu übernehmen. 1003 Ebd.; TheolFak – PrMK v. 4. 12. 1907, Liste Nf. Achelis. 1004 Ebd., Vorschlag Nf. Bauer, undat., Anfang 1910. 1. Simons (1855–1922). – 2. Kalweit (1867–1944), 1894 Pfr. Eydtkuhnen, 1898–1912 Studiendirektor Naumburg/Q., seit 1912 Konsistorialrat u. Stadtsuperint. Danzig, 1923 Generalsuperint. der Freien Stadt Danzig. – 3. Uckeley (s. Catalogus), der 1900–1905 Pfr. in Bad Wildungen war, promovierte mit einer Arbeit zur Reformationsgeschichte der Stadt Greifswald (1903). Hermann Jacoby hatte sich Eduard von der Goltz gewünscht, behutsam antimodernistisch, 1870 geboren als Sohn Hermann von der Goltz’, Vizepräsident des Oberkirchenrats und Prof. in Berlin (1835–1906), seit 1906 Direktor des Predigersemi­ nars in Wittenburg/Westpr., 1912 oö. Prof. prakt. Theologie Greifswald. 1005 Ebd.; Vorschlag Nf. Kühl : 1. A. Juncker (s. Catalogus). – 2. Fritz Barth (1856–1912), seit 1895 oö. Prof. der Kirchengeschichte in Basel. – 3. R. A. Hoffmann, Königsberg, dem im (höchst unwahrscheinlichen) Erfolgsfall 999

Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914

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4.1.2. Habilitationen An den Berufungen von Schulze, Juncker, Löhr und Uckeley, die alle in ihren Fachgebieten nicht brillierten, die ohne Gelegenheit einer Wegberufung über zwanzig Dienstjahre an der Albertina ver­ brachten und die offenkundig als zweite Wahl gelten mußten, ist abzulesen, wie wenig dem Ministe­ rium an der Förderung der Königsberger Theologie lag. Entsprechend schlecht war es um qualifizierten Nachwuchs bestellt. 1897 hatte sich Klöppers Adlatus Richard Adolf Hoffmann für neutestamentliche Exegese habilitiert, mußte aber 20 Jahre auf einen Ruf warten. Der einzige unter den wenigen Ha­ bilitanden, der sich eine bedeutende Position in seiner Disziplin eroberte, war der 1902 aufgrund einer ausgebauten Licentiatenarbeit über die ‚Geschichtsbetrachtung bei den vorexilischen Propheten‘ mit der venia ausgestattete Alttestamentler Otto Procksch, der zum WS. 1906/07 einem Ruf nach Greifswald folgte.1006 Nur umhabilitiert, zu der wegen Löhrs schneller Berufung dann nicht mehr notwendigen Vertretung der Wilke­Vakanz, kam der mit ‚Ezechielstudien‘ in Wien habilitierte, aus der Leipziger Kittel­Schule stammende Sachse Johannes Herrmann 1909 in die Fakultät, verweilte aber nur wenige Monate, um 1910 nach Breslau weiter zu wandern.1007 Wie bei Wilke und Löhr, so fällt auch bei Herrmann die Neigung auf, das aktualisierbare Potential des AT auszuschöpfen.1008 Nach Procksch vergingen zehn Jahre, bis sich mit dem Giesebrecht­Schüler Edwin Albert ein zwei­ ter Exeget des Alten Testaments habilitieren konnte.1009 Albert versah seit SS. 1910 das neugeschaffene Lektorat für Hebräisch und war in Königsberg hauptamtlich als Pfarrer tätig. Zu wissenschaftlicher Arbeit kam er daher nicht mehr. Im Sommer 1914 übernahm er eine Pfarrstelle im fernen masurischen Passenheim, wollte aber die venia behalten, was ihm die Fakultät unter Hinweis darauf, daß er nichts publizierte habe, ablehnte. Albert fiel kurz darauf, im November 1914.1010

eine weitere Hausberufung beschieden gewesen wäre. Ferner: Rep. 89, Nr. 21663, Bl. 99; Vorschlag von PrMK v. 9. 8. 1910. 1006 Procksch 1926; Mommer 1994. Procksch kam aus Leipzig, wo er in dem Dänen Frants Buhl seinen AT­Lehrer gefunden hatte. Nach einer orientalistischen Promotion über ‚Blutrache bei den Arabern‘ (Leipzig 1899) wollte er bei dem nach Kopenhagen gewechselten Buhl auch seine Habilitation in Angriff nehmen, hatte dann aber von dort aus „die ersten Fäden nach Königsberg gesponnen“ (1926, S. 177), wo er in Giesebrecht einen Förderer fand. In Greifswald stand Procksch 1906 an erster Stelle, obwohl es einschränkend hieß, daß er aus der Wellhausen­Schule stamme und manche ihrer literarischen und historischen Voraussetzungen billige, was aber dadurch wieder aufge­ wogen werde, daß er „in religiöser Beziehung auf dem Boden eines kräftigen Offenbarungsglaubens“ stehe (GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VIII, unpag.; Liste Nf. Extraord. Riedel v. 1. 6. 1906). – Riedel hatte wegen einer Affäre mit der (schwedischen) Frau seines NT­Kollegen Julius Kögel der akademischen Laufbahn entsagen müssen; nach 1918 Gymnasiallehrer u. Privatgelehrter in Stockholm (Volbehr­Weyl, S. 22). 1007 GStA …, Nr. 22, Bd. I, Bl. 210; Anzeige der Umhabil. v. 14. 5. 1909. Herrmann promovierte bei Kittel 1907 mit einer ‚Analyse des Buches Ezechiel‘. Im Dezember desselben Jahres gelang ihm bei Sellin in Wien die Habili­ tation mit ‚Ezechielstudien‘, 1908/09 nahm er dort eine Lehrstuhlvertretung wahr. Von Breslau aus ging er 1913 als oö. Prof. nach Rostock, 1922 nach Münster. 1008 Johannes Herrmann vertrat das Ordinariat des todkranken Giesebrecht nach Fritz Wilkes Wegberufung im SS. 1909 und im WS. 1909/10, kann hier aber mit seiner Umhabilitierung nicht unter die Königsberger AT­ „Gewächse“ gerechnet werden. Mit dem Giesebrecht­Nachfolger Löhr teilte er das starke Interesse für die soziale Botschaft der Propheten (Herrmann 1911). Ähnlich aktualisierend Wilke 1907a und 1921. 1009 GStA …, .Nr. 22, Bd. I, Bl. 213 f.; Habil. Albert, Meldung der TheolFak an PrMK v. 24. 1. 1911. Das Thema der im Oktober 1910 gehaltenen Probevorlesung entsprach der Habil.­Schrift: ‚Eine exegetisch­kritische Arbeit über Sa[c]harja‘, einen der „kleinen Propheten“, der sich im 6. Jh. v. Chr. für die Wiederaufrichtung des jüdischen Königtums einsetzte. 1010 Ebd., Bl. 234–236; Gesuch Alberts v. 10. 7. 1914, auch als Passenheimer Pastor weiter im VV. geführt zu werden sowie Ablehnung der Fakultät v. 27. 7. 1914. Ebd., Nr. 18, Bd. VI, unpag.; Schriftw. wg. Neubesetzung hebräisch. Lek. v. 3. 3. 1915. Hier die Angabe, daß Albert am 18. 11. 1914 gefallen sei.

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1912 erwarb der Militärpfarrer August Pott die venia für Neutestamentliche Hilfswissenschaften mit einer philologischen Filigranarbeit über den griechischen Text des Matthäus­Evangeliums.1011 Pott, Jahrgang 1870, hatte seit seiner Berliner Studienzeit an Hermann von Sodens letztlich gescheitertem Unternehmen mitgearbeitet, das gesamte handschriftliche Material für das Textkorpus des Neuen Testaments zu sammeln, um zu einer „ältesten erreichbaren Textgestalt“ vorzudringen. Seit 1907 Feld­ probst in Königsberg und Organisator volkshochschulartiger, „populärer, religiös­wissenschaftlicher Vorträge“, für die er angeblich auch „bekannte auswärtige Gelehrte“ gewann, war Pott primär Philo­ loge, hochspezialisiert und zunächst vergeblich bemüht, aus der Enge seines Lehrauftrags auszubre­ chen. Die Studie über ‚Das Hoffen im Neuen Testament‘ (1915), die wieder textkritisch ein Abstreifen des eschatologischen Hoffens im Glauben der frühen christlichen Gemeinden nachweisen möchte, fundierte zwar seinen Anspruch, endlich über das Gesamtgebiet des NT lesen zu dürfen, reichte aber 1916 nicht aus, ihm per Hausberufung das Extraordinariat Hoffmanns zu verschaffen.1012 Für fünfzehn Jahre der letzte Habilitand in der Fakultät sollte Ende 1912 Hans Rust werden, der, von Eucken kommend, dem er die Befreiung vom ihn fast „erdrück[enden] Historismus“ dankte,1013 mit Dorners Hilfe die Lehrbefugnis für Systematische Hilfswissenschaften erhielt, die er 1915 auf Systematische Theologie erweitern lassen konnte. 1917 bewilligte man ihm, nach mehreren vergeb­ lichen Anträgen, einen honorierten Lehrauftrag für „Allgemeine Religionsgeschichte“.1014 Ausgenommen Albert, waren die übrigen Habilitanden Externe, d. h. sie kamen nur zum Zweck der Habilitation nach Königsberg, so daß auch daraus zu ersehen ist, daß eine kontinuierliche Nach­ wuchsförderung oder gar Schulbildung in der Fakultät nicht stattfand. Bis 1914 sind überdies nur zehn Promotionen nachweisbar. Neben Procksch1015 und Albert1016 wurde der Sohn des Königsberger Homiletikers Hermann Jacoby, der bald darauf zur Philosophie übergegangene Günther Jacoby, mit einer alttestamentlichen Arbeit promoviert.1017 Um 1910 inte­ ressierte Benrath einige Schüler für die ostpreußische Kirchengeschichte. Es entstanden Arbeiten über Christian Dreier und den ‚synkretistischen Streit im Herzogtum Preußen‘,1018 den ‚ermländischen Bi­ schof Stanislaus Hosius als Polemiker‘1019 sowie über ‚Das Eindringen des Pietismus in die ostpreu­

Ebd., Bl. 220–224; Meldung der TheolFak – PrMK v. 6. 6. 1912. Vgl. zur Selbsteinschätzung als der maß­ gebende Textkritiker unter den Neutestamentlern seine Vita nebst Bewerbungsschreiben an PrMWKV (Wende) v. 4. 10. 1920 (ebd., Nr. 18, Bd. VII, Bl. 68). Zur Nf. Hoffmann vgl. ebd., Bd. VI, unpag., Liste v. 24. 1. 1916, wo über gemischte Reaktionen auf das ‚Hoffen‘­Werk berichtet und Pott nur die dritte Stelle eingeräumt wurde. 1012 GStA …, Nr. 22, Bd. I, Bl. 232; TheolFak – PrMK v. 5. 5. 1915 wg. Erweiterung venia Pott auf NT. 1013 ThULB, Nl. Eucken I, 23, R 366–367; Rust an Eucken v. 4. 1. 1916. Glückwunsch des Schülers zum 70. Ge­ burtstag des Lehrers, der ihm die „wahrhaft philosophische Betrachtung der Dinge eröffnete und mich von jenem Druck [des Historismus] und jener Enge befreite“. 1014 GStA …, Nr. 22, Bd. I, Bl. 226–231; TheolFak – PrMK v. 6. 11. 1912; Meldung über Habil. Rust. Ebd., Bl. 232 wg. Erweiterung venia v. 2. 2. 1915. Ebd., Nr. 18, Bd. VI, unpag.; TheolFak – PrMK v. 28. 12. 1916 wg. LA Rust, erteilt zum SS. 1917, honoriert mit kläglichen 1.200 M. jährlich. 1015 O. Procksch, Die Geschichtsbetrachtung bei Amos, Hosea und Jesaia (= Teildruck einer größeren Arbeit: Über die Geschichtsbetrachtung und die geschichtlichen Erinnerungen bei den Profeten bis auf Hesekiel), Juli 1901. 1016 E. Albert, Die israelitisch­jüdische Auferstehungshoffnung in ihren Beziehungen zum Parsismus, Februar 1910. 1017 G. Jacoby, Glossen zu den neuesten kritischen Aufstellungen über die Composition des Jeremja (Cap. 1–20) (Teildruck aus: Versuch über die Composition des Buches Jeremja), Juli 1903. 1018 Theodor Moldaenke 1909. Moldaenke, 1880 Hohenstein/Ostpr., hatte in Berlin und Königsberg studiert, unterrichtete von 1905 bis 1907 am Gymnasium in Tilsit, seitdem am Städtischen Friedrichs­RG in Berlin; nach 1933 engagiert in der Bekennenden Kirche Berlins, Vater des Seeberg­Schülers Günther Moldaenke (s. Bd. II). 1019 Elsner 1911. Der Verfasser, Sohn eines Mühlenpächters von der Danziger Höhe, geb. 1886, 1905 Abitur in Danzig, absolvierte sein theol. Stud. in Halle, Tübingen, Berlin und Königsberg. 1011

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ßische Landeskirche‘1020. Der Neutestamentler Kühl konnte gegen Ende seiner fünfzehn Königsberger Amtsjahre endlich seinen zweiten Doktoranden präsentieren, der in einer umfangreichen Studie zu den ‚Wurzeln der paulinischen Theologie‘ vordrang.1021 Dorner, der viele Hörer, aber keine Schüler hatte, promovierte, 1912, außer Rust1022, den Pfarrer Paul Lau, mit Sondierungen über ‚Ursprung und Wesen der Religion nach Wilhelm Wundts Völker­Psychologie‘.1023

4.1.3. Weltanschauliches Profil Daß die Theologische Fakultät vor dem Ersten Weltkrieg öffentlich überhaupt wahrgenommen wurde, war wesentlich das Verdienst eines Mannes: des Systematikers August Dorner. Unter seinen Kollegen war niemand, der mit ihm publizistisch auch nur entfernt konkurrieren konnte, und der Zusatz „Uni­ versität Königsberg“ war daher mit keinem Namen in gängigen Fachorganen wie den Protestantischen Monatsheften so oft verknüpft wie mit dem Dorners.1024 Auch dem städtischen Publikum galt er als Hauptanziehungspunkt der Fakultät. Bis zu 400 Hörer, eine für Königsberger Verhältnisse phanta­ stische Zahl, fanden sich 1905 zu seinen öffentlichen Vorträgen über ‚Individuelle und soziale Ethik‘ ein.1025 Geboten wurde ihnen ein religionsphilosophisch ummantelter Nationalliberalismus, dem Dor­ ner erstmals 1895, in einem dicken Kompendium über ‚Das menschliche Handeln‘ „systematische“ Gestalt gegeben hatte. Gegner war die „Staatsomnipotenz“, die sich aus konservativer wie sozialis­ tischer Weltauffassung ergeben mußte. Zwischen diesen „Extremen“ wollte er eine „vermittelnde Posi­ tion“ beziehen.1026 Fixpunkt seiner überbordenden Reflexionen bildete die „Freiheit“ des Individuums, unter der Dorner aber etwas anderes verstand als die für ihn zum „charakteristischen Zug der Zeit“ gewordene „Emanzipation“, vor allem jener der „unteren Stände“ und der Frauen. Diese Emanzi­ pation begehrte aus seiner Sicht nur die Ablösung von hergebrachten Autoritäten, um sich dann im sozialistischen „Zukunftsstaat“ umso rettungsloser zur großen „Produktionsgenossenschaft“ verge­ meinschaften und „nivellieren“ zu lassen, in der das Individuum schon deshalb als freies verschwinde, weil es als sittliches, ideale Werte verwirklichendes nicht mehr existent sei, sondern nur noch als Ge­ genstand der „Wohlerzeugung“ und „Wohlsteigerung“ staatlich organisierter Güterproduktion und ­verteilung.1027 Genauso freiheitsaufhebend müsse sich aber auch die spezifisch preußisch­deutsche Reaktion auf diese sozialdemokratische „Emanzipations“­Politik auswirken. Denn in ihrem Bestreben, die tradierten Ordnungen und Autoritäten zu stabilisieren, imperialistisch nach außen auszugreifen, um eine Konzentration der Staatsmacht im Innern zu legitimieren und den „Militarismus“ zu forcie­ ren, dabei die „Obrigkeit“ noch durch Kirche und Religion stützen zu wollen, könnten die Anbeter der Staatsomnipotenz nur den entmündigten „Untertanen“, das vollständig im „Staatsbürger“ aufgehende Walther Borrmann 1913. Borrmann, Pfarrerssohn aus Rössel im Ermland, 1890 geb., 1908 FC, theol. Stud. AUK, 1912 erste theol. Examen. 1021 Wilhelm Olschewski 1909. Der Verfasser, 1883 in Weissenburg/Sa. geboren, Abitur 1903 in Rastenburg, verstand sich als Schüler („grundlegend bestimmt“) des liberalen Hallenser Neutestamentlers Erich Haupt. – Ver­ mutlich reichte 1901 auch Richard Lettau eine neutestamentliche Diss. ein, doch das HSV. nennt nur nicht zuzuordnende ‚Thesen‘; spätere Schriften des auf einer hinterpommerschen Pfarre amtierenden Licentiaten (etwa Lettau 1933) legen eine nt. Promotion nahe. 1022 H. Rust, Über den Unterschied zwischen philosophischer und theologischer Ethik. 1023 Paul Lau 1912. Der Verfasser promovierte 1926 mit einer Arbeit über Dorners Religionsphilosophie bei A. Kowalewski noch zum Dr. phil. Geb. 1869 im westpr. Jonasdorf, 1892 Abitur Marienburg, 1892–1895 theol. Stud. AUK, seit 1898 Pfr. in Rheinfeld/Westpr. 1024 Vgl. die Bibliographie bei Pott 1920 sowie wichtigste Arbeiten unten im Lit.verzeichnis. 1025 Nach eigenen Angaben Dorner 1906, Vorrede. 1026 Ebd., Vorrede. 1027 Dorner 1895, S. 145 ff. und ders. 1906, S. 6 ff.

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und damit gleichfalls nivellierte Individuum hervorbringen.1028 Wer zwischen diesen beiden Varianten der „Entpersönlichung“ sein Heil im radikalisierten Individualismus neoaristokratischer Lehren wie der Nietzsches oder der anarchistischen Tolstois suche, setze auch aufs falsche Pferd, da diese „Ato­ misierung“ jeden lebensnotwendigen gesellschaftlichen Zusammenhang zerstöre.1029 Daher pochte Dorner in seinen Stellungnahmen zur Schul­ und Hochschulpolitik auch darauf, die institutionellen Voraussetzungen zu garantieren, um den „Zusammenhang alles Wissens“ vermitteln zu können, wobei die „Gemeinsamkeit des nationalen Wissens“ gesichert sein, die Erziehung zu „blindem Patriotismus“ aber verhindert werden müsse.1030 Dorners Synthese von individueller und sozialer Ethik sollte der „Rechtsstaat“ ermöglichen und garantieren. Um die „sittliche Sphäre“ des sich zur „Selbständigkeit“ ausbildenden Individuums effek­ tiv zu schützen, machte der Theologe demokratisch­parlamentarischen Idealen wichtige, in seinen Kreisen ganz unüblich großzügige Zugeständnisse: Könne rechtsstaatlicher Schutz doch nur wirklich effizient organisiert werden, wenn die von Gesetzen Betroffenen an ihnen selber mitwirken!1031 Da­ raus leitete der Systematiker mit legerer Zwanglosigkeit ab, daß die ständig erforderliche Verbesserung der „nationalen Rechtsordnung“ der „Kritik freie Bahn“ lassen müsse, also Presse­, Rede­ und Ver­ sammlungsfreiheit institutionell zu sichern seien. Die Möglichkeit der Änderung der Spielregeln sozia­ len Zusammenlebens unterscheide den Rechtsstaat von der „Despotie“.1032 Da der Rechtsstaat auch Religions­ und Gewissensfreiheit garantieren müsse, um dem Individuum größtmögliche Freiheit zu lassen – die Vorstellung vom Primat der Religion sei „mittelalterlich“, „modern“ sei es hingegen, die „verschiedenen Seiten“ des Menschen zu akzeptieren1033 –, war Dorners Plädoyer für die Trennung von Kirche und Staat nur konsequent. Zum überkonfessionellen Staat paßte kein konfessioneller Schulun­ terricht, keine kirchlichem oder synodalem Einfluß unterworfenen Theologischen Fakultäten, schon gar nicht die um 1900 heftig umstrittenen katholischen „Weltanschauungsprofessuren“.1034 Soweit die Zentrumspartei darauf aus sei, die Kirche dem Staat überzuordnen, sei sie in die Schranken zu weisen.1035 Die auch den idealen Rechtsstaat belastenden sozialen Gegensätze hoffte der kapitalismus­ kritische Protestant dadurch zu entschärfen, daß er Arbeitgebern und Arbeitnehmern empfahl, das in England begonnene Experiment der Konsum­ und Produktionsgenossenschaften fortzusetzen und den Klassengegensatz in ständeähnlichen „Korporationen“ abzubauen.1036 Dorners unermüdliche Rechtfertigung einer christlich­idealistischen Weltanschauung mündet 1911 in einer Streitschrift gegen ‚Pessimismus, Nietzsche und Naturalismus‘, die von Feuerbach bis 1028 Dorner 1895, S. 483 (gegen die „Staatsomnipotenz“), 489 f. (gegen die Reduktion auf den „Staatsbürger“), 508 (gegen die Militarisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse), 618 (gegen den Familie usw. „verschlingenden“ Patriotismus); ders. 1906, S. 8 (die innenpolitisch integrative Funktion des Imperialismus wertet Dorner hier negativ, während er 1895, S. 682 noch die koloniale Mission der Europäer damit verteidigt, daß die „Wilden“ aus ihrer „Barbarei“ befreit und aus ihrem „ethischen Tiefstand“ herausgehoben werden müßten), S. 211 f. (gegen die auf Hegel zurückgehende „Staatsbürger“­Ideologie, wie sie von der Sozialdemokratie aufgegriffen werde). 1029 Dorner 1906, S. 9. 1030 Dorner 1904a und 1904b, dort bes. S. 115, 117 f. 1031 Ders. 1895, S. 505: die Beteiligung des Volkes an der Gesetzgebung sei ein „ethischer Fortschritt“, dieses Recht des Volkes dürfe nicht rückgängig gemacht werden. 1032 Ders. 1906, S. 213–217. 1033 Ders. 1906, S. 197 f. 1034 Ebd., S. 196 f.: In den Volksschulen komme es nicht mehr auf eine kirchlich vermittelte einheitliche Welt­ anschauung, sondern auf vielfältige Wissensvermittlung an, die den Schüler an die „Gegensätze des Lebens“ ge­ wöhnen, die ihn aber auch in die Lage versetzen solle, sich als Glied des Ganzen zu fühlen, als Teil von Nation, Christenheit, Menschheit. Zur Autonomie der theologischen Forschung und Lehre ders. 1895, S. 679 und 1906, S. 193. 1035 Ders. 1906, S. 230. 1036 Ebd., S. 188.

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Haeckel, von Dühring bis zu Drews und Driesch keinen Exponenten des „modernen Geisteslebens“ schont, um durch den Aufweis von deren „Selbstwidersprüchen“ die große Schar der Antiidealisten und Religionsfeinde in die Schranken zu weisen.1037 Der zu Dorners Unterstützung an die Albertina delegierte Kähler­Schüler Gustav Ecke, ein „ortho­ doxer Mann aus der Praxis“, geeignet für eine „dogmatische Professur“, wenn auch „ein wenig reich­ lich beredt“, wie Julius Kaftan seinen Übereifer höflich umschrieb,1038 widmete sich während seines kurzen Königsberger Wirkens dem zweiten Band seiner Durchleuchtung der Schule Ritschls, eine der „fundiertesten Streitschriften zur theologischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzung der Jahrhundertwendezeit“.1039 Der erste Band war 1897 erschienen, hatte Eckes Ruf als kirchenpolitisch streng Konservativer begründet und ihn für das akademische Lehramt empfohlen. Ecke behauptete einen „organischen Zusammenhang“ zwischen Ritschls Theologie und „tiefer liegenden allgemeinen Schäden des kirchlichen Lebens“.1040 Vom Aufkommen der „Aufklärung“ an lasse sich die Ausbreitung einer „antichristlichen Stimmung“ wahrnehmen, die von Ritschls Positionen her nicht nur nicht einge­ dämmt, sondern, wenn auch ungewollt, angeheizt worden sei. An den Ergebnissen der Reichstagswahl von 1898 las Ecke ab, was die Stunde geschlagen hatte: Allein in Berlin habe fast zwei Drittel der Wahlbeteiligten der „atheistischen SPD“, der „Partei des Umsturzes“, ihre Stimme gegeben.1041 Man befinde sich mitten in einem „Zerstörungsprozeß“, der sich weit zurückverfolgen lasse und der „um­ fassender“ sei als etwa Ritschl und seine Anhänger wahrhaben wollten.1042 In der festen Überzeugung, die Gefahr klarer zu erkennen, als all jene, denen er ein „Herabgleiten von der Höhe der absoluten Offenbarung Gottes“ vorhielt, glaubte Ecke weiteren Terrainverlust durch das Eingraben „unverrück­ barer Grenzsteine“ verhindern zu können, mußte sich aber in einer leidenschaftlichen Philippika gegen Liberale, Relativisten, Freikirchler, Monisten und Radikale auf sein „Hauptbollwerk“, das „Bekenntnis zur absoluten Offenbarung Gottes in der geschichtlichen Erscheinung Jesu Christi“ zurückziehen.1043 Auch Eckes Nachfolger Carl Stange setzte mit einigen polemischen Aufsätzen gegen das „Agita­ tionsprogramm der modernen Welt“, mit dem Schopenhauer, Nietzsche und andere „Herolde der modernen Lebensrichtung“ die „große Masse“ vom Christentum abbrächten, frühere apologetisch Dorner 1911; vgl. dort etwa S. 260 f., wo dem Monismus nachgewiesen werden soll, nicht ohne pluralistische Grundannahmen auszukommen. Auch die Entwicklungslehre sei streng materialistisch nicht denkbar, sondern setze eine „denkende Vernunft“ voraus, wie man überhaupt in allen naturalistischen Reduktionen wissenschaft­ licher Erkenntnis mühelos auf uneingestandene apriorische Bedingungen und „absolute Voraussetzungen des Geistes“ stoße, die schließlich zu Gott, dem „absoluten Wesen“ führen (ebd., S. 288). 1038 Göbell I, S. 166; J. Kaftan an seinen Bruder Theodor v. 17. 10. 1897, nach einem Besuch Eckes in Berlin. 1039 Wolfes 2000, Sp. 288. 1040 Ecke 1897, S. 9. Am Ende der Ritschl­Kritik steht dann freilich der Befund, daß zumindest die Ritschl­ Schule, darunter auch Männer wie Harnack, die „den Gegensatz am schärfsten hervorzukehren“ pflegten, sich der kirchlich­positiven Richtung gegenüber zunehmend versöhnlich zeige und es schon zu „mannigfach erfreulichen Berührungen“ gekommen sei (ebd., S. 312, 316 f.). 1041 Ders. 1904, S. 31 f. 1042 Ebd., S. 87 f.; Ecke führt aus der Zeit um 1800 eine Reihe drastischer Beispiele an, um zu belegen, daß man mit Blick auf die Jahrhunderte zwischen Reformation und Industrialisierung weniger von einer christlichen als von einer bloß christianisierten Welt sprechen sollte. So habe, verursacht durch den rasch die Geister erfassenden „Ra­ tionalismus“, etwa die Wunderexegese in den NT­Kollegs von Halle, Kiel oder Jena nur noch „wieherndes Geläch­ ter“ unter den angehenden Pastoren ausgelöst (ebd., S. 68). Überhaupt lasse sich für das frühe 19. Jahrhundert eine „unglaubliche Verweltlichung des Pastorenstandes“ registrieren; die meisten Prediger verstünden sich nur noch als moralisierende „platte Volkserzieher“, von den Essentialia protestantischer Glaubenslehre, von Rechtfertigung etwa, fände sich „keine Spur“ mehr (ebd. S. 88). 1043 Die erste Auflage der bald nach dem Fortgang aus Königsberg konzipierten Großpolemik ‚Unverrückbare Grenzsteine‘ erschien 1905, eine fünfte vermehrte Auflage konnte Ecke 1911 drucken lassen, hier zit. 1911, S. 16, 19. 1037

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motivierte Attacken gegen „naturalistische“ Sinnangebote wie den Psychologismus Wundts oder den Pessimismus Eduard von Hartmanns fort. Dabei blieb auch ihm im Ringen mit den „Großmächten der modernen Bildung“ nur die starre Behauptung der Absolutheit des Christentums, das mit den „Ideen und Willenszielen der Kultur“ nichts zu tun habe. Der theozentrische Charakter des christ­ lichen Glaubens sei unvereinbar mit dem egozentrischen aller Weltanschauungen, in denen der „natür­ liche Mensch“ sich einrichte. Christlicher Glaube, dem im Unterschied zu allen übrigen Religionen in der Offenbarung eine „objektive Welt der Wirklichkeit gegeben“ werde, und das (natürliche) Wissen, das „verstandesmäßige Räsonnement“, schlössen sich aus.1044 Ebenso beunruhigt von einer anscheinend unaufhaltsamen Entchristlichung zeigte sich der Kir­ chenhistoriker Lezius, doch anders als Ecke und Stange sah der Balte die Deutschen davon nicht so hart betroffen wie die Westeuropäer und Angelsachsen. Und selbst bei denen wollte er in den vorbildlichen lutherischen Freikirchen in den USA sogar die „Stadt des Lichtes hoch auf dem Berge“ erkennen, die sich jener „wachsenden socialen Macht des Unglaubens und des Antichristenthums“ entgegenstemme, der gerade die landeskirchlich organisierten Protestanten besonders ausgesetzt seien.1045 Zudem wähnte er sich, als Student im entlegenen Dorpat, in der protestantischen Diaspora, von „modernen“ Er­ schütterungen des Väterglaubens nicht so arg bedroht. Erst recht nicht als Pastor im livländischen Nest Walk, wie sich an seinen Aktualisierungen des politischen Luthers aus dieser Zeit ablesen läßt.1046 Lebhafte Zustimmung fand bei ihm Treitschkes Abfertigung der „ingrimmigen Christenfeindschaft des jüdischen jungen Deutschland“ ebenso wie dessen Salven gegen Ludwig Feuerbach und David Friedrich Strauß mit deren „zersetzender Kritik“ des Christentums.1047 Bereits in diesen frühen Wort­ meldungen ist der aggressive alldeutsche Polemiker Lezius ganz ausgereift, im Ringen mit „Juda und Rom“, wenn er gegen „jüdischen Geldsinn“ genauso poltert wie gegen die „Gräuel des kreuzfahrenden Gesindels“1048, wenn er vor den „entsetzlichen Gefahren“, die dem deutschen Volk „von Seiten des rücksichtlos die Herrschaft erstrebenden Judenthum[s] droht“ warnt, und die „grundverkehrte Form“ der „Judenemancipation“ am liebsten revidiert hätte.1049 Den „demokratischen Parlamentarismus“ ver­ achtete er mit Carlyle als die „Hauptkrankheit des 19. Jahrhunderts“.1050 Daß Deutschland zum Ende des 19. Jahrhunderts die „stärkste und populärste Monarchie Euro­ pas“ sei und daher „einen minder fruchtbaren Boden der Revolution“ bilde, müsse allein dem „Luther­ tume“ zugeschrieben werden.1051 Nur wo versucht wurde, die zentrale Unterscheidung des Reforma­ Stange 1905, dort die ersten drei Aufsätze, S. 1–24, die 1902/04 in der Ev.­Luth. Kirchenzeitung erschienen waren. Dogmatisch ausführlicher dazu: Ders. 1907, 1910 u. 1911. 1045 Lezius 1889, S. 298 f. 1046 Lezius 1891a+b. Luther bürgte ihm für die Wahrheit, daß nur „große Männer“, die so gerühmten „Wunder­ leute“, Geschichte machen. Der Reformator habe zudem den „monarchischen Sinn“ der Deutschen gestärkt und so die „Aufrichtung eines starken Regiments, eines mächtigen Reiches“ ermöglicht (1891a, S. 231). Ähnlich über ‚Luthers Stellung zur türkischen Weltmacht‘: Den eigentlichen deutschen „Nationalfeind“ des 16. Jhs. habe er in den Türken erkennen wollen. Der orientalische Absolutismus sei „münzerisch“, „gleichermacherisch“, „demo­ kratisch“. Bei aller Verurteilung des ständischen Egoismus habe der eben doch ständisch denkende Luther diese Verhältnisse im Auge gehabt, um die politische Verfassung des Reiches und darin die Rolle des Adels positiver zu bewerten. Insoweit könne er als Anwalt eines auf den Adel gestützten „starken Kaisertums“ gewürdigt werden, das außenpolitische Herausforderungen wie die „Türkengefahr“ besser bestehen könne (1891b, S. 265–267). 1047 Lezius 1891c, S. 239 zu v. Treitschke, Deutsche Geschichte …, Bd. IV, 1889. 1048 Lezius 1892b, S. 131, 134 in einer Rez. zu Reinhold Seeberg, Hermann von Scheda. Ein jüdischer Proselyt des zwölften Jahrhunderts, 1891. – Ein erstes Aufflackern seines militanten Antikatholizismus findet sich in Lezius 1890, einer ausführlicher Rezension von Haucks Kirchengeschichte Deutschlands. 1049 Lezius 1892c, S. 267, 281; in einem Rezensionsessay zu J. F. A. de la Roi, Die evangelische Christenheit und die Juden, unter dem Gesichtspunkt der Mission geschichtlich betrachtet, Bd. I, 1884. 1050 Lezius 1892d, S. 564. 1051 Lezius 1895b, S. 326. 1044

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tors, „die geistliche Gleichheit aller Christen und die natürliche Ungleichheit aller Menschen“, zu ignorieren, um den „kirchlichen obrigkeitslosen Gleichheitsgedanken auf den Staat“ zu übertragen, dort habe sich der „religiös motivierte politische Demokratismus“ Bahn gebrochen und, wie nach den Revolutionen in den USA und in Frankreich, sich schließlich auch von „seinem religiösen Ursprung entfremdet“.1052 Obwohl „sociale und politische Gleichmachung“ auch das Ideal des „Demokratis­ mus Münzers“ gewesen sei, erwies sich, nach Lezius’ Überzeugung, der deutsche Volkscharakter als weitgehend immun gegenüber dieser Versuchung.1053 Solange wie die Gleichheit im „Reiche Christi“ nicht zum Maßstab politisch­sozialer Organisation gemacht werde, so wie dies der „Staatsanschauung Luthers“ entspreche, dem der „moderne Humanitätsbegriff“ so fremd gewesen sei wie der „moderne Freiheitsbegriff“ oder die Vorstellung von der „Herrschaft der Masse“, der „Pöbelherrschaft“, und des­ sen Ansicht über das allgemeine Stimmrecht man sich daher „wohl leicht denken“ könne, solange also, meinte Lezius, müsse man, zumindest nicht im deutschen Kaiserreich, die Erosion des christlichen Glaubens nicht fürchten. Vielmehr erschien dieses Reich, im Luther­Verständnis dieses Zöglings der Dorpater Theologie, der Verwirklichung dessen am nächsten zu kommen, was der Reformator sich unter einem „weltlichen Regiment“ vorstellte, dessen vornehmste Aufgabe es sei, die „naturwidrige Gleichheit“ zu verhindern und die göttliche Ordnung der „Ungleichheit“ zu wahren.1054 „Luthers Ver­ dienst“ sei es, daß die deutsche Geschichte, wie Lezius wähnte, in der Hohenzollernmonarchie ihren krönenden Abschluß gefunden habe.1055 Diesen deutschen Sonderweg hob er 1900 in seiner schmalen ‚Geschichte der Gewissensfreiheit‘, die dem Vergleich des Toleranzbegriffs bei Locke und Pufendorf galt, noch einmal hervor, um dann mit dem Beginn seiner Königsberger Lehrtätigkeit als Kirchen­ historiker publizistisch zu verstummen.1056 Martin Schulze, der im Schatten Dorners sich nicht recht entfaltende zweite Dogmatiker, stimmte nur bedingt mit dessen Rationalismus überein und er machte auch keine Anstalten, die Konsequenzen seiner wesentlich bescheideneren dogmatischen Konstruktionen bis auf die sozialpolitische Ebene hinab zu explizieren. Im Breslau der 1890er Jahre, wo die „Positiven“ die Fakultät beherrschten,1057 1052 Ebd., S. 289 f., 322 f. Was Lezius hier auf nationale Unterschiede zurückführt, die Übersetzung des reforma­ torischen geistigen Gleichheitsprinzips in ein politisches Postulat, leitete er in einer seiner Thesen zur Dorpater Magisterarbeit noch aus dem „katholischen Mittelalter“ her: „Die modernen Revolutionsbestrebungen haben ihre religiöse Wurzel im katholischen Mittelalter und nicht etwa in der Reformation.“ (Lezius 1892a, Anhang). 1053 Lezius 1895b, S. 324 f. 1054 Ebd., S. 294 f., 325. Nur in einem wichtigen Punkt habe Luther als der „kaiserlich gesinnte, große Mo­ narchist“, aus seinem Staatsideal nicht die Konsequenzen gezogen: Statt zum Fürsprecher des Absolutismus zu werden, habe er der ständischen, „feudalen Staatsansicht“ gehuldigt und mit der „bestehenden Oligarchie“ landes­ herrlicher Obrigkeiten einen „leidlichen Frieden“ geschlossen (ebd., S. 306–308). Vgl. a. Lezius 1898. 1055 Ebd., S. 326. Daß Lezius sich schon vor Ausbruch des I. Weltkrieges zu einem rabiaten Hasser des letzten Hohenzollernkaisers und seines Kanzlers Bethmann Hollweg wandeln sollte, ist hier noch nicht erkennbar. 1056 Lezius 1900. Für Troeltsch (wieder abgedruckt in ders. 2000, S. 704–706) war das nur eine „aus aneinanderge­ reihten Exzerpten bestehende Darstellung“, die zumindest für Locke das erklärte Untersuchungsziel, den Ursprung der Toleranzidee statt in der „Aufklärung“ in der protestantischen Idee der Gewissensfreiheit nachzuweisen, nicht erreichte. Bei Pufendorf gelingt dies überzeugender, und Lezius kann zu Recht resümieren, der Toleranzbegriff des Reichsjuristen sei ein „Produkt der deutsch­lutherischen Welt“. Allerdings, darauf legt Troeltsch den Finger, rückt die deutsche und englische Entwicklung wieder auf eine Linie, wenn Lezius feststellt, daß weder Locke noch Pufendorf das Problem gelöst hätten, wie „kirchliche Autonomie und die Staatspflicht der Kulturpflege zu vereini­ gen seien“ (Lezius 1900, S. 114). In England habe die Verkennung der Staatspflicht zur „christlichen Volkserzie­ hung“ unaufhaltsam zur „Verrohung“ der Massen geführt (ebd., S. 56). In Deutschland, so Lezius in einer dunklen Andeutung, sei es infolge staatlicher Kompetenzanmaßung in der „Kulturpflege“ zur Einengung der kirchlichen Autonomie gekommen (ebd., S. 115). 1057 Bis zu seinem Tod im November 1893 nahm der Systematiker Hermann Schmidt (geb. 1832, seit 1880 in Breslau) als „confessioneller Rechter“ und, in der politischen Arena, „Vorkämpfer der deutsch­nationalen und

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war Schulze wegen eines „plötzlichen Überzeugungswandels“ stark unter Druck geraten und nahe daran, vom Katheder auf die Kanzel einer schlesischen Dorfkirche zu wechseln. Wie Martin Kähler über seinen Schüler gutachtete, dem als „Positiven“ 1889 das Inspektorenamt am Schlesischen Konvikt anvertraut worden war, geriet Schulze während seines Hallenser Studiums in den Bann der Schriften des Hegelianers Alois Emanuel Biedermann, bekehrte sich zur „Weltanschauung des Pantheismus“ und folgte der historisch­kritischen „Wellhausen­Richtung“, unter deren Einwirkung er „daran irre“ wurde, „der Hl. Schrift eine Offenbarungsursache beizumessen“ und sich die Auffassung zu eigen machte, „wonach das Christentum aus rein natürlicher geschichtlicher Entwicklung heraus verstanden und erklärt werden müsse“.1058 In seinen zum Druck beförderten Breslauer Habilitationsvorträgen machte er diesen Gesin­ nungswechsel öffentlich, „leugnete die ausschließliche Geltung der Hl. Schrift“, um zu fordern, daß Dogmatik und Geschichte „getrennte Wege“ gehen müßten, wobei die „kritische Forschung keine Grenzsetzung akzeptieren“ dürfe. Für die Dogmatik habe Schulze, wie Kähler betrübt resümierte, „die Grundlage einer Offenbarung verloren“.1059 Eine abermalige Wendung, zurück zum Offenbarungs­ glauben und zur „positiven“ Theologie, trat dann ein, als der Privatdozent Schulze, als Systematiker qua Lehrauftrag dazu verpflichtet, selbst über Dogmatik zu lesen begann. Auch von diesem „Ringen“ legte er sogleich „öffentlich Zeugnis“ ab,1060 was für den Evangelischen Oberkirchenrat Beleg genug war, ihn als schwankenden, unselbständigen Charakter abzulehnen, der akademisch unmöglich zum „Führer der theologischen Jugend“ aufsteigen dürfe.1061 Schulze gelang es jedoch, die Fakultätsmehrheit von der Unerschütterlichkeit seiner zweiten Kon­ version zu überzeugen, so daß er 1899 zum nb. Extraordinarius aufrückte.1062 Seine Polemik gegen das seit 1900 unter protestantischen Pastoren wie Arthur Bonus zur Mode gewordene „Auslaufen“ christlich­conservativen Sache“ (und Vorstandsmitglied des Deutsch­Conservativen Wahlvereins in Breslau), eine ähnliche Position ein wie in Königsberg Rudolf Grau. Ihm folgte 1894 sein Namensvetter Wilhelm Schmidt (1839–1912; vgl. Nachruf Wobbermin 1913), ein Neffe Rankes, seit 1874 als Pastor im neumärkischen Cürtow (Arnswalde) weniger als Wissenschaftler denn als kirchenpolitisch wirksamer Pamphletist profiliert, als „Bekämpfer Rischlscher [sic] Anmaßungen“, der auch gegen Harnack und Kaftan in den Ring gestiegen war. Zitate nach Presseausschnitten in GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 32, Bd. V, Bl. 112 (Nachruf H. Schmidt) u. 144 (Jubel­ artikel des Reichsboten zu W. Schmidts Berufung v. 26. 1. 1894) sowie Bl. 155–157, Bestallungsvorschlag. – Zu den „Positiven“ in der Fakultät zählte der Neutestamentler Ludwig Hahn (1823–1903), der Lehrer Alfred Junckers (vgl. dessen Nachruf 1904), und auch der Kirchenhistoriker Carl Franklin Arnold (1853–1920, s. Catalogus), 1886 Habil. AUK, seit 1888 b. apl. Prof. in Breslau. 1058 GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 37, Bd. I, Bl. 120–123; M. Kähler – Althoff v. 30. 1. 1897: Bericht über M. Schulze. Ebd., Bl. 118 f.; TheolFak – PrMK v. 27. 2. 1896, Antrag Extraord. Schulze. Er habe seine „Krisis überwunden“ und sei zu seinem „Ausgangspunkt zurückgekehrt“. Davon waren weder der Systematiker Schmidt noch der Neutestamentler Hahn überzeugt, die gegen den Antrag stimmten. 1059 So Kählers Auslegung von Schulze 1894 (s. Anm. 1058). 1060 Schulze 1897a+b. 1061 Wie Anm. 1058, Bl. 126–131; EOK – PrMK v. 13. 2. 1897, Gutachten zum Antrag der Breslauer Fakultät, Schulze zum nb. ao. Prof. zu ernennen. Besonderen Anstoß nahm der EOK daran, daß Schulze innerhalb kurzer Zeit erst zu „radikalen Ansichten über die Grundlagen der christlichen Kirche“ gelangt sei, um sich davon in ebenso rascher Zeit wieder zu entfernen und sich wieder auf den Standpunkt der Offenbarung zu stellen. Und dies in wissenschaftlich unergiebigen Gelegenheitsschriften, die jeweils nur auf äußeren Anlaß hin veröffentlicht wur­ den, 1894 durch das Drängen von „Gönnern“, 1897 auf Bitten der Fakultät, er möge den Antrag auf Ernennung zum Extraordinarius mit einer weiteren Publikation untermauern. 1062 GStA …, Nr. 32, Bd. V, Bl. 294 f. TheolFak – PrMK v. 5. 12. 1898; Antrag, Schulze zum nb. ao. Prof. zu er­ nennen. Gegen die Stimmen der „Positiven“ Hahn u. Schmidt vertreten von Cornill, Kawerau, Müller, Wrede, die versicherten, Schulze habe die Krise überwunden und bewege sich auf der „Bahn ruhiger theologischer Entwick­ lung“. Der EOK zweifelte hingegen immer noch an seiner „inneren Reife“, stellte aber „anheim“, die Ernennung zu vollziehen (ebd., Bl. 394; an PrMK v. 12. 6. 1899), was dann auch geschah.

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christlicher Glaubenslehre in „pantheistische Weltanschauung“1063 und die Mahnung, das Christen­ tum nicht mit einer „Gesellschaft für ethische Kultur“ zu verwechseln, resultiert also aus dem Gefühl neu gewonnener eigener Glaubensgewißheit.1064 Daher kehrte der einst von „Anfechtungen“ gepackte Schulze nun heraus, mehr der Schüler Kählers als Ritschls zu sein, da für ihn die „Glaubenserkenntnis“ nur aus der „Glaubenserfahrung“ entstehe, religiöse Wahrheiten „unmittelbar aus Gotteserfahrungen“ entsprängen.1065 Um damit aber nicht einem „Gefühlschristentum“ das Wort zu reden, verlangte er „Klarheit über das Geglaubte“, weil nur rational objektivierte Glaubensinhalte kommunizierbar seien und somit „Gemeinschaft“ ermöglichten.1066 Insofern war der Protestantismus für Schulze genau wie für Dorner in erster Linie eine „geistige Religion“, die mit dem vom Ideal des „freien Individuums“, der „Persönlichkeitskultur“ bestimmten „modernen Geistesleben“ korreliere, das es gegen den durch Bismarcks Kulturkampf leider nur sehr erstarkten Katholizismus, gegen die „römische Gefahr“ zu verteidigen gelte.1067 Die Vereinbarkeit von protestantischem Glauben und modernem wissenschaftlichen Weltbild ergab sich für den dafür an Schleiermacher anknüpfenden Schulze aus zwei Möglichkeiten der Er­ kenntnisgewinnung, dem „Wissen aus Erfahrung“ und dem „Wissen aus Offenbarung“, die einander nicht ausschlössen. Wie Dorner begrüßte Schulze daher enthusiastisch die 1901 einsetzende apolo­ getische religionsphilosophische Publizistik Rudolf Euckens, die, fußend auf dieser Unterscheidung der Wissensarten, der christlichen Religion ihren Platz neben den wissenschaftlich legitimierten Welt­ anschauungen sichere und so den „Bann der naturalistischen Weltbetrachtung“ gebrochen habe.1068 Er selbst versuchte dann, mittels einer Erneuerung des traditionellen „moralischen Gottesbeweises“, einen die Synthese von „Transzendenz“ und „Immanenz“ Gottes verheißenden „Theismus auf mo­ derner Grundlage“ zu skizzieren, der der von der „Macht der naturwissenschaftlichen Erkenntnis“ erschütterten Seele wieder ihren „festen Anhalt von ehedem“ zurückgeben sollte, ohne daß sie sich den „Forderungen des modernen Bewußtsein“ verweigern, sich vom „geistigen Leben unserer Zeit“ zurückziehen müsse.1069 Die „grundlegende Gotteserfahrung“, die sich aus der „persönlichen Offen­ barung Gottes“ in Jesus Christus zum „Heile der Menschen“ ergebe, sei weder historisch­kritisch noch naturwissenschaftlich erschütterbar. Das damit gesetzte „Irrationale“ sollte zwar so weit wie möglich rationalisiert, das Gottesbewußtsein einer fortwährenden „Reinigung“ unterzogen werden, dies sei ein „Hauptanliegen der Apologetik“, aber vom „subjektiven Erleben“ als Fundament des Glaubens wollte

Zu Arthur Bonus, der ein „völkisches Christentum“ verfocht, vgl. BBKL I, Sp. 698. Schulze 1907, S. 305. 1065 Ebd., S. 313–315. 1066 Ebd., S. 307. So schon Schulzes Hallenser Probe­ u. Antrittsvorlesung sich gegen die „Ritschl­Schule“ und deren „unklare Begründung der Autorität der hl. Schrift auf Innere Erfahrung“ wendend: „Klare Einsicht“ in die „Richtigkeit“ der nt.lichen Glaubensvorstellungen und in die „Glaubwürdigkeit der Heilstatsachen“ sei zu fordern (Schulze 1894, S. 24 f.). Schulze legt daher ein emphatisches „Bekenntnis“ zur „wissenschaftlichen Er­ forschung“ des NT ab, um das „unmittelbare Erlebnis“ zu rationalisieren und somit den „Glauben [zu] festigen“ (ebd., S. 18 f.), dazu auch Ders. 1905. 1067 Ders. 1908a, S. 3, in einer Flugschrift des Evangelischen Bundes. Wie Benrath entzog sich auch Schulze nicht der Faszination des Calvinismus. Dies motivierte wohl seine ersten textkritischen Studien über den humanistischen Einfluß auf Calvin (1901, 1902) und zeigt sich wieder 1908b in seiner umfangreichen, weitgehend affirmativen Rezension von A. Kuypers ‚Vorlesungen über den Calvinismus‘, der nach der Überzeugung des holländischen Gelehrten der Ursprung des konstitutionellen Staatsrechts sei, das Kirche, Wissenschaft, Familie und Individuum große Freiräume eröffne. Inmitten von „Skeptizismus und Pessimismus“ wollte Schulze sich an solch festem „Glau­ ben der Väter“ aufrichten, der eben nicht wie die katholische Kirche das Gewissen töte (1908b). 1068 Ders. 1903, S. 18 f.; ausdrücklich gegen den „naturalistischen“ Pantheismus, dem die „moderne Naturwissen­ schaft […] vollends zum Siege verholfen“ habe und der in „Selbstvergötterung“ ende, ders. 1911, S. 257, 262. 1069 Ders. 1909, bes. S. 8–10, 16 f. sowie 1913b, S. 194 f. 1063

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Schulze nicht lassen.1070 An Ritschl knüpfte er dabei insoweit an, wie das „Erlebnis“ sich bei ihm nicht allein erschöpft in der durch Christus vermittelten Offenbarung, sondern in der darin beschlossenen Erfahrung, daß Gott die „den Widerspruch zwischen Sollen und Wollen aufhebende, Schuld und Ohnmacht überwindende, versöhnende und erlösende Liebe“ sei, die „Macht des Guten“, die sich im „sittlichen Bewußtsein“ bezeugt.1071 Das bedeutete die „Begründung der Sittlichkeit im Christentum“. So resultiere aus der Glaubenserfahrung der „Anstoß“, dem „Urbild des Guten“ nachzueifern, nach der „Entfaltung der Gottesgemeinschaft“ zu streben und dabei „unsere Wirklichkeit“ zum „Schauplatz unseres Gottesdienstes“, zum „Material unserer Pflicht“ zu machen, um ein von Schulze stets nur floskelhaft angedeutetes Ziel der Geschichte zu erreichen, das er sich als eine Art Rückkehr ins Paradies ausmalte, wo die „weltumfassende Liebe“ alle „Schranken nieder“ reisse, „welche die Selbstsucht und der Eigendünkel der Menschen zieht“.1072 In ihren Vortragsfeldzügen gegen alle Spielarten des Naturalismus und Materialismus erfuhren Dorner und Schulze Unterstützung durch den Neutestamentler Hoffmann, der die Grundzüge sei­ nes „wahren Theismus“ 1909 vor den anti­monistischen Streitern der Königsberger Ortsgruppe des Keplerbundes entfaltete. Was er den Haeckelianern als seine „Lösung des Welträtsels“ entgegenhielt, reduzierte sich allerdings auf die schlichte Behauptung, daß eine „geistige Kraft“ der „Urgrund aller Dinge“ sein müsse. Dies folge logisch zwingend gerade aus dem für Haeckel und seinen Anhang so zentralen Entwicklungsgedanken. Denn eine „Entwickelung“ des „möglichst Komplizierten“ aus dem „möglichst Einfachen“ könne es „niemals“ geben. Also lasse sich Evolution „nicht ohne Zuführung neuer Kräfte auf Grund göttlicher Schöpferbetätigung“ denken!1073 Der wie sein großer Namensvetter in Königsberg geborene Neutestamentler gab sich auch außer­ halb der Kepler­Runde alle apologetische Mühe, um als „Geister­Hoffmann“ den verwaisten Platz des „Gespenster­Hoffmann“ einzunehmen. Schon in seiner Antrittsvorlesung unter dem in ganz andere Richtung weisenden Titel ‚Was versteht man unter wissenschaftlicher Bibelforschung?‘ (1897) war Hoffmann von den relativierenden Konsequenzen religionshistorischer Textkritik für den Glauben auf die „Möglichkeit von Wundern“ zu sprechen gekommen. „Wunder“ könne der Historiker weder kritisch bestätigen noch destruieren, was auch dem unvollkommenen Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse entspreche. Da es sich somit vor allem für das zentrale Wunder, die Auferstehung Chri­ sti, lediglich um „wissenschaftlich noch nicht gelöste Probleme“ handelte,1074 schien es Hoffmann legitim, Anleihen bei den sich vor dem Ersten Weltkrieg rasch ausbreitenden Spiritisten­Zirkeln und ihrer „Wissenschaft vom Übersinnlichen“ zu machen. Im Kreis der Kant­Freunde referierte er daher auffällig wohlwollend über den vom Alleszermalmer abgefertigen „Geisterseher“ Swedenborg.1075 Und die erste größere Publikation nach seiner Berufung an die Wiener Universität entschlüsselte ‚Das Ge­ heimnis der Auferstehung Jesu‘ nahezu bedenkenlos mit spiritistischen Spekulationen über „körper­

Ders. 1910, bes. S. 73–76 sowie ders. 1913a, S. 15, auf das „subjektive Erlebnis“ pochend; auch wenn es nur ein „unvollkommenes Durchdrungensein“ vom „Absoluten“ der Gottesoffenbarung in Jesus Christus sei, so zeige sich der Glaube darin „moderner“, „tiefer und wahrer“ als in der rationaleren Fassung der überkommenen theolo­ gischen Doktrin, derzufolge Jesus als der gottmenschliche Mittler stellvertretend für den Menschen Schuld auf sich genommen hat, leiden mußte, aber auch „erlöst“ wurde. Hier komme das protestantische Dogma der mittelalter­ lichen Gesetzesreligion gefährlich nahe, da der Christ an diese „Erlösungslehre“ nur „glauben“ müsse, sie aber nicht „innerlich“, „persönlich“ erfahre, so daß sich „von innen heraus“ keine „Umwandlung“ vollziehe (1913a, S. 8–10). 1071 Ders. 1913b, S. 195. 1072 Ders. 1913b, S. 200, 204. 1073 R. A. Hoffmann 1910, S. 104, 106. – Hoffmanns Vortrag fand am 19. 10. 1909 statt, vgl. den Bericht in: Unsere Welt 2, 1910, Heft 1, Anhang nach S. 48, unpag. Zum Kepler­Bund in Königsberg vgl. unten Kap. 6. 1074 R. A. Hoffmann 1897, S. 16–18. 1075 Vgl. seine „Bohnenrede“, R. A. Hoffmann 1909. 1070

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liche Neustoffbildung“ und vermeintliche „Kundgebungen Verstorbener“.1076 Wenig erstaunlich war es, wenn Hoffmann gleichzeitig die lebenspraktische Relevanz der christlichen Lehre im Ratschlag verdichtet, sich nicht in den „Verhältnissen dieser Welt“ einzurichten. Damit bestritt er der „modernen Sozialdemokratie“ und dem „gegenwärtigen Kommunismus“ jedes Recht, Jesus zu vereinnahmen. Der Erlöser sei gewiß ein „Feind des Kapitalismus“ gewesen, aber anders als die Marxisten habe er nieman­ dem einen „behaglichen Lebensgenuß“ im Diesseits verschaffen wollen.1077 Weniger von den naturwissenschaftlich basierten „Weltbildern“ als von den weltanschaulichen Konsequenzen, wie sie die von Hoffmann dann doch nicht ernst genommene historisch­kritische Forschung nahelegte, sahen sich die Alttestamentler zur öffentlicher Stellungnahme herausgefordert. Im Vergleich mit ihrem auf Textexegese und ­kritik konzentrierten Vorgänger Cornill, der freilich gerade „gebildeten Laien“ gern den „israelitischen Prophetismus“ anpries als „eine der großartigsten Erscheinungen, welche die Geschichte der Menschheit aufzuweisen hat“,1078 wagten die Alttestament­ ler Giesebrecht und Löhr sich wieder stärker in weltanschaulich umkämpfte Gefilde. Das entsprach dem Zug der Zeit in ihrem Fach, da seit der Jahrhundertwende zur Diskussion stand, ob die alttesta­ mentliche Wissenschaft sich, gestützt auf die inzwischen so perfektionierten philologischen Methoden, als strenge „Religionswissenschaft“ selbstgenügsam auf die Rekonstruktion der Religionsgeschichte Israels eingrenzen sollte, oder ob der ganze Aufwand nicht doch dazu dienen müßte, die „Realität der göttlichen Einwirkung“, die göttliche Offenbarung in der Geschichte Israels, das „Übergeschichtliche“ im „Geschichtlichen“ zu erfassen und zu vermitteln, mithin die eigentlich theologische Fragestellung gegenüber dem neutralisierenden, relativistischen Historismus zurückzugewinnen.1079 Der hochkonservative, „in Ehrfurcht vor Bismarcks Heldengröße“ erzogene, bereits Naumanns liberaler Bewegung „mit ihren demokratischen Zielen fremd gegenüber“ stehende Privatdozent Procksch, kirchenpolitisch sich als „Lutheraner“ rechts von der ihm als „überwiegend mittelparteilich gerichtet“ geltenden Fakultätsmehrheit einordnend, trat als eifriger Verfechter dieser theologischen, „pneumatischen“ Auslegung des AT erst während seiner Greifswalder Zeit hervor.1080 Aber sein För­ derer Giesebrecht, „das Bild eines kerndeutschen Mannes, von altpreußischen Idealen erfüllt und von tiefer Frömmigkeit“,1081 wollte als Publizist und als auch in der ostpreußischen Provinz äußerst reger Ders. 1921a, S. 72–144; das Werk ist im Verlag von Oswald Mutze in Leipzig erschienen, der sich auf „See­ lenwanderung“, „Okkultismus“ und „Spiritismus“ spezialisiert hatte. 1077 R. A. Hoffmann 1921b, S. 49. 1078 So in der seit 1891 in einem Dutzend Auflagen verbreiteten Vortragsfolge über den isr. Prophetismus, hier zit. Cornill 1894, S. III. Insgesamt trat bei Cornill die eigentlich religiöse Dimension der isr. Religionsgeschichte aber zurück hinter der Verklärung ihres „geistigen“, d. h. ethischen Gehalts, vgl. ebd. S. 176 f. sowie ders. 1888, S. 15 zur „hohen Vergeistigung des Gottesbegriffes und daraus sich ergebend eine hohe Vergeistigung des Ethos“ und ders. 1898, S. 1 ff. 1079 Zur Lage des Faches um 1900 vgl. Kraus 1969, S. 380 f. 1080 Procksch 1926, S. 167 f. – Der „nationale Untergang“, 1917/18 nach seinem Urteil herbeigeführt, weil sich „die Demokratie [die Mehrheit der Reichstagsparteien] mit den internationalen Mächten“ verbündete (ebd.), konnte Prockschs politisches Weltbild selbstverständlich nur befestigen. Walther v. Loewenich weiß aus seiner Er­ langer Studienzeit zu berichten, daß der Alttestamentler Monarchist war und unbeirrbar geblieben sei, er sich mit der Weimarer Republik „nicht befreunden“ konnte und regelmäßig am 27. Januar, Kaiser Wilhelms II. Geburtstag, seines „ ‚hohen Herrn‘ “, im Kolleg gedachte (1979, S. 123). Als „letzter erklärter Monarchist“, dessen „Kaiserge­ burtstagsreden im Kolleg universitätsbekannt“ gewesen seien, wird ihm auch in W. Trillhaas’ Erinnerungen ein Platz eingeräumt (1976, S. 84). Ungeachtet aller politischen Differenzen sind v. Loewenich und Trillhaas jedoch voller Bewunderung für den Gelehrten, voller Hochachtung gegenüber dem Menschen Procksch. 1081 So über ihn Procksch 1926, S. 177. Der im thüringischen Eisenberg geborene Procksch, für den das preu­ ßische „Ostseegebiet für ein Vierteljahrhundert meine neue Heimat“ geworden war, liefert hiermit zugleich ein Stück Selbstcharakteristik. Nicht von ungefähr schlägt er dann sogar alldeutsche Töne an, wenn er die spezifische Aufgabe Ostpreußens für die „Machterstarkung des Deutschtums im Osten“ kurz fixiert, für die die Hohenzollern 1076

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Vortragsredner dem „Übergeschichtlichen“ des AT Bahn brechen. Die „schnödesten Angriffe“ der Berliner Assyriologen Friedrich Delitzsch und Hugo Winckler auf den „Geist“ der Jahve­Religion, die für sie wesentlich von der sittlich höherstehenden babylonischen Religion und Kultur geprägt wurde,1082 boten ihm willkommenen Anlaß, die singuläre Bedeutung des „ethischen Monotheismus“ der prophetischen „Heroen“ ebenso couragiert zu verteidigen wie das AT insgesamt als „völlig selb­ ständige“ Quelle göttlicher Offenbarung: „Der eigentliche Kern der mosaischen Religion ruht, we­ nigstens für mich, auf Offenbarung […]“. Die „babylonische Cultur“, mit ihrer so „minderwerthigen Religion“, sei gewiß nicht das Milieu, aus dem man das Werk des Moses erklären könne.1083 Daß sich im AT die „Selbstmitteilung Gottes“ vollzieht, verkündet von „Offenbarungsmittlern“ wie den prophetischen „Glaubenshelden“, und daß Gott das jüdische Volk als „Stätte göttlicher Offenbarung“ wählt, bekräftigt Giesebrecht als eine Art Vermächtnis kurz vor seinem Tod noch in einer „Sammlung wissenschaftlich­gemeinverständlicher Darstellungen“.1084 Fritz Wilke, sein kurzzeitiger Stellvertreter, trat den „Panbabylon“­Propagandisten noch 1908/09, als die öffentliche Diskussion bereits abebbte, in scharfen Rezensionen ihrer Flugschriften entgegen.1085 Löhr, als Lagarde­Schüler durchaus „Textkritiker“ und insoweit in Königsberg die von Cornill, der ihn 1890 habilitierte,1086 und Giesebrecht stabilisierte Wellhausen­Linie fortsetzend, bekannte sich während seiner Breslauer Zeit freimütig zum „Offenbarungscharakter der alttestamentlichen Re­ ligion“: „Wir sehen in der alttestamentlichen Religion die Vorstufe für die Offenbarung Gottes in Jesu Christo. Von den ältesten Zeiten an, von denen das Alte Testament Kunde gibt, vollzieht sich nach unserer Betrachtung der Dinge eine beständige Selbstmitteilung Gottes an auserwählte Persön­ lichkeiten […]“. Wir müßten uns nur „entschließen“, in den „Daten“ der at. Religionsgeschichte „ein Wirken Gottes in der Geschichte“ anzuerkennen, „bestimmt zu einer göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts“.1087 Da in dieser Wertung die Geschichte Israels auf das Evangelium zuführt, der Weg von Moses zu Christus geht, bleibt für Löhr, anders als zu gleichen Zeit für Harnack, das AT durch „nationale Siedlungspolitik“ die besten Voraussetzungen geschaffen hätten: „Machtentfaltung und Behaup­ tung des Bodens, der in jahrhundertelanger Friedensarbeit der Barbarei entrissen wurde, ist ein Grundgebot natio­ naler Sittlichkeit. Diese nationale Sittlichkeit ist wie jede Sittlichkeit Hingabe an das Ganze […]“ (ebd., S. 167, 177). 1082 Delitzsch 1902; dies der Vortrag vor der Deutschen Orientgesellschaft am 13. 1. 1902 in Berlin, in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. Delitzsch löste damit den sog. „Babel und Bibel“­Streit aus, der eine Flut von Streitschriften provozierte und, obwohl Delitzschs These von der kulturellen Dominanz Babels sowie der „Panbabylonismus“ seines Kollegen Winckler sich nicht gegen die Kritikerfront der Hebraisten und Alttestamentler halten konnten, führten die Polemiken einem breiten Publikum doch die relativistischen Konsequenzen historischer Forschung in vorher nie erlebter Wucht vor Augen, da sich an der assyriologisch vorangetriebenen „Einbettung“ Israels in den Zusammenhang der gesamten altorientalischen Kulturgeschichte nichts abhandeln ließ, so daß gerade die biblisch vermittelte Exklusivität der Geschichte Israels und seiner Gottesbeziehung ins Wanken geriet. 1083 Giesebrecht 1903, S.15, 19, 25; dort bes. in der „Vorbemerkung“ zornige Ausfälle gegen Delitzsch und Winckler, mit denen er in Tilsit, Allenstein und Königsberg vor praktischen Theologen und Laien offenbar nicht zurückgehalten hatte (S. 1 – 14). 1084 Giesebrecht 1908, S. 4 f. 1085 Wilke 1907b+c, 1908a +b, 1909, 1911. 1086 Mit einer schmalen Einleitung zu einer kommentierten Ausgabe der Klagelieder des Jeremias erwarb er im SS. 1890 die Königsberger Licentiatenwürde, beides zusammen genügte dann für die Habilitation, Löhr 1891. 1087 Löhr 1906a, S. 8 f. – Von Wilke 1908b, der Löhrs Wellenhausen­Abhängigkeit betont, schon deshalb kritisch notiert, weil Löhr zwar mit so großer „Entschiedenheit“ den Offenbarungscharakter des AT herausstreiche, zu­ gleich aber wie sein Meister historisch­kritisch nach den Anfängen der mosaischen Religion in der Naturreligion der Stämme Israels suche. Distanziert auch zu Einlassungen des kath. Breslauer Theologen J. Nikel, der am Inspira­ tionsdogma festhalte und eine Synthese anstrebe, wonach übernatürliche und natürliche Kräfte die „Entwicklung“ der Religion Israels bestimmt hätten (Wilke 1908c+d).

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natürlich Grundlage des protestantischen Glaubens und der Kirche Luthers.1088 Hieran ändert sich bei Löhr bis zu seiner Emeritierung 1929 nichts, und in diesem Punkt wahrt auch sein Nachfolger Martin Noth Kontinuität, der deshalb nach 1933 keinen deutsch­christlichen Versuchungen zur „Abspren­ gung“ des „jüdischen“ AT vom vorgeblich „arischen“ NT erlag.1089 Anders steht es bei Löhr um den „Offenbarungscharakter“. Davon ist nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr die Rede, auf die „heilsgeschichtliche“ Bedeutung des AT scheint es ihm nicht mehr an­ zukommen, ja, von ihr, als einem „dogmatischen Gesichtspunkt“, wolle er für die „wissenschaftliche Darstellung schlechterdings absehen“.1090 Wie Cornill identifizierte Löhr den religiösen Gehalt des AT seit Beginn seiner Königsberger Lehr­ tätigkeit mit dem aktualisierbaren ethischen Potential. Seine Aufmerksamkeit galt daher verstärkt der „Kulturentwicklung“ Israels.1091 Über die übliche Wertschätzung für den vergeistigten Gottesbegriff und den „ethischen Monotheismus“ hinaus, wie er Giesebrecht so imponierte, schien Löhr das gesell­ schaftliche Leitbild des „sozialen Individualismus“, an dem die vorexilischen Propheten sich orientiert hätten, weiterhin als verpflichtend empfehlen zu wollen. Im Gegensatz zur Ansicht einer Koryphäe wie Bernhard Stade, für den es nur eine Beziehung Jahves zum Kollektiv des Volkes Israel gab, bezeugte nach Löhrs Befund gerade das nach der Landnahme in Kanaan in den „at.lichen Quellen“ wenig­ stens rudimentär nachweisbare „lebendige sittliche Verhältnis des Einzelnen zu Jahve“ die moralische Modernität dieser Religion – als Folge der „umfassenden sozialen Differenzierung des Volkes“ seit 900 v. Chr.1092 Als Kehrseite der positiv gewerteten Herausbildung religiöser Individualität, die aber noch Halt mache vor „jüdische[m] Gemeindevorurteil und der Gesetzes­Frömmigkeit“,1093 registrierte er jedoch einen ökonomischen Individualismus, einen Egoismus des „rücksichtslosen Erwerbssinns“, den Löhr ungeniert mit dem sozialkritischen Vokabular des 20. Jahrhunderts als Menetekel einer den „Mittelstand“ und damit das „gesunde Volksleben“ vernichtenden, die „Proletarisierung“ begünsti­ genden Entwicklung zur Plutokratie beschreibt. Diesen Abfall vom idealisierten „Gemeinsinn“ der Nomadenzeit, verursachte für Löhr Israels „rapiden äußeren und inneren Niedergang“, gegen den sich die sozialreformerisch motivierten vorexilischen Propheten vergebens gestemmt hätten.1094 Hermann Jacoby, noch über die Emeritierung (1910) hinaus aktiv, war als Vertreter der prak­ tischen Theologie am nächsten dran am Zeitgeistwandel, da er die künftigen Geistlichen auf die harte, seit 1890 durch kein staatliches Verbot mehr gemilderte Weltanschauungskonkurrenz mit der Sozial­ demokratie vorbereiten mußte. Abgesehen vom Staatsrechtler Zorn bezog der Konsistorialrat daher auch die politisch deutlichste Position gegen die „Socialdemokratie“, die er bezichtigte, die „religiösen und sittlichen Grundlagen unserer christlichen Gesellschaftsordnung“ zu untergraben.1095 Der von der SPD verheißene „Zukunftsstaat“ würde nach seiner Überzeugung in „Barbarei“ enden, da eine

Löhr 1906a, S. 114; vgl. zu Harnack: Kraus 1969, S. 386. Dazu ausführlich Bd. II. 1090 So in der 2. Auflage, Löhr 1919, S. 10 und in der nochmals umgearb. Neuaufl., ders. 1930. 1091 Löhr 1911a. – Albrecht Alt lobt die gelungene „Erfassung der Kulturverhältnisse“, die dem „Bibelleser“ un­ entbehrliche Anschauung biete (Löhr 1911b). Zuvor hatte der Greifswalder Alttestamentler Samuel Oettli anhand von Löhr 1907 dessen Talent zu populärer Vermittlung des „Volkslebens im Lande der Bibel“ gelobt („gewandt, lebendig, farbig“, Löhr 1908d). 1092 Löhr 1906b, S. 20 f. 1093 Ebd., S. 36. 1094 Ders. 1911, S. 89–105. 1095 Jacoby 1893, S. 367 f. Dieser Text, der politisch freimütigste aus Jacobys Feder, erschien in den Deutsch­evange­ lischen Blättern, der Zeitschrift für den gesammten Bereich des deutschen Protestantismus, hg. von Willibald Beyschlag „in Verbindung mit“ u. a. A. Dorner sen., dem Hallenser Universitätskurator und einstigen Königsberger Schulrat Wilhelm Schrader sowie dem Herrenhaus­Mitglied Paul Yorck von Wartenburg, dem Freund Diltheys. 1088

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„Weltanschauung des Atheismus und Materialismus“, die ausschließlich den „Idealen des Diesseits“ verhaftet sei, nur die „Hoffnungslosigkeit der Genußsucht“, nur „sinnliche[s] Wohlleben“ biete.1096 Jacoby sah den Feind auf vielen Feldern und in vielen Verkleidungen heranrücken. Vornehmlich Bildung, Schule und Erziehung wählte er, um Dämme gegen diese rote Flut aufzuschütten. In der Bedrohung des Humanistischen Gymnasiums, wie sie sich in Plänen preußischer Bildungspolitiker abzeichnete, diese Schulform mit dem Realgymnasium zum „Einheitsgymnasium“ zusammenzulegen, erkannte Jacoby eine unnötige Räumung bürgerlicher Machtpositionen. Denn nur das Humanistische Gymnasium vermittle einen verbindlichen Kanon des Wissens, stifte für eine Elite, die in überlieferte „Ordnungen des gesellschaftlichen, kirchlichen und staatlichen Lebens“, des „Gewordenen“, hineiner­ zogen werde, „Einheit in der höheren Bildung“. Werde der Kanon jedoch mit der schulischen Instanz, die ihn tradiere, preisgegeben zugunsten von „oberflächlicher Vielseitigkeit der Bildung“ im „Ein­ heitsgymnasium“, begrenze dies die Chance zur Erziehung einer homogenen Bildungselite. Folglich entstünde kein Zentrum, von dem aus die ideelle Integration auch „nach unten“ sozial harmonisierend wirken könne.1097 Daß sich erziehungspolitisch aber zugleich auch „unten“ ansetzen lasse, führt Jacoby in seiner Aufgabenstellung für die Volksschule vor. Um die „Socialdemokratie […] voll und ganz bekämpfen“ zu können, und die Schüler gegen deren „Lügenprophetie“ zu impfen, müßte in ihre Herzen die „Ge­ wißheit des Glaubens“ gepflanzt werden, ohne daß der Theologe für eine Forcierung des Religions­ unterrichts eintrat, um dem Nachwuchs „Grundwahrheiten des Glaubens“ und der „Liebe“ ein­ zutrichtern.1098 Denn stärkere Beeinflußung schien ihm der Geschichtsunterricht zu versprechen. Dort lasse sich zeigen, wie gerade die Hohenzollernmonarchie alles täte, um die „belasteten und gedrückten Klassen des Volkes von den auf ihnen ruhenden Lasten nach Maßgabe der Verhältnisse zu befreien“1099. Die preußischen Könige seien von jeher die „Schützer und Anwälte der Bedrückten“ gewesen, und Wilhelm II. habe „durch seine Fürsorge für den vierten Stand“ diese soziale Politik fortgesetzt. Preu­ ßens Herrscherhaus arbeite mithin an der Heraufkunft des Gottesreiches, das die „Reichsgenossen“ durch „Glaube und Liebe“ verbinde, während die Unterschicht von den auf das Diesseits orientierten Weltanschauungen „keine Förderung“ zu erwarten hätte, weder von liberal­kapitalistischen, sozialdar­ winistischen Ideologen des „Kampfes ums Dasein“ noch von Sozialdemokraten, deren Zukunftsstaat vielleicht alle materiellen Bedürfnisse befriedige, gewiß aber eine „Welt ohne Liebe“ schaffen werde. Ganz anders das christlichen Idealen gehorchende soziale Königtum der Hohenzollern. Sie gestalteten eine menschenwürdige Gesellschaftsordnung, weil die Maßstäbe ihres Handelns, wie das christliche Liebesgebot, jenseits der sichtbaren Welt lägen.

Ebd., S. 371. Ebd., S. 363: Jacoby argumentiert hier recht widersprüchlich. Es geht ihm primär darum, die „Einheit in der höheren Bildung“ für eine Elite gegen die „Einheitsschule“ zu sichern. Trotzdem meint er, daß mit der Abschaf­ fung des hum. Gymnasiums auch das „Gemeingut des Volks“, das „alle seine Glieder zu innerer Gemeinschaft“ verbinde, verloren ginge. Was wiederum mit der sofort anschließenden Vorstellung kollidiert, erst aus der Verschie­ denheit der „Bildungsarten“ entstünde ein „einheitliche[r] Organismus“. Ohne Differenz gäbe es keine Einheit, da der Zusammenschluß aus „gegenseitiger Ergänzung“ erwachse. – Früh zur Bildungspolitik Jacoby 1871b, die ‚Grenzen der weiblichen Bildung‘ aufzeigend. Ähnlich wie Dorner „Emanzipation“ nur als eine schlecht bemän­ telte kapitalistische Phrase begreifend, um Frauen für den Arbeitsmarkt zu mobilisieren, sprach sich Jacoby da­ gegen aus, die Weiblichkeit aus der häuslichen Sphäre zu lösen und sie den „Konflikten des öffentlichen Lebens“ oder Tätigkeiten auszusetzen, die ihr „größere anhaltende Anstrengungen des Körpers“ zumuten würden. Folglich durfte Jacoby guten Gewissens trösten: „Die Schranken, die wir aufrichten, fesseln nicht, sondern schützen den weiblichen Genius.“ (ebd., S. 19). 1098 Jacoby 1893, S. 368. 1099 Ebd., S. 375 f. 1096

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Allein auf die schulisch aufbereitete preußische Herrschergeschichte als „Quelle sittlich bildender Kräfte“1100 mochte Jacoby am Ende dann aber nicht vertrauen. War doch die Familie eine mindestens gleichbedeutende erzieherische Instanz. Daß indes der durchschnittliche preußische Arbeiterhaushalt es mit Volksschule und Gymnasium als „Pflegestätten des christlichen Idealismus“ aufnehmen könnte, glaubte nicht einmal der von pädagogischem Optimismus beflügelte Jacoby. „Versittlichendes Famili­ enleben“ finde in engen Mietskasernen nicht statt. Darum: „Der wichtigste Schritt zur Ueberwindung der Socialdemokratie ist die Errichtung von Arbeiter­Häusern, die dem Arbeiter ein einfaches, aber befriedigendes Heim gewähren.“1101 Sozialer Wohnungsbau und dazu Eigentums­ und Vermögensbil­ dung in Arbeiterhand, so umschrieb der Theologe den reformerischen Ausweg aus dem von „social­ demokratischen Irrlehren“ geschürten „Klassenkampf“. Verglichen mit der Energie, die Jacoby, der hierzu in den 1880er und 1890er Jahren viel in provinziellen theologischen Blättern publizierte,1102 in Vorschläge zur Lösung der „sozialen Frage“ fließen ließ, verblassen seine Auseinandersetzungen mit anderen Feinden der christlichen Religion. Weder den Pessimismus Schopenhauers und Eduard von Hartmanns noch die nicht sozialistisch transformierten Materialismen diverser Ideologien der „Genießlinge“, die alle die einzig menschenwürdige „Richtung unseres inneren Lebens auf das Ewige“ samt „unzerstörbarer Gewißheit“ über das uns erwartende „ewige Leben“ verneinen, hielt Jacoby, der Ostpreußens angehende Pastoren in seinen Lehrveranstaltungen sehr intensiv mit der „socialen Frage“ vertraut machte,1103 für annähernd so gefährlich wie Bebels Arbeiterpartei, die alle „Werthe des menschlichen Lebens bedroht“.1104 Erwartete Jacoby alles Unheil für Kirche und Staat von der Arbeiterbewegung, starrte der von Philipp Zorn so verachtete „Hetzkaplan“ Benrath, offenbar für sein Gelehrtenleben nachhaltig geprägt durch Bismarcks Kulturkampf, unverwandt nach Rom. Soweit wie der sich in Königsberg meistens unwohl fühlende Rheinländer sich mit der Kirchengeschichte seiner Zwangsheimat befasste, etwa in einer Festschrift für den ostpreußischen Zweig des Gustav­Adolf­Vereins oder im Blick auf die jesui­ tisch aufgerüstete Gegenreformation im Ermland: stets sind es römische Machinationen, die ihn zur „Abwehr“ motivieren.1105 Auch als Rektor der Albertina wollte Benrath es sich daher nicht versagen, „gegen Rom“ vom Leder zu ziehen und das Auditorium in die verwerfliche Art „falscher“ katholischer Dogmenbildung einzuweihen, die leider zu viele „getrübte oder irregeleitete religiöse Bedürfnis[se]“ befriedige. Als „Aufklärer“ wie als „Kulturkämpfer“ richte man dagegen wenig aus, aber als „religiöser Reformator“, der wie Luther der „heilsverlangenden Seele“ den „direkten Weg zum Vater“ eröffne, in der allein selig machenden „Rechtfertigung durch den Glauben“1106.

Ebd., S. 376. Ebd., S. 372 f. 1102 Vgl. s. Rez. zu Thiele, Anm. 974. 1103 Vgl. AUK­Chronik 1890 ff., etwa im SS. 1893 u. WS. 1893/94 im Rahmen einer Übung über „Gegenstände der innern Mission“ Referate über Oldenberg, ,Ziele der deutschen Socialdemokratie‘ und v. Nathusius, ,Die Mit­ arbeit der Kirche an der Lösung der socialen Frage‘, fortgesetzt 1894, 1894/95; 1895/96 ließ er v. d. Goltz, ‚Die Aufgaben der Kirche gegenüber dem Arbeiterstand in Stadt und Land‘ behandeln. 1104 Ders. 1895, S. 653; vgl. a. ders. 1890. 1105 Vgl. nur Benrath 1894 und ders. 1899. In der GAV­Festschrift registriert Benrath mit großer Sorge, daß die katholische Kirche in den dem Ermland benachbarten Landkreisen an Boden gewinne. Seit 1879 werde man in Ostpreußen mit dem „gesteigerten aggressiven Geist des Katholizismus“ konfrontiert, und ausgerechnet in Kö­ nigsberg sei es 1893 zu einer „Kriegserklärung“ an die protestantische Mehrheit der Stadt gekommen, als in der Ziegelstraße (unweit der kath. Kirche im Sackheim) der Bau eines großen kath. Krankenhauses begonnen worden sei (Elisabeth KHS, 1894 eröffnet) (Benrath 1894, S. 104–109). – Unter den wenigen Dissertationen, die bei Benrath entstanden, ist es die von Schulze mitbetreute Arbeit Bruno Elsners ‚Der ermländische Bischof Stanislaus Hosius als Polemiker‘ (1909), die einem Motor der Gegenreformation im Preußenland gewidmet ist. 1106 Ders. 1903, S. 374 f. 1100

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Weniger publizistisch als organisatorisch scheint sich der mit dem schwierigen Benrath vom ersten Tag an harmonierende Extraordinarius Achelis verdient gemacht zu haben.1107 Nach eigener Einschät­ zung kein Freund von Zank und Streit, und zumeist versunken in zeitraubende Quellenstudien zur Geschichte der Alten Kirche, habe er doch das Bedürfnis gefühlt, sich „praktisch zu betätigen“. Und so sei er zum Schriftführer der ostpreußischen Landesgruppe des Evangelischen Bundes avanciert. Dem dafür nötigen antirömischen Affekt ließ der norddeutsch­kühle Achelis aber offenbar selten freien Lauf. Nur einem Studienfreund gestand er, daß ihn die Mitarbeit am Ev. Bund gereizt hätte, weil dieser einerseits endlich aus der Defensive herausgekommen sei und in Österreich schöne Erfolge der Evangelisation erziele, andererseits im Reich unter Druck der „Ultramontanen“ und „Jesuiten“ stehe. Das „Volk“, von der politischen Führung, bis hinauf zum Reichskanzler, im Stich gelassen, so daß die Zentrumspartei nun durchsetze, was immer sie wolle, müsse daher wenigstens durch den Ev. Bund vor den „Gefahren“ der katholischen Kirche bewahrt werden. Im Deutschen Reich sei der Papst ja in­ zwischen die „ausschlaggebende Macht im Staat“, was nicht zuletzt an der mangelhaften Orientierung „unserer Staatsmänner“ über Wesen und Ziele des Katholizismus liege.1108

4.2.

Die Juristische Fakultät

4.2.1. Berufungen und Habilitationen im Zivilrecht Zu Beginn des 20. Jahrhunderts meldeten die Juristen erstmals nach langer Durststrecke wieder stei­ gende Studentenzahlen. Seit dem 1. Januar 1900 regelte und vereinheitlichte das Bürgerliche Gesetz­ buch das deutsche Zivilrecht. Folglich entsprach das Römische Recht auch an der Albertina immer weniger den Ausbildungsbedürfnissen. Der überalterte Lehrkörper wurde den neuen Erfordernissen gemäß ersetzt. Als der krebskranke Romanist Salkowski 1899 starb, trat der ursprünglich einmal für die Offizierslaufbahn erzogene Absolvent der Lichterfelder Kadettenanstalt, der junge Rostocker Ordi­ narius Wilhelm von Blume, Sohn eines preußischen Generals und bekannten Militärtheoretikers, an seine Stelle, der Fakultät imponierend durch „sein energisches Eintreten für die moderne Methode des Studiums“.1109 Und als zwei Semester später der von seinen Kollegen als „der letzte Pandektist“ verabschiedete Romanist Schirmer, der sich nicht mehr auf das Bürgerliche Gesetzbuch umstellen

Achelis trat sein Amt zum 1. April 1901 an. Im Mai 1901 „durchstreifte“ er mit Benrath mehrere Tage das Samland, eine „wundervolle Reise, die sich mir tief eingeprägt hat“ (SBB, Nl. Könnecke/Tl. Boette; Brief an den Göttinger Studienfreund, den hessischen Pastor Werner Boette v. 2. 6. 1901). In den nächsten Jahren ist in den zahlreichen Briefen Achelis’ an Boette nie auch die Andeutung einer Animosität zwischen den beiden Kir­ chenhistorikern zu finden. Ihre samländische Wanderung scheint ein dauerhaft gutes Verhältnis begründet zu haben, und Achelis, bis 1908 allsommerlich mit Familie in einem Ferienhaus am Strand von Neukuhren, nahm das Landschaftserlebnis so nachhaltig für seinen neuen Wirkungsort ein, daß er sich fortan der „Mode“, sich aus Ostpreußen wegzuwünschen (was Ecke, Cornill und Tschackert im nachhinein sehr bedauert hätten), widersetzte: „Es vergeht kein Tag, an welchem ich solche Leute [die „weg von hier um jeden Preis!“ propagierten] nicht spreche. Ich pflege regelmäßig zu widersprechen. Stadt und Land haben so viele angenehme Seiten, daß man gut sein Leben hier verbringen kann“ (an Boette v. 6. 12. 1903). Später hieß es gar: „Ich fühle mich in meinem Amt sehr wohl und segne den Tag, der mich nach Ostpreußen führte“ (an Boette v. 23. 10. 1906). Nur die „eingeengte Wirksamkeit“ als Extraordinarius, der nicht Mitglied der theol. Prüfungskommssion war, ließ ihn ein „größeres Arbeitsfeld“ wünschen (an Boette v. 6. 3. 1903 über eine gescheiterte Berufung nach Breslau, wo er primo loco gestanden habe, vom PrMK aber übergangen worden sei). 1108 SBB, Nl. Könnecke/Tl. Boette; Achelis an Boette v. 6. 3. 1903. 1109 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, Bl. 23; Vorschlagsliste Nf. Salkowski v. 21. 12. 1899 (zwei Tage nach dessen Beisetzung!). 1107

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mochte, mit 75 Jahren seine Entpflichtung beantragte,1110 rückte der ohnehin nicht mehr ausschließ­ lich Römisches Recht lehrende von Blume auf dieses Ordinariat,1111 während das Ministerium den ehemaligen Salkowski­Lehrstuhl zum staatsrechtlichen Extraordinariat herabstufte und für den unge­ duldig auf Verbeamtung drängenden Hubrich zum SS. 1901 zur Verfügung stellte.1112 Für den zum SS. 1902 nach München berufenen Gareis schickte Althoff nicht, wie von der Fakultät dringend gewünscht, dessen Gießener Nachfolger (auch in dessen politischer Funktion als Universitätsvertreter in der I. Kammer der Landstände) Arthur B. Schmidt, sondern den erst 34jährigen Berliner Extra­ ordinarius Ernst Heymann,1113 einen Breslauer Schüler Felix Dahns, der in seiner kurzen Amtszeit (1902–1904) den enzyklopädischen Zuschnitt, den der Lehrauftrag zu Zeiten seines Vorgängers hatte, rechtshistorisch­germanistisch und zivilrechtlich verengte, eine Entwicklung, die die Wahl seines zum SS. 1904 berufenen Nachfolgers befestigte, des nur rechtshistorisch ausgewiesenen, vor allem mit einer sich jedes „Werturteils“ enthaltenden, nicht einmal ein Resümee wagenden Monographie über ‚Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter‘ bekannt gewordenen Rudolf His.1114 Auch His, in Heidelberg 1896 habilitiert und dort nb. ao. Professor, kein Senkrechtstarter wie Heymann, der mit 28 Jahren beamteter Extraordinarius in Breslau war, kam gegen den Willen der Fakultät, die erneut Arthur B. Schmidt primo loco präsentierte, nach Königsberg.1115 Vgl. die Glückwunschadresse, die Güterbock, Gareis, Zorn, Gradenwitz und v. Blume ihrer schmalen Schir­ mer­Festgabe voranstellen, [Schirmer] 1900. 1111 In seiner Tübinger Zeit wandte v. Blume sich immer mehr dem Staatsrecht zu, öffnete sich den Selbstverwal­ tungsidealen von Hugo Preuß, verteidigte 1917 in einer Rektoratsrede aber den deutschen „Dualismus von Mo­ narchie und Demokratie“, die „unparteiische monarchische Regierung“, die allein in der Lage sei, dem „Ansturm der wirtschaftlichen Interessen“ standzuhalten und sozial ausgleichend zu wirken, ja (indirekt) brach er sogar eine Lanze für das preußische Dreiklassenwahlrecht, gegen „radikale Neuerer“ und „politischen Radikalismus“ (1917, S. 18, 23 f.), rückte 1919 jedoch weiter nach links und trat in die DDP ein. 1112 1900 hatte sich Hubrichs Berufung nach Halle zerschlagen, weil das PrMK dem Gerücht Glauben geschenkt hatte, gegen ihn seien „disziplinrechtliche Ermittlungen der Justizbehörde“ eingeleitet worden. Als OLG­Präsident v. Plehwe dies dementierte, hatten sich Hubrichs Hallenser Aussichten bereits erledigt (GStA …, Nr. 19, Bd. V, Bl. 82–87, Schreiben von Elster, Dekan Schirmer und v. Plehwe, Jahreswende 1900/01). Wohl als Entschädigung für Halle erhielt er dann zum SS. 1901 ein plm. Königsberger Extraordinariat. 1113 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, Bl. 143–146; JurFak – PrMK v. 4. 2. 1902, Liste Nf. Ga­ reis: 1a. Arthur Benno Schmidt, Gießen (1861–1940), 1887 Habil. Leipzig Dt. Recht u. Kirchenrecht, 1889 Gießen (Nf. Gareis), 1897 Vertreter der Univ. in der I. Kammer der Landstände, 1900 Rektor, 1913 Tübingen, 1917/18 Rektor ebd., zahlreiche rechtspolitische Veröffentlichungen, u. a. 1901: Das Bürgerliche Gesetzbuch als Erzieher unseres Volkes, 1908: Neue Beiträge zum Austritt aus der Kirche. – 1b. Alfred Schultze (1864 Breslau), Habil. Breslau 1891, 1895 b. ao. Prof. Halle, 1896 Breslau, 1897 ord. Prof. Jena, 1904 Freiburg, ebd. 1914/15 Rektor, 1917 Leipzig, 1917 Domherr des Hochstiftes Meißen, Publikat. u. a. zur ‚Neuen Verfassung der säch­ sischen Landeskirche‘. – 2a. Ernst Heymann (1894 Prom. Breslau, 1896 Habil. ebd., 1898 b. ao. Prof. ebd., 1899 b. ao. Prof. FWU). – 2b. Alfred Ritter v. Wretschko (1869 Wien, 1898 Habil. Wien, b. ao. Prof. Innsbruck 1899, oö. Prof. ebd. 1902). Auch der Rostocker Handelsrechtler Karl Lehmann (1858–1919) wurde erwogen, aber als nicht in die Fakultät „passend“ verworfen. Den Königsberger OLG­Rat Habich als „Praktiker“ vorzuschlagen, fand keine Mehrheit, da dann die Deutsche Rechtsgeschichte nicht hinreichend abgedeckt sein würde. 1114 His 1901; die auf das ostfriesische Siedlungsgebiet beschränkte Arbeit bildete für den Verfasser den Einstieg in seine lebenslange Beschäftigung mit der Strafrechtsgeschichte des Mittelalters, die 1920 und 1935 in den zwei stattlichen Bänden eines heute noch als Standardwerk geltenden Versuchs einer Gesamtdarstellung einen Nieder­ schlag fand; daraus komprimiert sein dem kurzzeitigen Königsberger Kollegen Werminghoff gewidmeter Beitrag für das von v. Below, Meinecke und Brackmann hg. Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte: Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928. 1115 GStA …, Nr. 19, Bd. V, Bl. 202–204; Liste Nf. Heymann v. 20. 2. 1904: 1. A. B. Schmidt (Gießen). – 2. Max Pappenheim (1860–1934, Habil. Breslau 1884, 1888 ord. Prof. f. Deutsches u. Handelsrecht Kiel). – 3. gleichran­ gig: Georg Frommhold, 1860–1943, Habil. Breslau 1890, b. ao. Prof. Greifswald 1892, ord. Prof. ebd. 1894. – 1110

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Die Abkehr vom Römischen Recht spiegelt sich ebenso beim bescheidenen Ausbau der Fakul­ tät wider. Das erste neue Extraordinariat, das für Staats­ und Verwaltungsrecht, kostete Salkowskis Lehrstuhl. Das erste bewilligte zivilrechtliche Extraordinariat erhielt zum WS. 1902/03 der Breslauer Privatdozent Alfred Manigk (1902–1920), ein gebürtiger Ostpreuße, der als „halber Romanist“ an der Albertina wirken sollte, dessen Werdegang tatsächlich aber der ursprünglich beantragten Widmung („Deutsches Recht und Handelsrecht“) mehr entsprach.1116 Als Manigk 1904 nicht als Romanist, son­ dern ausdrücklich als deutschrechtlicher Zivilist zum Nachfolger des nach Halle berufenen von Blume aufstieg,1117 kam mit dem Göttinger Privatdozenten Paul Knoke wiederum ein Zivilist ins Amt, der im SS. 1904 als beauftragter Dozent gerufen worden war, um die Lücken zu schließen, die Blumes Weg­ gang im BGB­Angebot gerissen hatte.1118 Damit waren die deutschrechtlichen Ansprüche aber immer noch nicht befriedigt, zumal sich Knoke auf Manigks Posten wieder entschiedener dem Römischen Recht zuwandte. Ferner bewilligte das Finanzministerium, konfrontiert mit steigenden Studentenzahlen, zum SS. 1905 endlich das mehrfach beantragte zweite germanistische Extraordinariat. Das erhielt der rechts­ historisch mit dem ersten Teil einer ‚Geschichte des deutschen Deichrechts‘ auf den Plan getretene,1119 aber primär wohl wegen seines berühmten, in Berlin über die besten Verbindungen verfügenden Vaters bevorzugt für Königsberg ausersehene Göttinger Privatdozent Julius Gierke.1120 Er folgte 1908 dem R. His (Heidelberg, s. Catalogus) – Martin Wolff (1872–1953), Habil. FWU 1900, 1921 oö. Prof. ebd. – Unter den Jüngeren kämen noch in Frage: Julius Gierke (s. u.) und Herbert Meyer (1875–1941), 1903 Habil. Breslau, b. ao. Prof. Jena 1904, 1906 ord. Prof. Breslau, Schüler, Nachfolger und Biograph Felix Dahns. 1116 Ebd., Bl. 160; undat. Votum des Berliner Romanisten Theodor Kipp: Manigks ‚Das Anwendungsgebiet der Vorschriften für die Rechtsgeschäfte‘ beschäftige sich nahezu ausschließlich mit dem modernen Recht, daher könne man Vf. wohl kaum als Romanisten bezeichnen. Trotzdem erhielt der 1874 in Angerburg als Sohn eines Richters geb. Manigk zunächst einen mit 1.200 M höchst bescheiden dotierten LA, dann zum WS. 1902/03 das neue mit 2.000 auch nicht üppig bezahlte Extraordinariat (ebd., Bl. 182, Bestallung v. 13. 11. 1902 für Römisches und Dt. Bürgerliches Recht). Die Fakultät war bei der Auswahl Manigks nicht gefragt worden. Nach den guten Erfahrungen im SS. 1902 setzte sie sich aber für seine Berufung ein. 1117 Ebd., Bl. 255–257; JurFak – PrMK v. 11. 6. 1904, Liste Nf. v. Blume: 1. Alexander Leist (1862–1918), Gie­ ßen, galt als Fachmann für Vereinsrecht und kam als Romanist weniger in Betracht, rechtshistorisch sich auch mehr um die Neuzeit kümmernd, 1910: Privatrecht und Kapitalismus im 19. Jahrhundert. – 2. Manigk, s. Cata­ logus. – 3. Heinrich Titze, 1872–1945, 1900 Habil. Göttingen, 1902 ao. Prof. ebd., 1923 oö. Prof. FWU. 1118 Ebd., Bl. 233; Vereinbarung mit Knoke v. 23. 3. 1904 und ebd., Bl. 270; Vereinbarung über einen bezahl­ ten Lehrauftrag zum WS. 1904/05 v. 13. 8. 1904. Die Fakultät hatte Knoke auf ihrer Ersatzliste für Manigk am 16. 7. 1904 an erster Stelle genannt (Bl. 269), vor Justus Wilhelm Hedemann (1878–1963, Habil. Breslau 1903, b. ao. Prof. Jena 1906). Die Bestallung erfolgte jedoch erst zum SS. 1905 (ebd., Bd. VI, Bl. 8; PrMK – Knoke v. 13. 7. 1905, rückwirkende Ernennung zum 1. 4. 1905). 1119 Die Arbeit, deren zweiter Teil erst 1917 erschien, stellt eine gut gegliederte Stoffsammlung dar. Die in Aussicht gestellte Präparation „deutscher Rechtsgedanken“, die sich gegen den „Einfluß der Reception mannhaft gewehrt“ hätten (v. Gierke 1901, S. VI), geschieht eher en passant, so daß der Leser mühsam eigene Brücken vom Deich­ recht zu den daraus entfalteten „deutschen Rechtsinstituten und Rechtsbegriffen“ schlagen muß. Eine Synthese der Stoffmassen oder auch nur eine die Darstellung zusammenfassende Schlußbetrachtung bleibt der Verfasser schuldig. 1120 Von Gierke (seit 1911, nach der Nobilitierung Otto v. Gierkes, preuß. Erbadel) war schon 1904 für die Nf. Heymann im Gespräch (s. o. Anm. 1115). Ursprünglich waren 1902 Heinrich Titze (s. Anm. 1117) und, neben Paul Knoke, der 1900 in Straßburg habilitierte Wilhelm Kisch (1874–1952), 1902 oö. Prof. Straßburg, 1916 München, in die engere Wahl für das beantragte neue german. Extraordinariat gezogen worden (GStA …, Bl. 143–147, Liste Nf. Gareis und Vorschläge germ. Extraord. v. 4. 2. 1902). Nachdem aber 1902 zunächst die romanistischen Interessen mit Manigks Berufung bedient wurden, ließ das PrMK die Fakultät drei Jahre war­ ten bis zur Bewilligung eines rein deutschrechtlichen Extraordinariats. Die drängende Fakultät hatte aber, „we­ gen steigender Studentenzahlen“, im Sommer 1904 bereits eine Liste vorgelegt (ebd., 286 f., JurFak – PrMK v.

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nach Münster wechselnden His ins Ordinariat nach und blieb der Fakultät ungewöhnlich lange, bis 1919, erhalten.1121 Auf Gierkes Extraordinariat rückte der Breslauer Privatdozent Karl Rauch, ein ge­ bürtiger Steiermärker,1122 und ein „Durchzügler“, der zum WS. 1910/11, infolge eines Vertretungsauf­ trags für Breslau, den Platz für den beständigeren Rudolf Müller­Erzbach (1910–1918) frei machte.1123. Bei dem letzten, nicht nominellen, aber von seinem Inhaber stillschweigend „umgewidmeten“ Lehrstuhl für Römisches Recht, den Gradenwitz elf Jahre besetzte, verlief es zunächst ähnlich: der Bal­ tendeutsche Paul von Sokolowski, Jahrgang 1860, von 1892 bis 1906 Professor in Kiew und Moskau, 1907 nach Berlin gewechselt, Verfasser einer magistralen ‚Philosophie im Privatrecht‘,1124 blieb nur zwei Semester, bevor er erneut dem Ruf des Zaren folgte und eine Karriere einschlug, die ihn, wäre nicht das Schicksalsjahr 1914 dazwischen gekommen, an die Spitze der russischen Kultusverwaltung geführt hätte.1125 Auf Sokolowski, dem wir später, wenn von den engen Beziehungen der Albertina zum Herder­Institut in Riga die Rede sein wird, als dessen Rektor wiederbegegnen werden, folgte – als zweite Wahl deutlich hinter den deutsch­ und handelsrechtlich ausgewiesenen Justus Wilhelm 26. 7. 1904 mit Gierke an erster Stelle. – 2. August Egger (1875–1954), Prom. Bern 1900, Habil. FWU 1902: Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischem Recht, Schüler Heinrich Brunners, b. ao. Prof. Zürich 1904, oö. Prof. ebd. 1905, führender Kommentator des schweizerischen Zivilgesetzbuches von 1907. – 3a. Ernst v. Möl­ ler (1876–1944), nb. ao. Prof. FWU, 1921 LA Rechtsgeschichte ebd. – 3b. Max van Vleuten, habilitiert München 1905 über: Die Grunddienstbarkeit nach altwestnordischem Recht. 1121 Von einem Automatismus ist bei Gierkes Nachrücken auf His’ Lehrstuhl nicht zu sprechen. Die Liste war viel­ mehr so formuliert, daß die Fakultät deutliche Präferenzen für den neben Gierke primo loco genannten Handels­ rechtler und „hervorragenden Vertreter der germanistischen Disziplinen“ Karl Lehmann (Rostock) zu erkennen gab, den sie 1902, bei anderer Zusammensetzung, als nicht zu ihr „passend“ ausgeschieden hatte (s. o. Anm. 1113). An 2. Stelle rangierte der 1904 bei der Heymann­Nf. wohlwollend beurteilte Herbert Meyer (s. Anm. 1115), der seit 1906 Ordinarius in Breslau war (ebd., Bd. VI, Bl. 162 f.; JurFak – PrMK v. 2. 5. 1908, Liste Nf. His). 1122 Ebd., Bd. VI, Bl. 184–186; JurFak – PrMK v. 3. 7. 1908, Liste Nf. Gierke: 1. K. Rauch, (1880–1953, s. Catalogus), neben der Deutschen Rechtsgeschichte auch die dogmatischen Fächer beherrschend und durch „vor­ treffliche Lehrerfolge“ empfohlen, wie es in der Laudatio hieß. Rauch war seit 1905 MGH­Mitarbeiter, Beiträger zu Karl Zeumers Quellen u. Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches (mit der Edition eines Traktats aus dem 16. Jh., 1905), trat auch als Ordinarius in Breslau (1910–1912) und Jena (1912–1921) primär als Rechtshistoriker hervor. – 2. Max Rintelen (s. u. Anm. 1123). – 3. Claudius von Schwerin (1880–1944), 1907 Habil. München, b. ao. Prof. FWU 1914, oö. Prof. Straßburg 1917, 1919 Freiburg, einer der führenden germ. Rechtshistoriker seiner Generation. Wegen des rechtshist. Schwerpunkts verzichtete die JurFak auf Nennung des Handelsrechtlers Müller­Erzbach. Die Bestallung Rauchs erfolgte am 2. 8. 1908 zum WS. 1908/09 (ebd., Bl. 187). Mit elementaren Vorlesungen über das „Recht der Wertpapiere“ im WS. 1908/09 (56 Hörer), die „Geschichte des deutschen Rechtsganges“ (SS. 1909: 91) und die „Rechtsentwicklung in Preußen“ (WS. 1909/10: 115) knüpfte Rauch an seine „vortrefflichen“ Breslauer Lehrerfolge nahtlos an. 1123 Ebd., Bl. 245, JurFak – PrMK v. 31. 8. 1910 wg. Vertretung Rauch: 1. Max Rintelen, 2. Claudius von Schwerin. Rintelen, wie Rauch 1880 in Graz geboren, hatte sich 1907 in Leipzig mit einer seinem Berliner Lehrer Heinrich Brunner gewidmeten Arbeit über ‚Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren des altniederländischen und sächsischen Rechtes‘ habilitiert, im Januar 1909 aber nach Königsberg f. Dt. Bürgerliches und Handelsrecht umhabilitiert (GStA …, Nr. 23, Bd. I, Bl. 157; Meldung des Kurators v. 12. 1. 1909). Statt den Vertretungsauf­ trag für Rauch wahrzunehmen, folgte Rintelen im WS. 1909/10 einer Berufung nach Prag. An seine Stelle trat zunächst als beauftragter Dozent Müller­Erzbach (ebd., Nr. 19, Bd. VI, Bl. 246; Vereinbarung v. 18. 10. 1910). 1124 Den antipositivistischen, sein Fach in einen weitgespannten geistesgeschichtlichen Kontext stellenden An­ spruch markiert der Verfasser schon durch die Widmungen: Bd. I (1902) dediziert er dem 1903 verstorbenen Theodor Mommsen, Bd. II (1907) Ernst Immanuel Bekker (1827–1916), dem Systematiker des Pandektenrechts. 1125 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 19, Bd. VI, Bl. 137 f.; JurFak – PrMK v. 14. 8. 1907, Liste Nf. Gradenwitz: 1. P. v. Sokolowski (s. Catalogus), gewürdigt primär wegen seiner metajuristischen Herleitung zentraler Denk­ formen des römischen Rechts. – 2. Hermann Ferdinand Hitzig (1868–1911), 1891 romanistische Prom. Zürich, Habil. München 1895 über das griechische Pfandrecht, oö. Prof. Zürich. – 3a. Heinrich Pflüger (1859–1947), Habil. Bonn 1889, ao. Prof. ebd. 1894, ao. HonProf. ebd. 1906. – 3b. A. Leist, Gießen, (s. o. Anm. 1117).

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Hedemann und Heinrich Titze – Fritz Litten. Er war in Elbing geboren, Sohn eines vermögenden Kaufmanns, der seine Geschäfte in den 1880ern an den Pregel verlegt hatte, ein Landeskind also, wie Gradenwitz jüdischer Herkunft, aber ohne dessen Selbsthaß, getauft wie sein Onkel, der in der Medizi­ nischen Fakultät dominierende Internist Ludwig Lichtheim, preußischer Patriot, Reserve­Hauptmann der Landwehr, akademisch sozialisiert in Halle, wie die Nationalökonomen Gerlach, Diehl und Hesse, wie der Strafrechtler zu Dohna und der Völkerrechtler Fleischmann. Mit Titze und Hedemann ver­ glichen war Litten zweifelsohne zweite Wahl, aber da die Königsberger Fakultät nach unirritierbarer Ansicht des Ministeriums nun einmal für die Praxis und nicht für die Forschung ausbilden sollte, genügten Littens Referenzen, die ihn als „anregenden und gewandten Lehrer“ priesen, als didaktisch begabt und erfolgreich bei der gefälligen Vermittlung des Pflichtpensums. Zudem schien er ein Senso­ rium für die legitimatorischen Probleme zu haben, mit denen der Unterricht im Römischen Recht seit Einführung des BGB zu kämpfen hatte.1126 Bis 1914 blieb Litten eine graue Maus. In der Weimarer Zeit kam ihm dann endlich eine tragende Rolle zu bei der Verkörperung dessen, was sich die Öffent­ lichkeit unter „unsere Albertina“ vorstellte – bis 1932 eine Steueraffäre seine vorzeitige Emeritierung erzwang und jäh den Fall des Hauses Litten, des glanzvollen Treffpunktes der „besseren“ Gesellschaft Königsbergs, bewirkte.1127 Etwas mehr Profil gewann Littens romanistischer Kollege Alfred Manigk, aber dies verdankte er weniger kontinuierlicher publizistischer Präsenz als der unter seinem Rektorat nach vielen – will man dem seiner Verachtung ob so wenig Mannesmut vor Herrscherthronen freien Lauf lassenden Physi­ ologen Hermann folgen – „servilen“ Versuchen endlich „Allerhöchst“ genehmigten Übernahme der Würde des Rector magnificentissimus durch den Kronprinzen. Wie Zorn hinterließ auch Gareis eine von all seinen Nachfolgern bis 1945 nie wieder geschlossene Lücke. Dies war natürlich primär Folge des schnellen Wechsels auf dem deutschrechtlichen Ordinariat, das mit Heymann, His und Gierke in sechs Jahren drei Ordinarien sah. Keiner von ihnen tat es dem homo politicus Gareis gleich, allenfalls erfuhr dessen Geist noch in v. Gierkes kriegsbedingtem Enga­ gement eine timide Wiederbelebung.1128 Ebenso blaß blieben die Inhaber des 1904 neu geschaffenen zivilistischen Extraordinariats, Gierke, Rauch und der, abgesehen von seiner beachtlichen Profilierung als emsiger Anwalt der „Interessenjurisprudenz“, seine Domänen, das Versicherungs­ und das Handels­ recht, bestellende Rudolf Müller­Erzbach. Personelle Verjüngung und ein um zwei Extraordinariate erweitertes Lehrangebot – das durften die Fakultätsannalen bei den Zivilisten im neuen Jahrhundert auf der Haben­Seite verbuchen. Dem stand gegenüber, daß das Personal nun häufiger wechselte und man sich mit Kräften eher der zweiten Garnitur zufrieden geben mußte. Der rasche Personalwechsel begünstigte nicht eben die Heranziehung qualifizierteren Nach­ wuchses. Juristische Promotionen blieben bis 1910 fast schon selten zu nennende Ereignisse, obwohl sich zu Jahrhundertbeginn jährlich 140 Kandidaten zum Referendarexamen meldeten.1129 Und nach den Habilitationen der Zorn­Schüler Weyl, Schoen und Hubrich Mitte der 1890er trat eine sehr lange, zehnjährige Pause ein, bevor die Fakultät wieder von mehreren Bewerbern um Verleihung der venia legendi angegangen wurde. Zwar hatte sich Ende 1899 der gebürtige Königsberger Friedrich Leo, ein Schüler von Gradenwitz, als Privatdozent für Römisches Recht habilitieren können. Doch nach nur

Dazu Litten 1907. Siehe Bd. II; leider nur sparsame Informationen über Litten vor 1914 enthält die jüngste Biographie seines Sohnes, des KPD­Anwalts Hans Litten (1903–1938), von Bergbauer u. a., 2008, S. 18–30. 1128 Dazu siehe unten Kap. II.6. 1129 Zahl aus einer Statistik für die Jahre 1900 bis 1903, in: GStA …, Nr. 19, Adhib. Bd. 1–2 zu Bd. VI. Von den insgesamt 540 Kandidaten bestanden das I. Staatsexamen 376, davon promovierten vier = 1,2 Prozent! Zwischen 1900 und 1914 sind insgesamt 49 Promotionen verzeichnet, davon entfallen ¾ auf die Zeit 1910–1914. 1126 1127

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vier mäßig erfolgreichen Semestern verabschiedete er sich, um die Fabrik seines plötzlich verstorbenen Bruders zu übernehmen.1130 Im Sommer 1906 ging eine Anfrage des katholischen Schweizers Ernst Delaquis ein. Der Berli­ ner Liszt­Schüler, mit dem 1906 berufenen zu Dohna gut bekannt und sich vielleicht deshalb nach Königsberg orientierend, als dezidiert liberaler Strafrechtler später auf Lehrstühlen in Frankfurt und Hamburg wirkend,1131 besann sich jedoch und blieb, obwohl ihm die Fakultät grünes Licht gab, lieber in der Reichshauptstadt.1132 Es dauerte dann bis 1909, bevor zwei – im weitesten Sinne – zivilrechtliche Kandidaten vorstellig wurden, die aber beide nicht als Zöglinge der Fakultät anzusprechen sind. Felix Holldack, Sohn eines schwerreichen Königsberger Kaufmanns und Stadtrates, ein, wie es ihm nach 1933 entgegenschlagen wird, „halbjüdischer“ Verwandter der soeben von Hannover an den Pregel umgezogenen dreijährigen Hannah Arendt, hatte zwar an der Albertina studiert, promovierte aber (juristisch) in Leipzig und (phi­ losophisch) in Heidelberg. Seine Heimatuniversität steuerte er offensichtlich nur an, weil es dort keine privatdozentliche Konkurrenz gab, schon gar nicht für die von ihm begehrte venia für vergleichende Rechtswissenschaft, auf die er mit Studien über das kaukasische Provinzialrecht Anspruch erhob.1133 Wie einst sein Landsmann Leo, so stufte Holldack die Königsberger Fakultät aber nur als eiligst zu verlassende Startrampe ein. Sie katapultierte ihn zwar nicht nach kurzer Zeit ins pekuniär so unwider­ stehlich lockende Wirtschaftsleben, aber schon 1911 in eine aussichtsreiche Leipziger Warteschleife, die er dann in Richtung auf ein Ordinariat an der TH Dresden verlassen konnte.1134 Blickt man auf seinen Geburtsort Graz, kam zu gleicher Zeit von sehr weit außerhalb der Leipziger Privatdozent Max Rintelen ins ostpreußische Ultima Thule. Warum er 1909 eine Umhabilitation in den äußersten deutschen Nordosten erstrebte, ist aus den Akten nicht ersichtlich.1135 Hoffnungen auf ein Extraordinariat, das er 1908 als Zweitplazierter für die Nachfolge Gierke nur knapp verfehlt hatte, dürften eine Rolle gespielt haben.1136 Ganz illusorisch war das nicht, denn der ihm vorgezogene Karl Rauch übernahm bereits zum WS. 1910/11 eine Breslauer Vertretung, und unvermutet bekam Rintelen daher einen Fuß in die Tür, als die Fakultät ihn endlich vorschlug, vorläufig Rauchs Platz einzunehmen.1137 Da saß dieser Deutschrechtler und Historiker des Handelsrechts allerdings schon seit zwei Semestern wohlbestallt in Prag, wohin er zum WS. 1909/10 berufen worden war.1138 1130 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, Bl. 147–150; JurFak – PrMK v. 6. 11. 1899, Meldung Habil. Leo, sowie Schreiben v. 22. 4. 1902 über Urlaubsgesuch Leo für SS. 1902 u. WS. 1902/03, mit der zutreffenden Einschätzung, daß Leo von diesem Urlaub kaum zurückkehren werde, da alles darauf hindeute, daß er „dem aka­ demischen Berufe entsagen“ werde. 1131 Als Befähigungsnachweis hätte Delaquis die von ihm und dem slowenischen Liszt­Schüler Janko Polec hg. ‚Materialien zur Lehre von der Rehabiliation‘ (Berlin 1905 = Mitt. Internationalen Kriminalistischen Vereinigung; XIII/3) vorlegen können. Zu Delaquis aus Hamburger Sicht: Sieverts 1969. 1132 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, Bl. 154 ff; Briefwechsel Kurator – PrMK Juni–August 1906. Nachdem die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Berliner Polizeipräsidenten eingeholt worden war, schien De­ laquis’ Antrag „nichts im Wege“ zu stehen, doch verzichtete der Bewerber dann stillschweigend. 1133 Ebd., Bl. 162–166; JurFak – PrMK v. 19. 5. 1909, Meldung Habil. Holldack. 1134 Siehe Catalogus. Über den idealistischen „Personalismus“ Holldacks s. u. S. 231. 1135 Es hätte sich ihm dort Gelegenheit geboten, „Hauptvorlesungen“ über das BGB AT zu halten, erinnert er sich (Rintelen 1951, S. 156), so daß also finanzielle Gründe (Hörergelder) den Umzug motivierten. 1136 GStA …, Nr. 19, Bd. VI, Bl. 184 f.; JurFak – PrMK v. 3. 7. 1908, Liste Nf. Gierke: 1. Karl Rauch, 2. Max Rintelen, 3. Claudius v. Schwerin. 1137 Ebd., Bl. 245; JurFak – PrMK v. 31. 8. 1910, Vorschlag Vertretung Rauch: 1. Rintelen, 2. v. Schwerin. 1138 Ebd., Bl. 167; Botschaft der k. u. k. Monarchie – AA v. 23. 9. 1909: Rintelen sei in Prag als ao. beamteter Prof. vorgeschlagen worden, Auskunft über „allgemeine Haltung“ erbeten. Die offenbar positiv ausfiel. Warum die Fakultät glaubte, ihn auf einen wackligen Königsberger Vertreterposten zurücklocken zu können, ist eher unver­ ständlich, wenn man nicht voraussetzt, daß ihr Rauchs Abgang nach Breslau als sicher galt.

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Im Herbst 1911 bewarb sich der katholische Bonner Zitelmann­Schüler Peter Klein um eine zivil­ rechtliche venia. Wie bei Rintelen sind irgendwelche akademischen oder privaten Beziehungen zur Fakultät nicht ersichtlich. Auch in diesem Fall mag also eher der einladende Ruf der Weltabgeschie­ denheit eine Rolle gespielt haben, denn Ende 1911 zählte die Fakultät wieder zu den wenigen im Reich, die keinen Privatdozenten aufzuweisen hatten. Klein bewarb sich mit einer Abhandlung über ‚Die Rechtshandlungen im engeren Sinne‘, einer Materie, die im Unterschied zu den ubiquitär trak­ tierten „Rechtsgeschäften“ im ersten Jahrzehnt nach Inkrafttreten des BGB auffällig vernachlässigt worden war.1139 Die Manigk gewidmete Abhandlung erschien 1912, und wenn es nach gewohntem Rhythmus gegangen wäre, hätte sich der anfangs aufs Römische Recht festgelegte Zugvogel Klein zu diesem Zeitpunkt schon wieder zum Rückflug in den Süden oder Westen präparieren müssen. Doch zur allgemeinen Überraschung blieb der Rheinländer, trotz ähnlich guter Beziehungen ins Habsbur­ gische wie Rintelen, der Albertina bis zu seinem Tode 1925 erhalten – sich langsam auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts zur Kapazität entwickelnd, und schließlich auch zu kosmopolitischen, pazifistischen Träumereien neigend, von einem nach seiner Ansicht in greifbare Nähe gerückten „Weltrecht“.1140 Zwischen 1865 und 1945, quasi als Nachfolger des Romanisten Salkowski, war Klein damit der einzige juristische Habilitand, der in der Fakultät zum persönlichen Ordinarius aufstieg und ihr somit auf Dauer erhalten geblieben ist.1141 Etwa gleichzeitig mit Kleins Gesuch traf die Bewerbung Theodor Sternbergs um eine Privat­ dozentur in Königsberg ein. An seinem Fall offenbart sich die personalpolitische Macht des Kurators einmal nicht im informellen Zu­ oder Abraten gegenüber dem Ministerium, sondern kraft scheinbar nur „formaler“ Befugnisse. Dazu zählt das Recht, den Kandidaten, die um Zulassung zur Habilitation einkamen, eine „Unbedenklichkeitserklärung“ auszustellen, gestützt auf ein polizeiliches Führungs­ zeugnis. Die war zu versagen, wenn der Bewerber der SPD angehörte. Dem Rechtstheoretiker und Prozeßrechtler Sternberg, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, Schüler von Kohler und v. Liszt in Berlin, und seit 1905 Privatdozent in Lausanne, ließ sich eine SPD­Mitgliedschaft aber nicht nachweisen. Seine jüdische Herkunft, entscheidender aber Gerüchte über eine abgewiesene Bewerbung in Mün­ ster, dazu eine „radikale Ansichten“ verratende, als ‚Beitrag zur Geschichte des realpolitischen Libera­ lismus‘ untertitelte Monographie (1908) über den 1867 amtsentsetzten Richter, Rechtsphilosophen und Justizkritiker Julius Hermann von Kirchmann (1802–1884), sowie die dunklen Hintergründe von Sternbergs Lausanner Demission ließen es Kurator v. Windheim geraten sein, das Unbedenklich­ keitsbillet lieber nicht auszufüllen und sich im Ministerium über den Antragsteller zu erkundigen. Der Hochschulreferent Elster benötigte eine Weile, um sich über die verwickelten Lausanner Fehden zu informieren, schrieb Sternberg dann die Rolle als „Intrigant“ im Kampf gegen seinen alldeutsch­ völkischen Kollegen Ludwig Kuhlenbeck zu,1142 sah aber darin keine Handhabe, daß v. Windheim ihm noch länger den Zugang zur Habilitation versperrte. Elster teilte dies dem Kurator im Februar 1912 mit, sechs Monate nachdem der inzwischen ungeduldig gewordene Sternberg sein Gesuch gestellt hatte. Eine ihn offenkundig zermürbende Wartezeit, denn der an der Berliner Humboldt­Akademie, einer Volkshochschule, Kurse über Strafrecht und Kriminalpolitik anbietende Sternberg resignierte.1143 Ebd., Bl. 169 ff.; JurFak – PrMK v. 16. 11. 1911, Meldung Habil. Klein f. Röm. u. Dt. Bürg. Recht. Über Klein vgl. Catalogus und eingehender Bd. II. 1141 Anzumerken ist freilich, daß sich 1917 der Zivilist Georg Schüler habilitierte (s. u., S. 445), der bis zu seinem (zu vermutenden) Freitod während der sowjetischen Besetzung Königsbergs der Fakultät angehörte, aber nur als nb. ao., mit LA versehener Professor. 1142 Über den völkischen „Rechtsreformer“ vgl. die Berliner jur. Dissertation von Herbert Lemmel 1938. 1143 GStA …, Nr. 23, Bd. I, Bl. 173–179; Korrespondenz Sternberg – v. Windheim – PrMK. Elster war offenbar unbekannt, daß Sternberg wie Franz v. Liszt und Hugo Preuß Mitglied in der kleinen (links­) Liberal­Demokra­ tischen Partei war, die zwar Distanz zur SPD hielt, deren Anhänger aber aus Sicht des Ministeriums sich gewiß nicht für eine akademische Laufbahn empfahlen. Zudem kooperierte Sternberg, als Mitbegründer einer „Freien 1139 1140

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1913 schiffte er sich nach Japan ein, um an der Kaiserlichen Universität in Tokio einen Lehrstuhl für Deutsches Recht zu übernehmen.1144

4.2.2. Staats- und Verwaltungsrecht, Völker- und Kolonialrecht Die Regelung der Zorn­Nachfolge war wiederum symptomatisch für den ministeriellen Autokratismus. Nicht dessen Schüler, der in Jena wirkende, die Liste anführende Paul Schoen, konnte zurückgewon­ nen werden, sondern man erhielt den 52jährigen Hallenser Fachmann für Bergrecht Adolf Arndt,1145 der nicht einmal ansatzweise über das fachliche Renommee seines Vorgängers verfügte und der keinen Ehrgeiz entwickelte, es ihm an öffentlicher Wirksamkeit oder als Universitätspolitiker gleichzutun. Zu­ dem brach bald nach Arndts Eintreffen nicht nur ein fachlicher, bis zu dessen Wegberufung nicht mehr geschlichteter Konflikt mit dem staatsrechtlichen Extraordinarius Hubrich aus, der den Ordinarius im Kolleg so lange mit „gehässiger Polemik“ überzog bis die Fakultät gegen ihn ein Disziplinarverfahren beantragte.1146 Es entstand auch eine Dauerfehde zwischen Arndt und Gradenwitz, die das Fakultäts­ Universität“, mit sozialistischen Dozenten (Angaben nach M. Rehbinder, Einleitung zu Sternberg 1988, S. 10 f.). – Den Entschluß, sich in Königsberg zu habilitieren, dürfte er, wie Ernst Delaquis, und 1916 Wilhelm Sauer (s. u., S. 445 f.), aufgrund der im Liszt­Seminar gestifteten Bekanntschaft mit Alexander zu Dohna gefaßt haben. In diesem Kreis schloß Sternberg auch eine lebenslange Freundschaft mit Gustav Radbruch, den zu Dohna 1914 als seinen Nachfolger auf dem strafrechtlichen Extraordinariat durchsetzen konnte (s. u., S. 230, Anm. 1178). 1144 Vgl. Rehbinder in: Sternberg 1988 und ausführlich zu Leben und Werk des 1950 in Tokio verstorbenen Stern­ berg: Bartels­Ishikawa 1998. 1145 GStA …, Nr. 19, Bd. V, Bl. 52–56; JurFak – PrMK v. 12. 7. 1900, Liste Nf. Zorn: 1. P. Schoen (Jena), der Fa­ kultät bekannt, Zorn­Schüler, in Jena als sehr guter Lehrer gerühmt, hat dem Erbgroßherzog von Weimar mehrere Semester hindurch Privatissima über Staatsrecht gehalten! – 2. A. Arndt (Halle), in erster Linie Verwaltungsbe­ amter gewesen, erst in jüngerer Zeit als Staats­ u. Verwaltungsrechtler publizistisch stärker hervorgetreten. Seine Arbeit über das Verordnungsrecht habe, wie die von Zorn bei diesem Urteil übel beratene Fakultät in grotesker Fehleinschätzung von Arndts Position meinte, den „Dauerstreit auf diesem Feld wohl endgültig beendet“. Insoweit seien ihm als Verwaltungsrechtler Meriten nicht abzusprechen, er müsse aber leider als „völlig unbeschlagen auf dem Gebiet des Kirchenrechts“ gelten. – 3. Carl Sartorius (1865–1945), Bonn Habil. 1891, b. ao. Prof. Marburg, 1901–1908 oö. Prof. Greifswald, 1908–1933 Tübingen, vor allem als Kirchenrechtler ausgewiesen. Ungeachtet des wenig schmeichelhaften Votums, das die Frage stellt, warum Arndt überhaupt auf die Liste kam, schloß das PrMK rasch mit dem Hallenser Bergrechtler ab (ebd., Bl. 58, Vereinbarung v. 19. 8. 1900 zum WS. 1900/01). 1146 GStA …, Nr. 19, Adhib. Bd. 1 zu Bd. VI, darin Material zum Disziplinarverfahren Hubrich, das die Fakultät mit Schreiben v. 26. 5. 1906 im PrMK wegen unwürdigen Verhaltens im Amt beantragte, nachdem der Extraordi­ narius vor Studenten auch gegen Kohlrausch ausfällig geworden war (s. u. Anm. 1149) und, wie andere Ordinarien klagten, er zu ihren Lasten ständig die Grenzen seines Lehrauftrags überschritten habe. Das Verfahren endete, obwohl auch der Kurator eine „scharfe Ahndung für unwürdiges Benehmen“ empfohlen hatte (Bd. VI, Bl. 75, an PrMK v. 15. 6. 1906), mit dem ministeriellen Rüffel, „interne Zwistigkeiten gefälligst nicht am Schwarzen Brett auszutragen“ (Bd. VI, Bl. 76 f.; PrMK – Kurator v. 22. 6. 1906). Das war für die Fakultät wenig befriedigend, da der milde getadelte „Querulant“ Hubrich, der sich seiner Gutachtertätigkeit für den Ministerialreferenten Elster rühmte, nicht nur weiter lehren durfte, sondern auch in der Sache, dem ursprünglich auslösenden, öffentlich aus­ getragenen Streit mit Arndt über die richtige Auslegung von Begriffen wie „Gesetz“ und „Verwaltungsnorm“ (siehe unten Kap. 4.2.4.), anerkennende Schreiben von Laband, Loening und Anschütz vorgelegt hatte, in denen die Abwegigkeit von Arndts Position wie selbstverständlich behandelt wurde („Freund Arndt wird ja nun bald ‚genug‘ haben“, so flapsig etwa Anschütz an Hubrich v. 20. 11. 1904). Typisch für Hubrich, daß er seinen am Schwarzen Brett ausgetragenen Konflikt mit der Fakultät umgehend zum Gegenstand einer ausufernden Erörterung über die Rechtsnatur der preußischen Universitätsstatuten, die Befugnis des Rektors und das unumschränkte Ankündi­ gungsrecht des Dozenten machte, Hubrich 1907. – Vgl. auch u. Anm. 1149; die Auseinandersetzungen anhand des Aktenmaterials breit referierend jetzt die Greifswalder Diss. von Gelinek 2009.

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klima nachhaltig vergiftete – was dem Ansehen der Königsberger Juristen gerade in Berufungsfragen schadete. Daß mit Arndt – neben Gradenwitz und Güterbock – ein weiterer getaufter Jude in die winzige Fakultät berufen wurde, schien überdies dem Corpsgeist abträglich zu sein. Der Generalssohn von Blume verstieg sich, in einem privaten Schreiben an Althoff, zu der Sottise, daß, sollte etwa der Nachfolger Heymanns Pappenheim oder Wolff heißen, beide jüdischer Herkunft, er sich dann wohl werde beschneiden lassen müssen, „um nicht ganz aus dem Rahmen der Fakultät zu fallen“.1147 Für das Prestige des Königsberger Staatsrechts „im Reich“ verheerend wirkte sich die Wahl Arndts aber dadurch aus, daß er als Kommentator der Reichsverfassung und der Preußischen Verfassungs­ urkunde von 1850 in noch viel radikalerer Form als Zorn semi­absolutistische Mindermeinungen vertrat. Gerhard Anschütz hatte Arndts gegen die parlamentarische Legislative gerichtete exzessive Auslegung des königlichen Verordnungsrechts nicht nur als dogmatisch unhaltbar widerlegt, sondern auch die primär politische, unwissenschaftliche Fundierung der Arndtschen Position beleuchtet. Das fiel ihm nicht schwer, weil Arndt seine Publikationen durchweg mit Polemik tränkte und von sich aus die Kontroverse politisch auflud, indem er seine Gegner als Unterminierer selbst der konstitutionellen Monarchie, als „Anbeter der Demokratie“ und Wegbereiter der „Volkssouvärnetät“ denunzierte und gar noch Friedrich Julius Stahl, den Staatsrechtler der „Reaktionsperiode“ und Erfinder des „monar­ chischen Prinzips“, posthum in den „Höllenkreis“ potentieller Umstürzler versetzte.1148 Als der kränkelnde Arndt 1912 vorzeitig um Entpflichtung bat, war der Kieler Staatsrechtler Erich Kaufmann nur zweite Wahl. Mit ihm bestieg wieder ein konvertierter Jude das Katheder, gebürtig im vorpommerschen Anklam, aufgewachsen in Berlin, Überpreuße, „Bellizist“ und Hymniker des Macht­ staates. Binnen eines Friedensjahres konnte er sich aber nicht profilieren, rückte im August 1914 ins Feld und die meiste Zeit, bis zu seiner Wegberufung nach Berlin 1917, war er ortsabwesend. Die aufs Ganze gesehen undurchsichtige Berufung Kaufmanns weist eine zweijährige Vorgeschichte auf und ist von der Personallösung auf dem staatsrechtlichen Extraordinariat nicht zu trennen. Denn ausgerechnet der nicht nur mit Arndt, sondern mit allen anderen Kollegen verfeindete Hubrich, ein Mann „ohne Umgangsformen“, den die Fakultät nur allzu gerne losgeworden wäre, mußte bis 1908 warten, um auf einen Greifswalder Lehrstuhl zu rutschen.1149 Sein nach einigen Mühen gewonnener Ebd., Bd. V, Bl. 205–06; v. Blume an Althoff v. 10. 2. 1904. Vgl. die ausführliche Darstellung der jüngsten Dogmengeschichte zum Begriff der gesetzgebenden Gewalt und des königlichen Verordnungsrechts bei Anschütz 1901, darin das nur leicht überzeichnende Referat der Min­ dermeinungen von Arndt (25–102) und Zorn (132–134). Stur auf seinen Ansichten beharrend die 250seitige Monographie, mit der Arndt 1902b seinen Kritikern antwortete, ebenso in der Einleitung zu seinem Kommentar der Reichsverfassung (1902a) und in einer Königsberger Festrede (1902c). Auch in der Einleitung zu seiner weit verbreiteten Taschenausgabe der Preuß. Verfassungs­Urkunde legte Arndt keinerlei Einsicht an den Tag, vgl. zuletzt Arndt 1911, S. 42: „In Preußen ist die Macht der Krone unumschränkt […]“. 1149 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 19, Bd. VI, Bl. 1–5; Hubrich – JurFak v. 22. 6. 1905, Antrag, ihm ein staats­ rechtliches Ordinariat zu verleihen. Betont den Gegensatz zu Arndt, der innerhalb der deutschen Staatsrechtslehre gänzlich isoliert dastehe, insofern benötige die Fakultät einen Dozenten, der die Studenten mit der „herrschenden Meinung“ vertraut mache. Der Kurator gab das Ersuchen mit einem ablehnenden Votum weiter, darin Hubrichs eigene Randstellung in der Fakultät hervorhebend und seine unerfreuliche Profilierungssucht, die nicht „zimper­ lich in der Wahl der Mittel“ sei. Kurz darauf läßt sich Oberpräsidialrat Gramsch im Namen des Kurators nochmals zu Hubrich vernehmen (ebd., Bl. 58/59, an PrMK v. 22. 7. 1905): Die JurFak habe es zuletzt einstimmig abge­ lehnt, für Hubrich ein Ordinariat zu beantragen. Zur Begründung sei auf seine „Reizbarkeit“ und seinen „Mangel an Takt“ verwiesen worden, der überall als unangenehm empfunden werde, genauso sein „hitziges Temperament“. Ihn in eine Fakultät aufzunehmen, die ohnehin unter den Zwistigkeiten zwischen Arndt und Gradenwitz sehr leide, wäre zuviel des Guten. 1906, als Hubrich das durch Güterbocks Rücktritt vakante strafrechtliche Ordinariat, für das Kohlrausch in den Startlöchern stand, „ertrotzen“ wollte und seinen „Mißmut“ über seine fortwährende, auf „Machinationen“ beruhende „Zurücksetzung“ am Schwarzen Brett kund tat, beantragte die Fakultät das in Anm. 1146 geschilderte Disziplinarverfahren gegen ihn. – In Greifswald führten Hubrichs charakterlichen Defizite 1147

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Nachfolger hieß Josef Lukas, Jahrgang 1875, ein katholischer Österreicher, aus dem fernen Czernowitz auf Empfehlung von Gerhard Anschütz berufen,1150 als Forscher, obwohl für würdig erachtet, etwas zur Laband­Festschrift beisteuern zu dürfen,1151 eher ein unbeschriebenes Blatt,1152 aber als Dozent in der Bändigung größerer Hörermassen bewährt, stand in dieser Hinsicht auch an der Albertina seinen Mann,1153 ergriff aber die erste sich bietende Chance, um nach nur drei Semestern 1910 wieder fortzuziehen, als Ordinarius nach Münster, wo die Ex­Königsberger Rosenfeld (s. u.) und His ihn erwarteten, wo er nach 1918 als Vernunftrepublikaner im Zorn auf den monarchischen „Machtstaat“ zurückblickte und als „geläuterter Pazifist“, ungeachtet des „Versailler Vernichtungsfrieden[s]“, früh für einen deutschen Völkerbund­Beitritt warb, die Genfer Liga, „trotz allem“, als „gewaltigen Fort­ schritt“ und verheißungsvollen „Versuch eines Weltstaatenverbandes zur Sicherung des Weltfriedens“ einschätzend.1154 An Lukas’ Stelle sollte nach dem Wunsch der Fakultät der kirchenrechtlich versierte Münchner Extraordinarius Karl Rothenbücher treten, für den man sich bereits 1908 als Ersatzmann Hubrichs erwärmt hatte. Falls der aber von Bayern nicht nach Ostpreußen verbannt werden wollte, hätte man gern den für gleichwertig erachteten Rudolf Smend verpflichtet, der sich erst 1908 in Kiel habilitiert hatte, und der 1909, mit 27 Jahren, einem Ruf auf ein Greifswalder Extraordinariat gefolgt war. Von dessen Vergleich der preußischen mit der belgischen Verfassungsurkunde, seiner Göttinger Disserta­

zum Dauerkonflikt mit allen Kollegen, die der streitsüchtige Ostpreuße, 1918/19 sich auf den Boden der neuen Reichsverfassung stellend (Hubrich 1921), geradezu terrorisierte (dazu GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 20, Adhibendum Hubrich). Dazu jetzt en detail Gelinek 2009. 1150 Ebd., Bd. VI, Bl. 213 f.; JurFak – PrMK v. Oktober 1908, Liste Nf. Hubrich: 1. J. Lukas (s. Catalogus), Czernowitz. – 2. Hermann Edler von Hoffmann (1875–nach 1932), Habil. Göttingen 1904, 1908 Akademie Posen, 1912 Direktor Akademie für kommunale Verwaltung Düsseldorf, 1907: Deutsches Kolonialrecht, 1908 Verwaltungs­ und Gerichtsverfassung der deutschen Schutzgebiete, 1911: Einführung in das deutsche Kolonial­ recht. – 3. Hans Gmelin (1878–1941), Habil. Freiburg 1906, ao. Prof. ebd. 1912, b. ao. Prof. Kiel 1913, oö. Prof. Gießen, seit 1905 Veröff. zum ausländ. öff. Recht in Spanien, Italien, Algerien. – Diese Liste reduzierte das PrMK mit dem Hinweis, daß Edler von Hoffmann nach seiner soeben erfolgten Posener Berufung ausscheide (ebd., Bl. 215, an Kurator v. 2. 11. 1910). Die Fakultät reagierte mit einer modifizierten Liste: Hoffmann ersetzte sie durch Karl Rothenbücher, Gmelin rückte ihm gleichrangig zur Seite. Den vom PrMK ins Spiel gebrachten Julius Hatschek (1872–1926), Habil. Heidelberg 1898, 1905 Verwaltungsakademie Posen, 1909 b. ao. Prof. Göttingen, 1921 oö. Prof. ebd., habe man selbst schon bei der Beratung der Liste erwogen, dann aber einstimmig verworfen, da seine persönlichen Eigenschaften „vielfach ungünstig“ beurteilt worden seien. Ferner habe man sich mit dem Hallenser nb. ao. Prof. Fleischmann beschäftigt, aber auch hier habe es an der „Persönlichkeit“ gehapert, die für „nicht geeignet befunden“ worden sei (ebd., Bl. 216 f., JurFak – PrMK v. 30. 11. 1908). Man halte also an Lukas fest, und wolle bei einem Mißlingen allenfalls Rothenbücher akzeptieren, der gerade ein großes Werk vorgelegt habe: ‚Die Trennung von Staat und Kirche‘ (1908), das überall durch Zurücktreten subjektiver kirchlicher und politischer Ansichten besteche und ein streng juristisches Gepräge zeige. Nachdem das Ministerium die Fakultät einige Monate hatte zappeln lassen, kam es am 13. März 1909 zur Vereinbarung mit Lukas (ebd., Bl. 221). 1151 Lukas 1908. 1152 In Stolleis’ ,Geschichte des öffentlichen Rechts‘ sucht man den Münsteraner Staatsrechtler in Bd. II wie in Bd. III vergebens. Steveling 1999, S. 136 ff., über die ‚Juristen in Münster‘ informiert zwar biographisch, verwei­ gert aber, wie bei fast allen anderen ihrer Probanden, eine Auskunft über das Werk. 1153 In seinem ersten Semester, SS. 1909, hörten bei ihm ansehnliche 40 Hörer „Die Lehre von den Staatenver­ bindungen“, im WS. 1909/10 ließen sich 73 Hörer von ihm in die „Grundzüge der allgemeinen Staatslehre“ einführen. 1154 Lukas 1921, S. III–V, 121–127. Über seine verfassungsrechtlichen Ideale vgl. den vor einer „Freien Politischen Vereinigung der Studierenden“ in Münster gehaltenen Vortrag über die organisatorischen Grundgedanken der Weimarer Verfassung. Lukas wünscht sich hier den „dezentralisierten Einheitsstaat“ und einen starken Reichsprä­ sidenten als Rückhalt eines „gesunden parlamentarischen Regierungssystems“.

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tion, zeigte sich die Fakultät besonders angetan.1155 Rothenbücher und Smend nachgeordnet, figu­ rierten Friedrich Giese, Bonner Privatdozent, 1910 gerade mit einer monographischen Darstellung des deutschen Kirchensteuerrechts aufgefallen, und der wegen seiner kolonialrechtlichen Beschlagenheit genannte Kieler Privatdozent Erich Kaufmann tertio loco auf der Liste.1156 Warum weder bei Rothenbücher, Smend, Giese oder Kaufmann eine Berliner Anfrage eintraf, ist unerklärlich. Dem Ministerium behagte offenbar keiner von ihnen. Vermutlich deswegen, weil aber­ mals jemand anders dringend „unterzubringen“ war. Die Fürsorge galt in diesem Fall dem Hallenser Staats­ und Völkerrechtler Max Fleischmann, immerhin schon 1902 habilitiert und seitdem ohne Ruf. Die Fakultät übergehend, erhielt Fleischmann zum WS. 1910/11 einen Lehrauftrag in Königsberg.1157 Die sichtlich düpierten Ordinarien antworteten zum Ende des Semesters bockig mit einer revidierten Liste: Smend oder Giese wolle man, Fleischmann nicht. Doch ihre Ablehnungsfront schien bereits zu bröckeln. Einerseits hatte der neue Kollege sich durch sein „äußeres Auftreten“ keine Freunde ge­ macht. Das Ministerium verfügte offenbar auch über einschlägige Hallenser Zeugnisse und vermochte den Beschwerden nicht zu widersprechen. Eine Aktennotiz ließ daher erkennen: seine Berufung nach Königsberg sei „nicht wünschenswert“. Auch der Kurator v. Windheim sprach sich dagegen aus. An­ dererseits meldeten sich Kollegen zu Wort, die wegen seiner schriftstellerischen und pädagogischen Qualitäten Einwände nicht länger erheben wollten. Schließlich fand sich eine Mehrheit, die es mit ihm versuchen, die auch ihre „persönlichen Bedenken“ zurückstellen wollte. Zum SS. 1911 nahm Fleisch­ mann daher die wichtigste Hürde, er erhielt die Bestallung zum Nachfolger von Lukas.1158 Der gegen so langanhaltenden Widerstand nach Königsberg beorderte Max Fleischmann, über zehn Jahre in Halle als Privatdozent und nb. ao. Professor fast „versauert“, blieb bis 1914 in der Fakul­ tät praktisch isoliert – als Jude, aber mehr noch wegen seiner aufgrund der Quellenlage nicht genauer aufzuklärenden „charakterlichen“ Defizite, über die auch nach seiner Bestallung die werten Kollegen weiter Klage führten.1159 Darum verbauten sie ihm 1912 den „natürlichen“ Aufstieg ins Ordinariat von Adolf Arndt. Die erste Liste nannte mit den süddeutschen Liberalen Robert von Piloty, Karl Rieker, Wilhelm van Cal­ ker und Johannes Niedner nur Ordinarien. Hätte man auswärtige Extraordinarien vorgeschlagen und Smend 1904. GStA …, Bd. VI, Bl. 249–251; JurFak – PrMK v. 19. 9. 1910, Liste Nf. Lukas: 1. K. Rothenbücher, 1880 Augsburg – 1932 München, Habil. München 1908, b. ao. Prof. 1910, oö. Prof. 1912 ebd., nach 1918 der SPD nahestehend, kirchenpolitisch, wie sich schon in der von der Königsberger Fakultät so verheißungsvoll begrüßten Habilschrift ankündigt (s. o. Anm. 1150), als schroffer Gegner des Zentrums und Kritiker des bayerischen Kon­ kordats exponiert. – 2. R. Smend, 1882 Basel–1975 Göttingen, Sohn eines Prof. d. Theologie, Prom. Göttingen 1904: Die Preussische Verfassungsurkunde im Vergleich mit der Belgischen, Habil. f. Staats­ u. Kirchenrecht Kiel 1908, b. ao. Prof. Greifswald 1909, oö. Prof. f. Staats­, Verwaltungs­, Völker­ u. Kirchenrecht Tübingen 1911, Bonn 1914–1922, FWU 1922–1935, WS. 1935/36 Göttingen, 1950 em. (LGH 2004, S. 218–220). – 3. F. Giese, 1882 Eitorf/Sieg–1958 Wiesbaden, Prom. 1905 Bonn bei Ph. Zorn: Die Grundrechte, Habil. f. Staats­, Verwal­ tungs­, Kirchen­ u. Kolonialrecht ebd. bei Ulrich Stutz 1910: Deutsches Kirchensteuerrecht. Grundzüge und Grundsätze […], WS. 1911/12 Lehrstuhlvertretung Smend in Greifswald, SS. 1912 b. ao. Prof. Akademie Posen, WS. 1914/15 oö. Prof. Frankfurt, 1945/46 Rektor, von der US­Besatzungsmacht entlassen, las wieder ab 1951. Mitgliedschaft DDP, 1930 Mitbegründer der linksliberalen Deutschen Staatspartei (LGH 2004, S. 68 f.). 1157 Ebd., Bl. 253; Entsendung Fleischmanns als „beauftragter Dozent“ v. 7. 11. 1910. 1158 Ebd., Bl. 261f.; JurFak – PrMK v. 1. 2. 1911, II. Liste Nf. Lukas, pari loco: Smend – Giese. 1159 Ebd., Bl. 269; JurFak – PrMK v. 1. 5. 1911, mit dem „Versprechen“, weitere Gegenvorstellungen gegen Fleisch­ mann nicht zu erheben – zumindest was das Extraordinariat betraf! Gegen den Aufstieg ins Ordinariat von Arndt fand sich 1912/13 wieder eine Mehrheit gegen Fleischmann (s. u. Anm. 1165). – Zu Fleischmanns „Charakter“ äußert sich sein späterer Königsberger und Hallenser Kollege, der nicht konvertierte jüdische Rechtshistoriker Guido Kisch 1975, S. 72: „Er stammte aus jüdischem Hause, was zu verbergen er eifrig bemüht war und auch in vertrauten Gesprächen niemals erwähnte. Seine schwachen Seiten waren große Eitelkeit und Ehrsucht.“ 1155 1156

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dabei Fleischmann übergangen, wäre der Affront, wie Dekan Manigk dem Ministerium erläuterte, allzu verletzend ausgefallen. Um das zu vermeiden, wählte man ältere Ordinarien wie Piloty (Jg. 1863) oder Rieker (1857), bei denen man mit Gewißheit voraussetzte, daß sie nicht aus Bayern fortzulocken waren, oder die, genau wie van Calker und Niedner, dazu nur für ein ungewöhnliches Gehalt bereit gewesen wären.1160 Im Grunde legte man damit die Entscheidung über die Arndt­Nachfolge in die Hände des Ministers. Zu diesem Zeitpunkt stand Fleischmann allerdings, wie der ihm aus Hallenser Verbundenheit offenbar gewogene Litten im Einklang mit Manigk auch zu bedenken gab, nicht gänz­ lich ohne Referenzen da. Zorn sorgte sich um das Staatsrecht an seiner alten Wirkungsstätte und hatte Fleischmann als den „gegebenen Nachfolger“ Arndts empfohlen. Ebenso Laband und Anschütz. Aus­ gerechnet Laband, dessen Name zum Synonym für den staatsrechtlichen Positivismus geworden war, schränkte seine Parteinahme für Fleischmann mit dem skeptischen Hinweis auf dessen „Positivismus“ ein, gab ihm aber trotzdem noch den Vorzug vor Erich Kaufmann.1161 Entgegen der heimlichen Hoffnung der Fakultät, einfach einem Oktroi folgen zu können, forderte der Minister sie auf, nunmehr einen ernst gemeinten Vorschlag einzureichen und drei jüngere Ordi­ narien zu nennen.1162 Zugleich erging an Arndt der Auftrag, sich im WS. 1912/13 selbst zu vertreten, da man seinen Nachfolger erst zum SS. 1913 werde ernennen können.1163 Mit der Folge, daß nun, wie Kurator von Windheim sich ausdrückte, wegen Fleischmann „offener Streit“ in der Fakultät ausbrach. Sein gesellschaftliches Auftreten und das seiner Frau habe in den tonangebenden Kreisen Königsbergs „wiederholt Befremden ausgelöst“. Das deute auf „keine kleinen, sondern ganz erhebliche Schwächen seines äußeren Wesens“. Zudem ließen sich Zweifel an dem von Manigk verteidigten wissenschaft­ lichen Ruf eines Staatsrechtlers nicht unterdrücken, der erst zehn Jahre nach seiner Habilitation von Halle fortberufen worden sei. In diesem Sinne urteilte auch die Fakultätsmehrheit, denn wieder, wie schon bei Hubrichs und Lukas’ Nachfolge, setzte man den inzwischen in München zum Ordinarius aufgerückten Karl Rothenbücher primo loco. Ihm folgte Erich Kaufmann, in Kiel mittlerweile auf ein neues Extraordinariat für Öffentliches Recht berufen.1164 An dritter Stelle, das hatte sich nicht umgehen lassen, Max Fleischmann. Freilich kam die Würdigung einer Erniedrigung gleich. Für ihn sich auszuprechen, habe man keine Veranlassung gehabt. Nur wegen Manigks Sondervotum werde er überhaupt im Rahmen des Vorschlags diskutiert, da er hinter Rothenbücher und Kaufmann wissen­ schaftlich angeblich „deutlich“ zurückstehe. Seine Monographie über ‚Der Weg der Gesetzgebung in Preußen‘ sei „eher durchschnittlich“ ausgefallen, trage überdies das Druckdatum 1898 und was seit­ dem erschienen sei, rangiere unter „kompilatorische Leistungen“. Hinzu kämen die Bedenken gegen Ebd., Bl. 298–300; JurFak – PrMK v. 21. 6. 1912, Liste Nf. Arndt und Schreiben Dekan Manigk – PrMK v. 29. 6. 1912: R. v. Piloty (1863–1926), Habil. München 1890, oö. Prof. ebd. 1895, mit G. Jellinek u. P. Laband Hg. Das öffentliche Recht der Gegenwart [1905–1926] u. Jb. des Öffentlichen Rechts [1907–1926], nach 1918 für die DDP im Bayer. Landtag. – 2. K. E. Rieker (1857–1927), Habil. f. Kirchenrecht Leipzig 1891, 1893 ao. Prof. ebd., 1903 oö. Prof. f. Staats­ u. Verwaltungsrecht, Deutsche u. Bayerische Rechtsgeschichte Erlangen. – 3a. W. van Cal­ ker (1869–1937), Habil. Freiburg 1900, 1903 oö. Prof. Gießen, 1913 Kiel, 1919–1935 Freiburg. – 3b. Johannes Niedner (1868 – 1920), Jena. 1161 Ebd, Bl. 300; Manigk – PrMK v. 29. 6. 1912. 1162 Ebd., Bl. 304, PrMK – Kurator v. 14. 7. 1912. Gleichzeitig schien man aber (erfolglose) Verhandlungen mit Niedner aufgenommen zu haben, da ihm Mitte August 1912 Reisekosten für eine Fahrt nach Königsberg erstattet wurden (ebd., Bl. 315). 1163 Ebd., Bl. 325; PrMK – Kurator v. 18. 9. 1912. 1164 Der 1908 in Kiel habilitierte Kaufmann wurde 1911 von seiner Fakultät in ihrer Vorschlagsliste für ein Ersatz­ ordinariat Hänel ausdrücklich nicht berücksichtigt, da er zum einen noch nicht reif für ein Ordinariat sei, ande­ rerseits im Verwaltungsrecht, worauf es ihr gerade ankäme, „nichts“ vorzuweisen habe (GStA, Rep. 76Va, Sek. 9, Tit. IV, Nr. 4, Bd. III, Bl. 163–167; JurFak – PrMK v. 15. 3. 1911). Nur ein Jahr später remonstrierte sie indes nicht, als Kaufmann ein beamtetes Extraordinariat für öffentliches Recht erhielt, „insbesondere für Staats­ und Verwaltungsrecht“! (ebd., Bl. 234; Vereinbarung Kaufmann – PrMK v. 1./2. 4. 1912). 1160

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seine Persönlichkeit. Man sei bereits mit seiner Ernennung zum Extraordinarius nicht einverstanden gewesen, zum Ordinarius aber sei er erst recht „ganz und gar ungeeignet“.1165 Daß unter diesen Vor­ zeichen die Wahl nur zwischen Kaufmann und Rothenbücher fallen konnte, war nicht erstaunlich. An den Kieler Extraordinarius erging schließlich zum SS. 1913 der Ruf nach Königsberg.1166

4.2.3. Straf- und Strafprozeßrecht Im Straf­ und Prozeßrecht, das, von Zorn vor jeder Konkurrenz beschützt, bis 1900 der gesundheitlich schwer angeschlagene, 1830 geborene, die Albertina seit 1893 im Herrenhaus vertretende Carl Gü­ terbock seit 1861 lehrte, konnte keiner seiner Nachfolger dessen zumindest universitätsinterne große Autorität im entferntesten für sich reklamieren. Der vom Ministerium oktroyierte Hallenser Liszt­ Schüler Ernst Rosenfeld,1167 der seinen Namen offenbar für so bedenklich hielt, daß er nie vergaß, seine Herkunft aus einem mennonitischen Bauerngeschlecht der Tilsiter Niederung zu betonen, blieb auf seiner zu Güterbocks Entlastung eingerichteten Professur nur zwei Jahre (1900–1902), bevor er nach Münster ging.1168 Der 1903, knapp ein Jahr nach seiner Heidelberger Habilitation, an seiner Statt be­ rufene Eduard Kohlrausch,1169 1906 zum Ordinarius befördert und Güterbocks Platz einnehmend,1170 Ebd., Bl. 336–338; JurFak – PrMK v. 30. 7. 1912, II. Liste Nf. Arndt. Gegen das Mehrheitsvotum zu Fleisch­ mann nur Manigk, der Emeritus Güterbock enthielt sich der Stimme. Ebd., Bl. 340–345, Separatvotum Manigk v. 24. 7. 1912 (auch von Arndt unterzeichnet!): 1. Fleischmann, 2. Rothenbücher, 3. Kaufmann. Fleischmann werde von allen staatsrechtlichen Gutachtern, die die Fakultät konsultiert habe, empfohlen. Anerkannt seien seine Verdienste um die Redaktion des ‚Wörterbuchs des Deutschen Staats­ und Verwaltungsrechts‘ seit 1911. Die von ihm 1905 hg. ‚Völkerrechtsquellen‘ seien keineswegs nur „kompilatorisch“. Überdies sei er ein sehr guter Lehrer, der wertvolle Dissertationen angeregt habe. Zur umstrittenen Persönlichkeit lasse sich nur anmerken, daß die Fakultätsmehrheit sich hier an einer nicht „faßbaren Tatsache“ festbeisse, denn Fleischmann habe sich „nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen“. 1166 Ebd., Bl. 348; Vereinbarung v. 3. 1. 1913. 1167 Ebd., Bd. V, Bl. 39–41; JurFak – PrMK v. 2. 2. 1900, Liste neues strafrechtliches Extraordinariat: 1. Wolfgang Mittermaier (1867–1956), Habil. Heidelberg 1897, 1899 nb. ao. Prof. ebd., 1900 oö. Prof. Bern, 1903 Gießen. – 2. Woldemar Engelmann (1865–1942), Habil. Leipzig 1895, Schüler von Wach und Binding, 1902 ao. Prof. Leipzig, 1903 b. ao. Prof. Marburg, 1920 oö. Prof. ebd., vor allem Strafrechtshistoriker. Ausdrücklich zurückge­ wiesen wurden die Ambitionen Hubrichs, koste es, was es wolle, sich einen Lehrstuhl zu verschaffen, und sei es ein strafrechtlicher. Hier wurde bereits angeregt, für ihn eine „Anstellung außerhalb Königsbergs zu suchen“. Das PrMK antwortete auf diese Vorschläge mit der Bitte, sich zu dem schon etwas überständigen Kieler Privatdozenten Andreas Thomsen (1863–1948), Habil. Kiel 1893: Kriminalpolitische Bekämpfungsmethoden, 1900 Tit. Prof. ebd., 1902 b. ao. Prof. Münster, 1928 em., zu äußern. Als „zu alt“ lehnte ihn die Fakultät ab, gleichzeitig sich für den ursprünglich als publizistisch unausgewiesen abgelehnten Rosenfeld erwärmend: soeben sei er mit einer „grö­ ßeren Arbeit hervorgetreten“ (d. i.: ‚Die Nebenklage des Reichsstrafprozesses‘, 1900), unter der Feder hatte er das in Königsberg abgeschlossene Werk: Der Reichs­Strafprozeß (1901, 5. Aufl. 1912) (ebd., Bl. 69). Rosenfeld erhielt den Ruf zum WS. 1900/01 (ebd. Bl. 72 f., Bestallung v. 12. 10. 1900). 1168 Steveling 1999, S. 118 f. – An der kräftig strafrechtsgeschichtlich ausgerichteten FS zu Rosenfelds 80. Geburts­ tag 1949 beteiligte sich an erster Stelle sein Königsberger Nach­Nachfolger Gustav Radbruch. 1169 GStA …, Bd. V, Bl. 185 f.; JurFak – PrMK v. 7. 11. 1902, Liste Nf. Rosenfeld: 1. E. Kohlrausch (Heidelberg), Liszt­Schüler, Habil. 1902: Beiträge zur Lehre vom Rechtsirrtum. – 2. August Köhler (1873–1939), Habil. Mün­ chen, 1899: Die Lehre vom Strafantrag, 1905 nb. ao. Prof., 1913 b. ao. Prof. Jena, 1923 Prag, 1925 Erlangen. – 3. Paul Merkel (s. Catalogus sowie unten S. 229), Marburg. Kohlrauschs Bestallung erfolgte am 7. 1. 1903 zum SS. 1903 (ebd., Bl. 190). 1170 Ebd., Bl. 60 f.; JurFak – PrMK v. 20. 7. 1905, Liste Nf. Güterbock: 1. Kohlrausch, der in seiner kurzen Zeit als Extraordinarius seine Publikationsliste nicht wesentlich verlängern konnte, dem die Fakultät aber zubilligte, als Dozent „von Format“ gelten zu können. – 2. Wolfgang Mittermaier (s. o. Anm. 1167) und mit deutlichem Ab­ 1165

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richtete sich für zehn Jahre ein, bis zum WS. 1912/13, bevor er in Straßburg eine Sprosse auf der Kar­ riereleiter erklomm, die ihn schließlich nach Berlin führen sollte.1171 Doch in diesem Jahrzehnt war von seiner öffentlichen, über das Fach hinausgreifenden nationalen oder nur regionalen Präsenz nichts zu merken. Sein Kollege Alexander zu Dohna, aus Halle kommend und dort stark von Rudolf Stammler geprägt, der Kohlrausch, gegen den auf Gustav Radbruch gerichteten Fakultätswunsch 1906 im Ex­ traordinariat nachfolgte,1172 1913 dann auch dessen Lehrstuhl besetzte, hatte, wie sich spätestens 1918 herausstellte, zweifelsohne das Zeug zum politischen Professor, doch der preußische Adlige war bis 1909 als akademischer Mentor des Hohenzollernprinzen August Wilhelm von seinem Amt beurlaubt und konnte bis 1914 offensichtlich nicht so agieren wie es seinem politischem Ehrgeiz entsprochen hätte.1173 Da Dohna wegen seiner erzieherlichen Pflichten mit der Berufung sogleich beurlaubt worden war, trat zum WS. 1906/07 Paul Merkel vertretungsweise an seine Stelle. Merkel, Jahrgang 1872, 1900 in Marburg habilitiert, kannte Königsberg aus Schülerzeiten, als sein Vater den Lehrstuhl für Anatomie inne hatte.1174 Kein Grund jedoch für ihn, um hier nunmehr einzuwurzeln, zumal Dohnas baldige Rückkehr zu erwarten war. Glückliche Fügung also, daß er zum SS. 1909, als Dohnas Erziehungsauf­ trag erfüllt war, einen Ruf nach Greifswald erhielt. Per Hausberufung bekam Dohna zum SS. 1913 den Kohlrausch­Lehrstuhl.1175 An seiner Statt auf dem Extraordinariat wünschte die Fakultät wie schon 1906, als Nachfolger von Kohlrausch, den 1903 habilitierten, nicht beamteten Heidelberger Extraordinarius Gustav Radbruch, der mit einem Lehrauf­ trag an der Mannheimer Handelshochschule sein Existenzminimum bestritt und der seit zehn Jahren auf einen Ruf gewartet hatte. Für die Versorgung badischer Nachwuchskräfte fühlte man sich in Berlin aber nicht zuständig, so daß dem an zweiter Stelle gesetzten Hermann Kriegsmann, in Kiel 1906 ha­ bilitiert und seitdem dem Strafvollzug zugewandt und in seiner „Gefängniskunde“ sich als Verteidiger des status quo empfehlend,1176 als „überreifem“ preußischen Dozenten die ministerielle Fürsorge zuteil wurde.1177 Was Kriegsmann seinem Dienstherrn jedoch nicht dankte, denn bereits in seinem zweiten stand, „in eventum an letzter Stelle“ Ludwig Traeger (1856–1927), ao. Prof. Marburg 1897, oö. Prof. ebd. 1898. Kohlrauschs Bestallung erfolgte erst am 14. 8. 1906 (ebd., Bl. 81 f.) zum WS. 1906/07. 1171 Karitzky 2002, S. 50–53, 219–239. Ihm folgend: Vormbaum 2010, S. 524 ff. 1172 GStA …, Nr. 19, Bd. VI, Bl. 95 f.; Kurator – PrMK v. 21. 9. 1906 wg. Nf. Kohlrausch: Der Fakultät liege viel an Radbruch (s. u.), den auch Kohlrausch favorisiere. Von Heinrich Gerland (1874–1944) hingegen, Habil. Jena 1902, ao. Prof. ebd. 1906, oö. Prof. ebd. 1910–1939, 1918 Mitbegründer der DDP (MdR), habe sie Abstand genommen, weil er im Ruf eines „unverträglichen Kollegen“ stehe. Der Hochschulreferent Elster notierte dazu am Rand: Derartige Überlegungen hätten sich erübrigt, zu Dohnas Ernennung sei bereits erfolgt. Die am 18. 9. 1906 aufgestellte, beigefügte Liste (ebd., Bl. 96 f.) lautete: 1. Radbruch, 2. zu Dohna, 3. P. Merkel; sie war somit Makula­ tur. Die Bestallung zu Dohnas trägt das Datum v. 22. 9. 1906 zum WS. 1906/07, unter gleichzeitiger Beurlaubung als Erzieher des Prinzen August Wilhelm (ebd., Bl. 98 f.). 1173 Zur Biographie bis zur Wegberufung nach Heidelberg 1921: Escher 1993, S. 18–28. 1174 GStA …, Bd. VI, Bl. 104 f.; Vereinbarung PrMK – Merkel v. 8. 12. 1906. 1175 GStA …, Bd. VI, Bl. 361 f.; JurFak – PrMK v. 14. 1. 1913, Liste Nf. Kohlrausch: pari passu Dohna – Heinrich Gerland (s. o. Anm. 1172) – Radbruch. 1176 Vgl. Kriegsmann, Einführung in die Gefängniskunde, 1912, die den illusionslosen Standpunkt des Verfassers hinsichtlich des gesellschaftlichen Werts von Zuchthäusern und Gefängnissen recht unverblümt vorträgt: ange­ sichts hoher Rückfallquoten werde deutlich, daß der Strafvollzug nichts an den „sozialen Ursachen“ des Verbre­ chens ändere. Insoweit müsse man sich trösten, daß wenigstens der Strafzweck der Generalprävention leidlich erreicht werde, da es trotz der „erheblichen Zunahme unserer Kriminalität“ nicht zu bestreiten sei, daß „das Gefühl der Rechtssicherheit niemals so wohl begründet und niemals so stark gewesen [ist] wie heute“ (ebd., S. 342–345). 1177 GStA …, Bd. VI, Bl. 381 f.; JurFak – PrMK v. 25. 2. 1913, Liste Nf. Dohna: 1. G. Radbruch (s. Catalogus). – 2. H. Kriegsmann (s. Catalogus). – 3a. August Schoetensack (1880–1957), Habil. Würzburg 1906, nb. ao. Prof. ebd. 1910, 1913 oö. Prof. Basel, 1922 Tübingen. – 3b. Ottokar Tesar (1881–1965), Habil. Prag 1908, 1920 an

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Königsberger Semester zeigte er an, Preußen verlassen zu wollen, um im württembergischen Tübingen zum SS. 1914 ein Ordinariat zu übernehmen. Nun endlich, zum dritten Mal primo loco auf einer Königsberger Liste, kam als sein Nachfolger Gustav Radbruch zum Zuge.1178 Ingesamt vergrößerte sich die Fakultät zwischen Jahrhundertwende und Weltkrieg um zwei zivi­ lististische, ein staats­ und ein strafrechtliches Extraordinariat. Die steigenden Studentenzahlen um 1900, vom WS. 1897/98 (206) bis zum WS. 1902/03 (357), stießen zwar diesen Ausbau der Fakultät an. Doch bis 1907 stagnierte die Zahl bei lediglich 350 Studenten, um dann bis zum SS. 1914 (217) sogar so stetig wie erschreckend zurückzugehen und den Ausgangspunkt von 1897 wieder zu erreichen. Ein dazu passendes ungünstiges Bild vermittelt auch der Blick in das Hochschulschriftenverzeichnis: in zwanzig Jahren, von 1894 bis 1914, entstand im Durchschnitt alljährlich e i n e juristische Disser­ tation in Königsberg. Im preußischen Vergleich entzündete die Fakultät damit, neben Kiel, ein trau­ riges Schlußlicht, da selbst, um von Halle, Breslau oder Göttingen gar nicht erst zu reden, im kleinen Greifswald alljährlich zwei Dutzend künftige Richter oder Anwälte ihre Alma mater mit dem Dok­ tortitel verließen. Nur die Theologen – deren Doktorandenzahlen sich allerdings an allen preußischen Universitäten zwischen 1895 und 1914 auf einem ähnlich niedrigen Niveau befanden – stehen unter den Königsberger Fakultäten noch schlechter da: zehn Doktorarbeiten in zwanzig Jahren, bei gleich­ bleibend kümmerlichen Studentenzahlen seit SS. 1894, als sich 106 Studenten auf den Pastorenberuf vorbereiteten, statt der durchschnittlichen Zahl von 200 im Jahrzehnt zuvor. Studentenfrequenz und akademische Qualifikation indizieren also für diese beiden „oberen Fakultäten“ einen unverkennbaren und kontinuierlichen Bedeutungsverlust – trotz der Aufstockung des Lehrpersonals.

4.2.4. Das weltanschauliche Profil Zivilrecht In drei voluminösen, über 1.500 Seiten umfassenden Monographien, die er seit seiner Breslauer Zeit der dogmatischen Erhellung so zentraler zivilrechtlicher Begriffe wie Willenserklärung und Rechtsge­ schäft gewidmet hatte,1179 war Alfred Manigk nicht gesonnen, der „Begriffsfeindschaft“ der nach der Jahrhundertwende sich formierenden Verfechter der „Interessenjurisprudenz“ und vor allem nicht je­ ner der rührigen „Rechtserneuerer“ der „Freirechtsschule“ das Feld zu überlassen. Für Manigk bedurfte es, wie er noch kurz vor der staatlichen Umwälzung vom November 1918 mahnte, keiner freirecht­ lichen „Revolution der Rechtsmethode“, die anstelle des Gesetzes das dem vielgestaltigen „Leben“ an­ geblich mehr „Gerechtigkeit“ generierende richterliche Ermessen setzen wollte.1180 Der Königsberger Zivilist bot gegen diesen, ihm zutiefst suspekten „Modernismus“ das mühsame dogmatische Knacken harter Begriffsnüsse auf. Der Begriff sei als legales Leitseil ein unverzichtbares, rational objektivierbares und kommunizierbares „Mittel der Rechtssicherheit“, ohne das es keine Gerechtigkeit und damit letzt­ lich keinen sozialen Frieden geben könne.1181 Diese gesellschaftliche Ordnungsfunktion des Rechts die AUK berufen, siehe Bd. II). Die Vereinbarung mit Kriegsmann datiert v. 12./19. 3. 1913 zum SS. 1913 (ebd., Bl. 386). 1178 Ebd., Bd. VII, Bl. 1; PrMK – Kurator v. 17. 1. 1914: Kriegsmann habe den Tübinger Ruf angenommen, Ersatzvorschläge erbeten. Ebd., Bl. 3–5; JurFak – PrMK v. 11. 2. 1914, Liste Nf. Kriegsmann: 1. Radbruch. – 2. Franz Exner (1881–1947); Habil. Wien 1910: Das Wesen der Fahrlässigkeit, b. ao. Prof. Czernowitz, oö. Prof. Prag 1916, Leipzig 1921, München 1933. – 3. O. Tesar (s. o. Anm. 1177). Die Vereinbarung mit Radbruch zum SS. 1914 wurde am 28. 3. 1914 getroffen (ebd., Bl. 7 f.). 1179 Manigk 1901, ders. 1907, ders. 1918. 1180 Manigk 1918a, S. 26. 1181 Ebd., S. 18.

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sah Manigk, der jegliche tendenziell „überpositive“, „naturrechtliche“ Alternative zur überkommenen „Begriffsjurisprudenz“ für abwegig hielt, in Gefahr. Dürfe man mit dem historisch „gewachsenen“, aus der Kollektivpsyche, der „Volksüberzeugung“, Savignys „Volksgeist“ entstandenen Recht brechen, weil es vor den der technisch­industriellen Umwälzung entspringenden neuen Bedürfnissen und Proble­ men des Rechtsverkehrs nur scheinbar versagte?1182 Keineswegs, wie Manigk glaubte. Es genüge etwas intensivere Rechtstatsachenforschung und sorgsame Erfassung der neuen Phänomene, dann tauge das bewährte Instrumentarium, um die „neue Wirklichkeit des Lebens“ begrifflich zu subsumieren, einge­ denk des zur Bescheidenheit erziehenden erkenntnistheoretischen Axioms, daß die Begriffe ohnehin nie mehr sein könnten als ein „Surrogat der Realität“.1183 Das Zutrauen, mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch des 19. Jahrhunderts auch der Realität des 20. Jahrhunderts mit ihren „gewaltigen Neubildungen allmählich Herr zu werden“,1184 implizierte nicht nur Manigks Überzeugung, allein in dieser besten aller juristischen Welten gehe es sozial gerecht zu, es schien ihm auch das sicherste Fundament, um das Recht in den Dienst des Sittlichen zu stellen. Und das hieß für Manigk an einer Rechtsordnung mitzuarbeiten, die dem Individuum ein Maximum an „Privatautonomie“ verschafft, damit es sich dem „eigentlichen Daseinszweck“, der Ausbildung einer „kulturellen Persönlichkeit“ widmen kann.1185 In diesem liberalen Welt­ und Menschenbild wurzelnd, erlebte Manigk das Ende der Monarchie 1918 lediglich als ephemeren Maskenwechsel des bürger­ lichen Rechtsstaates, und es fiel ihm nicht schwer, sich seit 1921 in Breslau und dann in Marburg als Republikaner für die Weimarer Demokratie einzusetzen – ein nach 1933 dann mit vorzeitiger Entlas­ sung bezahltes Engagement.1186 Einem ähnlichen Kult der „Persönlichkeit“ huldigte neben Manigk für kurze Zeit der aus reichem Königsberger Kaufmannshaus stammende Felix Holldack, der sich in den zwei Jahren als Privatdozent (1909–1911) vollends zur Wertphilosophie des südwestdeutschen Neukantianismus bekehrte und dies in seinen rechtsphilosophischen Reflexionen über ‚Die Idealität des dualistischen Prinzips in der Strafe‘ kundtat. Auch er proklamiert darin als Zweck des Rechts, Sicherheit und Ordnung, den „Gemeinfrie­ den“ einer Gesellschaft zu stiften. Doch wie bei Manigk ist der Endzweck dieser Ordnung die Realisa­ tion von „Kulturwerten“, und als höchste kulturelle Aufgabe der Zukunft gilt ihm die „Entfaltung des Persönlichkeitswertes“, den er kantianisch am Maßstab der rechtlichen Freiräume, der Möglichkeiten zur „Selbstbestimmung“ mißt.1187 Der Romanist Sokolowski wurde 1908 offenkundig unter Manigks und Gradenwitz’ Federfüh­ rung berufen, obwohl seine ‚Philosophie im Privatrecht‘ voller Vorbehalte gegen den Königsberger Kult des autonomen Individuums steckte. Eine klare Linie, eine feste weltanschauliche Position ist für sie in dem massigen Opus freilich schwer auszumachen gewesen. Der Verfasser selbst stellt seine dogmenhistorisch vergleichenden Studien über das römische und das moderne, im BGB kodifizierte Eigentums­ und Besitzrecht rückblickend in die Nähe der geschichtsphilosophischen Spekulationen von Bergsons ‚Évolution créatrice‘ (1907) und Spenglers ‚Untergang des Abendlandes‘ (1918), die Die Auseinandersetzung mit der Savigny­Kritik in: Manigk 1914, S. 170–198 Ders. 1918a, S. 19. 1184 Ebd., S. 8. 1185 Ders. 1914, S. 115. 1186 Zu den Kontinuitäten und (kaum merklichen) Brüchen im rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Werk Manigks jetzt Bleckmann 2004, S. 53–93. Eine ähnliche Entwicklung, die 1919 im Lager der linksliberalen DDP endete, durchlief Manigks Kollege Wilhelm von Blume, der sich nach seinem Wechsel nach Halle (1904) und dann endgültig in der Tübinger Zeit (seit 1912) dem öffentlichen Recht zuwandte. 1914, in einem Beitrag zu Labands ‚Handbuch der Politik‘, wo ihm das Kapitel „Bedeutung und Aufgaben der Parlamente“ zugefallen war, äußerste er sich allerdings noch sehr skeptisch über die politische Zweckmäßigkeit parlamentarischer Machtteil­ habe und lehnte eine parlamentarische Regierung für Deutschland rundheraus ab (v. Blume 1914, S. 376). 1187 Holldack 1911, S. 48–51. Auch hierzu Bleckmann 2004, S. 150–162, 165 f. 1182 1183

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beide den neuzeitlichen Dynamismus gegen die antike Statik, den faustischen gegen den euklidischen Menschen als fundamentale Kulturunterschiede entdeckt haben wollen.1188 Sokolowski machte nicht an unvereinbaren „Mathematiken“ diese Kulturgrenze fest, sondern am von Carl Friedrich von Savigny wesentlich kreierten „neuen deutschen Besitzrecht“. Dessen ‚Besitzlehre‘ von 1804 verabschiede den römischen Objektivismus einer angeblich „unmittelbaren“ Beziehung zwischen Person und Sache zu­ gunsten des erkenntnistheoretischen Subjektivismus der kantischen Privatrechtslehre. Diese „Souverä­ nität der Subjekte“ dominiere die ins BGB mündende Zivilrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts.1189 Einige Seitenhiebe Sokolowskis gegen kleinere „manchesterliche“ Einfallstore in der Eigentumslehre des BGB scheinen ihn dabei als braven Apologeten des Savignyschen „Subjektivismus“ auszuwei­ sen.1190 Zumal die starken Vorbehalte gegen den modernen „Dynamismus“ nur in den Andeutungen zu erkennen sind. Erst nach 1918, als die Geschichte, so wollte es dem durch die russische Revolution auch in seinen persönlichen Eigentumsverhältnissen arg geschädigten Romanisten scheinen, ihr Ur­ teil über die moderne, individualistische Gesellschafts­ und Rechtsordnung Deutschlands gesprochen hatte, gewann die Parteinahme für die mit der Staatsordnung untrennbar verknüpfte römische Eigentumsordnung deutlicheres Profil. Das statuarische römische Recht, inspiriert durch eine „einheit­ lich abgeschlossene Weltanschauung“, unter der Herrschaft eines festen staatlichen Systems, das die Grundlage alles „Seins und Strebens“ gewesen sei, gleichwohl nicht kollektivistisch vereinnahmend, sondern effizient die „Willensherrschaft der Einzelperson“ schützend,1191 sticht nun als vorbildgebend, als staatszentrierte, die Massen einigende, zentripetale „Zivilisation“ von der zentrifugalen „Kultur“ einer Sozial­ und Herrschaftsordnung ab, die „zu sehr auf das Individuum eingestellt“ sei – wie letzt­ lich, bei aller Bewunderung für den Staat Bismarcks, das wilhelminische Deutsche Reich.1192 Aber Sokolowski war zu kurz in Königsberg, der geschichtsphilosophische Kern seiner Dogmen­ geschichte war ihm selbst zu wenig klar, als daß seine kritische Sicht auf die Privatautonomie die in der Fakultät weltanschaulich dominierenden Überzeugungen tangiert hätte. Anders stand es hingegen mit seinen Ansichten über den Wert des römischen Rechts. Dessen für ihn unentbehrliche Orientie­ rungsfunktion für die juristische Ausbildung wollte Sokolowski keiner nationalen, praktischen, öko­ nomisch geforderten „Verengung“ auf die Abrichtung zur Lösung von „Rechtsproblemen“ geopfert wissen. Mit Schopenhauer polemisierte er gegen die philosophische und historische Enthaltsamkeit der BGB­„Civilistik“, die glaube, die Handarbeit des Experimentierens könne die Kopfarbeit des Denkens ersetzen.1193 Das richtete sich zugleich gegen allzu „Deutschgläubige“. Stünden uns die „rö­ mischen Ideen“ doch allemal näher als die tapsigen Versuche unserer germanischen Vorfahren, Rechts­ begriffe abzugrenzen. Sich der römisch­rechtlichen Tradition zu entledigen, käme dem „Rückfall in einen unvollkommenen Gesittungszustand“ gleich. So sei etwa die Schwärmerei für den germanischen „Gemeinbesitz“ allein schon deshalb „wenig empfehlenswert“, weil sich ein Äquivalent in der ab­ schreckend ineffizienten russischen Agrarverfassung studieren lasse, um schnell von jeder Versuchung zur Nachahmung geheilt zu werden.1194 Auch in dieser Argumentation berührt Sokolowskis Plädoyer nicht nur Streitfragen des juristischen Curriculums. Wieder ist es die römische Staats­ und Rechts­ ordnung, an man lernen könne, wie sich ein „kraftvoller Individualismus“ in den Dienst des Ganzen nehmen lasse.1195 v. Sokolowski 1925, S. 14. Ders. 1907, S. 208 ff. 1190 Ders. 1902, S. 197–199. 1191 Ders. 1902, S. VII, 7; 1907, S. 12 f. 1192 Ders. 1925, S. 22–28, gegen die „staatenlose“ deutsche Tradition, die die „freie Organisation“ in Körper­ schaften, Vereinen, Genossenschaften als „Staatsersatz“ gepflegt habe. 1193 Ders. 1902, S. 2 f. 1194 Ders. 1907, S. 231–234. 1195 Ebd., S. 233 f. 1188

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Sokolowskis Nachfolger Fritz Litten, Zivilrechtler mit eher schwach ausgeprägtem romanistischen Profil,1196 hatte 1907 mit seinen Betrachtungen über ‚Römisches Recht und Pandekten­Recht in For­ schung und Unterricht‘ in ähnlich apodiktischer Weise gegen den „Amerikanismus“ der Beschränkung auf „das unmittelbar Praktische“ in der Juristenausbildung gewettert. Ohne vertiefte Kenntnisse in einer zur antiken Rechtsgeschichte ausgeweiteten römischen Rechtsgeschichte und ihrer abendlän­ dischen Rezeption im „gemeinen Recht“ sollte kein zukünftiger „Repräsentant der Staatsgewalt“ die Universität verlassen dürfen.1197 Litten war sich indes bewußt, gegen Windmühlen anzureiten. Daß „Dogmengeschichte“ als wissenschaftlicher Unterbau eine „praktische Bedeutung für das Reichsprivat­ recht“ haben könnte, diese Auffassung sei durchaus „im Absterben“ begriffen.1198 Die nur „juristische“, technisch auf „Falllösungen“ fixierte Richtung seiner Disziplin, die ihre historischen Wurzeln gerade in der nachjustinianischen dogmengeschichtlichen Entwicklung kappe, verlasse damit den Weg der Wissenschaft, sinke herab zu „bloße[r] Rechtskunde“ und gebe das Ideal der „universitas litterarum“ preis, dem nachzustreben, wie Litten nach 1918 immer wieder anmahnte, den wirksamsten Schutz für die, hier den Anschluß an die Verteidigung des „autonomen Subjekts“ gewinnend, „wahre Freiheit“ des Individuums garantiere.1199 Als Sohn Otto von Gierkes, des Historikers der „germanischen“ Tradition des Genossenschafts­ rechts, sah der Deutschrechtler Julius von Gierke die Konstruktion des „freien Individuums“ quasi von Haus aus skeptischer. Mit viel Sinn für die soziale Wirklichkeit kapitalistischer Rechtsordnungen fiel daher seine Prüfung der Vertragsfreiheit bei Versicherungsverträgen aus. Im Vorfeld der Beratungen für ein Versicherungsvertragsgesetz (VVG) plädierte v. Gierke 1904 auf dem Deutschen Juristentag für einen wirksamen Schutz der Versicherten durch staatliche Beschränkung der Vertragsfreiheit.1200 Das VVG von 1908 enthielt denn auch tatsächlich die von v. Gierke angeregten Schutznormen, die rechtshistorisch als frühe Vorwegnahme bundesdeutscher, dem „Markt“ etatistische Zügel anlegender Verbraucherschutzgesetze gelten.1201 Ähnlich die „Gemeinschaft“ bemühend, fallen seine rechtspoli­ tischen Erörterungen zur Einführung von Haftpflichtversicherungen aus.1202 Zumindest methodologisch schienen Manigk und den Extraordinarius Müller­Erzbach Welten zu trennen. Bei dessen Berufung war offenbar noch nicht ersichtlich, daß sich der Bonner Handelsrechtler mit seiner „nachgeholten“ Habilitationsschrift über die mittelbare Stellvertretung (1905)1203 die gegen die juristische „Lebensferne“ erhobene Forderung nach einer an den „Interessen“ des Gesetzgebers wie der Parteien im Rechtsverkehr statt an dogmatischen „Begriffen“ zu orientierenden Rechtswissenschaft zu eigen gemacht hatte.1204 Müller­Erzbach vertrat damit aber nicht die von Manigk am heftigsten bekämpfte „Freirechtsschule“, sondern war vielmehr selbst bestrebt sich ihr gegenüber abzugrenzen und als Rationalist das dort beliebte „Rechtsgefühl“ aufs Korn zu nehmen.1205 Von ihm aus Königsberger Zeit nur eine schmale Studie zur Entwicklungsgeschichte des Culpa­Problems erschienen (Litten 1910), während die Hallenser Arbeiten, vornehmlich die Dissertation (1895), die Habilschrift über die Wahlschuld (1903) und die Sondierung zur Kausalitätsproblematik anhand der Haftung des Tierhalters (1905) auf dogmenhistorische Erklärungen nur in bescheidenem Umfang angewiesen sind. 1197 Litten 1907, S. 13. 1198 Ebd., S. 20. 1199 Ebd., S. 26 f., 68 f.; zu Litten nach 1918 siehe Bd. II. 1200 v. Gierke 1904, S. 57 ff. 1201 Laube 1987, S. 479 f. 1202 v. Gierke 1907. 1203 Die versicherungsrechtliche erste Habil.­Schrift (1903) ist nie gedruckt worden und trug M.­E. auch nur die eng auf das Handelsrecht begrenzte venia ein. Nach der 1905 vorgelegten Stellvertretungs­Studie erweiterte man ihm die Lehrberechtigung auf Bürgerliches Recht, vgl. Nunn 1998, S. 51. 1204 Wissenschaftshistorisch dazu: Edelmann 1967. 1205 Müller­Erzbach 1914, in einer Polemik gegen den Straßburger Zivilisten und Rechtsphilosophen Erich Jung, der sich in seiner Marburger Zeit, ab 1921, für eine deutschnationale und völkische Rechtspolitik engagierte.

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918 Strafrecht

Wie alle Schüler Franz von Liszts wurde Kohlrausch schon im Berliner Seminar des Meisters in des­ sen selbstauferlegte rechtspolitische Herkulesaufgabe eingespannt: die Reform des Strafgesetzbuches von 1871, das so wenig wie das Verfahrensrecht geeignet war, „auf die sozialen Umwälzungen im industriellen Zeitalter zu reagieren“.1206 Kohlrausch führte sich an der Albertina mit einer Kritik am Rechtspositivismus Adolf Merkels ein, in dessen Vergeltungstheorie der Strafe als Sühne die soziale Dimension des Verbrechens keine Rolle spielte.1207 Fortan blieb er in Königsberg jedoch ein „Kriminal­ politiker in Wartestellung“, noch weit entfernt von den entschiedenen Positionen, die er als Berliner Ordinarius während der Reformdiskussionen der Weimarer Zeit beziehen sollte.1208 In den Königsber­ ger Jahren ist keine programmatische Schrift entstanden, an der man die kriminalpolitische Stellung Kohlrauschs an der Seite v. Liszts ablesen könne. Nur „Spurenelemente“ lassen sich nachweisen, die etwa Sympathien für den Besserungs­ und Erziehungsgedanken im Strafrecht, die „soziales Bewußt­ sein“ auf der Suche nach einer alternativen Handhabung der Jugendkriminalität verraten.1209 Dohna, im Vergleich mit Kohlrausch mehr Gewicht auf die rechtsphilosophische Seite seiner Dis­ ziplin legend, versuchte als neukantianischer Eklektiker der um 1900 allgegenwärtigen Überzeugung von der „Relativität aller Normen“ zu entfliehen.1210 Da er nicht an einen Rückfall ins Naturrecht dachte, blieb nur der Versuch, in Anlehnung an seinen Lehrer Rudolf Stammler, einen rein formalen, kantischen Imperativ zu formulieren, um etwas der Rechtsordnung Konstantes anzubieten. Dohna wählte dafür die (Leer­) Formel von den rechten Mitteln für rechte Zwecke, an deren Leitseil Gesetz­ geber und Rechtsprechung sich nur halten müßten, um zu „angemessenen“ Regelungen des sozialen Gemeinschaftslebens zu gelangen. Damit räumte er dem richterlichen Ermessen viel Platz ein und rückte methodisch in die Nähe der „Freirechtsschule“. Ob hier schon Barrieren entfernt wurden, die nach 1933 fehlten, als Zivil­ wie Strafrecht unter die Herrschaft der „Generalklauseln“ und der an der „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“­Formel orientierten „unbegrenzten Auslegung“ kamen,1211 mag da­ hinstehen. Denn ungleich bedeutsamer ist die von Alfred Escher herausgearbeitete Intention, die alle strafrechtlichen Abhandlungen Dohnas aus der Hallenser und Königsberger Zeit bis 1921 strukturiert: mit der Einsicht in die „Angemessenheit“ der Mittel­Zweck­Relation solle die Überzeugung von der „Richtigkeit“ der Strafrechtsordnung vertieft, das „Rechtsvertrauen“ gefestigt werden. Fixpunkt seiner strafrechtstheoretischen Reflexionen sei es daher gewesen, den Status quo der wilhelminischen Rechts­ und Gesellschaftsordnung reformierend bewahren zu helfen.1212 Ähnliche Intentionen sind den vornehmlich rechtstheoretischen, rechtsphilosophischen und straf­ rechtspolitischen Schriften von Dohnas Nachfolger Gustav Radbruch fremd. Als ihn der Ruf zum SS. 1914 erreichte, stand er weltanschaulich fest im sozialdemokratischen Lager.1213 Nur Karriererück­ sichten – eine formale Mitgliedschaft hätte bis 1918 auch außerhalb Preußens den Aufstieg ins Extra­ ordinariat verbaut –, hinderten ihn, der Partei beizutreten. Diesen Schritt holte Radbruch erst während der Novemberrevolution nach. Eine aufmerksame Lektüre allein seiner ‚Einleitung in die Rechtswis­ senschaft‘ (1910) hätte dem Personalreferenten Elster indes genügen müssen, um zu erkennen, daß Rüping 2002, S. 106. Kohlrausch 1904. 1208 Karitzky 2002, S. 239. 1209 Ebd., S. 226 f. 1210 So zur Ausgangslage zu Dohnas: Escher 1993, S. 46. 1211 Darauf fortwährend hinweisend Escher 1993. 1212 Escher 1993, S. 21 ff. 1213 Spätestens mit der Teilnahme am Begräbnis von August Bebel, im August 1913 in Zürich, als im Kaiserreich die „bestehenden Herrschaftsstrukturen schon spürbar wankten“, sei sich Radbruch „endgültig darüber klargewor­ den, wo er zu stehen habe“; so sein Schüler und Biograph Arthur Kaufmann 1987, S. 64. 1206

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der Heidelberger Professor sich schon eine Strafrechtsreform nicht ohne tiefgreifende Veränderungen der sozialen Ordnung vorstellen mochte. Aber die Empfehlungen Kohlrauschs und Dohnas waren für Elster wohl die im Vergleich mit einer Autopsie der ihm fremden rechtstheoretischen Materie der Radbruch­Schriften bequemeren Entscheidungshilfen. Seine ‚Einführung‘ ist durchzogen von Stellungnahmen, die Sympathien für sozialdemokratische Programmatik wenigstens andeuten oder ihr sogar offen beipflichten. Gegen Moltkes berühmtes belli­ zistisches Diktum, ohne gelegentliche Stahlbäder werde die Menschheit im Materialismus versumpfen, setzt Radbruch die pazifistische Vision einer durch Völkerrecht und Schiedsgericht friedlicher wer­ denden Staatenwelt sowie die kosmopolitische Hoffnung eines „immer festeren Zusammenlebens der Staatengesellschaft“, die sich aus ihrer rechtlichen und ökonomischen Vernetzung ergeben werde.1214 Innenpolitisch entspricht seine Forderung nach strikter Trennung von Staat und Kirche dem atheis­ tischen SPD­Credo von der Religion als Privatsache.1215 Vom Verwaltungsrecht erwartet er als Mini­ mum die „Korrektur eines manchesterlichen Privatrechts im sozialen Sinne eines Wohlfahrtstaates“.1216 Ob der parlamentarisch regierte italienische Einheitsstaat nicht das zukunftstauglichere Modell gegen­ über dem deutschen Bundesstaat abgebe, dem „ ‚gewaltige Gegengewichte‘ “ gegen die Möglichkeit parlamentarischer Vorherrschaft eingefügt worden seien? Das staatsrechtliche Kapitel der ‚Einleitung‘, das mit diesem Kontrast vermeintlich unentschieden endete, konnte den Leser über Radbruchs Ableh­ nung der konstitutionellen Monarchie nicht im Unklaren lassen.1217 Auch nicht über sein Verständnis für die sozialdemokratische Kritik an der „Klassenjustiz“, das „ ‚Mißtrauen des Volkes in die Rechts­ pflege‘ “.1218 Und für seine Ablehnung der Todesstrafe rekurriert Radbruch sogar ungeniert auf die dagegen protestierende Resolution eines SPD­Parteitages.1219 Die Großbürgertum und preußischem Militäradel entstammenden Strafrechtslehrer Kohlrausch, Dohna und Radbruch kamen aus der Schule Franz von Liszts, begriffen Strafrecht und Strafrechts­ pflege als soziale Steuerungsinstrumente, erkannten die sozialpolitische Dimension der seit 1900 viru­ lenten, bis 1918 nicht realisierten Entwürfe zur Novellierung von RStGB und RStPO, und sprachen sich mehr (Radbruch) oder weniger (Kohlrausch, Dohna) für ein den gesellschaftlichen Verände­ rungen Rechnung tragendes modernes Straf­, Strafprozeß­ und Strafvollzugsrecht aus. Mit Radbruchs Berufung fanden sich die Königsberger Juristen daher unter den Fakultäten, die im Reformdiskurs der Kaiserzeit zur strafrechtlichen „Fortschrittspartei“ zählten. Nicht erstaunlich, wenn Radbruch erfreut feststellte, in eine Fakultät gekommen zu sein, wo er unter Gleichaltrigen keine „Bonzen“ antraf, wo er nicht nur persönlich „manchen alten Plunder“ hinter sich lassen durfte.1220 Staats­, Völker­ und Kolonialrecht Für die Königsberger Staatsrechtler war das erste Jahrzehnt seit 1900 eine Zeit interner Fehden. Arndt erbte von seinem Vorgänger Zorn den Dauerkonflikt mit dem Extraordinarius Hubrich. Persönliche Animositäten grundierten und befeuerten dabei die „fachlichen“ Diskurse. In der jeweiligen Sache lagen die drei Streithähne eigentlich nie sehr weit auseinander. So hatte Hubrich als Versammlungs­ redner ostpreußischer Konservativer in drastischen Wendungen gefordert, die „Slawisierung“ einiger Radbruch 1987 (1910), S. 185–191. Ebd., S.180. 1216 Ebd., S. 171. 1217 Ebd., S. 109–118, hier zit. S. 118. 1218 Ebd., S. 156. 1219 Allerdings an recht versteckter Stelle in der Rezension eines vom Kieler Strafrechtler Moritz Liepmann ver­ öffentlichten Gutachtens zur Todesstrafe, 1913 im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik; wieder in: Rad­ bruch 1995, S. 268. 1220 Brief an Dora Busch, geb. Jellinek v. 7. 4. 1915 über sein erstes Königsberger Jahr, in: Radbruch 1991, S. 195. 1214

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Regionen des deutschen Ostens endlich wirksamer zu bekämpfen.1221 Mit einer letzten seiner vielen Polemiken hatte sich auch Zorn des Themas angenommen und schon von Bonn aus Königsberg und dem Osten mit dem Rat Valet gesagt, polnische Vereine und Versammlungen die geballte Macht des preußischen Polizeirechts spüren zu lassen.1222 Der Dissens mit Hubrich ergab sich daraus, wie das von beiden einmütig erstrebte politische Ziel, die Bekämpfung des „reichsfeindlichen Polentums“, mit Hilfe von Justiz und Polizei zu erreichen war. Zorn war dafür bereit, das preußische Versamm­ lungsgesetz von 1850 und das Gesetz über die Anwendung des Deutschen als Staatssprache von 1876 in bedenklichster Weise zu kombinieren, um die Auflösung politischer Versammlungen stets dann zu empfehlen, wenn Redner sich des Polnischen bedienten. Hubrich sah darin mit klar überlegenen Gründen eine Exegese contra legem und fürchtete um Preußens Ruf als Rechtsstaat:1223 „Der Kampf zweier Nationalitäten, wie ein solcher jetzt in den Ostmarken Preußens geführt wird, ist schon an und für sich wohl der gehässigste, den unser irdisches Jammertal kennt. Zu dauerndem Siege kann er nach meiner Überzeugung nur dann der einen oder der anderen Partei gedeihen, wenn Schild und Schwert rein und fleckenlos gehalten werden, wenn alles vermieden wird, was den Kämpfer auch nur mit dem Scheine des Unrechts belastet.“ Der sauberste Weg sei daher, das Gesetz zu novellieren und für alle Versammlungen, in denen öffent­ liche Angelegenheiten erörtert würden, nur den Gebrauch der deutschen Sprache zuzulassen. So bege­ gne man „mit einem scharfen Messerschnitt allen polnischen Machinationen“.1224 Eine ähnliche Konstellation zeigt Hubrichs Streit mit Arndt. Beide hielten von der konstitutio­ nellen Monarchie nicht viel. Arndt wollte für die Krone daher als absolutistisches Residuum ein „selb­ ständiges Verordnungsrecht“ konstruieren.1225 Hubrich, mit entfesselter Verbissenheit gegen seinen Ordinarius fechtend, blickte hingegen gern über den juristischen Tellerrand hinaus und rechnete mit der gesellschaftlichen Dimension des Rechts. Arndts vor­konstitutionelle, wenn auch praktisch wenig relevante Verfassungsinterpretation mußte in einem modernen Industriestaat mit unübersehbar mäch­ tiger werdendem Zug zur parlamentarischen Demokratie den Status quo eher gefährden als stabilisie­ ren.1226 Darum schlug sich Hubrich auf die Seite der von Laband, O. Mayer, Anschütz, Preuß u. v. a. vertretenen „herrschenden Meinung“, die sich auch im Einklang mit dem Reichsgericht befand.1227 Hubrich wurde 1908 durch den „Konstitutionalisten“ Josef Lukas abgelöst, dem wiederum der gleichgerichtete, aber mehr kolonial­ und völkerrechtlich interessierte Max Fleischmann folgte. Den nahm in der Vorkriegszeit die Herausgabe des „völlig neu gearbeiteten und erweiterten“, von Karl von Stengel begründeten ‚Wörterbuchs des Deutschen Staats­ und Verwaltungsrechts‘ immens in An­ spruch.1228 Auch hierin ist er mit einigen Artikeln über die „Schutzgebiete“, des überseeischen deut­

Siehe oben Kap. 2. 2. 2. Zorn 1903 (zuerst: Verwaltungsarchiv 10, 1902, S. 1 ff.) 1223 Hubrich 1903, S. 9 f.; Gelinek 2009, Bl. 175, hält diese Broschüre für unauffindbar. 1224 Ders. 1904 b, S. 589 f. 1225 So Arndt schon 1884, ders. 1902a, 1902b, 1904, sowie als Replik auf Hubrich 1904a die Polemik von Arndt 1905. Vgl. oben S. 224. 1226 Hubrich 1904a, bes. S. 829–860; ders. 1905b. 1227 Daß es sich dabei nicht um einen „müßige[n] Lehrstreit“ handelte, hob Hubrichs Nach­Nachfolger Fleisch­ mann 1914a, S. 277, hervor: Die Unterscheidung von formellem und materiellen Recht sei „politisch überaus bedeutsam“. Wenn auch, so muß man wohl einschränken, eher symbolpolitisch, da das von Arndt und Conrad Bornhak, dem nachmaligen „Ludendorff des deutschen Staatsrechts“, statuierte selbständige Verordnungsrecht des Landesherrn eben von geringer praktischer Relevanz gewesen wäre. 1228 Erschienen in drei Bänden Tübingen 1911–1914. 1221

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schen Kolonialbesitzes, vertreten.1229 In der auch von Staatsrechtlern der übrigen europäischen Kolo­ nialmächte viel diskutierten Frage der Zulässigkeit von „Mischehen“ zwischen Weißen und Farbigen verfocht Fleischmann den unumschränkt herrschenden Standpunkt, demzufolge die „Sicherung der Reinheit der weißen Rasse“ mit dem gesetzlichen Mittel des Eheverbots erfolgen müsse. Darüber­ hinaus sollte die Einwanderung weißer Frauen in die Kolonien gefördert werden. Fleischmann ar­ gumentiert dabei nicht „rassistisch“ aufgrund der Überzeugung, die Menschheit unterteile sich in hoch­ und minderwertige Rassen, sondern in Anlehnung an westeuropäische Kollegen pragmatisch im Sinne effizienter Herrschaftssicherung. Mischlinge seien bekanntlich „geborene Führer der Eingebore­ nenmassen“ in Aufständen gegen Kolonialmächte. Mischehen trügen zu einer „qualitativen Verschie­ bung“ des kulturellen und sozialen Gefälles zwischen Herrschern und Beherrschten bei, was selbst bei den bisher statistisch erfassten minimalen Zahlen der Eheschließungen und der unehelich gezeugten Mischlinge eine Gefahr für die innere Stabilität der Kolonialgebiete bedeute. Gegen weitere Mischung müsse daher durch gesetzliches Verbot ein „Damm“ errichtet werden.1230 Die Kolonialpolitik bildete auch den Hintergrund seiner völkerrechtlichen Erörterung des Maskat­ Falls, eines englisch­französischen Konflikts im Sultanat Oman, an der Südostecke Arabiens. Nicht weil der durch Haager Schiedsspruch entschiedene Streit zu den causes célèbres im Prozeßregister des Ständigen Schiedshofs zählte, nahm sich Fleischmann seiner an, sondern weil ihm der unspektakuläre Fall als weltpolitisches Barometer taugte. Es ließ sich daran die Machtverschiebung im Nahen Osten ablesen. Der gegen Frankreich gefällte Spruch habe im zutreffenden Urteil französischer Völkerrechtler „das letzte Bollwerk gegen die Unterstellung des Persischen Golfs unter Englands Herrschaft beiseite geschoben“.1231 Abgesehen davon, daß Fleischmanns Darstellung solche latenten Spannungen unter den Partnern der Entente cordiale offenlegt, enthalten seine mit viel kultur­ und kolonialhistorischem Kolorit versehenen Darlegungen ein klares Bekenntnis zum „Gedanken der Schiedsgerichtsbarkeit“, der völkerrechtlichen Streitschlichtung durch einen Internationalen Gerichtshof.1232 Auf das staats­ und völkerrechtliche Ordinariat kam 1913 mit Erich Kaufmann ein Jurist in die Fakultät, der schlecht in die „konstitutionelle“ Linie von Hubrich, Lukas und Fleischmann, gut aber in die von Zorn und Arndt begründete und gehütete hochkonservative Kontinuität passte. Womit sich wohl erklärt, warum er nicht die erste Wahl der von Kohlrausch, Manigk und Litten nationalliberal dominierten Fakultät war. Kaufmanns intellektuelle Statur scheint unabtrennbar von seiner bis heute als „berüchtigt“ gel­ tenden Arbeit über ‚Das Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sic stantibus‘ von 1911. Sie enthält das schon von Zeitgenossen als anstößig empfundene, gegen Rudolf Stammler gerichtete Dik­ tum, nicht die Gemeinschaft frei wollender Menschen sondern der „siegreiche Krieg“ sei das „soziale Ideal“, der Maßstab einer „richtigen“ Rechtsordnung.1233 Derart artikuliere sich, ist jüngst geurteilt worden, ein „philosophischer Bellizismus“, der das Völkerrecht leugne, das Recht der Macht ausliefere, die „imperialistische Politik“ des wilhelminischen Kaiserreichs legitimiere, eine „mentale Situation“ schaffe, die für die Kriegsbereitschaft im Sommer 1914 „innere Hemmschwellen“ beseitigte und, so

Flagge für die Schutzgebiete, Freizügigkeit ebd., Hinterlegungswesen ebd., Maß und Gewicht ebd., Schutzge­ biete/Auswärtige Angelegenheiten. 1230 Fleischmann 1910, S. 556, 561 f., 565 f.; dazu moralisierend: Pauly 1996, S. 37. 1231 Fleischmann 1917 (abgeschlossen 1914), S. 439. Fleischmann hat den im Frühjahr 1914 ausgedruckten Text 1917 mit einem kurzen Nachwort versehen, das die Aktualität des Maskat­Falles wegen der dabei offenkundig ge­ wordenen tiefgreifenden Machtkonkurrenz der westlichen Kriegsfeinde des Deutschen Reiches hervorhebt (ebd., S. 452). 1232 Ebd., S. 440. 1233 Kaufmann 1911, S. 146.

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der finale Vorwurf eines zügellosen Moralismus gegen den 1934 als Berliner Hochschullehrer entlas­ senen „Volljuden“ Kaufmann: er habe „den ideologischen Boden für die NSDAP“ bereitet.1234 Tatsächlich ist die ‚Clausula‘­Schrift aber nicht von Kaufmanns hegelianisch­idealistischem Staats­ begriff zu trennen und nur von daher angemessen zu verstehen.1235 Der souveräne Nationalstaat, der sich unter Gleichen im äußersten Fall auch kriegerisch „selbstbehauptet“, ist gedacht als „sittlicher Machtstaat“. Kaufmann, mit einer Dissertation über die Ideengeschichte des „monarchischen Prinzips“ und als Analytiker der staatsrechtlichen „Organismus­“ und „Ganzheits“­Metaphern des 19. Jahrhun­ derts ausgewiesen,1236 war mit Hegel davon überzeugt, daß der Staat die „Wirklichkeit der konkreten Freiheit“ sei, die „Einheit des Individuellen und Überindividuellen“. Das Allgemeine werde vom Indi­ viduum „betätigt“, oder mit Ranke: die öffentliche Wohlfahrt und die Entwicklung der persönlichen Eigenheit bedingten einander. Woraus Kaufmann folgert: erst durch ein Überindividuelles werde das Individuum zum „wirklichen Individuum“.1237 Die „Genossenschaftlichkeit“ mithin verstanden als höchste Existenzform, so daß die Widmung der Arbeit für Otto von Gierke, den Kaufmann verehrte, weil ihm die erste plausible, nicht mechanistische Herleitung des als „Organismus“ zu denkenden Staates gelungen sei,1238 mehr als eine Höflichkeitsgeste bedeutete. Der derart als integriert und ver­ gemeinschaftet imaginierte Mensch muß der menschlichste Mensch sein, denn das Kollektiv, dem er sich einordnet, verfolgt „richtige Ziele“ soweit der Staat eine „universale Rechtsordnung“ realisiert, und seine Selbstbehauptung „zum Zwecke der Teilnahme an den Kulturgütern der Menschheit“ und der „Teilnahme an der Weltgeschichte“ betreibt. Das „Tragen und Getragenwerden“, die „gegenseitige Durchdringung von ‚Herrschaft‘ und ‚Genossenschaft‘ “ erreicht dabei im Extrem­ und Ernstfall des Krieges die höchste Intensität der „Belebung und Entfaltung sämtlicher physikalischer und mora­ lischer Energien“, deren Mobilisierung der Staat als „Sammler und Zusammenfasser aller Kräfte“ auch sein friedliches Alltagsgeschäft widmet.1239 Kaufmann setzt dabei das souveräne „Recht zum Kriege“ mit dem Gros der Völkerrechtler seiner Zeit als ebenso selbstverständlich voraus wie das Recht, völkerrechtliche Verträge zu kündigen, wenn sich die Umstände, unter denen sie geschlossen wurden, geändert haben. Ebensowenig isoliert stand er mit seiner Vorstellung vom Krieg als „Gottesgericht“ da, im Vertrauen darauf, daß jene Volksgemein­ schaft, die alle sittlichen Energien entfesselte, um ihre „Kulturziele“ zu realisieren, zwangsläufig nach den Regeln einer höheren Gerechtigkeit sich durchsetzt. Was sich der „Völkerrechtsleugner“ (Kelsen) Kaufmann unter konkreter „Sittlichkeit“ oder einem Staat als „sittliches Reich“ vorstellte, darüber blieb er die Auskunft schuldig.1240 Daß er bereit war, dem deutschen Kaiserreich auch bei der Verfol­ Kachel 2004, S. 409–418. In seiner schulmeisternd­altklugen Suada riskiert Vf. auch eine Reihe von Anachro­ nismen, ohne die freilich ein selbstgerechter Präsentismus selten auskommt. So wenn er Kaufmanns angebliche „Kriegsverherrlichung“ von 1911 „mit Blick auf den Ersten Weltkrieg“ für „gefährlich“ hält, oder eine „antidemo­ kratische Grundtendenz“ bemäkelt. Natürlich handelt es sich bei Kaufmanns Kritik am angelsächsischen Welt­ herrschaftsstreben, vorgebracht 1917 (s. u. Kap. 8), für Kachels schlichtes Gemüt auch nur um „Ressentiments“ gegen „westliche Ideen“ (ebd., S. 424). Nicht nur hier nehmen sich Kachels Expektorationen wie eine Dublette der giftigen Polemik Kurt Hillers gegen Kaufmann aus: „der pazifismusfeindlichste, macchiavellistischste und reaktio­ närste Völkerrechtslehrer des Deutschen Reichs“, der „Ermutiger verbrecherischer Staatslenker zum Angriffskrieg“, der „Mitschuldige an Millionen Toden Schuldloser“, „ein Jude, der im Bunde mit teutonischer Reaktion handelt“ (1950, S. 73, 77 f.). 1235 Diesen im Vergleich zu Kachel hermeneutisch fruchtbringenderen Ansatz verfolgt Degenhardt 2008. 1236 Kaufmann 1906 und Ders. 1908. 1237 Kaufmann 1911, S. 144 f. 1238 Ders. 1908b, S. 32; wieder in: Ders. 1960, Bd. I, S. 1–49, vgl. a. ebd. Bd. II, S. 3–66. Zur Überlegenheit der „organischen“ Reichs­ über die US­Verfassung vgl. Ders. 1908a, S. 193–203. 1239 Ders. 1911, S. 135, 136 f., 140. 1240 An entlegener Stelle, etwa gleichzeitig mit Littens Reflexionen über die Reformbedürftigkeit des juristischen Studiums, als Kaufmann sich ebenso über die bei die Studenten „tief im Kurs gesunkene juristische Wissen­ 1234

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gung scheinbar profan­materieller, der „Verteilung der Lebensgüter“ gewidmeten ökonomischen wie kolonial­imperialen Ziele diese Idealität staatlichen Agierens zuzubilligen, darüber kann indes sowenig ein Zweifel bestehen, wie an seiner Überzeugung, dem Primat der „auswärtigen Politik“ sei die Ord­ nung der inneren, gesellschaftlichen Strukturen unterzuordnen. Eine parlamentarisch­demokratische Verfassung Deutschlands hielt er, hierin in der schroffen Apodiktizität des Urteils nahtlos an Zorn und Arndt anschließend, bis 1918 daher für die denkbar ungeeignetste, die innere Einheit gefährdende Basis einer erfolgreichen „Selbstbehauptung“.1241

4.3.

Die Medizinische Fakultät

4.3.1. Berufungen und Habilitationen Das junge 20. Jahrhundert stand in der Medizinischen Fakultät im Zeichen personeller Kontinuität. 1897 war eines der wichtigsten klinischen Fächer für fast dreißig Jahre versorgt worden: gegen den Wi­ derstand der Fakultät wurde ihr der Berliner Gynäkologe Georg Winter oktroyiert.1242 Der gebürtige Rostocker, Jahrgang 1856, und daher aus Sicht des Ministeriums überreif für eine „Versorgung“, fand, neben dem Bemühen, das gerade in Ostpreußen häufigere Kindbettfieber einzudämmen, in Königsberg zum „Problem meines Lebens“: der Bekämpfung des Uteruskrebs durch Früherkennung.1243 Energisch schaft“ beklagt, deutet er wenigstens ex negativo an, welche Daseinsordnung keinesfalls für sich in Anspruch neh­ men dürfe, „Kulturziele“ zu verfolgen: die vom „amerikanisch­praktisch­utilitaristische[n] Geist“ durchdrungene (1910, S. 22). 1241 Kaufmann 1911, S. 147 f. 1242 GStA, Bd. IX: Bl. 378; Kur. AUK – PrMK v. 15. 10. 1896: Dohrn sei um Urlaub eingekommen, Fakultät sei zur Abgabe von Vertretungsvorschlägen aufgefordert worden, wünscht den allerdings schon 50jährigen Königs­ berger Hildebrandt­Schüler Hermann Münster, dort seit 1877 (s. Catalogus), der aber nur die Vertretung für das WS. 1896/97 erhielt und zur Belohnung am 8. 4. 1897 zum nb. ao. Prof. ernannt wurde. Für die Dohrn­Nach­ folge wurde er dann jedoch nicht in Betracht gezogen. Die Liste v. 26. 5. 1897 (ebd., Bl. 408 f.) nannte nur drei renommierte auswärtige Kandidaten aus der Ordinarienriege, griff dabei aber wieder einmal zu hoch: 1. Hermann Löhlein, 1847 St. Moritz bei Coburg–1901 Gießen, aus der Berliner Frauenklinik E. Martins, Prom. FWU 1870: Ueber die Kunsthülfe bei der durch allgemeine Beckenenge erschwerten Geburt, 1870/71 Kriegsteilnahme, Habil. f. Geburtshilfe u. Gynäkologie ebd. 1875: Ueber das Verhalten des Herzens bei Schwangeren und Wöchnerinnen, WS. 1888 ord. Prof. f. Geburtshilfe u. Gynäkologie Gießen (Nf. Max Hofmeier), Rektor 1898/99, verdient um die Einführung der strikten Asepsis in der Gießener Klinik, um die Eindämmung des Puerpuralfiebers und, wie Dohrn in Ostpreußen, um die Verbesserung der Hebammen­Ausbildung, zu Vita u. Werk Krauß 1988. – 2. Alfons von Rosthorn, 1857 Oed bei Wien–1909 Knittelfeld/Steiermark, Billroth­Schüler wie v. Eiselsberg, 1885 Prom. Wien, 1891 Habil. f. Frauenheilkunde ebd., 1892 b. ao., 1894 oö. Prof. Prag, 1899 Graz, 1902 Heidelberg, 1908 Wien, Hauptwerk: Die Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane, 2 Bde., Wien 1896. – 3. Ernst Bumm, 1858 Würzburg–1925 München, 1880 Prom. u. 1885 Habil. f. Geburtshilfe u. Gynäkologie Würzburg 1885: Mikroorganismus der gonorrhoischen Schleimhauterkrankungen ‚Gonocus Neisser‘; Privatklinik ebd., oö Prof. Basel 1894, 1900 Halle, 1904 FWU, Charité (Nf. Gusserow), 1910 ebd. (Nf. Olshausen), Direktor Univ.­Frauen­ klinik, bakteriologisch­gynäk. Grundlagenforschung, 1901: Grundriß zum Studium der Geburtshilfe. – Immerhin hat Althoff Löhlein ein Berufungsangebot unterbreitet, sich aber die erwartbare Absage eingefangen (ebd., Bl. 33, Schreiben v. 9. 7. 1897). Kurz darauf ging daher die Aufforderung ab, die Fakultät möge sich zu dem nb. Berliner Extraordinarius Georg Winter äußern (ebd., Bl. 417; PrMK – Kur. AUK v. 19. 6. 1897). Prompt kam die Antwort: Winter stehe „den drei auf der Liste genannten entschieden nach“! (ebd., Bd. X, Bl. 4; Schreiben v. 24. 6. 1897). Berufen wurde er natürlich trotzdem (ebd., Bl. 10 f.; 16. 8. 1897, Bestallungsvorschlag Winter, der von 1884–1897 als plm. Assistent an der Univ.­Frauenklinik der FWU tätig war, immerhin zehn Jahre nach der 1887 erfolgten Habilitation). 1243 Winter 1944, S. 144 ff.; ders. 1904.

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begann er seinen „regelrechten Kampf“ gegen die Verschleppung des Gebärmutterkrebses, geführt mit Broschüren, Flugblättern („150.000 Merkblätter gelangten in den kleinen Gemeinden zur Ver­ teilung“), Zeitungsannoncen, bewußt begrenzt auf Ostpreußen, um in der Beschränkung auf eine Provinz den durchschlagendsten Erfolg zu erzielen.1244 Der stellte sich bis 1914 wirklich ein. Doch der Weltkrieg, einhergehend mit Existenzsorgen, Geldknappheit, Ärztemangel auf dem Lande, brachte einen herben Rückschlag und machte die Aufklärungsarbeit Winters zunichte: 1919 war die Zahl der inoperablen Uteruskrebse wieder auf 76 % angestiegen, nachdem 1911 ein Rückgang auf 34 % ver­ bucht worden war.1245 Während des Krieges wandte Winter sich daher einem anderen Kampfabschnitt des Geburtshelfers zu: der Bevölkerungspolitik.1246 1899 übernahm Richard Pfeiffer das Hygienische Institut aus den Händen des erleichtert nach Göttingen ziehenden Erwin von Esmarch. Pfeiffer, 1858 geboren in der Provinz Posen, wo sein Lehrer Robert Koch als Kreisphysikus seine bahnbrechenden Entdeckungen zur Ätiologie des Milzbrandes gemacht hatte, kam aus der militärärztlichen Laufbahn, habilitierte sich 1891 in Berlin und galt in den 90er Jahren als führender Experte in der Choleraforschung. Der Albertina blieb er trotz dieses in der Regel schnelle Fortberufungen provozierenden Ansehens zehn Jahre erhalten.1247 Abgesehen von der schon notorischen Unruhe in der Chirurgischen Klinik, wo der Chefposten 1890 von Mikulicz auf Heinrich Braun, 1896 auf Anton von Eiselsberg und 1901 auf Karl Garré überging, der 1906 seinen Stuhl für Erich Lexer räumte, dessen Nachfolger 1910 für nur ein Jahr Erwin Payr wurde, der 1911 nach Leipzig zog, und für den Paul Friedrich aus Marburg nachrückte,1248 abgesehen also von diesem munteren Reigen, standen in den „Kernfächern“ bis 1910 nur drei Neuberufungen an, 1903 und 1906 auf den Lehrstuhl des Pathologen Ernst Neumann, 1909 die Nachfolge des Hygienikers und Bakteriologen Pfeiffer, während sich die Personalveränderungen ansonsten nur auf die medizinischen Spezialfächer erstreckten. Die Nachfolge des Pathologen Ernst Neumann Bei Neumanns Nachfolge demonstrierte die „freisinnige“ Fakultätsmehrheit, die im Fall des konserva­ tiven Winter hatte zurückstecken müssen, daß sie weiteren Boden nicht preisgeben wollte. Allerdings mußten zwei der Exponenten des Freisinns, Neumann selbst und Jaffé, ein Sondervotum einreichen, um ihren Favoriten ins Spiel zu bringen, den frisch habilitierten Königsberger Privatdozenten Max As­ Winter 1944, S. 145 f. Vgl. zu Winters Kampagnen die ausführliche Darstellung seines Oberarztes Ernst Sachs 1910. 1245 Winter 1944, S. 147. 1246 Dazu Kap. III, 6.3. 1247 Mit dem Verweis auf das Anwachsen der Großstädte und die stetig steigende Ausdehnung der Industrie mit ihren Folgen für die Volksgesundheit begründete Althoff die „große Nützlichkeit“ des hygienischen Unterrichts, der endlich auch in Königsberg durch die Einrichtung eines Ordinariats gehoben werden müsse (GStA …, Nr. 20, Bd. X, Bl. 13 f.; PrMK – PrMF, Etatanmeldung v. 28. 8. 1897). Die Mittel, um v. Esmarchs Extraord. in ein Or­ dinariat umzuwandeln, wurden im Etat 1898/99 gewährt. Ebd., Bl. 196 f.; MedFak – PrMK v. 2. 6. 1899, Liste Nf. v. Esmarch: 1. R. Pfeiffer (FWU), s. Catalogus; von der Fakultät geschätzte Schwerpunkte: Bakteriologie, Choleraforschung.– 2a. Rudolf Abel, 1868 Frankfurt/O.–1942 Jena, Prom. Greifswald 1890, 1893 ebd. Habil. f. Hygiene, lange Zeit Physikus in Hamburg, beim Polizeipräsidenten Berlin, Referent für Gesundheitspflege im PrMK u. PrMdI, 1915–1935 oö. Prof. f. Hygiene u. Bakteriologie Jena (vgl. Giese/Hagen 1958, S. 520 ff.), dort von der klassischen Bakteriologie sich weg­, zur allgemeinen Hygiene (Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Mit­Hg. der Zss. Gesundheits­Ingenieur u. Öffentliche Gesundheitspflege) sich hinwendend; bemerkenswert die von ihm edierte Aufsatzsammlung ‚Die gesundheitlichen Verhältnisse der deutschen Seebadeorte‘, darin S. 1–40: Die Seebadeorte in Ost­ und in Westpreußen (Vjs. f. gerichtl Medizin 46, 1913, Supplement­Heft). – 2b. Heinrich Jäger (1856, s. Catalogus), 1897 Habil. AUK. – 3. Walther Kruse (Bonn), s. u. zur Nf. Pfeiffer 1909. 1248 Siehe unten, Abschnitt Chirurgie. 1244

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kanazy, am Pathologischen Institut seit der Promotion 1890 als Assistent arbeitend und entsprechend dem hämatologischen Forschungsschwerpunkt Neumanns sich mit Studien zum Blutbildungsapparat und zur Knochenpathologie Ansehen verschaffend. Sein Judentum und dazu seine, wie Fakultät und Ministerium vermuten mußten, nicht aufs Fachliche beschränkte, vielmehr auch das politisch „Frei­ sinnige“ einschließende Neumann­Gefolgschaft sowie die im Sondervotum zugemutete Hausberufung sprachen aber eindeutig gegen Askanazy, der dann 1905 einem ausländischen Ruf nach Genf folgte.1249 Andererseits replizierte die Fakultät auf das ministerielle Angebot, den Pathologen Otto Lubarsch zu schicken, einen bekannten jüdischen „Alldeutschen“ und erzkonservativen „Über­Preußen“, der seit 1899 auf dem schon vom deutsch­polnischen „Volkstumskampf“ heftig erschütterten Boden der Provinz Posen tätig war,1250 mit der entrüsteten Formulierung, er werde „das kollegiale Verhältnis gefährden“.1251 Am liebsten hätte man den Schweizer Coelestin Nauwerck zurückgeholt, einen Spezia­ listen für Magengeschwüre, der zwischen 1889 und 1898 Neumanns I. Assistent gewesen war und nun das Pathologische Institut des Städtischen Krankenhauses von Chemnitz leitete. Der war jedoch dem Ministerium so wenig genehm wie die anderen Listenvorschläge, Martin B. Schmidt (Straßburg) und Max Borst (Würzburg).1252 Im Gegenzug lösten die ministeriellen Kandidaten keine Freude aus. Lu­ barsch ohnehin nicht, ebensowenig der als unerreichbar eingeschätzte Virchow­Schüler und als Prosek­ tor am Krankenhaus Berlin­Friedrichshain wohlversorgte David Hansemann, und auch der Göttinger Privatdozent Rudolf Beneke hatte bei der Abstimmung in der Fakultät nur eine Minderheit für sich.1253 Wie immer in solchen verfahrenen Situationen, setzte das Ministerium sich durch, das Beneke, den „mechanistischen“ Verfechter kühner, oft unhaltbarer Hypothesen, zum WS. 1903/04 nach Königs­ berg beorderte, wo er 1906 die erste Chance zu Wegberufung ergriff und in seine Geburtsstadt Marburg abwanderte, dort den Lehrstuhl seines Vaters besetzend.1254 Ihm folgte zum WS. 1906/07 Friedrich Henke, Sohn eines Medizinprofessors wie Beneke, 1868 in Rostock geboren, in Tübingen aufgewach­ sen, dort als Student nachhaltig beeinflußt durch den bakteriologisch orientierten Neumann­Schüler Askanazy hatte Neumann im SS. 1903 nur vertreten dürfen. Wie aus dem Posen­Kapitel von Lubarschs Erinnerungen hervorgeht (1931, S. 136–188), schätzte er die Polen nicht sonderlich, beteiligte sich auch kulturpolitisch an der Stärkung des deutschen Elements, hielt aber Distanz zu den „Hakatisten“ des Ostmarkenvereins. Lubarsch war von 1899 bis 1904 als Pathologe am Kgl. Hygienischen Institut Posens tätig. 1251 GStA …, Bd. X, Bl. 322 ff.; MedFak. – PrMK v. 30. 7. 1903, Liste Nf. Neumann. 1252 Ebd.: 1. C. Nauwerck (1855, s. Catalogus), 1882–1889 I. Assist. Path. Inst. Tübingen (Ziegler), 1883 Habil. ebd., 1889–1898 AUK. – 2. Martin Benno Schmidt, 1863 Leipzig–1949 Mittenwald, Sohn eines Chirurgen, Prom. 1887 Leipzig, Habil. f. pathol. Anatomie Straßburg 1892, dort I. Assistent am Path. Inst. (v. Recklinghau­ sen), ao. Prof. ebd. 1900, 1906 oö. Prof. Med. Akademie Düsseldorf, 1907 Zürich, 1911 Marburg, 1913–1931 Würzburg, nach 1918 zahlreiche Veröffentlichungen zur Kriegs­ u. Konstitutionspathologie, 1903: Die Ver­ breitungswege der Karzinome und die Beziehung generalisierter Sarkome zu den leukämischen Neubildungen. – 3. Maximilian Borst, 1869 Würzburg – 1946 Murnau, 1892 Prom. Würzburg, Assistent Path. Inst. unter dem Virchow­Schüler Eduard v. Rindfleisch, Habil. ebd. 1897, 1903 ao. Prof. ebd., 1904 Med. Akad. Köln, 1910 bis zur Emeritierung 1935 in München, 1914–1918 Kriegsteilnahme (Einrichtung der ersten bayer. Feldprosektur, nach deren Vorbild die Einführung des „beratenden Pathologen“ im Heer erfolgte), Generaloberarzt, Kapazität auf dem Gebiet der Geschwulstlehre, Beiträge zur Zelltheorie des Karzinoms, 1922: Pathologische Histologie, nach 1918 „führende Position“ in der deutschen Pathologie, eröffnete 1930 mit seinem neuen Münchener Institut die modernste pathologische Einrichtung Deutschlands, durfte über das 70. Lebensjahr hinaus im Amt bleiben (bis 1946), berat. Pathologe in der Wehrmacht (NDB II, S. 477 f.; Voswinckel 2002, S. 164 f.). 1253 Ebd., Bl. 322; MedFak. – PrMK v. 30. 7. 1903. 1254 Beneke wurde 1861 in Marburg geb., wo sein Vater Friedrich Wilhelm Beneke (1824–1882) Prof. für Patho­ logie war. 1885 als Schüler des einstigen AUK­Pathologen v. Recklinghausen in Straßburg promoviert, 1889 in Leipzig habilitiert, war er seit 1891 Prosektor am Hrzgl. KHS in Braunschweig, 1893 umhabilitiert nach Göttin­ gen. Eine kurze Charakteristik bei Krauspe 1969, zit. n. Hensel 1996, S. 322; vgl. a. Catalogus. 1249

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Paul von Baumgarten, der ihn 1893 promovierte, ihn von 1893 bis 1898 als Assistenten beschäftigte und für seine Habilitation (‚Experimentelle Erzeugung von Diphtherie bei Tieren‘, 1897) sorgte. 1898 war er als I. Assistent ans Breslauer Pathologische Institut gegangen, wo er zugleich die Prosektur am städtischen Hospital übernahm, die ihm mit jährlich 1.400 Sektionen jene Erfahrung verschaffte, die ihn 1904 für die Prosektur am neuen Charlottenburger Westend­Krankenhaus qualifizierte und die ihn 1906, neben seinen vornehmlich der Geschwulst­ und im engeren Sinn der Krebsforschung gewidmeten Publikationen,1255 der Königsberger Fakultät empfahl. Obwohl nicht er, sondern, wie bei Benekes Nachfolge, der ältere Straßburger v. Recklinghausen­Schüler Martin Benno Schmidt, die Liste anführte, entschieden Althoff und Elster sich für Henke, den Pathologen mit der kürzesten Publika­ tionsliste unter den Vorgeschlagenen.1256 Chirurgie Nach dem zum WS. 1890/91 als Mikulicz’ Nachfolger berufenen Heinrich Braun,1257 der 1895 nach Göttingen wechselte, setzte sich mit dem sehr jungen Billroth­Schüler Anton von Eiselsberg (zum

Das Hauptwerk auf diesem Felde entstand in der Berliner Zeit, seine dem Vater gewidmete ‚Mikroskopische Geschwulstdiagnostik‘ (1906). 1256 Wohl ausschlaggebend war, daß Schmidt, der schon 1903 auf der Liste Nf. Ernst Neumann stand, erst 1906 einen Ruf an die Medizinische Akademie in Düsseldorf erhalten und angenommen hatte. Nach Schmidt und Henke an dritter Stelle waren genannt worden: 3a. Otto Busse, 1867–1922, Habil. Greifswald, seit 1902 Ltr. Pathol.­Hyg. Abt. des Hygienischen Instituts an der Akademie in Posen, 1911 oö. Prof. Zürich, in Posen auch mit gerichtsärztlichen Aufgaben betreut, Vf. eines grundlegenden Werkes ‚Das Obduktionsprotokoll‘ (3. Aufl. 1906), daneben vor allem Arbeiten zur Pathologie der Muskulatur. – 3b. Ernst Schwalbe, 1871 Berlin–1920 Rostock, Habil. Heidelberg 1900, 1908 oö. Prof. Rostock, Neffe des Straßburger, bis 1883 Königsberger Anatomen Gustav Schwalbe; habe von seinem Onkel die Neigung zur topographischen Anatomie übernommen, ansonsten Studien zur Blutgerinnung und Morphologie von Mißbildungen (GStA …, Nr. 20, Bd. XI, Bl. 250–253; MedFak. – PrMK v. 15. 10. 1906, Liste Nf. Beneke). Die Liste war noch nicht in Berlin, als am 16. 10. 1906 bereits der Bestal­ lungsvorschlag für Henke ausgefertigt wurde (ebd., Bl. 242 f.). Allein aufgrund eines Telegramms der Fakultät, das am 12. 10. dem Ministerium lediglich die Namen der Vorgeschlagenen übermittelt hatte! 1257 GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 68–70; MedFak – PrMK v. 12. 7. 1890, Liste Nf. Mikulicz: 1a. H. Braun, s. Catalogus – 1b. Heinrich Helferich, 1851 Tübingen–1945 Eisenach, Prom. München 1874, 1877 Habil. f. Chirurgie Leipzig 1877, 1879 Umhabil. nach München, Direktor Chirurg. Poliklinik ebd., 1884 ao. Prof. ebd., WS. 1885/86 oö. Prof. f. Chirurgie u. Direktor Chirurg. Univ.­Klinik Greifswald, SS. 1899–SS. 1907 Kiel; or­ thopädisch ausgerichtet, Hauptwerk: Atlas und Grundriß der traumatischen Frakturen und Luxationen, neun Auflagen bis 1914. – 2. Max Schede, 1844 Arnsberg–1902 Bonn, 1866 Prom.; Assistent Richard von Volkmanns in Halle, ebd. 1872 Habil. f. Chirurgie, 1877 Ltr. Chir. Abt. Allg. KHS Hamburg, 1888 Ltr. Chir. Abt. KHS Eppendorf, 1895 oö. Prof. Bonn. Auf die Liste gekommen dank Mikulicz, Lichtheim und v. Hippel, während andere Fakultätsmitglieder wohl das vom Kurator kolportierte Kollegenurteil teilten, Schede sei „bloßer Praktiker“ (ebd., Bl. 66 ff.; Kurator – PrMK v. 28. 7. 1890). Dohrn hatte per Separatvotum gegen Schedes Nennung prote­ stiert, weil er seit 15 Jahren ohne Zusammenhang mit der Universität sei, kaum Lehrerfahrung besitze und ihm in seinem Alter schwerlich der Rollentausch vom Praktiker zum Lehrer und Forscher gelingen werde (ebd., Bl. 78 f.). Kurator v. Schlieckmann schlug sich auf die Seite von Lichtheim et al., weil auch er einen erfahrenen Operateur als Klinikchef bevorzugte, und Schede als technisch versierter Chirurg, wie die Dissidenten beteuerten, von kaum einem deutschen Ordinarius übertroffen werde (ebd., Bl. 66 ff., gestützt auf Separatvotum Lichtheim et al., ebd., Bl. 80 f., das Schede primo loco vorschlägt). Mit Schede ist Althoff offenbar in Verhandlungen eingetreten, da der Hamburger am 23. 7. 1890 für den folgenden Tag seinen Besuch im PrMK per Telegramm ankündigte (ebd., Bl. 65). – Für Braun, der 1886 schon auf der Liste Nf. Schönborn stand (s. o., Anm. 300), sprach die Nähe zum interdisziplinären neuropathologischen Königsberger Interessensschwerpunkt. 1255

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SS. 18961258) und dem Schweizer Karl Garré (zum SS. 1901), der seine akademische Karriere in Tü­ bingen begann, die süddeutsch­österreichische Linie in der Königsberger Chirurgie fort1259. Der tertio loco genannte Utrechter Extraordinarius v. Eiselsberg, der Fakultät als preiswerteste Kraft oktroyiert, und der von dem „kleinen“ Rostocker Ordinariat kommende Garré, den die Fakultät vor August Bier vorgeschlagen hatte, wurden als herausragende Operateure, als meisterhafte Techniker ausgewählt, die zudem den energischen Eindruck vermittelten, Klinik und Poliklinik mit dem nach 1895 wieder an­ wachsenden Zustrom russisch­jüdischer Patienten managen zu können. Wie bei der Wahl v. Eiselbergs souverän den Willen der Fakultät ignorierend, verfuhr das Mini­ sterium bei der Rekrutierung eines Nachfolgers für den nach Breslau ziehenden Chirurgen Garré. An seiner Stelle hätte man in Königsberg gern Eugen Enderlen (Basel) gesehen, doch lieber noch den se­ cundo loco gesetzten Werner Körte, einen nicht habilitierten Chirurgen am Berliner Urban­Kranken­ haus, den man für einen der „besten Deutschlands“ ausgab, der ideale Praktiker und Organisator, der aber, und dies verlieh dieser Personalie einen etwas delikaten Beigeschmack, der ältere Bruder des seit 1902 amtierenden Königsberger Oberbürgermeisters Siegfried Körte war.1260 Das Ministerium schloß daher lieber rasch mit dem Berliner Bergmann­Schüler Erich Lexer ab, was die Fakultät ohne Murren akzeptierte, ihm das „selten schöne Krankenmaterial“ aus den „angrenzenden Teilen Rußlands“ anver­ trauend.1261 Seinerseits fand der oktroyierte Lexer, auch ein Süddeutscher, Sohn des Freiburger, später Ebd., Bd. IX, Bl. 320–322; MedFak – PrMK v. 2. 12. 1895, Liste Nf. Braun: 1. Paul Kraske, 1851 Berg/Ober­ lausitz–1930 Freiburg, Schüler Richard von Volkmanns, Prom. Halle 1874, 1879 Habil. f. Chirurgie ebd., 1883– 1919 oö. Prof. f. Chirurgie Freiburg, von der Fakultät wegen seiner operativen Fähigkeiten bevorzugt (kurz zu Kr., der 1885 seinen Ruf mit einer neuen Methode zur Exstirpation des Mastdarmkrebses begründete, siehe Seidler 1991, S. 222 f.). – 2. Karl Garré (Rostock), der 1901 als Nf. v. Eiselbergs zum Zuge kam, s. u. und Catalogus. – 3. A. v. Eiselsberg (Utrecht), s. Catalogus. – Über Kraske hatte Ernst von Bergmann Althoff ein ungünstiges Bild vermittelt: Die Erfindung der Mastdarm­OP „ist eigentlich alles, was ich von ihm sagen kann“, den Freiburger Lehrstuhl verdanke er seiner Zugehörigkeit zur renommierten Volkmann­Schule. Garré habe nach Übernahme des Rostocker Amtes „nichts mehr geleistet“ und stehe klar hinter v. Eiselsberg zurück (ebd., 335 f., Schreiben v. 5. 12. 1895). Dies Votum der ersten Berliner Autorität brachte postwendend die Entscheidung: Bereits am 10. 12. 1895 besichtigte der Utrechter Chirurg seine zukünftige Wirkungsstätte an der „altehrwürdigen“ Albertina, die „schön eingerichtete Klinik“ dort, und er bedankte sich zwei Tage später überschwenglich bei Althoff mit dem Versprechen, seine Kräfte der preußischen Heimat seines Lehrers Billroth (geboren auf Rügen, aufgewachsen in Greifswald) „weihen“ zu wollen (ebd., Bl. 325). 1259 Ebd., Bd. X, Bl. 238–243; MedFak – PrMK v. 19. 2. 1901, Liste Nf. Eiselsberg: 1. Garré (1857, s. Catalogus), 1894 oö. Prof. Rostock. – 2. August Bier, 1861 Helsen/Waldeck–1949 Gut Sauen/Beeskow, Habil. Kiel 1889, 1894 nb. ao. Prof. ebd., oö. Prof. f. Chirurgie Greifswald 1899, Bonn 1903, FWU 1907–1932, Nationalpreis­ träger 1937, der vor Sauerbruch angesehenste Chirurg der spätwilhelminischen und der Weimarer Zeit. – 3a. Otto Hildebrand (1858–1927), Schüler von H. Braun in Jena, 1899 ao. Prof. Basel, 1904 FWU. – 3b. Albert Narath, 1864–1924, 1891–1895 Chirurg. Klinik Wien, Schüler von Billroth und Gussenbauer, 1903 oö. Prof. Utrecht, 1906 Heidelberg (Nf. v. Czerny), 1910 Ruhestand. – Die Fakultät lockte mit dem Verweis auf das reichhaltige Krankenmaterial, das ihr aus der Provinz und aus Rußland zuströme, ein „Vorteil für die sonst wenig begünstigte Hochschule“, die dafür eine „bewährte“ Kraft suche. 1260 W. Körte (1853 Berlin–1937 ebd.), Prom. Straßburg 1875, 1889 Direktor Chirg. Abt. Urban KHS, weites Spektrum der Publikationen von Pankreas­und Mastdarm­Erkrankungen bis zur Chirurgie der Gallenwege, nach 1914: Versorgung der Verwundeten im Felde. 1261 Daß Körte der Favorit der Fakultät war, ergibt sich schon aus der Länge der Laudatio, die für ihn um vieles ausführlicher ausfiel als für den Erstgenannten Eugen Enderlen, 1863 Lehen bei Salzburg–1940 Stuttgart, 1888 Prom. München, 1895 Habil. f. Chirurgie Greifswald bei Heinrich Helferich: Über Stichverletzungen des Rücken­ markes, experimentelle und klinische Untersuchungen, 1896–1904 PD u. Sekundärarzt Chir. Klinik Marburg, 1899 nb. ao. Prof., SS. 1904 oö. Prof. Basel, 1907 Würzburg, 1914–1918 berat. Chirurg bayer. Armee (wie Victor Schmieden, s. Anm. 1263, Verfechter der sofortigen operativen Behandlung von Bauchschüssen), 1918–1932 Heidelberg, „überragender Operateur, dessen Technik Weltruf erlangte“, „Lieblingsgebiete: Schilddrüse, Bauch­

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Münchener Germanisten Matthias von Lexer, die Königsberger Verhältnisse bald so komfortabel, in medizinischer und vor allem in finanzieller Hinsicht, daß er 1907 Elsters Angebot, die modernere Kieler Klinik zu übernehmen, ablehnte.1262 Einem Ruf nach Jena zum WS. 1910/11 widerstand er dann aber doch nicht. Eine von ihm geformte Liste, angeführt von einem weiteren Bergmann­Schüler, Fritz König (Städt. Krankenhaus Altona), und dem Zweitplazierten Victor Schmieden, aus der von August Bier geleiteten II. Chirurgischen Klinik in Berlin, schien die Kreise des Ministeriums eher zu stören.1263 Im August 1910 ersuchte man die Fakultät, sich zu Paul Friedrich (Marburg) und Erwin Payr (Greifswald) zu äußern, was sofort und barsch ablehnend geschah.1264 Gegen Friedrich stimmten sieben von neun Ordinarien, wobei Lichtheim und Hermann die Chorführung übernahmen. Fried­ richs „Persönlichkeit“ behagte ihnen nicht, erklärtermaßen weil er dazu neige, mit seinen Fachgenos­ sen an jedem seiner Wirkungsorte, wie auch nun wieder in Marburg, in einen „ernsten Conflict“ zu geraten.1265 Ob man auch politische Vorbehalte gegen den über seine Frau recht weitläufig mit dem chirurgie, Transplantationen“ (Wachsmuth 1963, S. 5, 6 f.; vgl. a. NDB IV, S. 494 f.). – 2. Wilhelm Müller, 1855 Mirodor/Mexiko –, aus hessischer Arztfamilie, früher Schüler Orths und Franz Königs, Untersuchungen über die Entstehung der tuberkulösen Knochenherde, 1884 Habil. f. Chirurgie, 1888 Ltr. Chir. Abt. Luisenhospital Aachen, 1901 oö. Prof. Rostock, ebd. em. 1928. – 3. Der Billroth­Schüler Albert Narath, schon auf der Liste Nf. v. Eiselsberg, s. o. Anm. 1259, 1903 Prof. in Utrecht, wurde mehr der Form halber tertio loco genannt (GStA …, Nr. 20, Bd. XI, Bl. 178–180; MedFak. – PrMK v. 3. 8. 1905, Liste Nf. Garré). 1262 Ebd., Bl. 293 f.; Lexer – PrMK (Elster) v. 12. 11. 1907: Das Krankenmaterial sei in Königsberg besser, ein Wechsel an die Förde bedeute für ihn Mindereinnahmen von bis zu 40.000 M. (sic!). 1263 Ebd., Bl. 408 f.; MedFak. – PrMK v. 12. 8. 1910, Liste Nf. Lexer: 1. F. König, 1866 Hanau–1952, Sohn des Chirurgen Franz K. (1832–1910), 1890 Prom. Göttingen bei Orth, 1892 zu Bergmann FWU, 1898 Habil. f. Chirurgie ebd., 1900–1910 Ltr. Chirurg. Abt. Städt. KHS Altona, 1910 oö. Prof. Greifswald (Nf. Payr), 1911 Marburg (Nf. Friedrich), 1918 Würzburg, von der Fakultät gelobt als Kraft, die das Gesamtgebiet des Faches ab­ decke, glänzender Organisator, Lehrer, Operateur. Mehr als pikant war die Nennung für Eingeweihte, die wußten, daß König Lexers Schwager war (s. LGH 2004, S. 121 f.)! – 2. V. Schmieden, 1874 Berlin–1945, 1900–1907 Assistent Chirurg. Klinik Bonn (Schede, Bier), Habil. Bonn 1904, mit Bier nach Berlin, umhabil. FWU 1907, 1913 oö. Prof. f. Chirurgie Halle, 1919 Frankfurt; breites Spektrum der Arbeitsgebiete: Nierenchirurgie, Prostata­ hypertrophie, Knochenkrankheiten, sein ‚Chirurgischer Operationskurs‘ (1910) erreichte bis 1945 dreizehn Auf­ lagen, 1914–1918 beratender Chirurg an West­ u. Balkanfront, initiierte eine Änderung der sanitätsdienstlichen Einstellung gegenüber Bauchschüssen (Wenzel 2011, S. 47 ff.). – 3a. Paul Clairmont, 1875 Wien – 1942 St. Prex/ Kanton Waadt, Habil. Wien 1908, Schüler v. Eiselbergs, dessen Assistent in Königsberg 1900/01 und Wien ab 1901, 1912 Tit. Prof., 1918–1941 oö. Prof. f. Chirurgie Zürich (Nf. Sauerbruch), weitgespanntes Forschungsfeld, 1911: Die Bedeutung der Magenradiologie für die Chirurgie, 1928: Die Bekämpfung des Blutverlustes durch Transfusion und Gefäßfüllung, Beiträge zu Eiselbergs ‚Lehrbuch der Chirurgie‘ (1930): Chirurgie des Afters und Mastdarms, Unfallchirurgie, 1930 in zwei Bänden: Lehrbuch der Chirurgie (vgl. Breitner 1948, mit Kostproben schönster Medizinerpoesie: nach der Emeritierung Clairmonts sei nach Jahren segnenden Leuchtens seine stille Flamme „verloht“; vgl. a. NDB III, S. 257; BLÄF I, S. 251; Voswinckel 2002, S. 258 f.). – 3b. Ferdinand Sauer­ bruch, 1875 Barmen–1951 Berlin, Habil. f. Chirurgie als Schüler des Ex­Königsbergers J. Mikulicz Breslau 1905: Experimentelles zur Chirurgie des Brustteils der Speiseröhre, 1905 Wechsel zu Paul Friedrich nach Greifswald, mit ihm 1907 nach Marburg, 1908 ao. Prof. ebd., Leiter der Poliklinik, vorgeschlagen wegen seines schon damals „über die Grenzen Deutschlands“ hinausgehenden Rufs als Forscher, das von ihm entwickelte Unterdruckverfahren für Lungenoperationen sei „epochemachend“; habe aber leider nur an Kliniken mit „kleinem Material“ gearbeitet, insofern fraglich, ob er den Königsberger Verhältnissen gewachsen sei. 1916, vorgeschlagen auf Liste Nf. Friedrich, hatte zumindest das Ministerium daran keinen Zweifel mehr (s. u. Kap. III.6.3.). 1264 Ebd., Bl. 409; MedFak. – PrMK v. 18. 8. 1910. 1265 Weder für Leipzig noch für Greifswald, wohin er als Nachfolger August Biers zum SS. 1903 berufen wurde, sind derartige Konflikte in den Ministerialakten belegt. Ebensowenig in den die Marburger Fakultät betreffenden Akten, die lediglich ausweisen, daß Friedrich dort mit anderen vom Ministerium angebotenen Kandidaten nicht erwünscht war und folglich oktroyiert werden mußte (GStA, Rep. 76Va, Sek. 12, Tit. IV, Nr. 4, Bd. VIII, un­ pag.; Liste Nf. Küttner v. 27. 6. 1907). Die Greifswalder Fakultät, die ihn 1903 primo loco setzte, und das PrMK

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1909 entlassenen Reichskanzler v. Bülow verwandten Friedrich hegte, teilten Lichtheim et al. dem Ministerium nicht mit, ist aber nicht auszuschließen. Im Fall Payrs ging es hingegen nur um die stark angezweifelte „Zuverlässigkeit seines Verhaltens“, mit der man die Ablehnung begründete. Elster wählte daher den Weg des geringeren Widerstands und oktroyierte den 1871 geborenen, 1907 nach Greifswald berufenen Österreicher Payr, der seine eifrig bekundete Treue zu Preußen soeben mit der Ablehnung eines Züricher Rufs bewährt hatte.1266 Allerdings erwiesen sich die Königsberger Zweifel an seiner „Zuverlässigkeit“ als nur zu berechtigt, da „Treue“ für ihn wie für die meisten seiner Kollegen eine Preisfrage war. Nach nur acht Monaten in Königsberg erhörte er den Lockruf des sächsischen Ministeriums und übernahm die Chirurgische Universitätsklinik in Leipzig.1267 Die aus Berlin eilig angeforderte Ersatzliste nannte, wie beim Wechsel von Garré zu Lexer, wieder Eugen Enderlen primo loco, und diesmal versuchte Elster ihn zu gewinnen. Nur war Enderlen zwischenzeitlich von Basel nach Würzburg, an eine der besten deutschen Kliniken berufen worden. Nach einem Königsberger Ortstermin lehnte er unter Angabe „familiärer Gründe“ lakonisch ab. Sauerbruch, von der Fakultät an zweiter Stelle neben Fritz König und Georg C. Perthes nominiert, mit dem Elster sodann zu verhan­ deln begann, wollte die Züricher Fakultät nicht enttäuschen, die ihn 1911 gerade erst berufen hatte. König, der Payr 1910 in Greifswald nachgefolgt war, und Perthes, ebenfalls frisch nach Tübingen beru­ fen, wagte Elster gar nicht erst anzufragen. Neuvorschläge seien daher „unverzüglich“ einzureichen.1268 Diese Aufforderung datiert vom 25. August 1911. Vier Tage später traten fünf Ordinarien zur Be­ ratung zusammen, während die übrigen ihre Ferien in südlichen Zonen verbrachten. Neue Kandidaten wurden unter diesen Umständen nicht genannt, so daß man faktisch an der ersten Liste festhielt. Nur rühmten den stellv. Leibarzt des Königs von Sachsen als außergewöhnlich beliebten Lehrer und Klinikchef (GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 21, Bd. IX, Bl. 60–69; Liste Nf. Bier u. Bestallungsvorschlag v. 2. 2. u. 17. 2. [sic] 1903). 1266 Ebd., Bl. 435; Telegramm Payrs – PrMK v. 22. 8. 1910 betr. Absage nach Zürich. Ebd., Bl. 435; Vereinbarung mit Payr v. 21. 9. zum 1. 10. 1910. Elster war ähnlich bereits 1907 in Greifswald verfahren, als er Payr zum Nf. Friedrichs machte und das Berliner Tageblatt (Ausgabe v. 2. 8. 1907) dies unter Überschrift „Ministerialdirektoren­ absolutismus“ rügte (GStA, Rep. 76Va, Sekt. 7, Tit. IV, Nr. 21, Bd. IX, Bl. 278). 1267 GStA, Sek. 11 …, Bd. XI, Bl. 449; Payr – PrMK v. 13. 6. 1911, wieder seine Dankbarkeit gegenüber Preußen beteuernd, aber sich mit dem Hinweis rechtfertigend, daß man ihn wohl für geisteskrank erklärt hätte, wenn er nicht in die im Vergleich mit Königsberg unendlich großzügigeren Leipziger Verhältnisse, wo er endlich „Schule“ machen wolle, gewechselt wäre. Tatsächlich war für den 40jährigen Payr an der Pleiße das Ende seines Karriere­ weges erreicht: 1937 erfolgte die Emeritierung in Leipzig, wo er 1946 starb. – In seinen posthum veröffentlich­ ten Erinnerungen widmet Payr den Königsberger Monaten nur wenige Seiten. Gelockt hatte ihn das „geradezu großartige Krankengut, das zum erheblichen Teil aus dem benachbarten Rußland stammte und auf jeden Kliniker eine gewaltige Anziehungskraft ausüben mußte“. Mit den Zuständen in der vom Vorgänger Lexer im bayerischen Dialekt als „ ‚fei dreckig‘ “ geschilderten Chirurg. Klinik wollte sich auch Payr nicht anfreunden, ebensowenig mit dem „schlechten Institut“ des Anatomen Stieda, wo er Operationskurse an der Leiche abhalten mußte. Trotzdem wäre er „gerne noch ein paar Jahre in der gastlichen Stadt geblieben“, doch die Leipziger, die an Bettenzahl größte deutsche Klinik, habe dann doch einen unwiderstehlichen Reiz ausgeübt (Payr 1994, S. 63–69). Kursorisch zu dem mehrere Lehrbücher und 320 Zeitschriftenaufsätze umspannenden Lebenswerk Payrs: U. Paul 1974, ausführ­ lich die Diss. von Gaetzsch 1970. 1268 Ebd., Bl. 461–468; MedFak. – PrMK v. 8. 7. 1911, Liste Nf. Payr: 1. Eugen Enderlen, wie schon 1905 auf der Liste Nf. Garré (s. o. Anm. 1261). – 2a. Fritz König, wie schon 1910 bei Nf. Lexer (s. o.). – 2b. Georg Perthes, 1869 Moers/Rheinland–1927 Arosa, Prom. Bonn 1891, Habil. Leipzig 1898, 1900 als Stabsarzt Teilnahme an dt. China­Expedition („Boxer­Aufstand“), 1903 b. ao. Chir. Poliklinik Leipzig, oö. Prof. Tübingen 1910; Begründer der Röntgenstrahlenbehandlung in der Chirurgie, Erfinder zahlreicher neuer OP­Methoden, Verdienste um die Kriegschirurgie 1914–1918, philosophisch: Über den Tod (1920). – 2c. F. Sauerbruch, wie 1910 bei Nf. Lexer (s. o.). – Ebd., Bl. 473; PrMK – Kurator AUK v. 25. 8. 1911: Enderlen habe abgelehnt, ebenso Sauerbruch mit der Begründung, er sei zu kurz in Zürich, ähnlich läge die Sache bei König und Perthes, die sich auch gerade erst in Greifswald bzw. Tübingen eingerichtet hätten.

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deshalb kam nun der mehrheitlich abgelehnte Paul Friedrich, für den Stieda, Kruse und Krückmann gegen Winter (Jaffé enthielt sich) stimmten, zum WS. 1911/12 zum Zuge.1269 Der Chirurgische Nachwuchs Seit 1900 erlangte alljährlich ein Mediziner die venia für Chirurgie, insgesamt bis 1914 ansehnliche fünfzehn der etwa siebzig in diesem Zeitraum an der Klinik beschäftigten Assistenz­ und Oberärzte. Von ihnen waren nur Oscar Ehrhardt und Alfred Stieda „Hausgewächse“, in der Fakultät promoviert, an der Klinik ihre Assistentenjahre verbringend, neben ihrer Dozentur bis 1945 als leitende Ärzte an Königsberger Krankenhäusern tätig. Für die Mehrzahl ihrer Kollegen, angesichts der Fluktuation an der Spitze – vier Chefs in fünfzehn Jahren – nicht verwunderlich, war die chirurgische Universitäts­ klinik nur eine meist kurze Station auf dem Karriereweg. Der endete für Richard Bunge (1900), Carl Ludloff (1900), Rudolf Stich (1905), Paul Frangenheim (1908) und Martin Kirschner (1911) auf ordentlichen Lehrstühlen und an der Spitze großer Kliniken in Bonn, Frankfurt, Göttingen, Köln und, bei Kirschner, 1916 in Königsberg. Der Friedrich­Schüler Hans Boit (1912), bevor er wieder an ein Krankenhaus in Königsberg zurückkehrte, leitete von 1922 bis 1926 als Ordinarius die neu aufgebaute chirurgische Klinik im litauischen Kaunas.1270 Paul Frangenheim, von Lexer habilitiert, von Payr gefördert, übernahm als Chefarzt 1912 die chirurgische Abteilung des Augustahospitals in Köln, wo er 1918 an der neuen Universität ein Ordi­ nariat erhielt. Für seine Königsberger Forschungen über „Veränderungen am erkrankten Knochen“ erwirkte ihm Payr ein staatliches Salär. Mit seinem Protektor 1911 nach Leipzig ziehend, mündeten diese Untersuchungen in Frangenheims chef d’oeuvre über ‚Die Krankheiten des Knochensystems im Kindesalter‘.1271 Wie Frangenheim zunächst als Abteilungsleiter eines städtischen Krankenhauses be­ gann, so beschlossen auf solchem Posten ihre ärztliche Laufbahn Rudolf Haecker (1911; später Augs­ burg), Ernst Heller (1911; Leipzig) und Hans Strehl (1904; St. Elisabeth­KHS Königsberg). Wie bei den Habilitationen, so dominierten auch in den Promotionsverfahren die Chirurgen in einer Weise, daß der Eindruck aufkommen konnte, die anderen medizinischen Fächer, mit Ausnah­ men der Internisten, seien bloße Unterabteilungen der Chirurgischen Klinik. Durchschnittlich vierzig Prozent der Dissertationen wurden zwischen 1900 und 1914 bei Garré und seinen Nachfolgern ein­ gereicht. Hygiene und Bakteriologie Zum SS. 1909 folgte Walther Kruse, der langjährige Abteilungsleiter Bakteriologie des Bonner Hygie­ nischen Instituts, einem Ruf auf den Lehrstuhl Pfeiffers. Wichtigstes Gepäckstück war das Manuskript seiner ‚Allgemeinen Mikrobiologie‘, das er nach achtjähriger Fron im Herbst 1910 abschloß, ein po­

Ebd., Bl. 477–480; MedFak. – PrMK v. 2. 9. 1911, II. Liste zur Nf. Garré. Die ferienbedingt abwesenden Fakultätsmitglieder waren um schriftliche Stellungnahmen gebeten worden. Lichtheim, Hermann und Meyer bekräftigen ihre Ablehnung Friedrichs. Henke war nicht erreichbar, Payr wollte sich zur Persönlichkeit seines Greifswalder Vorgängers nicht äußern, befand aber seine wissenschaftlichen Qualitäten für „einwandfrei“. Die Fakultät hielt unausgesprochen an der ersten Liste fest, erwähnte zusätzlich nur sporadisch von Payr nachbenannte Kandidaten, außer Victor Schmieden (s. o.) noch die Berliner Privatdozenten Walther Kausch (Mikulicz­Schüler und Schwiegersohn, schrieb Jena 1907 eine kurze Mikulicz­Biographie) und Rudolf Klapp (1873 Arolsen–1949 Marburg, Schüler Biers) und teilte mit, daß in ihrer Ferienbesetzung eine Mehrheit für Friedrich zustande gekom­ men sei. – Ebd., Bl. 483; Vereinbarung mit Friedrich v. 15. 9. zum 1. 10. 1911. 1270 Vgl. die Karrierewege im Catalogus. 1271 Frangenheim 1913. 1269

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sitivistisches Monumentalwerk, das, den Kosmos der „Kleinwesen“ erkundend, an die Stelle der von Kruse bearbeiteten dritten Auflage von Altmeister Flügges ‚Mikroorganismen‘ treten sollte.1272 Mit Payr verließ Kruse Königsberg zum WS. 1911/12, um nach einem Bonner Intermezzo die letzte Stufe auf der Laufbahnleiter ebenfalls in Leipzig zu erklimmen, wo der Hygieniker nach 1918 als gesundheits­ und sozialpolitisch ambitionierter Ratgeber in Sachen Volksernährung1273 wie als Pro­ pagandist rassenhygienischer Ideen und völkischer Sozialideale auch die Konfrontation im politischen Tageskampf nicht scheute, und wo ihm die SPD­Presse attestierte, maßgeblichen Anteil daran zu ha­ ben, daß die Fakultät in der „akademischen und medizinischen Welt den Ruf der strengsten völkisch­ antisemitischen Exklusivität“ genieße.1274 An die Albertina war der primo loco gesetzte Kruse, der seit 1898 an der öffentlichen Diskussion über die „Entartung“ des deutschen „Volkskörpers“ teilnahm, dabei eher fortschrittsgläubig, auf die Leistungsfähigkeit des Wohlfahrtsstaates vertrauend, dem rassenhygienischen Kulturpessimismus der Nordau, Ammon und Woltmann opponierend,1275 allerdings nicht mit dem Seitenblick auf solcherlei Publizistik berufen worden, sondern weil er neben einer soliden Ausbildung als Bakteriologe auch über praktische Erfahrungen mit den Problemen kommunaler Abwasserhygiene verfügte, um die es in Königsberg nicht gut bestellt war.1276 Kruse 1910, S. V f.; das 1.200­Seiten­Opus ist gewidmet „Carl Flügge, dem Schöpfer der ‚Mikroorganismen‘ und Meister der Gesundheitslehre“. Die dritte Auflage von Flügges Standardwerk war ihm, Pfeiffer, Gotschlich u. a. 1893 übertragen worden. Seitdem bestand die bei der Berufung 1909 wohl nicht ganz unwichtige „Bezie­ hung“ zu Pfeiffer. – Die versprochenen beiden Anschlußbände seiner ‚Mikrobiologie‘, über Infektions­ und Im­ munitätslehre, ist Kruse schuldig geblieben. 1273 Aufschlußreich seine mit statistischem Material, „nach Erhebungen in Krieg und Frieden“, schwer gepanzerte Arbeit über ‚Sparsame Ernährung‘ (1922). Um die Folgen der erst 1919 aufgehobenen alliierten Hungerblockade gegen das Deutsche Reich zu bewältigen, solle man nicht – dies gegen SPD und KPD gesprochen – über eine „ander[e] Verteilung des Einflusses und Besitzes“ streiten. Dies schüre nur die innere Zerrissenheit, wo zur Wieder­ gewinnung unserer Freiheit „nach außen“ genau das Gegenteil, sozialer Friede und Geschlossenheit erforderlich sei. Nicht also in sozialistischer Umverteilung liege das Heil, sondern darin, mehr zu arbeiten und weniger zu verbrauchen, vor allem den Verbrauch schädlicher Nahrungs­ und Genußmittel einzustellen (ebd., Vorwort und S. 147 f.) 1274 Zit. nach Susanne Hahn, in: Kästner/Thom 1990, S. 148. 1275 Dazu Kruse 1903. Anhand von Rekrutenstatistiken argumentiert der Hygieniker, daß die fortschreitende Zi­ vilisation gerade nicht zur Degeneration führe: die Lebenserwartung erhöhe sich, die Gesundheit des durchschnitt­ lichen „Menschenmaterials“ hebe sich, eine „negative Auslese“ infolge des Fortfalls der „natürlichen Zuchtwahl“ sei nicht nachweisbar. Folglich gebe es auch keinen Anlaß, rassenhygienisch, „aufartend“ aktiv zu werden, zumal die wissenschaftlich vertretbare „erbbiologische“ Basis zur Fixierung von „Züchtungszielen“ fehle (bes. S. 428 ff.). Noch etatistischer seine Leipziger ‚akademische Rede‘ über die ‚Grundlagen der Volksgesundheit‘. Zu deren He­ bung dem Staat die Pflicht auferlegend, für die „Verbesserung der sozialen Zustände“ zu sorgen (Kruse 1914, S. 6 f.), gleichzeitig aber, im Unterschied zu 1903, zukunftsfroh unausgeschöpfte Möglichkeiten zur gezielten „Hochzüchtung“ und die jedermann obliegende Pflicht, „Eugenik“ zu treiben propagierend, was Eheverbote und Sistierung „unnützer Bestandteile“ des Volkes einschloß (ebd., S. 19 f.). Sein rassenhygienisches, dem Andenken Virchows gewidmetes Hauptwerk erschien erst 1929: Die Deutschen und ihre Nachbarvölker, das die Gefahr einer „Entartung“ des deutschen Volkes schon aufgrund der im I. Weltkrieg bewiesenen Leistungen von Heer und Heimat bestreitet, trotzdem eine ohne eugenische Maßnahmen auskommende „Rassenhygiene“ für „notwendig“ hält; von „Rasse­Günthers“ Aufnordungsphantasien distanziert Kruse sich, die „Ostjuden“ möchte er als „uner­ wünscht“ aus dem Reichsgebiet abschieben, die SPD lobt er für ihre historische Leistung, aus einer „ungeordneten Masse […] gewissermaßen nach preußischen Muster eine recht gut disziplinierte Macht geschaffen“ zu haben (S. 604–618). 1276 GStA …, Nr. 20, Bd. XI, Bl. 311–314; MedFak. – PrMK v. 25. 2. 1909, Liste Nf. Pfeiffer: 1. Kruse, 1889– 1892 Vorsteher des bakteriol. Labors der Zoologischen Station in Neapel, 1892 Ägypten­Expedition zum Studium der Amöbendiphterie, Habil. Bonn 1894, Assist. am Hyg. Inst. ebd. (s. Catalogus). – 2a. Martin Hahn (s. u. 1272

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Mit dem Münchner Hygieniker Martin Hahn, einem Schüler Virchows und Kochs, erhielt die Fakultät zum WS. 1911/12 den Mann ihrer einmütig getroffenen ersten Wahl für die Nachfolge Kruse, konnte sich jedoch nur wenige Monate an diesem berühmten Bakteriologen und international erfahrenen Seuchenforscher erfreuen, da er, kaum in Königsberg eingerichtet, zum SS. 1912 einen Freiburger Ruf annahm. An seine Stelle wurde der Zweitplazierte, durch seine „bemerkenswerte Viel­ seitigkeit“ aufgefallene Karl Kißkalt, geboren 1879, aus der Würzburger Schule Köllikers und der Gießener Kossels stammend, Abteilungsvorsteher am Berliner Hygienischen Institut unter Ruben und Flügge, an die Albertina beordert.1277 Hahn, jüdischer Herkunft, auch als Fachmann für Gewerbehygiene bekannt und infolge seiner Münchener Sozialisation im Banne Pettenkofers, Buchners und Grubers mit sozialhygienischen Pro­ blemen vertraut, hätte bei längerer Amtszeit sicher diese Teildisziplinen in Königsberg stärker gefördert. Jedoch ohne die Synthese mit der Rassenhygiene zu riskieren. Wesentlich skeptischer noch als Kruse stand Hahn deren mehr weltanschaulich als wissenschaftlich grundierten Postulaten gegenüber. Denn über Vererbung krankhafter Anlagen biete die Zoologie nicht mehr als „eine große Zahl von Einzeltat­ sachen“ an. Es sei daher „zweifelhaft“, ob die in den USA vorgenommenen „gewaltsamen Eingriffe“, die die Fruchtbarkeit von „Degenerierten“ zerstören, auf wissenschaftlicher Erkenntnis beruhten. Da die fehle oder unsicher sei, sei man „heute“ nicht zu einem „praktischen Vorgehen namentlich gesetz­ geberischer Art“ legitimiert. Die erlaubten rassenhygienischen, defensiven Maßnahmen hätten sich auf die finanzielle Förderung von geistig und körperlich Tüchtigen zu beschränken, auf die Eingrenzung der Säuglingssterblichkeit, auf den Kampf gegen die Anglisierung des deutschen Schulwesens, d. h. gegen die Aufwertung des Sportunterrichts zu Lasten geistiger Ausbildung.1278 Anm. 1277 zur Nf. von Kruse). – 2b. Hans Reichenbach, 1864 Lüneburg–1937, 1889 Prom. Göttingen, Assi­ stent unter Esmarch, 1898 Habil. ebd., 1904 Abteilungsvorstand Hyg. Institut Breslau, 1910 b. ao. Prof. Bonn, 1911–1934 oö. Prof. Göttingen (Nf. Esmarch); Schwerpunkt: Arbeits­ u. Sozialhygiene. 1277 GStA, Sek. 11, Tit. IV, Bd. XII, Bl. 6–25, MedFak. – PrMK v. 23. 9. 1911, Liste Nf. Kruse: 1. Hahn (s. Catalogus), stand schon sec. loco auf der Liste Nf. Pfeiffer (s. o. Anm. 1276), beeindruckte durch die Spannweite seiner Arbeiten, die auch Gewerbehygiene, Luftuntersuchungen, den Zusammenhang von Säuglingssterblichkeit, Säuglingsernährung und Militärtauglichkeit umfassten (Bibliographie in Nr. 20, Bd. XI, Bl. 320–326!) sowie die Erfahrungen, die er als Seuchenforscher in Indien, Afrika und Rußland gesammelt hatte. – 2. Kißkalt (s. Cata­ logus). – 3a. Robert Doerr, 1871 Tecsö/ Ungarn–1952 Basel, nach militärärztlicher Karriere ab 1905 Leiter des Labors der k. u. k. Militärsanitätskommission, Verdienste um die Bekämpfung der „Hundskrankheit“ in Bosnien 1908, im selben Jahr Habil. f. allg. u. exp. Pathologie Wien, 1912 ao. Prof., 1919–1943 oö. Prof. Basel, Fachmann für Immunologie, 1938/39 Mit­Hg. des ‚Handbuchs der Virusforschung‘ („das weltweit als Standardwerk galt“, Voswinckel 2002, S. 329), begründete 1939 das Archiv für die gesamte Virusforschung, 1947ff.: Die Immunitäts­ forschung – Probleme und Ergebnisse in Einzeldarstellungen (vgl. a. NDB IV, S. 36 f.). – 3b. Ernst Friedberger (1875, s. Catalogus), 1903 Habil. AUK, seit 1904 I. Assist. am Hyg. Inst. ebd. unter Pfeiffer. – 3c. Paul Heinrich Roemer, 1876 Kirchhain bei Marburg–1916 Nowogrodek/Ostfront, Flecktyphus erlegen, Prom. Marburg 1899: Beiträge zur Auffassung des Faserverlaufs im Gehirn, auf Grund des Studiums von Kindergehirnen, Habil. f. Hygi­ ene ebd. 1903: Über Tuberkelbacillenstämme verschiedener Herkunft, Behring­Schüler, 1903 Abt. vorstand Hyg. Inst. Marburg, 1907 zur Bekämpfung der Rindertuberkulose nach Argentinien beurlaubt, 1908 nb. ao. Prof. ebd., 1913/14 Abt.vorsteher Hygiene­Institut FWU, SS. 1914 oö. Prof. f. Hygiene Greifswald (Nf. Friedrich Loeffler), WS. 1915/16 Halle, zwischen 1900 und 1911 über 90 Veröffentlichungen vorwiegend über Rinder­Tuberkulose, Milchhygiene, Tb­Immunität, epidemische Kinderlähmung (LGH 2004, S. 96 f.). – Der berufene Hahn entsprach mit Erfahrungen, die er in St. Petersburg bei v. Nencki gesammelt hatte, sowie aufgrund seiner Studien in Cho­ leragebieten Südrußlands (1892, 1904) und in St. Petersburg (1908), gut dem Königsberger Anforderungsprofil, doch war der auch in Indien (Pest) und Deutsch­Ostafrika (Schlafkrankheit) tätig gewesene Forscher gerade wegen seiner „weltumspannenden“ Aktivitäten für die Königsberger Institutsverhältnisse schon ein paar Nummern „zu groß“. Hahns Weg führte denn auch konsequent von Freiburg nach Berlin (1922). – Ebd., Bl. 34 f.; Berufungsver­ einbarung mit Hahn v. 12. zum 1. 10. 1911. 1278 Hahn 1912, in seiner programmatischen Freiburger AV, bes. S. 6–9, 12 f., 19.

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Karl Kißkalt gab der von seinem Vorgänger kaum angedeuteten sozialhygienischen Orientierung des Instituts dann bis 1916, begünstigt auch durch die Kriegsaufgaben, mehr Relief. Von Kontinuität läßt sich dabei insofern sprechen, wie auch Kißkalt rassenhygienischem Radikalismus abhold war. Wie sein Beitrag über „Arme“ im ‚Handbuch der Hygiene‘ von Rubner und Gruber belegt, fügten Kiß­ kalts Konzepte sich in traditionelle sozialreformerische Vorstellungen ein. Da für ihn Krankheit und Armut wie siamesische Zwillinge zusammengehörten, kam alles auf sozial­ und gesundheitspolitische Prophylaxe an. Massive staatlich gelenkte Wohlfahrtspflege anstelle der ineffektiven karitativen „Wohl­ tätigkeit“, Wohnungsreform, Familienfürsorge, Schulspeisung, Eindämmung der Arbeitslosigkeit, Aufklärung und Anleitung zu einem „vernunftgemäßen Leben“ – in diesem Rahmen wollte Kißkalt, auch als ehrenamtlicher Gesundheits­Stadtrat Königsbergs, seine hygienische Kompetenz zur Lösung der sozialen Frage einbringen.1279 Der Hygieniker­ und Bakteriologen­Nachwuchs Gemessen an der Zahl von nur zwei Habilitanden und kaum zwanzig Doktorarbeiten läßt die fast zehnjährige Ära Pfeiffer Bemühungen um eine Schulbildung nicht erkennen. Wie sämtliche Qualifika­ tionsarbeiten ausweisen, die sich vornehmlich mit Tuberkel­, Typhus­, Pest­, Milzbrand­, Influenzaba­ zillen befassen,1280 legte Pfeiffer das Schwergewicht seines Unterrichts wie seiner eigenen Forschungen auf den bakteriologischen Teil seines Lehrauftrags. Sein erster und als Assistent auch beständiger Habi­ litand, Ernst Friedberger (1903), spezialisierte sich auf Immunitätslehre und, wie auch der „Durchrei­ sende“ Robert Scheller (1905), auf Seuchenprophylaxe.1281 Mit Pfeiffers Nachfolger Kruse, obwohl auch seine Publikationsliste eher der Bakteriologie zu­ neigte, ging dann die hygienische, von Kißkalt fortgesetzte Neuausrichtung am Institut einher. Hatte Pfeiffer nur ein einziges Mal eine, wenn auch nur entfernt einschlägige, allerdings von Friedberger – der gutachterlich für die Stadtverwaltung Königsberg damit befasst war1282 – betreute Arbeit über

Kißkalt 1912a, bes. S. 235–242. Ähnlich temperiert auch ebd. 1912b sein Betrag über ‚Gefängnisse‘. – Als Stadtrat trat Kißkalt in die Fußstapfen seiner Vorgänger, deren Augenmerk auch stets auf Probleme der Königs­ berger Wasserversorgung gerichtet war, überhaupt eines der wichtigsten praktischen Betätigungsfelder für die aka­ demischen Vertreter der Hygiene bis weit in die 1920er Jahre. Der Wasserversorgung als der „Ursprungstradition“ gerade des Kieler Lehrstuhls wendet sich Kißkalt ab SS. 1917 dann auch an der Förde zu (J. H. Wolf 1988, S. 77). 1280 Die Arbeiten konzentrieren sich auf den Zeitraum 1900 bis 1905: van Huellen, Adolf, Biologie des Tuberkel­ bacillus 1901; Liedke, Alfred, Die Verbreitungsweise der Diphterie mit bes. Berücksichtigung der Übertragung des Diphteriecontagiums durch Tiere, speziell Pferde, 1901; Loida, Willy, Über die Ausscheidung von Typhusbazillen und Darmbakterien im Urin Typhuskranker, 1901; Lubenau, Carl, Hämolytische Fähigkeit einzelner pathogener Schizomyceten, 1901; Rosenfeld, Arthur, Involutionsformen der Pestbacillen, 1901; Behrend, Martin, Geissel­ färbung bei Bakterien, 1902; Cohn, Ernst, Über den antispetischen Wert des Argentum, 1902; Slupski, Roman, […] Milzbrandbacillus, 1902; Wendt, Friedrich, Nachprüfung der […] Schnelldiagnose der Typhusbacillen, 1902; Landsberger, Moritz, Bacteriengehalt des Darmkanals, 1903; Luerssen, Arthur, Biologie des Influencabacillus, 1903; Jeckstadt, Felix, Der kulturelle Nachweis des Gonokokkus, 1904; Seldin, Meilach, Wirkung von Röntgen­ und Radiumstrahlen auf innere Organe, 1904; Assmann, Herbert, Versuche über den Wert des Aethylalkohols, insbes. des alkalischen Alkohols als eines Desinfektionsmittels bei bakteriologischen Sektionen, 1905; Dorner, Georg, Beiträge zur Kenntnis der Hämolysine, 1905. 1281 Friedberger skizzierte in seiner Antrittsvorlesung (4. 3. 1903) „Die theoretische Grundlagen der Immunitäts­ lehre“. Scheller hielt seine AV im Juni 1905 zum Thema: „Die Principien der allgemeinen Seuchenprophylaxe“, auch wies er einschlägige Veröffentlichungen vor; die wahrscheinlich diesem Gebiet gewidmete Habilschrift ist in der Ministerialakte nicht genannt, blieb ev. ungedruckt. Scheller wechselte wenige Monate nach der Habil. nach Breslau (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, unpag.) 1282 Friedberger 1908. 1279

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‚Trinkwaser und Wasserversorgungsanlagen‘ als Dissertation akzeptiert,1283 ließ Kruse sofort und erst­ mals ‚Die Säuglingssterblichkeit in Königsberg‘ untersuchen.1284 Sein ihm aus Bonn gefolgter Assistent Joseph Bürgers, der 1926 das Königsberger Ordinariat seines Lehrers übernehmen sollte, zu dieser Zeit ebenfalls mehr Bakteriologe, dürfte bei diesen kurzzeitigen Anstrengungen allerdings keine große Hilfe gewesen sein, denn er brach Ende 1911 zu einer wissenschaftlichen Expedition in die deutsche Kolonie Neuguinea auf und kehrte 1914 nicht an die Albertina, sondern als Privatassistent zu Kruse nach Leipzig zurück.1285 Alfred Nissle traf mit Martin Hahn im WS. 1911/12 ein, reiste seinem Chef aber stante pede nach Freiburg hinterher, habilitierte sich am Pregel also quasi auf dem Perron, mit einer schmalen, tropenmedizinisch relevanten Studie. Zum Rassenhygieniker reifte Nissle erst unter dem Eindruck von Hungerblockade und deutscher Kriegsniederlage.1286 Aus Berlin als Assistent und Ersatzmann für den weltreisenden Bürgers 1911 ans Hygienische Institut gewechselt, habilitierte sich Hans Reiter 1913 bei Kißkalt, zog aber im Frühjahr 1914 schon wieder zurück an die Spree, um am dortigen Universitätsinstitut als Abteilungsleiter einzutreten. Wie Nissle wandte sich Reiter nach 1918 der Sozial­ und schließlich, ein früher Anhänger des National­ sozialismus, 1932 für die Partei im mecklenburgischen Landtag, auch der „Erb­ und Rassenhygiene“ zu. Reiter trat 1933 an die Spitze des Reichsgesundheitsamtes und gehörte dem Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs­ und Rassenpolitik des Reichsinnenministeriums an.1287 Bei dem fliegenden Wechsel in den vier Jahren zwischen 1908 und 1912, von Pfeiffer zu Kruse, von Kruse zu Hahn, von Hahn zu Kißkalt, erstarb die Nachwuchsförderung fast vollständig. Disserta­ tionen in nennenswertem Umfang sind daher erst seit 1913 zu verzeichnen, unter Kißkalts Ägide.1288 Augenheilkunde Mit dem 1873 ertrotzten Ordinariat und der 1878 eröffneten Universitäts­Augenklinik etablierte Julius Jacobson Königsberg unter den ersten ophthalmologischen Forschungsstätten Preußens. Bereits 1868 hatte er mit Arthur von Hippel, seinem späteren Nachfolger und einem der „bedeutendsten Kliniker im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts“,1289 seinen ersten Schüler habilitiert, der 1874 einen Ruf nach Gießen erhielt. 1878 erwarb Theodor Treitel die venia für Augenheilkunde, 1882 Adolf Vos­ sius, der ihm von v. Hippel überwiesen worden war und der nach Jahren als zweiter Arzt unter Jacob­ son, 1889/90 als Königsberger Klinikchef, 1890 wiederum v. Hippels Nachfolge in Gießen antrat.1290 Lösener, Willibald, Ueber Trinkwasser und Wasserversorgungsanlagen, 1905. Der Verfasser, Jg. 1863, diente als Regimentsarzt in Königsberg. 1284 Liedtke, F., Zur Säuglingssterblichkeit in Königsberg i. Pr., Med. Diss. 1913, R.: Kruse. Der Verfasser wurde 1888 in Königsberg geboren, hatte von 1907 bis 1912 in Genf und in seiner Vaterstadt Medizin studiert. 1285 Über Bürgers, den Hygieniker wie den Hochschulpolitiker, vgl. Bd. II. 1286 Vgl. seine Flugschrift ‚Richtlinien und Vorschläge für einen Neuaufbau der Kräfte und Leistungen des deut­ schen Volkes‘, 1922. Daß er wie andere Rassenhygieniker seiner Generation 1933 seinen Freiburger Lehrauftrag für das Fach verlor, indiziert allerdings mangelnde Radikalität im NS­Sinne. Als Nicht­Parteigenosse durfte Nissle indes, vermittelt über Theo Morrell, seit 1936 Leibarzt Adolf Hitlers, für die Gesundheit dieses „Patienten A“ sorgen (Ullrich 1990). 1287 Über Reiter, den führenden NS­Gesundheitsfunktionär, vgl. Labisch/Tennstedt Tl. 2 1986, S. 477–479. 1288 Vgl. dazu unten Kap. III, 6. 3. 1289 Hirschberg 1918, S. 128. 1290 Zu Vossius, der „vor allem Kliniker“ (A. Jess) war, vgl. Catalogus. Unter allen Nachwuchskräften schätzte Jacobson Vossius, obwohl er neben „viel Mittelgut“ nur „ein paar hübsche Sachen“ publizert hatte, am höchsten ein. 1887 hielt er ihn für fähig, „jeden Kliniker“ zu vertreten, nicht zuletzt wegen seiner bei F. Merkel und Theodor Leber gefestigten pathologisch­anatomischen Fertigkeiten, in denen es ihm „nicht viele Ordinarien“ gleich täten. Im Gegensatz zu Treitel und anderen auf schnellen Verdienst fixierten Schülern, strebe Vossius keine Privatpraxis 1283

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Allerdings litten Unterricht und Klinikbetrieb lange vor Jacobsons Tod (1889) zuweilen unter dessen Krankheit. Die Klinik, wie das Ministerium 1890 einräumte, sei in Jacobsons letzten Jahren „sehr zurückgegangen“.1291 Eine Wortwahl, die den maßgeblichen Anteil verschleierte, der der Hochschul­ verwaltung und nicht dem maladen Klinikchef an diesem Rückgang zukam. Sie hatte zwar Jacobsons Forderungen nach Ordinariat und Klinik erfüllt, aber bei der personellen und sachlichen Ausstattung wie üblich geknausert. Jacobson mußte mit zwei Assistenten auskommen, obwohl in Klinik und Poli­ klinik in den 1880ern 5–6.000 Kranke jährlich zu versorgen waren. Um einen dritten Assistenten kämpfte er jahrelang vergeblich. Als der Finanzminister ihn kurz vor seinem Tod bewilligte, wollte er ihm dafür die minimal dotierte Stelle des Amanuensis streichen. Die Oberrechnungskammer pie­ sackte Jacobson mit dem Monitum, der erste Assistent solle sich gefälligst an den Heizkosten seiner Dienstkemenate beteiligen. Dabei feilschten die Berliner Schatzmeister überall um Pfennigbeträge, während der international angesehene Augenheilkundler am Krankenbett operieren mußte, weil man „vergessen“ hatte, ihm einen Operationssaal zu bewilligen. Als er 1882 zum aseptischen Operieren überging, stiegen die Kosten für Verbandsmaterial, destilliertes Wasser, Carbolsäure und die neuen Medikamente Eserin und Cocain, mit deren Hilfe sich der neuralgisch leidende Jacobson selbst öfter Linderung verschaffte. Das Cocain verursachte häufiges Erbrechen, was den Bedarf an Bettwäsche erhöhte. 1886 klagte Jacobsohn, er müsse seine Filigranschnitte beim Schein einer Petroleumfunzel ausführen, während andere Klinikchefs mit einer elektrischen Lampe an der Stirn viel sicherer operie­ ren könnten. Mindestens 10.000 M. veranschlagte er schon 1884, um die Kliniken zu modernisieren. 1886 bewilligte ihm der Finanzminister die Hälfte davon. Zu wenig, um davon auch die Bibliothek, die ihren Namen nicht verdiente, weil alle Standardwerke wie Helmholtz’ Physikalische Optik, alle wichtigen deutschen ophthalmologischen Zeitschriften und „fast die ganze Literatur des Auslandes“ fehlten, aufzufüllen. Da auch die Universitätsbibliothek „fast nichts“ Augenheilkundliches bot, stellte Jacobson seine privaten Bestände zur Verfügung, um nicht vollends darauf „zu verzichten, sich an der Entwicklung des Faches zu beteiligen“ und den Ruf einer wissenschaftlichen Einrichtung nicht zu rui­ nieren, zumal die mit Haut und Haaren durch den Klinikbetrieb beanspruchten Assistenzärzte „keine an, so daß er, auch dank einer „sehr acceptable[n] Heirath“, der Wissenschaft erhalten bleibe (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 11–15; an Althoff v. 13. 3. 1887). Hatte Jacobson Vossius’ Ernennung zum nb. ao. Prof. deswegen befürwortet, riet er von dieser Auszeichnung für den geschäftstüchtigen Treitel ab, während die von Althoff befragte Bonner Autorität Theodor Saemisch (1833–1909) zuriet: Treitels Arbeiten zeitigten keine „besonders hervortretenden Resultate“, zeugten aber von erfreulicher Selbständigkeit und umfassender Sachkennt­ nis (ebd., Bl. 54 f.; Votum v. 18. 12. 1887). – Der von Hirschberg 1918, S. 130, als „Privatdocent“ erwähnte Jacobson­Schüler Eugen Annuske (nach 1880 Arzt in Elbing, noch 1901 Kreisphysikus in Lübben/Spreewald), seit 1873 J.’s Assistent, findet sich nicht unter den Meldungen über med. Habilitationen in: GStA …, Nr. 24, Bd. I. 1291 GStA, Rep. 89, Nr. 21661, Bl. 11–13, PrMK – ZivK v. 17. 1. 1890, Bestallungsvorschlag Nf. Jacobson. – Die Liste v. 10. 12. 1889 in ebd., Sekt. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 1–5: 1. Eduard Raehlmann, 1848 Ibben­ büren/Westf.–1917 Weimar, Prom. 1872 Halle: Ueber Farbenempfindungen in den peripherischen Netzhaut­ parthieen in Bezug auf normale und pathologische Brechungszustände, Habil. Straßburg 1875, ebd. Assistent, 1879 ord. Prof. Dorpat (Nf. G. v. Oettingen), 1900 wegen der Russifizierung der Universität Demission, Pri­ vatgelehrter in Weimar. Arbeitete über Netzhautablösung, Anatomie u. Pathologie der Hornhaut, Trachom­Be­ kämpfung in den Ostseeprovinzen, Amyloidentartung der Konjunktiva, in Weimar Theorie der Farbenempfin­ dung, Farbfotographie, zuletzt über Goethes Farbenlehre; vgl. Ischreyt 1918 und Franz 1981, S. 60 f. Wie bei den anderen Vorschlägen, begnügte sich die Fakultät mit einer pauschalen Würdigung der großen Bandbreite von Raehlmanns Publikationen, seiner angesehenen Stellung als Praktiker und anregender Lehrer. – 2. A. v. Hippel (s. Catalogus). – 3. Oscar Eversbusch, 1853 Haspe/Westf.–1912 München, 1877 Prom. Tübingen, 1882 Habil. f. Augenheilkunde München, 1878–1886 erster Assistent Univ.­Augenklinik München (August von Rothmund), 1886 oö. Prof. Erlangen, 1900 als Nf. Rothmunds Rückkehr nach München, Mitbegründer der Zs. f. vgl. Augen­ heilkunde, Schwerpunkte: vgl. Anatomie des Auges und ophthalmologische Operationslehre (R. Franz 1981, S. 77–81).

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freie Stunde“ zur wissenschaftlichen Auswertung der Patientenbefunde hatten. Dies Material stufte Jacobson seit etwa 1885 als zunehmend „einseitig“ ein. Damit war die neben der staatlichen Pfennig­ fuchserei zweite Ursache des Rückgangs angesprochen: die Konkurrenz von drei Jacobson­Schülern (Treitel, Fritz Heisrath1292 und Emil Berthold1293), die ihre Privatkliniken in Königsberg unterhielten und wissenschaftlich interessante Fälle kurierten, ohne sie an die Universitätsklinik zu überweisen. Und endlich floß auch, wegen politischer Spannungen, der Patientenstrom aus Rußland nicht mehr so reichlich nach Königsberg.1294 Vor diesem Hintergrund ist kaum verwunderlich, daß das seinem Lehrer und Amtsvorgänger mit Beschwerden und Eingaben nacheifernde Landeskind v. Hippel der Klinik bald den Rücken kehrte und nach nur vier Semestern einem Ruf nach Halle folgte. Vossius’ Nachfolger als Oberarzt, Otto Schirmer, 1890 nach Königsberg umhabilitiert, zog zum WS. 1892/93 mit seinem Chef an die Saale.1295 Für Hippels Lehrstuhl einen Ordinarius zu finden, erwies sich als schwierig. Einer der angesehensten Fach­ vertreter, v. Graefes Schüler und letzter Assistent, Hermann Schmidt­Rimpler, Jahrgang 1838 und seit 1890 wohlbestallter Klinikchef in Göttingen,1296 ließ sich von Althoff, der ihm v. Hippels Lehrstuhl anbot, zu einer Besichtigung in Königsberg überreden. Mit niederschmetterndem Resultat: Von sei­ nem Vorgänger habe er ja schon reichlich „Schwarz­in­Schwarz­Schilderungen“ empfangen, über un­ zulängliches Krankenmaterial, weite Entfernungen, unzuträgliches Klima. Aber der eigene Eindruck habe dies noch unterboten. Königsberg könne als Großstadt in punkto Lebensqualität nicht einmal mit Hannover oder Kassel mithalten. Die zunächst günstigen Nachrichten über das gesellschaftliche Leben erwiesen sich als „ziemlich schönfärberisch“, dazu das böse Klima, der lange Winter, die schlechte Hy­ giene der Häuser. Von den ärztlichen und klinischen Verhältnissen gar nicht zu reden, die offenkundig viel unbefriedigender seien als in Göttingen, wo er auch höhere Einnahmen erziele.1297 Während Alt­ hoff im Frühjahr 1892 über den Kopf der Fakultät hinweg die Berufung Schmidt­Rimplers einfädelte, lag ihm eine Liste vor, angeführt von dem fast 60jährigen, gerade erst nach Rostock berufenen Ru­ dolf Berlin. Ein unrealistischer Vorschlag, dem zwei jüngere Kapazitäten hinzugefügt worden waren: Wilhelm Uhthoff, seit 1890 Ordinarius in Marburg, und Oscar Eversbusch, seit 1886 Professor und Klinikchef in Erlangen, der schon 1889 auf der Nachfolgeliste für Jacobson stand.1298 Althoff entschied

Zu Heisrath, den Kuhnt 1899 habilitierte, s. u. und Catalogus. Zu Berthold, der 1890 ganz zur Ohrenheilkunde wechselte, s. u. und Catalogus. 1294 Beschreibung der Verhältnisse in Klinik und Poliklinik nach dem Inhalt der ministeriellen Institutsakte von 1881 bis 1894: GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 39, Bd. II, darin vor allem die medizinhistorisch wertvollen, die Drangsale und Nöte des Betriebs einer preußischen Universitätsklinik ungemein plastisch schildernden Ein­ gaben Jacobsons v. 15. 10. 1884 (ebd., Bl. 85–87), 28. 3. 1885 (Bl. 49), 30. 8. 1887 (Bl. 118–120). 1295 Zu Schirmer s. Catalogus. 1296 Zu Leben und Werk des 1838 in Berlin geborenen Graefe­Schülers, der erst 1890 von Marburg auf den Göt­ tinger Lehrstuhl gewechselt war und der 1901 an Stelle des nach Göttingen berufenen Arthur von Hippel nach Halle ging (dort gest. 1915): R. Franz 1981, S. 16–19. 1297 GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 204 f.; Schmidt­Rimpler – Althoff v. 21. 7. 1892. – Ganz objektiv schildert der Bericht des Göttinger Ordinarius die Königsberger Verhältnisse nicht, da das Negativbild auch Teil des Verhand­ lungspokers gewesen sein könnte. Schmidt­Rimplers Ideal sei es, so einer von Althoffs engsten medizinischen Beratern, der zur Grobheit neigende Marburger Physiologe Eduard Külz, „tüchtig Geld zu verdienen“. Nach Königsberg werde er nur gehen, „wenn er vollkommen sicher ist, daß er dort weit mehr verdient“ (an Althoff v. 7. 7. 1892, zit. n. Eulner/Sachsenweger 1957/58, S. 403). 1298 GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 170–172; MedFak – PrMK v. 22. 5. 1892, Liste Nf. v. Hippel: 1. R. Berlin, 1853 Friedland/Meckl.–1897 Rostock, jüdischer Herkunft, einer der ältesten Schüler A. v. Graefes in Berlin, 1858 in Er­ langen promoviert, seit 1861 Augenarzt in Stuttgart, 1870 Habil. f. Physiologische Optik an der Stuttgarter Tier­ arzneischule, ebd. 1875 ord. Prof., 1890 Rostock. – 2. W. Uhthoff, 1853 Kl. Warin/Meckl.–1927 Breslau, 1877 Prom. FWU: Experimentelle Beiträge zur Nephritis, 1884 Habil. ebd., 1890 oö. Prof. f. Augenheilkunde Marburg, 1292

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sich dafür, Uhthoff das Amt anzutragen, erhielt aber umgehend eine Absage.1299 Aufgefordert nunmehr „jüngere Kräfte“, also preisgünstige Privatdozenten, vorzuschlagen, zeigte sich die Fakultät renitent und nannte auf ihrer zweiten Liste allein den Jenenser Ordinarius Hermann Kuhnt, darauf beharrend, daß die „isolierte Lage“ der Albertina einen Lehrer fordere, der das gesamte augenheilkundliche Spektrum abdecken könne. Denn die Königsberger Medizinstudenten stammten fast ausschließlich aus Ost­ und Westpreußen und seien zu arm, um etwaige Lücken des Lehrangebots durch den Wechsel an andere Universitäten zu schließen. Und nur ein gestandener Ordinarius biete die nötige Anziehungskraft, um der Augenklinik den „Zufluß aus der Ferne“, die russisch­jüdischen Patienten zu sichern. Daher könne man die ministeriellen Kandidaten, unter denen einer nicht einmal habilitiert sei, nur ablehnen.1300 Zwei Tage nachdem Uhthoffs Absage in Berlin eintraf, hielt Althoff, der zweigleisig gefahren war, Kuhnts Zusage in Händen.1301 Unter der Regie des energischen Lausitzers Kuhnt, eines Kriegsfreiwil­ ligen von 1870, Royalisten „durch und durch“ und militärisch gestrafften „Fanatikers der Arbeit“,1302 besserten sich die Konditionen: Klinik und Poliklinik meldeten in den 15 Jahren seines Direktorats kontinuierlich, ja rasant steigende Patientenzahlen.1303 Kuhnt kümmerte sich seit Ende der 1890er um die epidemisch in Ostpreußen auftretende „Volksseuche“ der Granulose, einer chronischen, infek­

1896 Breslau (Nf. Richard Foerster), 1908/09 Rektor (Biogramm in: Franz 1981, S. 82–86). – 3. O. Eversbusch, s. o. Anm. 1291. 1299 Ebd.; Bl. 207 f.; Uhthoff – Althoff v. 28. 7. 1892. 1300 Ebd., Bl. 191–196, MedFak – PrMK v. 26. 6. 1892, II. Liste Nf. v. Hippel. Neben Kuhnt (s. Catalogus), der allein vorgeschlagen wurde, nahm die Fakultät Stellung zu Hermann Wilbrand (1851 Gießen–1935 Hamburg), Adolf Eugen Fick (1852 Marburg–1937 Herrsching/Ammersee) und August Wagenmann (1863 Göttingen–1955 Heidelberg). Fick praktizierte in den 1880ern als Augenarzt in Südafrika, 1887 Habil. f. Augenheilkunde Zürich, dort bis 1914 Privatklinik, Meldung als 62jähriger Kriegsfreiwilliger bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, Chef von Feldlazaretten an Ost­ und Westfront sowie in der Türkei. Seine „Tätigkeit im Ausland“, so hieß es ablehnend, sei kaum die geeignete Vorbereitung auf ein Königsberger Ordinariat. Gegen Wilbrand war leicht das Manko einer fehlenden Habilitation auszuspielen. Zudem sei er einseitig auf Gesichtsfelddefekte infolge Gehirnleidens konzentriert, und seine klinischen Beobachtungen hätten ihn als zu wenig kritisch ausgewiesen. Außer der wissen­ schaftlich „nicht vollkommenen Ausbildung“ spreche sein „schwerfälliges Wesen“ gegen ihn, das sich im Verkehr mit Kollegen und den von weit her anreisenden Patienten „verhängnisvoll“ auswirken werde. Zumindest fachlich lag hier eine gründliche Fehleinschätzung vor. Wilbrand, 1875 in Straßburg promoviert, war 1892 zwar „nur“ ein in Hamburg niedergelassener Augenarzt und übernahm 1905 die Leitung der Augenabt. im Allg. KHS ebd., doch blieb er stets der Forschung so eng verbunden, daß er 1899 sein achtbändiges Handbuch zur Neurologie des Auges (abgeschlossen 1921) erscheinen lassen konnte, „ein Werk ohne gleichen in der Weltliteratur“ (Julius Hirschberg zit. nach v. Haugwitz 1991, S. 26 f.), geschrieben ausschließlich von ihm selbst; der auf dem Titelblatt genannte Hamburger Neurologe A. Saemisch habe nicht „einen Strich“ dazu beigetragen, vgl. a. R. Franz 1981, S. 72 f.. Auch Adolf Fick, obwohl in Zürich, wo er sich in der Abstinenzler­Bewegung engagierte, bis 1914 über den Status des Privatdozenten nicht hinausgekommen, sein Geld mit einer eigenen Privatklinik verdienend, blieb der Wissenschaft treu durch sein ‚Lehrbuch der Augenheilkunde (1894) und so zahlreiche wie gewichtige Studien zur Licht­ und Farbempfindung, zur Funktion der Netzhaut, Gesundheitspflege des Auges und Korrektur von Brechungsfehlern durch Kontaktgläser (vgl. NDB V, S. 128 f.). Ungerecht fiel auch das Urteil gegen den „unerfah­ renen“ Wagenmann aus. 1888 bei Theodor Leber in Göttingen habilitiert, wechselte er mit seinem Chef 1890 an die Heidelberger Univ.­Augenklinik und bekam im WS. 1892/93 den Jenaer Lehrstuhl Kuhnts. Als Nachfolger Lebers kehrte er 1910 nach Heidelberg zurück, wo er bis 1935 amtierte, als einer der angesehensten Augenheil­ kundler Deutschlands. Wagenmann gab von 1896 bis 1917 Graefes Archiv für Ophthalmologie mit heraus, danach bis 1945 alleiniger Herausgeber und Schriftleiter dieses führenden Fachorgans (R. Franz 1981, S. 116 f.). 1301 Ebd., Bl. 210; Kuhnt – Althoff v. 30. 7. 1892. 1302 So im Nekrolog von Reis 1925, S. 758. 1303 Vgl. AUK Chronik 1893–1907, darin die Kurzberichte Kuhnts.

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tiösen Bindehautentzündung.1304 Und auch ein anderes lokalspezifisches Anwendungsgebiet scheint er bei der Vergabe von Doktorarbeiten, immerhin zwei Dutzend im Laufe der Jahre, für ein junges klinisches Spezialfach durchaus respektabel, stets beachtet zu haben: das in Ostpreußen stationierte Militär. Der spätere, in den 20er Jahren zur Königsberger Honoratiorenschaft zählende Generalarzt Martin Kob, seit 1900 Oberarzt bei den Wrangel­Kürassieren, promovierte bei Kuhnt 1901 ‚Ueber Prophylaxe des Trachoms in der Armee‘.1305 Bruno Paukstat, Königsberger Fabrikantensohn, einige Zeit Assistent in der Privatklinik des Jacobson­Schülers Theodor Treitel, seit 1902 Oberarzt in einem ostpreußischen Dragoner­Regiment, erwarb sich 1904 den Doktortitel mit ‚Betrachtungen über die die Skiascopie [Schattenprobe] und ihre Anwendung im militärischen Ersatzgeschäft‘.1306 Und auch der Bataillonsarzt Königsberger Infanterieregimenter, der Jacobson­Schüler Fritz Heisrath, Kuhnts einziger Habilitand (1898), richtete sich an militärisch­praktischen Erfordernissen aus, zu ersehen an seiner Antrittsvorlesung über „Simulation und Aggravation von Sehschwäche“. Gehörte doch die Suche nach einem sicheren Nachweis von Simulationen bei den Sehtests der Musterungsbehörden noch im Ersten Weltkrieg zu den ungelösten Problemen der Augenheilkunde. Zudem widmete sich seine Habilschrift der granulösen Augenentzündung, und Heisrath galt im Bereich des Armeekorps I als einer der erfahrensten Granulosekenner, der sein großes Wissen als Meister des Trachomoperation dem militärärztlichen Nachwuchs vermittelte.1307 Kuhnt, soeben mit der Rektorwürde geehrt, folgte zum SS. 1907 einem Ruf nach Bonn. Der reibungslose Wechsel zu Emil Krückmann, einem nichtbeamteten Leipziger Extraordinarius, deutet darauf hin, daß sich die Arbeitsbedingungen unter Kuhnt verbesserten, die Klinik zu neuem Anse­ hen gekommen war. Von seinem Vorgänger erbte Krückmann die Granulose­Kalamität Ostpreußens, der sich der Mecklenburger, dessen Namen nach 1914 vor allem mit der Kriegsblindenfürsorge eng verbunden ist, aber nicht ebenso intensiv widmen konnte, da er bereits zum SS. 1912 dem für einen Königsberger Ordinarius ungewöhnlichen Ruf an die Berliner Universität folgte.1308 Ihm rückte nach Dazu in monographischem Umfang Kuhnt 1898; die absoluten Zahlen (3.400 „Körnerkranke“ unter den 22.300 Patienten der Poliklinik =15 %, sogar nur 5 % Granulöse unter den von seinen Assistenten untersuchten 12.000 Königsberger Volksschülern) entschärften Kuhnts dramatische Rede von der „Volksseuche“ zwar, stellten aber trotzdem angesichts der begrenzten Kapazitäten der Univ.­Augenklinik ein schwerwiegendes gesundheits­ politisches Problem dar. Zudem hatte Kuhnt Anhaltspunkte dafür, daß die infektiöse Krankheit unter der Landbe­ völkerung verbreiteter war als bei den hygienisch privilegierten Königsbergern, die mit „ihren besseren Wohnungs­ gelegenheiten geschützer gegen derartige Ansteckungen“ lebten (ebd., S. 426 f.). Vgl. ferner auch zwei bei Kuhnt angefertigte Dissertationen: 1. Kurt Genserowski, Behandlung der Coniunctivitis granulosa [allein in Ostpreußen 75.000 Erkrankte], 1903. – Vf., 1878 Königsberg, V.: Postbeamter, 1897 WilhelmsG, Tod des Vaters als Post­ direktor 1895 in Schneidemühl, med. Studium AUK. – 2. Wilhelm Hoffmann, Statistik über 3.000 Fälle von Conjunctivis granulosa, 1906. – 1880 Jerusalem/Palästina, V.: Lehrer, „jetziger Vorsteher der Tempelgesellschaft“, 1900 G Tübingen, med. Studium Tübingen (4), FWU (1), München (1), AUK (3), StE 6/1905. 1305 Kob, Martin, Ueber Prophylaxe des Trachoms in der Armee. – 1872 Lötzen, V.: LG­Direktor, 1891 G Berlin, med. Stud. militärärztl. Kaiser­Wilhelm­Akademie u. FWU (1891–1893), dann AUK, StE 1896, „ich trat sofort in den aktiven Sanitätsdienst ein“, seit 1/1900 Oberarzt Kürassier­Reg. Graf Wrangel Königsberg, seit 1899 kom­ mandiert an KHS Barmherzigkeit ebd., im EB 1941: Generaloberarzt a. D., Hintertragheim 32, vgl. APB 977. 1306 Paukstat, Bruno, Betrachtungen über die Skiascopie und ihre Anwendung im militärischen Ersatzgeschäft. – 1874 Königsberg, V.: Stiefelfabrikant (gest. 1892), 1892 AltstädtG, med. Stud. AUK, 1898 StE, 1899–1902 Assistent Privat­Augenklinik Treitel, ab Juli 1902 Oberarzt Dragoner­Regiment Ostpr. Nr. 10. 1307 Zu Heisrath, der bereits 1904 starb, siehe Catalogus. 1308 Ebd., Nr. 20, Bd. XI, Bl. 264–266; MedFak – PrMK v. 1. 2. 1907, Liste Nf. Kuhnt: 1. Krückmann, Habil. Leipzig 1896 (s. Catalogus). – 2. Leopold Heine, 1870 Köthen/Anhalt–1940 Kiel, Habil. 1898 Marburg, seit 1899 I. Assistent Univ.­Augenklinik Breslau (Uhthoff ), SS. 1907 oö. Prof. Greifswald, WS. 1907/08–1935 Kiel, Dekan 1918/19 (Franz 1981, S. 149–152; Böke 1988, S. 27–42); „deutschnational­bismarckisch“ (Böke) orien­ tiert, geriet Heine 1934 in Konflikt mit dem NS­Ärztebund, der Kieler SA und dem Dozentenschaftsleiter Lothar Loeffler, dem nachmaligen Rassebiologen und „starken Mann“ der Albertina ab 1934 (dazu Bd. II), was ihn bis an 1304

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der Sachse Franz Schieck, der treueste Schüler Arthur von Hippels aus Hallenser Tagen, mit ihm 1901 nach Göttingen gewechselt und dort seit 1906 nb. ao. Prof., für Königsberg also eine wohlfeile Akquisition,1309 der man sich aber nur bis 1914 erfreuen konnte, als er den Platz für den Leipziger Kollegen Arthur Birch­Hirschfeld freimachte, der sich tiefer noch als Kuhnt in Königsberg einwurzelte und bis zur Emeritierung 1936 blieb.1310 Hatte Kuhnt mit Heisrath nur einen Habilitanden herangezogen, brachte Krückmann aus Leipzig Wilhelm Meisner (Habilitation 1912) und Hubert Sattler mit (1911) und gewann den Würzburger Privatdozenten Arthur Brückner, einen Baltendeutschen, der sich 1907 umhabilitierte. Eingerechnet Schiecks Oberarzt Wilhelm Clausen, einem Pionier der Hornhaut­Verpflanzung,1311 versammelte die Königsberger Augenklinik in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch einige der wichtigsten Expo­ nenten der künftigen Ophthalmologen­Generation. Meisner, Brückner und Clausen besetzten in den 20er Jahren Lehrstühle in Halle, Jena, Köln und Basel, bestimmten die Geschichte der Disziplin als Herausgeber von Handbüchern und Zeitschriften. Nur Hubert Sattler, Sohn des gleichnamigen Leip­ ziger Altmeisters der Augenheilkunde,1312 blieb als Oberarzt an der Seite Birch­Hirschfelds, eines der engsten Schüler seines Vaters, an der Klinik und übernahm 1928 die Augenabteilung des katholischen Elisabeth­Krankenhauses, die er bis 1939 leitete. Erst 1945 mußte er seine Königsberger Wahlheimat verlassen. Gerichtsmedizin Die medizinischen Spezialfächer, unter denen die Gerichtsmedizin 1902 auch in Königsberg das seit 1892 geforderte Extraordinariat erhielt, waren vor dem Ersten Weltkrieg berufungspolitisch bei wei­ tem nicht so umkämpft wie die Hauptfächer, da ihre Vertreter – ausgenommen die durch ein Ordi­ nariat aufgewertete Augenheilkunde – als Nicht­Ordinarien keinen Einfluß auf die Geschicke der Fakultät hatten. Konflikte ergaben sich daher fast ausschließlich bei der Ausstattung neueingerichteter Spezialkliniken und Institute. Aber bei der im Vergleich mit allen anderen neuen Disziplinen die ge­ ringsten Aufwendungen beanspruchenden, therapeutisch ja nicht geforderten Gerichtsmedizin blieben selbst diese Konflikte aus. Neubegründet wurde in Königsberg 1902 ein Extraordinariat für gerichtliche Medizin,1313 das um­ gehend zum SS. 1903 mit dem primo loco vorgeschlagenen Berliner Privatdozenten Georg Puppe be­ den Rand eines Disziplinarverfahrens brachte (Heiber 1991, Tl. 1, S. 260 f.); Schwerpunkt: physikalische Optik, „von seiner Klinik aus begann der moderne Siegeszug der Kontaktlinsen“ (Voswinckel 2002, S. 612; LGH 2004, S. 82). – 3a. Eugen von Hippel, 1867 Königsberg–1939 Göttingen, Habil. Heidelberg 1893, Schüler und Assi­ stent Theodor Lebers (1840–1917), oö. Prof. Halle 1909, Göttingen 1914–1938, Schwerpunkte: Mißbildungen des Auges, Entwicklungsgeschichte des Auges. v. Hippel war der älteste Sohn von Kuhnts Lehrstuhlvorgänger Arthur v. Hippel (R. Franz 1981, S. 140–144). – 3b. Paul Römer, 1873 Neundorf/Anhalt–1937 Bonn, Prom. Halle 1896, 1902 Habil. f. Augenheilkunde bei C. v. Hess in Würzburg, 1905 nb. ao. Prof., 1907 oö. Prof. Greifs­ wald, 1921–1935 Bonn (Nf. Kuhnt), von der Fakultät wegen seiner ungewöhnlichen literarischen Produktivität (Bibl. ebd., Bl. 278–281!) auf die Liste gesetzt, Hauptverdienst wurde darin gesehen, daß R. Ergebnisse der Immu­ nologie für die Augenheilkunde fruchtbar gemacht habe. 1309 GStA …, Nr. 20, Bd. XII, Bl. 66 f.; MedFak – PrMK v. 24. 2. 1912, Liste Nf. Krückmann, s. u. Anm. 1358. 1310 Zu Birch­Hirschfeld, der zum WS. 1914/15 kam, vgl. ausführlich Bd. II. 1311 Clausen habilitierte sich unmittelbar nach seiner Ankunft im SS. 1912, ging im SS. 1915 wieder zu Schieck nach Halle, s. Catalogus. 1312 Über Sattler sen. (1844 Salzburg–1928 Leipzig) ausführlich Fahrenbach/Wiedemann 1996, S. 54–100. Zu Sattler jr. siehe Catalogus. 1313 Der Gerichtsmediziner Carl Seydel hatte zwar 1891 die Vertretung des Faches übernommen, hatte aber nicht das besoldete Extraordinariat von Pincus übertragen bekommen. Als nb. ao. Prof. wurde er mit Remunerationen abgefunden. Die Angabe bei Mallach 1996, S. 307, die Albertina habe 1891 einen „Lehrstuhl für Gerichtliche Me­

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setzt wurde.1314 Der Zweitplazierte, Albin Haberda, aus der im europäischen Rahmen führenden Wiener Schule Eduard Ritter von Hofmanns, bei dem auch Puppe sich gerichtsmedizinisch fortgebildet hatte, genoß im Vergleich mit dem Berliner Mitbewerber das weitaus größere Ansehen, stand im Ruf eines „in­ ternational anerkannten Meisters seines Faches“ und war 1898 nur infolge einer Fakultätsintrige nicht zu v. Hofmanns Nachfolger ernannt worden.1315 Doch wie bei dem Hygieniker v. Esmarch, der 1891 im Vergleich mit Hans Buchner als die schwächere Kraft galt, wie bei dem Gynäkologen Georg Winter, der der Fakultät 1897 oktroyiert wurde, dem Hygieniker Richard Pfeiffer (1899), dem Chirurgen Lexer (1905), dem Pathologen Friedrich Henke (1906) und dem Otologen Heine (1906), machte mit Puppe wieder ein Berliner Nachwuchsmediziner das Rennen. Ein weiteres Indiz dafür, daß es für die ministe­ rielle Berufungspolitik nicht darum ging, die Königsberger Fakultät zu fördern, ihr wissenschaftliches Ansehen zu heben und damit ihre Anziehungskraft über Ostpreußen hinaus zu steigern, sondern primär den Berliner sowie den übrigen preußischen Nachwuchs mit einer ersten Karrierestation zu „versorgen“, „unterzubringen“ und dafür die Albertina als „Sprungbrett“ zu nutzen. Nahe der Medizinischen Klinik gelegen, erhielt Puppe im SS. 1905 das sparsam umgebaute zwei­ stöckige, mit Hörsaal, Sammlungssaal, Bibliothek und Dunkelzimmer ausgestattete Haus Oberlaak 10, um dort ein bescheidenes Institut einzurichten, dem noch das alte, über einen Sektionssaal ver­ fügende Leichenschauhaus der Anatomie angegliedert wurde.1316 Einen Schwerpunkt bildete für ihn von Anfang an die versicherungsrechtlich relevante Begutachtung der Erwerbs­ und Zurechnungs­ fähigkeit. Dagegen nahmen die klassischen gerichtlichen Untersuchungen und Obduktionen Puppe weniger in Anspruch, obwohl sich seine kasuistisch eingegrenzte wissenschaftliche Publizistik sowie die öffentliche Vortragstätigkeit fast ausschließlich aus dem hier gewonnenen Material speiste.1317 dizin“ erhalten, der mit Seydel besetzt worden sei, ist falsch. Auch Berthold Muellers Behauptung (1952, S. 262) trifft nicht zu, Puppe sei der erste „hauptamtliche“ Fachvertreter gewesen, da Pincus als beamteter Extraordinarius für Staatsarzneiwesen die hergebrachte Kombination Gerichtsmedizin und Gesundheitspolizei vertrat. 1314 GStA Bd. X, Bl. 259–261; Med. Fak. – PrMK v. 30. 1. 1902, Liste zur Besetzung des neues Extraord. für gerichtliche Medizin: 1. Puppe, (1867, s. Catalogus), 1891–1895 Assistenzarzt an der Richter­Wendel’schen Irren­ anstalt und am KHS Am Urban in Berlin, 1895 nach Wien, bei E. Hofmann gerichtsmed. Stud., 1898 Habil f. Staatsarzneikunde FWU. – 2. Albin Haberda, 1868 Bochnia/Galizien–1933 Wien, Habil. Wien 1896: Die fötalen Kreislaufwege der Neugeborenen und ihre Veränderungen nach der Geburt, nb. ao. Prof. ebd. 1897, 1900 b. ao. Prof. ebd., Berufungen nach Lemberg (1898), Marburg (1901), München (1909) abgelehnt, oö. Prof. ebd. 1917 (Nf. Alexander Kolisko), in den 1920ern „eine der gefragtesten Sachverständigen an Wiener Gerichten“ (Voswin­ ckel 2002, S. 567), Verfasser des autoritativen Standardwerkes ‚Lehrbuch der gerichtlichen Medizin‘ (1927), „Lieblingsthemen“: Kindstötung, zwischengeschlechtliche Gewalt, krimineller Abort, Vergiftungs­, Erhängungs­ u. Stromtod sowie der plötzliche Tod aus natürlicher Ursache. Kurzbiographie bei Mallach 1996, S. 435–437. – 3. Heinrich Hildebrand, 1866 Rosenthal/Kr. Frankenberg–1940 Marburg, 1890 Prom. Marburg, bis 1902 prakt. Arzt, zuletzt Assistent Chirurg. Abt. Eppendorfer KHS, 1902 Stadtphysikus in Hamburg, 1903 b. ao. Prof. f. gerichtliche Medizin Marburg, 1912 ord. Honorarprof. ebd., 1914–1918 Kriegsteilnahme, 1921–1934 oö. Prof., Direktor des gerichtsmed. Inst.; Schwerpunkt: Unfallverhütung (Begutachtung), 1912: Der gerichtlich­medizi­ nische Nachweis der wichtigsten Gifte, 1927 der Leitfaden: Gerichtliche Medizin. – Ebd. Bl. 264; Bestallung Puppes v. 24. 2. 1903, rückwirkend zum WS. 1902/03. 1315 Lesky 1965, S. 614. 1316 Bericht Puppe Chronik AUK 1905/06, S. 30. 1317 Bibliographie ergibt sich bis 1915 aus seinen Institutsberichten, in: Chronik AUK. Die einzige größere Arbeit der Königsberger Zeit stellte seine Neufassung des ‚Atlas und Grundriß der Gerichtlichen Medizin‘ dar, den sein Wiener Lehrer v. Hofmann begründet hatte; das zweibändige Werk, zwei handliche Bände im Taschenformat, erschien 1908 im Verlag von J. F. Lehmann in München. – Die von Puppe betreuten Dissertationen bewegen sich fast alle auf dem Feld gerichtsärztlicher Kasuistik: Wolter, Carl August, Die Wirkung der Flobertpistole und ihre gerichtsärztliche Bedeutung (mit Lexer), 1907. – Krönig, Ernst, Beitrag zur Kenntnis der Todesfälle in der Geburt und im Wochenbett in Ostpreußen, 1907 (mit Winter). – Güntsch, Carl, Üeber forensische Sperma­Untersuchung mbB der Barberio’schen Methode mittels konzentrierter Pikrinsäurelösungen, 1911. – Remky, Erich, Über Exhi­

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1908 beantragte Puppe, nachdem er seit 1905 schon einschlägige Veranstaltungen angeboten hatte, unter Verweis auf die Königsberger Rückständigkeit gegenüber Berlin, Bonn und selbst Kiel, einen Lehrauftrag für Soziale Medizin, der ihm 1909 für 800 M. Gehaltszuschuß erteilt wurde.1318 Regel­ mäßig hielt er eine öffentliche, an Mediziner und Juristen adressierte Vorlesung pro Semester, mit De­ monstrationen an Invaliden und Unfallverletzten, die er wegen des regen Interesses ab 1910 für Hörer aller Fachbereiche anbot. Dieser Ausgriff auf sozialpolitisches Terrain erklärt sich aus der prekären Lage der Gerichtsmedizin im medizinischen Unterricht. Das Fach konnte seit 1901 im Staatsexamen ge­ prüft werden, doch nur soweit, wie sich „Bezüge“ zur traditionellen Prüfungsmaterie ergaben. Erst die Prüfungsordnung von 1924 verlangte obligatorisch gerichtsmedizinisches Grundwissen.1319 Bis dahin galt es, mit sozialmedizinischen Themata die Attraktionskraft der Gerichtsmedizin zu steigern. Und insbesondere das Königsberger Institut gewann durch den Einsatz Puppes, einer auf Einflußnahme im Medizinalbeamtenverein, im preußischen Landesgesundheitsrat, in der Deutschen Gesellschaft für Gerichtsmedizin und in der Königsberger Stadtverwaltung bedachten „geborenen Führernatur“, wie ihn sein Berliner Lehrer Fritz Strassmann charakterisierte, 1320 ein markantes sozialmedizinisches Profil. Wegen einiger Überschneidungen mit der modisch gewordenen Sozialhygiene und der von der Psychiatrie für sich reklamierten Trinkerfürsorge war Puppe unbesorgt. Da er die communis opinio der Gerichtsmediziner und Psychiater seiner Generation teilte, daß der Alkoholismus die Kriminalität fördere, konzentrierte sich der Sozialhygieniker Puppe auf den Kampf gegen die in Königsberg seit Ende des 19. Jahrhunderts grassierende „Trunksucht“ der „niederen Klassen“.1321 Die Ergebnisse der Betreuungsarbeit der von ihm 1907 eingerichteten privaten, von Stadt und Staat subventionierten Fürsorgestelle, über die sein Assistent und späterer, Puppes Ausrichtung auf soziale Medizin zugunsten der forensischen Toxikologie und naturwissenschaftlichen Kriminalistik revidierende Lehrstuhlnach­ folger Martin Nippe 1913 eine Habilschrift anfertigte, war jedoch geeignet, jeden sozialreformerischen Optimismus zu ersticken.1322 Psychiatrie Ebenso zügig wie Puppe erhielt der primo loco vorgeschlagene Breslauer Privatdozent Karl Bonhoeffer 1903 seinen Ruf auf das Extraordinariat für Neurologie und Psychiatrie, das seit seiner Etatisierung 1892 von Franz Meschede, dem Chef des Städtischen Krankenhauses, nebenher vertreten worden war.1323 bitionismus, 1912. – Kaminski, Aloysius, Kindesmord durch Einführen von Fremdkörpern in Mund und Rachen, 1913. – Kirschstein, Johannes, Tötung durch Flobertschrotschuß, 1914. – Lipper, Hartwieg, Fünf Fälle von Blitz­ schlag. Ein Beitrag zur Kenntnis der Blitzverletzungen, 1915. – Sakobielski, Wilhelm, Über Sarggeburt unter Mit­ teilung eines neuen Falles, 1916. – Katsch, Hermann, Die gerichtsärztliche Beurteilung von Salvarsan­Todesfällen, 1918. – Medizingeschichtlich: Czyborra, Arthur, Zwei Puerperalfieberepidemien in Ostpreußen, 1912. 1318 GStA …, Nr. 20, Bd. XI, Bl. 296 f.; Puppe – PrMK v. 14. 2. 1908 betr. LA f. Soziale Medizin, mit dem Hin­ weis auf seine praktische Tätigkeit als Schiedsmann bei der Arbeitsversicherung und Gutachter der Landesversi­ cherungsanstalt. Ebd., Bl. 335; PrMK – Kurator v. 12. 3. 1909, Erteilung LA.– Eulner 1970, S. 163, sieht hier den Ansatz für die „Fürsorgelastigkeir“ der gerichtsmed. Schule Puppes. 1319 Mallach 1996, S. 23. 1320 Strassmann 1925, S. I f. 1321 B. Mueller 1952, S. 263. 1322 Nippe 1913 (bei den 35 separat gedruckten Seiten handelt es sich offenbar um eine Kurzfassung der Habil­ schrift); beginnt mit der Klage über den großen Vorsprung des Auslandes (Schweden, Norwegen, USA) bei der Organisation der Alkoholiker­Fürsorge, schildert das Verfahren zur Einweisung der Delinquenten, von denen die Hälfte „uneinsichtig“ sei und rückfällig werde. Gerade die Königsberger Trinkerszene erschwere die ehrenamtliche Arbeit von Puppe et al., da „hauptsächlich im Arbeiterstande, aber auch in anderen Kreisen, mehr als anderswo noch immer in erschreckender Menge“ Schnaps konsumiert werde (ebd., S. 29). 1323 GStA, Bd. X, Bl. 282; Med. Fak. – PrMK v. 30. 5. 1903, Liste Nf. Meschede: 1. Karl Bonhoeffer (1868–1948, s. Catalogus), 1897 Habil. Breslau, 1898–1903 Ltr. Beobachtungsstation für Geisteskranke ebd., 1902 nb. ao.

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An Bonhoeffer gefiel der Fakultät, daß er sein Fach in Breslau couragiert für sozialpsychiatrische Problemfelder geöffnet hatte. Vor allem dem „großstädtischen Bettel­ und Vagabundentum“ habe er sich zugewandt, und von ihm war daher eine überfällige Abkehr von Meschedes neurologisch­hirnphy­ siologischer Kasuistik zu erwarten. Doch erhielt der neue Mann nach wenigen Königsberger Wochen ein Angebot, als Nachfolger Kraepelins ein Heidelberger Ordinariat zu übernehmen, das er ohne zu zögern annahm. Für Bonhoeffer rückte der Zweitplazierte der Meschede­Liste zum SS. 1904 nach, Ernst Meyer, Oberarzt an Ernst Siemerlings Kieler Nervenklinik, der bis zu seinem Tod Ende 1931 in diesem Amt blieb.1324 Wie Meschede war Meyer ein – allerdings im Ruf eines gründlicheren Analytikers stehender – Vertreter der traditionellen Schule der Psychiatrie, die für geistige Defekte allein somatische Ursachen suchte und sich auf „Gehirnkrankeiten“ und solche des „Verlängerten Marks“ konzentrierte.1325 Was für ihn nicht hieß, andere ‚Ursachen der Geisteskrankheiten‘ gänzlich zu ignorieren. In Vorlesungen schien Meyer sogar gern und ausführlich zu diskutieren, ob der kapitalistische „Kampf ums Dasein“, die Lebenswelt des Industriezeitalters, der „Fortschritt von Kultur und Zivilisation“, „die hetzende und treibende Tätigkeit in allen Gebieten“, nicht zu einem rasanten Anstieg der Belegungszahlen nicht nur

Prof. – 2. Ernst Meyer (1871–1931, s. Catalogus). – 3. Hermann Pfister (1870–), Prom. Freiburg 1895: Micro­ cephalie mit Affenspalte ohne Geistesstörung, Habil. ebd. 1899: Ueber die occipitale Region und das Studium der Großhirnoberfläche, 1899: Die Abstinenz der Geisteskranken und ihre Behandlung, 1902: (Hg.), Strafrecht­ lich­psychiatrische Gutachten als Beiträge zur gerichtlichen Psychiatrie für Juristen und Ärzte. – 4. Karl Heil­ bronner (1869–1914), Prom. München 1894, 1894–1898 Assistent Wernickes in Breslau, Habil. ebd. 1898: Rückenmarksveränderungen bei multipler Neuritis der Trinker, 1898–1903 OA Halle (Hitzig), 1903 ord. Prof. Utrecht. – Ebd., Bl. 291–293; Bestallung Bonhoeffer v. 13. 7. 1903; Bl. 299–301; Vereinbarung v. 3. 8. 1903 zum WS. 1903/04. 1324 GStA Bd. X, Bl. 340; Bonhoeffer, Telegramm an PrMK v. 28. 11. 1903: Nach Heidelberg zum SS. 1904 be­ rufen. Ebd., Bl. 342; PrMK – Kur. v. 28. 12. 1903: Ersatzvorschläge Nf. Bonhoeffer einreichen. Ebd., Bl. 370; Med. Fak. – PrMK v. 19. 1. 1904, Liste Nf. Bonhoeffer: 1a. Robert Gaupp, 1870 Neuenburg/Württ.–1953 Stutt­ gart, Großneffe des Kirchenhistorikers und Begründers der textkritischen „Tübinger Schule“, Ferdinand Chr. Baur (1792–1860), 1893 Prom. Straßburg, 1894–1899 Assistent Psych. Klinik Breslau (Wernicke), bei Emil Kraepelin Habil. f. Neurologie u. Psychiatrie Heidelberg 1901: Die Dispomanie, 1906–1936 oö. Prof. Tübingen, weitgefächertes Foschungsspektrum von der progressiven Paralyse bis zu Suizid, Paranoia, Hysterie, „Mittelpunkt einer der größten psychiatrischen Schulen“ vor 1945 (NDB), gilt wegen seiner mit Kosten­ und Nützlichkeits­ erwägungen untermauerten Forderung nach Sterilisierung geistig Kranker u. a. „Minderwertiger“ als rassenhygie­ nischer „Vordenker“ des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933 (B. Grün 2010, S. 258 ff.; relativierend jedoch Leins 1991, die auf Gaupps Kritik der NS­Gesetzgebung verweist; vgl. a. NDB VI, S. 100 f.; BLÄF I, S. 484; Voswinckel 2002, S. 490 f.). – 1b. Ernst Meyer, s. Catalogus. – 2. Maximilian Pfister (1874), nach 1918 Prof. f. Psychiatrie in Shanghai u. Peking. – 3a. Ernst Schultze (1865 Moers–1938 Göttingen), Prom. 1890 Bonn, Assistent Provinzial­Heilanstalt Bonn, Habil. f. Psychiatrie u. Neurologie Bonn 1895, pl. ao. Prof. Greifswald 1904, 1906 oö. Prof. ebd., oö. Prof. Göttingen 1912–1933, Hg. Deutsche Zeitschrift für gerichtliche Medizin, 1922: Psychiatrie und Strafrechtsreform. – 3b. Hugo Liepmann, 1863 Berlin – 1925 ebd., Leipzig 1885 Dr. phil. über antike Atomtheorie, FWU 1895 Dr. med.: Über die Delirien der Alkoholisten, 1895–1899 Assistent Psych. Klinik Breslau (Wernicke), 1900 Assistenz­, 1907 Oberarzt Städt. Irrenanstalt Berlin­Dalldorf, 1914–1917 Ltr. Irrenanstalt Herzberge, Habil. FWU 1904, 1905 Tit. Prof., 1919 ord. Hon. Prof., konzentriert auf Gehirn­ pathologie, Apraxie­Studien, Ideenflucht, Zusammenfassung der Aphasielehre in Hans Curschmanns ‚Lehrbuch der Nervenkrankheiten‘, gab 1906 mit einem Vorwort heraus Carl Wernicke: Grundriß der Psychiatrie in kli­ nischen Vorlesungen (2., erw. Aufl.), 1911: Über Wernickes Einfluß auf die klinische Psychiatrie. – Meyer wurde zum SS. 1903 als Extraordinarius berufen, zum WS. 1906/07 (persönliches) Ordinariat. 1325 Unter diagnostischem Aspekt summarisch die div. „Störungen“ behandelnd und sie im Hirn und Rückenmark lokalisierend: Meyer 1921. Vgl. a. sein Lehrbuch ‚Psychiatrie‘ 1923 (zuerst 1917). Zur „somatischen“ Fixierung der Psychiatrie vgl. Güse/Schmacke 1976, Bd. I, S. 101–140, 180–184.

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„in den Irrenanstalten Preußens“ geführt habe.1326 Doch am Ende ließen sich für ihn aus solcher Zivili­ sationskritik zwar psychiatrisch plausiblere Ätiologien ableiten als sie alternativ etwa Rassen­ und Völ­ kerpsychologen anboten,1327 vermochten ihn aber in einem Fach, dessen „Boden ein sehr unsicherer“ sei,1328 nicht von seiner Fixierung auf Hirn und Rückenmark zu lösen.1329 Auch bei der Vergabe von Dissertationsthemen hielt sich Meyer strikt daran, seine Schüler die somatischen Voraussetzungen psychischer Erkrankungen erforschen zu lassen. Unter ihnen ist allein seine langjährige Assistenzärztin Frieda Reichmann, die nach Goldsteins Anleitung auch hirnverletzte Soldaten behandelte, nach 1918 zur Psychoanalyse gewechselt. 1330 Aus Königsberger Vorlesungen entstanden, Ernst Siemerling gewidmet: Meyer 1907, S. 1, 45–51. Ebd. S. 35–40, gegen die kolonialistisch timbrierte „Rassenpsychologie“, die einen Konnex zwischen angeb­ lich seltenem Vorkommen von Geisteskrankheiten und dem niedrigen Kulturstand der „Wilden“ behauptete. 1328 Ebd., S. 14. 1329 Dabei blieb sich Meyer bewußt, daß die Hirnforschung berühmter Kollegen wie Wernicke von vornehmlich hypothetischem Wert war (ebd., S. 13 f.) und man sich mit dem betrüblichen Geständnis bescheiden müsse, die Psychiatrie sei „außerstande bestimmte Beziehungen zwischen dem klinischen Gesamtbilde resp. einzelnen kli­ nischen Symptomen und den anatomischen Befunden zu konstruieren“ (ebd.). 1330 Gillwald, Max, Casuistik der Typhuspsychosen, 1907. – Meierfeldt, Richard, Ein Beitrag zu den funktio­ nellen Unfallnervenkrankheiten, 1907. – Falk, Hermann, Ein Fall von Cysticercus racemosus des Gehirns mit Symptomen der Paralysis agitans, 1908. – Hallervorden, Julius, Über Heilerfolge bei nervösen Invalidenver­ sicherten (aus der Heilstätte für Nervenkranke, Berlin Zehlendorf ), 1908; Vf. folgt dem Motto: „Heilen statt Rente zahlen“, der spätere Abteilungsleiter am KWI für Hirnforschung in Berlin­Buch wurde 1882 in Allenberg/ Kr. Wehlau, als Sohn des Psychiaters und Privatdozenten Eugen H. (s. Catalogus) geboren, 1902 FC, med. Stud. AUK, 1913–1936 Irrenanstalt Landsberg/W., 1938 KWI, nach Klee 2003, S. 221, 1940 Teilnehmer an der „Euthanasiekonferenz T 4“, „Gehirnverwerter ermordeter Patienten“, 1949 Abteilungsleiter MPI Gießen, gest. 1965 Frankfurt/M. – Pingel, Hans, Ein Symptomenkomplex von zwei Fällen von Erinnerungsfälschungen und Gedankenlautwerden, 1908. – Powels, Arthur, Chorea und Geistesstörung, 1908. – Giese, Gotthard, Zur Kennt­ nis der psychischen Störungen nach Kohlenoxyd­Vergiftungen, 1911. – Stoll, Erich, Pachymeningitis, 1911. – Zabbé, Johannes, Dementia praecox in ihrer Beziehung zur sozialpolitischen Gesetzgebung, 1911. – Ganter, Ru­ dolf, Über die Beschaffenheit des Schädeldaches und über einige innere Degenerationszeichen, 1912. – Wisotzki, Curt, Beiträge zur juvenilen Paralyse und Tabes dorsalis, 1912. – Baumm, Hans, Anatomische und klinische Beiträge zur Lehre von der Verstopfung der Arteria cerebelli posterior inferior, 1913. – Kauffmann, Elsa, Klinischer und anatomischer Beitrag zur Frage der Erkrankungen des Zentralnervensystems bei Anämie, 1913. – Reichmann, Frieda, Ueber Pupillenstörungen bei Dementia praecox, 1913; 1889 Karlsruhe, V. Bankdirekt. Adolf R., jüd., Schulbildung in Königsberg, 1907 StädtRG; 1907–1913 med. Stud. AUK, StE Mai 1913, 1913/14 prak. Jahr an Meyers Klinik, 1914–1918 Medizinalpraktikantin u. Assistenzärztin ebd., 1918–1920 Assistentin Neurol. Institut Frankfurt/M. (bei Meyers ehemaligem OA Kurt Goldstein), Ausbildung zur Psychoanalytikerin, 1924 Eröffnung eines psychoanal. Sanatoriums Heidelberg („streng im Sinn der jüdischen Religion geführt, deshalb scherzhaft Thorapeutikum genannt“, vgl. das Biogramm bei Heuer/Wolf 1997, S. 482–484), 1926–1931 Ehe mit dem Psy­ chologen Erich Fromm (1900–1980), 1933 Emigration über Palästina in die USA, Niederlassung als Psychoanaly­ tikerin in der Privatklinik Chestnut Lodge/Maryland, dort gest. 1957. – Davidsohn, Tewel, Psychische Störungen bei Morbus Basedowii, 1914. – Kantorowitsch, Boruch­Leiba, Beitrag zur Kenntnis der hysterischen Aphasie traumatischen Ursprungs, 1914. – Lurié, Aron, Multiple Sklerose mit amnestischer Aphasie, 1914. – Paperny, Ausik, Beitrag zur Kenntnis der Pseudobulbärparalyse [Symptomemkomplex Zungen­Lippen­Schlundlähmung durch Cysten in Großhirnhemisphäre], 1914. – Riese, Walther, Ein Beitrag zur Kasuistik der paranoiden Erkran­ kungen, 1914, bei Bonhoeffer FWU angefertigt. – Sochor, Nochim, Beitrag zur Kenntnis des induzierten Irreseins [Übertragung von Wahnideen], 1914. – v. Törne, Gerhard, Beitrag zur Differentialdiagnose der alkoholistischen und syphilogenen Erkrankungen, 1914. – Henrard, Erich, Untersuchungen über die körperlichen Erscheinungen bei funktionellen Nervenkrankheiten, 1916 (geb. 1889 Danzig, Sohn des Rechnungsrates der AUK, Hugo H.). – Knemeyer, Ludwig, Die körperlichen Symptome der Dementia praecox, 1916. – Starfinger, Karl, Poliomyelitis anterior subacuta nach Trauma [Ursächliche Bedeutung schwerer Unfälle mit Kopf­ u Wirbelsäulenschäden bei Entstehung typischer Nervenkrankheiten: Tabes, MS, Paralysis agitans], 1916. – Wilde, Werner, Zur Kenntnis 1326

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Auf Otto Klieneberger, ab 1914 Meyers Oberarzt, wirkte das prägend. Sein Forscherblick haftete früh und fest auf dem Zusammenhang von ‚Psyche und innere[r] Sekretion‘.1331 Geisteskrankheiten standen für ihn in strenger Abhängigkeit von der körperlichen Entwicklung und Konstitution, wie er in seiner Studie ‚Über Pubertät und Psychopathie‘ von 1913 demonstrierte.1332 Klieneberger nä­ herte sich in seinen Auffassungen Kretschmers auf „endokriner Grundlage“ stehenden Lehren über ‚Körperbau und Charakter‘, wurde aber nach 1918 zusehends vorsichtiger und verwarf „eindeutige“ Kausalitäten, sich dem Kollegen aus dem Medizinischen Klinik, Leo Borchardt und seiner Konstitu­ tionlehre anschließend, da der Zusammenhang von Drüsen und Psyche „nirgends eine Gesetzmäßig­ keit“ erkennen lasse und der umgekehrte Einfluß, „die Wirkung der Psyche auf den Körper“, offenbar „gewaltiger“ sei.1333 Primär als Neurologe, der psychische Vorgänge im Gehirn zu lokalisieren versuchte, als „Aphasie­ Forscher“, ist auch der von 1906 bis 1914 an Meyers Klinik als Assistent und Oberarzt tätige Kurt Goldstein wissenschaftshistorisch rubriziert worden.1334 Tatsächlich konzentrierte sich der wie Bon­ hoeffer in Breslau unter dem Einfluß Carl Wernickes neurologisch sozialisierte, jüdische Oberschlesier Goldstein auf die Untersuchung aphasischer Störungen.1335 Im Gegensatz zu Wernicke und dem in der Hirnforschung renommierten Internisten Lichtheim, die pathologische Phänomene auf den Ausfall oder die Läsion diverser „Zentren“ und ihrer „Leitungsbahnen“ zurückführten, waren Aphasien für den „ganzheitlich“ denkenden Goldstein die Folgen von Beeinträchtigungen eines „einzigen großen Assoziationsgebietes“,1336 die nicht exklusiv somatische Ursachen haben mußten. Der philosophisch ambitionierte Goldstein, Vetter des Neukantianers Ernst Cassirer, bezog daher hin und wieder auch kulturelle und soziale Einflüsse in sein Krankheitsverständnis mit ein. Deswegen fiel es ihm leicht, sich präziser als sein Chef Ernst Meyer mit der zivilisationskritischen Kompetenz seiner Disziplin auseinanderzusetzen. Er tat dies 1913 in einem Essay ‚Über Rassenhygiene‘. Darin konzedierte er den Protagonisten der seit 1900 haussierenden rassenhygienischen Bewegung, daß Industrialisierung und Urbanisierung zu einer Verschlechterung der physischen wie seelischen Befindlichkeit der europä­ ischen Völker, zu einer „Verpöbelung der Rasse“ (nach einem Schlagwort des Münchener Hygienikers Max von Gruber) geführt haben mögen. Der rasante Anstieg „nervöser“ Leiden, die wie Pilze aus dem Boden schießenden privaten Nervenheilanstalten, der zumindest gefühlte Anstieg der Selbst­ mordraten, die von militärischen Musterungskommissionen behauptete Überhandnahme körperlich „minderwertiger“ Rekruten, die Abnahme der Fruchtbarkeit gerade in den „höherwertigen“ Schichten – alles dies bot auch Goldstein Anlaß zur Sorge, der „Verfall“ könnte eines Tages dazu führen, daß die des Horner’schen Symptomemkomplexes [Lähmung des Sympathikus und damit zsh. Symptome, Störungen der Gesichtshälfte usw., untersucht an Hals­Verwundeten; Verf. tat seit August 1914 freiw. Dienst im Königsberger Festungslazarett), 1916. – Boenheim, Flora, Über Dissimilation, 1917 (Vfin., jüd. Herkunft, ab Febr. 1916 als Assistenzärztin an Meyers Klinik). – Fox, Hugo, Über einen Fall von Tumor der Vierhügel, 1917. – Kobudzinski, Johann, Über Grab­ und Leichenschändung bei Geisteskranken, 1917. – Lackner, Edmund, Über zwei Fälle von Mitbewegungen bei intaktem Nervensystem, 1917. – Niederländer, Hans, Über einen Fall von Eifersuchtswahn bei Tabes dorsalis, 1917. – Baumgarten, Fritz, Über hysterische Gangstörungen bei Kriegsteilnehmern, 1918. – Ennulat, Arno, Ein Beitrag zur Operationssucht bei Geisteskrankheiten, 1918. – Kalau vom Hofe, geb. Willms, Marie, Ein Fall von Herzhypertrophie, 1918. – Menzel, Ernst, Über postinfektiöse Polyneuritis, 1918. – Pierson, Hannah, geb. Goldschmidt, Dementia praecox und hysterische Dämmerzustände, 1918. – Pierson, Helmut, Über eine Reihe von Fällen von Querschnittsmyelitis, 1918. 1331 So Klieneberger 1927. 1332 Klieneberger 1913. 1333 Ders. 1927, S. 51 f., dort zu Kretschmer S. 41 f. 1334 Ihm gerechter werdend, sein Werk im „Spannungsfeld von Neurologie, Psychologie und Philosophie“ unter­ suchend, Noppeney 2000. 1335 Vgl. Goldstein 1910, hervorgegangen aus einem Vortrag vor der PhÖG. 1336 Ebd., S. 31; diesen neuen Ansatz stellt klar heraus M. Hinz 2005, S. 59.

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„weiße Rasse“ in Europa „durch die gewaltige Masse der mongolischen Rassen, die eine außerordent­ liche Fruchtbarkeit besitzen, einfach über den Haufen gerannt“ werden könnte. Was vielleicht schon deshalb nicht mehr abzuwenden sei, weil sich damit ein historisches Gesetz vollziehe: „Die meisten kultivierten Völker wurden durch andere in ihrer führenden Stellung abgelöst.“1337 Trotzdem zog Goldstein fundamental andere Schlüsse aus dieser Lageanalyse als die rassenhygie­ nischen Matadore. Für den Königsberger Neurologen waren die Symptome der „Entartung“ nicht biologisch, sondern kulturell determiniert. Das „nervöse Zeitalter“ sei nicht ausgebrochen aufgrund kollektiver genetischer Defekte (Veränderungen der „Keimanlagen“), sondern aufgrund einer noch unzureichenden mentalen Einstellung auf die Lebensbedingungen der modernen Welt. Nicht „Aus­ merze“ der „Minderwertigen“, sondern Beseitigung der sozialen Mißstände, die diese „Minderwer­ tigen“ hervorbrächten, weise daher den Weg in die Zukunft. „Positive Rassenhygiene“ sei gleichbe­ deutend mit sozialpolitischem Reformismus, der der Medizin ein breites Feld der Mitarbeit eröffne im Kampf gegen „Alkoholismus und Syphilis“, in der Bekämpfung der „Krankheit überhaupt“, in der Eheberatung, im Mutterschutz und der Säuglingsfürsorge und – als eine von Goldstein für wenig effizient eingeschätzte ultima ratio – im genau zu prüfenden Einzelfall, bei der Verhütung erbkranken Nachwuchses mittels Sterilisation.1338 Goldstein sah zudem bereits erste Anzeichen dafür, daß diese soziale Gesundheitspolitik jenseits der radikalen „erbbiologischen“ Indikationsvorschläge der Rassen­ hygieniker des Typus v. Gruber hinreichen würde, um die Probleme, die die Moderne der europäischen Menschheit bereitet habe, zu beheben. Gäbe es doch bereits Hinweise auf die Überwindung des Mate­ rialismus, auf „Re­Idealisierung durch Erziehung“ und auch bei berufstätigen Frauen eine „Rückkehr des Verlangens nach dem Kinde“.1339 Haut­ und Geschlechtskrankheiten Länger noch als Meyer in der Nervenklinik, bis 1936, stand Walther Scholtz an der Spitze der Haut­ klinik, die er 1905 mit dem dermatologischen Extraordinariat von Julius Caspary übernahm. Die Berufungsgeschichte für dieses Extraordinariat ist schwer aufzuhellen. Durch die Akten der 1890er Jahre zieht sich eine Etatanmeldung des Kultusministeriums. 1892 traf Althoff aber mit dem Leiter der Chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses, dem Wagner­Schüler Rudolf Schneider, eine Vereinbarung, wonach ihm ein planmäßiges Extraordinariat für Syphilis/Dermatologie übertragen werden sollte, samt der Leitung einer als Universitätsklinik zu nutzenden Abteilung für Hautkrankeiten im Städtischen Krankenhaus, womit die Schneider dort unterstehende „Prostituiertenabteilung“ nur einen unverfänglicheren Namen erhielt.1340 Eine ministerielle Übersicht von 1913 zu den Königsberger Extraordinariaten hält fest, daß Schneider zum 1. Oktober 1892 das von Fraenkel geräumte, und für Dermatologie zur Verfügung gestellte hygienische Extraordinariat erhalte habe, das nach dessen Tod (1898) zum 1. April 1899 von dem 63jährigen Caspary übernommen worden sei, den Scholtz dann

Goldstein 1913, S. 93. Ebd., S. 55–68. 1339 Ebd., S. 72. 1340 Einer Beschwerde Casparys sind diese Ursprünge der Königsberger Hautklinik zu entnehmen: im Reich außer­ halb Ostpreußens, in Österreich und Frankreich bestünden bereits dermatologische Dozenturen, in Königsberg gebe es hingegen nicht einmal eine Sammelstelle für Hautkranke. Dabei sei „überreiches Material“ vorhanden, durch „Russen jüdischer Nationalität“. Allein im StädtKHS bestehe eine Station für die von der Sittenpolizei er­ fassten „Syphilitisten“, die Schneider auch zu Unterrichtszwecken verwende (GStA, Sek. 11, Tit. X, Nr. 51, Bd. I, unpag.; an PrMK v. 28. 10. 1884). Der Antrag der Fakultät, eine Poliklinik für Hautkranke einzurichten, wurde 1886 abgelehnt, ebenso Casparys Angebot, gegen ein anständiges Salär privat eine Klinik einzurichten (ebd., An­ träge 1888, 1889).

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1905 ablöste. Dagegen spricht jedoch der nahtlose Übergang von Fraenkel zu Erwin von Esmarch, der das hygienische Extraordinariat von 1891 bis zur Umwandlung in ein Ordinariat 1898 verwaltete.1341 Da Caspary spätestens 1904 als „alt und krank“ galt, wurde eine Ersatzprofessur für sein Extraor­ dinariat beantragt, für dessen Besetzung die Fakultät zwei Schüler des Breslauer Dermatologen Albert Neisser, des Entdeckers des Gonorrhoe­Erregers, vorschlug: Abraham Buschke (Berlin) und Walther Scholtz, der sich 1901 an der Albertina habilitiert hatte. In ihrer Begründung machte die Fakultät keinen Hehl daraus, daß sie Buschke wissenschaftlich über Scholtz stellte, glaubte aber trotzdem, zu einer Hausberufung als der „glücklicheren Lösung“ raten zu dürfen, weil Scholtz, der hauptsächlich eher Durchschnittliches über die Wirkung von Röntgenstrahlung auf die Haut oder zur Kasuistik der Gonorrhoe­Behandlung publiziert habe, gleichwohl große aufklärerische Verdienste bei der lokalen Bekämpfung der „Geschlechtskrankheiten als Volksseuche“ zukämen. In jedem Wintersemester halte er darüber seit 1902 eine öffentliche Vorlesung.1342 Scholtz, Caspary im Sommersemester vertretend, erhielt den Ruf zum 1. Juli 1905.1343 Auch außerhalb der Universität hat sich der neue Dermatologe dann fast drei Jahrzehnte lang, als Vorsitzender der Königsberger Ortsgruppe der Deutschen Gesell­ schaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten gesundheitspolitisch engagiert.1344 Laryngo­, Oto­, Rhinologie Als kompliziert erwies sich die Bestellung eines Nachfolgers für den HNO­Vertreter Emil Berthold, der sich wie Caspary aus Altersgründen entpflichten ließ. Berthold war primär Otiater, mußte aber kraft Lehrauftrag auch die Laryngo­ und die Rhinologie vertreten. Die Fakultät wollte daher seine Emeritierung nutzen, um die Behandlung der Hals­, Nasen­ und Ohrenkrankheiten auf zwei Extra­ ordinariate zu verteilen. Für die Ohrenheilkunde gedachte man sich ganz auf die Pflanzschule des Hallenser Otologen Hermann Schwartze zu verlassen, dem als 66jährigen 1903 das erste deutsche 1341 Vgl. dazu GStA …, Nr. 20, Bd. IX, Bl. 118: Etatanmeldung v. 23. 8. 1891; Bl. 295, 24. 8. 1894 und Bl. 309, 22. 8. 1895. – Ebd. Bl. 238; Althoff – Schneider v. 16. 9. 1892. Dazu die Skizze des PrMK von 1913 , ebd., Bd. XII, Bl. 270. Zur Anregung eines hygien. Ordinariats, ebd., Bd. IX, Bl. 388, Kurator an PrMK v. 6. 12. 1896. – Scholtz rekonstruierte die lokale Institutionalisierung seines Faches in einer Eingabe v. 4. 8. 1910 wie folgt: Zunächst habe es nur eine „Dozentur mit Lehrauftrag“ für Schneider gegeben, den Leiter der äußeren Station des StädtKHS mit der ihm unterstellten „Prostituiertenabteilung“. Nach dessen Tod habe sein Nachfolger, Oskar Samter, seinem Schwiegervater Caspary die Abteilung zugeschanzt, der so auch Schneiders besoldeten LA – gemeint ist wohl das dermat. Extraordinariat – erhalten habe (GStA, Sek. 11, Tit. X, Nr. 51, unpag). 1342 GStA …, Nr. 20, Bd. XI, Bl. 159–162; MedFak – PrMK v. 31. 1. 1905, Liste Nf. Caspary: 1. A. Buschke, 1868 Nakel/Posen–1943 KL Theresienstadt, jüdischer Herkunft, Prom. FWU 1891: Zur Casuistik der Herder­ krankungen des Hirnschenkels, 1891–1894 Chir. Klinik Greifswald, 1895–1897 Assistent Neissers in Breslau, 1897 bei Lesser Assist. Poliklinik Haut­ u. Geschlechtskrankheiten Charité, Habil. FWU 1900, seit 1904 Dirig. Arzt Abt. f. Geschlechtskranke StädtKHS Urban, 1906 Virchow­KHS, 1908 Tit. Prof., 1920 nb. ao. Prof. FWU, 1933 aufgrund jüdischer Herkunft gem. § 3 BBG entlassen; Arbeiten zur vererblichen Syphilis, Blastomykose, 1926: (Hg.), Geschlechtskrankheiten bei Kindern, 1926: (Hg.) Lehrbuch der Gonorrhöe. – 2a. Scholtz (1871, s. Catalogus), 1898–1901 Assistent Neissers, 1901 Habil. AUK. – 2b. Julius Heller, 1864 Berlin –, 1894–1897 Assi­ stent u. OA Klinik f. syph. Krankheiten Charité, Habil. FWU 1901, 1910 Tit. Prof., 1921 ao. Prof. ebd. – 2c. Jean Schäffer, 1868 Ratibor – 1921 Breslau, 1888–1892 med. Studium Breslau, 1894 Prom. ebd., Habil. ebd. 1898: Die Viscewral­Erkrankungen der Leporösen, AV: Der Lepraherd in Ostpreußen, seit 1902 ebenfalls Assistent bei Neisser, umfangreiches Schrifttum über Gonokokken, weitverbreitetes Hauptwerk: ‚Die Therapie der Haut­ und venerischen Krankheiten‘, acht Auflagen seit 1915; über seinen Lehrer 1917: ‚Albert Neisser. Lebenswerk und Persönlichkeit‘; eifriger Referent in der Schles. Gesellschaft für vaterländische Cultur. 1343 Ebd., Bl. 173; Vereinbarung mit Scholtz v. 21./22. 6. zum 1. 7. 1905. 1344 Zu dieser 1902 gegr. Gesellschaft, deren erster Vorsitzender Scholtz’ Lehrer Neisser war, Sauerteig 1999, S. 89–125; die Königsberger OG ist erst 1914 gegründet worden, doch liegen zahlreiche Hinweise auf Scholtz’ außerakademische „Aufklärungsarbeit“ im Sinne der Gesellschaft lange vor 1914 vor; vgl. a. Scholtz 1909.

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Ordinariat in dieser Disziplin zugefallen war. Karl Grunert, 1896 in Halle habilitiert, und Ernst Leu­ tert, Schwartzes Assistent, 1897 nur zwecks Habilitation an die Albertina ausgewichen, und seit 1901 Extraordinarius in Gießen, standen daher gleichrangig an erster Stelle auf der Berthold­Liste. Gefolgt von Schwartzes einstigem Privatassistenten Kretschmann, der seit 1890 als Facharzt in Magdeburg praktizierte, sowie Paul Stenger, der aus der militärärztlichen Laufbahn kam und der erst spät an die Berliner Kaiser­Wilhelm­Akademie abkommandiert worden war, um sich otiatrisch zu spezialisieren. 1903 erfolgte seine Habilitation an der Albertina, so daß er, wie es in der Laudatio hieß, „naturgemäß“ hinter den anderen Kandidaten zurück stehe.1345 Gleichzeitig mit diesem Vorschlag beantragte die Fa­ kultät, für die Hals­ und Nasenkunde ein neues Extraordinariat zu schaffen, für das nur eine Hausbe­ rufung in Betracht käme, nämlich Paul Harry Gerber, geboren 1862 in Königsberg, promoviert 1888 an der Albertina, 1895 von der Fakultät habilitiert und seitdem mit eigener, geradezu überlaufener Privatklinik als Laryngologe niedergelassen.1346 Mit der Aufspaltung des Lehrgebiets schien das Ministerium einverstanden, wollte dafür aber kein zweites Extraordinariat einrichten. Gerber erhielt zwar einen Lehrauftrag für Hals­ und Nasenkrank­ heiten, wurde zum ao. Prof. ernannt, bekam aber keine Vergütung und keine Subvention für seine als Universitätsinstitut fungierende Privatklinik, für die er sich zudem verpflichten mußte, keine Ohren­ Patienten mehr anzunehmen.1347 Andererseits bewies Elster bei den Verhandlungen mit Ernst Leutert keinen großen Eifer. Es dauerte bis Anfang 1906, als dessen Absage eintraf.1348 Im zweiten Anlauf be­ harrte die Fakultät auf ihrem Trennungsvorschlag, nannte aber Kandidaten, die mit Mühe noch beide Lehrgebiete im Unterricht abdecken konnten. Elster benötigte diesmal nur einige Tage, um unter ihnen den Berliner Privatdozenten Bernhard Heine für Königsberg auszuwählen, der aber unter den unzulänglichen Verhältnissen so litt, im Konflikt mit Gerber,1349 und in der Konkurrenz mit Stenger, der eine florierende otologische Privatklinik leitete, daß er 1909 mit Freuden einem Münchner Ruf folgte. Von Heine empfohlen und aus pragmatischen Gründen von der Fakultät gefordert, erhielt Stenger das Extraordinariat, das er bis 1935 besetzte.1350 Ebd., Bl. 198 – 203; MedFak – PrMK v. 24. 7. 1905, I. Liste Nf. Berthold: 1a. Karl Grunert, 1867 Berga/Harz– 1905 Halle, 1889 Prom. Halle, 1892–1905 I. Assist. Univ.­Ohrenklinik ebd., 1896 Habil. ebd.: Beitrag zur opera­ tiven Freilegung der Mittelohrräume, 1900 ao. Prof., 1905 Leitung der Poliklinik ebd. – 1b. Ernst Leutert (1862, s. Catalogus), 1894–1897 Assist. Ohrenklinik Halle, 1897 Habil. AUK. – 2. Friedrich Kretschmann, 1858–nach 1932, 1884–1887 Assist. Ohrenklinik Halle, 1887 Habil. ebd., bis ca. 1890 Privatassistent Hermann Schwartzes, Hg. der Schwartze­FS 1908, 1906 Tit. Prof., seit 1890 prak. Arzt Magdeburg. – 3. Paul Stenger (1865, s. Catalo­ gus). 1346 Ebd. 1347 Ebd., Bl. 225; Vereinbarung mit Gerber v. 10. 2. 1906. 1348 Ebd., Bl. 221; Schreiben Leuterts v. 27. 1. 1906. 1349 Gerber war bei der Berufung Heines mit der Ernennung zum nb. ao. Prof. „abgefunden“ worden, zudem durfte er seine Privatklinik fortan als Universitätsklinik führen, mit der Auflage, nur Hals­, Nasen­ und Kehlkopf­ Patienten, aber keine Ohrenkranken aufzunehmen. Daran scheint sich Gerber nicht allzu strikt gehalten zu haben (GStA …, Bl. 225; Vereinbarung PrMK – Gerber v. 10. 2. 1906). 1350 Ebd., Bl. 217 f.; MedFak – PrMK v. 26. 1. 1906, II. Liste Nf. Berthold. Gleichrangig genannt: 1a. Hermann Preysing (1866 Nordhausen–1926 Köln), Prom. Rostock 1898, 1903 Habil. Leipzig, 1906 Kölner Akademie, 1919 oö. Prof. f. HNO­Krankheiten Köln; 1904: Otitis media der Säuglinge. – 1b. Hans Henrici (1873), Prom. München 1898, 1904 Habil. Rostock, 1905 Ltr. HNO­Abt. Luisenhospital Aachen. – 1c. Bernhard Heine (1864, s. Catalogus), seit 1895 Assistent Ohrenklinik FWU bei Lucae. – Ebd. Bl. 219; Vereinbarung mit Heine v. 10. 2. zum 1. 4. 1906. – Ebd., Bl. 360–364; MedFak – PrMK v. 24. 5. 1909, Liste Nf. Heine, gleichrangig: 1a. Ernst Paul Friedrich, 1867 Dresden–1925 Friedrichsroda, Prom. Leipzig 1892, 1892–1897 Assistent Med. Poliklinik Leipzig, Habil. 1897, 1899 pl. ao. Prof. u. Direktor der neuen Poliklinik Kiel, 1920 oö. Prof. ebd., seit 1918 aber krank­ heitshalber im Ruhestand; 1899: Laryngologie und Otologie in ihrer Bedeutung für die allgemeine Medizin (ins Englische übersetzt), 1905: Die Eiterungen des Ohrlabyrinths. – 1b. Wilhelm Lindt 1860 Bern–1916 ebd., aus 1345

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Neben dem poetisch, bildungs­ wie gesundheitspolitisch ambitionierten Rhinologen Gerber,1351 verspürte nur der Privatdozent Rudolf Kafemann, Jahrgang 1859, Sohn eines Danziger Buch­ und Zeitungsverlegers, habilitiert 1892, den Drang, sich einem breiten Publikum mit „aufklärerischen“ Schriften mitzuteilen und in den sozialpolitischen Gang der Dinge einzugreifen. Je weiter sich der Kehlkopf­Spezialist als Dozent zurückzog, um seine gut gehende Königsberger Privatklinik zu besor­ gen, desto häufiger erschienen Aufsätze und Broschüren, zunächst zu den modisch­unerschöpflichen „Sexualproblemen“, die ihn ins „reformerische“ Umfeld eines Magnus Hirschfeld versetzen, dann, während der Weimarer Zeit, Polemiken gegen die Scharlatanerie des „Verjüngungszaubers“, gegen die Quacksalber der „Keimdrüsen“­Manipulation, „Sexual­Chirurgen“, die seit der Jahrhundertwende Träume vom ewigen Leben in klingende Münze umsetzten, und natürlich gegen die „Volkskrankheit“ der „Rauchleidenschaft“ und deren demographisch gefährliche Begleiterscheinungen.1352 Daß der Le­ bensreformer Kafemann den medizinischen Sozialutopismus vieler Kollegen partiell teilte, ist indes seinen simplen Vorschlägen zu diätetisch­asketischer Lebensführung zu entnehmen, die ausreichen würden, den von Alkohol und Nikotin geschädigten Volkskörper kräftig aufzufrischen, so daß es nicht mehr das Vorrecht kaukasischer Greise bliebe, mehr als 100 Jahre zu erreichen.1353 Im Vergleich mit den Hochburgen der deutschen Ohrenheilkunde in Würzburg, Heidelberg, Ber­ lin und Halle, spielten die Königsberger Fachvertreter für den wissenschaftlichen Fortschritt in dieser Disziplingeschichte keine Rolle. Gustav Politzer, als früher und heute noch unentbehrlicher Historio­ graph des Faches, ordnet die Königsberger Vorkriegs­Otologen, mit ihrem pragmatischen Schwerge­ wicht auf Otochirurgie, darum lediglich unter das handwerklich versierte Fußvolk der „verdienstvollen Fachmänner“ ein.1354 Die Berufungspolitik bei den Medizinern in den letzten Jahren vor 1914 Das „lange“ 19. Jahrhundert endete für die Medizinische Fakultät in personeller Hinsicht etwa zwei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die unter Althoff in der achtziger Jahren berufenen Säulen des Kollegiums reichten aus Altersgründen ihre Entpflichtungsgesuche ein: der Internist Lichtheim, der Anatom Stieda, der Physiologe Hermann. Der Pharmakologe Jaffé verstarb unerwartet Ende 1911. Die unter häufigem Direktorenwechsel leidende Chirurgische Klinik wie das Hygienische Institut hin­ zugerechnet, ebenso den Wechsel an der Spitze der Augenklinik, verzeichnete man 1911/12 sieben Neuberufungen. Von der nach einer Zeit langer Ruhe wieder die tiefen Gegensätze in der Fakultät offenbarenden Ersetzung Payrs durch Paul Friedrich war schon die Rede. Ebenso vom Stabwechsel bei den Hygie­ nikern: Der Weggang des streitbaren Walther Kruse, seine Ablösung durch Martin Hahn und dann durch Karl Kißkalt schien die Harmonie in der Fakultät zu befördern. Der aus dem Urlaub heimreisende Pharmakologe Jaffé hatte Ende Oktober 1911 bei seiner Schwe­ ster in Berlin Station gemacht und war dort plötzlich gestorben. Für das WS. vertrat ihn sein Schüler Alexander Ellinger. Der sollte bei der Nachfolge auch nicht übergangen werden, und diesen „hervor­

alter Ärztefamilie, Schüler Lichtheims(!), Prom. 1886 Bern, 1889 Habil. f. Innere Med. ebd., 1891 venia für Oto­ Laryngologie ebd., ao. Prof., 1907 Hon. Prof. ebd., primär Rhinologe. – 1c. Paul Stenger, s. Catalogus. – Ebd., Bl. 366; Vereinbarung mit Stenger v. 17. 7. zum 1. 8. 1909. 1351 Vgl. Gerber 1907. 1352 Kafemann 1929. 1353 Kafemann 1928a+b. 1354 Politzer 1913, Bd. II, S. 268 f.

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ragendsten unter den deutschen medizinischen Chemikern“ setzte die Fakultät neben Wolfgang Heub­ ner (Göttingen) auf den ersten Listenplatz. Ellinger bekam den Ruf zum SS. 1912.1355 Jaffé, geboren 1841, der 1865 mit Leyden an die Albertina kam und 1873 ein Ordinariat für Arzneimittellehre übernahm, hatte sein akademisches Leben in Königsberg zugebracht und war, neben seinem Hauptamt, wie sein Nachfolger Ellinger hervorhob, einer der „gesuchtesten Konsiliari unserer Stadt und Provinz und über deren Grenzen hinaus“, dazu bekannt als ein soziale Unterschiede igno­ rierender Arzt. Die lange Bindung an eine Wirkungsstätte sowie die zeitraubenden Nebentätigkeiten bedingten jedoch eine gewisse Einseitigkeit seiner Forschungen, obwohl Ellinger rühmte, bis zuletzt sei ihm manch „kostbarer Fund“ gelungen. Tatsächlich hatte er sich seit den siebziger Jahren auf Probleme des intermediären Stoffwechsels konzentriert, die ihn bis zu seinem Tode fast ausschließlich beschäf­ tigten und denen die in den Anfängen steckende Eiweißchemie wichtige Beiträge verdankt. Hier lag auch der Schwerpunkt des „physiologischen Chemikers“ Ellinger.1356 Glatt verlief die Neubesetzung des nach Krückmanns Abgang vakanten ophthalmologischen Lehrstuhls,1357 obwohl wieder einmal die Favoriten der Fakultät, Ernst Hertel, der erst 1910 nach Straßburg berufen worden war, und Alfred Bielschowsky (Leipzig), der kurz vor einer attraktiveren Marburger Berufung stand, für die Albertina unerreichbar blieben. Stattdessen kam der Drittplazierte, der Göttinger Privatdozent Franz Schieck, den es 1914 schon wieder auf ein Ordinariat an seine Hal­ lenser Heimatuniversität zurückzog.1358 Ebd., Bl. 77 f.; MedFak – PrMK v. 5. 2. 1912, Liste Nf Jaffé: 1a. W. Heubner, 1877 Berlin–1957 Heidelberg, 1903 Prom. Straßburg, 1907 Habil. f. Pharmakologie Straßburg bei Schmiedeberg, 1908 pl. ao., 1910 oö. Prof. Göttingen, 1929 Heidelberg, 1932–1949 FWU, ab WS. 1949/50 beteiligt am Aufbau der FU Berlin, Begrün­ der der Arzneimittelkommission der dt. Ärzteschaft (1911), auf die „sinnvolle Verzahnung seines Faches mit der praktischen Medizin“ ausgerichtet, „der große Anreger in der deutschen Pharmakologie“ (NDB IX, S. 39 f.) – 1b. Ellinger (s. Catalogus). – 2. Hermann Fühner, (1871, s. Catalogus), empfohlen wegen seines guten Leitfadens für pharmakol. Untersuchungen, aber kein medizinischer Chemiker im engeren Sinne, mehr toxikologisch, phy­ siologisch ausgerichtet. – 3a. Eugen Rost, 1870 Augustusburg/Sa., Prom. Heidelberg 1896, 1896–1898 Assistent Pharmakol. Institut Marburg, Habil. FWU 1901, 1912 ao. Prof., Abt.vorstand Physiol.­pharmakol. Laboratorium im Reichsgesundheitsamt, von der Fakultät geschätzt aufgrund seines „recht umfangreichen Werks“, zumeist zum Stoffumsatz von Substanzen im Organismus. – 3b. Hermann Hildebrandt, 1866 Breslau, 1890 Prom. Breslau: Zur Kenntnis der physiologischen Wirkung der hydrolytischen Fermente, 1892–1897 Leiter pharmakol. Labor Elberfelder Farbenfabriken, 1904 Assistent Inst. f. Pharmakol. u. physiol. Chemie Halle, im selben Jahr Habil.: Pharmakologische Studien über synthetisch hergestellte Basen aus der Piperidin­Reihe; wie Rost ein von der Fa­ kultät etwas distanziert angepriesener Spezialist für Probleme des Stoffumsatzes im Organismus. 1356 Ellinger 1912, S. 382 f.; Ph. Ellinger 1924, S. 148 f. 1357 Krückmann war der einzige der Königsberger med. Ordinarien, der vor 1918 den direkten Sprung auf einen Berliner Lehrstuhl schaffte. Da er dort auch an der Kaiser­Wilhelm­Akademie unterrichtete, ergab sich die oph­ thalmologische Befassung mit militärärztlichen Problemen von selbst, wie u. a. sein 1913 erstattetes Referat über „Schiessbrillen“ belegt (Krückmann 1914). 1358 GStA …, Bd. XII, Bl. 66 f.; MedFak. – PrMK v. 24. 2. 1912, Liste Nf. Krückmann: 1. E. Hertel, 1870 Bad Kösen–1943 Leipzig, Prom. Jena 1895 bei August Wagenmann: Beziehungen der Akromegalie zu Augenerkran­ kungen, Habil. ebd. 1898: Die Folgen der Sehnervendurchschneidung bei jungen Tieren, PV: Über die Ent­ stehung der Kurzsichtigkeit, 1902 ao. Prof. ebd., oö. Prof. Straßburg 1910, 1912 Ruf nach Marburg abgelehnt, 1914 im Nebenamt Chefarzt des Festungslazaretts Straßburg, wichtige Arbeiten über Kriegsverletzungen des Auges, Dezember 1918 Ausweisung unter Zurücklassung seiner Bibliothek, Instrumente und Papiere, oö. Prof. f. Augenheilkunde Leipzig WS. 1920/21 (Nf. Sattler) em. 1935 (Franz 1981, S. 145–148, ausführlicher: Fahren­ bach/Wiedemann 1996, S. 101–117). Die Königsberger Laudatio sieht seinen Rang begründet in seinen Beiträgen zur physikalischen u. physiologischen Optik, seiner Kompetenz auf dem Gesamtgebiet der pathologisch­anato­ mischen Augenheilkunde und „neuerdings“ in seinen lichtbiologischen Arbeiten. Da Hertel in Straßburg eines der bestausgestatteten Institute des Reiches dirigierte, war der Königsberger Vorschlag von vornherein aussichtslos, wie die kurz darauf folgende Ablehnung des Marburger Rufes beweist, die sich Hertel mit einer Gehaltserhöhung

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Mit Ellingers Einzug in die Fakultät war, wie es der 1912 als Dekan amtierende Chirurg Friedrich formulierte, die Fraktion des Internisten Lichtheim gestärkt worden. Eine Klage, die man im Ministe­ rium nicht anders auslegen konnte als zu Althoffs Zeiten, als hochschulpolitische Widersacher Licht­ heims wie der Anatom Stieda und der Staatsrechtler Zorn sich von liberalen, jüdischen Freigeistern, die sich um den einflußreichen Internisten sammelten, eingekreist fühlten.1359 Friedrich, mit einer gebore­ nen von Bülow verheiratet,1360 übernahm hier offenbar die Staffette und machte sich zum Sachwalter der konservativen Fraktion, für die er Boden gewinnen konnte, als er, bei der Regelung von Ludimar Hermanns Nachfolge, mitwirkte, um die Hausberufung von dessen zu Lichtheims Gefolgsleuten zäh­ lenden Schüler Otto Weiß zu verhindern, der überdies auch noch der Schwiegersohn des Internisten war. Weiß wurde dank Friedrichs Eingreifen der Prager Ordinarius Franz B. Hofmann vorgezogen, ein aufsteigender Stern am Physiologen­Himmel, der folglich nur drei Jahre in Königsberg glänzte.1361 versüßen ließ – gegen die Zusicherung, sich bis 1916 nicht von der Reichsuniversität fortberufen zu lassen. – 2. Al­ fred Bielschowsky, 1871 Namslau/Schlesien–1940 New York, Neffe des Goethe­Forschers Albert B. (1847–1902), jüd. Herkunft, 1896 konvertiert (ev.), Prom. FWU 1893, ab 1895 Assistent Augenklinik Leipzig (H. Sattler), Mai 1900 Habil. f. Augenheilkunde ebd.: Motilitätsstörungen des Auges, PV: Die Diagnostik der Motilitätsstö­ rungen des Auges, 23. 3. 1906 nb. ao. Prof. ebd., 1912 oö. Prof. Marburg, 1923 Breslau, 1934 Zwangsemeritierung und Emigration in die USA, Prof. u. Direktor Dartmouth Eye Institute Hanover/New Hamsphire, Schwerpunkte: Physiologie des Auges, Neuroophthalmologie (s. R. Franz 1981, S. 163–168; Fahrenbach/Wiedemann 1996, S. 94–97). Galt der Fakultät als „internationale Autorität“ mit seinen Untersuchungen zum Schielen und zu den Augenmuskelstörungen, sie wollte ihm sogar eine „gewisse Genialität nicht absprechen“; sein Hauptverdienst liege in der klinischen Auswertung seiner eigenen Pionierstudien zur physiologischen Optik (Raumsinn). – 3. Schieck (1871, s. Catalogus), Habil. Halle 1900, Umhabil. Göttingen 1901, Tit. Prof. 1906 ebd. – 4. Karl Wessely, 1874 Berlin–1953 München, Habil. Würzburg 1908, oö. Prof. ebd. 1913, 1924–1939 München, in den 20ern und 30ern führender Ophthalmologe, Vorsitzender Dt. Ophth. Gesellschaft, Hg. Archiv für Augenheilkunde und des Handbuchs der pathologischen Anatomie und Histologie des Auges (3 Bde., 1928–1937), insofern das Urteil der Fakultät bestätigend, er sei als Kliniker vielleicht „nicht so hoch zu bewerten“, habe aber „aller Voraussicht nach eine große Zukunft“ vor sich (zu Leben und Werk: R. Franz 1981, S. 173–183). – Der eher obenhin gewürdigte Schieck unterschrieb am 25. 3. 1912 die Vereinbarung zur Übernahme des Lehrstuhls im SS. 1912, für das übliche Einstiegsgehalt von 4.200 M., für das Hertel natürlich nicht zu haben gewesen wäre (ebd., Bl. 69). 1359 S. o., S. 59 f. 1360 1900 hatte der Leipziger Extraordinarius Charlotte von Bülow (1878–1973) geehelicht, die Tochter eines Senatspräsidenten am Reichsgericht, der nur über einige „Ecken“ mit dem Reichskanzler Bernhard von Bülow verwandt war. 1361 GStA, Bd. XII, Bl. 229; Kurator (stellvertr.: v. Lambsdorff ) – PrMK (Trott) v. 10. 12. 1912: Friedrich rate unbedingt zu Hofmann, wenn der ausfalle zu Hans Piper. Der Abteilungsvorsteher am Berliner Physiologischen Institut hatte sich mit seiner im Frühjahr 1912 erschienenen ‚Elektrophysiologie menschlicher Muskeln‘, dem Resultat vierjähriger Untersuchungen, sehr empfohlen. Weiß, so Friedrich, wandle hingegen auf ausgetretenen Pfaden und sei nicht in der Lage, dem Fach jene neuen Anregungen zu geben, die nach Hermanns langer Lehr­ tätigkeit „dringend nötig“ seien. Zudem werde mit ihm die „Partei Lichtheim“ gestärkt, die bereits durch Ellinger Zuwachs erfahren habe. Ungeachtet der gerade erfolgten Emeritierung und des Fortzugs in die Schweiz sei der Einfluß des greisen Internisten „noch erheblich“! – Die Liste v. 5. 12. 1912 (Bl. 226–228) hatte Hofmann primo loco genannt, 2a. Weiß – 2b. Hans Piper (1877 Altona–1915, gefallen an der Ostfront), Habil. Kiel 1905, 1908 Abteilungsvorsteher Physik. Abt. Physiolog. Institut FWU, 1909 ao. Prof. ebd., Hauptwerk die o. g. ‚Elektrophy­ siologie‘. – 3a. Karl Bürker, 1872 Zweibrücken–1957 Tübingen, durch seinen Tübinger Lehrer Paul von Grützner (1847–1919) Enkelschüler Rudolf Heidenhains (1834–1897), Prom. Dr. sc. nat. Tübingen 1897: Über die Erzeu­ gung und physiologische Wirkung schnell und langsam verlaufender magnet­elektrischer Ströme, Dr. med. 1900 ebd. mit einer nervenphysiol. Arbeit, Habil. ebd. 1901: Experimentelle Untersuchungen über den Ort der Resorp­ tion in der Leber, PV: Der Muskel und das Gesetz von der Erhaltung der Kraft, ao. Prof ebd. 1904, 1914–1918 Kriegsteilnahme als Regimentsarzt u. Chef eines Feldlazaretts, oö. Prof. Gießen 1917–1938 (Nf. Wilhelm Tren­ delenburg, 1877–1946), Schwerpunkte: Physiologie des Blutes, der Muskeln und Nerven, „Pionier der exakten Hämatologie und Thermodynamik des Muskels“ (zit. n. Klingmann, S. 189), 1928: Untersuchungen zur Luft­

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Der Sudetendeutsche Hofmann, einer der engsten Schüler Ewald Herings, richtete die Institutsarbeit neu auf seine eigenen Interessen aus, die sich mit dem Wechsel nach Königsberg von der Physiologie des Herznervensystems und der einst auch von Hermann intensiv gepflegten Muskelphysiologie zu Fragen der physiologischen Optik und des optischen Raumsinnes hin verlagerten, Untersuchungen und Experimente, die jedoch erst in Marburg (1916–1922) größere Publikationen zeitigten, in der kurz bemessenen Königsberger Zeit hingegen nicht einmal so weit gediehen waren, daß Hofmann, den sein Prager Nachfolger mehr als „hervorragendes reproduktives Talent“ würdigte,1362 einen Schülerkreis hätte bilden und Promotionen anregen können.1363 Die Nachfolge Ludwig Lichtheims Ob Friedrich im Ringen um Lichtheims Nachfolge einen ähnlichen Erfolg erzielen konnte, ist nicht gewiß, aber eher unwahrscheinlich, da zuviele Zufälle den Lauf der Dinge bestimmten. Der Internist Ernst von Romberg, Jahrgang 1865, über die Habilitation in Leipzig (1891) und ein Marburger Extra­ ordinariat (1900) an der Philipps­Universität rasch ins Ordinariat gelangt (1901) und seit 1904 in Tübingen amtierend, Verfasser des maßgeblichen ‚Lehrbuchs der Krankheiten der Blutgefäße‘ (1906), war jedenfalls der „bevorzugenswerteste Candidat“ der Fakultät, was er gegen Lichtheims Willen kaum geworden wäre. Aber 1912 stand für v. Romberg die Berufung nach München an, da war ihm Kö­ nigsberg unattraktiv. Der Zweitplazierte Max Matthes dürfte hingegen der Kandidat Friedrichs und seiner Getreuen gewesen sein, da man sich 1911 in Marburg wenigstens flüchtig kennengelernt hatte, der eine von Köln dort ankommend, der andere nach Königsberg aufbrechend. Matthes wiederum scheiterte offenbar nicht an der „Lichtheim­Partei“, sondern am Ministerium, das ihn wenige Monate nach der Marburger Berufung nicht wieder auf Reisen schicken wollte. Daher fiel die Wahl auf einen der drei Drittplazierten, den 1874 in Stuttgart geborenen Alfred Schittenhelm, 1904 in Göttingen habilitiert, seit 1906 an der II. Medizinischen Klinik der Charité unter Friedrich Kraus tätig, 1907 als Extraordinarius für Klinische Propädeutik und Geschichte der Medizin nach Erlangen berufen.1364 Welche Fakultäts­Fraktion sich durch sein Kommen gestärkt fühlen durfte, ist unentscheidbar. fahrtmedizin, ausführlich: Klingmann 1995, S. 137–248. – 3b. Rudolf Höber, 1873 Stettin – 1953 Philadelphia, 1898 Habil. Zürich, 1909 umhabil. Kiel, 1915 oö. Prof. ebd., 1934 emigriert in die USA. – 3c. Alfred Lohmann, 1878 Bielefeld–1917, 1902 Prom. Marburg, 1904 ebd. Habil. f. Physiologie, 1909 Tit. Prof., Ende Juli 1917 von der Probefahrt seines U­Bootes vor der Küste Flanderns nicht zurückgekehrt. – 3d. August Pütter, 1879 Stral­ sund–1929 Heidelberg, Habil. f. Physiologie Göttingen 1904, Vertretung des Physiol. Lehrstuhls in Bonn 1911, ao. Prof. ebd. 1921, oö. Prof. Kiel 1922, Heidelberg 1923; die meisten Arbeiten von ihm zur vgl. Physiologie, „pflegte die mathematische Behandlungsweise biologischer Probleme, bes. der Erregungsphysiologie“ (BLÄF II, S. 1255), in der Heidelberger Zeit: Erforschung der Nierenfunktion. – Hofmanns Berufung, für ein stolzes Grund­ gehalt von 7.200 M., erfolgte zum 1. 4. 1913 (Bl. 231 f., Bestallungsvorschlag v. 11. 3. 1913). Hermann dachte mit seinen 74 Jahren nicht daran, freiwillig aus dem Amt zu scheiden, fühlte sich noch geistig frisch und wolle, so ließ er den Kurator wissen, mit seinem Rückzug aus dem Labor nicht in seinen „geistigen Tod“ als Forscher einwilligen. Der Kurator v. Windheim hatte im Frühjahr 1912 recht nachdrücklich „angeregt“, er solle endlich die Bahn für einen Jüngeren freimachen. Hermann benötigte Monate, um sich das Emeritierungsgesuch abzuringen, bestand aber dann darauf, nach außen hin die „Freiwilligkeit“ zu wahren; ebd. Bl. 104, 111; Kurator – PrMK v. 9. 4. u. 20. 5. 1912, sowie Hermann – PrMK v. 10. 10. 1912: Bitte um Entpflichtung wegen Sehschwäche, zugleich dem Kurator gegenüber das ministerielle Vorgehen kritisierend, das für ihn „sehr demütigend“ gewesen sei (Bl. 208). 1362 So im Nachruf v. Tschermak 1928, S. 779. 1363 Zwischen 1912 und 1917 ist überhaupt keine von Hofmann betreute Diss. entstanden. Nur 1916 kam eine noch von Hermann angeregte, von Otto Weiß übernommene Arbeit zum Abschluß: Foethke, Herbert, Beiträge zur Kenntnis der atmungsregulierenden Wirkungen der Lungenvagi. 1364 GStA …, Bd. XII, Bl. 186 f.; Med. Fak – PrMK v. 26. 6. 1912, Liste Nf. Lichtheim: 1. E. v. Romberg. – 2. M. Matthes (s. Catalogus und zur Oktroyierung 1916 unten S. 450 f.). – 3a. A. Schittenhelm, s. Catalogus;

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918 Die Neubesetzung des Anatomie­Lehrstuhls

Hingegen dürfte die Neubesetzung von Stiedas Anatomie­Lehrstuhl zugunsten der Friedrich­Anhänger ausgefallen sein. Mindestens insoweit wie es das „Arbeitspferd“ des Anatomischen Instituts, den nicht­ beamteten Extraordinarius Richard Zander, Jahrgang 1855, betraf. Ihn hatte Stieda bis zuletzt in dem Glauben gelassen, alles zu tun, damit er sein Nachfolger werde: Eine hinterlistige, grobe Täuschung, um Zander bei Laune zu halten, damit er weiter sämtliche undankbaren Aufgaben erfüllte, von den Mi­ kroskopier­ und Präparierübungen bis zur sauren Verwaltungsarbeit – während Stiedas monatelanger Abwesenheit in den Semesterferien. Tatsächlich dachte der Institutschef nicht daran, Zander aufrücken zu lassen. Dafür dürften die persönlichen und weltanschaulichen Gegensätze zu stark gewesen sein, obwohl Zander klagte, er habe mit Stieda fast drei Jahrzehnte in „ungestörtem Einvernehmen“ koope­ riert, so daß ihn die Vernichtung seiner lange gehegten Hoffnungen um so überraschender getroffen und „aufs tiefste erschüttert“ hätte. Animositäten müßte Zander dann konsequent ignoriert haben. So verweigerte der erzkonservative Balte 1906 den ersten Medizinstudentinnen den Zutritt zu seiner Vorlesung. Der vom Königsberger Liberalismus geprägte Zander fand hingegen nichts dabei, eigens Veranstaltungen für weibliche Hörer anzubieten. Als nebenamtlicher Anatomielehrer an der Kunst­ akademie war er ohnehin einen freieren Umgang mit der studentischen Jugend gewöhnt. Mit seinen seit Mitte der 1890er Jahre angebotenen „Fortbildungs“­Kursen über Leibesübungen zählte er zu den Inauguratoren der Königsberger Volkshochschulbewegung.1365 Dies genügte Stieda, Zander nicht ein­ mal davon in Kenntnis zu setzen, daß er um Entpflichtung nachgesucht habe und die Fakultät über seine Nachfolge berate. Ein Protest des machtlosen Emeritus Ernst Neumann, ihn nicht wenigstens vor schwächeren Kandidaten berücksichtigt zu haben – das war die einzige Unterstützung, die dem Instituts­Veteranen Zander zuteil wurde,1366 der sich auch vergeblich mit einer umfangreichen Eingabe, einer Auflistung seiner Verdienste und Publikationen, sowie einer im wesentlichen wohl korrekten Dar­ stellung der Schuftigkeit Stiedas direkt an das Ministerium wandte.1367 Zu diesem Zeitpunkt, Anfang empfohlen als produktiver Kopf, chemisch­physiologische Richtung, einstimmig auf der Liste im Gegensatz zu den beiden Müllers: 3b. Otfried Müller, 1873 Charlottenburg–1945 Tübingen, 1898 Prom. FWU, 1905 Ha­ bil. Tübingen, 1907 ao. Prof. u. Ltr. Med. Poliklinik ebd., 1912–1934 oö. Prof. u. Direktor Med. Klinik ebd., Untersuchungen zur Pathologie des Herzens und des Kreislaufs, Begründer sog. „physikalischer Heilmethoden“ (Hydro­ u. Balneotherapie), nach 1918 auch „medizinische Philosophie“ (1929: Wissen und Glauben in der Me­ dizin; 1935: Grundsätzliches zum Kampf um ein besseres Arzttum). – 3c. Robert Müller, 1898–1905 Oberarzt Med. Klinik Erlangen, 1900 Habil. ebd., 1905 Direktor KHS Augsburg, b. ao. Prof. f. Innere Medizin Erlangen, vornehmlich konzentriert auf die Pathologie des Nervensystems. – Vereinbarung mit Schittenhelm v. 19. 8. zum 1. 10. 1912, für 4.200 M. (Bl. 182). Matthes hat später, 1916 dann doch nach Königsberg berufen, auf eine 1912 mit dem Kultusminister Trott getroffene Vereinbarung gepocht, derzufolge ihm Bonn bei nächster Gelegenheit offen stünde, falls er auf den Königsberger Ruf verzichte (s. u., S. 451). 1365 Zander 1904 (zuerst 1899). Das Büchlein ist seinem eigentlichen Lehrer Gustav Schwalbe gewidmet. Einen „Nutzen der Leibesübungen“ erblickte Vf. darin, daß in den Sportvereinen für den „Kastengeist“ kein Raum sei, daß sie die „Standesunterschiede“ einebneten (ebd., S. 20). Für ihn vertrug sich das mit den Vorteilen, den das Militär aus dem Breitensport ziehen könne, weil er schon im zivilen Leben an „zielbewußte Unterordnung“, „Opfermut“ und „Kameradschaftlichkeit“ gewöhne. Dem früh eingeübten „Marschieren“ komme für das Militär natürlich die „allerhöchste Bedeutung“ zu (ebd., S. 21, 33 f.). 1366 GStA …, Bd. XII, Bl. 124; Sep.votum Neumann v. 17. 3. 1912, herausstreichend, daß Zander als Schüler Gustav Schwalbes und eifriger Mitarbeiter an dessen Jahresberichten über die Fortschritte der Anatomie, für die er seit 25 Jahren rezensiere, doch erheblich mehr geleistet habe als der nahezu unbekannte Hallenser Walter Gebhardt. 1367 Ebd., Bd. XII, Bl. 119–123; Zander – PrMK v. 7. 4. 1912: Er habe nicht weniger als 38 Dissertationen Stie­ das mitbetreut, sei aber nicht einmal als Examinator in der ärztl. Vorprüfung zugelassen worden. In 27 Jahren habe er sich 12 Tage Ferien gegönnt! Die starke Beanspruchung in Unterricht und Institutsverwaltung habe seine literarische Produktion gehemmt, die sich trotzdem noch sehen lassen könne, wenn er an seine Mitarbeit für Bar­ delebens Handbuch der Anatomie denke, für das er soeben den Artikel über das peripherische und sympathische

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April 1912, der Herr Ordinarius hatte sich wieder einmal für zwei Monate nach Italien verabschie­ det, lagen die Vorschläge für seine Nachfolge schon in Berlin vor, von denen der Drittplazierte Ernst Gaupp das Rennen machte, dessen Berufung zugleich einen Bruch mit der Forschungsrichtung Stiedas bedeutete, da der Freiburger Extraordinarius sich fast ausschließlich auf dem von seinem Vorgänger vernachlässigten Gebiet der vergleichenden Anatomie sowie der Entwicklungsgeschichte bewegt hatte und als Virtuose der Schädelanatomie galt.1368 Die letzte, vom Freiburger Schüler und Kollegen Eugen Fischer posthum herausgegebene Arbeit des früh verstorbenen Gaupp war eine umfangreiche Dar­ stellung zur Biologiegeschichte des 19. Jahrhunderts, veranschaulicht am Lebenswerk des Zoologen August Weismann. Erstmals öffentlich präsentierte Gaupp diesen Beitrag zur Wissenschaftshistorie in einem Vortrag vor der Physikalisch­Ökonomischen Gesellschaft in Königsberg. Mitten im Weltkrieg gegen das „perfide Albion“ stand Gaupp jedoch nicht an, sich zu Weismann als dem neben Haeckel wirkungsvollsten Künder und Fortbildner der Lehre Darwins zu bekennen.1369 Da gleichzeitig der Berliner Waldeyer­Schüler Paul Bartels, nach seiner Darstellung des Lymphge­ fäßsystems in Bardelebens großem ‚Handbuch der Anatomie des Menschen‘ zum vielversprechenden Nachwuchs zählend,1370 sich nach Königsberg umhabilitierte, belebte sich eine von Stieda zuletzt in seiner Dorpater Zeit gepflegte, noch zur Anatomie gerechnete Spezialrichtung: die Anthropologie, der Bartels sich seit seiner Dissertation über ‚Geschlechtsunterschiede am Schädel‘ (1897) unter kul­ tursoziologischen, ethnologischen und endlich auch „rassenhygienischen“ Aspekten zugewandt hatte. Hauptertrag seiner kurzen Königsberger Zeit, Bartels starb 1914, war die Neubearbeitung einer ‚Kul­ turgeschichte des Weibes‘.1371

Nervensystem schreibe, oder an Dutzende von Aufsätzen allein über Leibesübungen (seit seiner Zugehörigkeit zur Prüfungskommission für Turnlehrer, 1888). Zuvor schon im Brief an Elster v. 8. 3. 1912 (ebd., Bl. 134–136) über Stiedas Hinterhältigkeit. 1368 Ebd., Bl. 116–118; MedFak. – PrMK v. 16. 3. 1912, Liste Nf. Stieda: 1. Rudolf Fick, 1866 Zürich–1940 Berlin, Sohn des Physiologen Adolf F., aus der Würzburger Schule Köllikers, 1888 Prom., 1892 Habil. ebd., 1892 b. ao. Prof. Leipzig, 1905 oö. Prof. Prag, 1909 Innsbruck, 1917 Nachfolger Waldeyers FWU, 1934 em., Vertreter der „alten“ beschreibenden Anatomie und somit wohl Stiedas Favorit, neben embryologischen u. vgl.­anatom. Studien vor allem Verfasser eines dreibändigen ‚Handbuchs der Anatomie und Mechanik der Gelenke‘ (1904–1911), „nahm als nationalbewußter Deutscher auch zu politischen Tagesfragen Stellung und setzte sich vehement für die deutsche Sprache ein“ (Voswinckel 2002, S. 403). – 2. Erich Kallius, 1867 Berlin–1935 Heidelberg, 1907 oö. Prof. Greifs­ wald, von 1921–1935 Heidelberg, Schüler Wilhelm v. Waldeyers, Prom. FWU 1892, Habil. 1894 Göttingen, dort Prosektor bis 1907, als getaufter Jude, der bis 1920 zu liberalen politischen Positionen tendierte, bevor er ins Lager der „nationalen Opposition“ wechselte (Jansen 1992, S. 249, 321 f.), könnte er seine Nennung eher Lichtheim und Hermann verdankt haben. Gewürdigt wegen seiner vgl. Untersuchungen über Zunge und Kehlkopf bei Mensch und Tier, mikroskop. Studien über den Bau der Retina, „vortreffliche“ Referate über das Sehorgan (vgl. Drüll 1986, S. 130 f.; LGH 2004, S. 107 f.). – 3a. Gaupp (1866, s. Catalogus), gelobt wegen seiner Forschungen über den Schädel der Wirbeltiere, die Rechtshändigkeit des Menschen, seiner Neubearbeitung der ‚Anatomie des Frosches‘. – 3b. Hans Held, 1866 Neukloster/Meck.–1942 Leipzig, 1891, 1893 Prom. u. Habil. Leipzig, 1899 ao. Prof., 1905 ebd. II. Prosektor, 1917–1934 oö. Prof. f. Anatomie ebd., bis 1912 fast durchweg Arbeiten zur mikroskopischen Anatomie des Nervensystems, 1921: Entwicklung des Axenskeletts der Wirbeltiere, 1923: Befruchtung und Verer­ bung, 1926: Das Sehorgan. – 3c. Der Schlesier Walter Gebhardt, 1870 Breslau–1918, während der Kriegsdienstlei­ stung in Halle Opfer einer septischen Infektion, 1894 Prom. Breslau, Schüler von Roux in Halle, 1901 ebd. Habil. über Anordnungsweisen der Bauelemente des Wirbeltierknochens, 1903 Vorstand Histol. Abt. Anatom. Institut Halle, 1907 ao. Prof., bedeutende Studien zur Knochenforschung, der Orthopädie zuarbeitend. 1369 Gaupp 1917. 1370 Bartels 1909, beginnend mit einer Geschichte der Entdeckung und Erforschung des Lymphgefäßsystems. 1371 Vgl. Bartels 1897, S. 1 f., wo der junge Doktor unumwunden auf den „praktischen“ (= ideologischen) Nutzen seiner für manche Zeitgenossen eher spleenigen Schädelmessungen hinweist, indem er sie in der Kontext der Welt­ anschauung Darwins einfügt: der von Männern geführte, vornehmlich auf geistigem Gebiet ausgetragene „Kampf

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918 Pathologie: Die Berufung Carl Kaiserlings 1913

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts rutschte das Pathologisch­anatomische Institut in die Rück­ ständigkeit ab. Das war nicht die Schuld Friedrich Henkes (1906–1913), der, als direkter Nachfolger des nur kurz amtierenden Direktors Rudolf Beneke (1903–1906), tatsächlich das Erbe Ernst Neu­ manns antrat. Seit Neumann 1890 das neue Institutsgebäude bezogen hatte, waren, vom bescheidenen Ausbau des Demonstrationssaals durch Beneke abgesehen, keine Modernisierungen mehr erfolgt. Henke kämpfte sieben Jahre erfolglos um die Bewilligung einer dritten Assistentenstelle, angesichts jährlich ansteigender Zahl der Sektionen.1372 Zermürbt im Kleinkrieg um kümmerlichste Verbesserungen folgte Henke zum SS. 1913 einem Ruf nach Breslau, wo ihn großzügigere Verhältnisse erwarteten. Die Fakultät hätte gern Ernst Hedin­ ger (Basel), Robert Rößle (Jena) oder Ernst Schwalbe (Rostock) gewonnen.1373 Der Ruf erging auch an zwei der Wunschkandidaten. Hedinger telegraphierte aber nach einer Besichtigung des Instituts ab.1374 Schwalbe, dem sein kleinerer Wirkungskreis ohnehin genügte, wollte Rostock nicht mehr ver­ lassen, nachdem ihm die Beschleunigung seines Institut­Neubaus zugesagt worden war. So reüssierte der ältere Virchow­Schüler Carl Kaiserling.1375 Der Hesse Kaiserling, verheiratet mit einer Königsbergerin, 1893 in Berlin promoviert, 1902 dort habilitiert, hatte in seiner Dissertation das allgemeine Gebiet der Konstitutionspathologie berührt und erschloß sich mit der Habilitationsschrift über die ‚Doppelbrechung der Lipoide in der Nebennie­ renrinde‘ das Feld der Stoffwechselpathologie, die auch in Königsberg, bis zu seiner Emeritierung 1935, ein Hauptarbeitsgebiet blieb. Während der stark an den erkenntnistheoretischen Grundlagen seines Fachgebietes interessierte Kaiserling, der sparsam publizierte und als Stoffwechselpathologe über ein durchschnittliches Niveau sowenig hinaus gelangte wie mit seinen wehrmedizinischen Beiträgen während des Ersten Weltkrieges und seinen Bemühungen zur Ätiologie der nach 1918 mehrfach auftretenden spezifisch ostpreußischen „Haffkrankheit“, bleibt sein Name mit einigen technisch­me­ thodologischen Innovationen der Pathologie verbunden. So entwickelte er als einer der ersten eine

ums Dasein“ habe das weibliche Geschlecht intellektuell ins Hintertreffen geraten lassen und ihm seine dem Ani­ malischen verhaftete „Bestialität“ bewahrt, was sich craniologisch anhand kleinerer Frauenschädel bestätigen lasse. 1372 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 38, Bd. III, unpag.; Henke – PrMK v. 10. 1. 1909: Eine schwere Ent­ täuschung habe ihm die abermalige Zurückstellung seines Wunsches nach einem 3. Assistenten bereitet. So ging es fort bis 1913. 1373 GStA …, Nr. 20, Bd. XII, Bl. 244 f.; MedFak. – PrMK v. 1. 3. 1913; Liste Nf. Henke: 1a. E. Hedinger, 1873 Wilchingen/Schaffhausen–1924 Zürich, 1901/02 Assistent an Lichtheims Klinik, 1904 Habil. f. Patho­ logie Bern, 1907 oö. Prof. Basel, 1922 Zürich. – 1b. R. Rößle, 1876 Augsburg–1956 Berlin, Habil. 1904 Kiel, seit 1911 oö. Prof. in Jena, 1922 Basel, 1929 FWU. – 1c. Ernst Schwalbe, stand tertio loco bei der Nf. Beneke 1906 (s. Anm. 1256). Alle drei gleichrangig primo loco. An zweiter Stelle, wiederum aequo loco, waren genannt: 2a. Albert Dietrich, 1873 Schweidnitz/Schlesien – 1961 Stuttgart, Habil. Tübingen 1901, 1907 Prosektor KHS Berlin­Westend, 1913 Med. Akad. Köln, 1914–1918 Kriegsteilnahme als Oberstabsarzt, 1919 oö. Prof. f. Patho­ logie Köln, 1928–1938 Tübingen, Vf. eines Lehrbuchs ‚Pathologische Anatomie‘ (1927, acht Aufl. bis 1948), 1932/33 Rektor in Tübingen, von NS­Aktivisten aus dem Amt gehebelt. – 2b. C. Kaiserling (1869, s. Catalo­ gus). – 2c. Johann Georg Mönckeberg, 1877 Hamburg–1925 Bonn, Prom. Bonn 1900, Habil. Gießen 1904, ao. Prof. ebd. 1909, 1913 Prof. Med. Akad. Düsseldorf, 1916 oö. Prof. f. Pathologie Straßburg, SS. 1919 Tübin­ gen, SS. 1922 Bonn; Schwerpunkt: Pathologie des Herzens. 1374 Ebd., Bl. 243; Hedinger – PrMK v. 31. 3. 1913. 1375 Ebd., Bl. 254; Schwalbe – PrMK v. 23. 4. 1913: Ablehnung des Rufes, da ihm die Schweriner Regierung den Neubau eines Pathologischen Instituts zugesagt habe. Einen Tag später kam die Vereinbarung mit Kaiserling zu­ stande (ebd. Bl. 248), am 29. 4. 1913 war der Bestallungsvorschlag fertig (ebd., Bl. 252 f.).

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Konservierungsmethode für anatomische Präparate, die ihr natürliches, farbliches Aussehen bewahrte. Zudem gehörte Kaiserling zu den Pionieren der Mikrofotografie.1376 Als er dem Ministerium nach eingehender Besichtigung seinen Forderungskatalog zur Neuaus­ stattung der Königsberger Pathologie präsentierte, hätte man Unter den Linden glauben können, er übernehme eine Institutsruine.1377 Die Mikroskope stammten aus Neumanns Zeiten, feinere Gewe­ bestrukturen seien mit ihnen sowenig erkennbar wie Typhusbazillen. Für 7.500 M. müßten daher vor allem anderen erst einmal 50 neue Mikroskope angeschafft werden. Anschauungsmittel wie Tabellen und Photogramme fehlten ganz. Das elementare Handwerkszeug des Pathologen, das Sektionsinstru­ mentarium, sei „stark verbraucht“. Die hölzernen Präparatentische, zersplittert und geplatzt, seien mit Blut durchtränkt, was nicht nur ästhetisch abschrecke, sondern unhygienisch sei; sie müßten also durch Stahl­ oder Steinmodelle ersetzt werden. Der Henke verweigerte Assistent und ein Hilfsdiener seien für den Neuanfang unerläßlich.1378 Statt der 11.000 M., die Kaiserling forderte, gewährte das Ministerium ihm 4.000 M., seine Per­ sonalwünsche blieben unerfüllt. Binnen eines Jahres steckte er darum in einer ähnlichen Malaise wie Henke. Wegen der „Personal­ und Finanznot“ seines Instituts, so unterrichtete er gereizt den Kurator, müsse er die Untersuchungsstelle für path.­anat. Präparate schließen, sein zweiter Assistent bearbeite nur noch eingehendes Leichenmaterial, stehe daher für Forschung und Unterricht gar nicht mehr zur Verfügung. Die Institutsmittel reichen bei weitem nicht, um die Kosten zu decken, die „Wirklichkeit“ sehe „schlimmer“ aus, als er sie sich in seinen „Befürchtungen“ bei Amtsantritt vorgestellt habe.1379

4.3.2. Kliniken und Institute Die Zahl der Promovenden blieb zwischen 1898 und 1910 bei den Medizinern in etwa stabil bei durchschnittlich 25. Bemerkenswert ist seit Mitte der neunziger Jahre der hohe Prozentsatz (25 %) jü­ discher Doktoranden aus Russisch­Polen und Rußland. Im SS. 1914 erreichte deren Anteil schließlich vierzig Prozent. Das war eine Folge des ab 1910 stärker werdenden Zustroms aus Rußland, während sich gleichzeitig erheblich mehr deutsche Medizinstudenten immatrikulierten. Der Grund dafür ist im reichsweiten Anstieg der Studentenzahlen zu suchen, nicht etwa in den plötzlich attraktiver gewor­ denen Königsberger Studienbedingungen. Denn die medizinische Ausbildung in den Instituten und Kliniken der Albertina kam, wie die Zustände an der Pathologie bei Kaiserlings Berufung zeigen (s. o.), meistens einer Zeitreise ins 19. Jahrhundert gleich, will man den endlosen Klagen der Ordinarien glauben, die sich in dicken Berliner Ministerialakten häuften.1380 Chirurgische Klinik Wie es um die Chirurgische Klinik stand, darüber ließ 1910 der neue Chef Erwin Payr (1910/11) seinen Dienstherren nicht im Unklaren: die Badeeinrichtungen (eine Wanne für vierzig Kranke!) seien Krauspe 1942; ders. 1956. 1913 waren die Zustände im viel zu bescheiden projektierten Neubau von 1890 also wieder auf den Tiefstand des alten Path. Instituts gesunken, die den fast fluchtartigen Wechsel des ersten Lehrstuhlinhabers v. Recklinghau­ sen nach Breslau (1865) ausgelöst hatten. Tatsächlich blieb das Path. Institut auch im Neubau eines der kleinsten Europas und ein Denkmal der sprichwörtlichen preußischen Sparsamkeit (Neumann­Redlin 1987, S. 24). 1378 GStA …, Tit. X, Nr. 38, Bd. III, unpag; Kaiserling – PrMK v. 14. 5. 1913. 1379 Ebd.; Kaiserling – Kurator v. 7. 2. 1914. 1380 Hier reicht die Tradition des Klagens gleichfalls weit zurück, vgl. auch Leydens Autobiographie, 1910, S. 95: die Medizinische wie die anderen Kliniken habe er 1865 in „unglaublich primitivem Zustande“ vorgefunden, die chirurgische Klinik trug den Spitznamen „die Eiterbeule“. 1376

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völlig ungenügend, der Röntgenapparat so unmodern, daß man die Patienten, um überhaupt brauch­ bare Aufnahmen zu erhalten, in eine benachbarte Privatklinik schicken müsse, ebenso wie, blamabel genug für eine staatliche Einrichtung, Operierte zur Nachbehandlung wiederum Privatanstalten auf­ zusuchen hätten, weil, einzigartig in Preußen, die Universitätsklinik keine Geräte für Rehabilitations­ maßnahmen anbieten könne; nicht ein Pendelapparat zur Muskelkräftigung sei vorhanden.1381 Payrs Nachfolger Paul Friedrich (1911–1916) beurteilte die Verhältnisse ähnlich: die Klinik lasse „sehr viel zu wünschen übrig“.1382 Nicht einmal eine geordnete Verwaltung sei vorhanden, sondern alles läge in den Händen des alten Hausmeisters und dessen Tochter. Ein Inspektor müsse her, um das Klinikper­ sonal endlich einer „scharfen Kontrolle“ zu unterwerfen, was den Direktor und seine Ärzte von zeit­ raubenden Verwaltungsaufgaben entlasten werde.1383 Auch die personelle Ausstattung fand Friedrich beklagenswert. Groß war seine Enttäuschung, als ihm das Ministerium einen dringend benötigten fünften Assistenzarzt verweigerte, obwohl er, dank der vielen Patienten aus Rußland, mit Operations­ zahlen imponieren konnte, die an preußischen Kliniken allein von Berlin übertroffen wurden. Fried­ rich glaubte daher, „wegen der vielen Ausländer“ auf seinem OP­Tisch, eine „fast politische Aufgabe“ zu erfüllen, die man ihm in Berlin entsprechend zu honorieren habe.1384 Die deutlichen Worte halfen, Friedrich bekam 1913 einen apl. Assistenzarzt. Aber an der ungenügenden Ausstattung und den be­ engten räumlichen Verhältnissen in der Klinik änderte das nichts. Das lange Warten auf den Neubau der Nervenklinik Einen Tiefpunkt beharrlicher Nichtförderung bildete das Geschick der Königsberger Psychiatrie: Seit 1892 war das Fach durch einen beamteten Extraordinarius vertreten,1385 den 1875 habilitierten Franz Meschede. Aber der Bau einer Universitätsklinik ließ bis 1913 auf sich warten. Bis dahin nutzten Meschede und sein – eher durchreisender – Nachfolger Karl Bonhoeffer sowie der dann ortsfeste Ernst Meyer armselige, allen hygienischen Erfordernissen Hohn sprechende, hoffmannesk wirkende Räumlichkeiten im Dachgeschoß des Städtischen Krankenhauses, die den Eindruck eines „dürftigen Armenhauses“ (Meyer) machten. Von einer „Klinik im wahren Sinne des Wortes“, die sich mit an­ deren preußischen oder deutschen Universitätskliniken hätte vergleichen dürfen, wollte Meyer nicht sprechen. Von diesen „unerfreulichen Bildern der Vergangenheit“ nahm der Psychiater erst Abschied mit dem Umzug in den relativ großzügigen, über 80 Betten verfügenden Neubau im parkähnlichen Ambiente der Pillauer Landstraße, der mit 980.000 M. die vor 1918 bei weitem kostspieligste In­ vestition in die Königsberger Klinikinfrastruktur war. Bestehend aus Hauptgebäude mit Klinik und Poliklinik sowie einem Wohnhaus für den Direktor, war das Ensemble bereits 1907 nach dem Muster von Bonhoeffers neuer Breslauer Wirkungsstätte konzipiert worden, doch verzögerte und verteuerte sich die Ausführung aufgrund der Probleme mit der Entfestigung des Königsberger Stadtrands. Der Bau verschaffte dem herkömmlich hirnphysiologisch­neurologisch ausgerichteten Meyer endlich die beharrlich geforderten anatomischen, chemischen und serologischen Laboratorien sowie einen Stall für Versuchstiere und einen OP­Raum für Tierexperimente. Lange erfreute er sich an den verbesserten Forschungsbedingungen indes nicht, da genau ein Jahr nach der Eröffnung der Erste Weltkrieg aus­ brach und das Haus von der Militärverwaltung in Beschlag genommen, allerdings halbwegs zweckent­ sprechend als Hilfslazarett für nervenkranke Soldaten genutzt wurde.1386 GStA …, Tit. X, Nr. 7, Bd. VII, unpag.; Payr – PrMK v. 27. 10. 1910. Ebd.; Friedrich an PrM v. 15. 9. 1911. 1383 Ebd.; Friedrich an PrM v. 21. 12. 1911. 1384 Ebd., Friedrich an PrM v. 21. 3. 1912. 1385 Zu Meschede s. o. S. 69 f. 1386 Eindrücklich dokumentiert in der Institutsakte „Königsberger Irrenklinik 1891–1907“: GStA, I. HA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 59, Bd. I, u.a. Bl. 205–209; Stellungnahme Ernst Meyers v. 11. 1. 1906, dazu die Fotos 1381

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Der Kampf um eine Klinik für Kinderheilkunde Genauso lange, bis 1913, mußte die Kinderheilkunde auf eine angemessene institutionelle Veran­ kerung warten. Von dem 1888 verstorbenen Heinrich Bohn wurde die Pädiatrie zwar recht früh vertreten. Aber Althoff handhabte die Nachfolgefrage jahrelang dilatorisch. Dabei stand mit dem Naunyn­Schüler Hugo Falkenheim zum SS. 1888 sofort ein Privatdozent zur Verfügung, der nahtlos an Bohns Lehrveranstaltungen anknüpfen konnte. Doch das Krankenmaterial für Unterrichtszwecke mußte er sich mit seinem privat finanzierten Ambulatorium selbst beschaffen. Die Frequenz bei den kleinen Patienten stieg rasch von 1.203 (1889) auf 2.156 (1892). Trotzdem erhielt Falkenheim erst 1896 eine bescheidene Subvention von jährlich 1.200 M., die kaum ein Drittel seiner Kosten deckte. Zum WS. 1896/97 berief ihn Althoff auf ein besoldetes Extraordinariat, allerdings mit der ausdrück­ lichen Verpflichtung, mit dem nicht üppigen Gehalt (2.400 M) das Ambulatorium zu bezuschußen. Falkenheim mußte dann noch einmal zehn Jahre warten, bevor die jährliche Subvention auf unzu­ reichende 2.000 M. erhöht wurde, so daß er Defizite weiterhin aus eigener Tasche finanzierte. Dabei konnte man zu diesem Zeitpunkt, angesichts alarmierender Statistiken über die gerade in Ostpreußen hohe Säuglingssterblichkeit – allein 1906 starben im gesamten Reichsgebiet fast 400.000 junge Erden­ bürger vor ihrem ersten Geburtstag – einen skandalösen Notstand der Königsberger Kinderheilkunde eigentlich nicht mehr ignorieren. Weiterhin gab es an der Albertina kein pädiatrisches Universitäts­ institut, obwohl, angesichts der Todesziffern, die medizinische Prüfungsordnung seit 1901 vom ärzt­ lichen Nachwuchs den Nachweis einschlägiger Kenntnisse in der Kinderheilkunde verlangte. Um zu seiner Klinik zu kommen, rief Falkenheim 1907 einen „Verein Säuglingsschutz“ ins Leben, der dank der Stiftung eines Königsberger Industriellen über ein ansehnliches Startkapital verfügte. Falkenheim spekulierte darauf, mit diesen „Eigenleistungen“ das Ministerium in Zugzwang bringen zu können. Dabei handelte er nach Kieler Vorbild, wo es seinem Kollegen Wilhelm von Starck gelungen war, mit Hilfe der Prinzessin Heinrich, der Schwägerin des Kaisers, genügend Geld für die Baukosten einer Kinderklinik einzusammeln, deren laufender Etat dann mit staatlichen Mitteln finanziert wurde. Doch Falkenheim fehlte nicht nur eine vergleichbar spendable und einflußreiche Gönnerin. Das Bürgertum der Werft­ und Marinestadt Kiel war wirtschaftlich potenter als das Königsberger, deren Magistrat nach endlosen Verhandlungen überdies die Zusage, einen Bauplatz unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, nicht einhalten konnte.1387 So fehlte Falkenheim die Anschubfinanzierung, um den Bau in Angriff zu nehmen. Als 1912 ein bezahlbarer Baugrund gefunden war, hatte der Verein 35.000 M. zu wenig in der Kasse, so daß die Bitte, der preußische Staat möge diesen Betrag übernehmen und anschließend auch die Betriebskosten bestreiten, den Widerstand des Finanzministers auslöste. In­ zwischen war das Projekt mehrfach im Abgeordnetenhaus erörtert worden, stets mit dem Tenor, im Kultusministerium fördere man mit solcher Knauserei nur den Exodus, fort von der „Universität des Ostens“. Wohl auch infolge dieses politischen Drucks gab der Finanzminister im Frühjahr 1913 seinen Widerstand auf. Universität, Säuglingsverein und Kultusministerium bildeten einen Verwaltungsaus­ schuß für das Kinderkrankenhaus, das im Mai 1914 im Rohbau fertig war. Dann kam der Krieg, und weil die Arbeitskräfte fehlten, ruhte der Bau. Als es weiterging, waren die Materialien und Dienstlei­ stungen teurer geworden, und das im Juli 1916, zwanzig Jahre nach der Ernennung Falkenheims zum besoldeten Extraordinarius, eröffnete „Wilhelm und Auguste Viktoria Kinderkrankenhaus“ hatte statt der veranschlagten 320.000 stolze 520.000 M. verschlungen. von den völlig unzureichend mit Badeeinrichtungen und Aborten versehenen, nur über eine baufällige, steile Treppe zu erreichenden, im Halbdunkel gelegenen Räumlichkeiten, Bl. 272–274, die eine ideale Lokalität boten, um dort Hauptmanns „Weber“ oder „Die Ratten“ zu inszenieren. Zur neuen Klinik (mit Bildern und Grundris­ sen): Meyer 1913. 1387 Ähnlich günstig Freiburg, s. Seidler 1991, S. 171–174. Über die „engen Verhältnisse“ in Königsberg hingegen Falkenheim 1930.

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918 Das Hygienische Institut

Um die Hygiene, ein anderes nach 1890 kräftig aufgeblühtes Spezial­ und Prüfungsfach, war es an der Albertina besser bestellt, wo es lange von drei Robert­Koch­Schülern, Carl Fraenkel (1889/91), Erwin von Esmarch (1891–1899) und Richard Pfeiffer (1899–1909), vertreten wurde. Dieses Fach genoß seit der ersten Etablierung von Lehrstühlen in Berlin und Göttingen (1884/85) Althoffs besondere Protektion, für dessen „siegreichen Einzug“ in Preußen er sorgte, wenn auch Königsberg, weil die „Bakteriologie“ bis 1889 vom Pathologen Neumann als ausreichend vertreten galt, die Schlußlaterne trug. Dabei stand mit dem von Neumann habilitierten,1388 ihm seit 1874 als Prosektor dienenden Paul Baumgarten ein Bakteriologe ersten Ranges parat, um, die nötigen Mittel vorausgesetzt, das junge Spe­ zialfach an der Albertina zu etablieren. Unabhängig von ihm und gleichzeitig mit Robert Koch gelang es Baumgarten, den Schwindsuchterreger in tuberkulösem Gewebe nachzuweisen.1389 Seitdem galt er als Kapazität nicht nur in der Tuberkuloseforschung. Bevor er 1889 einen Ruf nach Tübingen an­ nahm, hatte er in Königsberg seine Forschungsresultate und Vorlesungsinhalte in einem zweibändigen Kompendium, seinem ‚Lehrbuch der pathologischen Mykologie‘ für „Ärzte und Studirende“ aufberei­ tet.1390 Als Neumann aber 1887 eine indirekte Förderung des bakteriologischen Unterrichts, über die Erhöhung seines Institutsetats anstrebte, mußte er sich von Althoff bescheiden lassen, daß Greifswald, mit der zweitgrößten medizinischen Fakultät Preußens, Vorrang genieße, auch Halle, Marburg und Kiel erst zu versorgen seien, während die Albertina wieder einmal „noch warten“ könne.1391 Da ließ sich auch mit Baumgartens Ansehen als bakteriologische Spitzenkraft nicht wuchern, die Althoff un­ gerührt sich in württembergische Dienste begeben ließ. Immerhin wurde aus dem Baumgarten versagten und Fraenkel dann 1889 überraschend gewährten besoldeten Extraordinariat unter v. Esmarch ein Ordinariat (1897). Mit Eugen Czaplewski meldete v. Esmarch einen ersten Königsberger Habilitanden für Hygiene und Bakteriologie an,1392 und Pfeiffer bezog 1901 in der Tragheimer Kirchstraße ein neu errichtetes, modernes, seit 1888 geplantes Instituts­ gebäude, dessen Errichtung dem Insistieren Esmarchs zu danken war.1393 Die Verleihung der venia legendi läßt sich in der GStA­Akte (Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I: Medizinische Privatdozenten 1847–1901) leider nicht nachweisen, was aber nicht gegen eine Königsberger Habilitation Baum­ gartens spricht, da etwa auch eine Meldung über die Habilitation des Anatomen Richard Zander fehlt (1885). 1389 Von Baumgartens bedeutendsten Königsberger Schüler, Max Askanazy, in seiner Laudatio zum 60. Geburtstag entsprechend gewürdigt (v. Baumgarten 1908, S. VII). 1390 Das Vorwort des ersten Bandes datiert „Königsberg im September 1886“, erschienen sind die zwei Bände jedoch erst Braunschweig 1890. Gewidmet ist das Werk seinem Schwiegervater Edwin Adalbert Hay (geb. 1821), einem Ende 1847 an der Albertina für spez. Pathologie habilitierten Mediziner, dem das Jahr 1848 mit seinen Fol­ gen anscheinend die Privatdozentur verleidete und der fortan als praktischer Arzt in Königsberg tätig war. Nach­ weis über seine Habil.: GStA …, Nr. 24, Bd. I, Bl. 8–10. Hay war auch der Schwiegervater des gynäkologischen Privatdozenten Hermann Münster (s. Catalogus). 1391 GStA …, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 177–181; PrMK – PrMF, Etatanmeldung Extraordinariate für Hy­ giene v. 22. 6. 1888. Neumann war 1887 um die Erhöhung des Institutsetats eingekommen, um Baumgarten, den „ersten Vertreter der sich neuentwickelnden Mikrobiologie in Königsberg“ (Krauspe zit. n. Scholz/Schroeder 1970, S. 26), mit dem bakteriologischen Unterricht betrauen zu können (ebd., Bl. 49–52; Eingabe v. 9. 4. 1887), was Althoff jedoch ablehnte (ebd.; Bl. 53). 1392 Eigentlicher Lehrer des gebürtigen Königsbergers Czaplewski war der 1889 nach Tübingen berufene Paul Baumgarten. Cz. habilitierte sich im März 1894, 1896/97 war er in Esmarchs Institut Volontärassistent. 1897 wurde er Leiter des bakter. Labors am Augusta­Hospital in Köln, wo er als Direktor des Bakt. Labors der Stadt und nb. ao. Prof. an der Universität weiter Karriere machte. Cz. galt als Desinfektionfachmann, worin sich mehr der Einfluß Esmarchs als der des Bakteriologen Baumgarten zeigt. Schnell drei Auflagen erlebte sein ‚Kurzes Lehrbuch der Desinfektion‘ (1903, 3. Aufl. 1908). 1393 GStA …, Tit. X, Nr. 57, Bd. I; dort eine erste erfolglose Etatanmeldung von 1888. 1388

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Pfeiffer, der zudem einen zweiten Assistenten erhielt, konnte mit diesem Institut alle Möglich­ keiten ausschöpfen, um sein Fach ganz in den Dienst der „öffentlichen Gesundheitspflege“ zu stellen, die, wie Fraenkel geglaubt hatte, „wohl kaum an einer anderen Stelle der preußischen Monarchie“ nach einem Engagement der hygienischen Forschung so gebieterisch verlange wie in Ostpreußen, wo er mit der Kontrolle der Abwässer, der Sicherstellung der Wasserversorgung, der Eindämmung tierischer und menschlicher Infektionskrankheiten und der in den Sommermonaten beängstigend hohen Kinder­ sterblichkeit nur einige der prekären Mißstände aufzählte, mit denen er und seine Nachfolger es zu tun hatten.1394 Pfeiffer spannte das Institut in Vorsorgeuntersuchungen an Königsberger Schulen ein und etablierte 1905 eine Untersuchungsstelle für Typhuskrankheiten, die seine Nachfolger Walther Kruse (1909–1911), Martin Hahn (1911/12) und Karl Kißkalt (1912–1917) zu einer Medizinalunter­ suchungsabteilung für alle ansteckenden Krankheiten ausbauten.1395 Das Zahnärztliche Institut Nach 1890 erreichte die große Gründungswelle, die allen deutschen Medizinischen Fakultäten zahn­ ärztliche Institute bescherte, auch Königsberg, wo, als drittletzte Einrichtung im Reichsvergleich,1396 zum WS. 1892/93 in der Theaterstraße eine Klinik eröffnet wurde, deren Leitung in Händen des chirurgischen Privatdozenten Georg Stetter und des praktischen Zahnarztes Carl Doebbelin lag. Nach­ dem sich bereits nach wenigen Monaten das „Local als gänzlich ungeeignet“ erwiesen hatte, wurde Stetters etwas hochtrabend so genannte „Chirurgische Abteilung“ in dessen Privatklinik in die nahe Nicolaistraße verlegt.1397 1893 verteilten die beiden Leiter den fast ausschließlich poliklinischen Be­ trieb auf drei Abteilungen: für Zahnextraktionen, Zahnersatz und Zahnfüllung. Die Patientenzahl stieg von 600 (1893) auf 2.200 (1896) rasch an, wobei das Gros (1.600) in Doebbelins Abteilung für Zahnextraktionen strömte. Forschung fand in den 1890er Jahren nicht statt. Stetter, der in seiner Laufbahn zwischen Chirurgie, Orthopädie und Ohrenheilkunde schwankte, schied schon Ende 1893 wieder aus dem Institut aus, das Doebbelin dann in der handwerklichen Tradition seines Faches mit Hilfe eines zahnärztlich ausgebildeten Assistenten führte. Bis 1912 vervierfachte sich die Patientenzahl, doch das inzwischen in Doebbelins Privathaus am Paradeplatz umgezogene Institut verharrte auf dem Niveau einer überdimensionierten Zahnarztpraxis. Der nicht promovierte Doebbelin, Titularprofes­ sor und bezahlt als Lektor, betreute in „practischen Cursen im Extrahiren und Füllen der Zähne“ bis 1905 lediglich sechs bis zehn Studenten der Zahnheilkunde. Danach verdoppelte sich deren Zahl,1398 schon im Vorgriff auf die neue Prüfungsordnung (1909), die für das Staatsexamen das Abitur (statt Primareife) und ein Studium von sieben (statt vier) Semestern vorschrieb.1399 Mit der Zunahme der Studenten begann sich die Privatdozentur zu lohnen: 1909 habilitierte die Fakultät in der Zuständig­ keit Lexers und Stiedas den anatomisch promovierten Königsberger Zahnarzt Adolf Stein, 1912 folgte Ebd., Bl. 66–69; Fraenkel – Kurator v. 21. 7. 1891. Ebd., Bd. II, unpag.; Hahn – Kurator v. 19. 11. 1911 wg. Bewilligung von 3.000 M. zwecks Ausdehnung der pysikal.­chem. Untersuchungsmethoden. 1396 Strübig 1989, S. 143. Material zur Geschichte des AUK­Instituts in: GStA …, Tit. X, Nr. 55, Bd. I. 1397 Chronik AUK 1892/93, S. 27. Die wieder einmal „unzureichenden“ Einrichtungen waren in dieser Disziplin jedoch ausnahmsweise kein Königsberger Spezifikum. In Berlin, wo seit 1884 ein zahnärztliches Universitäts­ Institut bestand, seien die Arbeitsbedingungen an „Kümmerlichkeit“ nicht zu übertreffen gewesen. Der 1892 be­ rufene Extraordinarius verfügte über ein drei Quadratmeter großes Labor! Nach etlichen Friktionen folgte er 1906 einem Ruf in die USA, wo er ohne „Etatsorgen und Einengungen der preußischen Bürokratie“ in „großzügigen Verhältnissen“ seine Grundlagenforschung zur Mikrobiologie der Mundhöhle habe fortsetzen können (Hoffmann­ Axthelm 1985, S. 458–462). 1398 Petersilie 1910, S. 110. 1399 v. Reckow 1927.

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

der Militärarzt Friedrich Wilhelm Proell.1400 Promotionen zum Dr. med. dent. wurden erst 1919 er­ möglicht, nach der abermaligen Reform des Studienganges infolge der Übernahme von Zahnbehand­ lungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen. Erst dieser erneute Professionalisierungsschub etablierte die Disziplin 1921 mit einem Extraordinariat in der Medizinischen Fakultät.1401

4.3.3. Zusammenfassendes zur Fakultätsgeschichte bis 1914 Von 1882 bis 1911 weist der Etat des Kultusministeriums für die Königsberger Kliniken und Institute die geringsten laufenden Mehrbeträge aus, und im gleichen Zeitraum wurden für die Fakultät die nied­ rigsten Aufwendungen für die laufenden Mehrausgaben und die außerordentlichen Ausgaben unter allen preußischen Universitäten getätigt.1402 Schossen die Neubauten ab 1880 anderwärts wie Pilze aus dem Boden, mußte sich Königsberg vornehmlich mit einigen bescheidenen Um­ und Erweiterungs­ bauten begnügen. Nur die Pathologen und Pharmakologen durften 1890 in ein neues Gebäude einzie­ hen, dann dauerte es zehn Jahre, bevor der Hygieniker Pfeiffer ein zu klein geplantes Institutsgebäude erhielt, und wiederum zehn Jahre, bis 1910 der Neubau der Ohrenklinik bezugsfertig war. Der Ber­ liner Etat wurde damit nicht übermäßig strapaziert, da Hygienisches Institut und Ohrenklinik zusam­ men nur 240.000 M. kosteten. Viermal so viel verschlang dann die 1913 eröffnete Nervenklinik, der einzig nennenswerte Neubau, der es nach Größe und Ausstattung mit jenen opulenten Instituten und Kliniken aufnehmen konnte, die den übrigen preußischen Fakultäten und besonders den Medizinern der Reichsuniversität Straßburg bewilligt wurden.1403 Entsprechend kurz fiel die ministerielle Über­ sicht über die Neu­ und Umbauten in dem zwischen Hauptgebäude und Botanischem Garten mitten im Wohngebiet angesiedelten und daher ohnehin beengten Königsberger „Klinikviertel“ aus:1404 Medizinische Klinik: Erweiterungsbau 1882 (102.000 M.) Um­ u. Erweiterungsbau 1894/95 (240.000) Grunderwerb, Wirtschaftsgebäude, Pförtnerhaus (228.000) Chirurgische Klinik: Zweiter OP­Saal 1893 (31.000) Um­ u. Erweiterungsbau 1910/11 (130.000) Frauenklinik: Erweiterungsbau 1892 (61.000) Erweiterungsbauten 1906/07 (114.000) Pförtner­ und Beamtenwohnhaus 1911 (31.000) Augenklinik: Um­ u. Erweiterungsbau 1897 (50.000) Bau einer Baracke für Trachomkranke 1900/01 (91.000) Um­ u. Erweiterungsbau 1907/09 (162.000) Zu beiden siehe Catalogus. Scholz/Schröder 1970, S. 112 f. 1402 Spielmann 1912, S. 724 f. Von 50 Mill. Mark, die in dreißig Jahren für ao. Ausgaben den Med. Fakultäten zufloßen, erhielt Königsberg 3,2 Mill. = 6,55 %; nur Bonn erhielt mit 6,47 % etwas weniger. Der Löwenanteil floß natürlich nach Berlin (27,59 %), gefolgt von Breslau (16,53 %), Kiel (10,94 %), Göttingen (8,46 %), Marburg (8,26 %), Greifswald (7,31 %) und Halle (6,81 %). Vgl. ebd. S. 718 f., die Zusammenstellung der laufenden Mehr­ ausgaben 1882–1911; hier erhält die AUK mit einem Anteil von 5,2 % nur unwesentlich mehr als das Schlußlicht, die Göttinger Fakultät (4,6 %), während wiederum Berlin (39,5 %), Breslau (12,1 %) und Kiel (9,1 %) die Spitzen­ gruppe bilden. 1403 Spielmann 1912, S. 740. Vgl. etwa damit das neue Anatomische Institut in Marburg (1901 : 501.000 M.), in Breslau (1900: 504.000), oder die Kieler (1901: 1,2 Mill.!), die Greifswalder (1905: 700.000), die Breslauer (1907: 1 Mill.) und die Hallenser Nervenklinik (1891: 1 Mill.), ebd., S. 736–741. 1404 Spielmann 1912, S. 740. 1400

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Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914 Ohrenklinik: Nervenklinik: Anatomie: Pathol./Pharmak.: Hygien. Institut:

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Neubau 1909/10 (119.000) Neubau 1913 (980.000) Um­ u. Erweiterungsbau 1887 (74.000) Neubau für beide Institute 1888/90 (240.000) Erweiterungsbau Path. Institut 1905 (48.000) Neubau 1899/1900 (117.000)

Diese Bauchronik, eine Abfolge verweigerter Neubauten, verzögerter Umbauten, sparsam dimen­ sionierter Provisorien, verfestigt den anhand der Berufungspolitik gewonnenen Eindruck einer per­ manenten obstinaten Vernachlässigung Königsberger Belange durch Kultus­ und Finanzministerium. Andererseits wurden vor allem die klinischen Fächer und unter ihnen wiederum besonders bevorzugt die Chirurgie mit Männern aus der ersten Reihe besetzt, denen Althoff und sein Nachfolger Naumann Spitzensaläre bewilligten. Die unzulänglichen Arbeitsbedingungen führten jedoch stets zu einer kurzen Verweildauer, da großzügiger ausgestattete Kliniken und Institute in West­ und Mitteldeutschland diese Koryphäen rasch fortlockten. Dieses Personalkarussell begann sich ab 1911/13, als mit Jaffé, Stieda, Lichtheim und Hermann die vier dienstältesten Ordinarien ausschieden, schneller zu drehen und ließ die Fakultät in den letzten Jahren des Kaiserreichs zur „Durchgangsstation“ werden, an der bis Anfang der 1920er Jahre nur we­ nige klinische und theoretische Fächer wie die Psychiatrie, die Gerichtsmedizin, die Pädiatrie und die Ohrenheilkunde ein eigenes Forschungsprofil aufwiesen. Das ministerielle Bestreben, gerade an der Albertina zu sparen, blieb nicht auf Institute und Kli­ niken beschränkt. Bei den Berufungen bevorzugten die Kultusbürokraten die für ein niedriges Ein­ trittssalär zu gewinnenden Nicht­Ordinarien, mit klarer Präferenz für den preußischen, zumal Berliner und Königsberger Nachwuchs, so daß zusammen 51 Prozent der Verfahren zu dessen Gunsten aus­ fiel.1405 Stand aus diesem Reservoir niemand zur Verfügung, wählte das Ministerium gern Ordinarien der ausländischen Universitäten Dorpat (Naunyn, Stieda), Zürich (Hermann), Krakau (Mikulicz), Bern (Lichtheim), Utrecht (v. Eiselsberg), Prag (Hofmann) oder kleinerer außerpreußischer Universi­ täten wie Rostock (Merkel, Garré), Gießen (v. Hippel), Jena (Schwalbe, Kuhnt) und Erlangen (Schit­ tenhelm). Als Ordinarien von preußischen Universitäten wechselten nach Königsberg lediglich die drei Chirurgen Braun (Marburg), Payr (Greifswald) und Friedrich (Marburg), der Anatom Kupffer (Kiel),

Als Berliner Nicht­Ordinarien erhielten ihren ersten Ruf an die Albertina: Schönborn (Chirurgie 1871), Fraenkel (Hygiene 1889), v. Esmarch (Hygiene 1891), Winter (Gynökologie 1897), Pfeiffer (Hygiene 1899), Puppe (Gerichtsmedizin 1903), Lexer (Chirurgie 1905), Heine (HNO 1906), Henke (Pathologie 1906), Kißkalt (Hygiene 1912), Kaiserling (Pathologie 1913), insgesamt 11 Dozenten. – Zu den Königsberger Hausberufungen gehören: Jaffé (Pharmak.), Jacobson (Augenheilkunde) beide 1873, Samuel (Pathologie 1874), Pincus (Staats­ arzneikunde 1875), Benecke (Anatomie 1877), Langendorff (Pathologie 1888), Berthold (HNO 1891), Schneider (Dermatologie 1892), Meschede (Psychiatrie 1892), Falkenheim (Pädiatrie 1896), Caspary (Dermatologie 1898), Scholtz (Dermatologie 1905), Stenger (HNO 1909), Ellinger (Pharmakologie 1912), Kirschner (Chirurgie), Weiß (Physiologie), beide 1916, insgesamt 18 Dozenten (= 31 %), darunter jedoch nur sieben gebürtige Ostpreußen. Unter den Ordinarien und planmäßigen Extraordinarien fand somit der heimische Nachwuchs in äußerst gerin­ gem Umfang Berücksichtigung (= 12 %). Ihrem Ruf als Landesuniversität wurde die Albertina also auch in der MedFak ausschließlich dadurch gerecht, daß über 2/3 der Studenten aus der Provinz stammte. Auffällig ist zudem, daß nur elf der als Nicht­Ordinarien berufenen Dozenten (= 20 % aller Berufungen) von einer anderen als der Berliner oder Königsberger Universität kamen: Bonhoeffer (Breslau, Psychiatrie 1903), Meyer (Kiel, Psychiatrie 1904), Beneke (Göttingen, Pathologie 1903), Krückmann (Leipzig, Augenheilkunde 1907), Kruse (Bonn, Hy­ giene 1909), Hahn (München, Hygiene 1911), Gaupp (Freiburg, Anatomie 1912), Schieck (Göttingen, Augen­ heilkunde 1912), Birch­Hirschfeld (Leipzig, Augenheilkunde1914), Sobotta (Würzburg, Anatomie 1917), Selter (Leipzig, Hygiene 1917).

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

der Gynäkologe Dohrn (Marburg) und der Internist Matthes (Marburg), also sechs Professoren, mit­ hin bemerkenswert niedrige 10, 4 % der 58 Berufungen zwischen 1870 und 1918. Vom autonomen Recht zur Selbstergänzung der Fakultät blieb den Königsberger Medizinern we­ nig. Regelmäßig diktierte das Ministerium die Personalpolitik. In glücklicheren Fällen stand der mini­ sterielle Favorit wenigstens auf der „Liste“. Nur zweimal, bei der Berufung des Physiologen Ludimar Hermann und der des Augenheilkundlers Hermann Kuhnt, setzte die Fakultät sich in einem Konflikt mit dem Ministerium durch. Und lediglich bei der Besetzung der Extraordinariate für die neuen Spe­ zialfächer nach 1889 ließ Althoff ihr mitunter freie Hand. Die Nachfolge der großen Ordinariate in den klinischen Fächern wurde hingegen ausnahmslos in Berlin entschieden. Bis 1902 zeichnet sich die Pathologie, bis 1912 Pharmakologie, Anatomie, Innere Medizin, Augenheilkunde, Gynäkologie und Physiologie durch personelle Kontinuität aus. Einmal neu be­ setzt, änderte sich auch an der Institutsspitze der Gerichtsmedizin, in der Leitung der Irren­, Haut­, Kinder­ und Ohrenklinik bis 1918 nichts mehr. Umso verwunderlicher ist es, daß ein derart sta­ biles Kollegium im lokalen gesundheitspolitischen Kontext nicht stärker in Erscheinung trat und Einfluß auszuüben versuchte. Denn an den Hunderten von Kurzprotokollen der Vorträge des 1851 zum zwangslos­fachlichen Austausch und zur Information von Ärzten und interessierten Laien von Hermann von Helmholtz mitbegründeten Königsberger „Vereins für wissenschaftliche Heilkunde“ ist mit einigem Erstaunen abzulesen, wie selten soziale und gesellschaftliche Fragen in diesem Kreis berührt wurden.1406 Königsberger Abwasserprobleme, der Zusammenhang von Trinkwasserversorgung und Typhus, die Mortalitätsquoten der Entbindungsanstalten, die Bekämpfung der in Ostpreußen grassierenden „Volksseuche“ der Granulose, die Pestgefahr in der rattenverseuchten Hafenstadt am Pregel, daß durch „nervöse Belastungen überhand nehmende Drängen der Frauen nach künstlichem Abortus“, die Kriminalität von Trinkern, gewerbehygienische und arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Unfallverhütung – mit solchen sozialmedizinischen Erörterungen wurden zwischen 1870 und 1914 kaum zehn Prozent der Sitzungen bestritten. Diese Zurückhaltung korrespondiert mit der weitge­ henden Abstinenz auf diesem Terrain, die man im Lehrangebot, bei den Promotionen und in den Bibliographien der Dozenten registrieren muß. Die Neigung, für gesellschaftliche Probleme naturwis­ senschaftlich­medizinische Lösungen anzubieten, eine Neigung, der sich in den Fakultäten in Berlin, Leipzig oder Freiburg vor allem Psychiater, Hygieniker, Gerichtsmediziner, Anatomen, Anthropologen und Gynäkologen mit größtem Eifer hingaben, die sich mit immer neuen Vorschlägen zur Heilung des „Volkskörpers“ hervortaten. Dieses vor 1914 rasant zunehmende sozialpolitische Engagement, das wis­ senschaftshistorisch seit langem als Signum der spätwilhelminischen Medizingeschichte gilt, zeichnet sich in Königsberg nur in schwachen Konturen ab. Hier ließ erst der Erste Weltkrieg die Königsberger Mediziner Anschluß an die allgemeine Entwicklung im übrigen Reich finden.

4.4.

Die Philosophische Fakultät von 1900 bis 1914

4.4.1. Die Geisteswissenschaften: Berufungen und Habilitationen Vom Personal seiner Fakultät legt der 1903 an die Albertina berufene Orientalist Carl Brockelmann ein schlechtes Zeugnis ab. „Stark überaltert“ sei sie gewesen. Alkoholiker wie der germanistische Extra­ ordinarius Wilhelm Uhl, der kräftig zechende Felix Rachfahl, seien ihm überdies ebenso unangenehm aufgefallen wie der Klassische Philologe Otto Rossbach durch seine wissenschaftliche Bedeutungslosig­ Protokolle bis 1890 in der Berliner Klinischen Wochenschrift, danach in der Deutschen Medizinischen Wochen­ schrift. Kurz zum Verein, der von 23 (1851) auf 210 (1901) und gegen Ende der Weimarer Republik auf knapp 400 Mitglieder aufwuchs, vgl. Hensel 1996, S. 367 f.

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keit oder Rachfahls Historiker­Kollege Otto Krauske, groß als Gesellschaftslöwe, doch nie die Erwar­ tung erfüllend, die man in seine Berufung setzte, nämlich endlich eine Biographie des Soldatenkönigs zu liefern.1407 Am wenigsten trifft in diesem Brockelmannschen Klagelied zu, die Fakultät sei „stark überaltert“ gewesen. Der Altersdurchschnitt der 34 Ordinarien und beamteten Extraordinarien betrug 1900 exakt 50 Jahre. 1903, nach Berufungen mehrerer jüngerer Dozenten, lag er sogar etwas darunter. Zählt man nur die Ordinarien, hatten 16 von 27 das 50. Lebensjahr, von diesen acht das 60. Lebensjahr über­ schritten. Damit dürfte die Fakultät im preußischen Durchschnitt gelegen haben. Daß die Nestoren, Schade, Umpfenbach, Pape, Ritthausen, Lossen, Prutz und Jahn um die Jahrhundertwende ausschie­ den, hat allerdings das Gesicht der Fakultät fast im Handumdrehen verjüngt. Ihr Problem war mithin ein anderes als das der Überalterung. Brockelmann deutet es mit seinem Seitenhieb auf Rossbach an, dessen Vater als Altphilologe auf einem Breslauer Lehrstuhl „schon recht unbedeutend“ war, sein Sohn indes sei dies „in gesteigerter Auflage“ gewesen. Das ist eine unverblümte Beschreibung der Zustände, die einerseits aus der selbstherrlichen Praxis Althoffs resultierten, in vielen Berufungsverfahren die Fa­ kultätswünsche zu ignorieren – ein schon aus der Geschichte der Medizinischen Fakultät hinlänglich bekannter Übelstand. Dabei kamen dann fachlich eher durchschnittlich qualifizierte Gelehrte zum Zuge, die aber „versorgt“ werden mußten. Zudem zeitigten die speziellen, ungünstigen Königsberger Standortfaktoren auch ohne Althoffs Zutun ähnliche Effekte. Denn nicht selten zwangen Absagen der erstplazierten Wunschkandidaten den Ministerialdirektor, die „zweite Garnitur“ in den Osten zu schicken. Folglich ragte, gemessen am schieren Publikationsfleiß und am fachlichen Einfluß, etwa als Herausgeber von Zeitschriften oder Schriftenreihen, als methodologisch oder thematisch dominanter Mitspieler im Feld des Fachdiskurses, kein Königsberger Ordinarius über das Mittelmaß seines Faches hinaus. Auch fiel niemand durch die Bildung eines Schülerkreises auf. In den geisteswissenschaftlichen Fächern hatten Habilitationen Seltenheitswert. An der Universität Kants habilitierte sich zwischen 1875 und 1918 ein Philosoph, Arnold Kowalewski (1899). Bei den Promotionen lagen die Naturwis­ senschaftler weit vorn, ähnlich wie die Mediziner begünstigt durch jüdische Studenten aus Rußland. Das Gros dieser Klientel findet sich bei den Chemikern. Überhaupt gingen aus den Reihen der Che­ miestudenten und aus denen der Agrarwissenschaftler seit 1895 die meisten Doktoranden hervor. Allein 1904 wählten 34 von 43 Doktoranden ein naturwissenschaftliches Thema, darunter 25 Che­ miker, unter ihnen sieben russische Juden.1408 Die historisch­philologischen Fächer blieben dahinter weit zurück, ausgenommen die Englische Philologie, für die Max Kaluza, mit dem Schwerpunkt auf das Mittelenglische, an der Albertina eine kleine „Doktorfabrik“ unter Dampf setzte,1409 die ab 1905 nur durch den energischen Romanisten Schultz­Gora Konkurrenz (10) bekam.1410 Zwischen 1898 und 1913 erwarben 39 zukünftige Oberlehrer bei Kaluza ihren Doktorgrad,1411 während im gleichen Zeit­ raum die immerhin mit zwei resp. sogar drei Ordinarien vertretenen geisteswissenschaftlichen Kernfä­ cher, die Philosophen (23), Historiker (35), Klassischen Philologen (49) und Germanisten (15), relativ erheblich weniger Doktoranden anzuziehen vermochten – von den „Exotenfächern“ nicht zu reden, da der seit 1894 amtierende Kunsthistoriker Haendcke bescheidene vier, der 1880 berufene Indoger­ manist Bezzenberger (der erstaunlicher Weise von 1889 bis 1912 vier Habilitanden heranzog) und der Orientalist Brockelmann (1904–1910) nur jeweils sechs Promotionen betreuten. Stattlicher fiel die Bilanz bei den Staatswissenschaften (1900–1913: 26) und den Geographen (1900–1913: 28) aus, wo die Doktoranden mit ihren landeskundlichen Arbeiten wesentliche Beiträge leisteten, um die in der Fakultät in den 1890er zu beobachtende Tendenz zur Regionalisierung des Wissens zu stabilisieren. 1407 1408 1409 1410 1411

Brockelmann 1981, S. 40 f. Vgl. HSV 1904. Das Gros der Arbeiten entstand zwischen 1909 u. 1914. Roman. Diss. bei Schultz­Gora u. Pillet 1905–1914, vgl. HSV. Das 18./19. Jh. (Bulwer, Scott u. a.) fand erst ab 1910 Beachtung.

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Wie die bescheidenen Zahlen der Theologischen und Juristischen Fakultät zeigen, muß ein konti­ nuierlich anschwellender Studentenzustrom nicht automatisch die Promotionsquote erhöhen. Was der Massenandrang jedoch in allen Fakultäten, primär aber in der Philosophischen, zum Vorschein bringt, ist der Hunger nach Weltanschauung. Am Vorlesungsangebot ist das nicht immer sicher abzulesen, auch nicht an den Promotionsthemen, aber an der Zahl der Hörer, die solche Veranstaltungen bele­ gen, also bereit sind, für diese Form der Sinnvermittlung Geld zu zahlen. Diese Nachfrage bestimmt demnach das Angebot. Sofern der Dozent einen weltanschaulichen Mehrwert offerierte, füllte sich der Hörsaal. So sprach der Indogermanist Bezzenberger mit Sanskrit­ oder Übungen zur litauischen Gram­ matik selten mehr als fünf Studenten an, oft genug kam nicht einmal einer und die Übung fiel aus.1412 Las er ‚Ostpreußische Vorgeschichte‘ dozierte er vor 40–60 Teilnehmern (SS. 1906 u. SS. 1910). Zu Wreszinski verirrte sich kaum jemand, um „Altägyptisch“ oder „Koptisch“ zu buchstabieren, aber „Die Kunst der alten Ägypter mit Lichtbildern“ und ebenso deren Kultur­ und Religionsgeschichte ent­ falteten hinreichend exotischen Zauber, dem 40–70 Hörer erlagen. Anders als Bezzenberger und die Vertreter der übrigen „Orchideenfächer“ mußte der Mediävist Werminghoff zwar keinen horror vacui fürchten, wenn er den Hörsaal betrat. 125 Hörer, die ihm über „Staat und Kirche im deutschen Mit­ telalter“ (SS. 1910) lauschten, bestätigen das, obwohl er bei dieser historisch aufbereiteten, durchaus noch aktuellen politischen Thematik, der Stellung der römischen Kirche im protestantischen deut­ schen Kaiserreich, offenbar schon vom Weltanschauungsbonus profitierte. Denn sonst kamen nur 30–50 Hörer zu ihm. Aber mit 175 Hörern geradezu überlaufen wurde Werminghoff erst, als er im WS. 1911/12 „Dante. Leben und Werk“ präsentierte. Ein Resonanzeffekt, der sich dem nicht nur im George­Kreis gepflegten Topos vom „Dichter als Führer“ verdankt. Bei den Medizinern machte der Neurologe Kurt Goldstein eine vergleichbare Erfahrung. Sein klinisch­diagnostisches Pflichtpro­ gramm galt bei einem Dutzend Teilnehmern bereits als gut besucht. In „Ausgewählte Kapitel aus der Psychopathologie“ (WS. 1912/13), den Hörern aller Fachbereiche angeboten und somit medizinische Fachkenntnisse nicht erwartend, wollten indes 92 Interessenten hineinschmecken. Grundsätzlich gilt: je allgemeiner, desto beliebter. Kein Wunder, daß die Spezialisten für das All­ gemeine, Goedeckemeyer und Ach, mit ihren philosophiehistorischen Epochenüberblicken zu den erfolgreichsten Vortragskünstlern zählten, denen nur der Germanist Baumgart, der Geograph Hahn und der Kunsthistoriker Haendcke das Wasser reichen konnten. Baumgarts „ideale Werte“ der deut­ schen klassischen Dichtung, mit deren nationalpädagogischer Orientierungsleistung er schon 1887 seinen Anspruch auf ein Ordinariat begründet hatte, zogen auch noch in den letzten Semestern vor dem Kriegsausbruch zwischen 150 und 250 Hörer an. Ebenso viel wie Haendcke mit „Kunst­ und Kulturgeschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert“ (WS. 1912/13: 142 Hörer) und Hahn mit seinen Beiträgen zur „Politischen Geographie“ (SS. 1910: 123), die das Publikum etwa mit dem Konkur­ renten Deutschlands um einen „Platz an der Sonne“, den USA (WS. 1910/11: 183) und Rußland (WS. 1912/13: 141), bekannt machten. Übertroffen wurde Hahns und Baumgarts Beliebtheit nur in der Theologischen Fakultät, wenn der in seinen Pflichtveranstaltungen nicht überlaufene Dorner, dessen „Sozietät“ jahrelang mühelos im heimischen Wohnzimmer unterkam, über „Nietzsche und die Neuromantik“ sprach und ihm über 250 Teilnehmer sicher waren.1413 Genau wie in der ähnlich populären, auf „Hörer aller Fachbereiche“ zugeschnittenen Vorlesung über „Religion und Philosophie im 19. Jahrhundert“, ließ Dorner die Weltanschauungsangebote der nachhegelschen Ära Revue passie­ ren, um vor ihnen als „Pessimismus, Materialismus und Naturalismus“ zu warnen und den Zuhörern

Der mangelnde Zuspruch war kein persönliches Schicksal der Königsberger Sanskritisten Bezzenberger, Franke und v. Negelein. Aus Breslau sind ähnlich bescheidene Hörerzahlen bekannt, obwohl dort mit Alfred Hillebrandt ein im Vergleich angesehenerer Fachvertreter dozierte (ed. Kaufmann 1911, Tl. 2, S. 373, für den Zeitraum 1894–1908 nur zwei bis acht Hörer). 1413 Angaben in GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. VIII, Nr. 1, Bd. XIX, unpag. 1412

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nahezulegen, dagegen den einzig wahren, unerschütterlichen Standpunkt zu beziehen, nämlich den idealistisch­metaphysischen des Dozenten.1414 Überdies verdanken sich solche Erfolge nicht allein der Maxime „Je allgemeiner, desto beliebter“, sondern auch der jeweiligen Gegenwartsnähe des Themas. Dorner, Ach, Goedeckemeyer, Haendcke, auch der Philosoph Kowalewski blickten zurück auf das 19. Jahrhundert und verhandelten damit ein Stück eigene wie die Lebensgeschichte ihres Publikums. Diese „Betroffenheit“ garantierte Teilnahme, die der Romanist Pillet augenblicklich spürte als 140 Hörer in seine Vorlesung über „Geschichte der französischen Literatur seit 1850“ drängten.1415 Noch wirkungsvoller schien die Aktualität politischer und ökonomischer Probleme Interesse zu wecken. Wilhelm von Gayl, nur Lehrbeauftragter am Staats­ wissenschaftlichen Seminar, referierte über „Innere Kolonisation“ vor 97 Hörern, doppelt so viel wie sich durchschnittlich bei den Ordinarien Hesse und Gerlach einstellten. Bei markant weltanschau­ lichen Themen, zur Landarbeiterfrage oder zum Bevölkerungsproblem, erreichte Gerlach ebenfalls um die 100 Hörer, während Diehl mit seiner auch publizierten Vorlesung über „Sozialismus, Kommunis­ mus, Anarchismus“ im WS. 1904/05 die erfolgreichste staatswissenschaftliche Veranstaltung vor 1918 anbot. Entsprechend attraktiv waren für Juristen nicht in jedem Fall prüfungsrelevante, aber trotzdem ungemein gut besuchte Vorlesungen über Kolonialrecht, Kriminalpolitik, modernes Strafrecht und Strafrechtsreform. Die folgende Auswahl aus den Vorlesungen und Seminaren zwischen 1900 und 1910 vermittelt einen Überblick über die weltanschaulich attraktivsten Themen: SS. 1904 Busse Baumgart Diehl Hermann Puppe

Kant: Leben und Lehre Ueber Probleme aus Goethes Faust Geschichte der Nationalökonomie Über Stimme und Sprache Über Zurechnungsfähigkeit

169 110 103 129 87

Geschichte der wichtigsten Weltumsegelungen und großen Expeditionen Über Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus Deutsche Literatur 1870–1880 Über Optimismus und Pessimismus

76 244 118 90

WS. 1904/05 Hahn Diehl Uhl Kowalewski SS. 1905 Baumgart Gerlach Uhl Wentscher Kowalewski

Heinrich von Kleist Die Arbeiterfrage in der Landwirtschaft Das jüngste Deutschland Psychologie unter bes. Berücksichtung des Leib­Seele Problems Der Darwinismus in der Philosophie

92 103 165 136 102

Vgl. die aus seinen Vorlesungen hervorgegangene Anti­Nietzsche­Schrift, Dorner 1911. Wegen der großen Zahlen neuphilologischer Studenten (um 1910: 100) sind Pillets Erfolge mit gegenwarts­ nahen Veranstaltungen allerdings zu relativieren, denn sie gehören genauso zum Curriculum wie etwa die „Fran­ zösische Metrik“, die im SS. 1912 fast ebenso viele Studenten belegten (126); desgleichen seine moderne frz. Literaturgeschichte im Semester zuvor. Ähnlich lagen die Verhältnisse bei den Germanisten, wo die elementaren sprachhistorischen Veranstaltungen wie Uhls „Einführung in das Neuhochdeutsche“ oder Meissners „Deutsche Grammatik“ (beide SS. 1910) ca. 80 Hörer fanden.

1414

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WS. 1905/06 Haendcke G. Schmidt Kowalewski

Kunst und Kulturgeschichte von Florenz Der Wandel unserer Weltanschauung im Laufe der Zeit Über Haeckels Welträtsel

91 180 165

Goethes Lyrik Weltbild und Naturwissenschaften Das Verhältnis von Glaube und Wissen Historische Entwicklung der Weltanschauungen und modernen Kulturströmungen im 19 Jh.1416

147 181 80

Über Freiheit u. Notwendigkeit Über das antike u. moderne klassische Drama Dürer Holbein Grünewald Preuß. Geschichte seit 1640 Leben Mohammeds und die Geschichte des älteren Islam Die großen Physiker Psychologie m. bes. Berücks. der zusammengesetzten psychischen Vorgänge Das deutsche Drama von Hebbel bis zur Gegenwart Geschichte und Kritik des Materialismus Religionsgeschichte der ältesten Zeit1417 Geschichte der politischen Theorien

92 147 106 84 44 114

SS. 1906 Baumgart Schmidt Kowalewski Wentscher

22

WS. 1906/07 Walter Baumgart Haendcke Krauske Brockelmann Schmidt Meumann Meissner Wentscher Negelein Stolze

98 99 128 29 52

SS. 1907 Hallervorden Über Shakespeares dramatische Kunst als Gegenstand angewandter Psychologie Hahn Geschichte der Geographie: Humboldt, Ritter u. a. Baumgart Über Goethes Romane Haendcke Deutsche Kunst im täglichen Leben Rachfahl Deutsche Verfassungsgeschichte Gerlach Das Bevölkerungsproblem Schmidt Die großen Physiker Kowalewski Schopenhauers Leben und Lehre Seraphim Die Teilungen Polens und die Aufstände der Polen1418 Dunstan Prose Writers of the 19th Century

104 99 156 95 67 95 98 192 51 58

Die Veranstaltung wurde hier mit aufgenommen, obwohl sie eine ungewöhnliche niedrige Hörerzahl ausweist. Solche den Dozenten gewiß enttäuschende Nachfrage auf eine unzweideutig weltanschaulich konnotierte Ankün­ digung zählt aber zu den Ausnahmen. 1417 Wie die anderen Vertreter der „Orchideenfächer“ (s. o.) mußte v. Negelein seine Übungen häufiger absagen, da sich für Einführung in Sprache und Literatur des Sanskrit nie mehr als 2–5 Studenten fanden. Ausflüge in die „Religionsgeschichte“ erhöhten hingegen den Zuspruch. 1418 Wegen des in Posen und Westpreußen 1906 eskalierten „Nationalitätenkampfes“ („Schulstreik“ u. a., vgl. Spittler 1986, S. 115 ff.) konnte Seraphim, der sonst durchschnittlich 15 Hörer hatte, mit einem Aktualitätsbonus rechnen.

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WS. 1907/08 Gerlach Schmidt Meissner Tornquist Lühe Baumgart Kowalewski

Sozialpolitik Vorträge aus der Technik Ibsen Die Eiszeit und der fossile Mensch Deszendenztheorie und Darwinismus Ewald und Heinrich von Kleist Die philosophischen Anschauungen Nietzsches

185 128 133 85 100 107 209

Mittelalterliche und neuere Geschichte Die historiographische Variante dessen, was nach dem Ersten Weltkrieg dann vornehmlich literarisch als die „Entdeckung Ostpreußens“ (Robert Budzinski) firmierte, trieb außer in Geographie, National­ ökonomie und Landwirtschaftslehre zaghafte Blüten bei den Historikern. Der lange in Forschungen zur Geschichte der Kreuzzüge und der geistlichen Orden ins Mittelalter vertiefte Hans Prutz, in der Fachwelt deswegen aber mit allen „hauptsächlichsten Werken“ wegen methodischer Mängel, unkri­ tischer Quellenauswertung und journalistischer Effekthascherei zwei Jahrzehnte einhellig in einer Weise geschmäht, „wie solches wohl keinem lebenden älteren Historiker außer ihm begegnet ist“,1419 hatte sich mit seinem vierbändigen Alterswerk, einer Geschichte Preußens, aus Königsberg vorzeitig verabschiedet, doch darin spielten die provinziellen Bezüge, das Herzogtum, die polnischen Teilungen, der Befreiungskrieg oder der vormärzliche Liberalismus, eher eine Nebenrolle. Deutlich wie nie zuvor markierte Prutz, der sich 1897 bereits in einer kritischen Studie über die letzten Regierungsjahre des Großen Kurfürsten – aus staatstragender Sicht höchst unangenehm! – profiliert hatte,1420 in dieser preußischen Geschichte, wie wichtig ihm das liberale Erbe seines vormärzlich­demokratischen Va­ ters1421 war: Gegen die „populär­patriotische Tendenzgeschichtsschreibung“ in der Historiographie Rankes („Vorkämpfer der preußischen Konservativen“), Droysens („Programm preußisch deutsch­ nationaler Politik“) und Treitschkes (der „eifernde Parteimann“ und „gewaltige Agitator“), die die Geschichtswissenschaft zur „Waffe der nationalen Propaganda“ erniedrigt hätten, wollte Prutz „ohne jede Rücksicht auf die Gegenwart“ schildern, „wie es eigentlich gewesen ist“.1422 Heraus kam eine nicht eben wohlwollende Darstellung der Hohenzollerndynastie, die sich nicht nur gegen „die herrschende Richtung“ „teleologischer“ Verengung stellte, schon im 15. Jahrhundert „Preußens Beruf für Deutsch­ land“ (Droysen) entdecken zu wollen, sondern in ihrer negativen Bewertung der friderizianischen Epoche wie der distanzierten Sicht auf Wilhelm I. und Bismarck im krassen Gegensatz etwa zu den panegyrischen Hymnen stand, die Zorn bei allen sich bietenden Gelegenheiten seinem „Heldenkaiser“ und seinem „Altreichskanzler“ sang.1423 Vom Vorwärts gab es dafür indes Anerkennung und die sozial­ So das Urteil der Marburger Fakultät, der Althoff den ständig auf Versetzung drängenden Prutz als Nachfolger Albert Naudés gegen die hoffnungsvollen, in Vorschlag gebrachten Nachwuchskräfte Hintze, Krauske, Meinecke aufnötigen wollte (GStA, Rep. 76Va, Sek. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. X, Bl. 76–79; PhilFak – PrMK v. 9. 1. 1897, Stellungnahme zu Prutz unter ausführlicher Beiziehung des niederschmetternden Rezensionsechos, dazu s. o. Anm. 454.). 1420 S. o., S. 37 f. 1421 Über den „zwischen Literatur und Politik“ pendelnden Literaturhistoriker und Publizisten Robert Prutz (1816–1872) vgl. E. Bergmann 1997. 1422 Prutz 1900, Bd. I, S. 3–11. 1423 Vgl. Prutz Bd. III u. IV. – Otto Hintze wies Prutz in drei ausführlichen Rezensionen in die Schranken: Zwar gebe es „zur Zeit nichts Besseres“, wenn man nach einer Gesamtdarstellung der preußischen Geschichte verlange. 1419

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demokratische Belobigung, nicht zu den „geschichtsklitternden Speichelleckern“ und zur „Clique der Byzantiner“ zu gehören, die in seinem Fach den Ton angäben, vielmehr den „Auguren der Hohenzol­ lernlegende unbarmherzige Wunden“ geschlagen zu haben.1424 Wie isoliert Prutz war, der 1890 selbst in der Rolle des Festredners, Auge in Auge mit den kaiserlichen Majestäten, kein sehr schmeichelhaftes Porträt ihres Ahnherrn Albrecht von Brandenburg liefern wollte,1425 darauf deutet das Fehlen jeglicher Schülerschaft. Prutz zog in zwanzigjähriger Wirksamkeit nicht einen Habilitanden heran. Erst kurz vor seinem Abgang meldete er die Habilitation Max Immichs (1898).1426 Doch der kam von außen, von Reinhold Koser und Albert Naudé, und trug somit ausgerechnet mit Prutz’ Unterstützung zur „Fortpflanzung der alten Droysenschen Schule“ bei, „die bis Ende der achtziger Jahre das Fachstudium der neueren Geschichte in Berlin beherrschte“.1427 Immichs Dissertation galt der quellenkritischen Rekonstruktion der preußisch­russischen Schlacht von Zorndorf (1758), in der aus Prutz’ Sicht gewiß löblichen Absicht, die friderizianische Kriegskunst nicht länger „in den falschen Bahnen“ des preu­ ßischen Patriotismus, sondern sie auf der Basis „gesicherten Wissens“ zu würdigen und dabei auch nicht das Versagen vor allem pommerscher wie ostpreußischer Regimenter zu verschweigen, denen an­ zulasten sei, daß diese Bataille nur unentschieden ausging.1428 In der 1905 posthum von v. Below und Meinecke herausgegebenen ‚Geschichte des europäischen Staatensystems von 1660 bis 1789‘ ist von diesem kritischen Ansatz nichts übriggeblieben, so daß Immichs nahezu reflexionslos­neutrale, nur die Doch wollte ihm Hintze nicht zugestehen, daß der Ordensstaat und nicht die Kurmark Brandenburg „Kern der preußischen Gesamtstaatsbildung“ gewesen sei, ebensowenig die „übertriebene Einschätzung der ostpreußischen Erhebung“ von 1813 hinnehmen. „Die gemäßigt­liberale Auffassung“ des Verfassers fiel Hintze besonders in den Kapiteln über die Vormärz­Zeit sichtlich auf die Nerven, da der Liberalismus nie „das richtige Gefühl für den politisch­militärischen Machtgedanken als das Lebensprinzip des preußischen Staates“ gehabt habe. Das größte Versagen von Prutz lag für ihn jedoch in der Beschränkung auf die „Haupt­ und Staatsaktionen“ und die aufrei­ zende Ignoranz gegenüber der „Verfassung und Verwaltung, der Wirtschafts­ und Socialpolitik“; Hintze 1900, S. 277, 279 f., ders. 1901 und 1903, S. 305. 1424 Vorwärts v. 11. 1. 1903, 1. Beibl., nicht namentlich gez. Rez. von Bd. III+IV, jedoch verbunden mit dem Rüf­ fel, noch zu stark im „Banne der Bismärckerei“ verblieben und überall viel zu wohlwohlend vor allem die Bildungs­ und Wissenschaftsverachtung der preußischen Herrscher beurteilt zu haben. 1425 Rede zum 400. Geburtstags des Gründers der Albertina am 17. 5. 1890, s. Prutz 1890; fast wörtlich einge­ arbeitet in Prutz 1900, Bd. I, S. 97–109. Zum Großen Kurfürsten siehe Prutz 1897. 1426 Zum Ende des WS. 1900/01 hatte sich August Seraphim am 7. 3. 1901 mit der AV: ‚Die preußische Politik und der Ausgang des Herzogthums Kurland‘ habilitiert. Der 1894 vor der Russifizierungspolitik aus Kurland ge­ flohene Oberlehrer, seit 1899 Leiter der Königsberger Stadtbibliothek, 1905 Hg. der Altpreußischen Monatsschrift, ist ungeachtet des kurzen Promotionsstudiums bei Prutz, schwerlich als dessen Schüler zu bezeichnen, da der drei­ ßigjährige Doktorand, geprägt von Treitschke und Wattenbach, durch Theodor Schiemann in seinem speziellen osteuropäischen Interesse bestärkt wurde und völlig fixiert war auf die Geschichte des Baltikums, wissenschaftlich zu ausgereift war, um noch den Einflüssen dieses akademischen Lehrers zu erliegen. 1427 Biographisch zu Immich das Vorwort von v. Below/Meinecke 1905 (zur „Droysenschen Schule“) und Wer­ minghoff 1904. Die Verbindung zu Prutz dürfte sich durch die Berührung auf gemeinsamem Forschungsfeld ergeben haben: Immich hatte für die Badische Hist. Kommission die Nuntiarberichte ediert, die die päpstliche Politik vor Ausbruch jenes Krieges spiegeln, den Ludwig XIV. 1688 gegen das Reich entfesselte. Die päpstlichen Anstrengungen, den Frieden zwischen Frankreich und dem Reich zu wahren, um alle Kräfte der „Eroberungslust“ der Türken entgegenwerfen zu können, lassen das von Prutz so oft geschmähte „Rom“ bei Immich (1898, S. XIV– XXIV) in sehr günstigem Licht erscheinen. Entscheidener als diese Differenz war aber wohl, daß Prutz sich mit der brandenburgischen Außenpolitik der 1680er Jahre für seine Kurfürsten­Monographie (1897) intensiv befasst hatte und beide somit über ein gemeinsames Interessengebiet verfügten. Abgesehen von dieser Beziehung bot sich die Albertina für Immich an, da hier seit langer Zeit kein Privatdozent mehr gewirkt hatte. 1428 Immich 1893, S. 1 f., 136 ff.; die kritische Analyse des preußischen Mißerfolgs schloß eine Neubewertung der gegnerischen Leistungen ein: die Haltung der russischen Truppen verdiene „ungleich mehr Anerkennung, als ihr bisher, besonders in den preußischen Darstellungen, zu teil geworden ist“ (S. 144).

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Teilung Polens entschiedener (positiv) wertende Erzählung der Politik Friedrichs auch als Apologie des großen Königs zu lesen war.1429 Mit den Nachfolgern von Prutz und Erler, dem ins Acta Borussica­Projekt eingespannten Otto Krauske, dem Mediävisten und Frühneuzeitler Felix Rachfahl (1903–1907) sowie, auf mittelalter­ liche Verfassungsgeschichte, auf Geschichte des Kirchenrechts konzentriert, mit durchaus aktuellen Bezügen, auch den Anläufen zu einer Nationalkirche seit dem 11. Jahrhundert nachspürend,1430 Albert Werminghoff (1907–1913), trat eine markante landesgeschichtliche Wende am Historischen Seminar ein, an der allerdings weniger diese Ordinarien mit ihren Forschungen als ihre Schüler einen maßgeb­ lichen Anteil hatten. Krauske und Rachfahl standen 1902 an erster und zweiter Stelle auf der Nachfolgeliste Prutz.1431 Als Schüler Gustav Schmollers und Otto Hintzes verfügte der langjährige Mitarbeiter der Historischen Kommission der Preußischen Akademie und Berliner Privatdozent (1894), seit 1895 Extraordinarius in Göttingen, über die besseren Konnexionen zu Althoff, galt auch als der geschicktere Pädagoge („meisterhafte Art, auf Studenten einzugehen“), so daß mit seiner Berufung der Lehrstuhl faktisch auf neuere Geschichte verpflichtet wurde, die der gebürtige Potsdamer, von seinen Lehrern Droysen, v. Treitschke und Koser in seiner „Begeisterung für das Hohenzollerntum“ bestärkte Krauske dann weiter verengte auf die Geschichte Preußens im 17. und 18. Jahrhundert, dabei seinen „Lieblingsherrscher“, den Soldatenkönig, in den Vordergrund rückend.1432 Binnen kurzem regte er zusammen mit Rachfahl Immich 1905, dort zu Polen S. 343, 390 ff., 398 ff. – Von einer „geistigen Durchdringung und Formung des Stoffes“, wie sie v. Below/Meinecke 1905, S. VI f. rühmen, kann schwerlich die Rede sein, so daß eigentlich nur das chronologische Rückgrat die Faktenmasse strukturiert. Vor dem Hintergrund der Historiographie des 19. Jhs. ist jedoch anzuerkennen, daß Immich den erstmals seit Heeren (1809) von Ranke wieder vertretenen Standpunkt bezog, die „romanisch­germanische Welt“ als Ganzes ins Auge zu fassen und die „Geschichte der Staatenfamilie“ Europas zu schreiben (s. v. Below/Meinecke). – Werminghoff 1904, S. 335, zit. Immichs eigene Bedenken, daß er seinen ungeheuren Stoff „allzusehr zusammengepresst“ und „keine Kontroverse erörtert“ habe. 1430 Zusammenfassend Werminghoff 1910a, eine dem zeitweiligen Königsberger Kollegen, dem Homiletiker Jo­ hannes Bauer (s. Catalogus) gewidmete, Diskussionen mit ihm viel verdankende Schrift, die nationalkirchliche Bestrebungen bis zum Ende des 19. Jhs. verfolgt, um die „Erkenntnis der geschichtlichen Notwendigkeit“ der „Spaltung der Bekenntnisse, der kirchlichen Organisationen auf dem Boden des Deutschen Reiches“ zu vermitteln (ebd., S. 160 f.), eine Stoßrichtung, die gegen die in Mode gekommenen Bemühungen vieler protestantischer Theologen zielte, eine neue „Einheit“ in irgendeiner Form des „Deutschen Glaubens“ zu finden. 1431 GStA …, Nr. 21, Bd. XXI, Bl. 121–128; Vorschlagsliste Nf. Prutz v. 16. 1. 1902. Nach Krauske und Rachfahl an dritter Stelle rangierten: 3a. Karl Spannagel, 1862 Barmen–1937 Münster, Prom. Leipzig 1885: Die Geschichte des deutschen Heerwesens vom Beginn des 10. bis zum Ausgang des 12. Jhs., Habil. 1894 FWU: Quellen zur Geschichte der brandenburgischen Herrschaft über Minden 1648–1719, 1913 oö. Prof. Münster, Nf. G. Erler. – 3b. Robert Hoeniger, 1855 Ratibor–1929 Berlin, Prom. Göttingen 1881: Gang und Verbreitung des schwarzen Todes in Deutschland von 1348–1351 und sein Zusammenhang mit den Judenverfolgungen und Geisselfahrten dieser Jahre, 1888 Hg. des Judenschreinbuchs der Laurenzpfarre zu Köln als Bd. I der Reihe Quellen zur Ge­ schichte der Juden in Deutschland; 1892 Polemik gg. v. Belows Ansichten zur Entstehung der Stadtverfassung des MA., nach 1900 tagespolitische, „bismarckianische“ Publizistik, 1919: Rußlands Vorbereitung zum Weltkrieg; lehrte seit 1888 auch an der Kriegsakademie Berlin, 1894 Tit. Prof., 1920 ord. Hon­Prof., „der erste auf das Fach der Wirtschafts­ und Sozialgeschichte spezialisierte Historiker in Berlin“ (lt. Wolfram Fischer in ed. Hansen/Ribbe 1992, S. 494). – Anders als Krauske hatten Rachfahl, Spannagel (dessen Hauptwerk: Konrad von Burgsdorff. Ein brandenburgischer Kriegs­ und Staatsmann aus der Zeit der Kurfürsten Georg Wilhelm und Friedrich Wilhelm, Berlin 1903, für die Königsberger Kommission um einige Monate zu spät herauskam) und Hoeniger größere Arbeiten zur Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit publiziert. Obwohl der Lehrauftrag immer noch auf mittlere und neuere Geschichte lautete, fand mit Krauskes Berufung eine Eingrenzung auf die Zeit von 1600 bis 1900 statt. 1432 Von Krauske finden sich im Hohenzollern­Jahrbuch von 1897 bis 1901 Beiträge, die auf, wie es im Berufungs­ vorschlag hieß, die von ihm zu erwartende Biographie Friedrich Wilhelms I. vorauswiesen, die dann aber nicht er­ 1429

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die Habilitationen von Wilhelm Stolze, einem Schüler von Max Lenz und gleich ihm Acta­Borussica­ Mitarbeiter,1433 sowie des Königsberger Staatsarchivars Hans Spangenberg (1905/06) an,1434 denen sich 1909 die ganz auf ostpreußische Landesgeschichte abgestellte Habilitation Christian Krollmanns anschloß.1435 Spangenbergs Habilitationsschrift zur ‚Hof­ und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter‘ erschien 1908, im Vorwort Hintze, Schmoller und Rachfahl dankend.1436 Dieser Versuch über die „Anfänge der modernen Verwaltung“ Aufschluß zu geben, will die Parteinahme für den „Autorität und Ordnung“ stiftenden absoluten Staat nicht verbergen, der seine Wurzeln in der im 13. Jahrhundert etablierten landesherrlichen Territorialverwaltung hatte, aber um 1400 zunächst in „Auflösung“ bis hin zur „vollständigen Anarchie“ geriet.1437 Noch strenger diesem verfassungshisto­ rischen Fortschrittsparadigma gehorchte seine Studie ‚Vom Lehnsstaat zum Ständestaat‘ (1912), die mit einer Apotheose der „kräftigen Obrigkeit“ schließt, die in jahrhundertelanger Erziehungsarbeit widerstrebende Mächte daran gewöhnt habe, sich als „Glieder des großen Ganzen“ zu fühlen.1438 Überblickt man das Lebenswerk Wilhelm Stolzes, dem es bis zu seinem Tod (1936) nicht glückte, sein Königsberger Gymnasiallehrerjoch abzuwerfen, ist ein wenig karrieredienlicher Hang zur „Min­ dermeinung“ kaum zu verkennen. Den offenbaren schon seine frühen, auf den deutschen Bauern­ krieg konzentrierten Arbeiten.1439 Sie stellen sich quer zum etablierten historiographischen Urteil über primär soziale Motive der aufständischen Bauern, da Stolze glaubt nachzuweisen zu können, „daß der Bauernkrieg eine kirchlich­religiöse Bewegung war, die, hervorgerufen durch die prinzipiellen Erörterungen, die die Reformation heraufführte, ihren leidenschaftlichen Charakter nur durch den religiösen Gegensatz erhielt, der in ihm wirksam ward“.1440 Für diese Ansicht sprachen viele seiner schien, wie überhaupt seine publizistische Produktivität mit dem Wechsel nach Königsberg fast schlagartig nahezu versiegte und er es mit einigen preußischen Miniaturen genug sein ließ, vgl. etwa Krauske 1910. Zu Krauske vgl. die Nachrufe von B. Schumacher und Chr. Krollmann 1930 sowie das Porträt seines Freundes Friedrich Meinecke 1969 (zuerst 1941), S. 90–94: „Ich traute ihm wegen der sprühenden Lebendigkeit seines historischen Denkens Großes auch für die Zukunft zu. Er winkte dann resigniert ab, ihm fehle die produktive Kraft.“ Krollmann 1930, S. 18, dessen Nachruf dem Hohenzollern­Enthusiasten galt, erklärt die mangelnde Produktivität mit dem preu­ ßischen Pflichtgefühl, „das ihm vorschrieb, in erster Linie Beamter zu sein“, dann erst Gelehrter. 1433 Stolze hat im Rahmen der Edition der ‚Denkmäler der preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert‘ zusammen mit Gustav Schmoller den vierten und fünften Band herausgegeben, die den Zeitraum von 1723 bis 1740 umfassen. 1434 Stolze, AV 21. 12. 1905: Die Entstehung des deutschen Bauernkrieges, habilitierte sich mit der 1907 veröffent­ lichten Arbeit: ‚Der deutsche Bauernkrieg. Untersuchungen über seine Entstehung und seinen Verlauf‘. Danach war er eingespannt in die Mammutedition der Acta Borussica, für die er 1908 den IV. (1723–1729) und 1910 den V. Band (1730–1740), insgesamt 3.500 Seiten, bearbeitete. – Spangenberg, AV 28. 7. 1906: Die Reformation in Italien. 1435 GStA …, Nr. 25, Bd. V, Bl. 122; Meldung über Habil. Krollmann u. Vita. PV: Die Politik des Hochmeisters Heinrich von Plauen gegen die preußischen Städte, AV 27. 10. 1909: Die Entwicklung der preußischen Landes­ kunde im 16. Jahrhundert. 1436 Das Exemplar der Dahlemer UB, aus Meineckes Bibliothek, enthält Spangenbergs Widmung für den Freund Krauskes: „in aufrichtiger Verehrung“. 1437 Spangenberg 1908, S. 11, 160 1438 Spangenberg 1912, S. 191. 1439 Einsetzend mit der Berliner Dissertation zur Vorgeschichte des Bauernkrieges (1900), über die textkritischen Interpretationen der „12 Artikel“ (1903, 1905) bis zur Habilitationsschrift (1907). Stolze ist dem Thema treu ge­ blieben, u. a. mit einer zweiten Monographie (1926) und im Todesjahr mit einer kritisch­ablehnenden Rezension zum „volksgeschichtlich“ grundierten Standardwerk von Günther Franz (dazu und zu Stolzes Eingreifen in die Kontroversen über den Staatsmann und Politiker Wilhelm von Humboldt vgl. Bd. II). 1440 Stolze 1907, S. V. – Auch diese Arbeit fand ihren Weg in Meineckes Hand, vom Vf. „in vorzüglicher Hoch­ achtung und Verehrung überreicht“, und von dort ins Dahlemer UB­Magazin.

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Aktenfunde,1441 doch geformt hatte sie sich offenkundig nicht aus den Akten, sondern aus politischen Intentionen des Autors. Die „soziale“ Lesart der Geschichte des Bauernkrieges schien ihm identisch mit einer sozialistischen. Der Bauernkrieg als Bestätigung der materialistischen Geschichtsideologie vom gesetzmäßigen Klassenkampf mußte sich zur Legitimierung aktueller, revolutionärer Rezepturen zur Lösung der „sozialen Frage“ anbieten. Um die Unzulässigkeit dieses Zugriffs zu erweisen, reduzierte Stolze den Bauernkrieg auf eine religiöse Dimension, eine Erhebung zum Schutze des Evangeliums. Dann erschien der „unvergleichliche Verlauf“ deutscher Geschichte „durch keine soziale Revolution entstellt“, so daß der Historiker auf Gott vertrauen durfte, „daß auch fernerhin davon die Historie nichts zu melden hat“.1442 Mit ihren frühneuzeitlichen Lehrveranstaltungen fanden Spangenberg und Stolze so wenig Reso­ nanz wie Krollmann und Seraphim mit landeshistorischen Themen.1443 Das erklärt sich aus der feh­ lenden Prüfungsberechtigung der vier Privatdozenten, aber teilweise auch mit der mangelnden Attrak­ tivität der Themen, da Stolze im Jubiläumsjahr 1908 über hundert Hörer mit einer ausnahmsweise „populären“ Vorlesung über die Stein­Hardenbergschen Reformen anlockte.1444 Die Hauptlast der Lehre und der Heranbildung insbesondere des landeshistorisch ambitionierten Nachwuchses, lag auf Krauskes Schultern. Denn der katholische Schlesier Felix Rachfahl, politisch vor 1918 zwischen „freikonservativ und nationalliberal“ verortet, 1903 aufgrund eines von v. Below inspirierten Minderheitsvotums zum Zuge gekommen,1445 nahm zum WS. 1907/08 im Interesse sei­ nes Lebenswerkes, der Geschichte des niederländischen Unabhängigkeitskampfes im 16. Jahrhundert, deren erste beide Bände er an der Albertina abschloß,1446 einen Ruf nach Gießen an, um den Brüsseler Archivalien näherzurücken.1447 Erst sein Nachfolger Albert Werminghoff, als „Monumentist“ gerühmt, als „Diplomatiker“ und Vermittler der historischen Hilfswissenschaften anstelle des altersschwachen Lohmeyer herbeigesehnt, mehr aber noch wegen seines Talents, „weite Kreise“ ansprechen und Ge­ schichte „in allgemeinverständlicher Form anregend“ vermitteln zu können, als eminenter Gewinn Vgl. etwa Stolzes Deutung der Ereignisse im Bistum Bamberg 1525, wo einerseits die gefestigte wirtschaftliche Lage der Bauern keine ökonomisch motivierte Unruhe auslösen konnte, andererseits die dann doch ausgebrochene gewaltsame Erhebung die „mildeste Praxis“ gegen Schlösser und Klöster zeigte. Es sei eben nicht um soziale, son­ dern um „Gerechtigkeit“ im religiösen Verständnis gegangen (1907, S. 219 f.). Über Stolzes Forschungen, denen „trotz ihrer einseitigen apologetischen Grundthese“ nicht abzusprechen sei, daß der Verfasser sich mit konträren Positionen und den Quellen „mit großer Sorgfalt“ auseinandersetze, vgl. Winterhager 1981, S. 80–86. 1442 Stolze 1907, S. VI f. 1443 GStA Sek 11, Tit VII, Nr. 1, Bd. XVIII, XIX. Zu Stolzes „Geschichte der Hanse“ fanden sich im SS. 1907 sieben Hörer ein, zur „Geschichte des Reformationszeitalters“ gar nur einer! 1444 Ebd., WS. 1908/09: Die Geschichte der Reorganisation Preußens durch Stein und Hardenberg. 1445 Die Berufungsakte 1903/04 ist verloren, eine Vorschlagsliste ist daher nicht zu ermitteln. Als Konkurrent steht fest Karl Hampe, der lt. Reichert/Wolgast 2007, S. 17, sogar den Ruf erhielt, aber ablehnte. Rachfahl war also zweite Wahl. Eine kurze Beurteilung über ihn in den Akten des Zivilkabinetts, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 156; Vor­ schlag v. 6. 2. 1903, wo beruhigend versichert wird, er stehe mit seiner Kirche nur „in äußerlichen Beziehungen“. Hinderlicher für die Fakultätsmehrheit als solche konfessionellen Bedenken dürfte die skeptische Beurteilung sei­ ner mediävistischen Kompetenz gewesen sein, von der nach v. Belows Zeugnis (Nachruf 1926, S. 373) nur eine Minderheit überzeugt werden konnte. Bei v. Below 1926, S. 377, auch die zutreffende politische Zuordnung. Als „innerlich von seiner Kirche frei geworden“ und „konservativ“ nahm ihn sein Kieler Lehrstuhlnachfolger A. O. Meyer 1926, S. III, wahr. 1446 Rachfahl 1906 und 1908, geschrieben in dem Bemühen, die vom religiösen wie politischen „Parteizwist des Tages“ geprägten überkommenen Darstellungen hinter sich zu lassen, die gewaltige Überlieferung neu zu durch­ dringen und „rein wissenschaftlicher Erkenntnis“ zu unterwerfen (1906, S. V). Daß trotzdem natürlich auch bei Rachfahl politische Präferenzen fühlbar werden, kündigt sich bereits im Vorwort an, wenn er verheißt, die Geschichte des Abfalls der Niederlande auf der Negativfolie der „politischen und religiösen Zerrissenheit“ des Deutschen Reiches abzubilden (ebd., S. VI). 1447 GStA …, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 144; Telegramm Rachfahl an PrMK v. 29. 6. 1907. 1441

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für Königsberg eingestuft,1448 vertiefte sich selbst so sehr in die mittelalterliche Landesgeschichte Alt­ preußens, daß unter seiner Leitung binnen fünf Jahren sieben Dissertationen entstanden.1449 Als erster Königsberger Ordinarius reagierte Werminghoff auch auf die seit 1900 langsam von West­ nach Ost­ preußen übergreifende, in Masuren und im Ermland jedoch weitestgehend auf taube Ohren treffende Agitation polnischer Nationalisten, die auch den deutschen Nordosten dem vermeintlichen „Mut­ terland“, einem wieder aufzurichtenden polnischen Staat, einzugliedern gedachten.1450 In einer vom Ostmarkenverein vertriebenen Broschüre anläßlich des 500. Jahrestages der Schlacht von Tannenberg (polnisch: „Grunwald“) am 15. Juli 1910 nahm Werminghoff ausdrücklich Bezug auf diesen von polnischer Seite entfachten „Grenzkampf“, der inzwischen auch am Pregel den Blick für die „Gefahr“ an der Peripherie der Provinz „geschärft“ habe.1451 Im Vorfeld der mit großem Aufwand in Krakau in­ szenierten, antideutsche Emotionen schürenden, Polens „Wiedergeburt“ im verheißenen baldigen eu­ ropäischen Krieg erwartenden „Grunwald­Feier“,1452 versuchte Werminghoff einige für den politischen Gebrauch verfertigte Geschichtsbilder des „sich selbst verherrlichenden Polentums“ zu destruieren. Daher stufte Werminghoff in erster Linie die Bedeutung der Tannenberger Schlacht für den Zerfall der Ordensmacht im 15. Jahrhundert herab. Schon den polnischen Anteil am Sieg von 1410 relati­ vierte er durch den Hinweis auf den größeren Beitrag der verbündeten litauischen Streitmacht. Das gewichtigste Argument ergab sich indes aus seinen Ausführungen über den inneren Antagonismus, der, ökonomisch bedingt, zwischen Deutschem Orden und den Bürgern der wichtigsten Handels­ städte entstanden war. Nicht Polen, sondern Deutsche, die mit dem polnischen König konspirierten und zu ihm überliefen, führten den Zusammenbruch einer, von Werminghoff im übrigen keineswegs glorifizierten deutschen Staatsgründung an Weichsel und Ostsee herbei.1453 Woraus sich als historische 1448 Ebd., Bl. 165–174; Nf. Rachfahl, Liste v. 29. 7. 1907: 1. A. Werminghoff, s. Catalogus. – 2. Friedrich Keut­ gen, 1861 Bremen–1936 Hamburg, Prom. Straßburg 1890: Die Beziehungen der Hanse zu England im letzten Drittel des 14. Jhs. (R.: Scheffer­Boichorst), Habil. Jena 1895: Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung (dem im Erscheinungsjahr 1895 verstorbenen Göttinger Mediävisten Ludwig Weiland gewidmet), 1910 ord. Prof. Kolonialakademie Hamburg, 1919–1933 oö. Prof. Univ. Hamburg, Sozial­ und Wirtschaftshisto­ riker mit Schwerpunkt Nordeuropa, Hauptwerke: Ämter und Zünfte. Zur Entstehung des Zunftwesens (1903), Der deutsche Staat des Mittelalters (1918, „Georg von Below in herzlicher Verehrung gewidmet“). – 3. Hermann (Reincke­) Bloch, 1867 Berlin–1929 Breslau, Prom. FWU 1891: Forschungen zur Politik Kaiser Heinrichs VI. in den Jahren 1191–1194, Habil. 1892 Straßburg: Die Marbacher Annalen, 1904 oö. Prof. Rostock, 1923 Breslau, 1920–1923 Ministerpräsident und Unterrichtsminister (DVP) Mecklenburg­Schwerin, vor 1918 Alldeutscher Verband, Deutscher Ostmarkenverein (NDB II, S. 306; Weber 1984, S. 470 f.; Colberg 2004). – Kurz vor der Entscheidung für Werminghoff war jemandem im Ministerium eingefallen, den unbedeutenden Breslauer Privat­ dozenten Georg Friedrich Preuß (1867 Neudorf bei Breslau, gefallen Westfront 1914, Nachruf J. Ziekursch Chro­ nik FWU Breslau 1914/15, S. 146–151; Weber 1984, S. 452 f.) mit einem Königsberger Ordinariat zu bedenken und W. deswegen mit einem Extraordinariat abzuspeisen. Der Fakultät gelang es, sich dieses Protektionskindes mit dem Hinweis darauf zu erwehren, daß Preuß ausschließlich über das 17. und 18. Jahrhundert geforscht habe, mithin Krauske ins Gehege käme (ebd., Bl. 284–286; PhilFak an PrMK v. 22. 10. 1907). 1449 Insgesamt betreute Werminghoff von 1909 bis 1913 fünfzehn Doktorarbeiten, davon zur Ordensgeschichte: Engelbrecht, Das Herzogtum Pommern und der Deutsche Orden 1911; Kutowski, Söldner im Deutschordens­ staat 1911; Pottel, Das Domkapitel Ermland 1911; Schreiber, Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1912; Babendererde, Der Nachrichtendienst des Deutschen Ordens 1913; Hoelge, Das Culmer Domkapitel 1913; A. Hoffmann, Die Straßennamen der Ostseestädte 1913 (vgl. HSV). 1450 Zur „Genese und Begründung polnischer Gebietsansprüche gegenüber Deutschland“ vor 1914 vgl. die ma­ terialreiche Monographie von Roland Gehrke 2001, dort vor allem S. 144–154, über „Grunwald­Mythos und ‚Kampf und die Ostsee‘: Die polnische Sicht der Vergangenheit Ost­ und Westpreußens“. 1451 Werminghoff 1910b, S. 6. 1452 Gehrke 2001, S. 149 f.; Ekdahl 1991, zur Krakauer Feier: S. 281–283; bei diesem Aufsatz handelt es sich um die zentrale Studie zur gesamten politischen „Symbolgeschichte“ von „Tannenberg/Grunwald“. 1453 Werminghoff 1910b, S. 36 ff.

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Mahnung für die Gegenwart ergab: nur innere Einigkeit verbürgt den Bestand der Nation in einer Welt, in der das „utopische Ideal allgemeiner Menschheitsverbrüderung […] unerreichbar sein muß“, weil die „nie verschwindenden Gegensätze der Nationen“ den „Völkerkampf“ und damit auch den unaufhebbaren „Grenzkampf“ bedingten.1454 Sich der Unangemessenheit des nationalen Maßstabs zur Beurteilung spätmittelalterlicher Ge­ schichte durchaus bewußt, bemühte Werminghoff wenig später, in einer Publikation für den Han­ sischen Geschichtsverein, nochmals den inneren Zwist im Ordensland als Schreckbild: Sei doch der Niedergang des Ordensstaates wesentlich dadurch gefördert worden, daß, nach einem Urteil Gu­ stav Freytags, „ ‚die Entwicklung der ständischen Gegensätze das nationale Bewußtsein untergraben hatte‘ “.1455 1901 verlieh die Fakultät dem Baltendeutschen August Seraphim die venia für Geschichte Nord­ Osteuropas. 1909 übernahm er Lohmeyers hilfswissenschaftlichen, 1911 auf preußische Landesge­ schichte, osteuropäische Geschichte und historische Hilfswissenschaften erweiterten Lehrauftrag, nicht aber dessen kassiertes Extraordinariat.1456 Daß er damit nicht auf jenes große Echo stieß, das Fakultät und Ministerium voraussetzten, als sie mit dem Finanzminister um den Erhalt von Lohmeyers Extraordinariat feilschten und dabei die „glorreiche Geschichte“ des Ordenslandes, die „in der Über­ lieferung der alten Familien des Landes lebendig fortlebt“, bemühten,1457 las Seraphim an dem sehr unsteten Interesse ab, mit dem die Studenten auf seine Seminare reagierten: 1912 etwa wollte seine „Geschichte Altpreußens“ niemand belegen, während für die 1913 ein wenig erweiterte „Branden­ 1454 Ebd., S. 51 f.: „Wird unsere Nation wie einst in den Zeiten des Ordens die Kraft haben, das Grenzland mit ihrem Wesen auszufüllen, damit ihr Haus sichergestellt bleibe gegen nachbarlichen Einbruch? Wird sie die Lehre der Geschichte beherzigen, daß sie niemals ruheselig nachlassen darf in der einigen Behauptung und Verteidigung des Bodens, den deutscher Eifer gewann und anbaute?“ Daß diese zeitübliche Beschwörung politischer Einigkeit zugleich auf deren Garanten, den Monarchen, verpflichten wollte, ergab sich aus dem Hinweis auf die „Gabe des Herrschens“, die „immer eine aristokratische sein wird“ (ebd., S. 38). – Allgemeiner die „Gefahren“, die das Reich „bedrohen“, ins Bewußtsein der Zuhörer seiner akademischen Kaisergeburtstagsrede am 27. 1. 1909 hebend sowie Bereitschaft zum „Opfer“ einfordernd: Werminghoff 1909, S. 11 f. 1455 Werminghoff 1912, S. 84. 1456 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; Vereinbarung PrMK – Seraphim v. 21. 4. 1911, LA zum 1. 4. 1911 Preuß. Landesgeschichte, ostpreußische Geschichte, histor. Hilfswiss., korrigiert am 30. 6. 1911: osteuropäische statt „ostpreußische“ Geschichte. – Die Fakultät hat 1910 einen Versuch unternommen, den k. w.­ Vermerk zu ignorieren und für das bereits eingezogene Extraordinariat Lohmeyers Ersatzvorschläge unterbreitet (ebd., Bd. XXV, Bl. 323–328, PhilFak – PrMK v. 14. 6. 1910): 1. H. Spangenberg (s. Catalogus). – 2. A. Seraphim (s. Catalogus), der nach längerer Konzentration auf die Geschichte seiner kurländischen Heimat inzwischen auch auf die preußische Provinzialgeschichte eingeschwenkt sei, als Herausgeber der Altpreußischen Monatsschrift seit 1905, als Hg. des Preußischen Urkundenbuches. Dem Staatsarchivar Spangenberg und dem Stadtbibliothekar Seraphim müsse das PrMK jedoch ein besoldetes Amt anbieten, sonst würden sie sich nicht bewegen lassen, aus ihren gesicherten Stellungen heraus ganz ins Universitätsamt zu wechseln. Falls dies nicht möglich sei, schlage man vor: den Berliner Mediävisten Hermann Krabbo, 1875 Hamburg–1928 Berlin, 1901 Prom., 1905 Habil. f. hist. Hilfswissenschaften, mittl. u. neuere Geschichte, 1913 ao. Prof. Leipzig, 1918 Staatsarchivar GStA, Schwerpunkt: Brandenburgische Landesgeschichte. – 2. Johannes Ziekursch, 1876 Breslau–1945 Köln, Prom. München 1900: Die Kaiserwahl Karls VI. (1711), Habil. Breslau: Sachsen und Preußen um die Mitte des 18. Jahrhunderts, 1912 ao. Prof. Breslau, 1927 oö. Prof. Köln, einer der wenigen linksliberalen Historiker seiner Generation, was der Königsberger Fakultät durchaus nicht verborgen blieb, da sie einräumte, seine Arbeiten zur Verwaltungsgeschichte Schlesiens in der friderizianischen Ära enthielten „stark prononcierte Werturteile“ und hätten „scharfe Kritik“ provoziert. Gemeint war hier Otto Hintzes Rezension von ‚Das Ergebnis der friedrizianischen Städteverwaltung und die Städteordnung Steins‘ (FBPG 22, 1909, S. 283–285), der ihm vorhielt, die düstere Schilderung des alten Preußen, die er biete, übertrumpfe noch die Kritik Max Lehmanns (zit. nach H. Schleier 1975, S. 415, dessen Ziekursch­Porträt immer noch lesenswert ist). 1457 Ebd., Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, Bl. 230–232; PrMK – PrMF; Etatanmeldung v. 24. 8. 1910.

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burgisch­preußische Geschichte unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen Ordensstaates“ 33 Teilnehmer bereit waren, Kolleggeld zu zahlen und eine der eher seltenen Einführungen in die Geschichte der Nachbarstaaten, zu Seraphims Vorlesung über „Die Teilungen Polens“ (WS. 1911/12), sogar 53 Zuhörer ausweist.1458 Ab 1902 setzte die Serie der vornehmlich von Krauske betreuten regionalhistorischen Studien zur neueren Geschichte ein, beginnend mit der noch bei Erler abgeschlossenen Dissertation des nach­ mals mit einer landeshistorischen Honorarprofessur an der Albertina (1937–1945) versehenen Bruno Schumacher1459 und der kriegsgeschichtlichen Arbeit des späteren Königsberger Stadtbibliothekars Christian Krollmann über ‚Preußens Defensionswerk‘ (1904). Krollmann, zu dieser Zeit Archivar des Fürsten Dohna auf Schlobitten, erwarb 1909 die venia und hielt seine Antrittsvorlesung über ‚Die Entwicklung der preußischen Landeskunde im 16. Jahrhundert‘, stellte aber zum WS. 1911/12, wohl aufgrund der Konkurrenz von Seraphim, seine Lehrtätigkeit ein.1460 Bei Krauske folgten indes in dichter Reihe Untersuchungen zur Haltung Danzigs im Nordischen Krieg (1907), Studien über das Geldwesen zu Zeiten Herzog Albrechts (1909), zur Schulorganisation Fischhausens unter Friedrich Wilhelm I. und zur Verfassung Elbings (1910–von Edward Carstenn, dem Historiker der Hansestadt in den zwanziger und dreißiger Jahren) sowie, im Vorfeld der Jubi­ läumsfeier von 1913, mehrere Dissertationen zum ostpreußischen Anteil an den Befreiungskriegen gegen Napoleon.1461 Seraphim veröffentlichte 1913 eine Biographie August Wilhelm Heidemanns, des schon vergessenen Königsberger Bürgermeisters der Reformära.1462 Zwölf der achtzehn Dissertationen, die Krauske bis 1913 anfertigen ließ, widmeten sich der ostpreußischen Landesgeschichte, in erster Linie der Verwaltungs­ und Wirtschaftsgeschichte des 15. bis 18. Jahrhunderts. Das 19. Jahrhundert nach dem Ende der Befreiungskriege klammerte Krauske ostentativ aus: „Zeitgeschichte“, also die Geschichte des Zweiten Reiches ab 1871, war ihm selbst kein Forschungsthema, geschweige denn, daß er es riskiert hätte, einen Doktoranden auf dieses Feld zu schicken. Allein der Privatdozent Wil­ helm Stolze, der in Dissertation und Habilschrift sich noch mit dem Bauernkrieg beschäftigt hatte, überschritt 1912 die Demarkationslinie ins Zeithistorische, als er ansetzte, Licht in Bismarcks diplo­ matisches Ränkespiel hinter den Kulissen der Reichsgründung zu bringen.1463 Geographie Die Historiker, die die Provinz Ostpreußen als Forschungsgegenstand entdeckten, standen damit in der Fakultät nicht allein. Das zwischen Natur­ und Geisteswissenschaften oszillierende Zwitterfach Geographie kam als Prüfungsfach für Oberlehrer in Mode. Friedrich Hahn, Lehrstuhlinhaber seit 1885, trat nach und nach aus den Fußstapfen von Karl Zöppritz, den die Menschen, die die Erde bewohnen, eigentlich nicht interessierten. Hahn verlagerte den Schwerpunkt von Unterricht und For­ schung hingegen allmählich ins Kulturwissenschaftliche. Er selbst hatte Afrika und die pazifischen Archipele nicht bereist, aber eine Vorliebe für die Ethnologie dieser Weltregionen entwickelt. Trotz­ Ebd., Tit. VII, Nr. 1, Bd. XIX, unpag.; Vorlesungsstatistik 1911–1921. B. Schumacher, Niederländische Ansiedlungen im Herzogtum Preußen zur Zeit Albrechts (1525–1568), Phil. Diss. AUK 1902. 1460 GStA …, Nr. 25, Bd. V, Bl. 122. 1461 Promotionen Krauske 1909–1914; siehe für genaue Titel HSV. 1462 A. Seraphim 1913. 1463 Stolze 1912. Dazu die so überbordende wie vernichtende Kritik Erich Brandenburgs (1912), an der der hier wieder einmal als Vertreter einer „Mindermeinung“ stigmatisierte Stolze ein Leben lang trug, die ihn nach eigner Einschätzung auch um alle Berufungschancen gebracht hat. Dabei ging es um letztlich völlig belanglose Diffe­ renzen in der Frage, inwieweit ausländische Einflüsse Bismarcks Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten beeinträchtigt haben. 1458

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dem sagte man ihm nach, er treibe als eingefleischter Stubengelehrter Geographie nur mit dem Finger auf der (bevorzugt: außereuropäischen) Landkarte.1464 Dazu paßte, daß er in neurotisch anmutendem Widerwillen Exkursionen mied. Seit 1905 war er jedoch zum Vorsitzenden der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland gewählt worden und gab deren Organ Deutsche Erde. Zeitschrift für Deutschkunde (Beiträge zur Kenntnis deutschen Volkstums allerorten und allerzeiten) mit heraus. Allein die Übernahme dieser Ämter verrät schon ein elementares Interesse Hahns gerade an der Landeskunde Ost­ und Westpreußens. Vielmehr noch zeugt davon aber seine kontinuierliche Förderung landeskundlicher, oft anthropogeographischer Untersuchungen, etwa über die Dichte der Bevölkerung im Regierungsbezirk Danzig (1895), das Samland und seine Bevölkerung (1902), über ostpreußische Seen (1903), die Dünengestalten der Kurischen Nehrung (1905), die Oberflächenge­ stalt des Samlandes, die Bevölkerungsstatistik West­Masurens (beide 1908), die Verkehrsdichte auf der Ostsee (1909). Dazu kamen mehrere Dissertationen zu bevölkerungstatistischen und siedlungs­ geographischen Themen, die zwischen 1910 und 1914 bei ihm entstanden. Auch im Seminar, der bis 1917 so genannten „Geographischen Sammlung“, verstetigte sich die Beschäftigung mit ost­ und westpreußischer Landeskunde.1465 Angeregt durch viele einschlägige Untersuchungen an westdeutschen Universitäten, war es seit 1900 besonders die „Volksdichte“ in ausgewählten Landkreisen, die Hahns Schüler ermittelten. Daß dabei natürliche Faktoren wie verkehrsgünstige Lage oder fruchtbare Böden große Anziehungskraft auf Menschen ausübten und zu hoher Volksdichte beitrügen, konnte die Fachwelt jedoch so wenig überraschen wie es von landesplanerischer, praktischer Relevanz war, was Hahns Schüler hier über die Siedlungsschwerpunkte in Goldap oder Allenstein herausgefunden hatten. Anders verhielt es sich mit den Nebenergebnissen soweit sie die „Nationalitätenfrage“ und die „Abwanderung“ in die westlichen Industrieregionen des Reiches berührten. Hahn selbst publizierte dazu nur eine Skizze, die Ostpreu­ ßen, anders als Posen und Westpreußen, nicht zu den Brennpunkten nationaler Gegensätze zählte, da dem preußischen Litauertum das „langsame Erlöschen“ bevorstehe und auch die „übrigens politisch sehr ruhige und zumeist protestantische“ polnisch­masurische Bevölkerung sich dem durch die Ein­ richtung des neuen Regierungsbezirks Allenstein kräftig belebten deutschen Einfluß nicht dauerhaft entziehen könne.1466 Auffällig ist dabei, wie Hahns Doktoranden die politische Brisanz dieser eng verknüpften Probleme wenn nicht ignorierten, so doch unterschätzten. Noch am deutlichsten sprach sie Arthur Weinreich an, in seinen ‚Bevölkerungsstatistischen und siedlungsgeographischen Beiträgen zur Kunde Ost­Ma­ surens‘, der Kreise Oletzko und Lyck.1467 Ohne auf nationale Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen, konzediert der Doktorand die „slawische Abstammung der meisten Bewohner“ im östlichen Masuren, das um 1500 „rein polnisch“ gewesen und erst im 19. Jahrhundert für die „Germanisierung“ geöffnet worden sei. Nur diese ethnische Zugehörigkeit erkläre die in Europa einzigartige, nur von slawischen Völkern erreichte Fertilität und folglich die „Übervölkerung“, die seit 1871 aber stetig nach Westen abfließe, so daß die „Volksdichte“ trotz hoher Geburtenziffern sich außerhalb der Städte Lyck und Marggrabowa nicht steigern lasse. Offenkundig sah Weinreich in der hohen Fluktuation eine günstige Voraussetzung für die „Verdeutschung“ der Dörfer, wo 1905 noch 74 Prozent der Landbevölkerung untereinander masurisch, also eine Variante des Polnischen gesprochen hätten. Ähnlich wie 1908 Curt Kob in seiner Dissertation über West­Masuren der pestbedingten Entvölkerung um 1710 Segens­ reiches abgewinnen wollte, weil mit ihr das „Überhandnehmen des Polentums“ endete und sie der Über den „Stubengelehrten“ vgl. G. Braun 1917. – Zu Hahns Arbeiten bis 1900 vgl. o. S. 153. Vgl. AUK Chronik 1900/01–1914/15. 1466 Hahn 1907, S. 6. 1467 Weinreich 1911; der Verfasser war, wie alle anderen Hahn­Schüler mit ähnlichem Thema, mit dem Sujet qua Geburt vertraut: 1887 geb. als Sohn eines Kaufmanns aus Iszlaudszen im Kr. Goldap, an der nördlichen Grenze seines späteren Forschungsfeldes.

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Germanisierung unter den Hohenzollern den Boden bereitete, die so erfolgreich fortgeschritten sei, daß die jüngsten Bestrebungen der Polen an der inzwischen „kerndeutschen Gesinnung der Masuren“ scheitern würden, 1468 ging auch Weinreich davon aus, daß die Abwanderung mit ihren vergleichbar „entvölkernden“ Konsequenzen zum „Sieg des Deutschtums“ in Masuren führen müsse.1469 Daß die „innere Kolonisation“, die Ansiedlung deutscher Landwirte in den gemischt­völkischen Regionen des südlichen Ostpreußen, sowie die verkehrstechnisch­ökonomische Erschließung Masurens und die Ak­ kulturation in Schule und Militär die Abwanderung stoppen und die Anpassung der slawischen Be­ wohner an die deutsche Kultur schon bis 1930 bewirken würden, davon zeigte sich Weinreich ebenso überzeugt wie Kob, Maximilian Dumont, der die Volksdichte im Kreis Allenstein untersuchte, oder Adolf Poschmann, der der Besiedlungsgeschichte der Kreise Braunsberg und Heilsberg nachging.1470 Für Hermann Steinroeck und Werner Poerschke schien es ethnische Aspekte der Volksdichte in den Kreisen Goldap und Dirschau hingegen überhaupt nicht zu geben – genausowenig wie für Paul Bur­ mester, dessen Beitrag zur Landeskunde der Tucheler Heide, im nachmaligen „Korridor“, eigentlich zwangsläufig auf die nationalen Gegensätze in dieser „gemischtvölkischen“ Region hätte stoßen müs­ sen.1471 Staatswissenschaften Unter landeskundlichen Aspekten ähnlich verheißungsvoll entwickelten sich die Staatswissenschaften, nachdem es dem 1898 emeritierten Umpfenbach in einem Vierteljahrhundert kaum gelungen war, einem einzigen Studenten den Doktorhut aufzusetzen. Sein Nachfolger Diehl, sekundiert vom Extra­ ordinarius, dem Ostpreußen Gerlach, meldete 1901 seinen ersten Promovenden an, der sich zwar noch mit Binnenschiffahrtsunternehmungen in Großbritannien abmühte. Aber 1904 fand sich dann der Königsberger Wilhelm Feydt, der sein Thema vor der Haustür suchte und über ostpreußische Eisen­ Kob 1908, S. 41. Weinreich 1910, S. 89–101, zit. S. 98. 1470 Weinreich 1911, S. 89; Kob 1908, S. 41 f. Dumont, 1888 geb. in Allenstein, katholisch, bilanziert lediglich das Resultat der starken polnischen Einwanderung zwischen 1466 und 1525, nämlich „daß [nach der Volks­ zählung von 1905] ein großer Teil der in unserem Kreise wohnenden Bevölkerung die polnische Sprache als Muttersprache“ gebrauche (ebd., S. 28 f.). Ein Problem ergab sich für ihn daraus nicht. Poschmann, 1885 geb. in Neuendorf bei Guttstadt, katholisch, zählte nach 1918 zu den profilierten Regionalhistorikern des Ermlands. Seine von Hahn und Werminghoff betreute Diss. deutet die Nationalitätenfrage kaum an, wenn er auf die Polonisierung des südlichen Ermlandes hinweist, dies aber angesichts der zu 99 % deutschen Kreise Braunsberg und Heilsberg nicht weiter thematisiert (1910, S. 58 f.). 1471 Steinroeck, 1886 in Goldap geb., verzeichnet die starke Abwanderung ländlicher Arbeitskräfte nach Westen und ihre Ersetzung durch „russisch­polnische“ Saisonarbeiter, glaubt aber, daß diese Entwicklung kaum noch bedrohlich sei, da die Auswandererzahlen seit 1905 sinken (1910, S. 67 f.). Poerschke, 1888 in Dirschau geb., ver­ mag in diesem westpreußischen Kreis, wo Polen und Deutsche wohnten, und der 1919 ohne Volksabstimmung an Polen abgetreten werden mußte, eine Nationalitätenfrage überhaupt nicht wahrzunehmen. Den Kalamitäten zum Trotz, die aus der Abwanderung entstanden (Ersatz durch Arbeitskräfte aus „Russisch­Polen“), hoffte er auf die extrem optimistisch eingeschätzten Bemühungen der Ansiedlungskommission (1910, S. 47), deren Arbeit schon bald neuen, deutschen Landarbeiternachwuchs erwarten lasse. – Johannes Kuck, dem Sohn eines Gutsbesitzers im Kr. Labiau, 1886 geboren, vertraute Hahn die Untersuchung der Volksdichte im westlichen Nadrauen an, einer Landschaft östlich der durch die Deime verbundenen Städte Tapiau und Labiau, wo der Verfasser zwar auf einen bis weit ins 18. Jh. anhaltenden Litauerzuzug aufmerksam machte, und feststellte, daß die Litauer sogar Teile der deutschen Bevölkerung assimiliert hätten, er aber darin partout kein Konfliktpotential erkennen wollte (1909, S. 30–34). – Die Diss. von Burmester, geb. 1892 im Kr. Schwetz, den die Tucheler Heide noch berührt, entstand bei Hahn und dem Geologen Tornquist. Burmester reflektiert auf die soziale Lage der in armseligen Umständen vegetierenden Bewohner des dünn besiedelten, agrarisch unergiebigen Gebiets, verrät aber nichts über das deutsch­ polnische Nebeneinander. 1468 1469

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bahnen und ihren Einfluß auf städtische und andere Siedlungen promovierte. Es wäre übertrieben zu behaupten, damit sei ein Bann gebrochen worden, aber fortan war das Wirtschaftsleben Ost­ und Westpreußens und das seiner Nachbarländer lohnende Forschungsgegenstände für Königsberger Na­ tionalökonomen. Der Rigaer Ausfuhrhandel (1906), das Kleinbahnwesen Ostpreußens (1907), die Lohn­ und Wirtschaftsverhältnisse der Landarbeiter in Masuren, die allgemeinen Lebensverhältnisse ostpreußischer Arbeiter, die Wanderungsverluste der Provinz (alle 1908) oder die russische Zucker­ industrie ließen Diehl und Gerlach untersuchen. Diese Themen waren eigentümlich weit entfernt von ihrer beider Forschungs­ und Interessensschwerpunkten, die in der Ideengeschichte ihres Faches lagen, die etwa Diehl einem weiteren Königsberger Publikum in Vorträgen über die ökonomischen Projek­ tionen sozialistisch­kommunistischer Theoretiker nahezubringen versuchte.1472 Doch scheinen For­ derungen des Tages ihre Ausrichtung auf die regionale Ökonomie erzwungen zu haben. Unter Diehls Nachfolger, dem aus der Conrad­Schule stammenden, „kathedersozialistischen“ Ideen aufgeschlos­ senen Albert Hesse (1908–1921),1473 wiederum unterstützt von dem sich auf Innere Kolonisation und Verbesserung der Landarbeiterverhältnisse konzentrierenden, aber publizistisch nahezu verstummten Gerlach,1474 kam die Summe dieser Studien purer Auftragsforschung sehr nahe. 1916 mündete solche Vgl. Diehls zuerst 1908, dann 1911 in zweiter Auflage veröffentlichten Königsberger Vorträge ‚Über Sozialis­ mus, Kommunismus und Anarchismus‘. 1473 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 251–254; PhilFak – PrMK v. 20. 5. 1908, Liste Nf. Diehl: 1. Bernhard Harms, 1876 Detern/Ostfriesl.–1939 Berlin, sozialisiert im Seminar Gustav Schönbergs, des Tübinger Vertreters der „historischen Schule“, 1901 Prom. ebd.: Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Buchbinderei in der 2. Hälfte des 19. Jhs., 1903 Habil. ebd.: Die holländischen Arbeitskammern, PV: Die Kon­ kurrenzfähigkeit des deutschen Handwerks, WS. 1908/09 oö. Prof. f. Nationalökonomie Kiel, Begründer der „Weltwirtschaftslehre“ und Initiator des 1914 eröffneten Instituts für Seeverkehr und Weltwirtschaft, bis 1918 kriegswirtschaftliche Untersuchungen und Informationsschriften für Reichsbehörden, 1933 als Liberaler und De­ mokrat auf NS­Druck als Institutsdirektor zurückgetreten (ausführliches Biogramm in BLfO III, 2001, S. 191– 196). – 2. A. Hesse, s. Catalogus. – 3a. Robert Liefmann, 1874 Hamburg–1941 Morlaàs/Pyrenäen, 1900 Habil. Gießen: Die Allianzen, gemeinsame monopolistische Vereinigungen der Unternehmer und Arbeiter in England, 1904 ao., 1914 ord. HonProf. Freiburg, 1933 wg. jüd. Herkunft entlassen, „der führende deutsche Kartelltheo­ retiker“ seiner Zeit (NDB XIV, S. 525), Hauptwerk: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 2 Tle. 1917/19. – 3b. Adolf Weber, 1876 Mechernich/Eifel–1963 München, Habil. Bonn 1903, ord. Prof. HH Köln 1908, Breslau 1914, Frankfurt 1919, 1921–1948 München; von der Fakultät gelobt als Kritiker der Bodenreform­Bewegung und Kenner der Finanzwirtschaft (Geld­ und Bankwesen) sowie als Nationalökonom, der sich großstädtischen sozialen Problemen zugewandt habe (1907: Armut und Armenfürsorge, im selben Jahr: Die Großstadt und ihre sozialen Probleme, 1908: Boden und Wohnung, 1910: Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit). – Hesse, dem seine gründliche philosophische Bildung zugute gehalten wurde, erhielt den Ruf zum WS. 1908/09. In einer Preisschrift, einer kritischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Sozialdarwi­ nismus, hatte er vor allem dessen „Determinismus“ abgelehnt, der dem „extremen Liberalismus“ darin gleiche, daß er keinen Raum lasse für staatliche Steuerung der kapitalistischen Ökonomie durch Sozialreformen (Hesse 1904, S. 65). Ob Elster zuvor versucht hat, den „hochkarätigeren“ Harms zu gewinnen, läßt sich anhand der Akte nicht belegen, ist aber eher unwahrscheinlich, da er eben gleichzeitig von der Kieler Fakultät gewünscht wurde und das PrMK ihn vermutlich, wieder einmal ohne Rücksicht auf Königsberger Belange, in diesen größeren Wirkungskreis dirigierte. 1474 Bezeichend das, wie üblich, nicht zur Konzilianz neigende Urteil Max Webers, als es 1906 um die Nachfolge des einstigen Königsbergers Hasbach in Kiel ging. Diehl war an erster Stelle genannt, und fand vor Webers Augen Gnade („als Persönlichkeit und Gelehrter der bei weitem erfreulichste“), von Gerlach hieß es hingegen: „hat vor vielen Jahren eine ganz brauchbare theoretische Arbeit gemacht [d. i. die Breslauer Habilschrift, Gerlach 1890], ist aber seitdem nur mit ganz unerheblichen Sachen hervorgetreten, er ist dritten Ranges“ – ein Todesurteil; vgl. MGW II/5, 1990, S. 174 f.; Weber an C. Neumann v. 3. 11. 1906. Nicht günstiger gutachtete die Marburger Fakultät, als es 1900/01 um die Nf. von Carl Rathgens ging: von Gerlach, den das PrMK ins Spiel gebracht hatte, glaube man „vollständig“ absehen zu können, denn er „ist seit langer Zeit litterarisch nur in sehr geringem Maße 1472

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Zuarbeit in die Gründung des dann tatsächlich zunächst ganz in den Dienst des Wiederaufbaus der durch die russische Armeen verwüsteten Provinz gestellten Instituts für ostdeutsche Wirtschaft.1475 Nicht am Lehrstuhl des die ländliche „Volksdichte“ erfassenden Geographen Hahn, sondern bei dem Nationalökonomen Gerlach rückten die brennenden Fragen der ostpreußischen Agrarprovinz ins Zentrum politik­ und praxisnaher Forschung – angestachelt von Max Webers Thesen über die Land­ arbeiterfrage im Osten und den die deutsche Kultur unterminierenden „idealtypischen“ ostelbischen Großgrundbesitzer als „größten Polonisator der Gegenwart“.1476 Gerlach selbst parierte mit einiger Verspätung diese Attacken seines Heidelberger Kollegen, als er 1900 zu Bedenken gab, daß krasse, monokausale Schuldzuweisungen im Stile Webers an den komplexen ostelbischen Realitäten wohl vor­ beiliefen.1477 Es verging jedoch viel Zeit, bevor Gerlachs Doktorand Fritz Henkis 1908 die Einwände seines Lehrers fundierte.1478 Roch Gerlachs Kritik noch nach „Apologetik“, weil ein Königsberger Pro­ fessor es sich anders als Weber kaum leisten konnte, die ostpreußischen Granden für „überflüssig“ zu erklären, ja als gemeingefährlich zu stigmatisieren und sie damit unter die „Reichsfeinde“ zu stoßen, so mochte man seinen sine ira et studio verfahrenden Schüler schon weniger verdächtigen, den „Jun­ kern“ Lippendienste zu leisten. Und Henkis kam Weber tatsächlich weit entgegen. Seine empirisch gut abgesicherten Erhebungen bestätigten, daß die Besitzverteilung die Abwanderung entscheidend beein­ flußte. In den ostpreußischen Landkreisen, in denen der Großgrundbesitz dominierte, war der Wan­ derungsverlust am größten. Die Magnaten trieben also die Landbevölkerung tatsächlich nach Westen. Deren Abwanderung sei insoweit zweifelsfrei als Reaktion auf die Anwerbung polnischer Saisonkräfte verständlich zu machen. Trotzdem verwies Henkis auf zwei von Weber ignorierte Faktoren, die für Ostpreußens Aderlaß neben dem habgierigen Egoismus der Großagrarier verantwortlich zu machen seien: auf den schlechten Bodenertrag und den (slawischen =masurischen) Geburtenüberschuß. Denn auch Landkreise, in denen der bäuerliche Besitz überwiege, würden dann nicht von Abwanderung verschont, wenn die Böden nur kümmerliche Ernten gestatteten und/oder der zahlreiche Nachwuchs keine Erwerbsgelegenheit fände.1479 Henkis’ Dissertation widerlegte Weber nicht, bestätigte ihn so­ gar recht weitgehend, entlastete aber den ostpreußischen Großagrarier von dessen Vorwurf, der allein schuldige „Polonisator“ der preußischen Ostprovinzen zu sein.

tätig gewesen, größere Leistungen liegen von ihm überhaupt nicht vor“ (GStA, Rep. 76Va, Sek. 12, Tit. IV, Nr. 2, Bd. XI, Bl. 159–162; PhilFak – PrMK v. 8. 3. 1901). 1475 Dazu unten Kap. III, 3. 2. 1476 M. Weber, Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland, 1892 (= Weber 1984a). 1477 Gerlach 1900. Sein nachmaliger Kollege Hesse griff Gerlachs These bestätigend wieder auf in seiner breit an­ gelegten, statistisch gut abgesicherten Untersuchung ‚Die Bevölkerung in Ostpreußen‘, 1916a erschienen als 3. Tl. der Denkschrift zum Wiederaufbau der Provinz. Dort widerlegt auch er Webers so eingängige Behauptung: „Ein durchgehender Zusammenhang zwischen Abwanderung und Besitzverteilung ist für unsere Provinz allein nicht erkennbar“ (ebd., S. 54). Denn gerade Kreise, in denen der Großgrundbesitz schwach vertreten sei, wie im Re­ gierungsbezirk Allenstein oder der memelländische Kreis Niederung, wiesen z. B. von 1895 bis 1900 „bedeutende Abwanderung“ auf, während es die Landarbeiter in Großagrier­Kreisen wie Wehlau und Friedland viel seltener nach Westen ziehe (ebd., S. 59). 1478 Gerlach hatte zuvor den Redakteur der konservativen Ostpreußischen Zeitung, Friedrich Wegener, der das Blatt von 1899 bis 1903 lenkte, mit einer Doktorarbeit bedacht, die Ostpreußens „konkrete Lage“ gegen Webers „Abstraktionen“ ausspielen sollte, die nach gründlichem Studium der Quellen und Statistiken aber den faktischen Wanderungsverlust – von 1882 bis 1895 knapp 100.000 Landarbeiter – lediglich so kommentarlos registrierte wie dessen Ausgleich durch „anderweitigen Ersatz“ aus Russisch­Polen (Wegener 1905). In der angehängten „These“ wendet sich der Doktorand, ohne Weber zu nennen, gegen dessen implizit idealisierende Unterstellung eines vorindustriellen „patriarchalischen Verhältnis[ses] zwischen Herren und Arbeitern“, das durch den Kapitalismus zerstört worden sei. Denn dies habe in Ostpreußen „niemals“ bestanden. 1479 Henkis 1908.

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Das Ringen um einen slavistischen Lehrstuhl An der Grenze zwischen Geschichte und Neuphilologie tauchte 1906 im Kontext der interdiszipli­ nären „Regionalisierung“ in der Fakultät ein neuer Zankapfel auf, in Gestalt des dringenden „Bedürf­ nisses“ nach einer Etatisierung der Slavistik. Wenn an einer deutschen Hochschule dieses Fach seine Berechtigung hatte, dann in Königsberg. Im Januar 1906 beantragte die Fakultät darum, diese „äußerst empfindliche Lücke“ im Unterrichtsangebot zu schließen. Sprache und Geschichte der Slawen seien für das deutsche Volk von großer Bedeutung, hätten sie doch „seit jeher“ eine „Vermittlerstellung zwi­ schen Europa und Asien“ inne, die sie „für die Zukunft unseres Vaterlandes von großer Wichtigkeit“ werden lasse, nicht zuletzt wegen der intensiven, sich verbessernden Handelsbeziehungen mit Ruß­ land. Das seien Tatbestände, denen weder dadurch Rechnung getragen werde, daß im gesamten Reich die Slavistik nur in Leipzig, Berlin und Breslau vertreten sei, noch dadurch, daß gerade die Albertina, die für „große slawische Gebiete“ Landesuniversität sei, als idealer Standort stets übergangen worden sei.1480 Gerade aber wegen der vor der Haustür liegenden „slawischen Gebiete“ wollte Kurator v. Moltke sich für diesen Antrag nicht erwärmen. Denn die „nationalpolitischen Gründe“, mit denen die Fakul­ tät argumentiere, hätten durchaus ihre Kehrseite: „Beim andauernden Kampf der Regierung gegen das Andringen des slawischen Elements im Osten der Monarchie glaube ich es nicht befürworten zu sollen, gerade auf einer im äußersten Osten des Staates gelegenen Universität Studenten das Studium der slawischen Sprache zu erleichtern“. Auch unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Beziehungen mit Rußland erscheine ihm keine Etablierung des Faches in Königsberg erforderlich !1481 Moltke wich mit diesem Votum kein Jota von der Linie seines älteren Amtsvorgängers v. Schlieckmann ab, der 1886 einem offenbar schwankend gewordenen Minister den Rücken steifte, als es um die Frage ging, an der Albertina einen „polnischen Lehrstuhl“ zu errichten: Exzellenz von Goßler werde doch wohl nicht den zur Genüge „bekannten Bestrebungen der nationalpolnisch­ultramontanen Partei“ entgegenkom­ men und ihrer Agitation dadurch eine Stütze geben, daß er für Königsberg einen solchen Lehrstuhl genehmige! Zumal kein studentischer Zuzug von Nationalpolen an die Universität zu registrieren sei, und die Söhne Masurens, auf die sich die polnische Presse für ihre Forderungen berufe, „fühlen sich in keiner Weise als Polen“, hätten vielmehr „in ihrem evangelischen Bewußtsein“ allen Verlockungen widerstanden, sie ins polnisch­katholische Lager zu ziehen.1482 Freilich: von Schlieckmanns Wachsamkeit und der seiner Getreuen in der Fakultät bedurfte es schon, um Studentenohren gegen nationalpolnische Sirenentöne abzudichten. Was keine Intervention des Kurators eindrücklicher belegt als die von ihm und Oskar Schade gemeinsam verhinderte Berufung des Nationalökonomen Władysław von Ochenkowski. In Breslau führt die Geschichte des Lehrstuhls für Slavistik bis in die Vormärz­Ära zurück, seit 1849 gab es einen Lektor für poln. Sprache und seit 1876 mit dem b. Extraordinariat Jacob Caros, dem Verfasser der „einzigen streng wissenschaftlich gearbeiteten polnischen Geschichte, die wir in einer modernen Kultursprache besitzen“ (Kaufmann/Ziekursch), auch kontinuierliche Veranstaltungen über poln. Geschichte, vgl. G. Kaufmann (Hg.) 1911, Tl. 2, S. 366 f., 418 ff.; zur Frühgeschichte der Slavistik in Berlin und Breslau vgl. Rösel 1957 und zu Leipzig und Halle Ders. 1964. – In Leipzig verfügte die Bibliothek des Indogermanistischen Instituts, unter dessen Dach auch die Slavistik untergebracht war, lange vor 1914 sogar über eine eigene „Litauische Abteilung“ (mit freilich bescheidenen 225 Bänden), vgl. Festschrift Leipzig 1909, Bd. IV/1, S. 91. Zur Slavistik/Baltistik in Königsberg: Schaller 1991 u. 2009. 1481 GStA …, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 222–225; Antrag PhilFak und Votum v. Moltke v. 22./28. 1. 1906. 1482 Ebd., Bd. XIV, Bl. 143–145; v. Schlieckmann an v. Goßler v. 11. 2. 1886. Vorausgegangen war ein Artikel in: Dziennik Pozanski v. 25. 11. 1885, kolportiert in der Posener Zeitung v. 27. 11. 1885, der die offenkundig falsche Behauptung aufstellte, unter den Königsberger Studenten befänden sich „viele Polen aus Ost­ und Westpreußen, namentlich Masuren“. Genauere Angaben bei Molik 1994, bes. S. 441–446; über die große Zahl poln. Medizin­ studenten in Königsberg nach 1870 vgl. Sommerfeldt 1944, S. 200. 1480

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Nur wenige Monate nach dem Einsetzen der polnischen Agitation in den masurischen Grenzkrei­ sen beriet die Fakultät über die Besetzung eines neu eingerichteten Extraordinariats, das angesichts sinkender Studentenzahlen in diesem Fach für mehr Attraktivät sorgen sollte. Deswegen begehrte die Fakultätsmehrheit einen Dozenten, der neben dem insoweit ignoranten Umpfenbach den „Ausbau der Statistik“ in die Hand nehmen sollte. Mit dem Hallenser Privatdozenten Ludwig Elster an erster, und dem in der Göttinger Schule des Agrarstatistikers Georg Hanssen erzogenen Sartorius von Walters­ hausen an dritter Stelle, waren denn auch zwei adäquate Nachwuchskräfte vorgeschlagen worden. Daß der in Münster lehrende von Ochenkowski, der fast ausschließlich über ältere englische Wirtschaftsge­ schichte publiziert hatte, hinter Elster secundo loco stand, ging auf Althoffs Fädenspinnerei zurück.1483 Jedenfalls stellte Schade in seinem Separatvotum klar, daß der Kandidat nicht wegen mangelnder Qualifikation als Statistiker, sondern aufgrund polnischer Herkunft abzulehnen sei:1484 „Ist dieser Gelehrte [als „Ausländer“, dessen mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache hinreichend indiziere, daß ihm der Zugang zum „innersten Wesen der deutschen Nationalität“ versperrt sei] nun aber Pole, Nationalpole, im eigentlichen Polen geboren, erzogen und gebil­ det, gerade in Warschau gebildet, hat er von Jugend auf die großpolnischen Ideen eingesogen (und man weiß zur Genüge, in wie gründlicher und schwärmerischer Weise dies unter den Polen geschieht) und hat er sich von diesen Ideen nicht loszusagen vermocht, ist er also im Innersten seines Herzens Pole geblieben […], ist er namentlich auch catholischer Confession, so gewinnen diese Bedenken für uns einen ernsten Character.“ Ihn nach Ostdeutschland zu verpflanzen, namentlich nach Königsberg, könne daher „leicht verhängnisvoll“ werden. „Wer die Verhältnisse bei uns kennt, nicht nur wie sie in Westpreußen bestehen, sondern die auch in Ostpreußen nicht blos hin und wieder versuchte, sondern von gewissen Centren aus plan­ mäßig und mit Erfolg geleitete polnisch­catholische Agitation kennt, der muß sich mit aller Kraft dagegen stemmen, daß an der Universität Königsberg, zuerst vielleicht unscheinbar und arglos, ein Herd jener Agitation errichtet werde. An einen polnischen Professor werden sich die polnisch gerichteten Studenten anschließen, sie werden, was sie miteinander zu verhan­ deln haben, polnisch, also den deutschen Studenten unverständlich, verhandeln (man kennt diese Art von gewissen westpreußischen Gymnasien), und was dann weiter wird, ist klar. Jetzt vernimmt man in und vor unserer Universität, auch sonst in den studentischen Kreisen, kein polnisches Wort: es könnte leicht anders kommen. Daß polnische Schwärmereien unter der studentischen Jugend, die aus Westpreußen kommt, ja nicht unerhört sind, weiß ich sicher aus nun 20jähriger Erfahrung: aber hier in Königsberg finden sie noch keine Nahrung. Die überaus ruhige und verschmitzte nationalpolnische Propaganda würde sich eines polnischen Königsberger Professors zweifellos bemächtigen und ihn ohne, daß er es recht zu merken brauchte, in ihr Garn verstricken.“ Schade, einer der wenigen, wenn nicht der einzige Königsberger Ordinarius, der vor 1900 über ein Sensorium für den heraufziehenden Nationalitätenkampf zunächst im Weichselraum und in Posen verfügte,1485 hatte schon 1867 angeboten, mithelfen zu wollen, den katholischen Gymnasien West­ GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 55 II, Bl. 181 f.; v. d. Goltz – Althoff v. 23. 1. 1883. Der Agrarwissenschaftler sichert hier dem Hochschulreferenten zu, sich für den ihm gänzlich unbekannten Ochenkowski in der Fakultät einzusetzen. 1484 GStA …, Nr. 21, Bd. XIII, Bl. 8–11; PhilFak – PrMK v. 23. 4. 1883, Liste neues Extraord. Nationalökonomie, ebd. Bl. 12–14; Separatvotum Schade. 1485 Allein der Landeshistoriker Lohmeyer gab früh seiner Sorge Ausdruck über ein „gefährliches Verhältniß, das Zündstoff bietet an allen Enden“ für „ein Land mit national und kirchlich gemischter Bevölkerung“. Dabei verschwieg er nicht, daß die fahrige preußische Polenpolitik seit der Wiedervereinigung Westpreußens mit Ost­ 1483

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preußens tüchtige Deutschlehrer zuzuführen, um die Schüler polnischer Nationalität „in unser gan­ zes deutsches Wesen“ hineinzuziehen, was „eine Sache von höchster politischer Wichtigkeit für die ursprünglich polnischen Territorien“ sei.1486 Wie Bismarck zeigte sich Schade überzeugt, daß sich die eigentliche Stoßrichtung des „Kulturkampfes“ gegen die Synthese von Katholizismus und polnischem Nationalismus richten mußte. Ein derart früh bezogener Standpunkt und Schades Vertrautheit mit der Problematik machten es dem Kurator, seinem politischen Gesinnungsgenossen, leicht, sich dem Votum anzuschließen und den Minister zu bitten, von der Berufung von Ochenkowskis abzusehen. So gelang es den beiden Konservativen, einen „polnischen Professor“ in Königsberg zu verhindern, wobei unklar ist, ob sie über das ganze Ausmaß der nationalistischen Disposition dieses Ökonomen orien­ tiert waren, der 1863/64 am antirussischen Aufstand teilgenommen hatte, ins habsburgische Galizien geflohen und in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war.1487 Ungeachtet solcher Aversionen, die schon zu Schlieckmanns Zeiten die Fakultätspolitik beein­ flußten, ließ sich der Wunsch nach einer Vertretung der Slavistik nach 1890 nicht unterdrücken. Der Indogermanist Bezzenberger dürfte hier die beharrlich treibende Kraft gewesen sein. Trotz der aus­ drücklich an Schlieckmann anknüpfenden Ablehnung von Moltkes erneuerte die Fakultät 1907 daher ihr Begehren, und das Ministerium meldete endlich ein slavistisches Extraordinariat mit ähnlicher Be­ gründung zum Etat 1908 an.1488 Als dies wiederum scheiterte, verfiel die Fakultät 1908, angesichts der zwischen Berlin und St. Petersburg einsetzenden Eiszeit, auf eine ganz anders lautende Motivierung: preußen (1772) erheblich zu der gespannten Lage beigetragen habe, da man sich in hundert Jahren zwecks „Lösung der nationalen Frage“ kaum einmal „der Leitung irgend welcher festen, geschweige denn höheren Gesichtpunkte hingegeben“ habe. Für die Vormärzzeit klagte Lohmeyer die preußische Regierung gar an, polnische „Versuche und Bemühungen, das Deutschthum zurückzudrängen und zu verkümmern“ nicht „ganz ungern“ gesehen zu haben, sofern damit der „freieren Richtung“, also den liberalen und demokratischen Strömungen unter den Deutschen Posens und Westpreußens, „Licht und Luft abgeschnitten wurde“ (Lohmeyer 1874, S. 314 f.). 1486 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VI, unpag.; Schade – v. Mühler v. 10. 1. 1867 gelegentlich der Zusendung seines ‚Altdeutschen Wörterbuchs‘, das 1866 in erster Auflage erschienen war. Schade oblag es als Mit­ glied der Prüfungskommission, die Deutschaufsätze der west­ u. ostpr. Abiturienten zu kontrollieren. Wenn diese auch dokumentierten, daß der Deutschunterricht überall „im Argen“ läge, so doch besonders an westpr. Gymna­ sien. Aber er hoffte, durch bessere, d. h. von ihm erzogene Deutschlehrer auch die Schüler polnischer Herkunft für die deutsche „Cultur“ gewinnen zu können. Nicht in der Weise, daß man ihnen ihre Muttersprache nehme oder sie gar verbiete, sondern allein durch die Vermittlung der deutschen Sprache, die den Schüler in den „Kreis unserer Denkungs­ und Gefühlsweise“ ziehe. „Fülle und Tiefe“ der deutschen Literatur, die die polnische hoch überrage, müsse ihn derart „überwältigen“, daß er sich als „Gleichgesinnter“ fühle und von der diese „Cultur tragenden staatlichen Ordnung so eingenommen“ werde, daß ihn „fremde“, dagegen gerichtete Einstellungen nicht mehr „beschleichen“ könnten. 1487 Vgl. ÖBL VII, S. 202 f., v. Och., geb. 1840, hatte 1867 den Jenaer Dokturhut erworben, hielt sich von 1868 bis 1874 studienhalber in England auf, arbeitete 1874/75 im statist. Amt in Lemberg (wo die einzige Arbeit ent­ stand, auf die seine Fürsprecher in der Fakultät ihre Empfehlung des „Statistikers“ aufbauen konnten), habilitierte sich 1878 in Jena und erhielt 1880 einen Ruf an die Akademie Münster. Von 1892 bis zu seinem Tod 1908 lehrte er Sozialökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Lemberg. 1488 GStA …, Bd. XXIV, Bl. 153 f.; PrMK – PrMF v. 25. 8. 1907: Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, daß mit der Besserung der politischen und der Handelsbeziehungen zu Rußland eine stärkere Förderung des Unterrichts wirtschaftspolitisch ratsam erscheine. Die PhilFak hatte ihren Antrag v. 22. 1. 1906 am 30. 7. 1907 wiederholt. Nochmals ging ein Antrag v. 3. 5. 1910 im PrMK ein, der zuvor schon Gegenstand einer Erörterung im Preuß. Abgeordnetenhaus war, wo der Königsberger Parlamentarier Gyssling (FVP) das Extraordinariat zur „kulturellen Hebung des Ostens“ angemahnt hatte (Sitzung v. 25. 4. 1910), siehe GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 269–273. In diesem Antrag reklamierte die Fakultät die Bedeutung der Albertina als Landesuniversität einer Provinz mit slavischer Bevölkerung in „großen Gebieten“ – eine ganz offenkundige Übertreibung, die sich um die Bevölke­ rungsstatistik nicht scherte. Zum anderen fühlte man sich Breslau gegenüber zurückgesetzt, wo vor Jahrzehnten sogar ein Ordinariat eingerichtet worden sei. Auch diese Begründungen verfingen nicht.

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Gerade die in den letzten Wochen mit besonderer Schärfe zutage getretenen, auf einen engen Zusam­ menschluß des gesamten Slawentums gerichteten Bestrebungen riefen danach, „das deutsche Volk in Ansehung der Kenntnis der slaw. Sprachen mit demjenigen Rüstzeug zu versehen, dessen es bedarf, um jenen sich überwiegend gegen das Germanentum wendenden Bestrebungen mit Verständnis folgen und ihnen ggf. wirksam entgegentreten zu können“.1489 Der Finanzminister nahm die heraufbeschwo­ rene „panslawistische“ Gefahr aber nicht ernst, so daß die Fakultät sich in Geduld üben mußte, bis der seit 1896 als Russisch­Lektor tätige, die polnische und russische Literaturgeschichte nur sporadisch bedenkende Paul Rost zum SS. 1915 zum beamteten Extraordinarius für slavische Philologie beru­ fen werden konnte – offenbar weder ausgelöst noch beschleunigt durch die Kriegsereignisse.1490 Der so lange geleistete Widerstand der Kassenwarte ist mit preußischer Sparsamkeit allein nicht erklärt. Abgesehen von den politischen Bedenken der Kuratoren stand stets die Bedürfnisfrage im Raum. Und die konnte ausweislich der Rostschen Hörerzahlen verneint werden. Zu oft fielen Kurse zur pol­ nischen Grammatik aus, zu oft meldete sich für die Anfängerübung im Russischen nur ein Hörer. Die fünfzehn Teilnehmer der Übung ‚Russisch für Anfänger‘ im SS. 1912 waren die absolute Ausnahme in Rosts fast 20jähriger Lektoratsbilanz.1491 Er fand daher viel Zeit, um sich Abseitigem zuzuwenden, wie seinem opulenten Kompendium der ‚Sprachreste der Drävano­Polaben im Hannöverschen‘, worin sich der exzessive Positivismus eines Sprachhistorikers auslebte, von dem eine eingehende Befassung mit der Literatur­ und Kulturgeschichte Osteuropas nicht zu erwarten war.1492 Obwohl es ihm dazu nicht gänzlich an Neigung und Kenntnis fehlte. Wie ein hochpolitisches Spektakulum dokumentiert, das im Juli 1904 dem Königsberger Landgericht europaweite Aufmerksamkeit bescherte. Es ging um den via Tilsit und Memel organisierten Schmuggel sozialrevolutionärer Pamphlete ins Zarenreich, in­ mitten der Konterbande auch Lenins Iskra. Unter den ostpreußischen Genossen, die deswegen auf der Anklagebank saßen, befand sich Otto Braun, nach 1918 preußischer Ministerpräsident. Zur Ver­ teidigung bot die SPD ihre besten Kräfte auf, den Königsberger Anwalt Hugo Haase, der in den 1890ern noch mit Gareis und andere Fakultätsmitgliedern traulich in der „Juristischen Gesellschaft“ gefachsimpelt und Sommerfeste gefeiert hatte,1493 sowie den jungen Karl Liebknecht, für den dieser cum grano salis sieghaft durchgefochtene Prozeß „wegen Geheimbündelei, Hochverrat gegen Rußland und Zarenbeleidigung“ zum Karrierekatapult geriet. Und inmitten dieses Aufgalopps Paul Rost, der vermeintlich ausschließliche Grammatiker und Sprachtrainer. Neben Bezzenberger, dem letztlich an den Rand gedrängten Begutachter der für lettische und litauische Zarenfeinde bestimmten Kampf­ schriften, sah sich Rost, Russisch­Dolmetscher und Sachverständiger für die komplexen innenpoli­ Ebd., Bd. XXIV, Bl. 279; Etatanmeldung v. 26. 8. 1908. Ebd., Bd. XXVII, Bl. 135 f.; Bestallung v. 14. 4. 1915 zum 1. 4. 1915 mit dem Vermerk, die Stelle sei im Etat 1914 neu eingestellt, war also schon vor Kriegsausbruch genehmigt. – Das slav. Lektorat, mit 1.500 M. nicht üppig honoriert, fand erstmals im Etat 1896/97 Aufnahme; der vom PrMK aus Greifswald nach Königsberg delegierte, in Moskau aufgewachsene, habilitierte Assyriologe Rost begann seine Lehrtätigkeit im SS. 1897 mit Russisch für Anfänger und Fortgeschrittene sowie einem Kolleg zur Geschichte der russischen Literatur im 19. Jahrhundert. Die Habilitation für slavische Sprachen erfolgte im Juli 1897 (PV: Der Accent in den slavischen Sprachen und sein Verhältnis zum urslavischen Accente), vgl. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, Bl. 14, 30, 95; Bestallung u. Habil. Rost 1896/97. Die KHZ v. 10. 11. 1896 begrüßte den neuen Dozenten und stellte ihn mit einer Kurzbiographie ihrern Lesern vor, nicht ohne an das PrMK den Vorwurf zu richten: „Warum erst jetzt dieses Lektorat an einer Grenzuniversität?“ (ebd., Bl. 58). Im SS. 1898 kündigte Rost an: Die polnische Litteratur bis zum Jahre 1750, im SS. 1899: Die Litteratur der Slaven und ihre Beziehungen zur Culturgeschichte, doch danach verdrängt die Sprachvermittlung zusehends Literatur­ und Kulturgeschichte. 1491 GStA, Rep. 76Va, Sek. VIII, Nr. 1, Bd. XVIII, XIX; unpag.; Vorlesungsstatistiken 1895–1921. 1492 Rost 1907; das Werk unermüdbaren Sammlerfleisses über die im Wendland ansessigen Polaben umfasst 450 eng bedruckte Seiten und scheint Rost den größten Teil seiner Forscherzeit seit seiner Habilitation gekostet zu haben. 1493 Siehe unten zur Jur. Gesellschaft, Kap. 6. 1489

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tischen Konstellationen des benachbarten Riesenreiches, unvermutet in eine tragende Rolle versetzt. Die er mit Verve meisterte, liest man, wie er die scharfmacherisch­entstellenden Übersetzungen des Königsberger russischen Konsuls zugunsten der Angeklagten korrigierte, registriert man seine kundige Inspektion der „russischen revolutionären Bewegungen“ und ihrer Filiationen.1494 Beklagenswert nur, daß der Gutachter Rost seine Einsichten, am Vorabend der russischen Revolution von 1905, nicht zu Papier gebracht hat. Ungeachtet dieser versteckten Potentiale des slavistischen Lektors ist es doch unvermeidlich zu konstatieren: Stellt man die Seltenheit der historischen Veranstaltungen zu Rußland und Polen seit 1870 in Rechnung und nimmt sie als Indiz für mangelndes studentisches Interesse an Kultur und Geschichte dieser Nachbarvölker, ist der preußischen Kultus­ und Finanzverwaltung kaum der in den Fakultätsinitiaven für Rost stets mitschwingende Vorwurf zu machen, sie verhindere den Königsberger Brückenschlag zu den osteuropäischen Nationen.1495 Ein Fingerzeig auf ein sich allmählich wandelndes Selbstverständnis der Professorenschaft ist das Ringen um den slavistischen Lehrstuhl indes schon. Das Bild vom slavisch umbrandeten Königsberger „Vorposten“ war nicht neu, aber seit etwa 1905, als der „Nationalitätenkampf“ in der Provinz Posen eskalierte und sich die deutsch­russischen Beziehungen weiter verschlechterten, fand es öffentlich häufigere Verwendung. Es verlor seine floskelhafte Leich­ tigkeit und wurde stärker verinnerlicht, wie die Begrüßungrede des Rektors Volkmann für den neuen Kurator Ludwig von Windheim im November 1907 belegt. Der Physiker beschwor dabei den „Geist des Stifters“ Herzog Albrecht, dem man sich nach über 350 Jahren weiterhin verpflichtet fühle. Nur daß im 20. Jahrhundert nicht mehr die Verteidigung des evangelischen Christentums im Vordergrund stehe, sondern allgemeiner die „deutsche Geisteskultur“, deren „Bollwerk“ die Albertina sei. Diese Auf­ gabe müsse unter erschwerten Bedingungen erfüllt werden, da die Professoren auf „einsamer Wacht“, „persönlichen und wissenschaftlichen Anregungen entrückt“, als Forscher auf sich selbst angewiesen seien in einer Provinz, die eben nicht „vom Deutschtum vollkommen umschlossen“ sei, und die den slawischen Nachbarn nicht einmal ethnisch homogen gegenüberstehe, denn Ostpreußen selbst sei aus „verschiedenen Volksstämmen zusammengesetzt“, die durch „Sitte und Sprache geschieden“ seien. Schon mit der Integration dieser „Volksstämme“, deren „Gewohnheiten“ wissenschaftlich „beobach­ tet, beachtet und gepflegt“ werden wollen, in die deutsche Kultur erfülle die Albertina eine nationale Aufgabe. Der neue Kurator konnte dies nur bestätigen: die Universität, in der „äußersten Ostmarke des Reiches auf vorgeschobenem Posten“, müsse „Pflanzstätte der nationalen Erziehung“ sein und trotz aller kosmopolitischen Tendenz, die Wissenschaft inne wohne, dürfen die Königsberger Professoren einem berechtigten „praktischen Partikularismus huldigen“.1496 Der sich hier spiegelnde Wille, sich als Wissenschaftler in die politische Pflicht nehmen zu lassen und primär die kulturwissenschaftliche Forschung in den Dienst der Integration nach innen und der Zugrundegelegt ist die (selbstredend aus politischen Erwägungen) verkürzte, aber bequemer als das Original erreichbare DDR­Edition des von Kurt Eisner 1904 komponierten Prozeßprotokolls, hg. von Detlef Jena, 1988, dort s. Register zu Rost und Bezzenberger. 1495 Die ersten regelmäßigen Vorlesungen zur polnischen Geschichte bot in den 1850er Jahren der linksliberale Privatdozent Xaver von Hasenkamp (1826–1911, s. APB 254) an, der zeitweise als KHZ­Redakteur auch die radi­ kaldemokratischen Positionen seines Freundes Johann Jacoby vertreten durfte. 1866, im Jahr von Karl Lohmeyers Habilitation, ging v. Hasenkamp nach Frankfurt, wo er bis ins hohe Alter für die Frankfurter Zeitung schrieb. Der landeshistorische Extraordinarius Lohmeyer bot seit 1867 in großen Abständen ein Kolleg zur Geschichte Polens im Mittelalter an, fühlte sich aber für die neuere Geschichte des Nachbarvolkes so wenig zuständig wie für die Geschichte Rußlands. Vgl. VV­AUK 1850–1909. 1496 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. II, Nr. 2, Bd. VI, unpag.; Rektor Volkmann – PrMK v. 18. 11. 1907 mit beigefügten Texten der Ansprachen zur Amtsübernahme des Kurators. Von Windheim war bei dieser Gelegenheit durch das Hauptgebäude am Königsgarten geführt worden und hatte im Rektorzimmer, unter den Gemälden der königlichen Ehren­Rektoren, beim Blättern im Immatrikulationsverzeichnis angesichts ihrer handschriftlichen Eintragungen, die Wucht einer [geschickt inszenierten] Tradition auf sich wirken lassen. 1494

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Abwehr nach außen zu stellen, bezeugt die wachsende Bedeutung nationaler Identität für das akade­ mische Selbstverständnis. Davon mußte auch die „Regionalisierung des Wissens“ erheblich profitieren. Was sich aber bis zum Ersten Weltkrieg nicht in Investitionen in die einem solchen „praktischen Partikularismus“ (v. Windheim) günstige Infrastruktur von Instituten und Lehrstühlen niederschlug. Bis 1914 durfte die Fakultät bei ihren Anstrengungen, ihre und die Ostkompetenz der Universität zu stärken, nur den Erfolg jenes Lehrauftrags für preußische Landesgeschichte und osteuropäische Geschichte verbuchen, den zum SS. 1911 August Seraphim erhielt.1497 Die bei den Historikern, Staats­ und Agrarwissenschaften sowie bei dem Geographen Hahn zu registrierende Regionalisierung der For­ schungsinteressen speiste sich aus den seit 1900 nicht mehr erweiterten Einrichtungen und aus den seitdem nur unwesentlich erhöhten Etats. Altertumswissenschaften In den Altertumswissenschaften hat Franz Rühl nach der Jahrhundertwende seinen politischen wie fachlichen Einfluß endgültig verloren. Der „alte Rühl“, obwohl 1900 erst Mitte fünfzig, galt nur noch als „Wahrzeichen unserer Universität“, während er mit seiner Vorliebe für „demokratisch­liberale Ideen“, im Verdacht stehend, „geheimer Anhänger der radikalsten Parteien“ und Befürworter des „so­ zialistischen Zwang[s]“ zu sein, bei seinen Studenten, die „in überwiegender Anzahl in streng natio­ nalem Geiste groß geworden waren“, bestenfalls auf wohlwollende Nachsicht stieß.1498 Gesundheitlich angeschlagen, langsam erblindend und sich aus dem rauhen nordöstlichen Klima fortsehnend, ließ er im letzten Jahrzehnt seines Wirkens an der Albertina politisch versöhnlichere Töne hören, was 1905 mit seiner Wahl zum Rektor belohnt wurde.1499 Die Fakultät wünschte sich als Rühls Nachfolger primo loco den Jenenser Ordinarius Walther Judeich, einen Sachsen des Jahrgangs 1859, keine frische Kraft also, zudem beinahe ein vir unius libri, seiner ‚Topographie von Athen‘ (1905), der die Straßburger Doktorarbeit ‚Caesar im Orient‘ (eine ‚Kritische Übersicht der Ereignisse‘ vom August 48 bis Oktober 47 v. Chr.) und die aus der Marburger Habilschrift von 1889 entsprungenen ‚Kleinasiatischen Studien‘ (‚Untersuchungen zur griechisch­per­

S. o. Anm. 1412. Der nationalliberale Königsberger Kulturpolitiker Paul Stettiner hatte in einem Beitrag zum 60. Geburtstag noch einmal an die Fama vom „heimlichen“ Sozialismus Rühls erinnert (zitiert nach dem anonymen Nachrufer in der KHZ v. 4. 7. 1916), dabei aber klargestellt, daß die Vergesellschaft der Produktionsmittel wohl nicht ernst­ haft als politisches Ideal eines Erzliberalen in Frage komme, der wie Rühl „überzeugtes Mitglied der freisinnigen Volkspartei“ sei. Zur Entfremdung von den „nationalen“ Studenten Mentz 1919, S. 50. In deren Optik dürfte auch Rühls Eigenart nur noch schrullig gewirkt haben, in die alte Geschichte die politischen Konstellationen der wilhelminischen Zeit hineinzulesen und etwa in Velleius Paterculus den „ ‚ersten Vertreter des beschränkten Unter­ tanenverstandes‘ “ zu sehen (Mentz). 1499 Gleichwohl erinnerte die Verwaltungsspitze der Universität an die „taktlosen und leichtfertigen Angriffe gegen die Regierung“, mit denen Rühl aufgrund seiner „bekannten politischen Gesinnung“ hervorgetreten sei. Allein weil er in den „letzten Jahren eine gemäßigtere Haltung“ gezeigt habe, wolle man ihm die beantragte Gehaltser­ höhung gewähren, wenn auch nur, wie Kurator v. Windheim betonte, als „Jahr für Jahr auf meinen Antrag zu be­ willigende Beihilfe“ – wohl, um eventuelle „Rückfälle“ sanktionieren zu können! (GStA …, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 297–298; Stellungnahme zum Antrag Rühl v. 16. 7. 1908). – Rühl hatte Althoff schon 1889 um Versetzung nach Halle gebeten (s. o. Anm. 437), am 8. 3. 1897 wiederum seine heiß ersehnte Wegberufung in Erinnerung gebracht und am 12. 7. 1908 seine Gebrechlichkeit und Bedürftigkeit beklagt (GStA, VI. HA, B Nr. 157 II, Bl. 118 u. 127). Unterstützt durch ein Attest des augenärztlichen Kollegen Emil Krückmann beantragte der auf dem linken Auge erblindete, rechts hochgradig kurzsichtige Rühl 1911 seine Emeritierung (GStA …, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; Gesuch v. 21. 5. 1911, stattgegeben unter Verleihung des KrO II. Kl.). 1497

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sischen Geschichte‘ im vierten Jahrhundert v. Chr., 1892)1500 voraufgegangen waren. Gleich lieb wäre den Königsbergern der jüngere Max Strack (1867) gewesen, der ihnen mit seiner bei Heinrich Nissen entstandenen Bonner Habilschrift über ‚Die Dynastie der Ptolemäer‘ (1897) gefiel.1501 An zweiter Stelle stand der bienenfleißige Ernst Kornemann, der erst ab 1918, in seiner Breslauer Zeit‚ in die erste Reihe deutscher Althistoriker vorrückte. Gleichrangig tertio loco konkurrierten der Basler Ordinarius Friedrich Münzer (1868) und, Jahrgang 1878 und somit der jüngste Kandidat, der Greifswalder Ex­ traordinarius Walter Otto, der in Breslau bei Ulrich Wilcken über ‚Priester und Tempel im hellenisti­ schen Ägypten‘ promoviert und sich habilitiert hatte, mithin auf Stracks Forschungsgebiet tätig war. Den Ausschlag gab wieder einmal Elster, der diesmal allerdings nicht kurzerhand den preiswertesten, Walter Otto, wählte, sondern zunächst Judeich berief, der ablehnte, weil ihn in Königsberg keine größere, dafür jedoch eine einseitigere Lehrtätigkeit als in Jena erwartete.1502 Dann erst, und zu spät Judeich 1885; seinem Lehrer Heinrich Nissen „in inniger Verehrung und Dankbarkeit“ gewidmet. Ein quel­ lenkritisch­minutiöser Versuch, Ereignisgeschichte zu rekonstruieren, nicht davor zurückschreckend, die Angaben antiker Autoren anhand von Meyers Reiseführer auf ihre Zuverlässigkeit hin zu überprüfen. 1501 Mit noch mehr Recht als Judeich wäre Strack als Mann des einen Buches zu charakterisieren. Daß seine haupt­ sächlich auf die Ptolemäerzeit beschränkte „wissenschaftliche Produktion mäßig an Umfang“ blieb, entschuldigte der Freund und Nachrufer Alfred Körte mit der Last der Lehre, familiären Verpflichtungen und der undankbaren Fronarbeit, die daraus erwuchs, 1901 für das Monumentalwerk der Berliner Akademie über die antiken Münzen Nordgriechenlands den Band über die Münzen der Thraker übernommen zu haben. Nach einem Jahrzehnt, wäh­ renddessen ihn die „Belastung mit dem Münzcorpus“ nicht zu „rein­historischen Arbeiten“ kommen ließ, stand Strack 1911 kurz vor der Drucklegung (Körte 1919, S. 9 f.). Obwohl also monographisch nur die Habilschrift vorlag, empfahl die Fakultät ihn primo loco, eine Plazierung, die er vermutlich dem ehemaligen Gießener Kollegen Richard Wünsch verdankte, der mit Strack wie mit dem tertio loco genannten Friedrich Münzer aus gemeinsamer römischer Zeit (1893/94) befreundet war. Münzer widmete den im Weltkrieg gefallenen Kollegen Strack und Wünsch sein opus magnum über die römischen Adelsparteien (1920, s. u.). 1502 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; PhilFak – PrMK v. 15. 7. 1911, Liste Nf. Rühl: 1a. W. Judeich, 1859 Dresden–1942 Jena, b. ao. Prof. f. Alte Geschichte Czernowitz 1899, oö. Prof. Erlangen 1901, Jena 1907. Die seinem Lehrer Rudolf Schoell gewidmeten, im Vorwort einen Dank an die Freunde Georg Wissowa und Erich Marcks abstattenden ‚Kleinasisatischen Studien‘ (Marburg 1892, ND Hildesheim 1987), wollen keine Kultur­ geschichte griechisch­persischer Beziehungen bieten, da hierzu das Quellenmaterial nicht ausreiche, sondern versuchen eine Rekonstruktion des außenpolitischen Geschehens, bedauernd, von den Akteuren zumeist nicht mehr als „Schattenbilder“ zeichnen zu können (ebd., S. X). Zu Judeichs politischem Standpunkt seine Jenaer Reichsgründungsrede vom 18. 1. 1930 (‚Der Reichsgedanke im Altertum‘, Jena 1930), die für Reich und Nation ungeachtet ihrer konkreten (republikanisch­demokratischen) Verfassungsstruktur „Hingabe an das Ganze“ ein­ forderte, um die alte Machtstellung wieder zu erringen (ebd., S. 10 f.). – 1b. Max Leberecht Strack 1867 Ham­ burg–10. 11. 1914 gefallen als Kompanieführer am Yserkanal/Flandern, aus Hamburger Kaufmannsfamilie, alt­ phil. u. althist. Studium Tübingen, Bonn, Prom. ebd. 1892: De rerum prima belli Peleponnesiaci parte gestarum temporibus, 1896 Habil. f. Alte Geschichte ebd., Tit. Prof. 1903, b. ao. Prof. Gießen 1904,1907 oö. Prof. ebd., WS. 1911/12 Kiel. – 2. E. Kornemann, 1869 Rosenthal/Hessen­Nassau–1946 München, Prom. 1891 FWU: De civibus romanis in provinciis imperii consistentibus, sich als „Schüler Mommsens“ verstehend, Habil. f. Alte Ge­ schichte Gießen 1898: Zur Stadtentstehung in den keltischen und germanischen Gebieten des Römerreichs, b. ao. Prof. Tübingen 1902, oö. Prof. ebd. 1907, Breslau 1918–1936, weit verbreit seine zweibändige ‚Römische Ge­ schichte‘ in den Kröner Taschenausgaben, zuerst 1938/39, ferner, mit universalhistorischer Perspektive: Gestalten und Reiche. Essays zur alten Geschichte, Bremen 1943, sowie posthum: Weltgeschichte des Mittelmeer­Raumes von Philipp II. von Makedonien bis Muhammed (1948/49), die altvertrauten Perspektiven sprengend und die iranisch­orientalische Geschichte einbeziehend (vgl. Christ 1982, S.133–144, hier zit. S. 143). – 3a. Fr. Münzer (s. Catalogus). – 3b. Walter Otto, 1878 Breslau–1941 München, Prom. Breslau 1903: Die Organisation der grie­ chischen Priesterschaft im hellenischen Ägypten u. Habil. ebd. 1907: Die wirtschaftliche Lage und die Bildung der Priester im hellenistischen Ägypten, 1907 b. ao. Prof. Greifswald, 1914 Marburg, 1918 München, seit 1920 Hg. des ‚Handbuchs der Altertumswissenschaften‘, das die Schranken des „klassischen Altertums niederriß und den alten Orient und die an die Mittelmeerwelt angrenzenden Nordgebiete in seinen Plan mit einbezogen hat“ 1500

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für das WS. 1911/12, kam Elster auf Münzer zu. Die mit Wünschs und Deubners weit gesteckten, orientalischen Einflüssen auf die griechischen Kulte nachspürenden religionshistorischen Neigungen zu erklärende Nennung von Judeich, Strack und Otto, die sich als Althistoriker von der traditionellen Fixierung auf Griechenland und Rom gelöst und das „klassische Altertum“ zum „vorderasiatischen Kulturkreis“ hin geöffnet hatten,1503 kam also gerade nicht zum Tragen mit der Berufung des altphi­ lologisch geprägten, auf die römische Geschichte konzentrierten Friedrich Münzer. Als Schüler Otto Hirschfelds hatte Münzer 1895 zur Habilitation von Berlin nach Basel ausweichen müssen, wo er einen Lehrstuhl erhielt, der ihm aufzwang, das gesamte Gebiet der Altertumswissenschaften zu ver­ treten, so daß er Kollegs über Geschichte und Philologie las. Eine Pflicht, von der ihn erst der Ruf ins Preußenland befreite, wo er jedoch, weder im Unterricht noch literarisch, das eng abgesteckte Feld griechisch­römischer Geschichte nie, wie so viele andere Althistoriker seiner Generation, in Richtung der Geschichte des Alten Orients überschritt.1504 Die Habilschrift ‚Beiträge zur Quellenkritik der Na­ turgeschichte des Plinius‘ (1897) ist eine altphilologisch­positivistische Fleißarbeit, ebenso die andere Monographie aus Basler Zeit, ‚Cacus der Rinderdieb‘ (1911), ein Versuch, die Anteile von Volkspoesie und Literaten­Erfindung an einer Legende aus Roms Gründungsperiode zu bestimmen.1505 „Nicht neu und nicht überraschend“, urteilte selbst Georg Wissowa, für den Münzer den größeren Teil sei­ nes Lebenswerk schrieb,1506 in Basel wie in Königsberg sich aufopfernd für dessen altertumswissen­ schaftliche „Realenzyklopädie“, sie mit der Prosopographie der römischen Republik beliefernd. Das waren überwiegend Biogramme von wenigen Zeilen, bei besserer Überlieferungslage aber über meh­ rere Spalten sich erstreckende Artikel, insgesamt fast 3.000, von denen viele noch nach dem Tod des jüdischen Verfassers im Lager Theresienstadt (1942) erschienen sind.1507 Keine Frage also, daß Rühls Nachfolger der „antiquarischen Tradition“ verhaftet war, „neuen Problemstellungen“ eher abhold, und nur ansatzweise bemüht, sein „immenses Detailwissen auch in großen Linien einzusetzen“.1508 Einen Versuch dazu unternahm Münzer zwar in Königsberg, als er, sonst fast nichts produzierend außer seine RE­Artikel, sein opus magnum über ‚Die römischen Adelsparteien und Adelsfamilien‘ (1920) schrieb. Aber das umfangreiche Werk ließ gleichfalls jene „soziologische Perspektive innerhalb der Personenge­ schichte“ vermissen, die disziplingeschichtlich als innovative Leistung gegolten hätte.1509 Da mit Brinkmanns Nachfolger Heinze zum SS. 1903 wieder ein Latinist berufen wurde, einer dessen „Vielseitigkeit“ ihn nie in Versuchung geraten ließ, dem „Betriebe der philologischen Tech­

(Bengston 1943, S. 40). – Mit der Ablehnung ließ sich Judeich, nachdem er sich in Königsberg umgeschaut hatte, etwas Zeit (Absage v. 31. 10. 1911). 1503 So Bengston 1943, S. 34, über Ottos Leistung, dessen, Eduard Meyer ähnliche, „Einstellung zur Universalge­ schichte“ in dieser Erschließung der vorderasiatischen Reiche wurzle. 1504 Verzeichnis der Basler und Königsberger Lehrveranstaltungen bei Kneppe/Wiesehöfer 1984, S. 150–154. Da­ bei überwiegen die philologischen Seminare und die Vorlesungen zur römischen Literaturgeschichte die Veranstal­ tungen zur Alten Geschichte bei weitem. In Königsberg konnte sich Münzer ganz auf die römische und griechische Geschichte konzentrieren, wobei auffällt, daß er die um 1900 in seinem Fach als modern geltende Hinwendung zur Geschichte der antik­orientalischen Beziehungen und zur Geschichte Ägyptens und der nahöstlichen Reiche konsequent meidet. 1505 Münzer 1897, zum Teil als Habilschrift in Basel eingereicht, von Otto Hirschfeld in Berlin angeregt. Richard Wünsch, dem Freund aus römischen Tagen, der als Königsberger Altphilologe 1911 gewiß entscheidenden Anteil an der Berufung Münzers hatte, wird für die Korrekturen gedankt. Die Cacus­Studie ist eine erweiterte Baseler Rektoratsrede. 1506 Urteil Wissowa zit. n. Kneppe/Wiesehöfer 1983, S. 262. 1507 Nachweis bei Kneppe/Wiesehöfer 1984, S. 169–259 (sic). 1508 Christ 1982, S. 164 f. 1509 Ebd., S. 165. Zu diesem Werk, in das auch Wertungen des durch die November­Revolution 1918 erschüt­ terten Monarchisten Münzer eingeflossen sind, vgl. demnächst Bd. II.

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nik“ zu verfallen,1510mit dem 60jährigen Ludwich also nur ein Gräzist den drei Lateinern Heinze, Rossbach und Jeep gegenüberstand, holte das Ministerium daher auf der Basis einer Remuneration den als Fachmann für antike Medizingeschichte ausgewiesenen Gräzisten Hermann Schoene nach Königsberg, der jedoch fast eben so schnell wie Heinze die Albertina verließ, um 1906 auf ein Base­ ler Ordinariat zu wechseln.1511 Mit den Nachfolgern für Heinze, dem Marburger Latinisten Richard Wünsch (1907–1913), und für Schoene, dem aus der Usener­Schule stammenden Ludwig Deubner (1906–1917), kehrten wieder personell stabilere Zeiten zurück, und zugleich erschloß man sich, dank der Forschungspräferenzen beider Neuankömmlinge, mit der Religions­ und Kulturgeschichte den weltanschaulich relevanten „Gesamtzusammenhang“ der Antike. Das geschah gegen den Widerstand von Jeep und Rossbach, die diesmal das Argument bemühten, einen Latinisten nicht zu benötigen. Tatsächlich wollten sie den Wissowa­Schüler Wünsch verhindern, der, wie sie in der Fakultätsliste mäkelten, in seinen religionshistorischen Arbeiten der Neigung nachgegeben habe zu „kühnen, nicht immer strikt beweisbaren Kombinationen“.1512 Aber solche Warnungen verhallten in Berlin, und Wünsch durfte in Königsberg seinen religionswissenschaftlichen Neigungen frönen und auch eine Reihe von Doktoranden mit seiner Begeisterung für Magie und Zauber bei Griechen und Römern anstecken.1513 Denn spätestens mit dem Antrag, Ludwichs Schwiegersohn Tolkiehn, den 1895 gegen Rühls manischen Widerstand Habilitierten, zum ao. Professor zu ernennen, war das Ministerium da­ rüber ins Bild gesetzt worden, wie geringschätzig die Fachwelt über jene Fraktion der Königsberger Altphilologie urteilte, die „kühnen Kombinationen“ abhold war. Tolkiehn, so ließen die Koryphäen Diels, Wissowa, Norden und Heinze unisono verlauten, sei ein geistloser Kompilator, wie sein Lehrer Jeep „vom modernen Hauch der Altertumswissenschaft nicht berührt“, die wenigen trivialen Arbeiten

So die von der Fakultät übernommene Laudatio des Ministeriums im Bestallungsvorschlag für das Zivilkabi­ nett v. 20. 3. 1903 in: GStA, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 162 f. Da GStA …, Nr. 21, Bd. XXII, verloren ist, fehlt eine Liste Nf. Brinkmann, so daß Einzelheiten über den Vorschlag Heinze nicht zu ermitteln sind. 1511 Ein dringendes Fakultätsgesuch, Schoene dadurch an die Albertina zu binden, daß man ihn schleunigst zum Ordinarius ernenne, fand im Ministerium keine Gegenliebe (GStA …, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 300; PhilFak an PrMK v. 18. 7. 1906). Die billigere Lösung war es, mit Deubner wieder einen besoldeten Dozenten anzustel­ len, der mit 2.000 M. nur die Hälfte eines Ordinarius „kostete“. Ebd., Bl. 318, Vereinbarung mit Deubner v. 17./20. 9. 1906. 1512 GStA …, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 28–29; Sondervotum Jeep/Rossbach v. 20. 7. 1906. Beide wollten den an der Frankeschen Anstalt in Halle unterrichtenden Oberlehrer Paul Wessner; Heinze und seine Fraktion hätten seine Nennung aber leider verhindert. Die mit schwacher Konkurrenz für Wünsch bestückte Liste Nf. Heinze v. 18. 7. 1906, ebd. Bl. 23–25, nennt den Gießener Ordinarius neben dem Oberlehrer Wilhelm Heraeus (1862 Hamm–1938 Offenbach/M.), Petronius­Forscher und Editor einiger Schulausgaben zu Tacitus, Livius u. a., primo loco. Die Prom. des offenbar von Jeep favorisierten Kandidaten Heraeus war bereits 1885 in Berlin erfolgt (Quae­ stiones criticae et palaeographicae de vetustissimus codicibis Livianis). Als Offenbacher Gymn.lehrer seit 1891 war H. zwar um ein Standbein in der gelehrten Zunft bemüht, blieb jedoch auf Editionsleistungen beschränkt. Erst nach 1906 profilierte er sich auf dem Gebiet der Glossenforschung und galt als „unbestrittener Kenner des Vulgärlateins“; 1914 ord. HonProf. f. Vulgär­ u. Mittellatein Frankfurt (NDB VIII, S. 571 f.). – An zweiter Stelle Otto Plasberg, 1869 Sobernheim–1924 Hamburg, G Kreuznach 1887, Studium in der Bonner Hochburg der klass. Philologie und bei J. Vahlen FWU, ebd. Prom. 1892: De M. Tullii Ciceronis Hortensio dialogo, SS. 1901 bei R. Reitzenstein in Straßburg Habil. mit einer Cicero­Edition, PV: Metapher und Gleichnis, WS. 1903/04 b. ao. Prof. Rostock, SS. 1909 oö. Prof. Prag, SS. 1911 Straßburg, nach der „brutalen Verjagung“ Ende 1918 zum SS. 1919 oö. Prof. Hamburg (ausführlicher Nachruf des „am Stärksten auf das Formale und Sprachliche“ gerich­ teten Philologen von R. Helm in: BiogrJbAltertumskunde 44, 1924, S. 117–138). 1513 Für Seminarübungen hat sich Wünsch die Mühe gemacht, einen Abschnitt aus einem Zauberrezepte über­ lieferenden Papyrus der Pariser Nationalbibliothek zu edieren (Wünsch 1911), während er seinen Schüler Bruno Kuster zu einer eingehenden Untersuchung des „Zauberpapyrus“ anregte (Diss. Kuster 1911). 1510

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bezeugten das „Kommishafte“ dieser literarischen Produktion, alles „erheblich unter dem Aichstrich“, eine Art, Philologie zu treiben, die im Gymnasium am Platze sei, nicht an der Universität.1514 Im Ministerium trug man daher 1911 keine Bedenken, ein altphilologisches Ordinariat zu kas­ sieren als der wegen seiner „zerrütteten Nerven“ vorzeitig entpflichtete Jeep starb und als Ersatz ein Extraordinariat einzurichten, das den bis dahin nur honorierten Deubner absicherte.1515 Als Arthur Ludwich sich 1911 in den Ruhestand versetzen ließ, erhielt Deubner, der inzwischen seinen Ruf als Spezialist für die antike Religionsgeschichte gefestigt hatte,1516 seinen Lehrstuhl und machte seine Stelle für einen Marburger Privatdozenten, den Nordfriesen Christian Jensen frei, der indes erst zum Zuge kam nach einer Absage des favorisierten Gießener Ordinarius Otto Immisch, der nicht bereit war, sich für Königsberg zu verschlechtern.1517

GStA …, Nr. 25, Bd. V, Bl. 69–72; Voten von Diels, Skutsch, Marx, Wissowa, Heinze, Norden zur Eingabe betr. Tolkiehn v. 5. 10. 1906. Trotzdem wurde Tolkiehn, geb. 1865, Ende 1908 zum nb. ao. Prof. ernannt (ebd., Bl. 104) und blieb dem altphilologischen Unterricht bis 1931 mit einem LA für griechische und lateinische Stili­ stik erhalten. – Eine nachträgliche Bestätigung seiner Abfertigung liefert seine monographische Abhandlung über den römischen Grammatiker Cominianus (um 300 n. Chr.), dessen Werk verloren ist und das Tolkiehn aus Bezug­ nahmen anderer Grammatici Latini in Umrissen zu rekonstruieren versucht. Doch weder vermag er zu begründen, was überhaupt die angeblich zu Unrecht „unterschätzte Bedeutung“ dieser im 19. Jh. von Altphilologen eher gemiedenen „Spätlinge der römischen Literatur“ (1910, S. 2) ausmachte – denen allein Jeep, der diese Sparte la­ teinischer Literaturgeschichte mit Hingabe pflegte, und natürlich Tolkiehn selbst etwas abzugewinnen schienen –, noch vermag er im speziellen Fall, nach 170 Cominianus­Seiten, die unfreiwillig spaßige Schlußbemerkung zu un­ terdrücken: „Wenn aber Cominianus in der Geschichte der lateinischen Grammatik nicht den Platz eingenommen hat, der ihm trotz seiner Unbedeutendheit [!] zukommt, so sind daran in erster Linie seine Nachfolger schuld ….“ (ebd., S. 170). 1515 GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 330; PrMK, Marginalie und Erlaß zur Meldung des Kurators, Jeep sei am 4. 1. 1911 verstorben. Aufgehoben wurde das 1903 für Brinkmann eingerichtete, nun von Wünsch vertretene Ordinariat. Dessen Bezüge sollten fortan aus dem Ordinariat Jeep bezahlt werden. 1516 1907 war die dem Andenken Useners gewidmete, umfangreich eingeleitete Edition der Heiligenlegenden von Kosmas und Damian erschienen, die für Deubner antike Kultfiguren in die frühchristliche Vorstellungswelt transformieren: „Dioskuren in christlicher Verkleidung“ (ebd., S. 52). 1517 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; PhilFak – PrMK v. 28. 11. 1911, Liste Nf. Ludwich, primo et unico loco: Deubner und Liste Nf. Extraord. Deubner: 1. O. Immisch, s. Catalogus. – 2. Richard Kukula, 1862 Laibach–1919 Graz, Habil. f. Klass. Philologie Wien 1904, 1905 b. ao., 1909 ord. Prof. Graz, Latinist, Mitarbeiter an Kirchenvä­ ter­Ausgabe der Wiener Akademie. – 3. Karl Kalbfleisch, 1868 Gelnhausen–1946 Gießen, 1896 Habil. Freiburg, 1900 b. ao. Prof. Rostock, 1904 oö. Prof. Marburg, Gießen 1913–1934 (Nf. O. Immisch), Papyrologe, antike Me­ dizingeschichte, politisch beachtlich seine Gießener Rektoratsrede 1920: Die Demokratie im Urteil griechischer Denker, die dem „Widerstreben“ gegen die „ungewohnt[e] und fremd[e]“ Weimarer Republik „offen Ausdruck“ gab (so Gerhard Müller in: Gundel ed. 1982, S. 488). – Ebd., PhilFak –PrMK v. 27. 3. 1912, II. Liste Nf. Deubner: 1. Jensen (s. Catalogus). – 2a. Hermann Mutschmann (s. u.). – 2b. Hermann Schultz (1881–), Prom. Göttingen 1905, Habil. ebd. 1910. – 3. Kurt Witte, 1885 Posen–1950 Erlangen, 1907 bereits hervorgetreten mit: Singular und Plural. Forschungen über Formen und Geschichte der griechischen Poesie, Prom. bei Skutsch in Breslau 1908: Quaestiones tragicae (Anlage und Aufbau gleichartiger Szenen in der griechischen Tragödie), 1908/09 Studien über den Erzählungsstil in der griechisch­römischen Historiographie (insbes. Livius), Habil. f. Klass. Philologie bei Wilhelm Kroll in Münster mit Studien zur Sprache Homers, AV 20. 4. 1910: Die Entstehung von Neubildungen in der epischen Dichtersprache und ihre Wichtigkeit für die Scheidung älterer und jüngerer Schichten im Homer, Assistent Institut für Altertumskunde Münster 1910–1916, 1915/16 Heeresdienst, Tit. Prof. 28. 12. 1916 ebd., b. ao. Prof. Greifswald WS. 1917/18, oö. Prof. Erlangen 1920, Hauptwerk: Geschichte der römischen Dichtung im Zeitalter des Augustus, 4 Bde., 1924–1932. Witte war der Schwiegersohn des zuletzt in Münster lehrenden Althistorikers Otto Seeck (LGH 2004, S. 244 f.). Die Königsberger Fakultät setzte ihn 1914 noch einmal auf die Liste für die Nf. Otto Immisch (s. u.). 1514

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Immisch ließ sich erst beim nächsten Revirement für ein gleichwertiges Ordinariat verpflichten, das er nach Wünschs Weggang nach Münster zum WS. 1913/14 übernahm.1518 Freilich nur für zwei Semester, da er im Sommer 1914 einen Ruf nach Freiburg annahm und die Fakultät ihn quasi nur auf der Durchreise kennenlernte. Seine Wahl zeigt jedoch, wie sich die junge religionswissenschaftlich ausgerichtete Altertumsforschung in Königsberg verstetigte. Zweifellos war Immisch, mit einer Un­ tersuchung über griechische Stiftungssagen 1889 in Leipzig habilitiert und damit als Mythendeuter bekannt geworden, Sinn für die soziale, identitätsstiftende Funktion von Literatur bekundend,1519 der Favorit von Wünsch, dem er schon 1907 in Gießen nachgefolgt war. Tatsächlich ausschlaggebend dürfte indes gewesen sein, daß der von der Religionsgeschichte herkommende Immisch, während der Leipziger Privatdozentenjahre ein mitunter ätzender Kritiker des frühen Nietzsche­Kultes,1520 der sich Ebd.; PhilFak – PrMK v. 28. 4. 1913, Liste Nf. Wünsch: 1. Ernst Lommatzsch, 1871 Erlebach/Sa.­Meini­ ngen–1949 Marburg, Habil. Freiburg 1901 mit einer Arbeit zur antiken Medizingeschichte, 1905–1912 Ge­ neralredaktion Thesaurus linguae latinae München, HonProf. 1908 ebd., oö. Prof. Basel 1912 (Nf. Münzer), WS. 1913/14 Greifswald, 1922–1936 Marburg, Hg. der Schriften Büchelers, sonst wenig publiziert, Editor von carmina epigraphica, antike Medizingeschichte (LGH 2004, S. 148). – 2. Immisch (s. Catalogus). – 3a. Alfred Klotz, 1874 Zittau–1956 Erlangen, Habil. Straßburg 1905, oö. Prof. Prag 1911 (Nf. O. Plasberg), Kriegsteil­ nahme, 1916 als Hauptmann an der Somme schwer verwundet, Erlangen 1920–1939, Latinist, vornehmlich Editor (Cäsar, Cicero), für ein breiteres Publikum: Geschichte der römischen Literatur, 1924; in der „Wertwelt des deutschen Kaiserreichs“ verwurzelt, aus „kritischer Selbstbescheidung“ heraus sich von „subtiler Spekulation“ fernhaltend, auf „reinliche Aufbereitung von Quellenfiliationen, auf Worterklärung und Textkonstitution“ kon­ zentriert (lt. Otto Seel, Nachruf in: Gnomon 28, 1956, S. 398–400). – 3b. Max Pohlenz, 1872 Hänchen/Kr. Cott­ bus–1962 Göttingen, Wilamowitz­Schüler, Prom. zu Poseidonios’ Affektenlehre, Oberlehrer Berlin­Schöneberg 1900–1906, b. ao. Prof. Göttingen 1906, persönl. Ord. ebd. 1909, oö. Prof. ebd. 1916–1937, vornehmlich Grä­ zist, publizierte zum antiken Staatsrecht, zur Staatsgesinnung, Philosophiegeschichte (Stoa), griechische Tragiker, 1925 ff. Edition von Plutarchs ‚Moralia‘; 1909: Vom Zorne Gottes. Eine Studie über den Einfluß der griechischen Philosophie auf das alte Christentum, 1913: Aus Platons Werdezeit, beachtlich die posthum veröffent. ,Kleinen Schriften‘, 2 Bde., Hildesheim 1965. Bewies nicht erst mit seiner „Zusammenschau“: ‚Der hellenische Mensch‘ (1947), daß er, hierin Immisch ähnelnd (s. folgende Anm.), im Vergleich mit Altphilologen wie Lommatzsch und Klotz der bildungspolitisch weitaus ambitioniertere Vermittler des „Erbes der Alten“ war (vgl. Nachruf von H. Dörrie, in: Gnomon 34, 1962, S. 634–636). 1519 Immisch 1904, in seiner Leipziger Antrittsvorlesung über die „innere Entwicklung“ des griechischen Epos. Die unter dem Namen Homers gesammelten Epen seien in ihrer frühesten Entstehungszeit zu „einer Art Ge­ samtweltanschauung vereinigt“ worden, die erste Deutungsversuche zu den Rätseln von „Gott, Welt und Leben“ wagten. Illias und Odyssee artikulierten daher nur, was die „Volksgemeinschaft“ als ihren „allgemeinverbindlichen Kosmos“ fixiert habe (S. 4). In dem Maße, wie die „stabile Kultur“, die „innre Struktur des Gemeinschaftslebens von immer neuen Krisen erschüttert“ worden sei, hätte sich das archaische Epos aufgelöst, da in diesem „Spiegel­ bilde“ der Vergangenheit keine oder nur unbefriedigende Antworten auf neue „Fragen und Zweifel“ zu finden gewesen seien. 1520 Immisch hat während der 1890er Jahre in den Blättern für literarische Unterhaltung regelmäßig über Nietzsche und die rasant ansteigende Flut der Nietzsche­Literatur berichtet. Vor allem die „wissenschaftlich“ unhaltbaren, dualistischen Konstruktionen der griechischen Geschichte und Kultur mit ihrer romantischen Idealisierung des im „Dämmerschein“ gehaltenen 7. und 6. Jahrhunderts v. Chr. sowie die Dämonisierung der mit Sokrates ein­ setzenden „Dekadenz“ stießen Immisch so ab wie die falsche Vorstellung von der „Einheit des Griechenthums“. Insgesamt erkannte er in Nietzsches Schriften nichts weiter als eine weder originelle noch neue „Mischung aus antikem Cynismus und dem modernen Darwinismus“, die rasch zur Modephilosophie und Weltanschauung der „Jetztmenschheit“ und „Heutecultur“ geworden sei. Insoweit sei Nietzsche doch ein befremdlich „zeitgemäßer“ Verfasser ‚Unzeitgemäßer Betrachtungen‘. Immisch 1892, S. 450; ders. 1895b, S. 715 ff.; 1896, 369 ff., S. 404 ff., 1898, S. 57 ff. – Solche Nietzsche­Kritik dürfte dem Verfasser bei Ulrich von Wilamowitz­Moellendorff einen Stein im Brett verschafft haben, was sich dann 1907 bei der Berufung nach Gießen auszahlte, bei der er sich der entscheidend ins Gewicht fallenden Sekundanz des Berliner Großmeisters gewiß sein durfte, wie sein Nachrufer Alfred Klotz zu berichten weiß (1939, S. 6). 1518

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als unerschrockener Winkelried den gegen das Humanistische Gymnasium anrennenden Heerhaufen entgegenwarf, als Bewahrer des „Erbes der Alten“,1521 als nimmermüder Mahner der Fachgenossen auftrat, ihnen ins Stammbuch schreibend, die Philologie ja nicht zur „Wissenschaft des Nichtwissens­ werten“ degenerieren zu lassen,1522 sondern daran zu arbeiten, daß die Griechen „gerade in unserer Zeit“ die unentbehrlichen „Lebensführer“ bleiben, die die „Gesamthaltung und Richtung von Leben und Denken“ auch im 20. Jahrhundert bestimmen sollten.1523 Immisch stellte sich dabei in die fachliche Tradition von Boeckh – Karl Otfried Müller – Niebuhr – Welcker – Mommsen – O. Jahn – Usener, den um einen „weiteren Horizont“ bemühten Lieferanten „historischer Vollbilder“. Im Gegensatz dazu distanzierte er sich von der eng philologischen, gegen „großzügige Gesamtbilder“ die „Genauigkeit im Kleinsten“ einfordernden „klassizistischen“, die „ewig“ geltende Normativität antiker „Werte“ ohnehin voraussetzenden Richtung Gottfried Hermanns, wie sie gerade in Königsberg Lachmann, Lobeck, Lehrs und Ludwich ausschließlich repräsentierten.1524 Eine derartige Parteinahme mußte den Gießener Ordinarius Wünsch und Deubner nachdrücklichst empfehlen. In Königsberg setzte Immisch als geschickt argumentierender Anwalt der Antike diesen „Kampf für das Gymnasium“ gegen die Überzahl seiner nach der einer Industrienation angemesseneren „Real­ bildung“ lechzenden Feinde mit Verve konsequent fort. Noch den Einbruch der russischen Inva­ sionsarmeen in Ostpreußen im August 1914 erlebend, hielt Immisch als Verehrer des um die „in­ nere“, „ideale“ Erneuerung der Deutschen besorgten Paul de Lagarde1525 dann auch angesichts der Wirklichkeit des industrialisierten Krieges an der Unentbehrlichkeit klassischer Bildung fest. Gehörte der „hochgesinnte Universalismus“, der „zuversichtliche Menschheitsglaube“ für ihn doch zu den „edelsten“ der im Gymnasium vermittelten antiken „Traditionen“. Ohne diese „Anerkennung des Übernationalen“ könnten die ökonomisch und kolonialimperial, nun auch militärisch über Europa hinaus engagierten Deutschen schwerlich beanspruchen, ein „Weltvolk“ zu sein. Unter Berufung auf seinen neuen Freiburger Kollegen Friedrich Meinecke zeigte sich Immisch daher überzeugt, daß der moderne Nationalstaat sich umso gewisser behaupte, je mehr er seine Ansprüche derart legitimiere, daß sie „ ‚vor dem Richterstuhl des höchsten menschlichen Ideals‘ “ zu rechfertigen seien.1526 Ohne antike Formung, die im Innern zugleich die Ausbildung des „einheitlichen Stils“, damit der „inneren Geschlossenheit“ des staatlichen und sozialen Lebens befördere, sei dieser „deutsche Weltstaatsbürger“ aber kaum denkbar.1527 Immischs Nachfolger, der Berliner Extraordinarius Karl Meister, als Latinist und Sprachhistoriker berufen, lernte seinen neuen Wirkungsbereich erst 1916 kennen, als er verwundet von den Schlacht­

Unter diesem Titel sein erster größerer Auftritt vor den Berliner und Brandenburger Freunden des Humani­ stischen Gymnasiums im Dezember 1910. Hier konstatiert er mit Befriedigung das „neu erwachte Aneignungs­ bedürfnis“ gegenüber dem „Erbe der Alten“, das sich überall auswirke, im „Philhellenismus“ des „Stefan George­ kreises“ wie in allerorten avisierten „humanistischen Ausgaben“ griechischer und römischer Klassiker (Immisch 1911, S. 3 f., 17 ff., 31). Ähnlich Immisch 1913. 1522 Vgl. die in Zeiten, in denen Professuren für Logistikmanagement, Hefesystemtechnik oder Journalistik mit­ samt metasasenartig wuchernden, allerlei „Kommunikation“, „Werbung & Touristik“ gebärenden Subdisziplinen, ausgelobt werden, unveraltet lesenswerte, erfrischend scharfe, keinesfalls auf die Altphilologie zu begrenzende Attacke von L. Hatvany, ,Die Wissenschaft des nicht Wissenswerten‘, 1908. 1523 Immisch 1909, S. 17. 1524 Über die beiden Hauptrichtungen in der Klass. Philologie des 19. Jahrhunderts, ebd., S. 96–118, hier zit. 97, 103 f. 1525 Ders. 1894 und 1895a über den „heldenmüthigen und prophetischen Streiter“ für eine „religiöse Erneuerung seines Volkes“, der sich dem belanglosen Vorwurf des „Antisemitismus“ ausgesetzt gesehen habe. 1526 Immisch 1916, S. 31. 1527 Ebd., S. 20, 28 f. 1521

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feldern des Weltkrieges heimkehrte.1528 Mit Wünsch zusammen verließ 1913 der kaum etablierte Chri­ stian Jensen Königsberg, um einen Jenaer Lehrstuhl zu übernehmen, für vier Jahre, bevor der Menan­ der­Kenner 1917 als Nachfolger Deubners – wiederum kurzzeitig – an den Pregel zurückkehrte. Sein Extraordinariat übernahm zum WS. 1913/14 der Berliner Privatdozent Heinrich Mutschmann, der sich als Gräzist auf die spätantike Philosophie spezialisiert und sich als Herausgeber des Sextus Empi­ ricus hervorgetan hatte.1529 Semitische Philologie, Ägyptologie, Assyriologie Die Entphilologisierung, die das Wirken von Wünsch und Deubner in den Altertumswissenschaften zur Folge hatte, erfaßte auch die philologischen „Orchideenfächer“. Eine Zäsur stellte die vorzeitige Emeritierung Gustav Jahns dar. Jahn hatte sich an der Universität ohnehin nie übermäßig engagiert, war mehrfach zu längeren Bibliotheksaufenthalten in Constantinopel und Cairo beurlaubt und bat dann, angeblich herzkrank, um seine Entlassung in den Ruhestand und um die Erlaubnis, seinen Wohnsitz wieder in Berlin nehmen zu dürfen, wo der als „Tanzvater Jahn“ bekannte, offenbar noch recht lebenslustige Orientalist bis 1917 seine Pension genoß.1530 In seinen zwölf Königsberger Jahren ließ er sich ganz becircen vom ‚Buch über die Grammatik‘, mit dem der persische Sprachgelehrte Siba­ waih das System der arabischen Grammatik Ende des 8. Jahrhunderts n. Chr. fixiert hatte und das Jahn nun übersetzend und erklärend aufbereitete.1531 Aus diesem engen sprachwissenschaftlichen und ­historischen Grenzen führte der gegen Jahns Widerstand berufene Carl Brockelmann heraus, der sich mit einer für „breite Kreise“ verständlichen ‚Geschichte der arabischen Litteratur‘ empfohlen hatte.1532 1528 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 81–82; PhilFak – PrMK v. 26. 6. 1914, Liste Nf. Immisch: 1. K. Meister, s. Catalogus. – 2. Max Pohlenz (s. o. Anm. 1518) – 3. Kurt Witte (s. o. Anm. 1517). Meister profitierte in dieser Laudatio vom Ruf seines Vaters, des Leipziger Kenners der griechischen Dialekte, des Epigraphikers Richard Mei­ ster. Publiziert habe der Sohn bislang wenig, doch, mit seiner Dissertation über den syntaktischen Gebrauch des Genitivs in kretischen Dialektinschriften (Leipzig) zunächst auf den Spuren des Vaters wandelnd, habe er sich seit der Leipziger Habilitation (1909: Das Pilgerbuch der Aetheria) ein eigenes Forschungsfeld erschlossen, auf dem er Wilhelm Schulzes „bahnbrechende“ Arbeiten über römische Personennamen nun auf dem Gebiet der Ortsnamen fortsetze. Eine Studie über die italischen Eigennamen griechischen Ursprungs befände sich im Druck. Bei Pohlenz und Witte, beide schon auf den Listen Nf. Ludwich und Nf. Jensen (s. o.), dürfte man gewußt haben, daß im Ministerium keine Neigung bestand, einen von ihnen nach Königsberg zu rufen. Zu Pohlenz ging die Laudatio zudem etwas auf Distanz mit einer Wendung, die nahelegte, er sei eigentlich mehr Philosophiehistoriker als Phi­ lologe, und bei Witte, dessen Vielseitigkeit gelobt und dem angerechnet wurde, daß ihn Kroll zur RE­Redaktion herangezogen habe, gab man zu erkennen, daß er dann doch zu sehr Gräzist sei. Mutschmann, der inzwischen Jensens Extraordinariat einnahm, blieb unberücksichtigt, da „noch nicht ausgewiesen“. 1529 Ebd., Bd. XXVI, unpag; PhilFak – PrMK v. 26. 7. 1913, Liste Nf. Jensen: 1. H. Mutschmann (s. Catalogus), 2. H. Schultz (s. o. Anm. 1517), 3. K. Witte (s. o. Anm. 1517). 1530 Biographisch ist nicht mehr über ihn erschienen als man dem Nachruf in der VZ v. 9. 9. 1917 entnehmen kann. Den „Tanzvater“ überliefern die Erinnerungen Brockelmanns 1981, S. 39 f., wo Jahn, „ein wohlhabender Junggeselle“, nicht gut wegkommt, als „richtiger deutscher Philister“ (S. 31) gebrandmarkt wird, der in Berliner Vergnügungslokalen „seine Erholung gesucht“ und den es dorthin zurückgezogen habe. Tatsächlich fühlte sich der Emeritus bald nach seiner Übersiedlung in die Reichshauptstadt so kregel, daß er an der Berliner Universität wieder Vorlesungen halten wollte, ein Begehren, das viel Staub aufwirbelte, da sich der Orientalist direkt an den Kaiser und an die Öffentlichkeit wandte, das aber trotzdem unerfüllt blieb (GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. XIII, Bl. 111, 180–193). Vgl. nun Mangold 2004, S. 94. 1531 G. Jahn, 2 Bde. 1895–1900. 1532 Brockelmann 1901; zweite, in Königsberg erarbeitete Ausgabe 1909a. Dabei handelt es sich um einen Extrakt seines zweibändigen, 1.300 Seiten umfassenden, sehr zitatenreichen, einem weiten Literaturbegriff huldigenden, neben Poesie auch die religiöse, historische, juristische und grammatische Textproduktion einbeziehenden Kolos­ salwerkes: Geschichte der arabischen Litteratur (von den Anfängen bis Ende des 19. Jhs., 1898/1902), das den

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Anknüpfungsmöglichkeiten an seinen Vorgänger eröffnete sie nicht. Von ihm, so lamentierte Brockel­ mann, übernahm er lediglich – widerwillig – „mehrere Ostjuden“, die zur Promotion strebten und die er „unter großen Schwierigkeiten abwimmeln mußte“. Danach scheint ihn die Lehrtätigkeit („weit weniger befriedigend als in Breslau“) kaum okkupiert zu haben, so daß er sich einerseits dem liebsten seiner Bücher, der ‚Grammatik der semitischen Sprachen‘1533 widmen, andererseits aber seine For­ schungsaktivitäten ausdehnen und in den Lehrplan, neben den unumgänglichen Sprachübungen, auch historische und kulturhistorische Themen aufnehmen konnte.1534 So kündigte Brockelmann mehrmals das ‚Leben Mohammeds und die Geschichte des ältesten Islam‘ an, gab einen ‚Überblick über die Geschichte des Islam von den Umaijaden bis auf die Neuzeit‘, behandelte die ‚Geschichte der osmanischen Reiches‘ und las über ‚Arabische Geographen‘.1535 Ihre Entsprechung fand diese Wen­ dung ins Populäre in seiner vor dem Wechsel nach Breslau publizierten ausladenden Arbeit ‚Der Islam von seinen Anfängen bis auf die Gegenwart‘, die, opulent mit Fotos, farbigen Karten und Tafeln aus­ gestattet, in den für die repräsentative bildungsbürgerliche Bibliothek bestimmten Prachtbänden von „Ullsteins Weltgeschichte“ erschien. Brockelmann, wie viele Orientalisten dem Islam herzlich abge­ neigt, kombinierte darin eine pure Faktenreihung, positivistisch­trocken, langweilig und wertungsarm, mit maliziösen Hinweisen auf die ungemein „weltlichen“ Antriebsfedern einer letztlich eben für defi­ zitär erachteten religiösen Weltanschauung. Das beginnt bei den in die Nähe von Wahnideen ge­ rückten „Halluzinationen“ des Propheten, dessen Vorstellungen vom Paradies „ganz im Stile einer al­ tarabischen Weinschenke mit aufmerksam weiblicher Bedienung“ gehalten seien, und endet mit dem Porträt des nach 1880 den Südsudan aufwühlenden Mahdi, hinter dessen fundamentalistischem Rigo­ rismus sich eine Neigung zum Wohlleben kaum verborgen habe: „gleich dem Propheten erfüllte ihn eine starke Leidenschaft für die Weiber“.1536 Diese thematische Öffnung warf in den 1890er Jahren fern vom Lehrstuhls Jahns schon vielerorts ihre Schatten voraus, wurde vom „Tanzvater“ jedoch ignoriert. Als Brockelmanns Vor­ und Mitläufer sind insoweit eher der rechtshistorisch forschende Assyriologe Felix Peiser und der Ägyptologe Wal­ ter Wreszinski anzusehen.1537 Von der hohen Warte des Übervaters der deutschen Ägyptologie, Adolf Erman, nahm sich die Gewährung eines Lehrauftrags für seinen Schüler Wreszinski freilich genauso überflüssig aus wie die Etablierung eines Assyriologen ausgerechnet im „sibirischen“ Ostpreußen. Wie Peiser jüdischer Herkunft, 1880 in Mogilno geboren, 1883 vermutlich mit seinen Eltern auf der Flucht vor Pogromen aus Rußland nach Berlin gelangt, war Wreszinski von Erman zur Mitarbeit am ‚Ägyptischen Wörterbuch‘ der Preußischen Akademie herangezogen worden. 1904 in Berlin über ‚Die Hohenpriester des Amon‘ promoviert, nahm er 1907 an einer Grabungsexpedition der Deutschen Orient Gesellschaft teil und half mit, den Tempel von Sahwe freizulegen, wandte sein Interesse auf ägyptische Medizingeschichte und durfte daneben den fünften Textband von Richard Lepsius’ Monu­ mentalwerk der ‚Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien‘ edieren. Damit stand die Laufbahn Wreszins­ kis, eines jungen Mannes in „guten Vermögensverhältnissen“, scheinbar unter günstigeren Sternen als Stoff verschwenderisch ausbreitet, aber über die eintönige Aneinanderreihung von Inhaltsreferaten und Kurz­ biographien nicht hinausgelangt. Ebensowenig wie der Ableger über: ‚Die syrische und die christlich­arabische Litteratur‘, Brockelmann 1909b. – Die Ministerialakte für diese Zeit ist verloren, daher die Berufungsmotive nur andeutungsweise im Vorschlag für das Zivilkabinett, GStA, Rep. 89, Nr. 21662, Bl. 171. Brockelmann 1981, S. 31, 40, erwähnt, Jahn habe versucht, ihm den Ruf nach Königsberg zu verderben, konnte sich aber schließlich in der Kommission nicht gegen ihn stellen. – Zu Brockelmann vgl. Fück 1958. 1533 Der erste Band des ‚Grundriß der vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen‘ erschien 1907, ein Auszug daraus als Göschen­Bändchen 1906. 1534 Brockelmann 1981, S. 41. 1535 Lt. VV im KUK, Jgg. 1906–1909. 1536 Brockelmann 1910, S. 138, 304. 1537 Zu Peiser s. o. Kap. 2.2.4.1.

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die Peisers, und doch endete sie genauso abrupt 1909 auf dem Königsberger Abstellgleis, nachdem er sich in Breslau, dort wegen der starken (katholischen) Theologie einen „guten Boden für Ägyptologie“ vermutend, vergeblich um eine Habilitation bemüht hatte.1538 Das Ansehen im Fach war offenbar nach Erscheinen seiner Habilitationsschrift über die ‚Medizin der Ägypter‘ schon beschädigt. Für Erman brachte die Arbeit weder sprachlich noch sachlich Fort­ schritte, zeigte vielmehr, daß ihr Verfasser einer solchen „philologischen Arbeit“ nicht gewachsen war. Mit dem großen Plan eines Atlas zur Kulturgeschichte Ägyptens hätte Wreszinski sich demnach ein seiner Begabung mehr entgegenkommendes Forschungsfeld gesucht. Und doch vermochte er Ermans Gunst nicht zu erringen: Allein die Grabbilder, aufgenommen auf langen, kostspieligen Forschungs­ reisen 1909/10 und 1912/13, böten „wichtiges kulturgeschichtliches Material“, aber schon Wres­ zinskis Text dazu offenbare alten Schwächen: „Effekthascherei und phrasenhaftes Geschwätz, so als hielte er Vortrag vor gewissen Kreisen des modernsten Berlin“. Seine Neigung und Begabung sei im Grunde genommen eine journalistische; als Gelehrter werde er nie Bedeutendes leisten. Mit Blick auf die gerade eröffnete Frankfurter Universität höhnte Erman, dort sei er „am ehesten am Platze“, wo ja nach Art der Posener Akademie mehr populäre Vorträge gehalten würden, dort könnte Wreszinski am besten „Propaganda für die Altertumskunde“ treiben. 1539 Der von seinen Kollegen so wenig erbaute Brockelmann freute sich 1910 über den Ruf nach Halle, wo die Deutsche Morgenländische Gesellschaft mit ihrer unerschöpflichen Bibliothek residierte und Orientalisten schon deswegen ein traditionell fruchtbareres Arbeitsfeld fanden als auf dem verkarsteten Boden Ostpreußens. An seiner statt schlug die Fakultät den Schweizer Friedrich Schultheß und den Gießener Ordinarius Friedrich Schwally vor.1540 Das Ministerium entschied sich für den jüngeren, preiswerteren Göttinger Privatdozenten Schultheß, Jahrgang 1868, einem der letzten Schüler des 1891 verstorbenen Paul de Lagarde. Dessen Anregungen schienen ihn nachhaltig geprägt zu haben, so daß er sich auch von seinem Straßburger Doktorvater, dem Arabisten Theodor Noeldeke, nicht mehr von seinen syrischen Sprachstudien abbringen ließ, die ihm die Mitarbeit an der Kirchenväterausgabe ein­ trugen und ihn für Jahre einbanden in die Erforschung der syrischen Quellen zur Geschichte der griechischen Kirchenväter, bis endlich die Edition syrischer Kanones zu den Synoden von Nicaea und Chalcedon vorlag.1541 Von da aus tastete er sich ins Gebiet der christlich­palästinensischen Literatur

GStA …, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, Bl. 127; Meldung Habil. Wreszinski v. 29. 7. 1909. Den Weg nach Königsberg dürfte eine alte Bekanntschaft mit Brockelmann, aus dessen Zeit als Lehrer am Berliner Orientalischen Seminar (1900), geebnet haben. Vgl. Brockelmann 1981, S. 36, einen „jungen jüdischen Ägyptologen“ erwähnend, der sich bei ihm nachher in Königsberg habilitiert habe. 1539 Ebd., Bl. 298–300; Erman – PrMK v. 22. 1. 1916. Trotzdem vollzog das PrMK die Ernennung zum Tit. Prof. per Erlaß v. 16. 2. 1916, der Empfehlung der Fakultät folgend (ebd., Bl. 293–294; Antrag v. 31. 8. 1915 u. Bl. 301; Erlaß), die betont hatte, daß W. bis zu 40 Hörer anziehe. Für Königsberg wirklich eine erstaunliche Zahl, die sich aber durch den großen Zuspruch des außerakademischen Publikums zu den Vorlesungen über Kunst­, Religions­ und Kulturgeschichte Ägyptens erklärt, während die philologischen Übungen zumeist mangels Interesse ausfielen oder mit 1–2 Hörern stattfanden, ausweislich der nach Quästorangaben erstellten Statistiken in: GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. VIII, Nr. 1, Bd. XIX. – Wesentlich günstiger urteilte der Heidelberger Ägyptologe Hermann Ranke über Wreszinskis Habilschrift (OLZ 1910, Sp. 21) und den sie fortsetzenden Band: ‚Der Londoner medizinische Papyrus‘ (1912; OLZ 1913, Sp. 499–501). Auch zu kritischen Einwänden gegen Wreszinskis Lepsius­Edition (1913) sah der DLZ­Rezensent G. Möller 1914, Sp. 1839 f., keinen Anlaß. 1540 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 144–149; PhilFak – PrMK v. 15. 2. 1910, Liste Nf. Brockelmann: 1. F. Schultheß (s. Catalogus). – 2. F. Schwally (s. Catalogus). – 3. Nikolaus Rhodokanakis, 1876 Alexandria–1945 Graz, Schüler Noeldekes, Habil. Wien 1903, 1904 Umhabil. Graz, b. ao. Prof. ebd. 1907, oö. Prof. ebd. 1917, Arabist und Semitist, international renommierter Spezialist für Sprache und Kultur des südlichen Arabiens (sehr ausführliches Lebensbild von Grohmann 1946). 1541 Schultheß 1908. 1538

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vor, auch um der „Sprache Jesu“ willen,1542 und, kurz vor der Königsberger Berufung, fand er zu einem intensiven Studium des Arabischen. Erst unmittelbar vor seinem frühen Tod, 1922 in Basel, bewies Schultheß, daß er sein Fachgebiet auch einem größeren bildungsbürgerlichen Kreis nahe zu bringen vermochte. In einem nicht mehr gehaltenen „Akademischen Aulavortrag“ über ‚Die Machtmittel des Islams‘ ordnete er den im frühen 20. Jahrhundert zu beobachtenden, nicht allein von Basler Zuhörern als bedrohlich empfundenen, ein „morsches Christentum“ überflügelnden „Siegeszug“ dieser religiösen Weltanschauung in ein welthistorisches Panorama ein, das wenig vom zeitgenössischen Spenglerschen Untergangs­Pessimismus angekränkelt war. Beruhigend sollte dabei die Akzentuierung einer letztlich begrenzten Attraktivität eines „Religionsfanatismus“ wirken, dessen Jenseitsglaube sich das Paradies als „Vergnügungsetablissement geringster Sorte“ vorstelle. Mit derartig primitivem geistigen Rüstzeug ausgestattet, verwundere es kaum, den Islam, in seiner „mittelalterlich­scholastischen Gestalt“ genauso wie in den auf „Wiederbringung“ des „unverfälschten“ Glaubens und „Vertilgung der Ungläubigen“ fixierten Konventikeln und Bruderschaften in der „Verteidigung“ zu sehen. Zukunftsfähig schien da­ her allein der die Synthese mit der abendländischen Wissenschaft anstrebende „Reformislam“, der auch der christlichen Mission, vor allem in Niederländisch­Indien, neue Perspektiven eröffne.1543 Die vier Jahre, die Schultheß bis zu seinem Wechsel auf den Lehrstuhl Enno Littmanns an der Straßburger Reichsuniversität, an der Albertina lehrte, dürften ihm schwer geworden sein. Ein bis drei Teilnehmer an den Einführungen ins Arabische oder Syrische entsprachen nun einmal Königsberger Orientalistennorm, die er nur durchbrach als er, nach dem Vorbild des Kollegen Wreszinski, ins Popu­ lär­Kulturgeschichtliche auswich und im WS. 1911/12 eine Vorlesung über das „Leben Mohammeds“ anzeigte, die 40 Hörer belegten, während er „Arabisch I“ mit einem einzigen Studenten übte.1544 Wohl um wieder an Brockelmanns stärker kultur­ und literaturhistorisch ausgerichtete Veranstal­ tungen anzuknüpfen, favorisierte die Fakultät für die Wiederbesetzung des Schultheß­Lehrstuhls an­ fangs den Greifswalder Ordinarius Mark Lidzbarski als Fachmann für die vergleichende orientalische Sagen­ und Märchenkunde. Da er aber alles in allem sich doch zu sehr auf semitistische Epigraphik spezialisiert habe, schlug sie ihn zugunsten des von ihr schon 1910 gewünschten Noeldeke­Schülers Schwally nur an zweiter Stelle vor.1545 Ausdrücklich als „Islamkenner“, ausgewiesen durch Studien zur Entstehungsgeschichte des Koran, gewürdigt als „starker Arabist“, sowie, für die Kommission aus­ schlaggebend, als „Philologe und Kulturhistoriker“, wollte man Schwally gewinnen, der sich zudem in der embryonal entwickelten Turkologie umzuschauen begann und soeben eine Studie zur Landes­ Schon in Königsberg begonnen, schloß Schultheß in Straßburg eine ‚Grammatik des christlich­palästinen­ sischen Aramäisch‘ ab, die Littmann erst 1924 aus dem Nachlaß herausgab. Zur ‚Sprache Jesu‘: Schultheß 1917. 1543 Schultheß 1922, S. 1 f., 4, 9–13, 16 f., 22 f. 1544 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. VIII, Nr. 1, Bd. XIX. 1545 Ebd., Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVII, Bl. 41–46; PhilFak – PrMK v. 17. 12. 1913, Liste Nf. Schultheß: 1. F. Schwally (s. Catalogus). – 2. M. Lidzbarski, 1868 Plock/Russ. Polen–1928 Göttingen, Prom. Leipzig 1893, Habil. f. orien­ talische Sprachen Kiel 1896, oö. Prof. Greifswald 1907 (Nf. Ahlwardt), Göttingen WS. 1917/18 (Nf. Littmann), vgl. LGH 2004, S. 142 f.. – 3a. Eugen Mittwoch, 1876 Schrimm/Posen–1942 London, Prom. 1899 FWU: Pro­ elia arabum paganorum quomodo literis tradita sint, 1905 ebd. Habil. f. Semitische Philologe, 1908 Lektor am Seminar für Orientalische Sprachen, nb. ao. Prof. FWU 1915, 1917 Nf. Lidzbarskis in Greifswald (s. LGH 2004, S. 164 f.), 1919 Berlin, Direktor des Seminars f. Orientalische Sprachen. Der Berliner Semitist, wie Lidzbarski jüdischer Herkunft, erfuhr eine ausführliche, von ernsthaftem Interesse zeugende Würdigung als bester Kenner des Amharischen und der abessinischen Dialekte, zudem „tüchtig“ auf dem Feld der arabischen Literatur; aufschluß­ reich seine Studie ‚Zur Entstehungsgeschichte des islamischen Gebets und Ritus‘ (1913), wo er „die Abhängigkeit des alten Islams vom Judentum“ auf dem wenig beachteten Gebiet des Kultus nachweise. Friedrich Sarre verdanke M. manche Hilfe bei seinen Forschungen zur Geschichte der islamischen Kunst. – Gleich zu Kriegsbeginn ver­ öffentlichte Mittwoch eine Broschüre (1914) über die Bedeutung, die dem ausgerufenen Dschihad beim Kampf des deutschen Bundesgenossen, der „muslimischen Vormacht“ Türkei, gegen die Entente zukomme. – 3b. Rhodo­ kanakis (s. o. Anm. 1540). 1542

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kunde Ägyptens publiziert hatte.1546 Warum er, der gebürtige Hesse, der zu den führenden deutschen Arabisten zählte, dem Noeldeke die Neuausgabe und Umarbeitung seines Lebenswerkes, der ‚Ge­ schichte des Qoran‘, anvertraut hatte, sein Gießener Ordinariat aufgab, um in den seinem Fach wenig günstigen Nordosten zu gehen, bleibt unerklärlich. Daß er dort, da vier Monate nach seinem Eintref­ fen der Erste Weltkrieg ausbrach, als Lehrer, abgesehen von Kursen zur Einführung in die Sprache des türkischen Alliierten, gänzlich zur Untätigkeit verdammt sein würde, konnte er allerdings so wenig ahnen wie seinen frühen Herztod, der ihn in Königsberg während der chaotischen Wochen nach der Novemberrevolution ereilte.1547 Die Vorschläge der Fakultät spiegeln sehr anschaulich den Umbruch wider, der sich in der deut­ schen Orientalistik vor 1914 ankündigte. Wie den Altertumswissenschaften und den Neuphilologien stand ihr eine kulturkundliche Wende bevor. Die philologische Tradition, die die Fachentwicklung im 19. Jahrhundert bestimmte, als Orientalisten sich aus der Umklammerung der Theologie befreiten, der sie lange als „Hilfswissenschaft“ zugeordnet waren, wurde um 1900 von vielen Jüngeren als lebens­ fremd empfunden und als „ ‚grammatischer Kleinkram‘ “ kritisiert. Im Gegensatz zu August Müller, dessen Geschichte des Islam bereits eine große Bereitschaft zeigte, sich den „Realien“, Kultur, Wirt­ schaft und Politik Arabiens, zuzuwenden, war der Textkritiker und Editor Gustav Jahn ein typischer Vertreter der „Nur­Philologie“, zu der auch Schultheß, als „Philologe von seltener Akribie“, im Urteil der Kollegen noch gehörte,1548 während Brockelmann (mehr) und Schwally (weniger) zwar als Gram­ matiker fachliches Ansehen genossen, doch bereits offen gegenüber dem neueren, „islamkundlichen“, auf die semitischen Kulturen „ganzheitlich“ zufassenden, weltanschaulich „orientierenden“ Ansatz waren, den jüngere Fachgenossen wie Carl Heinrich Becker zugleich als den praxistauglicheren, im Gegensatz zur philologischen Stubengelehrsamkeit auch ein Verständnis aktueller Verhältnisse und Entwicklungen im Nahen Osten vermittelnden profilierten.1549 Den Assyriologen Peiser, 1898 Gründer und seitdem Herausgeber des führenden orientalistischen Fachorgans, der OLZ, charakterisierten Kollegen halb anerkennend, halb vorwurfsvoll als Feind aller philologisch­positivistischen Pedanterie, da es ihm um die „großen Linien“ gehe. Deshalb habe bei ihm auch die Bearbeitung der Staatsaltertümer vor der der Privataltertümer Vorrang. Selbst Alttesta­ Vgl. Schwally 1912; dort S. 39 ff. ein Streiflicht zum Kampf der als Hilfstruppen der Türken fechtenden Senoussi (Senusija) gegen den auf Libyien zugreifenden italienischen Imperialismus. Schwally hatte den Kriegs­ schauplatz in der Cyrenaika besucht und zeigte verhaltene Sympathie für die Wüstenkämpfer, die seinem Eindruck nach nicht vom „panislamischen Empfinden“, sondern vom „Bewußtsein naher Verwandtschaft mit den tripolita­ nischen Nomaden“ zur Waffe gegriffen hätten. 1547 Wie der Leipziger Assyriologe Heinrich Zimmern, 1889 in Königsberg habilitiert, zum frühzeitigen Ableben seines Schwagers Schwally festhielt, war dies weniger revolutionären Turbulenzen geschuldet, als der „anglo­ame­ rikanischen Hungerblockade, der gegenüber seine bereits etwas angegriffene Konstitution sich auf die Dauer nicht widerstandskräftig genug erwies“. Vgl. Vorbemerkung zu Schwally 1919, S. III. 1548 Mangold 2004, S. 263, erwähnt die Beurteilung durch die Bonner Fakultät, die den Königsberger Ordinarius zum WS.1913/14 nur an zweiter Stelle für die Nachfolge Eugen Pryms (1843–1913) vorschlug. Hinter Enno Littmann, der favorisiert wurde, weil er außer seiner philologischen Qualifikation noch über eine kulturkundliche („volkskundliche“) verfügte. Berufen wurde dann sogar der Drittplazierte Carl Heinrich Becker als „Vertreter einer ‚ausgesprochenen historischen und kulturhistorischen Richtung‘ “. Neben dem am Berliner Seminar für orienta­ lische Sprachen in der Diplomatenausbildung tätigen Martin Hartmann war Becker, seit 1908 am ebenfalls stark praxisbezogenen Hamburger Kolonial­Institut tätig, der wichtigste und am Ende erfolgreichste Verfechter einer kulturkundlichen Orientalistik, die als „Islamkunde“ aber erst in den 1920er Jahren, als Becker die beherrschende Gestalt im Berliner Kultusministerium war, die Lehrstühle eroberte. 1549 Wie die Königsberger Berufungsfolge Brockelmann – Schultheß – Schwally zeigt, erwies sich die philologische Tradition bis zum Ersten Weltkrieg noch als dominant. Ihren stärksten Rückhalt hatte sie in August Fischers Leip­ ziger Schule. Zur Fachentwicklung zwischen 1900 und 1914 vgl. die ausgezeichnete Darstellung von Mangold 2004, S. 251–288. 1546

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mentler wie Willy Staerk (Jena) und der Ex­Königsberger Carl Cornill (Breslau), ein erklärter Gegner der „jüngeren assyriologischen Schule“, erkannten dies an. Für Staerk lag es sogar im wissenschafts­ politischen Interesse der Alttestamentler, Peiser zum Nachfolger von Brockelmann zu machen, da damit endlich ein Einbruch in die Front des „arabischen Klassicismus“ gelinge, der bestrebt sei, die Assyriologe „in den Hintergrund zu drängen“. In der Tat schlugen Bezzenberger, eng mit Peiser in der Altertumsgesellschaft Prussia verbunden, und der Anglist Kaluza den Erforscher der vorderasia­ tischen Reiche 1910 für den Lehrstuhl Brockelmanns vor, scheiterten aber an der Fakultätsmehrheit. Ungeachtet der minimalen Belegzahlen von Peisers Kollegs war die Fakultät jedoch bereit, für ihn ein beamtetes Extraordinariat zu fordern, was mit dem üblichen Hinweis auf die Haushaltslage vom Ministerium abgelehnt wurde.1550 Deutsche Philologie Wurde in den Altertumswissenschaften der schnelle Wechsel zeitweilig zur Plage, klagten die Germa­ nisten zu Jahrhundertbeginn über den faktischen Stillstand, da Schade, Jahrgang 1826, auch nach vierzig Jahren als Ordinarius sich nicht zur Ruhe setzen wollte, und Baumgart, 1908 mit 65 Jahren eigentlich auch pensionsreif, ebenfalls keine Amtsmüdigkeit zeigte. Zum Sommersemester 1906 stellte der „alte Schade“ endlich seine Vorlesungen ein, und mit Rudolf Meissner kam die ersehnte „jüngere Kraft“, von der man eine „durchgreifende Tätigkeit in Vorlesung und Seminar“ erwartete.1551 Meissner beendete, wie nicht nur Ernst Wiechert das empfunden haben dürfte, die „schreckliche Beziehungs­ losigkeit“ der philologischen Wissenschaft „zum Herzschlag des Menschen“, die Schade verkörperte, der zuletzt „wie eine uralte Eule, den schönen, ehrwürdigen Kopf über seine Blätter geneigt“ hinter dem Pult „hockte“.1552 Meissner hingegen war der „Typus des neuen Germanisten“, war, „was man wohl einen ‚modernen‘ Menschen“ nennt, der die Aufgabe zugewiesen bekam, „das stehende Gewässer der Albertina aufzurühren“.1553 Deshalb überschritt er mit seinem Unterrichtsangebot die engen Gren­ zen seines altnordischen Spezialfachs und der Altgermanistik, griff in Vorlesung und Seminar literatur­ historisch dorthin aus, wohin sich Baumgart nie verirrte hätte, ins späte 19. Jahrhundert, und sprach, in öffentlichen Vorträgen, über Ibsen oder Wedekind.1554 Trotz ansehnlicher Hörerzahlen mußte er den GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 284 ff.; PhilFak – PrMK v. 5. 5. 1910, Antrag b. ao. Prof. f. Peiser, dazu Sonder­ votum Bezzenberger/Kaluza, diverse Stellungnahmen von Delitzsch, Cornill, Staerk, Sachau u. a. aus Privatschrei­ ben an Bezzenberger; ebd., Bl. 320; PrMK – Kurator v. 11. 1. 1911, Ablehnung des Antrags wegen fehlender finanzieller Mittel. 1551 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 258–262; PhilFak an PrMK v. 20. 2. 1906. Meissner war Jg. 1862. An 2. Stelle stand der nicht mehr ganz so junge Gustav Ehrismann, 1855 Pforzheim–1941 Hamburg­Altona, Prom. Heidelberg 1880, Habil. ebd. 1897: Untersuchungen über das mittelhochdeutsche Gedicht von der Minne­ burg, 1901 ao. Prof. ebd., 1909–1924 oö. Prof. Greifswald, ungemein produktiver Germanist, auch außerhalb der Fachgrenzen bekannt geworden mit seiner vierbändigen, nicht in einem germanistischen Fachverlag, sondern bei C. H. Beck veröffentlichten ‚Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters‘ (1918–1935). – 3. Victor Michels, 1866 Staßfurt–1928 Jena, 1892 Habil. bei Moritz Heyne und Gustav Roethe in Göttingen: Studien über die ältesten deutschen Fastnachtspiele, 1895–1929 ord. Prof. Jena, ein literarisch wenig fruchtbarer Spezialist für das Mittelhochdeutsche, Herausgeber der Schriften Thomas Murners (ab 1918). Wie Uhl, so kamen Meissner u. Michels aus der Göttinger Schule Heynes. 1552 Wiechert 1949, S. 17. Milder fällt das Urteil über Baumgart aus: „im Weltanschaulichen und Wissenschaft­ lichen von äußerstem Konservatismus“, der Strindberg und Wedekind ignorierte, weil man ja auch „von Lustmör­ dern nicht gern und nur unter Zwang zu sprechen pflegt“, sei er doch ein „Lehrer des Echten und Wesentlichen“ und „pflichttreuer Arbeiter“ gewesen (ebd., S. 24). 1553 Wiechert 1949, S. 82 f.; zu einem der „bedeutendsten Nordisten seiner Generation“ s. Belz 1970 und H. Brinkmann 1994. 1554 Über Ibsen bot Meissner im WS. 1907/08 auch eine Veranstaltung im Dt. Seminar an. 1550

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Pokal für den beliebtesten Dozenten allerdings Baumgart überlassen, in dessen Vorlesungen über ‚Die Entwicklung des deutschen Dramas zwischen Lessing und Schiller‘ (SS. 1911: 230 Hörer) oder ‚Über die Faustsage und Goethes Faust‘ (1911/12: 276) die Massen strömten, wenn dabei auch ein stattliches Drittel auf die bildungsnahe Damenwelt Königsbergs gefallen sein mag.1555 Die Fakultät hatte den Göttinger Privatdozenten jedoch nicht als Vortragskünstler an erster Stelle vorgeschlagen, sondern als versierten Textkritiker mittelhochdeutscher Literatur, als einen durch Mit­ arbeit an „Grimms Wörterbuch“ erprobten Kenner deutscher Sprachgeschichte sowie aufgrund seines 1902 publizierten Beitrages zur altnordischen Literaturgeschichte, mit der er bewiesen habe, daß er Philologie in einen größeren kulturgeschichtlichen Zusammenhang einzufügen wisse. Das ließ sich von seiner Untersuchung altnordischer Prosadichtung (‚Die Strengleikar‘) mit Fug und Recht sagen. Meissner entfaltet hier auf der Folie stilistischer Analysen eines Textes aus der Mitte des 13. Jahrhun­ derts den nicht nur unter Nordisten um 1900 beliebten kulturkritischen Dualismus, der das einfache, natürliche isländische, „wesentlich“ germanische Dasein gegen die unübersichtliche, gekünstelte, christlich­romanische Überfremdung setzt. Der Kollektivismus und Objektivismus, die Einbindung des Individuums in das Volk, wie sie die „unberührte altertümlichkeit der isländischen geschlechts­ sögur“ spiegele, steht gegen den Individualismus und Subjektivismus, wie sie mit christlichen Missio­ naren auf der Insel eingezogen seien, was sich stilistisch leicht an der Figur des sich vordrängenden Chronisten in der jüngeren Prosa ausmachen lasse. Dagegen vermittle die ältere Überlieferung, die „reine einfachheit des einheimischen sagastils“, eine Vorstellung von einer harmonischen Existenz­ form, die den Einzelnen so sehr im Einklang mit dem Ganzen wisse, daß auch die Erzähler, die den Sagenstoff nur mündlich tradiert hätten, anonyme Träger wahrer „Volksdichtung“ gewesen seien.1556 Mit diesem kulturkritischen, bis hin zu Ibsen ausbaufähigen und gegen die spätwilhelminische Gesell­ schaft ausschöpfbaren Deutungspotential, das mit seiner Huldigung der „heidnischen vorfahren“ auf die „bilder des nordens“ den Blick richten will, damit sich das Publikum ihnen zuwende, um einen Sinn für „unsere heimischen aufgaben“ zu wecken, bemühte sich auch Meissner um jene „germanisie­ rende Vereinnahmung Skandinaviens“, vor allem aber Islands als „präkapitalistische Idylle“, wie sie sein gleichaltriger Berliner Kollege Andreas Heusler protegierte und dessen Amtsnachfolger Gustav Neckel ab 1919 als Anleitung zur germanischen Lebensgestaltung gegen die Werteordnung der Weimarer Demokratie in Stellung brachte.1557 Wilhelm Uhl hingegen, zur Entlastung Schades 1901 zum beamteten Extraordinarius berufen, war „einer der wirklich Wunderlichen“, eine „vorzeitliche Erscheinung“,1558 von nur wenigen Studenten Nach den Angaben des Quästors zusammengestellte Statistiken für sämtliche Lehrveranstaltungen in GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. VIII, Nr. 1, Bd. XIX. 1556 Meissner 1902, bes. 1–12, 87 ff., 132, 319. 1557 Dazu neuerdings Jutta Hoffmann 2010, S. 176–197. Wie Neckel 1913 als Nachfolger Meissners auf der Königsberger Liste stand (s. u.), so begegneten die beiden sich als Konkurrenten auf der Berliner Liste Nf. Heusler wieder, wobei Neckel (zu Recht!) die deutlich größere Kompetenz zur ideologisch transformierbaren Vermittlung des „Germanischen Altertums“ zugetraut wurde (ebd., S. 222 f.). – Daß sich Meissner der weltanschaulichen Potenz seines Faches überaus bewußt war, zeigt seine penible Darstellung des Bonner Germanistischen Seminars (1933), das seit 1818 mit der „geistigen Annäherung der Rheinlande an das übrige Deutschland und auch an Preußen“ betraut war und deren Vertreter stets im „Dienst der nationalen Bewegung“ gestanden hätten. August Wilhelm Schlegel, als der erste Bonner Germanist, habe gar gemeint, das sein Fach für die Ausbildung von Ober­ lehrern eher entbehrlich sei, nicht aber aus Gründen der nationalen Erziehung (ebd., S. 217 f.). 1558 Wiechert 1949, S. 84 f.; dort auch zum biographischen Vorlauf: Uhl sei von seinem reichen Vater gezwungen worden, Offizier zu werden und habe sich als Offizier mutwillig die Karriere verdorben, um „sich der geliebten Germanistik in die Arme werfen [zu] können“, die ihm diese Liebe aber nicht vergolten habe. Erschwerend kam hinzu, daß er sich offenbar frühzeitig gesellschaftlich unmöglich gemacht hatte, da er mit seiner Haushälterin zusammen lebte, die ihm zwei uneheliche Kinder schenkte. – Nicht günstiger urteilt Brockelmann 1981, S. 40 f.: In der berüchtigten lothringischen Garnison Forbach habe Uhl sich „das Saufen angewöhnt“, hatte deswegen den 1555

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gehört, von der Kritik seiner Kollegen nicht gestreichelt. In die neuere Literaturgeschichte wagte er sich selten vor.1559 Seine Stoffsammlung über ‚Die deutsche Priamel‘ (1897), epigrammatische Spruch­ gedichte des 15. bis 17. Jahrhunderts, stieß bei Rezensenten bestenfalls auf Ratlosigkeit. 1908 erschien sein Hauptwerk ‚Winiliod‘, aus einem Vortrag vor der Hamburger Philologenversammlung von 1905 zu einem 500seitigen Opus aufgebläht, das Friedrich Panzer in einer Besprechung regelrecht zer­ stampfte: „das Seltsamste was in neueren Zeiten von einem Gelehrten auf den Markt gebracht wurde“, ein Werk, das besser nie gedruckt worden wäre, da es weniger die Arbeit eines Zeit­ und Fachgenossen sei, sondern mehr die eines M. Johannes Prätorius. Denn mit dem Behagen dieses Barock­Gelehrten breite Uhl seine Zettelkastensammlung aus, langweile mit endlosen Zitaten und offeriere zwischen­ durch schmunzelnd seine „Anschauungen von Welt und Leben“.1560 Daß diese kräftig „schwarz­weiß­ rot“ leuchteten, dokumentieren, neben den Sticheleien im ‚Winiliod,‘1561 Uhls Kaisergeburtstagsrede über ‚Der Kaiser im Liede‘,1562 und seine Vorträge über ‚Das deutsche Lied‘, die ihren bürgerlichen Zuhörern die Pflege des „Volksliedes“ ans Herz legen, um das aus dem „Parteigetriebe“ entsprossene Liedgut der Sozialdemokratie übertönen zu können,1563 denn „Not lehrt nicht nur beten, sondern auch singen!“1564 Rudolf Meissner folgte 1913 einem Ruf nach Bonn, und die Fakultät setzte den Roethe­Schüler Georg Baesecke an die Spitze ihres Vorschlags zur Neuberufung, den Gießener Extraordinarius Karl Helm an zweiter, den Heidelberger Edda­Forscher Gustav Neckel an dritter Stelle. Mit Neckel wäre die von Meissner gepflegte Nordistik in Königsberg weiter ausgebaut worden, doch danach stand niemandem der Sinn.1565 Stattdessen, wie die Laudationes zu Baesecke und Helm verrieten, sollte sich der Vertreter der älteren deutschen Philologie der regionalen Literaturgeschichte mehr zuwenden. Zwei Jahre, nachdem der von Meissner 1910 habilitierte Privatdozent Walther Ziesemer im Auftrag der Berliner Akademie die Arbeit am ‚Preußischen Wörterbuch‘ aufgenommen hatte, war diese Erwartung nur konsequent. Sie zu erfüllen, dafür empfahl sich Helm mit einer Edition der ‚Apokalypse Heinrichs von Hesler aus der Danziger Handschrift‘, die 1907 eine neue Reihe ‚Dichtungen des Deutschen Ordens‘ eröffnete. Und ebenso Baesecke, der, ausgehend vom ‚Wiener Oswald‘,1566 zu „wertvollen Untersuchungen über die literarische Kolonisation des Ostens“ fortgeschritten war.1567 Baesecke, mit Abschied bekommen, konnte aber auch in seinen neuen Verhältnissen nicht von der Flasche lassen; es sei daher kein „sehr anregender Verkehr“ mit ihm möglich gewesen. 1559 Zu den Ausnahmen zählt ein „gemeinverständlicher“ Vortrag über Conrad Ferdinand Meyer, der ungeachtet seiner Kürze dem Redner noch genügend Raum für seine notorischen Abschweifungen ließ, Uhl 1900a. 1560 Panzer 1910, Sp. 1485 f. 1561 Uhl 1908, S. 335 ff., über zeitgenössische Parteilieder, u. a. zum Typus des sozialdemokratischen „Kampf­ liedes“, für „solche, die unterdrückt zu sein glauben“ (Hervorhebung CT). 1562 Uhl 1899, S. 27, demzufolge sich 1871 eine „tausendjährige Sehnsucht“ erfüllte und „die kranke Zeit“ seit­ dem „geheilt“ sei. 1563 Uhl 1900b, S. 300. 1564 Dies geschrieben nach dem neuerlichen SPD­Erfolg bei den Reichstagswahlen von 1907: „Die gegenwärtige ‚innerpolitische‘ Lage wird vielleicht den rechten Flügel noch zur stärkeren Wiederaufnahme des Gesanges bewe­ gen“, zumal die SPD „mit scharfem Blicke die Wichtigkeit des Liedes“ erkannt habe und der Devise folge: „ ‚Wer das Lied beherrscht, der beherrscht die Zukunft‘ “ (Uhl 1908, S. 336 f.) 1565 Gustav Neckel, 1878 Wismar–1940 Dresden, Prom. FWU 1902 bei Andreas Heusler, Habil. Breslau 1909: Beiträge zur Eddaforschung, 1904–1911 Schuldienst in Breslau, 1911 b. ao. Prof. f. Nordische Philologie Hei­ delberg, 1920–1935 oö. Prof. f. Germanistik inbes. nordische Sprachen FWU als Nf. seines Lehrers Heusler.; vgl. IGL II, S. 1311 f. 1566 Von Baesecke 1912 „für akademische Übungen“ in Wilhelm Streitbergs Germanischer Bibliothek ediert. 1567 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; PhilFak – PrMK v. 4. 3. 1913, Liste Nf. Meiss­ ner. Die Reihe ‚Dichtungen des Deutschen Ordens‘, die mit Helms ‚Apokalypse‘­Edition eröffnete, war eine Un­ terreihe in Gustav Roethes Akademie­Reihe ‚Deutsche Texte des Mittelalters‘. K. Helm, 1871 Karlsruhe–1960

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dem mächtigen Fürsprecher, seinem Göttinger Lehrer Roethe,1568 dem Westpreußen und Förderer von Ziesemers ‚Wörterbuch‘, im Rücken, trat im SS. 1913 sein Königsberger Amt an, ohne jedoch bis 1920, als er nach Halle ging, die Ordensliteratur für sich oder seine Doktoranden zu einem Schwer­ punkt gemacht zu haben. Somit hinter Meissner zurückbleibend, der immerhin drei Dissertationen dazu angeregt hatte.1569 Stattdessen tauchte Baesecke in Königsberg immer tiefer ins Althochdeutsche ein, um aus dem „kleinliche[n] Brocken­ und Bruchstückwesen“, das ihr in der germanistischen For­ schung anhafte, zu einer „Geschichte der althochdeutschen Literatur“ vorzustoßen.1570 Er gelangte aber bis 1918 nur zu einer ihn weniger befriedigenden ‚Einführung in das Althochdeutsche‘.1571 Romanische und Englische Philologie Über Nacht wechselten im Herbst 1901 die romanistischen Ordinarien Alfons Kissner und Eduard Koschwitz die Plätze. Koschwitz, ein cholerisches Temperament, opferte im zähen Kampf gegen die auf Vermittlung der gesprochenen Sprache drängenden Reformer des Französischunterrichts seine Gesundheit und verstrickte sich in deren Hochburg Marburg so unauflösbar in Streitigkeiten, mußte „Unannehmlichkeiten und Reibereien persönlicher Natur“ erdulden, daß er, um vor den „Angriffen und Anfeindungen“ sicher zu sein, Althoff um Versetzung bat. Und dessen Wahl fiel auf Königs­ berg, wo ihn mit Kaluza ein freundlicherer Umgang erwartete, waren die beiden doch schlesische „Landsleute und Glaubensgenossen“, „Abiturienten desselben [Breslauer] Gymnasiums und Schüler derselben Universitätslehrer“.1572 In Kaluza fand er überdies den idealen Bundesgenossen, um seinen Marburg, Prom. 1895 Heidelberg, Habil. 1899 Gießen, 1904–1919 ebd. nb. ao. Prof., 1921 oö. Prof. Mar­ burg, 1913 hatte er gerade seine voluminöse ‚Altgermanische Religionsgeschichte‘ veröffentlicht (Bd. 2,1/1937, 2,2/1953); das Interesse an der Literatur des Dt. Ordens lebte nach 1945 wieder auf, als er zusammen mit dem aus Königsberg nach Marburg geflüchteten Ziesemer Handbuchartiges über ‚Die Literatur des Deutschen Ritter­ ordens‘ (1951, ND 1969) veröffentlichte. Vgl. IGL II, S. 713–715. 1568 Baesecke promovierte 1899 bei Roethe über ‚Die Sprache der Opitzischen Gedichtsammlungen von 1624 und 1625‘. 1569 Vgl. Rohde, Fritz, Ein mhd. gedicht über die kreuzigung, das begräbnis und die auferstehung Christi aus der Königsberger hs. nr. 905. Der Verfasser, geb. 1885 in Karalene bei Insterburg, wo sein Vater als Direktor des Lehrerseminars amtierte, war nach theol.­germ. Studien in Tübingen, Berlin und Königsberg 1911 von Meissner promoviert worden und schlug mit einem Volontariat an der UBK die Bibliothekslaufbahn ein, die 1950 mit der Pensionierung als Direktor der Marburger UB endete. – Ferner 1911 zum Abschluß gebracht: Weller, August, Die Sprache in den ältesten Urkunden des deutschen Ordens; 1886 Schlaugen/Kr. Goldap, 1906 ORS Grau­ denz, neuphil.­germ. Stud. Jena. – 1912: Wagner, Eduard, 1879 Rundewiese/Kr. Marienwerder, V.: Landbrief­ träger, Ausbildung zum Volksschullehrer am Lehrerseminar Marienburg, u. a. Präparandenlehrer Pr. Friedland, 1907 Seminarlehrer Löbau, ab WS. 1908/09 neuphil.­germ., theol. Stud. AUK: Über die Mundart der Thorner Stadtniederung, Tl. 1, Lautlehre. – Bei Baesecke kamen, kriegsbedingt, in sieben Jahren nur fünf Promotionen zum Abschluß. 1915: 1. Irma von Guericke, Die Entwicklung des althochdeutschen Participiums; 1879 Me­ mel, V.: Gymn. Prof., höhere Mädchenschule Memel, 1899 Sprachlehrerinnenprüfung Königsberg (Frz., Engl.), 1908–1910 Gymnasialkurs für Frauen, 1910 WilhelmsG, 1910–1914 german., altphil. Stud. AUK. – 2. Karl Ludwig, 1889 Bromberg, V.: Bahnbeamter.; 1910 G Bromberg, germ., geogr.­hist. Stud. München, FWU, AUK, Rig. 28. 10. 1914[!]: Die Chronologie Albrechts von Halberstadt 1914. – 3. Otto Richard Meyer, 1891 Rasten­ burg, V.: Pfarrer, 1911 HG Rastenburg, Schüler von W. Prellwitz, germ.­hist. Stud. Halle, FWU, AUK, Rig. 14. 8. 1914[!]: Der Borte des Dietrich von der Glezze. – Ferner (4.) 1918 der spätere langjährige Königsberger PD Erich Jenisch (s. Bd. II), Vorarbeiten zu einer kritischen Ausgabe des Wigamur, sowie (5.) 1920: Gertrud Fuchs, 1894 Nordenburg, V.: Kaufmann, ev., 1905–1909 Höh. Mädchenschule Königsberg, 1915 KLS, germ., theol.­ philos. Stud. München u. AUK, Rig. 29. 3. 1920: (Hg.), Der Wiener Oswald. 1570 Vgl. Schröder in: Baesecke 1966, S. 459. 1571 Baesecke 1918. 1572 So der Nachruf Kaluzas 1904, S. 394 f.

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Feldzug gegen die neuphilologischen Modernisierer fortzusetzen. Daß er sich in der neuen Zeitschrift für den französischen und englischen Unterricht (seit 1903) zugleich eine Plattform schuf, um nach Herzenslust mit allen „Französlingen und Engländerlingen“ anzubinden, die die „Verausländerung unserer neuphilologisch Studierenden“ betrieben, die sie anfällig machten, nicht nur für „Weltver­ brüderung“, sondern politisch so konkret wie gefährlich, für die französische Sichtweise der „Frage“ Elsaß­Lothringens, war für Koschwitz ein willkommener Nebeneffekt.1573 Trotzdem war der einst in der Greifswalder Kommunalpolitik für die Konservative Partei streitende, der Althoff vor dem Einfluß der „demokratisch und kosmopolitisch gesinnten Juden“ in der auswärtigen Kulturpolitik warnende Romanist, das gegen die „Ausländerei“ agitierende Ehrenmitglied des alldeutschen „Vereins Deutscher Studenten“, kein Franzosenfresser.1574 Im Gegenteil: nur auf seinen guten persönlichen Beziehungen zu wissenschaftlich­literarischen Kreisen Frankreichs, vor allem auf sein „intim persönliches und gesell­ schaftliches Verhältnis zu hervorragenden Persönlichkeiten der Provence“, auf seine Vermittlerrolle für die Feliber, seinen Einsatz für die „Renaissance des Provencalischen“, gründete Koschwitz’ Autorität als Anwalt neufranzösischer Literatur, der mit einer Zeitschriftengründung schon 1879 die in seinem Fach uneingeschränkte Dominanz philologischer Befassung mit dem „altfranzösischen Mittelalter“ brechen wollte.1575 Die französische Gegenwartsliteratur lag vor Koschwitz’ Berufung allein in den Händen des Privat­ dozenten Gustav Thurau, der sich 1899 habilitierte.1576 An der Ausbildung dieses Spätentwicklers hatte Kissner nicht den geringsten Anteil.1577 Der 1863 geborene Sohn eines wohlhabenden, vom Rußlandhandel profitierenden Tilsiter Kaufmanns, riskierte das Zerwürfnis mit seinem Vater, als er die Firmennachfolge ausschlug und 1880 zunächst in Königsberg, dann in Berlin und Straßburg zu studieren begann. Nur dank der Unterstützung seines Großvaters konnte Thurau sich das leisten. Als der alte Herr 1885 starb und die „starke Spannung“ zwischen Vater und Sohn nicht beigelegt war, mußte er als Studienabbrecher eine Hauslehrerstelle in Hinterpommern antreten. Als die adlige Fa­ milie 1889 nach Königsberg umzog, fand Thurau wieder akademischen Anschluß, benötigte aber zur Promotion über den Refrain im französischen Kunstlied weitere, durch zahlreiche Reisen verschönte acht Jahre. Thurau, politisch konservativ wie Koschwitz,1578 tat sich mehr als Wissenschaftspublizist und Organisator akademischer „Pflege der Geselligkeit“ denn als romanistischer Forscher hervor.1579 Koschwitz 1904a, S. 64, 71. Über Koschwitz’ kommunalpolitisches Engagement in Greifswald, wo sich der Ordinarius auch nicht zu schade war, für die Widmung von Moltke­ und Bismarckstraßen in seinem Neubaugebiet in den Ring zu steigen, vgl. den umfangreichen Briefwechsel mit Althoff, GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 99 I; dort auch, Bl. 138 f., in einem nachträglichen Glückwunsch zum 65. Geburtstag des Ministerialdirektors v. 15. 3. 1904, die Einlassungen über die kosmopolitischen Juden, die Presse, Literaturkritik und Lehrstühle „erobern“. Dagegen müßte ein Zentralinstitut gegründet werden, eine Deutsche Akademie, die die auswärtige Kulturpolitik monopolisiere, eine Einrichtung, die sicherstelle, daß „deutsche Talente nicht unter dem semitischen Joche verkommen“. 1575 Thurau 1904, S. 408 f. 1576 GStA …, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, unpag.; Habil. Thurau am 5. 12. 1899: Namen und Arten der Chanson in alter und neuer Zeit; PV: Die komischen Masken und Possenreißer des frz. Theaters; AV: Die Schicksale der spa­ nischen Romanzendichtung in Frankreich. 1577 Ebd., Meldung über Habil. nebst vita Thurau. Dort wird Kissner unter seinen Königsberger Lehrern neben Baumgart oder Walter nicht einmal erwähnt. Immerhin widmete ihm Thurau aber, „in dankbarer Gesinnung“, seine Dissertation zur ‚Geschichte und Charakteristik des französischen Kehrreims‘, die jedoch noch vom Privat­ dozenten Carl Appel angeregt und vor allem von Kaluza unterstützt worden war (Thurau 1901, S. XII). 1578 Vgl. sein kurzes Bekenntnis zu F. L. Jahn, Thurau 1911 sowie seine Beiträge zu den „Ideen von 1914“, Thurau 1915a und 1915b. 1579 Thurau war Sekretär der Palaestra­Gesellschaft und damit Bindeglied zwischen der Leitung des Hauses und der Studentenschaft, richtete dort einen Lesezirkel ein, engagierte sich für den Akad. Ruderklub, gab Fortbildungs­ kurse für Lehrerinnen, war Herausgeber des Universitätskalenders (1906–1914) und warb für das Frauenstudium. 1573

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Daß er, der die Kunstpoesie der Chansons vom 15. Jahrhundert bis zu de Musset und Hugo mit einer von umfassender Belesenheit zeugenden Sammelwut katalogisiert, aber „keinen altfranzösischen Text ediert“ hatte, lädierte sein romanistisches Renommé beträchtlich.1580 Mit der Vorlesung über „Franzö­ sische Volkskunde“, die er in den Königsberger Lehrplan einführte, öffnete er das Fach stattdessen für die erst in den zwanziger Jahren akzeptierte Kulturkunde Frankreichs.1581 Mit der Nominierung des Elsässers Philipp August Becker (Budapest) als dessen Nachfolger sollte die von Koschwitz und vor allem Thurau begründete neufranzösisch­„moderne“ Richtung ge­ festigt werden. Becker, Verfasser einer Roussseau­Monographie (1897), habe bewiesen, daß er Texte nicht nur philologisch­ästhetisch interpretieren könne. Er sei auch in der Lage, sie in ihren „religiö­ sen, philosophischen und wissenschaftlichen“ Kontexten zu würdigen. Soviel drohendes Übermaß von Geistesgeschichte und Kulturkunde rief die Opposition in der Fakultät hervor, die gleichran­ gig den gebürtigen Westpreußen Oskar Schultz­Gora neben Becker plazierte. Die Hauptstärke des Altenburger Oberlehrers, der sich 1893 bei Tobler in Berlin habilitiert hatte, sahen die Fürsprecher des Troubadour­Spezialisten in der Befähigung zu philologisch­historischer Kritik, zu eindringlicher sachlicher wie sprachlicher Interpretation besonders provenzalischer Texte, sowie in seiner gründ­ lichen grammatischen Schulung.1582 Berlin gab Schultz­Gora den Vorzug. Da der Lektor Flamand und Thurau (bis zu seiner Berufung nach Greifswald im WS. 1907/081583) die neuere französische Literatur hinreichend berücksichtigten,1584 ist eine „grammatische“ Zäsur im Unterrichtsbetrieb kaum zu erkennen, obwohl der einstige Oberlehrer Schultz­Gora sich nach dem Zeugnis Ernst Wiecherts schnell als unangenehmer „Einpauker“ und pingeliger Phonetiker entpuppte, der die Studenten „wie Schüler“ behandelte und der primär das Altfranzösische traktierte.1585 Nicht zu verwundern sei daher, so Kaluza 1918, S. 278 f., in seinem Nachruf, daß er „zu größeren wissenschaft­ lichen Veröffentlichungen nicht gekommen ist“. 1580 Kaluza 1918, S. 287. 1581 Vgl. VV­AUK 1899–1906. 1582 GStA …, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 14–20; PhilFak –PrMK v. 28. 6. 1904, Liste Nf. Koschwitz. Gleichrangig an 2. Stelle: a. Wilhelm Cloetta, 1857 Triest–1911 Straßburg, 1893 oö. Prof. Jena, Prom. Göttingen 1884: Ab­ fassungszeit und Ueberlieferung des Poème moral (Edition dieses altfrz. Gedichts aus dem 13. Jh. aus den Hss. erstmals vollständig hg. Erlangen 1886), Hauptwerk 1890–1892: Beiträge zur Litteraturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance (ND 1976). – 2b. Emíle Freymond, 1855 Breslau–1918 Prag, Prom. Straßburg bei Gu­ stav Gröber 1882: Über den reichen Reim bei altfranzösischen Dichtern bis zum Anfang des XIV. Jhs.. – Beide Kandidaten wie Sch­G. ausgewiesen als Kenner des Altfranzösischen und der provenzalischen Literatur, doch beide hätten von nicht­preußischen Lehrstühlen wegberufen werden müssen. – Ebd., Bl. 71–73, Separatvotum Kaluza/Bezzenberger v. 2. 7. 1904, das sich zwar auch gegen Thurau (der, so die Fakultät, nicht in Frage käme, da ein Mann mit „Ruf und Erfahrung“ erwünscht sei) aussprach; aber er solle wenigstens die Liste zieren und ausführ­ licher gewürdigt werden (um seine Berufungschancen nach auswärts zu erhöhen). Der Kurator sprach sich dagegen aus, die Fakultät verfuhr seinem Rat entsprechend. Publizistisch von Th. bis 1911 fast nur KUK­Beiträge (s. Bibl.). 1583 Thurau übernahm zunächst die Stellvertretung des Ordinarius Stengel, der als Reichstagsabgeordneter seine Greifswalder Lehrverpflichtungen kaum noch wahrnehmen konnte. Erst nachdem Stengel 1912 seine Entlassung beantragt hatte, erfolgte zum SS. 1913 die definitive Berufung. 1584 Thurau bot im WS. 1906/07 an: Besprechungen der literarischen Erscheinungen seit 1900 (sic!) und: Der fran­ zösische Roman im 19. Jh.; im SS. 1907: Die frz. Literatur von der Romantik bis zur Gegenwart, im WS. 1907/08 (nicht mehr gehalten): Die Literatur unter der dritten Republik seit 1870, dazu: Lektüre moderner frz. Lyrik. 1585 Wiechert 1949, S. 80 f. – Typisch für den Didaktiker Schultz­Gora, der sich nur während der Altenburger Zeit mit einer Nachrichtensammlung zu Biographien provenzalischer Dichterinnen ansatzweise literaturhisto­ risch betätigte (1888), ist seine auf studentische Leser rechnende Edition zweier altfranzösischer Dichtungen, vom Schloßfräulein von Saint Gille und vom Ritter mit dem Fäßlein, einer Bußlegende aus dem 13. Jh., die er 1898 erstmals erscheinen ließ und die er in Königsberg für eine zweite Aufl. (1911) überarbeitet hat. Ähnlich seine Edition einer kurzen provenz. Herrscherkritik gegen Kaiser Friedrich II., Schultz Gora 1902. In Straßburg setzte er seine editorisch­didaktisch orientierte Arbeit an altfrz. Texten fort, die, abgeschlossen „unter großen seelischen

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Als Schultz­Gora 1911 einem Ruf an die Reichsuniversität Straßburg folgte, hätte er auf der von ihm diktierten Liste1586 gern Karl Voretzsch von Kiel nach Königsberg gezogen, um die „moderne französische Sprache und Literatur“ besser vertreten zu lassen.1587 Nur in „erheblichem Abstand“ setzte man Walther Suchier (Marburg) und den Breslauer Privatdozenten Alfred Pillet auf die Liste. Vergeb­ lich intervenierte Max Kaluza mit einem Sondervotum für den in Greifswald vertretenden, Suchier und Pillet angeblich „weit überragenden“ Königsberger Privatdozenten Gustav Thurau,1588 den Fakul­ tät und Ministerium als zu unproduktiv ablehnten, während die Fakultät den Tobler­Schüler Georg Ebeling (Berlin), einen Mittvierziger, den Elster endlich versorgt wissen wollte, einmütig als „zu eng“, als puren „Grammatiker“, der nie „große literaturhistorische Collegia“ über die Epochen nach 1500 angeboten habe, mit der Begründung zurückwies, daß in Königsberg niemand ein Ordinariat beklei­ den könne, der sein Hauptgewicht auf die „mittelalterlichen Perioden“ lege.1589 Da Voretzsch seinen Kieler Posten erst seit 1910 bekleidete, war die Berliner Zustimmung zu einem Wechsel nach Königsberg kaum zu erwarten. Wieder einmal mußte die Fakultät darum mit einem Reservemann, mit Pillet vorlieb nehmen. Dessen Publikationsliste war zudem ungewöhnlich kurz, und von Forschungs­„Schwerpunkten“ bei einem Romanisten zu reden, der neben marginalen linguistischen Fingerübungen sich nur mit dem Altfranzösischen bzw. ausschließlich mit dem Proven­ Schmerzen im Oktober 1918“, also nur Wochen vor der frz. Okkupation des Elsaß und der damit verbundenen Vertreibung der deutschen Professoren, als erster (und einziger) Teil seiner ,Provenzalischen Studien‘ erschienen sind. 1586 Daß die sich so krass von der „Grammatik“ und dem altfranzösischen Lehrschwerpunkt verabschiedende Liste allein von Schultz­Gora formuliert worden sei, geht aus Kaluzas Stellungnahmen hervor (s. u. Anm. 1588). 1587 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; PhilFak – PrMK v. 18. 5. 1911, Liste Nf. Schultz­Gora: 1. K. Voretzsch, 1867 Altenburg–1947 Naumburg, neuprachl. Studium Tübingen, Freiburg, Halle, ebd. Prom. 1890. Der Rein­ hart Fuchs Heinrich des Glîchezâre und der Roman de Renart, 1891 ebd. Habil. f. romanische Philologie: Über die Sage von Ogier dem Dänen und die Entstehung der Chevalerie Ogier. Ein Beitrag zur Entwicklung des alt­ französischen Heldenepos, 1892 b. ao. Prof. Tübingen, 1903 oö. Prof. ebd., SS. 1910 Kiel, SS. 1913 (Nf. Suchier) – 1935 Halle; 1901 erstmals erschienen seine weit verbreitete ‚Einführung in das Studium der altfranzösischen Sprache‘, bis 1931 in sechs Auflagen, 1905: ‚Einführung in das Studium der altfranzösischen Literatur‘ (3. Aufl. 1925). Entgegen Königsberger Einschätzung, in Voretzsch einen Vertreter der modernen frz. Literaturgeschichte zu gewinnen, vermerkt Prokoph 1985, S. 113, daß Victor Klemperer ihn für einen typischen Verteidiger der im Altfranzösischen verharrenden „hehren bürgerlichen Linguistikauffassung“ gehalten habe, die sich in allgemeiner Abstinenz zu üben pflegte von neuerer und neuester Literatur, weil dabei „Soziales und Politisches“ die Literatur­ geschichte „trivial tangieren“ könnte. Außerhalb von Forschung und Lehre habe Voretzsch diese Enthaltsamkeit jedoch aufgegeben, verzeichneten ihn die Annalen der Hallenser Universität nach 1918 als „engagierten völkischen Nationalisten“. – 2a. Walther Suchier, 1878 Halle–um 1960 Göttingen, Sohn des Hallenser Romanisten Her­ mann Suchier (1848–1914), Habil. Marburg 1906, Umhabil. Göttingen 1912, ebd. 1931 nb. apl. Prof., 1946 Ruhestand, in der Laudatio sehr reserviert als Linguist gewürdigt. – 3. A. Pillet (s. Catalogus). – Von dem wissen­ schaftlich seit 1901 nicht mehr hervorgetretenen Gustav Thurau wolle man Abstand nehmen. 1588 Ebd.; Sondervotum Kaluza und persönliches Schreiben an Elster v. 25. 3. 1911 wg. Thurau. Dessen man­ gelnde Produktivität entschuldigte er mit den Königsberger resp. Greifswalder Lehrverpflichtungen und stellte zwei angeblich druckreife (nie veröffentlichte) Monographien zur Geschichte des frz. Dramas von Corneille bis Maeterlinck sowie eine Studie zu Paul Verlaines Sprachkunst in Aussicht. Dazu Elsters Marginalie: Th. sei ein brauchbarer Lehrer, habe aber „wissenschaftlich nichts geleistet“, es sei daher „ausgeschlossen“ Kaluzas Wunsch Rechnung zu tragen. 1589 Ebd.; PhilFak – PrMK v. 21. 6. 1911, prompte Antwort auf die Anfrage wg. Ebeling v. 9. 6. – Ebeling, 1867 Berlin–1950 Hohenwestedt/Holstein, Prom. FWU 1891, Habil. ebd. 1903, SS. 1913–1935 oö. Prof. f. Roma­ nische Philologie Kiel. Die Königsberger Vorbehalte gegen Ebeling erfuhren in Kiel, wo seine „Oktroyierung im Eiltempo“ erfolgt sei, ihre Bestätigung, da es kurz vor seiner Emeritierung hieß, daß sein „Paukbetrieb“ das Stu­ dium der Romanistik in Kiel „völlig erledigt“ habe und eine große Zahl von neuphilologischen Studenten vor ihm an andere Universitäten geflohen sei (Jordan/Hofmann 1969, S. 261 f.).

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zalischen, den Liedern der Troubadours, befaßte, wäre schon eine Übertreibung. Bis zu seinem Tod (1928) sah Pillet keine Veranlassung, seiner publizistischen Askese zu entsagen oder das verbissene Handschriftenstudium im Dienste seiner annotierten Bibliographie von 3.000 Troubadour­Liedern aufzugeben, einer Fleißarbeit, über die er hinstarb und die erst 1934 posthum erscheinen konnte.1590 Wie sich aber bald erwies, sperrte Pillet sich nicht gegen Dissertationsthemen zur französischen Lite­ ratur des 18. bis 20. Jahrhunderts, die bei ihm sogar überwogen.1591 Personell weniger turbulent ging es im Englischen Seminar Kaluzas zu. Gleich nach Koschwitz’ Ankunft hatten die beiden Ordinarien ihre Abteilungen, die sie bis dahin gemeinsam verwalteten, verselbständigt. Ebenso die Bibliothek aufgeteilt und gesondert katalogisiert. Die Initiative dazu ergriff das hypertonische Energiebündel Koschwitz, von dem, hätte ihn 1904 nicht der Schlag getroffen, auf Dauer Kaluza wohl in den Schatten gestellt worden wäre. Auffällig ist, daß die Produktion des Angli­ sten nach 1900 zu versiegen begann. 1909 erschien von ihm lediglich noch eine ‚Englische Metrik in historischer Entwicklung‘, während er ansonsten in der Redaktionsarbeit an der von ihm, Koschwitz und Thurau begründeten Zeitschrift für den französischen und englischen Unterricht, in der Leitung seiner „Doktorfabrik“ (72 Promovenden von 1894 bis 1921!), im Rezensionsgeschäft sowie im öffent­ lichen Vortragswesen (primär: „Oberlehrerinnenkurse“) aufging, zumal er an der Universität seit 1905 rasant ansteigende Hörerzahlen (bis 1900: 20–30, um 1910: 100) zu bewältigen hatte, was er bei seiner starken „Neigung zum Pädagogischen“ kaum als Belastung empfand. Bildungspolitisch trat er mit Koschwitz und Thurau gegen Reformbestrebungen in den Ring, die den neuphilologischen Schul­ und Universitätsunterricht „verkürzen“ wollten.1592 Den Königsbergern hingegen widerstrebte jede am exklusiven „Spracherwerb“ orientierte „Reform“, die zu Lasten traditionell grammatisch­historischer Ausrichtung ihrer Fächer zu gehen drohte. Auf „Parlierkunst“ und „Sprechfertigkeit“, so Koschwitz, könne sich nur beschränken, wer „Hausdiener und Kellner“ ausbilden wolle. Gegen eine derartige, den Curricula lateinloser Realschulen gehorchende „Verflachung“ stemmten sich die Königsberger Neuphilologen, um nicht zu Handlangern einer Dolmetscherausbildung herabzusinken.1593 Nach dem seit 1900 im Jahrestakt erfolgenden Wechsel auf dem neu etatisierten Englischlektorat, übernahm im Herbst 1905 mit Arthur Cyril Dunstan ein wissenschaftlich ambitionierter Engländer die Stelle, die er bis zu seiner durch den Kriegsausbruch 1914 erzwungenen Abreise verwaltete.1594 Dunstan, 1908 promoviert, genoß so großes Vertrauen, daß Kaluza sich 1909 entschloß, im Seminar zwei unselbständige Abteilungen zu bilden. Sich behielt er wie gehabt „die historische Entwicklung der englischen Sprache“ vor, Dunstan durfte neben den Sprachübungen auch in die moderne englische Literatur einführen.1595

Pillet 1934; programmatisch dazu ders. 1927. Nur 11 von 25 Dissertationen (1913–1928) behandeln Themen aus der älteren frz. Literatur, darunter vier zur Troubadour­Dichtung. Pillets Nachrufer, sein Breslauer Lehrer Carl Appel (1929), gibt fälschlich an, bei ihm seien „in erster Linie“ Doktorarbeiten über das altprovenzalische und altfranzösische Gebiet entstanden. 1592 Zu Kaluza: Jantzen 1922. 1593 Vgl. die ätzende Polemik gegen einen Reform­Befürworter, Koschwitz 1904b, S. 236 f. 1594 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, Bl. 214 f.; PhilFak – PrMK v. 29. 7. 1905: Vorschlag, Dunstan zum Nachfolger des nach England zurückgekehrten Arthur Percy Nicholls zu machen. Sefton Delmer, der erste hauptamtliche Lektor, war schon nach einem Jahr 1901 an die Berliner Universität gewechselt, wo er bis zu seiner Internierung 1914 unterrichtete. Ihm waren gefolgt George Castellain (1901/03) und Ernest Mallin (1903/04). 1595 Chronik AUK 1909/10. 1590 1591

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Die meisten Philosophischen Fakultäten Preußens schlossen bis in die Weimarer Republik die Na­ turwissenschaften ein. In Königsberg blieb das sogar bis 1936 so. Aber im Unterschied zu den Fa­ kultäten „im Reich“, wo unter dem Dach der Philosophie Lehrstühle für Psychologie reserviert wurden und damit ein Synthesefach zwischen Natur­ und Geisteswissenschaften entstand, stießen entsprechende Königsberger Bestrebungen in Berlin lange auf taube Ohren. Bereits für Rosenkranz’ Nachfolge war 1880 mit dem jungen Georg Elias Müller ein Psychologe favorisiert worden, doch berufen wurde Thiele, der als Oberlehrer die facultas für Mathematik und Physik vorweisen konnte, was aber für die Wahl dieses traditionellen „Erkenntnistheoretikers“ nicht ausschlaggebend war.1596 Mit dem Spätidealisten Julius Walter, mit Thiele und dessen Nachfolger Busse hatte die Albertina also bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts die disziplinäre Ausfächerung nicht mitvollzogen, obwohl Ende der achtziger Jahre die Vernachlässigung von Psychologie und Pädagogik ein „Ärgernis inner­ halb der gebildeten Kreise der Provinz zu werden droht[e]“, da die Hälfte der Lehramtskandidaten im Philosophicum durchfiel, weil sie an psychologisch­pädagogischen Fragen scheiterte.1597 Als 1904 Ludwig Busses Nachfolger zu bestimmen war, wollte die Fakultät diesen Rückstand aufholen und schlug mit dem baltendeutschen Experimentalpsychologen Oswald Külpe einen Mann vor, der die an Kants Wirkungsstätte lange entbehrte „exakte Einzelforschung“ mit philosophischer Spekulation verbinden könne, der als guter Dozent viele Studenten aus dem westlichen Ausland anziehen und seine Lehrertätigkeit auch in „weiteren Kreisen entfalten“ werde, was wichtig sei für die Albertina als „Hauptrepräsentantin deutscher höherer Geistesbildung im fernen Osten der Monarchie“. Der Zweit­ plazierte Rostocker Ordinarius Franz Erhardt hatte – wie Busse mit anti­materialistischer Intention – die ‚Wechselwirkung zwischen Leib und Seele‘ ins Zentrum seiner Reflexionen gerückt. Und den tertio loco gesetzten Westpreußen Max Wentscher (Bonn) empfahl man wegen seiner „mathematisch­ naturwissenschaftlichen Schulung“.1598 Da Külpe ebenso wie Erhardt ablehnte,1599 schickte Althoff die­ sen Bonner Privatdozenten auf ein neues, besoldetes Extraordinariat. Wentscher trug das Manuskript zum zweiten Band seiner ‚Ethik‘ im Gepäck und machte es in Königsberg druckfertig, stolz darauf, damit „ n i c h t modern“, sondern unzeitgemäß „idealistisch“ zu sein.1600 Die Lücke im Lehrangebot für psychologisch­pädagogisch ambitionierte künftige Oberlehrer ließ sich mit derartiger Produktion natürlich nicht schließen. Aber mit seiner praktischen, die „kritische Grundlegung“ des ersten Bandes nun auf Erziehung, Bildung, Ehe, Familie und die „Gestaltung des historisch­nationalen“ bzw. „histo­ risch­politischen Lebens“ anwendenden Ethik formulierte Wentscher die unter den Kollegen in der Fakultät vorherrschende Weltanschauung. In deren Mittelpunkt stand für ihn die Nation einerseits als innenpolitischer Garant individueller, „bildungsaristokratisch“ gesicherter Freiheit, andererseits außenpolitisch als Wellenbrecher gegen die „Nivellirung“ und „Gleichmacherei“, wie sie „einige mo­ GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 320–330; Liste Nf. Rosenkranz v. 1. 7. 1880. GStA …, Nr. 20, Bd. VIII, Bl. 34–35; PrMK – PrMF, Etatanmeldung v. 25. 6. 1887, Begründung der Not­ wendigkeit eines neuen philosophischen Extraordinariats. 1598 GStA …, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 75–83; PhilFak – PrMK v. 3. 8. 1904, I. Liste Nf. Busse: 1. O. Külpe, 1862 Kandau/Kurland–1915 München, Schüler Wundts, 1888 Habil. Leipzig: Die Lehre vom Willen in der neueren Psychologie, 1887–1894 Assistent an Wundts Institut, 1894 oö. Prof. f. Philosophie u. Ästhetik Würzburg, dort 1896 Inst. f. exper. Psychol. als Zentrum der Würzburger Schule der Denkpsychol. gegründet, 1909 Bonn, 1913 München. – 2. Fr. Erhardt, 1863 Niedertrebra/Thür.–1930 Rostock, Habil. Jena 1891: Der Satz vom Grunde als Prinzip des Schließens, 1899 oö. Prof. Rostock (Nf. Busse), Anti­Kantianer in seinem Glauben an die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Metaphysik (Jahn 2001, S. 107). – 3. M. Wentscher, s. Catalogus. – Ebd., Bl. 97; Verein­ barung mit Wentscher v. 20./23. 9. 1904. 1599 Ebd., Bl. 84; PrMK – Kurator v. 21. 9. 1904, Mitteilung über die ablehnenden Antworten von Külpe und Erhardt, Neuvorschläge trotz der durch Wentschers Berufung einstweilen geschlossenen Lücke erbeten. 1600 So Busse 1901, S. VII im Vorwort zum ersten Band (Sperrung im Original). 1596

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derne Staaten“ in Westeuropa und Nordamerika betrieben, die „immer bewußter und absichtsvoller der Weg zur Vereinheitlichung der Menschheit“ beschritten, um sich selbst durch zähe „Aufsaugungs­ und Unterdrückungsarbeit“ die „Weltherrschaft“ zu sichern.1601 Der als konstitutionelle Monarchie verfassten deutschen Nation, deren Regierung ihre Handlungsfähigkeit nicht durch parlamentarische Verantwortlichkeiten und insofern nicht durch die „absolute Herrschaft des Pöbels“ beeinträchtigen lasse, traute Wentscher allein zu, das Wohl des „Ganzen“ zu wahren und eine auf „Größe und Dauer angelegte Politik“ der Selbstbehauptung gegen die universalistischen Tendenzen der „Gleichmacherei“ zu treiben.1602 So ließen sich die 700 Seiten scheinbar so philosophisch­esoterischer Ethik häufig nicht von einer dem Philosophen zu lang geratenen Kaisergeburtstagsrede unterscheiden, die das Reich Wil­ helms II. als beste aller möglichen Welten verklärte.1603 Allein für „universelle Bildung“ schien nach Wentschers Ansicht in diesem Reich noch nicht genug getan. Und so forderte er die Abkehr von einer seit 1890 eingeschlagenen Schul­ und Hochschulpolitik, die die „Herausbildung eines engherzigen und enggeistigen Specialistenthums“ fördere, das „nationale Geistesleben“ auf „banausische Fachbil­ dung“ reduziere und damit den für Wentscher nicht verhandelbaren „Bildungswerth des Alterthums“, wie ihn allein das „Griechenthum“ bereit halte, preisgebe.1604 Genau auf dieser perhorreszierten Bahn des „Spezialismus“ wollte die Fakultät aber, mit neidischem Seitenblick auf die Konkurrenz der fest institutionalisierten Psychologie im Westen, vor allem in Leip­ zig und Würzburg,1605 zumindest bei ihrem zweiten Anlauf, Busses Ordinariat zu besetzen, weiter voranschreiten. Die Naturwissenschaften, die Entwicklung der neueren Psychologie und Psychophysik, ebenso wie experimentelle Psychologie, so klagte sie einige Monate später in ihrem neuen Berufungs­ vorschlag, werden seit dreißig Jahren in Königsberg nicht vertreten, was auch der Anziehungskraft der Philosophie nicht zuträglich gewesen sei. Nachdem nun auch Wentscher sich nicht, wie seine Vorbil­ dung und einige seiner Publikationen hatten erwarten lassen, diesem Sektor zugewandt habe, müsse endlich Abhilfe geschaffen werden. Mit Kandidaten, wie sie das Ministerium vorgeschlagen habe, mit Edmund Husserl, für dessen in logisch­mathematische Spekulationen vertiefte Denkweise Königsberg Wentscher 1905, S. 170–172. Ebd., S. 193–197, gegen die „allgemeine Gleichmacherei“ der „radicale[n] Demokratie“, als deren „klassische[s] Beispiel“ er auf die Niedergangsgeschichte Athens verweist. Ebd., S. 200 f. gegen das nur „Sonderinteressen“ verfol­ gende „Partheiwesen“; wo aber „die Majorität den Curs“ bestimme, leide das „Wohl des Ganzen“ und „großzügige Politik“ werde „unmöglich“. Dagegen ebd. S. 206 ff., über die „Vorzüge des erblichen Königthums“, und S. 226 f., sein Werben für „das erbliche Königthum auf der Basis bildungsaristokratischer Volksvertretung“. 1603 Es fehlt zwar nicht an Erörterungen der „Nachtheile“ bis hin zu den in der „Fürstenpsychologie begründe­ ten Gefahren“ für die Nation (ebd., S. 211), doch hat dies mehr den Charakter des Hypothetischen. Kritischer hingegen das Bekenntnis des Westpreußen Wentscher zum Nationalstaat, der zwar nicht explizit aber doch unver­ kennbar mit Blick auf die preußische „Polenpolitik“ fordert, daß man „Landesgebiete mit fremd­nationaler Bevöl­ kerung“ nicht in den Staatsverband aufnehmen sollte, wenn man nicht die feste Absicht habe, dort auch wirklich „zu herrschen“. Und dies schließe aus, „inconsequente Rücksichten auf fremde Nationalitäten“ zu nehmen (ebd., S. 248 f.). 1604 Ebd., S. 320 f., 333–335. Vgl. a. die schroff antimaterialistische ‚Ethik‘ in den Kapiteln „Ethik“, „Metaphysik und Naturphilosophie“ sowie „Religionsphilosophie“ in Wentschers bis 1920 in sechs Auflagen verbreiteten ‚Ein­ führung in die Philosophie‘ der Sammlung Göschen, die natürlich eine Einführung in seine Philosophie ist. Seinem Hausgott Hermann Lotze widmete er 1913 eine (unvollendet gebliebene) Darstellung zu dessen Leben und Werk, die sogleich im Vorwort fixiert, wie der verehrte Meister zu würdigen sei, nämlich als Fels in der „Hochflut ma­ terialistischer Tagesströmungen der Gebildeten“. Dafür, daß Lotze nie an „Massenbewegungen irgendeinen An­ teil“ nahm, fiel dessen Reaktion auf 1848 bemerkenswert heftig aus, nämlich als Gegnerschaft zum Paulskirchen­ Parlament und mit der umgehenden Meldung zu einem royalistischen Freikorps, das zur „Aufrechterhaltung der Ordnung“ gebildet worden war (Wentscher 1913, Vorwort u. S. 114 f.). 1605 Zur Institutionalisierung der anwendungsbezogenen Psychologie, zum Anbruch „moderner Zeiten“ um 1900, zur Kinderpsychologie, Jugendkunde, Begabtenforschung siehe M. Schubeius 1990, 24–40, 90–129. 1601

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gewiß nicht der „richtige Boden“ sei, mit Max Dessoir, der der historischen Richtung zugehöre, oder gar mit Eugen Kühnemann, gegen dessen „Objektivität“ wohl schwere Bedenken bestünden, sei dies sicher nicht zu schaffen. Wenn man schon Külpe nicht bekomme, verlange man nach seinem Ko­ Assistenten aus gemeinsamer Lehrzeit am Leipziger Institut Wundts, nach Ernst Meumann, der die Psychologie in Richtung auf experimentelle Pädagogik erweitere.1606 Der seit 1897 in Zürich lehrende, dort aber recht unglückliche Meumann nahm den Ruf an, und mit ihm zog tatsächlich ein neuer Geist ein, strikt anti­metaphysisch, unbekümmert um religiös­ weltanschauliche Erwartungen, die der Pfarrerssohn und ausgebildete Theologe, der sich „völlig von Religion und Glauben“ losgesagt hatte, nicht mehr erfülle wollte.1607 Der Psychologe, dessen Pädago­ gik „autonom“ sein wollte, ohne transzendentalen Bezug, alles Geschehen „restlos“ aus „immanenten Faktoren“ und für „empirisch fassbar“ erklärend, fand mit diesen metaphysikfreien Vorgaben schnell studentische Anerkennung.1608 Aber Meumann, der vor dem Königsberger Lehrerverein erstmals die Grundzüge seines Hauptwerkes, der ‚Einführung in die Experimentelle Pädagogik‘ (1907) entfaltete, verweilte nur vier Semester, wechselte zum SS. 1907 nach Münster – unter erbostem Protest der Fa­ kultät, die Althoff Wortbruch vorwarf, da er sich mit solchen Personalentscheidungen wohl in Wider­ spruch zu den hehren Beteuerungen setze, ihm sei an der Blüte der Philosophie gerade in Königsberg besonders viel gelegen.1609 Wenigstens wollte ein von Meumann beratener Teil der Fakultät die psychologisch­pädagogische Ausrichtung des Lehrstuhls nicht mehr preisgeben und schlug secundo loco dessen Freund Gustav Störring vor. Dessen Denken zeichne ein „aufbauend positiver Zug“ aus, und er habe ein eigenes Moralprinzip zur „Rechtfertigung des sittlichen Lebens“ kreiert. Auch der an vierter Stelle genannte promovierte Berliner Mediziner und Psychologe Narziss Ach, aus der Würzburger Schule Külpes und der Göttinger Müllers hervorgegangen, nach Einschätzung der Kommission keineswegs nur platter

GStA …, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 158–173; II. Liste Nf. Busse v. 6. 2. 1905: 1. Hermann Ebbinghaus, 1850 Barmen–1909 Halle, 1880 Habil. FWU, 1888 ao. Prof. ebd., 1894 oö. Prof. f. Philosophie u. Psychologie Breslau, 1905 Halle, Begründer der experimentellen Gedächtnis­ u. Lernpsychologie, von der Fakultät ausdrücklich als Psy­ chologe begehrt. – 2. E. Meumann (s. Catalogus). – 3a. Hans Cornelius, 1863 München–1947 ebd., promovierter Chemiker, Habil. f. Philosophie 1894, 1910–1930 oö. Prof. Frankfurt; die Fakultät erwähnt seine bedenkliche Nähe zu den Anti­Metaphysikern Mach und Avenarius, zugleich beruhigend, er sei „kein einseitiger Empirist“. – 3b. Friedrich Schumann, 1863 Hildesheim–1940 Frankfurt/M., 1893 Habil. Göttingen, 1905 ord. Prof. Zürich, 1910–1928 oö. Prof. f. Psychologie Frankfurt; ein ausschließlich experimentalpsychologisch arbeitender Schüler G. E. Müllers, veröffentlichte zur Gedächtnis­, Wahrnehmungs­ und Psychologie des Lesens. – Neben Husserl, Kühnemann und Dessoir hatte das Ministerium noch den Gießener Ordinarius für Philosophie und Pädagogik Karl Groos (1861–1946), den Kieler Ordin. f. Philosophie u. Psychologie Götz Martius (1853–1927) und den 1900 in Berlin habil. Oberlehrer Rudolf Lehmann (1855–1927) angeboten, einen Pädagogen und Didaktiker der Philosophie, der 1906 als Nf. Kühnemanns an der Akademie Posen „untergebracht“ wurde. 1607 Dazu Hopf 2004, S. 141 ff., die aus Meumanns Testament von 1912 zitiert: „ ‚Ich will ohne jede Art von geistlichem Beistand verbrannt werden. Ich habe ohne Religion gelebt und will auch ohne Religion sterben und beigesetzt werden.‘ “ Folglich kam auch der „Seele“ in seiner Psychologie kein metaphysischer Rang zu. Für ihn gab es nur als Aufmerksamkeit, Ermüdung, Gefühl oder Willen fassbare, messbare „geistige Vorgänge“ (Hopf, S. 153). 1608 In seinem ersten Königsberger Semester 1905/06 fand er mit „Die Bedeutung der Psychologie des Gefühls und des Willens für die Ethik“ auf Anhieb imposante 73 Hörer, das SS. 1906 ließ sich mit „Psychologischen Un­ tersuchungen für Vorgeschrittene“ (6 Hörer) indes sehr zäh an. Doch im WS. 1906/07 lauschten 98 Hörer seiner „Psychologie mit bes. Berücksichtigung der zusammengesetzten psychischen Vorgänge“; vgl. GStA, Rep. 76Va, Sek 11, Tit VII, Nr. 1, Bd XVIII. 1609 GStA …, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 72 f.; PhilFak – PrMK v. 22. 1. 1907. Dabei hatte man noch zusätzlich ins Feld geführt, daß die Versetzung Meumanns Wünschen zuwiderlaufe. In einem Schreiben v. 24. 1. 1907 (ebd., Bl. 74) versicherte dieser jedoch Althoff, er ginge gern nach Münster und bedauere, daß die Fakultät einen derartigen Protest formuliert habe. 1606

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Empirist, sondern die Experimentalpsychologie in den Dienst „höherer Probleme“ stellend, war ein Kandidat, der die Lehrtradition im Sinne Meumanns fortsetzen könne. Von dem primo loco gesetzten Groninger Erkenntnistheoretiker und als Kritiker des „Utilitarismus“ gerühmten Gerardus Heymans ließ sich dies, trotz einiger Beiträge zur Denkpsychologie und Charakterologie, kaum behaupten, und schon gar nicht von dem „reinen“ Philosophen Franz Erhardt, der wiederum wie bei der Busse­Nach­ folge im Gespräch war.1610 Das Anforderungsprofil bedienten Störring und Ach fraglos am besten. Ach war jedoch schlecht plaziert, seine Produktivität ließ für die Kommission zu wünschen übrig, er galt ihr als wenig selbständig, mannigfaltig wollte man sie auch nicht nennen. Doch gegen Störring lag ein dessen Ruf weitaus abträglicheres Separatvotum vor, das darauf verwies, daß Windelband und sein eigener Lehrer Wundt ihn nicht für originell genug hielten, und überdies sei er ein schlechter Dozent, der eben nicht verspreche, was man in Königsberg erwarte, nämlich die Philosophie über die Univer­ sität hinaus in breite Kreise „rednerisch nach außen“ zu tragen.1611 Wollte man im Ministerium nicht wieder in die „spätidealistische“ Spur Busses zurück gedrückt werden, mußten Erhardt und Heymans von vornherein ausscheiden. Und von den beiden mäßig beurteilten Psychologen, beide promovierte Mediziner, war Ach, dieser Gesichtspunkt gab wohl wieder einmal den Ausschlag, preiswerter zu haben als der Züricher Ordinarius Störring. Auf den zum SS. 1907 berufenen Ach, der bis 1914 außergewöhnliche Lehrerfolge, mit psycho­ logischen wie mit philosophischen Veranstaltungen erzielte, dürfte dann die für sehr lange Zeit letzte Personalentscheidung in der Königsberger Philosophie zurückzuführen sein. Ach hatte nämlich fast gleichzeitig mit Albert Goedeckemeyer in Göttingen die philosophische venia erworben. Man kannte einander. Im Sommer 1907 meldete Althoff auf Drängen der Fakultät ein „historisch­systematisches“ Ersatzordinariat für den seit langem kränkelnden Julius Walter an. Im Juni 1908 gingen die Vorschläge in Berlin ein. An erster Stelle stand der Dilthey­Schüler und Kant­Editor Paul Menzer, der vor allem um seiner angeblich „hervorragenden Lehrbegabung“ willen gewonnen werden sollte. Ihm folgte, und hier zeigte sich die Handschrift des naturwissenschaftlichen Positivisten Ach, der Göttinger Privat­ dozent Goedeckemeyer,1612 gepriesen als Kenner der skeptischen Philosophie, den auszeichne, daß er es „aus wissenschaftlicher Vorsicht“ vermeide, in seinen historischen Arbeiten sich auf „spekulative, allgemein zusammenfassende Gedanken“ einzulassen. Eine Formulierung, die das Selbstverständnis des nüchternen Niedersachsen und erklärten Anti­Metaphysikers zurückhaltend, aber präzise genug

Ebd., Bl. 95–106; Liste Nf. Meumann v. 4. 3. 1907: 1. G. Heymans, 1857–1930, 1890–1927 Prof. f. Phi­ losophie Groningen, Hauptwerke: Die Gesetze und Elemente des wissenschaftlichen Denkens (1891/94), Ein­ führung in die Metaphysik auf Grundlage der Erfahrung (1905), populärpsychologisch 1910 zuerst in deut­ scher Sprache: Die Psychologie der Frauen, seine ,Kleinen Schriften‘ in drei Bänden 1927. – 2. G. Störring, 1860 Voerde/Westf.–1946 Göttingen, wie Meumann ursprünglich Theologe, Dr. phil. Halle 1889, Dr. med. Würzburg 1897, Habil. bei Wundt Leipzig 1896, ord. Prof. f. Philosophie Zürich 1902, ebd. f. exper. Psycho­ logie 1909, 1911 Straßburg, 1913–1927 Bonn, begann mit Studien zur Psychopathologie u. Denkpsychologie, nach 1900 zur Ethik (1903: Moralphilosophische Streitfragen, 1906: Ethische Grundfragen, 1911: Der Hebel der sittlichen Entwicklung der Jugend), Erkenntnistheorie, Logik – 3. Fr. Erhardt, s. o. Anm. 1598. – 4. N. Ach, s. Catalogus. – Achs Berufung erfolgte zum SS. 1907. 1611 Ebd., Bl. 107–108; Separatvotum Mitscherlich, Rachfahl, Gerlach, Diehl, gestützt auf Windelband. Der finde in Störrings ‚Ethischen Grundfragen‘ zwar „viel scharfsinnige Kritik, aber noch keine fruchtbare positive Lei­ stung“. Wundt habe ihn für Königsberg sogar als „ganz ungeeignet“ bezeichnet. 1612 Nach Auskunft des UAGö ist eine Ernennung zum nb. ao. Prof. in den Akten nicht nachweisbar. Goedecke­ meyer blieb also acht Jahre Privatdozent, obwohl seine 1905 vorgelegte umfangreiche ‚Geschichte des Skeptizis­ mus‘ jeden anderen Philosophiedozenten zu dieser Rangerhöhung qualifiziert hätte. 1610

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umschrieb.1613 An seiner Wirkungsstätte blieb er bis 1914 der antiken Philosophiegeschichte treu.1614 Der linksliberale Weltanschauungskämpfer Goedeckemeyer sollte erst in der Weimarer Republik in den Ring steigen.1615 Mit Ach und Goedeckemeyer an der Stelle von Busse und Wentscher, von Thiele und Walter, wandte sich die Königsberger Philosophie erstmals von ihrer so lange und so hartnäckig bewahrten idealistisch­metaphysischen Tradition ab, die allein der am „Brückenbau“ zwischen Glauben und Wissen beschäftigte Privatdozent Kowalewski am Leben zu erhalten versuchte – mit glänzendem Lehr­ erfolg, wie seine Vorlesungen zu „Haeckels Welträtsel“, zum „Darwinismus in der Philosophie“ oder „Zur Kritik des Materialismus und Spiritualismus“ belegen.1616

4.4.2. Die Natur- und Agrarwissenschaften Zoologie und Botanik Die Königsberger Naturwissenschaften fielen im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg im reichsweiten Vergleich weiter zurück. Persönliche Eindrücke, die Ernst Wiechert aus seiner Studienzeit überliefert, scheinen dies zu bestätigen. Der Botaniker Luerssen, von dem man raunte, er sei Morphinist, war ein „alter, schmaler, gebeugter Mann mit zerstörtem Gesicht“, der mit „zitternder Hand Namen und Pflanzenbilder an die Tafel schrieb“ und zu den Studenten sprach, „als ob wir Tote wären“, denen er „eine tote Systematik“ vermittelte. Der Zoologe, Maximilian Braun, dozierte vornehmlich über GStA …, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 310–312; PhilFak – PrMK v. 25. 6. 1908, Liste Ersatzord. Walter: 1. P. Men­ zer, 1873 Berlin–1960 Halle, Dilthey­Schüler, 1900 Habil. FWU: Der Einfluß der ursprünglichen naturphiloso­ phischen Lehren Kants auf Herders Ideen, 1906 b. ao. Prof. Marburg, 1908–1938 oö. Prof. Halle, beteiligt an der Hg. der Akademie­Ausgabe der Schriften Kants. – 2. A. Goedeckemeyer, s. Catalogus. – 3a. Willy Freytag, 1873 Jüterbog–1945 Zürich, Habil. Bonn 1900, ao. Prof. ebd. 1908, b. ao. Prof Zürich 1910, ord. Prof. ebd. 1911– 1933; publizistisch besser ausgewiesen als Menzer und Goedeckemeyer, u. a. 1904: Das Erkennen der Außen­ welt, 1905: Die Entwicklung der griechischen Erkenntnistheorie bis Aristoteles, 1906: Zur Frage des Realismus. – 3b. Ernst Cassirer, Breslau 1874–1945 New York, Habil. FWU 1906, 1919–1933 oö. Prof. Hamburg, 1933 Emigration. Über den mit Abstand produktivsten der Kandidaten, Cassirer, hieß es, daß er seine „Geschichtsbe­ trachtung“ systematischen Gesichtspunkten unterwerfe, was zur „Einseitigkeit“ führe; er sei jedoch ein beachtens­ werter Logiker und Erkenntnistheoretiker, dessen Lehrtätigkeit sich so erfreulich entwickelt habe, daß man seine Befähigung zum guten Dozenten wohl unterstellen dürfe. Freytag sei ein Vertreter des erkenntnistheoretischen Re­ alismus, bekämpfe daher erfolgreich „Phänomenalismus und Conscientalismus unserer Tage“. – Der am wenigsten profilierte Goedeckemeyer erhielt den Ruf zum WS. 1908/09. 1614 Was seinen Niederschlag jedoch nur in einer schmalen Monographie über ‚Die Gliederung der aristotelischen Philosophie‘ (1912) fand, über die der Aristoteles­Kenner Werner Jaeger (1913) ein wenig liebenswürdiges Urteil fällte. 1615 Dazu ausführlich Bd. II. 1616 Bis in die 1930er Jahre sehr erfolgreich war die Vorlesung, mit der er als PD im WS. 1899/00 seinen Einstand gab: Die philosophischen Anschauungen der großen Naturforscher (58 Hörer). Sich extrem den Bedürfnissen seiner Hörer/innen nach weltanschaulicher Unterweisung anpassend, bot Kowalewski „für Hörer aller Fakultäten“ bis 1914 in dieser Sparte ferner an: WS. 1899/00: Über philosphische Sonderlinge (Böhme, Hamann, Nietzsche) (18), SS. 1900: Über Pessimismus u Optimismus (73), 1900/01: Kritik des Materialismus und Spiritualismus (38), SS. 1901: Der Darwinismus in der Philosophie (70), SS. 1902: Das Verhältnis von Glauben und Wissen (89), 1904/05: Über Optimismus … (90), SS. 1905: Der Darwinismus … (102), WS. 1905/06: Über Hae­ ckels Welträtsel (165), SS. 1906: Glauben – Wissen (80), 1907 bzw. 1907/08 über zwei „Modephilosophen“ des 19. Jhs.: Schopenhauers Leben und Lehre (192!), Die philosophischen Anschauungen Nietzsches (209!), SS. 1908: Die philosophischen Anschauungen der großen Naturforscher (200), 1908/09: Grundprobleme der Religionsphi­ losophie (158), SS. 1910: Glauben – Wissen (113). 1613

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Würmer, denen es schlecht bekomme wäre, hätten sie sich seinen „Klassen und Systemen“ entziehen wollen. Wie einem Viehtreiber die Hand eines Heiligenmalers fehle, so hätte die Parasiten­Passion Braun geformt: er sei ein „roher Bursche“ gewesen, „ungepflegt an Leib und Seele“, zotig gegenüber den von ihm und den meisten naturwissenschaftlichen wie medizinischen Dozenten nicht gelittenen weiblichen Hörern.1617 Solches Personal war offenbar ungeeignet, den Königsberger Rückstand der biologischen Fächer aufzuholen. In welchem Ausmaß in der an anderen Universitäten wie Leipzig, Berlin und München geförderten und sich als Leitdisziplin etablierenden Biologie seit der Jahrhundertwende hier der An­ schluß verloren ging, wurde an der Albertina allerdings erst nach 1918 offenbar, als die dreißigjährige Ära Brauns endete. Jürgen W. Harms, 1921 aus Marburg berufen, berichtete, bei aller Anerkennung seines Vorgängers, der gezwungen gewesen sei, mit geringen Mitteln zu wirtschaften, über den erschre­ ckenden Verfall der bedeutenden Sammlungen des Zoologischen Museums, von hoffnungslos ver­ alteten Apparaturen, vorsintflutlichen Mikroskopen, dem Fehlen jeglicher Voraussetzungen für einen modernen Institutsbetrieb.1618 Harms’ Nachfolger wiederum, Otto Koehler, ab 1925 trotz aller seit 1922 erzielten Verbesserungen weiterhin mit den Folgen jahrzehntelanger Vernachlässigung („Ver­ rottungsprozeß“) ringend,1619 ließ in seinem Nachruf auf Braun anklingen, daß die Abkopplung der Königsberger Zoologie von der stürmischen Entwicklung des Faches nicht nur ministerieller Knause­ rei, sondern in erheblichem Umfang dem Selbstverständnis des örtlichen Fachvertreters zuzuschreiben sei.1620 Nach Koehlers Urteil engte die Spezialarbeit das Blickfeld des Lehrers Braun zwar nicht vollständig ein, da er etwa 1912/13 „Vererbungslehre“ anbot, was beweise, daß er es verstanden habe, „neuartige Gedankengänge“ ansatzweise zu rezipieren. Doch die dreißig Dissertationen, die zwischen 1890 und 1920 aus seiner Schule hervorgingen, blieben davon unberührt. Sein letzter, von ihm zumindest in die Spur gesetzter Habilitand, Lothar Szidat, der an der Albertina dann die akademische Laufbahn ein­ schlug wie Brauns erster Schüler, Assistent, Doktorand und Habilitand, Max Lühe, der dem Weltkrieg zum Opfer fiel, war daher mit Konsequenz Parasitologe. Mit einem eigenen Institut in Rossitten auf der Kurischen Nehrung vollzog er zudem die räumliche Trennung von den mit Brauns Forschungs­ tradition brechenden Nachfolgern Harms und Koehler. Den seit 1905 für Braun tätigen Assistenten Alfons Dampf mußte Harms entlassen, weil ihm als „eng eingestellten Insektenspezialisten“ jede Vor­ bildung in der Allgemeinen Zoologie fehlte und er nicht imstande gewesen sei, einfachste Kurspräpa­ rate zu fertigen.1621 So randständig Brauns Position in der Disziplingeschichte seiner Zeit ausfällt, so beachtlich ist die regionale Anteilnahme, die er für sein Fachgebiet zu wecken wußte. Koehler rühmt ihn als Initiator des Königsberger Zoologischen Gartens, eine der ersten Einrichtungen dieser Art im Reich. Er hebt über­ dies seine Verdienste um die Förderung der ostpreußischen Fischerei hervor, deren Geschicke er von 1891 bis 1906 als Vorstandsmitlied des Fischereivereins der Provinz mitbestimmte. Vor allem sei sein Einsatz bei der Institutionalisierung der Fischereiwissenschaft an der Albertina anzuerkennen, und Ko­ ehler streicht besonders heraus, welche Meriten sich Braun als Naturschützer erwarb: 1905 gründete er eine „Vereinigung zum Schutz der Naturdenkmäler in Ostpreußen“ und bewährte sich als Vermitt­ Wiechert 1949, S. 18–20. Namen sind hier nicht genannt, doch als der Förstersohn Wiechert 1905 zu­ nächst mit einem naturwissenschaftlichen Studium begann, war Luerssen, ausweislich der Akten, genau der alters­ schwach­zittrige Botaniker, und Braun der leidenschaftlich­derbe Parasitenforscher, wie sie hier geschildert werden. 1618 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 14, Bd. IV, unpag.; Denkschrift Harms v. 18. 3. 1922. 1619 Ebd., Kurator an PrMK v. 24. 11. 1925 mit langen Zitaten einer ersten Bestandsaufnahme Koehlers. 1620 Koehler 1930. 1621 GStA …, Tit. X, Nr. 14, Bd. IV, unpag.; Harms an Kurator v. 13. 11. 1922. Auch Dampf war nach seiner Promotion von Braun zur intensiven Beschäftigung mit Parasiten angehalten worden, was ein paar Miszellen über Flöhe zeitigte (u. a. Dampf 1912). 1617

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ler des fachkundig angeleiteten „Naturerlebnisses“. Brauns intensiver „lokalfaunistischer Tätigkeit“, Laienpublikum zugänglich gemacht in regelmäßigen Vorträgen in der PhÖG und im Kaufmännischen Verein der Stadt, zollte Koehler ebenso Respekt wie den Erfolgen im „biologisch­heimatkundlichen Unterricht“, auf den er seine Lehramtskandidaten vorbereitete. Braun popularisierte zoologische For­ schung in einer Weise, die vor 1914 erheblich zur Ausbildung regionaler Identität beitrug. Der nach­ haltigste Effekt ging dabei von der ihm zu dankenden Gründung der Vogelwarte Rossitten aus, die der von ihm 1907 promovierte Ornithologe Johannes Thienemann leitete und die 1928 von der Kaiser­ Wilhelm­Gesellschaft übernommen wurde. Die von Braun angestoßene landesweite „Storchenzäh­ lung“, mit der es gelang, „breiteste Kreise der Provinz zu tätiger Mitarbeit anzuregen“, ließ den Adebar nicht nur, neben Elch und Trakehner Pferd, zum dritten „Wappentier“ Ostpreußens werden, sondern sie erwies sich in den zwanziger Jahren auch als nachahmenswertes Beispiel, um von Rossitten aus das ganze Spektrum der Zugvögel zu erfassen und so die Station zu einem ornithologischen Zentrum aus­ zubauen, das zudem erhebliche kulturpropagandistische Effekte zeitigte, von denen noch zu reden ist. Ähnlich deprimiert wie bei den Erben Brauns klangen zehn Jahre zuvor die ersten Bestandsaufnah­ men von Luerssens Nachfolger Carl Mez. Obwohl er den erkrankten Luerssen im SS. 1909 vertreten hatte, war der Hallenser Extraordinarius, in erster Linie Pflanzenanatom, ein Jahr später nicht der Favorit der Fakultät, die lieber Wilhelm Benecke aus Bonn oder den weitgereisten Marburger Pflan­ zengeographen Ludwig Diels auf Luerssens Stuhl gesehen hätte.1622 Aber Mez war für das Ministerium der wohlfeilste Kandidat, wie sich schnell herausstellte jedoch nicht der genügsamste. Was der neue Di­ rektor des Botanischen Instituts nach Berlin übermittelte, hätte man dort auch als ausgreifende Kritik an der permanenten Zurücksetzung der naturwissenschaftlichen Disziplinen in Königsberg auffassen müssen. Hinter Mez’ Lob über den „vorzüglichen Erhaltungszustand“ des Herbariums taten sich näm­ lich Abgründe auf. Bei der Konservierung der Sammlungen habe sich Luerssen offensichtlich veraus­ gabt, hierfür sei auch der Löwenanteil des Institutsetats geopfert worden. Für die Lehrveranstaltungen habe er sich dann nur noch auf die ersten Semester beschränken können, und das Institut dank der vielen, Honorar zahlenden Mediziner und Chemiker zu seinem „Erwerbs­Instrument“ degenerieren lassen: „Wissenschaftlich ist es tot“. Schon deshalb, weil Luerssen kein Geld für die Ausstattung übrig GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 210–215 PhilFak – PrMK v. 14. 6. 1910, Liste Nf. Luerssen: 1. Wilhelm Benecke 1868 Heidelberg–1946 Soldorf/Westf., Sohn des Heidelberger, ab 1872 Straßburger Geologen Wilhelm B. (1838–1917), 1887 G Straßburg, naturwiss. Studium ebd., FWU, Zürich, Jena, dort 1892 Prom., 1892–1894 Assistent Bot. Institut Leipzig, 1894–1894 Assistent Straßburg, ebd. 1896 Habil. f. Botanik, 1898/99 Lehrstuhl­ vertretung Basel, 1899 Umhabil. Kiel, Assistent Bot. Institut, 1906 ebd. Abteilungsvorsteher, 1907 b. ao. Prof. ebd., 1909 b. ao. Prof. Bonn, 1914 oö. Prof. LwH Berlin, 1916–1935 oö. Prof. f. Botanik Münster; Arbeiten zur Pflanzenphysiologie, ­ernährung, ­anatomie, Pharmakognosie; herausgestellt wurde zudem seine Verwaltungs­ erfahrung als Kieler und Bonner Kustos. – 2a. Ludwig Diels 1874 Hamburg–1945 Berlin, Sohn des Altphi­ lologen Hermann Diels (1848–1922), 1893 JoachimthalG Berlin, naturwiss.­geograph. Studium FWU, 1896 Prom., 1896–1900 Assistent Botan. Institut (Engler), 1900 Habil. f. Botanik ebd., 1900–1902 pflanzengeogr. Studienreise nach West­Australien (Humboldt­Stiftung), 1902–1906 PD FWU, 1906 Tit. Prof., nach Vertretung in Marburg dort oö. Prof., 1921 Nf. Englers FWU. Habe über sämtliche Gebiete der Botanik gelesen, verfüge über große Verwaltungserfahrung, Arbeiten zur Vegetationsbiologie Neuseelands, zur Flora Zentral­Chinas, über hoch­ alpine Floren Ostasiens, 1908: Pflanzengeographie (Slg. Göschen). – 2b. Carl Mez (s. Catalogus). Die Laudatio fiel insgesamt weniger begeistert aus als bei Benecke und Diels und endete in der Aufzählung von fast fachfremd anmutenden Publikationen über Hausschwamm und Trockenfäule, ein eher wohnungshygienisches Arbeitsfeld, das Mez vermutlich erstmals als Privatdozent in Breslau betreten hatte, wo er zeitweilig als Leiter des Chemischen Untersuchungsamts der Stadt fungierte. Seine Nennung auf der Königsberger Liste war vermutlich kollegialen Rücksichten geschuldet. Es hätte seinem Ruf erheblich geschadet, wäre er übergangen worden, nachdem ihn die Fakultät als Stellvertreter Luerssens schon kennengelernt hatte. Dazu aufschlußreich auch die bessere Behandlung Erwin Rupps, des Stellvertreters von Partheil (Pharm. Chemie): Ihn setzte die Fakultät primo loco auf die Liste mit der Begründung, ihn „gern behalten“ zu wollen (siehe folgenden Abschnitt).

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hatte. Instrumente für entwicklungsgeschichtlich­physiologische Arbeiten fehlten ebenso wie Ther­ mostate, Klimostate und Ventilisationsapparate. Stoffwechselversuche scheiterten schon eben daran. Kulturen, unerlässig in der Vorlesung über Bakterien und Pilze, gäbe es nicht. Das einzige Meßinstru­ ment, das Mez vorfand, war ein Zimmermannsband. Sonst gab es keinerlei Präzionsinstrumente für Messungen und Wägungen. Die „Glassachen“ beschränkten sich auf „Apotheker­Pulvergläser“, und die seien zuletzt 1810 modern gewesen. Wie herablassend müßten Luerssens Zuhörer aus der mit Präparaten verwöhnten Medizinerschaft wohl über seine Vorlesungen urteilen, die auf jede Demons­ tration verzichteten? Mez war mithin kaum zu widersprechen, wenn er behauptete, das Königsber­ ger Botanische Institut sei unter denen vergleichbaren preußischen Einrichtungen „am schlechtesten gestellt“.1623 Chemie Vor allem die modernste Forschungsrichtung, die Physikalische Chemie, für deren Förderung an der TH Danzig dem Ministerium nichts zu teuer gewesen sei, war zum Leidwesen der Naturwissenschaft­ ler in der Fakultät in Königsberg gar nicht vertreten.1624 Auch der aus Erlangen neuberufene Physiker Gerhard Schmidt sei von „jähem Schreck befallen“ worden, „als er die Einrichtungen bei uns sah“, da die „Herren im Westen an etwas Reichlicheres gewöhnt“ seien. Chemie und Physik bestimmten aber nun einmal die „Signatur des Zeitalters“, bildeten den „Zentralkörper, von dem aus durch alle Adern neues Leben und neue Anregung dem ganzen volkswirtschaftlichen Körper mitgeteilt wird“. Der Finanzminister müsse diese führenden naturwissenschaftlichen Disziplinen gerade in Königsberg und Breslau fördern, denn, so wetterten erregte Parlamentarier in einer Hochschuldebatte des Abge­ ordnetenhauses, nur dann erfülle er am besten sein dem Hohen Hause gegebenes Versprechen, diese „entlegensten Wachposten im fernen Osten mit reichlichen Mitteln auszustatten“. Althoff, der darauf direkt antwortete, hielt dagegen, daß im Etat für 1906 Königsberg „wie wohl noch nie“ (sic!) berücksichtigt worden sei. Tatsächlich durfte sich Heinrich Klinger Ende 1905 über 10.000 M. für Sachmittel und 1908 über die Fertigstellung eines 80.000 M. teuren Erweiterungsbaus für sein Chemisches Labor freuen. Auch über eine neue Planstelle für Physikalische Chemie. Die er­ hielt sein von ihm habilitierter Assistent Alfred Benrath, den Klinger allerdings eher als Durchschnitt einstufte, da dessen „Arbeiten“ auf physikalisch­chemischen Gebiet leider nicht „durch Originalität der Methode oder der Gedanken“ ausgezeichnet seien.1625 Benrath beschäftigte sich auf diesem Posten 1623 GStA …, Tit. X, Nr. 12, Bd. V, unpag.; Mez – PrMK v. 3. 7. 1910. Luerssen waren 1908 zehn neue Mikro­ skope bewilligt worden. Vierzehn waren 1888 bei Amtstritt vorhanden, bis 1907 gelang ihm die Aufstockung auf kümmerliche 30, von denen nur 24 für Anfänger geeignet waren – eine angesichts der Hörerzahlen in den Anfän­ gerkursen seit 1900 völlig unzureichende Ausstattung (ebd., Luerssen – PrMK v. 2. 6. 1907). 1624 Vgl. GStA …, Nr. 21, Bd. XXI, Bl. 82–84; Antrag PhilFak v. 10. 1. 1901 auf Errichtung eines Instituts und eines Lehrstuhls für physik. Chemie. Als Folge der Spezialisierung habe sich der Untericht von der Experimen­ talvorlesung ins Labor verlagert, und sei auf direkte Anleitung der Studenten ausgerichtet, deren Zahl ständig steige. Die Spezialdisziplinen könnten von einem Ordinarius im Unterricht daher gar nicht mehr abgedeckt wer­ den. Überdies zeige sich ein wachsender Einfluß des Faches auf andere Disziplinen. Hinzu komme die gestiegene praktische Bedeutung. Am mächtigen Aufschwung der chemischen Industrie sei die physik. Chemie maßgeblich beteiligt. Von physikal. Seite könne diese Fachrichtung an der AUK nicht mehr bedient werden, da sich die Physik in letzter Zeit stärker auf Mathematik konzentriere und eher von der Chemie wegführe; auch die Mineralogen und Geologen seien sehr an phys. Chemie interessiert, da die Kristallographen seit 40 Jahren Fragen nach dem Wesen der Isomorphie diskutierten. Rätselhaft bleibt, warum Lossen, Klinger und Stutzer (ebd., Bl. 170–171, Separatvo­ tum v. 12. 3. 1902) ihren eigenen Antrag ein Jahr später desavouierten. 1625 Ebd., Bl. 79 ff.; Auszug aus 151. Sitzung HdA, 1. 3. 1905, Sp. 10.831–10.836 sowie ebd., Bl. 87 f.; PrMK – PrMF, Etatanmeldung v. 23. 8. 1905 und Bl. 133; Klinger – Kurator v. 20. 2. 1908, Vorschlag Benrath als Abt.leiter physikalische Chemie.

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fünf Jahre lang mit der Einwirkung des Lichtes auf den Verlauf chemischer Reaktionen, ohne nennens­ werte fachliche Resonanz zu finden. Als er 1913 nach Bonn versetzt wurde, wo er weitere zehn Jahre als Abteilungsleiter tätig war, bevor er 1923 mit 45 Jahren eine Professur an der TH Aachen erhielt, folgte ihm Fritz Eisenlohr aus Greifswald (1913–1945), der den Arbeitsschwerpunkt der Abteilung auf die Spektrochemie organischer Verbindungen verlagerte.1626 Von der Außenwirkung der Abteilung war auch unter Eisenlohr wenig zu bemerken, und Klinger, als Forscher seinen pharmazeutischen Anfängen treu bleibend, daneben publizistisch sichtbar nur als Bearbeiter von einem halben Dutzend Auflagen von Richters ‚Lehrbuch der Organischen Chemie‘ (1893–1912), verausgabte sich als Lehrer und Betreuer der in großer Zahl anfallenden Doktorarbeiten, die er zu einem Teil an jene jüdischen Studenten aus Rußland verteilte, von denen sich ihr Kommilitone Ernst Wiechert überaus fasziniert zeigte, und von denen er annahm, sie hätten nur deshalb in Klingers Hörsaal stoisch ausgeharrt, „um nachher ihre nihilistischen Bomben mit besonderer Exaktheit füllen zu können, bevor sie sie unter den Wagen eines Großfürsten oder eines Polizeiministers schleuderten“.1627 Von Klinger wenig gelitten, war der 1878 habilitierte Privatdozent Reinhart Blochmann am La­ bor tätig, Jahrgang 1848 und somit älter als der Ordinarius, ein Graebe­Schüler, seit 1898 nomi­ nell Leiter einer gar nicht vorhandenen Abteilung für technische Chemie, zugleich sehr okkupiert vom ostpreußischen gewerblichen Zentralverein, für den er als eine Art akademischer Materialprüfer und Warentester fungierte.1628 Daneben betätigte der Chemiker sich volkspädagogisch im „Verein für fortbildende Vorträge“, wo er über die „Anfangsgründe“ seines Faches sprach.1629 Darüberhinaus ver­ fasste er Lehrbücher, die sich besser verkauften als Klingers Werk.1630 1906 kündigte der Zentralverein Blochmann, und Klinger war froh darüber. Dadurch hob sich das wissenschaftliche Ansehen seines Labors, das von Blochmann gegen „Geldentschädigung“ herabgewürdigt worden sei zum Material­ prüfungsamt für Behörden und Gewerbetreibende. Der wegen seiner sechs Kinder auf den reichlichen Nebenerwerb angewiesene Prüfer und Gutachter Blochmann sei dem Forschungsbetrieb seit 1898 Ebd., Bl. 230 und 242; Klinger – Kurator v. 15. 3. und 18. 6. 1913, der die Verlagerung des Arbeitsgebiets bedauert, da Benrath, nun plötzlich!, „ein schwerer Verlust in jeder Beziehung“, stärker mit seinen eigenen For­ schungsinteressen harmonierte. 1627 Wiechert 1949, S. 26. Dort, S. 22, auch eine kurze Charakteristik Klingers, „ein Bruder des großen Max Klinger“, dessen Physiognomie von einer „souveränen Welt­ und Menschenverachtung“ zeugte, von dessen „Leben und seiner Trinkfestigkeit“ man sich „seltsame Geschichten“ erzählte und der wohl von der Natur zu etwas ande­ rem bestimmt worden sei, etwa zum Leiter einer großen Spielbank, als zum Direktor des Königsberger Laborato­ riums. – Von 1908 bis 1913 entstanden 24 Dissertationen bei Klinger, acht Promovenden waren russische oder aus Rußland zugewanderte, naturalisierte Juden. Über die Hintergründe dieses Zustroms zu vielen deutschen Hochschulen: J. Wertheimer 1982; vgl. ebd. S. 212 die Statistik der Studentenzahlen: Königsberg (230 Studenten aus Rußland, davon 200 jüdischer Herkunft = 12 % aller Immatrikulierten), lag hinter Berlin (510/499 jüd. Her­ kunft), Leipzig (409/298) und München (320/288) an vierter Stelle. Zur „Ausländerfrage“ in Halle: Peter u. a. 2002 1628 Klinger sah in diesem Praxisbezug seines Instituts keinen Vorteil. Nach Blochmanns Angaben endete die un­ komplizierte Kooperation mit Lossen, als Klinger das Direktorat übernahm (GStA …, Nr. 21, Bd. XXIII, 203 f.; Blochmann – Kurator v. 9. 4. 1905). Seit dem WS. 1903/04 sei er kaum noch in der Lage, eigene Forschungen zu treiben, da Klinger ihm auch die bescheidensten Räumlichkeiten verweigere. Das oft beantragte beamt. Extraord. für ihn wurde nicht genehmigt. Noch 1909 berichtete der Kurator, der 61jährige Blochmann leide Not, halte sich nur mühsam mit Expertisen über Wasser (ebd., Bd. XXV, Bl. 104–106; Stellungnahme v. 4. 6. 1909 zum Antrag der Fakultät, für B. Lehrstuhl für analytische u. technische Chemie zu begründen, was abgelehnt wurde). 1629 Blochmann 1907; diese Vorträge über Experimentalchemie hatte er 1895 und 1897 im „Verein für fort­ bildende Vorträge“ gehalten, 1899 in erster, 1903 in zweiter Auflage erscheinen lassen. Das Werk beendet der „Fortschrittsmann“ mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für die „exakte Experimentalforschung“, das nicht nur Naturwissenschaftlern ins Gewissen redet, wenn es heißt: „Jede Spekulation, die sich nicht auf erwiesene Tatsachen stützt, ist zu verwerfen!“ (ebd., S. 148). 1630 Vgl. Blochmann 1895/98; 1899; 1917.

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immer mehr entzogen worden, so daß man ohne Umschweife von der „Vergeudung seiner Schaffens­ kraft“ sprechen dürfe. Die 500 Mark Jahresmiete, die der Zentralverein dem Staat dafür zahle, daß Blochmann die Arbeiten in den universitären Laborräumen ausführen dürfe, deckten bei weitem nicht die Unkosten. Da Blochmann aber gebraucht werde, um die Lücken, die im Lehrplan bei analytischer, physikalischer und technischer Chemie klafften, zu schließen, möge man ihm den Ausfall ersetzen bzw. ihn am besten gleich zum beamteten Extraordinarius ernennen.1631 Ungeachtet des vereinten Auftretens von Kurator, Fakultät und Labor­Direktor Klinger beharrte das Ministerium aber darauf, das Problem der Unterrichtslücken zu ignorieren.1632 Neben Blochmann wirkte der Privatdozent Lassar Cohn, Jahrgang 1858, 1888 von Lossen habi­ litiert, ausschließlich auf organische Chemie konzentriert, ein „lebendiges Lexikon für Methoden der synthetischen und technischen Chemie“ (Klinger), Verfasser eines fast 2.000seitigen, mehrfach auf­ gelegten Standardwerks über Arbeitsmethoden im organisch­chemischen Laboratorium, zugleich ein erfolgreicher Popularisator seiner Disziplin (1891: ‚Moderne Chemie‘, 1895: ‚Chemie des täglichen Lebens‘) und wie Parteifreund Blochmann, der lange für den „Freisinn“ als Stadtverordneter tätig war, kommunalpolitisch sehr rege. Als Lassar Cohn 1909 aus Gesundheitsgründen ausschied,1633 wollte Klinger auch Blochmann loswerden, um sein Institut personell zu verjüngen. Doch der Vorschlag, ihm das pharmazeutische Extraordinariat Alfred Partheils zu verleihen, traf auf den Widerstand des Agrikul­ turchemikers Stutzer, der sich gegen Klinger durchsetzte. Partheil wiederum war 1903 von Bonn nach Königsberg abgeschoben worden, um seinen Dauerkonflikt mit dem dortigen Chemiker zu beenden. Diesen oktroyierten Dozenten setzte Althoff auf Klingers Lehrstuhl für pharmazeutische Chemie, den er zuvor auf ein Extraordinariat zurückgestuft hatte, da das akademische Renommé dieser „Apothe­ kerlehre“, die dank der industriellen Produktion von Präparaten immer nutzloser zu werden schien, um 1900 zu sinken begann. Unter derart unglücklichen Vorzeichen setzte sich der Eindruck fest, als müsse Partheils Königsberger Schicksal fast zwangsläufig unheilvoll enden. Sein Plan, mit Schützen­ hilfe der ostpreußischen Apothekerkammer sich von Klinger zu emanzipieren, eigene nahrungsmittel­ chemische Forschungen zu intensivieren und das Pharmazeutische Labor zu verselbständigen, um sich das Ordinariat zu verschaffen, scheiterte 1905 kläglich.1634 Im Winter 1907/08 bemerkten Kollegen GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 229–231; Klinger – Kurator v. Windheim v. 26. 1. 1909. Kurator v. Moltke hatte den Antrag der Fakultät schon zwei Jahre zuvor unterstützt, Blochmann ein Extraordinariat einzurichten, da Klinger als einziger Ordinarius außerstande sei, die Spezialfächer zu vertreten (ebd., Bl. 232 f.; an PrMK v. 1. 2. 1907). Die Kündigung des Zentralvereins war übrigens erfolgt, weil Blochmanns Dienste sich als „nicht so bedeutend“ erwiesen als erhofft, so daß man die 500 M. auch sparen könne (ebd., Bl. 228; an Gramsch v. 30. 11. 1905). Blochmann war naturgemäß anderer Ansicht und hielt Klingers Aversion gegen die Kommerziali­ sierung des Laborbetriebs entgegen, daß die Forschungsarbeiten von der von ihm gestifteten Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis nur profitieren könnten (ebd., Bl. 225–227; an v. Moltke v. 25. 11. 1905). 1632 Ebd.; Bl. 237 f.; Kurator – PrMK v. 6. 5. 1908: Zustände bedürfen dringend der Abhilfe! Dazu ebd., Bl. 239 f.; Antrag PhilFak v. 21. 3. 1908: Die Analyse sei Grundlage und Krönung chemischer Forschung und dürfe nicht weiter vernachlässigt werden. Am 25. 1. 1909 mahnte der Kurator nochmals zur Eile (Bl. 246), zuvor, am 10. 11. 1908 (Bl. 248 f.), hatte Klinger (erfolglos) eine Antwort auf seine Vorschläge v. 24. 2. 1908 (Bl. 241–245) erbeten. 1633 So hieß es offiziell; tatsächlich aber, weil es Klinger, der ihn als anspruchsloses Arbeitspferd sehr schätzte, nicht gelungen war, ihm den Wunsch zu erfüllen, zum nb. ao. Prof. ernannt zu werden. Aus Prestigegründen bestand er auf dieser formalen Rangerhöhung, um als 50jähriger aus der Gilde der Privatdozenten auszutreten (GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 241–245; Klinger – PrMK v. 24. 2. 1908). 1634 GStA …, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 127 f.; Apothekerkammer Ostpreußen – PrMK v. 17. 1. 1905; dazu, Bl. 129, ablehnend gegen solche Vorstöße aus „Interessentenkreisen“ die PhilFak v. 10. 2. 1905, und ausführlich, Bl. 131– 140, mitunter höhnisch, Klingers Stellungnahme dazu v. 4. 2. 1905. Über die „Abschiebung“ Partheils aus Bonn berichtet Stutzer in einem Schreiben ans PrMK v. 25. 1. 1909 (ebd., Bd. XXV, Bl. 54–57). Dazu jetzt detailliert, aber ohne Partheils Forschungen, abgesehen vom nahrungsmittelchemischen Sektor (Weinanalyse, Härtebestim­ 1631

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deutliche Symptome rasch fortschreitenden Wahnsinns, da Partheil sich kaum noch um sein Labor kümmerte, wo an den Arbeitstischen Bier getrunken wurde, und wo eine unglaubliche „Unsauberkeit und Unordnung“ herrschte, da der paralysierte Chef stattdessen mit alles vergessendem Eifer Medizin studierte. Anfang 1909 mußte Partheil in die Heilanstalt Kortau eingeliefert werden, wo er nach eini­ gen Monaten verstarb.1635 Im Streit darüber, ob sein Labor, wie von dem Agrikulturchemiker sehnlichst erwünscht, Stutzers Institut einzuverleiben sei oder Klinger zur Verfügung stünde, um den auch im Ministerium für „wenig tüchtig“ gehaltenen Blochmann dorthin zu entsorgen, beschritt man Unter den Linden den Mittelweg und schickte den Marburger Pharmazeuten Erwin Rupp (1909–1920), zunächst zur Vertretung, dann auf Wunsch der Fakultät definitiv. Rupp bewährte sich rasch als Nah­ rungsmittelanalytiker, als Spezialist für toxikologische Chemie („Ausmittelung von Giften“) und für lukrative Arzneimittelprüfungen.1636 1913 glaubte die Fakultät den von der Industrie heftig umwor­ benen Mann nur mittels der beantragten Ordinarienwürde halten zu können.1637 Daß auch Rupp, wie Braun, Luerssen, Mez und viele Geisteswissenschaftler, von der Königsberger Professorenkrankheit extremer Vereinseitigung befallen wurde, legt das Urteil der Frankfurter Naturwissenschaftlichen Fa­ kultät nahe, die sich den zurück in den Westen drängenden schwäbischen Chemiker 1919 keinesfalls aufhalsen lassen wollte, weil er „ausschließlich auf analytischem Gebiet tätig“ gewesen sei.1638 Physik Als der seit langem ausgelaugte Carl Pape 1904 in den Ruhestand flüchtete, war der Königsberger Physik durch die 1904 neugegründete TH Danzig ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Um dagegen bestehen zu können, erflehte die Fakultät geradezu die Rückkehr des in Göttingen als Geophysiker zu höchstem Ansehen gelangten Emil Wiechert, Volkmanns Assistenten von 1889 bis 1897, der als „ungemein erfinderisch auf experimentellem Gebiet“ galt und wegweisend über die Grundlagen der Elektrodynamik gearbeitet hatte. Althoff schickte stattdessen den jüngeren und weniger renommierten mung des Trinkwassers, Fettbestimmung bei Milch und Lösungsversuche zur „Margarinefrage“, Suche nach pro­ batem Kennzeichnungsmittel zur Unterscheidung von Butter und „Kunstbutter“) in einen hinreichend klaren Kontext der Chemie­ und Pharmaziegeschichte seiner Zeit zu stellen: Jost 2007, für die Königsberger Amtszeit bes. S. 259–274. 1635 GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 1 f.; Stutzer (Dekan) – PrMK v. 6. 12. 1908. „Vertrauliche“ Mitteilung, daß Partheil vermutlich unheilbar krank sei. Ebd., Bl. 3, Stutzer berichtet am 10. 1. 1909, Partheil sei irrsinnig ge­ worden, „heute morgen“ in die Anstalt Kortau verbracht. Ebd., Bl. 14, Meldung v. 24. 4. 1909 über Partheils Tod. Zum Krankheitsverlauf auch die Schilderung seiner Frau Anna Partheil, die das schwere Nervenleiden ihres Mannes auf die außergewöhnlichen Anstrengungen zurückführte, die es ihn gekostet habe, aus dem „Handwerk“ des Apothekers kommend, sich zum Extraordinarius hochzuarbeiten (ebd., Tit. IV, Nr. 11, unpag.; Unterstüt­ zungsgesuch v. 6. 2. 1909). Wie bei dem Agrarwissenschaftler Marek oder dem UB­Direktor Prinz (s. u., Kap. 5) dürfte auch Partheils Paralyse nicht auf berufliche Überanstrengung, sondern, zeitüblich wie die Krankheitsge­ schichte Nietzsches zeigt, auf ein vor­ oder außereheliches Vergnügen zurückgehen. 1636 Zum wissenschaftlichen Profil Rupps: Friedrich u. a. 1987. 1637 GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 62–64; Stutzer – PrMK v. 25. 2. 1909 wg. Klingers Antrag, Partheils Labor mit dem Chem. Labor zu vereinigen. Blochmann, den Klinger offensichtlich los werden wolle, dürfe keinesfalls an Partheils Stelle treten, da er zu alt, zu wenig energisch sei. Ebd., Bl. 66–68, Liste der PhilFak v. 7. 6. 1909, Nf. Partheil: Genannt wurden zwei Apotheker und ein „reiner Chemiker“: 1. E. Rupp, der Vertreter Partheils, den man gern behalten wolle. – 2. Georg Schröter, 1869 Passenheim/Ostpr.–1943 Berlin, Prom. Bonn 1892, 1898 Habil. f. Organische Chemie ebd., 1903 Tit. Prof. ebd., 1910–1935 ord. Prof. Tierärztl. Hochschule Berlin. – 3. Otto Anselmino (1873–1955), 1905 Habil. Greifswald, 1905–1908 LA ebd., 1908 Reichsgesundheitsamt, Mitarbeit am Deutschen Arzneibuch, 1920–1938 ao. Prof. FWU. Ebd., Bd. XXVI, unpag.; Antrag PhilFak v. 18. 2. 1913, Rupp zum oö. Prof. zu ernennen. Am 31. 5. 1913 erfolgte die Ernennung zum pers. Ordinarius. 1638 GStA, Rep. 76Va, Sek. 5, Tit. IV, Bd. II; unpag.; NatFak – PrMK v. 21. 3. 1919.

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Gerhard Schmidt, aufgefallen mit seiner Entdeckung der Radioaktivität des Thors und der Thorver­ bindungen.1639 In welch niederschmetterndem Ausmaß Papes Institut den Anschluß verpaßt hatte, dokumentie­ ren Schmidts erste Rapporte. Durchweg fehlte es an Demonstrationsapparaten für Vorlesungen. Die vorhandenen seien so klein, daß im Auditorium kaum jemand etwas mitbekomme. Die Apparate, die für Praktika zur Verfügung stünden, seien komplett veraltet, im ganzen Institut sei nicht ein einziger Ohmscher Widerstand aufzutreiben. Gegen die ausdrückliche Empfehlung des Kurators bewilligte Ber­ lin 5.000 M. zur Modernisierung des Inventars. Im Frühjahr 1905 erhielt Schmidt noch einmal die gleiche Summe, um Modelle elektrischer Maschinen, Galvano­ und Voltmeter anschaffen zu können. Da diese Maßnahmen in kurzer Zeit neue Hörer anlockten, erhöhte Schmidt im nächsten Antrag seine Forderungen. 16.000 M. benötige er, um bis 1907 „normale Zustände“ herzustellen: „Für den Osten ist das Beste noch nicht gut genug; dies gilt, weil wir hier im Osten in der Physik rückständig sind“, obwohl doch die Albertina „jahrzehntelang die Führerin in der Physik“ gewesen sei. Schmidt war entschlossen, diese „Führerrolle“ zwar nicht „zurückzuerobern“, aber wenigstens mit einigen west­ und mitteldeutschen Instituten gleichzuziehen. Dabei wollte er nicht länger vom Ministerium im Stich gelassen werden, zumal es viel aufzuholen gelte, sei doch unter Pape „zuletzt wissenschaftlich nicht mehr gearbeitet“ worden. Wie erheblich der Rückstand war, rechnete Schmidt vor. Sein Institut müsse mit 5.400 M. Jahresetat auskommen, liege damit weit selbst hinter kleinen Einrichtungen in Münster (7.400), Erlangen und Greifswald (je 10.100) zurück, während es sich mit Göttingen oder Berlin gar nicht mehr vergleichen dürfe. Ihm stehe nicht einmal ein Privatdozent zur Seite, der, wie überall üb­ lich, die Nebenzweige des Faches, Photographie, Elektrotechnik, Meteorologie abdecke.1640 Von den beantragten 16.000 M. erhielt er für 1906 nur die Hälfte. Seiner Bitte, den laufenden Etat mindestens um 1.500 M. zu erhöhen, scheint nicht entsprochen worden zu sein.1641 Schmidt, seit 1906 Schwie­ gersohn des Philosophen Julius Walter und erfolgreich bemüht, für sein Fach unter den „Gebildeten“ Königsbergs Interesse zu wecken, fühlte sich vom Ministerium hängen gelassen und dürfte daher nicht lange überlegt haben, als ihn zum SS. 1908 ein Ruf aus Münster erreichte. An seine Stelle wünschte die Fakultät Johannes Zenneck, 1905 an die TH Danzig berufen, seit 1906 an der TH Braunschweig tätig, ein Praktiker und Fachmann auf dem Feld der drahtlosen Tele­ graphie. Akzeptiert hätte man auch den 34jährigen Johannes Stark (TH Hannover), der als (1919 nobelpreisgekrönter) Entdecker des optischen Dopplereffekts an Kanalstrahlen und Begründer des Jahrbuchs der Radioaktivität und Elektronik (1904) „außerordentlichen Ideenreichtum“ beweise, der tief in den „Bau des Atoms wie in den Zusammenhang zwischen Atom und Elektron“ eingedrungen sei und der wie niemand sonst, in seiner Arbeit über ‚Die Elektrizität in Gasen‘ (1902), das Phänomen der Entladungen und des Durchgangs der Elektrizität durch Gase zu einem einheitlichen Ganzen ver­ arbeitet habe.1642 Keinesfalls erwünscht, wie Volkmann und einige seiner Gefolgsleute schon anläßlich der Nachfolge Papes mit einem stacheligen Sondervotum zum Ausdruck gebracht hatten, war einer kompakten Fakultätsminderheit die Berufung des Bonner Privatdozenten Walter Kaufmann. Obwohl die Volkmann­Gegner nicht zögerten, dessen ‚Theorie der Elektrone‘ als „epochemachende Arbeit“ anzupreisen.1643 Angeblich überschnitte sich Kaufmanns Arbeitsgebiet mit dem Volkmanns, er wurde also weniger als Experimentalphysiker denn als Theoretiker wahrgenommen. Hinzu kam die Ein­ GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bl. 39–44; PhilFak – PrMK v. 13. 7. 1904, Liste Nf. Pape. GStA …, Tit. X, Nr. 15, Bd. III; Bl. 257–258, 266–267, 274–278, 279–280; G. Schmidt – PrMK v. 18. 10. 1904, 6. 3., 19. und 24. 6. 1905. 1641 Der erhaltene Bestand der Institutsakten endet 1905, eine Antwort des PrMK auf Schmidts Antrag findet sich in der letzten dieser Akten daher nicht mehr. 1642 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 201–204; PhilFak – PrMK v. 20. 1. 1908; Liste Nf. Schmidt. 1643 Ebd., Bd. XXIII, Bl. 39–44; PhilFak – PrMK v. 13. 7. 1904, Liste Nf. Pape und ebd., Bl. 45–50; Separatvotum Volkmann, Klinger, Stutzer, Albert, Gerlach, Jeep, Rossbach, Kaluza. 1639

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schätzung seiner problematischen „Persönlichkeit“, die befürchten lasse, er werde „breitesten Kreisen der ostpreußischen Studentenschaft nicht behagen“, was im Ministerium vielleicht als Fingerzeig auf die jüdische Herkunft des Physikers gelesen werden sollte. 1908 stand Kaufmann wieder an zweiter Stelle, und Volkmann verzichtete auf einen Einspruch, obwohl die Formulierung des Vorschlags, die Kaufmanns Einseitigkeit herausstrich, weil er alle physikalischen Erscheinungen elektrischen Ursachen „unterordnet“, fortbestehende Reserven andeutete.1644 Der Ruf erging trotzdem an Kaufmann, der bis zu seiner Zwangsemeritierung 1935 das Institut leitete, ohne das es in dieser langen Zeit über den Rang einer Ausbildungsstätte für ostpreußische Physiklehrer noch hinausgekommen ist. Volkmann, 1907/08 Rektor, hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits endgültig aus der Forschung zurückgezogen auf die Erkenntnistheorie der Naturwissenschaften, auf die „weltanschauliche“ Ausei­ nandersetzung mit Haeckels „Monismus“ und auf die Didaktik der Physik in Universität und Schule. Seitdem er in den 1890er Jahren ein Königsberger Laienpublikum im „Verein für fortbildenden Vor­ träge“ davon zu überzeugen versucht hatte, daß das „moderne Geistesleben“ im „naturwissenschaft­ lichen Zeitalter“ sich viel zu einseitig am historisch­philologischen Bildungswissen orientierte und im Schulunterricht zu Unrecht die „Vorbildlichkeit der Antike“ dominiere, war der Physiker bestrebt, die „Denkformen“ der „erklärenden Naturwissenschaften“ als gleichwertiges Bildungsgut zu empfehlen und zugleich den beklagten „Zwiespalt“ zwischen Geistes­ und Naturwissenschaften zu überwinden, den er als Gefahr für die „Einheit der Nation der Gebildeten“ empfand.1645 Doch während Naturwissenschaftler in dem seit 1890 lebhaft geführten Streit um das „Humani­ stische Gymnasium“ ihre Disziplinen gewöhnlich als Beitrag empfahlen, diese „Einheit“ verbindlichen Wissens unter den Gebildeten zu stiften und dadurch, in wie vermittelter Form auch immer, die poli­ tische „Harmonie“ in der wilhelminischen Klassengesellschaft zu erhöhen, blieb Volkmann auch 1910, in der zweiten Auflage seiner „fortbildenden Vorträge“, überaus skeptisch gegenüber der Fähigkeit, als Wissenschaftler der Gesellschaft weltanschauliche Orientierung geben zu können. Mathematik Mit der Berufung von Franz Meyer und Arthur Schoenflies kam das sich während der 1890er so schnell drehende Personalkarussell bei den Mathematikern für über zehn Jahre zum Stillstand. Erst 1911, als Schoenflies einem Ruf nach Frankfurt, wo sich die Strukturen der 1914 gegründeten Universität schon abzeichneten, als letzte Gelegenheit, den Osten zu verlassen, nicht zu widerstehen vermochte,1646 begann es sich wieder schneller zu drehen. Auf Schoenflies folgte Georg Faber,1647 1905 an der TH Ebd., Bd. XXIV, Bl. 201–204; Liste Nf. Schmidt v. 20. 1. 1908. So erstmals Volkmann 1896a, S. V f., 6–13, 145; stark erweitert ders. 1910, ohne die bildungspolitische Stoß­ richtung zu ändern. 1646 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; Schoenflies – Elster PrMK v. 17. 7. 1911. Wie dem Schreiben zu entneh­ men ist, hatte der Mathematiker schon seit langem auf einen Wechsel in den Westen gehofft und war bei Elster deswegen vorstellig geworden. Seines Alters wegen (58 Jahre !) dürfe er sagen, der Frankfurter Ruf erreichte ihn im letzten Moment, sonst wäre die Chance, von Königsberg wegzukommen „für immer verpasst“ gewesen. 1647 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Bd. XXVI, unpag.; PhilFak – PrMK v. 26. 7. 1911, Nf. Schoenflies: 1. G. Faber (s. Catalogus). – 2a. Constantin Carathéodory, 1873 Berlin–1950 München, Sohn eines türkischen Diplomaten griechischer Herkunft, Schulzeit und Studium in Brüssel, 1898–1900 als Ingenieur in englischen Diensten (Nilstaudämme), 1900–1904 mathem. Studium FWU, Göttingen, ebd. 1904 Prom., 1908 Habil. f. Mathematik ebd., 1909 Prof. TH Hannover, 1910 TH Breslau, 1913 Göttingen, 1918 FWU, 1924 München, 1930 nach Athen beurlaubt zur Reorganisation der Universität. Von der Fakultät gepriesen wegen bestechender Arbeiten über Probleme der Variationsrechnung und des Verdienstes, zuerst die Bedeutung der kontinuierlichen Lösungen erkannt zu haben. – 2b. Rudolf Fueter, 1880 Basel–1950 Brunnen/CH, von Hilbert 1903 in Göttingen promoviert, Habil. f. Mathematik Marburg 1905, nach Lehrstuhlvertretung Bergakademie Clausthal 1908 oö. Prof. Basel, 1913–1916 TH Karlsruhe, 1916 oö. Prof. f. reine Mathematik Zürich, 1920/22 Rektor. Auf der Liste 1644

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Karlsruhe habilitiert, 1910 an die TH Stuttgart berufen, zum WS. 1911/12 an der Albertina und zum SS. 1913 schon wieder retour in den Südwesten, an die TH Karlsruhe. Gleichzeitig erhielt der Privatdozent Ludwig Bieberbach einen Ruf nach Basel. Der Hesse Bieberbach hatte sich erst zum WS. 1910/11 umhabilitiert,1648 um auf Meyers Betreiben einen Lehrauftrag für angewandte Mathe­ matik zu übernehmen. Man lobte zwar, bei der Berufung von Basel nach Frankfurt zum WS. 1914/15, mehr den „reinen“ Mathematiker mit seinen Beiträgen zur modernen Theorie der automorphen Funk­ tionen sowie, als seine bedeutendste Arbeit, eine Studie über Bewegungsgruppen im n­dimensionalen euklidischen Raum mit endlichem Fundamentalbereich, doch für Meyers Wahl muß schon wichtig gewesen sein, was auch der Frankfurter Fakultät gefiel: sein Interesse für mathematische Probleme, die auch „der Physik naheliegen“.1649 Fabers Nachfolger Karl Böhm, 1873 in Mannheim geboren, in Heidelberg promoviert und ha­ bilitiert, war, ungewöhnlich genug in seinem Metier, über 40 Jahre alt, als er zum WS. 1913/14 sein erstes Ordinariat erhielt.1650 Es wurde daraus nicht das vielleicht erhoffte Karrieresprungbrett für einen weiteren Aufstieg an preußischen Hochschulen. Zum SS. 1917, froh den harten „Steckrübenwinter“ überstanden zu haben und der ostpreußischen Kälte entkommen zu können, zog Böhm auf Fabers einstigen Lehrstuhl an die heimische TH Karlsruhe.1651 Mit seinem Nachfolger Wilhelm Blaschke von der TH Prag, der auch nur bis Anfang 1919, als er wegen der „bedrohlichen Verhältnisse“ in der Provinz einen „verlockenden“ Tübinger Ruf annahm,1652 ausharrte, nahm binnen sieben Jahren der vierte Durchreisende auf Schoenflies’ Lehrstuhl Platz. Zur Hochebene in seiner Zunft, als einer der „repräsentativsten deutschen Mathematiker“ und zum „bedeutendsten Geometer seiner Zeit“, aus­ gewiesen mit einem Dutzend Lehrbüchern und Monographien, stieß Blaschke, der in Königsberg fleißig über isoperimetrische Probleme publizierte, erst ab 1919 in Hamburg vor, wo er an der neuge­ gründeten Universität ein international renommiertes Zentrum mathematischer Forschung und Lehre aufbaute.1653 Wie der Physiker Volkmann, so besann sich auch Franz Meyer fast schlagartig mit seinem Umzug von Clausthal nach Königsberg auf seine reproduktiven und organisatorischen Talente. Während der als Urheber der Theorie der Zahlenstrahlen. – Die Schoenflies­Liste wiederholt z.T. Vorschläge für die Neubeset­ zung des Extraordinariats von Louis Saalschütz, das jedoch 1888 nur für ihn persönlich eingerichtet worden war und mit seiner Emeritierung 1908 wegfiel. Angesichts gestiegener Studentenzahlen, fehlender Privatdozenten und einer von Prüfungsordnung wie Praxis geforderten stärkeren Berücksichtigung angewandter Mathematik igno­ rierte die Fakultät dies jedoch, als sie 1908 eine Liste mit der Präferenz „höhere Analysis“ einreichte, die der Karlsruher Privatdozent Faber anführte, gefolgt von 2a. Carathéodory (s. o.), 2b. dem Zahlentheoretiker Edmund Landau, 1877 Berlin–1938 ebd., 1909–1934 oö. Prof. Göttingen, und 3. Max Dehn, 1877 Hamburg–1952 Black Mountain/USA, Hilbert­Schüler wie Carathéodory, Habil. Münster 1901, 1911 b. ao. Prof. Kiel, 1913–1921 TH Breslau, 1921–1934 oö. Prof. f. reine u. angewandte Mathematik Frankfurt, wegen jüdischer Herkunft entlassen, 1939 Emigration nach Norwegen, 1940 in die USA (PhilFak – PrMK v. 16. 7. 1908 wg. Nachfolge Saalschütz, in: Bd. XXVI, unpag.). 1648 AV 29. 10. 1910: Die historische Entwicklung der Variationsrechnung; zu Bieberbach s. Catalogus. 1649 GStA, Rep. 76Va, Sek. 5, Tit. IV, Bd. I, unpag.; NatFak – PrMK v. 6. 7. 1914. An dritter Stelle genannt Böhms Königsberger Nachfolger Wilhelm Blaschke (s. u.), als dessen Hauptstärke die Bearbeitung die „modernen geo­ metrischen Gebiete“ in der Richtung seines Bonner Lehrers Eduard Study lägen. 1650 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; PhilFak – PrMK v. 16. 7. 1913, Liste Nf. Faber: Gleichrangig neben a. Böhm: b. Oscar Perron (1880–1975), Habil. München 1906, b. ao. Prof. Tübingen 1910, oö. Prof. Heidelberg, 1922 München, c. Hermann Weyl (1885–1955), von Hilbert in Göttingen promoviert (1908) und habilitiert (1910), 1913–1930 Prof. f. Geometrie ETH Zürich, 1933 Emigration USA. 1651 Vgl. u. Kap. III, 6.4.2. 1652 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVIII, Bl. 74; Blaschke – PrMK v. 5. 1. 1919 über den Tü­ binger Ruf und die nachrevolutionären, „hier im Osten besonders bedrohlichen Verhältnisse“. 1653 Vgl. Hans Robert Müller 1962 u. E. Sperner 1963.

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Zeit an der Bergakademie hatte er im nahen Göttingen Kontakte zu Felix Klein und dem ehemaligen Königsberger Heinrich Weber knüpfen können. Diese beiden führenden Gelehrten spannten die Deutsche Mathematiker­Vereinigung ein, um Meyers Großvorhaben einer ‚Enzyklopädie der Mathe­ matischen Wissenschafen‘ zu realisieren, die über den Stand der reinen und angewandten Mathematik orientieren und vor allem Astronomen, Physiker und Techniker die gesicherten Resultate der seit 1830 kaum noch zu überschauenden „Fortschritte“ des Faches vermitteln sollte.1654 Nach der ursprünglichen Planung, sechs Bände in sechs Jahren, hätte das Unternehmen während der ersten Königsberger Se­ mester Meyers abgeschlossen werden sollen. Stattdessen zog sich die Sache ins Uferlose hin, und bei einem Umfang von schließlich 20 Bänden durfte Meyer froh sein, daß die beiden Teilbände des von ihm zuletzt redigierten dritten Bandes wenigstens noch 1923, ein Jahr vor seiner Emeritierung, auf dem Markt waren.1655 Auch neben der ‚Enzyklopädie‘ trat Meyer primär als Ordner und Vermittler fremder Forschung hervor. Als ständiger Referent für die Jahresberichte über die Fortschritte der Mathematik, wo er zwischen 1885 und 1932 fast 2.000 Referate erstattete.1656 Ebenso als Verfasser eines Lehrbuchs über Integral­ und Differentialrechnung,1657als Referent vor einem gemischten, also mit mathematisch interessier­ ten Laien durchsetzten Publikum der Königsberger Physikalisch­Ökonomischen Gesellschaft und vor allem als Ausbilder von zwei Generationen ostpreußischer Mathematiklehrer. Und insbesondere diese Verdienste als Didaktiker lobten seine Schüler bei der Emeritierung in so hohen Tönen, daß sie Meyers Amtszeit gleichsetzten mit seiner Arbeit als Ausbilder im Dienste des höheren Mathematik­Unterrichts in der Provinz.1658 Tatsächlich nahm Meyer sich selbst als Sachwalter der Praxis, der Interessen der angewandten Mathematik in einem Maße wahr, daß er diese von ihm 1898 begründete und gepflegte „Tradition“ gegen Fakultät und Ministerium zu verteidigen versuchte, als sie Nachfolger präsentierten, die er als Vertreter jener „aktuellen überanalytischen Richtung“ ablehnte, die ihr Heil in abstraktester Strenge“ suchten und „lebendige Anschauungsformen“ verpönten. Seit Jahren würden sich gegen diese Mathematiker Proteste der Techniker, Physiker und mathematischen Oberlehrer erheben. Auch er, Meyer, sei gegen diese Richtung, für die offenbar eine konkrete Anwendung der Mathematik wenig Sinn habe. Insoweit zielten die Vorschläge Gelehrte wie Hans Rademacher nach Königsberg zu be­ rufen, nicht auf eine „leichte Umbiegung“, sondern auf die brutale Durchbrechung der Tradition seines Lehrstuhls.1659

Fr. Meyer 1904, S. XXI ff. Bruno Arndt 1935, S. 100 f., über Planung und Realisierung der ,Enzyklopädie‘, bei der sich der „geistige Vater“ des Projekts erheblich „verrechnet“ habe. – Der Vf. des Nachrufs geb. 1884 in Osterode/Ostpr., wurde 1908 von Meyer promoviert mit einer Untersuchung ‚Über die Verallgemeinerung des Krümmungsbegriffes für Raumkurven‘. Zum Unternehmen vgl. Tobies 1994. 1656 Nicht aufgenommen in die Bibliographie von Arndt 1935; Meyers erfolgreichstes, mehrfach übersetztes Re­ ferat erschien hingegen 1892 im ersten Band der Zeitschrift der Deutschen Mathematischen Vereinigung, S. 79–292: Bericht über den gegenwärtigen Stand der Invariantentheorie. 1657 Meyer Bd. I 1902, Bd. II 1905; das Werk erlebte 1912 eine zweite Auflage. 1658 Meyers offizielle Verabschiedung erfolgte auf einer von seinen Schülern und dem Gymnasialdirektor a. D. Albert Schülke ausgerichteten Feier im noblen Berliner Hof am 30. 9. 1924. Man würdigte seine Verdienste als Erzieher der ostpreußischen Mathematiklehrer, als Dozent und Forscher, seine Mitarbeit am „Riesenwerk der mathematischen Enzyklopädie“, deren I. (Algebra) und III. Band (Geometrie) er redigierte, seinen Einsatz als Vor­ sitzenden der Königsberger Mathematischen Gesellschaft. Meyer selbst schaute auf sein Leben zurück, reklamierte „den nachhaltigsten Einfluß“ von Felix Klein (Göttingen) auf die eigene Entwicklung und schätzte die ‚Enzyklop­ dädie‘ als die „Hauptaufgabe seines Lebens“ ein. Er schloß mit der Frage nach der Zukunft der Geometrie, die von der Analysis zunehmend in den Hintergrund gedrängt worden sei wegen der „Schwierigkeit einer strengen und eindeutigen Definition geometrischer Gebilde“. Vgl. KHZ Nr. 445 v. 5. 10. 1924. 1659 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXXI, Bl. 54 f.; Separatvotum Meyer – PrMK v. 24. 9. 1924. 1654

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Zu vermuten ist, daß Meyer in Schoenflies’ Nachfolger Faber auch schon einen Exponenten der „überanalytischen Richtung“ witterte. Denn ungeachtet der wenigen Semester, die Faber neben ihm lehrte, war das Verhältnis bei dessen Wegberufung offenbar zerstört, so daß Volkmann, mit dem Meyer ebenfalls nur in einer Art Waffenstillstand lebte, David Hilbert bitten mußte, bei der Auswahl eines Nachfolgers zu helfen, der charakterlich in der Lage sein müsse, Meyers Autokratismus im Seminar zu brechen.1660 Unter dem litt nicht nur das kollegiale Klima, sondern auch die Beziehung zu den Studenten, galt Meyer doch im persönlichen Umgang als „unnahbar und streng“.1661 Was allerdings bis zum Ende des ersten Weltkrieges zwanzig seiner Schüler nicht hinderte, ihn zum Doktorvater zu wäh­ len. Keine schlechte Bilanz in knapp zwanzig Jahren,1662 wenn auch sehr einseitig zugunsten der Ende des 19. Jahrhunderts in der Fachentwicklung von der Königin zum Aschenbrödel herabgesunkenen Geometrie ausfallend, als deren „letzter Ritter“ Meyer wirkte.1663 Einschränkend ist zudem festzuhal­ ten, daß Meyer seinen bei weitem herausragendsten Promovenden, Theodor Kaluza, den Sohn des anglistischen Kollegen und späteren, von Einstein so gerühmten „Erfinder der 5. Dimension“, fort­ während behindert hat. Obwohl sich Kaluza 1909 für reine und angewandte Mathematik habilitierte und er sein Hauptinteresse auf Probleme der neuen Physik konzentrierte,1664 verschafften Meyer und Schoenflies nicht ihm, sondern dem schon erwähnten, aus Zürich herbeigerufenen Hilbert­Schüler Ludwig Bieberbach, der sich nach 1933 als Berliner Exponent der „Deutschen Mathematik“ hervor­ tat, einen besoldeten Lehrauftrag für angewandte Mathematik. 1665 Auch nach 1918 versuchte Meyer, gerade dem Privatdozenten, der die besten Kontakte zu den mathematischen Zentren in Berlin und Göttingen hatte und der in lebendigster Fühlung mit den durch Einsteins Relativitätstheorie indu­ zierten Problemen der theoretischen Physik stand, Steine in den Weg zu legen.1666 Noch 1920 sprach sich Meyer entschieden gegen die geringfügige Rangerhöhung Kaluzas, gegen dessen Ernennung zum nb. Extraordinarius aus.1667 Und 1924 versuchte er mit einem Sondervotum den schon 53jährigen Tübinger Karl Kommerell als „Vertreter der Anschauungsgeometrie“ gegen die Verfechter der „ak­ tuellen überanalytischen Richtung, die ihr Heil in abstraktester Strenge“ sähen, gegen Fakultät und StuUBGö, Nl. Hilbert; Volkmann – Hilbert v. 7. 7. 1913: „Die Ersatzfrage für Königsberg wird mit jedem Wechsel schwieriger, weil auf der einen Seite Kollege Meyer immer verbitterter und ungenießbarer wird – auch den Studierenden gegenüber – auf der anderen Seite es sich doch aber auch um eine Gemeinsamkeit der Arbeit handelt, welche die Verbreitung der Mathematik nicht der Alleinherrschaft von Meyer ausliefert. Kollege Faber war ganz der Mann, Kollegen Meyer ebenso liebenswürdig wie bestimmt entgegenzutreten. So kommen für die Wahl des Nachfolgers von Faber leider nicht nur wissenschaftliche sondern in erster Linie auch persönliche Qualitäten in Betracht!“ 1661 So bei aller Verehrung des Lehrers Bruno Arndt 1935, S. 102. 1662 Arbeiten zu erschließen über HSV; daß die meisten Doktoranden aus Ost­ und Westpreußen stammten, über­ rascht nicht, ebensowenig, daß sich viele nach 1918 als Studienräte im Schuldienst der Provinz nachweisen lassen. Einzige Frau unter ihnen war Lotte Hurwitz (1889 Labes/Pommern), die 1915 natürlich mit einer geometrischen Arbeit promoviert wurde. 1663 So Arndt 1935, S. 100. 1664 GStA …, Nr. 25, Bd. V, Bl. 131 f.; PhilFak – PrMK v. 15. 11. 1909, Meldung Habil. Kaluza mit unveröffent­ lichten ‚Studien zu Einsteins Relativitätstheorie‘ und einer PV: Über Logarithmen­Interpolation bei weitläufigem Argument. Zum gespannten Verhältnis Kaluza – Meyer vgl. Wuensch 2008, S. 99 f. 1665 GStA …, Nr. 25, Bd. V, Bl. 144–146; PhilFak – PrMK v. 3. 11. 1910, Meldung Umhabil. Bieberbach (der zum SS. 1913 einem Ruf nach Basel folgte). 1666 Ein Antrag auf Gewährung eines Privatdozentenstipendiums für den in kümmerlichsten Verhältnissen leben­ den Kaluza wurde 1922 bezeichnenderweise nicht von Meyer, sondern von Konrad Knopp unterstützt (GStA …, Nr. 25, Bd. VI, Bl. 85; Antrag v. 15. 6. 1922). Zuvor hatte Meyer in der Fakultätssitzung vom 28. 2. 1922 aus­ drücklich zu Protokoll nehmen lassen, daß er gegen den Vorschlag stimme, Kaluza zum nb. ao. Prof. zu ernennen (Protokollbuch der PhilFak, Protokoll Nr. 72, Kopie im Besitz des Vf.). 1667 Protokollbuch PhilFak Nr. 72 v. 28. 2. 1922. 1660

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Ministerium durchzusetzen.1668 Dies alles rundet den Eindruck von der Königsberger Mathematik ab, die sich mit dem Ordinarius Franz Meyer endgültig in der selbstgenügsamen Provinzialität der Gym­ nasiallehrerausbildung wiederfand.1669 Wie in der Astronomie, Zoologie, Botanik und Physik ist also auch in der Fachgeschichte der Mathematik nicht zu verkennen, daß die disziplinäre Randständigkeit auf verblüffende Weise der ge­ ographischen des Hochschulstandorts Königsberg zu entsprechen scheint. Ein Trend, den auch die Berufungspolitik in den Geowissenschaften, vornehmlich in der Mineralogie bestätigt. Mineralogie und Geologie Als der geologische Extraordinarius Ernst Schellwien zu Beginn des SS. 1906 plötzlich starb, schien mit dem Ostpreußen Josef Pompeckij ein idealer Nachfolger bereit zu stehen.1670 Das Ministerium stellte sich zudem diesmal dem Wunschkandidaten der Fakultät nicht in den Weg. Doch Pompeckij, der sein Amt in den letzten Wochen des Wintersemesters 1906/07 antrat, wurde den Königsbergern dann aufgrund einer selbstherrlichen Berliner Entscheidung entführt, die ihn zum SS. 1907 nach Göttingen beorderte. Immerhin war umgehend für Ersatz gesorgt, da bereits für das Sommersemester der Zweitplazierte, der Hamburger Kaufmannssohn Alexander Tornquist, ein Göttinger Schüler des Ex­Königsbergers Liebisch und ein ausgewiesener Landesgeologe, nachrückte.1671 Tornquist arbeitete sich in rasender Eile in die Verhältnisse an seiner neuen Wirkungsstätte ein und konnte 1910 die erste (und letzte) umfassende Monographie über die ‚Geologie Ostpreußens‘ vorlegen.1672 Als vollwer­ tiger Ersatzmann Schellwiens trat er auch als Leiter der Bernsteinsammlung und in der Physikalisch­ Ökonomischen Gesellschaft an dessen Stelle.1673 Seinen Einstand gab er dort im Dezember 1907 mit einem Vortrag über ‚Ostpreußen als geotektonisches Element von Europa‘, und 1914 verabschiedete Ebd., Protokoll Nr. 101 v. 1. 7. 1924. Ohne auf die Zentren Berlin, Göttingen, München oder Leipzig eingehen zu müssen, vergleiche man, um die Abgeschiedenheit Königsberg zu ermessen, nur die relativ großbetrieblichen Bonner Verhältnisse unter Eduard Study ab 1904, Krull 1970, S. 25–47, bes. S. 40 ff. 1670 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 6–8; PhilFak – PrMK v. 11. 7. 1906, Liste Nf. Schellwien: 1. Pompecki (s. Catalogus), Lw. Hochschule Hohenheim. – 2. A. Tornquist (s. Catalogus), Assistent Geol. Inst. Straßburg. – 3. Fritz Drevermann, 1875 Battenberg–1932 Frankfurt/M., 1901 Prom. und 1904 Habil. Marburg, 1914 ao. Prof. Frankfurt, 1919 ord. Hon. Prof. ebd.; er sei „besessen von der Idee [gewesen], breiten Bevölkerungskreisen Kenntnisse über naturwissenschaftliche Disziplinen zu vermitteln“, einer Leidenschaft, der er als Kustos und Leiter der geol.­paläont. Abt. des Senckenberg­Museums reichlich frönte (Hammerstein 1989, S. 83–86). 1671 Ebd. Bl. 121 f.; PhilFak – PrMK vom März 1907, Nf. Pompecki: 1. Tornquist (s. Catalogus) – 2. Ernst Stolley, 1869 Kiel–1944 Braunschweig, Prom. München 1891: Die Kreide Schleswig­Holsteins, 1892 Assist. Mineral. Inst. Kiel, 16. 6. 1894 Habil. f. Geologie u. Paläontologie ebd.: Die cambrischen und silurischen Geschiebe Schles­ wig­Holsteins und ihre Brachiopodenfauna , 1901–1935 oö. Prof. f. Geologie u. Paläontologie TH Braunschweig. – 3. F. Drevermann, s. o. Anm. 1670. 1672 Tornquist 1910. Die Arbeit beschreibt ausführlich den Bernstein, S. 98–122, und widmet sich sehr um­ fassend dem Alluvium, der erdgeschichtlich jüngsten Periode, als sich nach dem Ende der diluvialen Eiszeit das Oberflächenrelief Ostpreußens herausbildete – mit der vom Verfasser, der zur ihrer touristischen Erkundung einzuladen scheint, gebührend berücksichtigten Kurischen Nehrung (S. 188–217). Was bei Tornquist vor dem Ersten Weltkrieg noch als rein geologische Deskription gelesen werden kann, die tektonische Klassifizierung der Provinz als „Südwestrand des baltisch­russischen Schildes“, während das Terrain westlich der Weichsel zur „sa­ xonischen Scholle“ zählt, mußte im Lichte des Ostpreußen vom Reich abtrennenden Versailler Diktats wie eine naturhistorische Determinierung des völkerrechtlich verordneten „Korridors“ verstanden werden – eine Deutung, die Königsberger Geologen und Geographen nach 1918 in der Tat Probleme bereitete, so daß man die wenigstens geomorphologisch unbestreitbare Zugehörigkeit zur norddeutschen Tiefebene sehr exponierte (s. Bd. II). 1673 Dazu siehe oben S. 160. 1668 1669

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er sich mit Studien zur Geomorphologie der Samlandküste.1674 Durchaus darauf bedacht, sein Fach einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen, erweiterte er die von Schellwien geordnete Bernstein­ sammlung, und er wußte die seit Kokens Tagen nicht mehr abgeflaute „Vorzeit­Mode“ zu bedienen, mit gut besuchten Vorlesungen über „Die Eiszeit und der fossile Mensch“, „Die großen vorweltlichen Wirbeltiere mit Projektionen“, „Erdgeschichte“ oder „Urgeschichte des Menschen“.1675 Etwas turbulent verlief auch die Suche nach einem Nachfolger für den zum SS. 1908 nach Göt­ tingen berufenen Otto Mügge. Ebenso zügig wie im Falle Pompeckijs war hier mit dem naturphiloso­ phisch veranlagten Friedrich Rinne von der TH Hannover ein zu großen Hoffnungen berechtigender Petrograph und Mineraloge gewonnen worden.1676 Hoffnungen, die der weitgereiste Lagerstättenfor­ scher Rinne pünktlich erfüllte, nur eben nicht an der Albertina,1677 wo er nur im SS. 1908 verweilte, mit einer Vorlesung über „Deutschlands Eisenindustrie“ sofort reüssierte,1678 und trotzdem umgehend einem Ruf nach Kiel folgte, wo es ihn ebenfalls nicht lange hielt, da er zum WS. 1909/10 nach Leipzig wechselte, wo er endlich seine Lebensstellung fand.1679 Ihn ersetzte Alfred Bergeat, ein renommierter Gesteinskundler, ein Experte für den Nachweis von Erzlagerstätten, aber primär einer der führenden deutschen Vulkanologen,1680 der sich mit dem Wechsel von der Clausthaler Bergakademie nach Ost­ preußen weiter von seinem Forschungsgebiet, den mediterranen Vulkanen, entfernte.1681 Was aber Vgl. SchrPhÖG 48.1907 – 55.1914, zuletzt Tornquist 1914 a+b. Eiszeit … 1907/08: 85 Hörer, 1909/10: 75. Wirbeltiere … 1908/9: 84. Deutlich schwächer besucht (ca. 15– 30 Hörer) waren seine Vorlesungen und Seminare zur Geologie Ostpreußens und des Baltikums. 1676 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 220–222; PhilFak – PrMK v. 11. 3. 1908, Liste Nf. Mügge: 1. Rinne (s. Catalogus). – 2. Alfred Bergeat (s. Catalogus). – 3. Arrien Johnsen (s. Catalogus). Mügges Schüler Johnsen, den die Fakultät empfahl, weil er gegenwärtig vieldiskutierte chemisch­kristallographische Pro­ bleme anpacke, stieß wegen seiner 31 Jahre auf große Bedenken, die in einem Separatvotum von Hahn, Braun und dem Mathematiker Meyer ihren Niederschlag fanden, das ihn als unerfahren und als zu wenig ausgereifte Persönlichkeit ablehnte (ebd. Bl. 223 f.; Sep.votum v. 14. 3. 1908). 1677 Ebd. Bl. 288; Kurator – PrMK v. 2. 8. 1908: Rinnes Weggang sei sehr zu beklagen, da er „auf breite Kreise zu wirken“ verstehe. Überhaupt sei der stetige Wechsel höchst bedauerlich für die Universität als „äußerster Vorposten deutscher Bildung im Osten des Reiches“. Dies erwecke den Eindruck, als biete sie tüchtigen Dozenten nicht genug, um sie länger zu halten. 1678 Mügge kam mit seiner gesteinskundlichen Vorlesung (Ostpr. Geschiebe) nie über 20 Hörer hinaus, mit nahezu populären Themen „Vulkanismus“ oder „Die geologischen wichtigsten Mineralien“ sprach er etwa 40 Hörer an, während auf Rinnes „Eisenindustrie“ gleich auf Anhieb 54 Hörer ansprangen. 1679 Seinen naturphilosophischen Ehrgeiz befriedigte der Petrograph allerdings erst nach seiner Leipziger Emeri­ tierung 1928, vgl. Rinne 1931, wo er einerseits einer gewissen erkenntnistheoretischen Aporetik huldigt (S. 114), andererseits ungeschützt spekulativ fließende Übergänge zwischen organischer und anorganischer Materie aus­ machen will (S. 121 f.). 1680 Die schmale Münchener Habilschrift widmete sich dem Stromboli (1896), daran schloß sich an eine Mono­ graphie über die 1894 bereisten äolischen Inseln an (1899). Im Mittelmeer hatten die Forschungen des Doktoran­ den begonnen, die mit Untersuchungen zur Geologie Zyperns (1892) abschlossen. 1681 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, Bl. 289–291; PhilFak – PrMK v. 29. 7. 1908, Liste Nf. Rinne: 1a. Bergeat (s. Catalogus). – 1b. Wilhelm Salomon, 1868 Berlin–1941 Ankara, 1897 Habil. Heidelberg, 1901 b. ao., 1913–1934 oö. Prof. f. Geologie u. Mineralogie ebd., jüd. Herkunft, seit 1892 kath., emigrierte 1934 in die Türkei; Heidelberg 1915 ein instruktiver Vortrag: ‚Kriegs­Geologie‘. – 2. Willy Bruhns, 1864–1929, Prom. Leipzig 1886, ao. Prof. Straßburg, 1919 Clausthal, sich empfehlend mit einer 1908 druckfrischen Neubearb. des Dechenschen Kompendiums: ‚Die nutzbaren Mineralien und Gebirgsarten im Deutschen Reiche‘. – 3a. Arrien Johnsen (s. Catalogus), war mit Mügge soeben nach Göttingen gewechselt. – 3b. Reinhold Reinisch, 1867–1950, sächsischer Landesgeologe, Prom. 1897 Leipzig: Über Einschlüsse im Granitporphyr des Leipziger Kreises, Habil. f. Geologie u. Petrographie ebd. 27. 2. 1902: Druckprodukte aus Lausitzer Biotitgranit und seinen Diabasgangen, 1910: Entstehung und Bau der deutschen Mittelgebirge, 1913: Gesteins­ und Mineralschätze des deutschen Bo­ dens. – 3c. Arthur Schwantke, 1872–1939, Schlesier, 1896 in Breslau promoviert, 1897 Assistent am Mineralog.­ 1674

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für den Ruf des Königsberger Mineralogischen Instituts schlimmer war: Bergeat war in Clausthal „verharzt“ und hatte den Anschluß an die modernen physikalisch­chemischen Methoden des Faches verloren,1682 wie sie Rinne und dessen Königsberger Habilitand Hendrik Boeke handhabten.1683 Boeke ging nach Leipzig, wo Rinne seinem 28jährigen Schüler zum SS. 1910 ein planmäßiges Extraordinariat verschaffte, den ersten Lehrstuhl eigens für physikalisch­chemische Mineralogie und Petrographie an einer deutschen Hochschule.1684 Bereits zum SS. 1911 kehrte er wieder in preußische Dienste, auf ein entsprechend ausgestattes, besser dotiertes Extraordinariat in Halle zurück. Von dort lockte ihn zum WS. 1914/15 ein Ordinariat an die neu gegründete Frankfurter Universität, wo er 1915 mit einem voluminösen Standardwerk über die ‚Grundlagen der physikalisch­chemischen Petrographie‘ einen glänzenden Einstand gab.1685 Und am Main sollten Boeke und Bergeat, besser gesagt die von ihnen repräsentierten Forschungsrichtungen, noch einmal aufeinandertreffen. Allerdings erst nach Boekes Tod. Der gebürtige Holländer hatte sich 1917 beurlauben lassen, um im Auftrag der deutschen Besat­ zungsverwaltung in Belgien eine Professur für Chemie sowie das Direktorat des Labors für industrielle Chemie an der „vlämischen Universität Gent“ zu übernehmen.1686 Vielleicht zerstörte der Kriegsaus­ gang etwaige, über das Genter Amt hinausgehende Ambitionen Boekes. Worin eine Erklärung läge für seinen Freitod, sechs Wochen nach der Heimkehr aus Gent.1687 Das Ministerium sah darin die Gelegenheit, der Frankfurter Fakultät Bergeat als Nachfolger Boekes anzudienen. Worauf man empört antwortete: an einer jungen Universität wünsche man sich eine „Persönlichkeit modernen Schaffens“. Bergeat sei das keinesfalls. Er habe den „Umschwung“, der sich in der Mineralogie vollziehe, ignoriert und gehöre der „älteren naturkundlich­morphologischen Richtung“ an. Zu den innovativen physika­ lisch­chemischen und kristallographischen Problemfeldern liege von ihm keine Publikation vor, woran sich in den von Boeke geprägten, ihm fremden Frankfurter Institutsverhältnissen wohl nichts ändern werde. Überhaupt sei es selbst in den alten Bahnen, in denen Bergeat wandle, um ihn „schon vor dem Kriege merkwürdig still geworden“.1688 Für seinen Nachfolger in Königsberg, Boekes Schüler, Habili­ Petrograph. Inst. Marburg, Habil. ebd. 1904: Die Basalte in der Gegend von Homberg a. d. Ohm, insbes. der Dolerit des Hohen Berges bei Ofleiden, 1915 Tit. Prof., 1921 ao. Prof., 1921–1935 LA f. prakt. Mineralogie u. Petrographie. 1682 Was nicht heißen soll, daß er als Lagerstätten­Fachmann in Clausthal und in den ersten Königsberger Jahren isoliert gewesen wäre. Bergeat verfügte – ausweislich seiner Korrespondenz im Berliner Nachlaß (SBB, Nl. 370, Kasten 6) – über einige, wenn auch im Vergleich mit Kollegen nicht sehr intensive, zu lukrativer Beratung, Begut­ achtung und Erkundung an Ort und Stelle genutzte Kontakte zur Bergbau­Industrie, die ihre Fühler im Zeitalter des Hochimperialismus und Kolonialismus weltweit ausstreckte auf der Suche nach ausbeutbaren „Vorkommen“. Zu ermitteln, wie umfassend die deutschen universitären Geowissenschaften auf diese praktische Anwendung ihrer Disziplinen ausgerichtet war, bleibt ein vorrangiges wissenschaftshistorisches Desiderat. 1683 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, Bl. 93–95; PhilFak – PrMK über die Mitte Juli 1908 vollzogene Habilitation aufgrund der Untersuchungen: Über das Kristallisationsschema der Chloride, Bromide, Jodide von Natrium, Kalium, Magnesium, sowie über: Das Vorkommen des Broms und das Fehlen des Jods in den Kalisalzlagerstätten, PV: Über den mineralogischen Aufbau der Stassfurter Kalisalzlagerstätten, AV: Über die Entstehung der Mineralien. 1684 AV: Physikalisch­chemische Grundlagen der Mineralogie. 1685 GStA, Rep. 76Va, Sek. 5, Tit. IV, Nr. 5, Bd. I, unpag.; Berufungsvereinbarung v. 23. 3. 1914 betr. Bestallung zum oö. Prof. f. Mineralogie, Petrographie und Krystallographie zum 1. 10. 1914. 1686 Ebd.; Verwaltungschef General­Gouverneur Belgien – PrMK v. 21. 2. 1917. Ebd. auch der Vertretungsauftrag für den noch nicht habilitierten Assistenten Boekes, Wilhelm Eitel, v. 23. 3. 1917. 1687 Ebd.; Rektor – PrMK v. 6. 12. 1918: Boeke sei am Vormittag „unerwartet“ verstorben; der NDB­Artikel gibt „Freitod“ an. 1688 Ebd.; Dekan NaturwissFak – PrMK v. 22. 7. 1919, Stellungnahme zur Liste Nf. Boeke, die dessen Lehrer Friedrich Rinne als bedeutendsten Exponenten der modernen Mineralogie anführte, gefolgt vom Königsberger Mügge­Schüler Arrien Johnsen und Wilhelm Eitel. Zum Schluß die ausführliche Stellungnahme gegen Bergeats Berufung.

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tanden und Lehrstuhlvertreter Wilhelm Eitel (1921–1925), war daher die gesamte Bergeat­Amtszeit für die Königsberger Mineralogie eine Zeit des „Niedergangs“.1689 Alexander Tornquist, als Extraordinarius in Königsberg ohne Aufstiegschancen, nahm, „schweren Herzens“ und nachdem er an der Albertina „die glücklichsten Lebensjahre verbracht“ hatte, im Juli 1914 einen Ruf auf ein Ordinariat der Grazer TH an.1690 Für ihn handelte die Fakultät wieder einmal nicht den am meisten erwünschten Kandidaten ein, den Münchener Paläontologen Ferdinand Broili. Auch nicht den von Mez und Mitscherlich per Sondervotum favorisierten, den Agrarwissenschaftlern als Idealbesetzung erscheinenden Kieler Diluvialgeologen Ewald Wüst. Sondern die übliche, noch nicht avancierte Kraft, den Marburger Privatdozenten Karl Andrée, der, paläontologisch 1910 ha­ bilitiert, sich der Erforschung von Gebirgsbildungen, dem Vulkanismus und der Sedimentbildung zugewandt hatte.1691 Agrarwissenschaften Anders als das Ministerium erhofft hatte, kehrte nach dem erzwungenen Abgang des nie definitiv be­ rufenen Fleischmann­Nachfolgers Alexander Backhaus keine Ruhe im Landwirtschaftlichen Institut ein. Backhaus’ Nachfolger, der aus Gießen berufene Friedrich Albert (1903–1910), der wieder die landwirtschaftliche Betriebslehre in Forschung und Unterricht favorisierte, war nach dem Geschmack der Agrarier, wie einst von der Goltz, zu sehr Theoretiker, so daß bei seinem krankheitsbedingt vor­ zeitigen Abgang gefordert wurde, das Agrarinstitut der Albertina solle nunmehr „endlich in nähere Be­ ziehung zur Landwirtschaftskammer“ treten, da nur so das große Mißtrauen, das die praktische Land­ wirte gegenüber der akademischen Agrarwissenschaft weiterhin hegten, abgebaut werden könne.1692 Hier wirkten immer noch Verstimmungen nach, die in Falks Berufungspolitik wurzelten. Vor Gutzeits Ausscheiden war der Pflanzenkundler Gisevius 1903 einem Ruf nach Gießen gefolgt. Seinen Platz nahm zum SS. 1904 der 1902 in Halle habilitierte Hans Buhlert ein, der aber wie Back­ GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 21, Bd. XXXI, Bl. 233; Eitel – PrMK (Hochschulreferent Werner Richter) v. 6. 9. 1925. 1690 Ebd., Bd. XXVII, Bl. 70; Tornquist – PrMK v. 10. 6. 1914. 1691 Ebd., Bl. 92–95; PhilFak – PrMK v. 8. 7. 1914, Liste Nf. Tornquist: 1. F. Broili, 1874 Mühlbach/Franken – 1946 ebd., 1899 Prom. München: Ein Beitrag zur Kenntnis des Eryops megacephalus, 1899–1904 Assistent Geolog. Institut Univ. München, ebd. 1903 Habil.: Die Fauna der Pachycardientuffe der Seiser Alp, 1904 Kustos, 1908 Konservator ebd., b. ao. Prof. 1908, oö. Prof. ebd. 1919, Direktor der Staatssammlungen für Paläontologie und historische Geologie in München, Bearb. der Neuauflage von Zittels ‚Grundzügen der Paläo­ graphie‘, spezialisiert auf Geologie Bayerns und der Nordalpen sowie auf Paläontologie der Amphibien, Trias­ und Kreide­Faunen. Da er über große Lehrerfahrung verfüge, neben der Paläontologie auch weitere Kernbereiche seiner Disziplinen abdecke (Stratigraphie, Geotektonik, Formationskunde), halte man ihn „für weitaus am geeignetsten“. – 2. Ewald Wüst, 1875 Halle–1934 Kiel, Prom. Halle 1901: Pliocäna und ältestes Pleistozän Thüringens, Habil. f. Geologie u. Paläontologie mit einer Untersuchung über Fossilien des Diluviums, Halle 30. 10. 1903, b. ao. Prof. Kiel 1910, oö. Prof. ebd. 1920. Empfohlen als Kenner der Allgemeinen Geologie Norddeutschlands und Nord­ Skandinaviens, der älteren Geschichte des Menschengeschlechts und der Urgeschichte der Haustiere. Mez und Mitscherlich setzten sich für Wüst als „Diluvialgeologen“ ein: ein Königsberger Geologe habe in der Provinz nur das Diluvium als „Anschauungsmaterial“. Dies sei aber für die benachbarten Fächer fundamental. Die historische Pflanzengeographie basiere darauf, ebenso die „umfassende Natur­ und Kulturgeschichte des vorzeitlichen Men­ schen“, die Agrarwissenschaft und die naturwissenschaftliche Geographie, zumal mit Friedrich Hahn dort eher ein Vertreter der „geisteswissenschaftlichen Richtung“ in Königsberg wirke, dessen Lehrangebot gerade durch einen Diluvialgeologen ergänzt werden könnte (ebd., Bl. 96–99; Sondervotum v. 28. 7. 1914). Was in der Laudatio keine Rolle spielte, waren Wüsts persönliche Beziehungen zu Königsberg: Seine Schwester war verheiratet mit Fritz Litten, seit 1908 oö. Prof. f. Römisches Recht in der JurFak. 1692 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 113; Kurator – PrMK v. 3. 12. 1909. 1689

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haus die Planstelle nur interimistisch verwaltete und trotz der Fürsprache des Königsberger Kurators nicht zum beamteten Extraordinarius berufen wurde. Was dazu führte, daß er sich nach einer ein­ träglicheren Stellung umsah, die er zum 1. April 1906 im oldenburgischen Staatsdienst fand.1693 Sein Nachfolger war der Kieler Privatdozent Eilhard Alfred Mitscherlich, dessen ‚Bodenkunde für Land­ und Forstwirte‘ (1905) es der Berufungskommission besonders angetan hatte und die ihn deswegen, gleichrangig neben den in der wissenschaftshistorischen Rückschau bedeutenderen Pflanzenzüchtern Fruwirth und Tschermak, als ihren Favoriten auf die Liste setzte.1694 Daß Mitscherlich nach bekanntem Berliner Schema die besseren Aussichten hatte, lehrt ein Blick auf den Rang der Konkurrenten: Fruwirth war Ordinarius in Hohenheim, Tschermak, als Wiederentdecker der Mendelschen Gesetze schon mit wissenschaftlichem Weltruhm bedeckt, stand das Tor zu großen Ordinariaten offen. Buhlerts Resignation und der Fortzug in den Westen zeugte einmal mehr von jenem Mangel an personeller Stetigkeit, der die zwangsläufige Folge dessen war, was Kultusminister Trott zu Solz im Sinn hatte, als er 1910 zu dem Urteil gelangte, „wirklich befriedigende Verhältnisse“ hätten am Königs­ berger Landwirtschaftlichen Institut ja seit dessen Gründung kaum jemals bestanden.1695 Was nicht zuletzt der Berliner Indolenz gegenüber den Agrarwissenschaften an der Landesuniversität einer „Bau­ ernprovinz“ anzulasten ist. Seit Ende der neunziger Jahre war die unzureichende Ausstattung des Kö­ nigsberger Instituts mehrfach Gegenstand kritischer Kommentare im preußischen Abgeordnetenhaus. Vom Spitzenetat der Agrarwissenschaften in Halle (1899/1900: 168.000 M.) war Königsberg (18.000) ohnehin meilenweit entfernt, konnte aber auch mit Breslau und selbst Göttingen bis 1914 niemals mithalten. Wichtige Teildisziplinen, so lautete der Vorwurf an das Kultusministerium, wie Kulturtech­ nik und Maschinenkunde, würden an der Albertina nicht angeboten, für eine dringend erforderliche Versuchswirtschaft werde kein Geld bewilligt.1696 Die 1899 vom Kurator, angesichts eines Hoffnung Ebd., Nr. 21. Bd. XXIII, Bl. 109; Buhlert – PrMK v. 5. 7. 1904, um Verbeamtung bittend, was der Kurator befürwortete, da er sich seit Dienstantritt am 1. 1. 1904 bewährt habe. Da im GStA­Bestand der Band XXII: 1903–6/1904 fehlt, ist nicht zu klären, warum das Ministerium die Nachfolge von Gisevius in dieser Weise regelte. Auch Buhlerts Nachfolger E. A. Mitscherlich erhielt zunächst nur eine Remuneration. Buhlert fand zum 1. 4. 1906 eine Anstellung als Vortr. Rat im Innenministerium des Herzogtums Oldenburgs; 1914 mit 42 Jahren Kriegsfrei­ williger, ist er 1915 in den Vogesen „bei einem Sturmangriff seiner Kompanie“ gefallen (Friedl u. a. 1992, S. 101 und Catalogus) 1694 Ebd., Bl. 245–247; PhilFak – PrMK v. 23. 2. 1906, Liste Nf. Buhlert: Mitscherlich neben gleichrangig 1b. Carl Fruwirth, 1862 Wien–1930 Baden/Wien, 1887–1897 Lehrer Lw. Schule Mödling, 1892 Habil. Hochschule für Bodenkultur Wien, 1897 ord. Prof. f. Landwirtschaft Lw. Akademie Hohenheim, 1907 Prof. f. Land­ u. Forst­ wirtschaft TH Wien, Bearbeiter des vielbändigen, in zig Auflagen verbreiteten ‚Lehrbuchs der Landwirtschaft‘ von Guido Krafft, daneben, auch sehr erfolgreich: Die Züchtung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (5 Bde. ab 1901), Initiator der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung in Österreich (s. Gerber 2004, S. 208 f.). – 1c. Erich von Tschermak, 1871 Wien–1962 ebd., botan. Prom. 1896 Halle, 1900 habilitiert an der Wiener Hochschule für Bodenkultur mit einer die Mendelschen Vererbungsgesetze wiederentdeckenden Arbeit: Über künstliche Kreuzung bei Pisum sativum, 1906 b. ao., 1909 oö. Prof. f. Pflanzenzüchtung ebd., 1941 em.; Autobiographie 1958 (Gerber 2004, S. 786 f.). – Die Berufungsvereinbarung schloß eine Verbeamtung aus (Bl. 248) und gewährte die nicht allzu reichliche Remuneration von 2.400 Mark Jahresgehalt. Bl. 252 enthält den Aktenvermerk, wonach dieser Betrag mit dem „ehemaligen Extraordinariat Gisevius“ zu verrechnen sei. Zum WS. 1906/07 erfolgte Mitscherlichs Be­ stallung zum (offenbar nur: persönlichen) Ordinarius, ohne daß sich aus diesem Vorgang sein etatrechtlicher Status klären läßt. 1695 Ebd., Tit. X, Nr. 41, Bd. X, unpag.; Trott zu Solz an PrMF v. 13. 10. 1910. 1696 Ebd., Bd. VII; Auszug aus den Stenograph. Verhandl. des preuß. Abgeordnetenhauses, 42. Sitzung, 9. 3. 1900, Sp. 2664, wo der ostpr. Abgeordnete Pohl auch darauf verweist, daß die Königsberger Zustände bereits 1897/98 im Landtag scharf kritisiert worden seien, vgl. dazu Stenograph. Verhandl., 44. Sitzung v. 11. 3. 1898, Sp. 1359 f., 1364 f., Rede des Abg. v. Arnim, der vorrechnete, daß der Etat 1898/99 für die Landwirtschaftlichen Hochschulen in Berlin und Bonn­Poppelsdorf 206.000 bzw. 131.000 M. ausweise, Halle 156.000 M. erhalte, Breslau 58.000 und Göttingen immerhin noch 30.000, während Königsberg „stiefmütterlich“ mit 13.500 M. abgespeist werde 1693

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erweckenden, Backhaus zu verdankenden Anstiegs der Studentenzahlen (von sechs 1896/97 auf 50 im SS. 1899), anläßlich der Entpflichtung des 73jährigen Agrikulturchemikers Heinrich Ritthausen und der bevorstehenden Berufung seines Nachfolgers Albert Stutzer angemahnte Reorganisation, also der großzügige Ausbau des Instituts, ließ auf sich warten.1697 Der von der Fakultät primo loco gesetzte Stutzer genoß großes Ansehen als Verfasser einer popu­ lären, zwischen 1888 und 1899 in zwölf Auflagen verbreiteten ,Düngerlehre‘.1698 Damit er sich tatsäch­ lich bereit erklärte, sein Breslauer Ordinariat aufzugeben, mußte Althoff erhebliche Zugeständnisse in den Gehaltsverhandlungen machen. Die von Stutzer geforderten und ihm bewilligten Sachmittel von 14.500 M. reichten indes gerade hin, um Ritthausens Mangelwirtschaft und den Rückstand des Instituts zu korrigieren, das nicht einmal über eine Handbibliothek der wichtigsten Lehrbücher ver­ fügte.1699 Stutzer zu gewinnen, war also ein Erfolg, der sich für das Institut aber nicht auszahlte, da seinen Entfaltungsmöglichkeiten finanziell zu enge Grenzen gesteckt waren. Bis zur Emeritierung 1916 war er in zahllosen Bodenversuchen bemüht, Salpeter und Ammoniak zu ersetzen, um so Deutsch­ lands Abhängigkeit vom Import stickstoffhaltigen Handelsdüngers zu verringern.1700 1901 wurden dann endlich Mittel für eine Versuchswirtschaft bewilligt. Am westlichen Stadt­ rand Königsbergs kaufte die Landwirtschaftskammer für eigene Zwecke das Anwesen Waldgarten. Die Hälfte dieses Areals erwarb die Universität, um die Agrarwissenschaftler im großen Stil experi­ mentieren zu lassen. Doch statt des erhofften Aufschwungs der Forschung bescherte Waldgarten sei­ nen Nutzern nur unablässigen Ärger. Wie sich viel später herausstellte, war der Name des Besitztums wörtlich zu nehmen: der Hof war durch Rodung entstanden, und der Acker wies daher nicht einmal auf zwei Morgen zusammenhängender Fläche gleichmäßige Bodenverhältnisse auf, wie sie aber für Anbauversuche unabdingbar waren. Zu diesem „Grundfehler“ kam hinzu, daß man keine Viehhaltung betrieb, folglich kein Stalldung für den Ackerbau vorhanden war. So entstand eine Landwirtschaft im – und dies bei einem Institut, daß für drei Agrarprovinzen, für Posen, West­ und Ostpreußen die einzige Ausbil­ dungsstätte sei! Die Etatzahlen weichen von denen, die Backhaus 1898, S. 294, nannte, z.T. erheblich ab, was aber an den Relationen nichts ändert. 1697 Ebd.; Kurator an PrMK v. 11. 7. 1899. 1698 Stutzer 1889; daß Stutzer in Maßen außerhalb der Agrikulturchemie interessiert war, in der bakteriologisch orientierten Nahrungsmittelkunde, belegt sein selbst die Geduld des gegen den gedankenlosesten Positivismus hinlänglich abgehärteten zeitgenössischen Lesers wohl überstrapazierender Handbuchbeitrag ‚Nahrungs­ und Ge­ nußmittel‘, den er 1894 zu Theodor Weyls ‚Handbuch der Hygiene‘ beisteuerte. 1699 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XX, Bl. 241–247; Liste Nf. Ritthausen v. 8. 3. 1899: 1. A. Stutzer, s. Catalogus. – Theodor Pfeiffer, 1856 Bremen–1929 Kassel, Prom. über Zuckerchemie Göttingen 1881, ebd. Habil. 1885 mit Arbeit über Tierernährung, 1892 b. ao. Prof. f. Agrikulturchemie Jena, 1900–1921 oö. Prof. f. Agrikultur­ chemie u. Bakteriologie Breslau, für die lw. Praxis besonders wichtige Arbeit über Stallmistkonservierung, Super­ phosphatgips, ferner zu Pflanzen­ u. Tierernährung (Gerber 2004, S. 562 f.). – 3. Georg Baumert, 1852–1927, Schüler Kühns, Prom. Halle 1874: Derivate des Diacetonalkamin’s und des Acetonphenon’s, Habil. ebd. 1881: Das Lupinin. Ein Beitrag zur Kenntnis der Lupinenalkaloide; 1908: Die Zuckerfabrikation. – Ebd., Bl. 248 f., die Vereinbarung mit dem 52jährigen Stutzer, dem ein außergewöhnlich hohes Jahresgehalt von 6.000 M. ge­ währt wurde. Dazu 12.000 M. Sachmittel zur Neuausstattung des Agrikulturchemischen Laboratoriums. Nach genauerer Inspektion an Ort und Stelle erhöhte Stutzer seine Forderungen in einem Kostenvoranschlag für die dringlichsten Anschaffungen, darunter die Handbibliothek, auf 14.500 M. (an Kurator v. 19. 5. 1900, in: GStA …, Tit. X, Nr. 41, Bd. VII, unpag.). 1903 drückte er durch, daß das PrMK 24.500 M. für eine Vegetationsanlage zum Etat anmeldete (ebd., an PrMF v. 22. 8. 1903), nachdem 1901 ein entsprechender, aber auf 17.000 M. be­ grenzter Antrag gescheitert war. 1700 Erstmals: Stutzer 1886. Vgl. a. sein Forschungsexposé: ‚Die Schaffung neuer Bodenwerte durch die Tätigkeit von Bakterien‘, Stutzer 1903. Bekanntlich gelang nicht dem Königsberger Agrarchemiker, der 1903 davor warnte, daß die „Kulturstaaten“ den geringen Salpetervorrat sich bald allein für die Herstellung von „Pulver, von Explosiv­ und Sprengstoffen“ reservieren müßten (ebd., S. 242), die Erfindung eines Verfahrens zu Produktion künstlichen Salpeters, sondern seinem Berliner Kollegen Fritz Haber.

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Elfenbeinturm, eine „abnorme Wirtschaftsform“, fern von praktischen Bedingungen, die deswegen auch weder auf die Landwirte noch auf potentielle Studenten Eindruck machte, so daß dieser zudem von Dauerzwisten in der kollektiven Führung geprägte Betrieb das negative „akademische“ Image der Königsberger Agrarwissenschaften nur weiter verfestigte.1701 Fatal früh nährten derartige Zustände das Gefühl, Königsberg sei ein ungünstiger, von der Kultus­ verwaltung zur Disposition gestellter Standort für Agrarforschung. Davon zeugt eine Eingabe des westpreußischen Oberpräsidenten und der westpreußischen Landwirtschaftskammer, die sich 1898 erstmals und dann bis 1907 wiederholt bemühten, das Königsberger Institut nach Danzig verlegen zu lassen. Als stärkstes Argument, neben der günstigeren geographischen Lage, die jene ost­ und west­ preußischen Studiosi binden könne, die wegen der Entfernung und der dortigen Unzuträglichkeiten die Albertina mieden und „nach Westen“ auswichen, brachten die Danziger ins Spiel, daß der häu­ fige Wechsel auf dem pflanzenkundlichen Extraordinariat kontinuierliche Forschung wie stetige Ko­ operation des westpreußischen Saatbauvereins mit dem Königsberger Institut verhindere. Das sei der Suche nach winterfesten, ertragreichen Weizensorten abträglich. Wenn man in Berlin die ostdeutsche Landwirtschaft, die brauchbares Saatgut für Unsummen im Ausland oder in Westdeutschland kaufen müsse, wirklich fördern wolle, dann möge man das Landwirtschaftliche Institut nach Danzig ver­ legen, wo seit 1904 die neue Technische Hochschule in Langfuhr ideale Wirkungsmöglichkeiten biete, wo zudem eine einheitliche, vom ostpreußischen Verbandspartikularismus sich wohltuend abhebende Landwirtschaftsorganisation die Zusammenarbeit zwischen Theorie und Praxis erleichtere.1702 Eine spürbare Erschütterung lösten solche Vorstöße in Königsberg erst aus, als kein geringerer als Institutsdirektor Albert den Danzigern entgegenkam und 1907 von sich aus den Antrag stellte, den Königsberger Standort preiszugeben, weil hier die sich in Spezialdisziplinen immer stärker aus­ fächernden, kräftig expandierenden, daher unvermeidlich kostenintensiven und folglich immer häu­ figer bei der Mittelzuteilung mit konkurrierenden Interessen kollidierenden Agrarwissenschaften im Wettbewerb um den knappen Universitätsetat stets den kürzeren zögen. Selbst das Institutsgelände an der Tragheimer Kirchenstraße werde so rigide beschnitten, daß es jüngst „schwere Einbußen“ zugun­ sten des neuen Physikalischen wie des Hygienischen Instituts hinzunehmen gezwungen worden sei. Und weil man sich schließlich auch durch das Unternehmen Waldgarten nicht mehr gebunden fühle, das sich als „praktisch unbrauchbar“ erwiesen habe, biete sich der Umzug nach Danzig an.1703 Der konsternierte Kurator wies diese Forderung als „unerklärlich“ zurück. Sei man Albert nicht gerade in seinem Bestreben entgegengekommen, die Königsberger Institutsmalaise zu beheben? Nach Mitscherlichs Berufung sei die Abteilung für Pflanzenbau vergrößert, Stutzers Laboratorium ausge­ baut, das Institutsgebäude erweitert worden, die Aufwendungen für Waldgarten nicht zu vergessen, und ein Hauptgebäude für die Pflanzenphysiologische Abteilung befinde sich im Planungsstadium.1704

Als „von Anfang an verfehlt“ stufte Alberts Nachfolger Johannes Hansen das Unternehmen Waldgarten ein – mit guten Gründen (GStA …, Tit. X, Nr. 41, Bd. X, unpag.; Schreiben an Kurator und PrKM v. 14. 6. und 2. 10. 1911). 1906 hatte Albert beantragt, die Verwaltung des Versuchsfeldes in einer Hand zu konzentrieren, weil der schlechte Waldboden bei den meisten Anbauversuchen „kaum günstige Resultate“ zeitige, was ohnehin schon genug „Enttäuschung und Mißmut“ unter den kollektiv Verantwortlichen erzeuge (ebd., Bd. IX, unpag.; Kurator – PrMK zur Eingabe Albert v. 23. 2. 1906). 1702 Ebd., Bd. IX, unpag.; Antrag LWK Westpreußen – PrMK v. 28. 3. 1906, dort auch der Antrag von Oberpräsi­ dent v. Puttkamer und LWK v. 29. 10. 1898. In ebd., Bd. X, unpag., die Stellungnahme des ostpr. Oberpräsidenten und Kurators v. Moltke v. 24. 5. 1906: Die westpreußischen Pläne entbehrten jeder Begründung! 1703 Ebd., Bd. IX, unpag.; Denkschrift Albert v. 30. 10. 1907. Am 21. 11. 1907 wandte sich Albert direkt an den Rektor der TH Danzig mit der Bitte, ihn bei seinem offenkundig so illoyalen Unterfangen zu unterstützen (ebd., Bd. X, unpag.)! 1704 Ebd., unpag.; Kurator – PrMK v. 2. 11. 1907. 1701

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Zweifellos verbesserten sich die Bedingungen seit Alberts Amtsantritt,1705 erwies sich Mitscherlichs Berufung als Gewinn, zog Stutzer, zusammen mit dem Chemiker Klinger, vermehrt Studenten an, erhöhte sich die Doktorandenzahl. Unter Alberts Regie konzedierte das Ministerium Lektorate für landwirtschaftliche Baukunde,1706 für Forstlehre1707 und (auf Remunerationsbasis) ein Extraordinariat für Tierheilkunde, das 1909 der „in lebhafter Fühlung mit der praktischen Landwirtschaft“ stehende Haeckel­Schüler Otto Müller erhielt.1708 Indes blieben Alberts Hauptforderungen, je ein Extraordina­ riat für landwirtschaftliche Maschinenkunde und für Kulturtechnik, unerfüllt.1709 Mit Stutzer, der 1916, und Mitscherlich, der sogar erst 1941 an der Albertina emeritiert wurde, kehrte Ruhe in die bis dahin so ungesunden, wechselhaften Personalverhältnisse ein. Selbst der ständig unzufriedene, nach Danzig strebende Albert hatte sich nach siebenjähriger Amtszeit fast als Stabilisa­ tor bewährt, wäre vermutlich auch länger geblieben, wenn ihn eine Nierenkrankheit 1910 nicht zur Demission gezwungen hätte. Trotzdem hatte sein Nachfolger Johannes Hansen keinen Anlaß, den Wechsel von Bonn nach Königsberg als beruflichen Aufstieg zu empfinden.1710 Dafür lagen die Insti­ tutsverhältnisse dort, ungeachtet aller vom Kurator reklamierten Verbesserungen, zu sehr im Argen. Hansen, Bauernsohn aus Angeln, Volksschüler, der sein Metier von der Pike auf, an der winzigen Landwirtschaftsschule in Kappeln an der Schlei gelernt hatte, dann in Jena unter den Fittichen des Vgl., die „zuletzten erfolgten Bewilligungen“, also die Lektorate Keil und Wesener würdigend, Albert 1907, S. 7. Im Kontrast zur Jahrzehnte währenden Indolenz des PrMK wirkt Alberts Dank (ebd., S. 6 f.) für das „Wohl­ wollen der vorgestzten Behörden und der Opferwilligkeit des Landtages“ etwas deplaciert, auch wenn das „Wohl­ wollen“ nur für „die letzten Jahre“ anerkannt wurde. 1706 1906, besetzt mit Eduard Keil, Jg. 1855, seit 1905 Direktor der Baugewerkschule Königsberg (GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 318–323; Antrag der PhilFak v. 22. 7. 1906 und vita Keil; Beauftragung vermutlich genehmigt zum WS. 1906/07, aber dann doch nicht realisiert lt. VV). 1707 Lektorat übernommen von Franz Wesener (s. Catalogus). 1708 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 34–36, 41; PhilFak – PrMK v. 22. 2. und Vereinbarung mit Müller v. 14. 6. 1909. Der seit 1890 als Lektor die Veterinärmedizin vertretende „Korpsroßarzt“ Gustav Pilz war 1909 verstorben. 1709 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIII, Bl. 233–236; PhilFak – PrMK v. 19. 12. 1905. Erneuert wurde die Klage, daß die Vertretung der Lw. in Königsberg gegenüber anderen preußischen Universitäten sehr zurückbliebe, was mit Zahlen leicht zu untermauern war: Halle verfüge über sieben Extraordinariate, Göttingen über drei, Breslau vier. Primär Landbaulehre und Kulturtechnik könnten einen wichtigen Beitrag leisten, bei wachsender Bevölkerung die natürlichen Hilfsquellen konsequenter auszunutzen, durch Drainage und Melioration. Die Maschinenkunde sei wichtig für den Übergang zu intensiveren und rationelleren Betriebsformen, was zur Verbilligung der Produktion führe, und eine Antwort auf den „absoluten Rückgang der ländlichen Arbeiterbevölkerung“ darstelle, zumal auch die Ungunst des Klimas und kurze Erntezeiten zu höchster Anspannung nötigten. Der Antrag wurde 1906 (ebd. Bl. 318 f.) für lw. Kulturtechnik wiederholt, ohne Erfolg. 1710 GStA …, Bd. XXV, Bl. 193–199; PhilFak – PrMK v. 17. 1. 1910, Liste Nf. Albert. An erster Stelle a. J. Hansen (s. Catalogus) und b. Simon von Nathusius, 1865 Althaldensleben–1913 Halle, Sohn eines Pioniers der modernen Landwirtschaft, Hermann von N. (1809–1879), 1890 G Wernigerode, 1893 Prom. Halle, praktische Erfahrung durch Bewirtschaftung des väterlichen Betriebs, 1897 Habil. Breslau, 1902 b. ao. Prof. Jena, 1910 oö. Prof. f. Tier­ zucht Halle (Gerber 2004, S. 519). – 2. Friedrich Falke 1871 Schwarzholz/Altmark–1948 Arendsee/Altm., aus dem Hallenser Institut J. Kühns hervorgegangen, Habil. ebd. 1898, b. ao. Prof. f. Pflanzenbau u. Tierzucht Leip­ zig 1901, 1918 Ministerialrat Sächs. Wirtschaftsministerium Dresden, 1920 Rückkehr ins Lehramt als oö. Prof. f. lw. Betriebslehre in Leipzig, 1932–1938 Prof. u. Rektor Lw. Hochschule Ankara, Organisator des türkischen lw. Ausbildungswesens, Werke wie ‚Die Dauerweiden‘ (1907) und ‚Die Weidewirtschaft‘ (1919) „gehören zum Grundbestand dieses Faches“ (Gerber 2004, S. 176). Falke empfahl sich der Fakultät als Autorität auf dem Sektor der Weidewirtschaft, als Berater von über 100 Betrieben in Sachsen, als erfolgreicher Initiator von Weidegenossen­ schaften, daneben als einer der ersten Vertreter der wissenschaftlich angeleiteten Tierzucht. – Allen drei Kandidaten rühmte die Fakultät nach, daß sie praktisch so gründlich vorgebildet seien, daß sie einen Landwirtschaftsbetrieb führen könnten. 1705

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ersten Königsberger Institutsdirektors von der Goltz wissenschaftlich ausgebildet, gerühmt als „Vater des Kontrollvereinswesens“, 1906 Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde und bis 1914 ihr Vorstandsmitglied, auf vielen Feldern der Züchtungslehre um die Steigerung der Produk­ tions­ und Leistungsfähigkeit des Viehzuchtbetriebs bemüht,1711 war endlich der Praktiker, den sich die ostpreußischen Agrarfunktionäre seit langem so sehnlichst gewünscht hatten. Er konnte überhaupt nur mit dem erheblichen Opfer gewonnen werden, daß ihm die Landwirtschaftskammer ihren Anteil am Versuchsgut Waldgarten abtrat.1712 Auch das Ministerium war zu so ungewöhnlichen Zugeständ­ nissen bereit, daß von einer neuen Ära in der Geschichte des Königsberger Instituts zu sprechen ist. Mit 8.400 Mark plus 6.600 M. Direktionszulage und Kolleggeldgarantie nebst freier, großzügig re­ novierter Dienstwohnung gehörte Hansen neben den Klinikchefs zur winzigen, für die Masse der auf höchstens 6.000 M. beschränkten Ordinarien unerreichbaren Gruppe der Spitzenverdiener an der Albertina. Der Etat seiner Abteilung stieg auf 3.000 M., ebensoviel hatte er sich für die Betriebslehre ausbedungen, die 1913 zwar nicht das ihm versprochene Extraordinariat, aber wenigstens einen Lehr­ beauftragten erhielt. Die Abteilung für Milchwirtschaft sollte endlich „betriebsfähig“ werden, daher gewährte Minister Trott eine Etaterhöhung, gestand einen Assistenten zu und ernannte Karl Hittcher zum nb. Extraordinarius, der indes mit eher kläglichen 2.400 M. Remuneration zufrieden sein muß­ te.1713 Von 550 auf 3.000 M. jährlich stieg der Bibliotheksetat, und Hansen durfte für 1.200 M. eine „Maschinenschreiberin“ als Sekretärin einstellen. Für Extraordinariate in der landwirtschaftlichen Kul­ turtechnik und Maschinenlehre wollte sich Trott nachdrücklich beim Finanzminister einsetzen, was ihm für Kulturtechnik auch zum WS. 1911/12 gelang, während sich die Maschinenlehre zu Hansens Ärger zunächst mit einem Lektor begnügen mußte.1714 Hansen begriff schnell, daß, wenn das Institutsschicksal von einer effizienten Versuchswirtschaft abhing, Königsberg aber mit Waldgarten, auch in der um den LWK­Anteil vergrößerten Form, ver­ loren war. Im Herbst 1911 entschloß er sich zu einem radikalen Schnitt. Waldgarten sollte abgestoßen, dafür ein neues 130 ha großes Versuchsgut, Gutenfeld, erworben werden, elf Kilometer stadtauswärts an der Bahnstrecke nach Gerdauen gelegen, 326.000 M. teuer, aber eine komplette, Ackerbau und Viehzucht umfassende Wirtschaft bietend. Tatsächlich gelang ihm diese kostspielige Operation, und 1912 konnte er dort erstmals die Frühjahrsbestellung in Angriff nehmen.1715 Gutenfeld – das wirkte wie eine Initialzündung. Obwohl mit der Veräußerung von Waldgarten der Gutenfelder Kaufpreis fast bezahlt werden konnte, schien Hansen aus Berliner Perspektive eine Ebene zu betreten, auf der es unziemlich war, nach dem Preis zu fragen. Zumal: angesichts des Gutenfeld­Projekts nahmen sich die im Wochentakt gestellten Anträge des Energiebündels Hansen allemal wohlfeil aus. Der „Ausdif­ ferenzierung der Agrarwissenschaft“, die es Hansen „nicht mehr angängig“ erscheinen ließ, Tierzucht und Betriebslehre durch einen Lehrstuhl vertreten lassen,1716 trug das Ministerium wie versprochen da­ durch Rechnung, daß die eigentlich von seinem Ordinariat abzudeckende Betriebslehre zum SS. 1913 wenigstens durch einen Lehrbeauftragten unterrichtet wurde, den frisch habilitierten Fachmann für die Landwirtschaft Englands, Bruno Skalweit,1717 während zum SS. 1911 schon zwei Lektorate für Eingehend Momsen 1965. GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 164 f.; Kurator – PrMK v. 4. 5. 1910. 1713 Ebd., Bl. 264–266; Vereinbarung Elster – Hittcher v. 30. 5. 1910 über Remuneration und Bestallung v. 28. 7.1910 zum WS. 1910/11. 1714 Ebd., Bl. 259; undat. Abmachung mit Hansen über die Bedingungen seiner Berufung zum WS. 1910/11. 1715 Dazu Schriftwechsel in GStA …, Tit. X, Nr. 41, Bd. X, unpag. 1716 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; Hansen – PrMK v. 4. 7. 1911: Es müsse dringend ein Ordinariat für Betriebslehre an der AUK errichtet werden. 1717 Skalweit, 1867 in Labiau/Ostpr. geb., war von 1903 bis 1912 lw. Sachverständiger am Dt. Generalkonsulat in London, habilitierte sich mithin als 45jähriger ungewöhnlich spät. Die vom ihm eingereichte Habilschrift verwertete die Erfahrungen seiner Londoner Zeit: Die Arbeiterfrage in Betrieben der englischen Landwirtschaft 1711 1712

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Maschinenkunde und für landwirtschaftliche Baukunde bewilligt worden waren.1718 Hansen erreichte schließlich, worum Albert jahrelang vergeblich gekämpft hatte, die Etatisierung eines Extraordinariats für Kulturtechnik.1719 Wenn dieses Amt auch aufgrund einer für Königsberger Verhältnisse typischen personellen Fehlentscheidung dem Ostpreußen Hugo Hagelweide zufiel,1720 und die Maschinenkunde in die Hände eines Lobbyisten geriet,1721 ist doch unverkennbar, daß unter Hansens Ägide die Agrar­ wissenschaften erstmals in ganzer Breite angeboten wurden und so der Rückstand gegenüber anderen preußischen Landwirtschaftsinstituten verringert werden konnte. Als Ergänzung staatswissenschaftlicher und geographischer Erforschung demographisch­ökono­ mischer Probleme der Provinz läßt sich die gleichzeitig anlaufende agrarwissenschaftliche Konzentra­ tion auf die ostpreußische Landwirtschaft verstehen. Der Milchwirtschaftler Wilhelm Fleischmann hatte sich in den zehn Amtsjahren (1886–1896) bereits als Dienstleister der Landwirtschaft verstan­ den, hielt aber auf Distanz zu den Praktikern und den Funktionären der Landwirtschaftskammer. Sein Nachfolger Alexander Backhaus verwickelte sich bald in den geschilderten Dauerstreit mit der Kammer, der mit seiner „Beurlaubung“ endete. Ein Neuanfang begann mit Friedrich Albert (1904– 1910) und mit dem 1906 aus Kiel berufenen Mitscherlich (1906–1941), der im Ersten Weltkrieg zu einem der „starken Männer“ in der Albertina aufstieg und als Alleinherrscher des Landwirtschaftlichen Instituts bis in die dreißiger Jahre regierte. Albert, wegen der im Gegensatz zu seinen Vorgängern von ihm vorgenommenen betriebswirtschaftlichen Schwerpunktbildung auf die Zusammenarbeit mit mit besonderer Berücksichtigung der Dienst­ und Lohnverhältnisse; die AV fand am 9. 1. 1912 statt: Über die Entwicklung der deutschen und englischen Landwirtschaft in den letzten 40 Jahren. 1718 GStA …, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; Bestallung v. 28. 2. 1911. Für Maschinenkunde wurde der Dipl. Ing. Willy Schröder (s. Catalogus), Leiter der Maschinen­Genossenschaft in Königsberg, eingestellt, für lw. Bau­ kunde der Dipl. Ing. u. Regierungsbaumeister Günther Hosemann (s. Catalogus). 1719 Ebd., Bd. XXVI, unpag.; zum SS. 1912. 1720 Ebd., Bd. XXVI, unpag.; auf Anfrage berichtet der Kurator am 23. 4. 1913, daß Hagelweide für das SS. 1913 weder Vorlesungen angekündigt noch bislang Lehrveranstaltungen abgehalten habe. Auch seine weitere Amts­ zeit, bis zur mit sanftem Zwang erwirkten Pensionierung, war von Absenzen geprägt (s. u., Weltkriegs­Kapitel). – GStA …, Nr. 21, Bd. XXV, Bl. 344–347; PhilFak – PrMK v. 13. 1. 1911, Vorschlagsliste für Extraordinariat lw. Kulturtechnik: 1. H. Hagelweide (s. Catalogus). – 2. Robert Breitenbach, 1872 Mittelwilden/Kr. Siegen, Ausbil­ dung an der Wiesenbauschule Siegen, 1895 Wiesenbaumeister, bis 1899 General­Kommission Kassel, 1899–1919 Hauptlehrer Provinzialwiesenbauschule Königsberg, seit 1906 naturwiss.­agrarwiss. Studium AUK, Prom. AUK 9. 8. 1911: Die Bestimmung der Drain­Entfernung auf Grund der Hygroskopizität des Bodens, 1. 10. 1919 Direk­ tor Wiesenbauschule Siegen, gab 1926 L. Vincents Standardwerk: Bewässerung und Entwässerung der Äcker und Wiesen in 5. verb. u. erw. Aufl. heraus, Berlin: Parey Verlag (=Thaer­Bibliothek; 29). Breitenbach stand bereits 1907 tertio loco auf der ersten Liste der Fakultät, hinter einem Regierungsbaumeister Brauer (1870 Hannover–), seit 1905 Meliorationsinspektor in Allenstein, und dem Oberlehrer an der Stettiner Baugewerkschule Hermann Koller (ebd., Bl. 315–317; Liste v. 10. 12. 1907). Brauer und Koller fanden auch 1911 wieder Berücksichtigung tertio et aequo loco. Auf diesen Vorschlag bekam die Fakultät erst drei Jahre später die Auskunft, man habe die Entscheidung s. Zt. „vertagt“, fordere nunmehr aber eine neuerliche Stellungnahme zur alten Liste oder Neuvor­ schläge an, ebd., Bl. 318, PrMK – Kurator v. 23. 12. 1910. Breitenbach tauchte noch einmal an dritter Stelle auf der Liste für Hagelweides verstorbenen Nachfolger Richter auf (ebd., Bd. XXVIII, Bl. 441–443; PhilFak – PrMK v. 5. 5. 1920). 1721 Ebd., PrMK – PrMF v. 23. 8. 1913: Etatanmeldung Extraord. lw. Maschinenkunde: Maschinenverwendung in der Lw. stärker als anderswo, dazu steigende Zahlen von lw. Studenten. Seit 1911 amtiere ein Lektor f. lw. Ma­ schinenkunde, aber ein Lektorat sei „absolut ungenügend“, zumal der Lektor Schröder im Dienst der Maschinen­ Genossenschaft, einem Privatunternehmen stehe, also den Studenten und Landwirten, die er berate, empfehle, was seine Firma zu verkaufen beabsichtige – ein unhaltbarer Zustand. Daher müsse eine „unabhängige Kraft“ berufen werden. Nach dem Scheitern des Antrags hat die ostpr. LWK das Ministerium 1914 gedrängt, ein Ordinariat ein­ zurichten, ohne daß diese Initiative vor Kriegsausbruch noch gefruchtet hätte (Bd. XXVII, Bl. 39; LWK – PrMK v. 12. 3. 1914).

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Gerlach als Korreferenten angewiesen, promovierte 1904 den ersten Schüler mit einer Studie über den Kalkgehalt ostpreußischer Bodenarten. 1905 ließ er die Landwirtschaft in einem ermländischen Dorf untersuchen, im gleichen Jahr analysierte Kurt Schwonder die landwirtschaftlichen Betriebsverhält­ nisse auf der Dönhoffschen Besitzung Friedrichstein. 1906 reichte ein Schüler ‚Untersuchungen über die landwirtschaftlichen Betriebsverhältnisse im Kreise Fischhausen’ ein, ein weiterer widmete sich ‚Tränkwasserverhältnissen auf ostpreußischen Gütern‘. 1907 ließ Albert dann die ‚Landwirtschaft­ lichen Betriebsverhältnisse im Süden Natangens‘ durchleuchten. 1908 und 1909 lagen Doktorarbeiten zur Rentabilität der westpreußischen Pferde­ und zur Verbesserung der ostpreußischen Rinderzucht vor. Zehn der siebzehn von ihm angeregten Dissertationen hatten die Agrarverhältnisse in der Pro­ vinz zum Gegenstand. Alberts Nachfolger Johannes Hansen (1910–1920), eher konzentriert auf Tier­ zuchtlehre und zudem fast erdrückt von Organisationsproblemen im Institut wie in der Versuchswirt­ schaft, konnte daran zunächst nicht anknüpfen. 1913 schloß dann aber der erste Doktorand seine agrarhistorische Untersuchung über die ostpreußischen Betriebsverhältnisse zwischen 1815 und 1870 ab.1722 Kurz darauf folgte eine der Milchversorgung Königsbergs en detail gewidmete Dissertation, abgefaßt von einem der wenigen Studenten am Institut, die nicht aus der Provinz stammten.1723 Da­ neben, jedoch nicht auf Ostpreußen begrenzt,1724 versuchten sich zwei seiner aus Bonn mitgezogenen Schüler an den ‚Lohnverhältnissen ländlicher Arbeiter in Norddeutschland‘1725 bzw. an der Fixierung des menschlichen Arbeitsaufwandes in der längst nicht maschinisierten deutschen Landwirtschaft1726. Außer diesen betriebswirtschaftlichen Studien regte Hansen auf seiner Domäne, der Tierzucht, bis zum Kriegsausbruch nur drei Arbeiten an, die sich ebenfalls nicht mit den ostpreußischen Zuständen und Problemen befassten.1727 Kraus, Gerhard, Landwirtschaftliche Betriebsverhältnisse in Ostpreußen 1815–1870, Phil. Diss. AUK 1913, R.: Hansen. – Kraus, 1886 Königsberg, Sohn des Gymnasialprof. und um die Geistesgeschichte Königsbergs ver­ dienten Landeshistorikers Dr. Gottlieb Krause (sic!, 1851–1931, APB 362), 1906 AltstädtG, 1906–1908 lw. Lehre Rogehnen/Kr. Fischhausen, 1908–1912 agrarw. Studium AUK. 1723 Arnoldi, Wilhelm, Die Milchversorgung der Stadt Königsberg i. Pr. ( 240 S.!), Phil. Diss. AUK 1914, Rigoro­ sum 21. 2. 1914. 1884 Siegen, kath., 1906 G Attendorn, philos.­theol. Stud. Paderborn, Münster, Breslau, theol. Examen, danach lw. Lehrzeit Husen/Westf., Militärdienst in Königsberg 1910, anschließend ebd. agrarwiss. Stu­ dium. 1724 Zu erwähnen ist auch die erste einschlägige Doktorarbeit, die Hansen jedoch aus Bonn mitgebracht hatte: Pützkaul, Michael, Untersuchungen über die Betriebsorganisation der Landwirtschaft im südlichen Teil der „Nie­ derrheinischen Bucht“, speziell der Kreise Euskirchen (186 S.!), Phil. Diss. AUK 1912, Vf., 1881 Froitzheim/Kr. Euskirchen, V.: Landwirt, 1903 G Münstereifel, agrarwiss. Studium Bonn­Poppelsdorf 1903–1906, Landwirt­ schaftslehrer in Vohwinkel, Rheinland seit 1910. Die Diss. wurde 1910 in Bonn angefertigt und 1912 an der AUK eingereicht. 1725 Schütze, Paul, Studien über die Entwicklung der Lohnverhältnisse ländlicher Arbeiter in Norddeutschland seit 1870, Phil. Diss. AUK 1914; 1885 Bromberg, 1903 G Bromberg, lw. Lehre, Militärdienst, 1907 agrarwiss. Studium Bonn, 1910–1912 AUK, 1912/13 Päd. Seminar für Lw.lehrer Hildesheim. 1726 Brauckmann, Hermann Der Aufwand an menschlicher Arbeit in der Landwirtschaft, Phil. Diss. AUK 1915; 1884 Datteln/Westf., V: Landwirt, kath., Volksschule und lw. Lehre im elterlichen Betrieb, 1906 G Recklinghau­ sen, mathem.­naturw. Studium Freiburg, München, FWU, Münster, SS. 1910–1912 agrarwiss. Stud. Bonn­Pop­ pelsdorf, 1912 AUK, Dipl. Ex., 1913 Betriebsabt. DLG Berlin, dort Material zur Diss., Rigorosum 29. 6. 1914. 1727 Laurer, Gustav, Beiträge zur Abstammungs­ und Rassenkunde des Hausrindes, Phil. Diss. AUK 1913; 1885 Habersmühle bei Neumarkt/Oberpfalz, V.: Landwirt, Volksschule, lw. Lehre, 1903 agrarwiss. Studium TH Mün­ chen, Bonn, Dipl. u. Lw.Lehramtsex., u. a. Tierzuchtinstrukteur Ostpr. Herdbuch­Gesell., dann LWK Rheinpro­ vinz. – Rothes, Georg, Vererbungsstudien an den Rindern des Jeverländer Schlages mit bes. Berücksichtigung der genealogischen Entwicklung und der Vererbungsfähigkeit der wichtigsten Zuchtfaktoren unter Anwendung der Konfluenzmethode (165 S.!), Phil. Diss. AUK 1914; 1886 Rittergut Strommörs/Kr. Moers, V.: Gutsbesitzer, kath., 1907 G Coesfeld, agrarwiss. Stud. München, FWU, Bonn, AUK. – Stanjek, Paul, Das Schlesische Rotvieh und seine Blutlinien. Anhang: Einfluß von Bullenfamilien auf Milchleistungen, Phil. Diss. AUK 1914; 1881 Bauer­ 1722

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Der Agrarchemiker Stutzer, unterstützt von Assistenten und Doktoranden, verbrachte die letzten Amtsjahre mit Düngungsversuchen auf den Feldern von fünfzehn ostpreußischen Gutswirtschaften, um die Voraussetzungen für das Ertragsoptimum bei extrem kurzer Bestellzeit und kurzer Vegetations­ dauer zu ermitteln.1728

4.4.3. Zusammenfassendes zur Fakultätsgeschichte bis 1914 Am Vorabend der Reichsgründung waren unter den 22 Ordinarien der Fakultät sieben in Ostpreu­ ßen geboren, und Neumann, Rosenkranz, Moser, Werther und Luther durften wegen ihrer jahrzehn­ telangen Lehrtätigkeit an der Albertina als naturalisierte Königsberger gelten. Dieses bodenständige Gepräge verlor der Lehrkörper innerhalb eines Jahrzehnts nach 1871. Unter den 123 Ordinarien und Extraordinarien, die zwischen 1870 und 1918 auf einen Lehrstuhl berufen wurden, befanden sich vierzehn gebürtige Ost­ und Westpreußen, darunter wiederum nur fünf, der Neugermanist Baumgart, die Mathematiker Hilbert und Saalschütz, der Physiker Volkmann und der Historiker Lohmeyer, die per Hausberufung aufgestiegen sind. Da auch der Anteil der übrigen Ostdeutschen aus Pommern, Schlesien und Brandenburg (18) wie der Balten resp. Rußlanddeutschen (5) nur knapp 20 Prozent aus­ machte, setzte sich die Fakultät zu zwei Dritteln aus West­, Mittel­ und Süddeutschen zusammen, was den landsmannschaftlichen Proportionen in der Medizinischen und Juristischen Fakultät entsprach. Allein daran gemessen, wies also die östlichste Hochschule Deutschlands ein bemerkenswert blaßes Lokalkolorit auf, insoweit nicht abweichend von der „bunten Mischung“ der Professorenschaft etwa an der Straßburger Reichsuniversität.1729 Gravierend von Straßburg und anderen Groß­Universitäten des Kaiserreiches unterschied sich die Philosophische Fakultät der Albertina jedoch hinsichtlich der akademischen Herkunft und des Ranges der Berufenen. Wie schon an der Summe der Vorschläge abzulesen war, gelang es bei Geistes­ wie bei Naturwissenschaftlern nur selten, den Wunschkandidaten zu erhalten. Der folgenden Aufstellung ist zu entnehmen, daß in 123 Verfahren nur 27 ordentliche Professoren nach Königsberg berufen wurden. Allesamt überdies von kleineren Universitäten wie Gießen (5), Rostock (4), Greifswald (2), von weniger renommierten Landwirtschaftlichen Akademien, der Bergakademie Clausthal oder der TH Stuttgart (insgesamt sieben Berufungen). Vier Ordinarien kamen aus dem Ausland, drei aus der Schweiz, einer, der Althistoriker Rühl, aus Dorpat. Bei neunzehn Entscheidungen fiel die Wahl des Ministeriums auf beamtete Extraordinarien, die mit fünf Ausnahmen alle von preußischen Universi­ täten auf einen Königsbeger Lehrstuhl befördert wurden. Fast zwei Drittel der maßgeblich ministe­ riell gesteuerten Entscheidungen bescherte Privatdozenten eine das Säckel des „Kulturstaates Preußen“ schonende Erstberufung. Die Agrarwissenschaftler Fleischmann, Gisevius, Rörig und Hagelweide wa­ ren sogar nicht einmal habilitiert, ebenso wenig der Klassische Archäologe Gustav Hirschfeld, den der Ruf erreicht, als er sein Verfahren in Leipzig just in Gang gebracht hatte. Aus dem Gymnasialdienst berufen wurden der Geograph Hermann Wagner und der Semitist Gustav Jahn. An Alfred Schoene erging der Ruf, nachdem er wegen einer „Affäre“ schon lange aus dem Hochschuldienst ausgeschie­ witz/Kr. Leobschütz, 1900 G Leobschütz, agrarwiss. Studium Halle, Breslau, Bonn, 1906 Lw.lehrer, Assistent am Inst. f. Tierzucht Bonn­Poppelsdorf (Hansen), seit 1911 Tierzuchtinspektor LWK Schlesien. 1728 Stutzer u. a. 1914, S. 1 f. – Zu den Mitarbeitern des Bandes zählten die von ihm 1909/10 promovierten Assistenten Hans Vageler und Karol Rackmann. Vgl. Vageler, H., Untersuchungen über das Vorkommen von Phosphatiden in vegetabilischen und tierischen Stoffen. Vageler, 1886 Maeken/Kr. Pr. Holland, Bruder des vier Jahren älteren Königsberger Privatdozenten Paul V. (s. Catalogus), V.: Gutspächter, ev., 1906 G Elbing, agrarw. Studium Leipzig, AUK. – Rackmann, K., Untersuchungen über Diguanid …; 1884 Fickel/Estland, 1905 G Reval, 1905–1907 lw. Lehre auf Gut Fickel u. a., 1907–1910 chem. Stud. AUK. 1729 Vgl. Roscher 2006.

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den war und eine Existenz als Göttinger Bibliothekar fristete. Den Löwenanteil in dieser Gruppe der Erstberufenen bestreiten wiederum preußische Privatdozenten, allen voran die Berliner (17), gefolgt von Königsbergern (10), Hallensern (7), Göttingern (6) und Breslauern (4). Nur elf Privatdozenten oder nichtbeamtete Extraordinarien lehrten an nicht­preussischen Universitäten, als ihnen der Aufstieg nach Königsberg winkte, darunter die meisten in Leipzig (5). Name

Herkunft

Status

Geburtsort1730

Ach Albert Andrée Backhaus Baesecke Battermann Bauer, Max Baumgart v. Below Bergeat Bergmann Bezzenberger Blaschke Blümner Böhm Brackmann Branca Braun, Max Brinkmann Brockelmann Buhlert Busse Chun Dehio Deubner Diehl Eisenlohr Elster Erler Faber Fleischmann Franke Friederichsen Garbe Gerlach Gisevius Goedeckemeyer

FWU Gießen Marburg Göttingen FWU FWU FWU AUK Marburg Clausthal FWU Göttingen Leipzig Breslau Heidelberg Marburg FWU Rostock Bonn Breslau Halle Rostock Leipzig München Bonn Rostock Greifswald Halle Leipzig Stuttgart Raden Versuchsst. FWU Greifswald AUK Breslau Lw.schule Dahme Göttingen

PD Prof. PD b. ao. Prof. PD PD PD PD PD Prof. PD PD b. ao. Prof. PD nb. ao. Prof. b. ao. Prof. PD Prof. PD nb. ao. Prof. PD Prof. PD PD PD Prof. PD PD nb. ao. Prof. Prof.

Unterfranken Quedlinburg Münder/Deister Oberhessen Braunschweig Bückeburg Schwäbisch Hall Elbing Gumbinnen Passau Kr. Dortmund Kassel Graz Berlin Mannheim Hannover Potsdam Oberschlesien Braunschweig Rostock Bleckede/Hann. Braunschweig Frankfurt/M. Reval Riga Frankfurt/M. Heidelberg Frankfurt/M. Meißen Kaiserslautern Erlangen Wickerode/Harz Hamburg Stettin Angerburg/Ostpr. Wartenburg/Ostpr. Hannover

PD Prof. PD PD PD

1730 Status Privatdozent (PD) schließt Tit. Prof. ein; in der Rubrik Geburtsort öfter auch Geburtsregion; Prof. = Ordinarius.

Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914 Name

Herkunft

Status

Geburtsort

Goltz Graebe v. Gutschmid Haendcke Hagelweide Hahn Hansen Hasbach Heinze, M. Heinze, R. Hesse Hilbert Hirschfeld Hurwitz Immisch Jahn Jeep Jensen Kaluza Kaufmann, W. Kissner Klinger Koken Koschwitz Krauske Lange Liebenberg Liebisch Lohmeyer Lossen Ludwich Luerssen Marek Meissner Meister Meumann Meyer, Fr. Mez Minkowski Mitscherlich Mügge Müller, A. Münzer Mutschmann Pape Partheil Peters

Lw. Akademie Waldau Leipzig Kiel Jena Meliorat.amt Bonn Leipzig Bonn­Poppelsdorf Greifswald Basel FWU Halle AUK Leipzig Göttingen Gießen FWU AUK Marburg AUK Bonn Erlangen Bonn FWU Marburg Göttingen Göttingen Halle Greifswald AUK Heidelberg Breslau Eberswalde Halle Göttingen FWU Zürich Clausthal Halle Bonn Kiel Münster Halle Basel FWU Lw. Ak. Proskau Bonn Kiel

Prof. PD Prof. b. ao. Prof.

Koblenz Frankfurt/M. Loschwitz/Sa. Altona Angerburg/Ostpr. Köthen/Sa. Flensburg Mühlheim/Rhein Prießnitz/Sa. Naumburg Nordhausen Königsberg Pyritz Hildesheim Hoyerswerda Drossen Wolfenbüttel Sylt Ratibor/O.S. Elberfeld Hamburg Leipzig Braunschweig Breslau Potsdam Göttingen Lombardei Breslau Gumbinnen Kreuznach Lyck/Ostpr. Bremen Kaschau/Ungarn Glogau/Schles. Leipzig Uerdingen Magdeburg Freiburg/Br. Litauen Berlin Hannover Stettin Oppeln/O.S. Essen Hannover Zerbst Pulkowa/Rußl.

PD Prof. nb. ao. Prof. Prof. b. ao. Prof. nb. ao. Prof. PD PD Prof. PD PD PD PD b. ao. Prof. Prof. PD PD Prof. b. ao. Prof. b. ao. Prof. PD Prof. PD PD b. ao. Prof. Prof. PD PD PD Prof. Prof. b. ao. Prof. nb. ao. Prof. nb. ao. Prof. b. ao. Prof. b. ao. Prof. Prof. PD Prof. b. ao. Prof. nb. ao. Prof.

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

Name

Herkunft

Status

Geburtsort

Pillet Pompeckij Prutz Quäbicker Rachfahl Rinne Ritthausen Rörig Rossbach Rost Rühl Rupp Saalschütz Schellwien Schipper Schmidt, G. Schmidt, Joh. Schoene, A. Schoene, H. Schoenflies Schultheß Schultz­Gora Schwally Stäckel Struve Stutzer Thiele Tornquist Ueberweg Umpfenbach Voigt, Wold. Volkmann Wagner, H. Walter Weber, H. Wentscher Werminghoff Wünsch Zöppritz

Breslau LwH Hohenheim FWU AUK Halle Rostock Bonn­Poppelsdorf FWU Kiel AUK Dorpat Marburg AUK AUK Bonn Erlangen Gießen Göttingen FWU Göttingen Göttingen FWU Gießen Halle Dorpat Breslau Halle Straßburg Bonn Würzburg Leipzig AUK Gotha Jena Zürich Bonn FWU Gießen Gießen

PD Prof. PD nb. ao. Prof. b. ao. Prof. Prof. Prof. Assistent b. ao. Prof. PD Prof. PD PD PD Dr. b. ao. Prof. Prof. Bibliothekar PD b. ao. Prof. PD nb. ao. Prof. Prof. PD PD b. ao. Prof. PD nb. ao. Prof. PD Prof. PD PD Gymn.lehrer PD b. ao. Prof. PD PD Prof. b. ao. Prof.

Breslau Rössel/Ostpr. Jena Lüdenscheid Landeshut/Schles. Osterode/Harz Goldberg/Schles. Glogau/Schles. Breslau Dresden Hanau Kirchheim/Teck Königsberg Quedlinburg Ostfriesland London Schmiedeberg/Sa. Dresden Halle Landsberg/Warthe Zürich Westpr. Butzbach/Hessen Berlin Pulkowa/Rußl. Braunschweig Thüringen Hamburg Düsseldorf Gießen Leipzig Bladiau/Ostpr. Erlangen Livland Heidelberg Graudenz Wiesbaden Wiesbaden Darmstadt

Kein Zweifel: diese Aufstellung dokumentiert den Rang Königsbergs als geradezu prototypische preu­ ßische Einstiegs­ und Aufstiegsuniversität.1731 Eine Klassifikation, die freilich nur dann von analy­ tischem Wert ist, wenn sie genutzt wird, um die Position der Albertus­Universität im Gefüge der Berliner Hochschul­ und Bildungspolitik auszuloten. Und die könnte nicht treffender als in der Erin­ 1731

Insoweit zutreffend M. Baumgarten 1997, S. 251–255, obwohl sie ihr Ranking nur unzureichend belegt.

Die halkyonische Ära bis zum Ersten Weltkrieg: 1900 bis 1914

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nerung des Psychiaters Karl Bonhoeffer erfasst werden, der noch vierzig Jahre nach seinen Berufungs­ verhandlungen für Königsberg, zu denen Althoff und Elster, der Westfale und der Hesse, im Herbst 1903 gebeten hatten, den Eindruck festhielt, daß die Albertina „sehr an der Peripherie ihrer Interessen lag“.1732 In der Philosophischen ging es mithin nicht anders zu als in der Medizinischen Fakultät (siehe 4.3.3.): der Nordosten blieb kulturelles Entwicklungsland, Rand­ und Sparzone, wo von den drei Auf­ gaben universitärer Wissensproduktion, Allgemeinbildung, Berufsbildung, Forschung, in erster Linie nur die Ausbildung für den wissenschaftlich grundierten Dienst für Staat und Gesellschaft erwartet wurde, nicht aber Gehorsam gegenüber dem Forschungsimperativ, neues Wissen zu generieren. Die seit 1872 unter Minister Falk und seinen Räten verfolgte, bis 1918 von keiner preußischen Re­ gierung mehr revidierte Politik, die Albertina auf die Ausbildungsanforderungen der ostpreußischen Provinz zu beschränken, machte die Universität als „Produktivfaktor“ im nationalen Rahmen entbehr­ lich. Mit Konsequenz waren davon die Königsberger Naturwissenschaftler am härtesten betroffen, von denen man hingegen andernorts, seit 1904 auch an der benachbarten TH Danzig, innovatives, ökonomisch „nützliches“, „Dasein gestaltendes“ Wissen und dessen „katalysatorische Wirkung im Wirtschaftsprozeß“ erwartete.1732a Wenn der Königsberger Philosophischen wie der Medizinischen Fakultät attestiert wird, gemessen am Bestand des wissenschaftlichen Personals oder der Studentenzahlen, ungeachtet der im 19. Jahrhun­ dert nur „schleppend voran“ gekommenen „baulichen und apparativen Modernisierung“, mit dem all­ gemeinen Wachstum deutscher Universitäten „gut mitgehalten“ zu haben,1732b dann verdecken solche am Quantifizierbaren ausgerichteten Erfolgsbilanzen den wissenssoziologisch aufschlußreicheren Pro­ zeß der „Regionalisierung des Wissens“, der nicht auf die landeskundlich relevante Forschungspraxis beschränkt bleibt, sondern bei Gelehrten wie Bezzenberger den modernitätskritischen Habitus formt, der sich auch bei vielen seiner Kollegen als Antwort auf die Berliner „Vernachlässigung“ ausprägte.

Bonhoeffer in: Zutt 1969, S. 61. Über Wissenschaft als „Produktivfaktor“ immer noch erhellend: Pfetsch 1974, bes. S. 120–139. 1732b Titz 1995, S. 384.

1732

1732a

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

5.

Die Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg

Die von archäologischer Hartnäckigkeit und Findigkeit zeugende Suche des Osnabrücker Germa­ nisten Klaus Garber, der seit einem Vierteljahrhundert die 1944 im englischen Bombenhagel zugrunde gegangene Königsberger Bibliothekslandschaft zu rekonstruieren versucht, entwirft ein für die Zeit bis 1800 vielleicht etwas zu ideales Bild von deren Reichtum.1733 Garber verschweigt indes nicht, daß die Albertina und ihre ‚Akademische Bibliothek‘ kurz nach Kants Tod (1804) auf einen Tief­ punkt ihrer Entwicklung angelangt war, nachdem sie schon im 18. Jahrhundert „nur in erschreckend kümmerlicher Weise ihr Dasein“ gefristet habe und seit 1779, unter der Leitung des Physikers Karl Daniel Reusch, „gegenüber den Forderungen der Zeit in einer Weise zurückgeblieben“ war, „wie nie zuvor“.1734 1809, als die knapp 20.000 Bände die der königlichen Familie gehörenden Schloßbiblio­ thek dem Universitätskuratorium unterstellt wurden, habe man, so weiß Götz von Selle anhand der bis in unsere Tage nicht wieder benutzten Akten zu berichten, nicht einmal gewußt, über wie viele Bücher die Universitätsbibliothek denn verfügte.1735 1829 verschmolzen die Akademische Sammlung und die Schloßbibliothek zur Staats­ und Universitätsbibliothek, ohne daß der Rückstand gegenüber Berlin, Halle oder Bonn aufgeholt worden wäre. In der 1840er Jahren ist von einer kontinuierlichen Anschaffungspolitik weiterhin nicht die Rede. Unter der Regie des reorganisierenden Oberbibliothe­ kars Justus Olshausen (1853–1858)1736 vermehrte sich der Bücherschatz zwar bedeutend um die ihr Vgl. zuletzt Garber 2008, bes. S. 170–179. So Ernst Kuhnert 1926, S. S. 222, 226, in seiner leider nur bis 1810 reichenden Geschichte der Staats­ u. Universitätsbibliothek Königsberg. Für die Zeit danach knapp: Diesch 1929. 1735 Es sollen etwa 7.500 Bände gewesen sein, v. Selle 1956, S. 241 f., dort sich auf die verlorenen Akten des Kö­ nigsberger Universitätsarchivs beziehend. Die ministerielle Parallelüberlieferung befindet sich im GStA und wird erstmals für diese Darstellung ausgewertet. Die aus einer zeitgenössischen Quelle entnommene Zahl von 7.500 dürfte allerdings zu niedrig sein. Ein historischer Abriß, den das Generalkonzil 1890 dem PrMK lieferte, gibt für die Zeit um 1800 etwa 30.000 Bände an (s. u. Anm. 1765), wobei aber vielleicht Schloßbibliothek und Akade­ mische Bibliothek zusammengezählt wurden. Kuhnert 1926, S. 222, nennt für die „Universitätsbibliothek“ […] „rund 5.000 Bände“, davon das meiste vor 1720 angeschafft! Ebd., S. 237, eine Angabe für die Schloßbibliothek 1806: 18. 515 Bände. – Einen Abriß zur Geschichte der UBK bietet Komorowski 1980, dabei den hohen Quel­ lenwert betonend, der den damals noch in der DDR (Merseburg) lagernden Ministerialakten für die „Erforschung des Zeitraums 1870–1932“ zukomme (ebd., S. 143). Zu DDR­Zeiten wurden die Akten jedoch nicht ausgewertet, und auch als sie nach 1990 ins GStA nach Dahlem zurückkehrten, blieben die meisten weiterhin unbeachtet. 1736 Olshausen (1800–1884), seit 1830 Ordinarius f. orientalische Sprachen in Kiel, 1848/49 politisch extrem exponiert als Vizepräsident der schleswig­holsteinischen Landesversammlung, war 1852 zusammen mit sieben anderen Professoren von der Kopenhagener Regierung entlassen worden, und fand, wie zur gleichen Zeit sein Landsmann Theodor Storm, Asyl in Preußen. Durch Fürsprache Alexander von Humboldts erhielt er zum WS. 1853/54 eine orientalistische Professur in Königsberg und wurde zugleich mit der Leitung der UBK betraut. Im Dezember 1858 wechselte er als Hochschulreferent ins preußische Kultusministerium. Auf diesen Posten, den er bis 1874 bekleidete, war er als Netzwerker der „holsteinischen Seilschaft“ sowohl für die Königsberger, aber weit 1733

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Die Staats­ und Universitätsbibliothek Königsberg

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vererbte, stolze 36.000 Bände umfassende „Musikbücherei“ des unausstehlichen Patriarchen des Fried­ richkollegs, des Misanthropen Friedrich August Gotthold.1737 Der Etat blieb aber so niedrig, daß die gewaltigen Lücken im Bestand sich ausdehnten. Zudem reichte die karge personelle Ausstattung, ein Oberbibliothekar, zwei Kustoden, ein Sekretär und ein Diener, nicht aus, um die laufenden Geschäfte zu bewältigen. Die Lage besserte sich unter seinen Nachfolgern, dem Germanisten Julius Zacher (1859–1863) und dem Historiker Carl Hopf (1864–1873), schon deshalb nicht wesentlich, weil beide wie Olshausen und dessen Vorgänger, neben der Bibliotheksleitung auch ihre Pflicht als Ordinarien zu erfüllen hatten. Vor allem der aus Greifswald versetzte Hopf, der ministeriell angehalten werden mußte, wenigstens während der ohnehin knapp bemessenen Öffnungszeit „auf der Bibliothek“ zu erscheinen, fühlte sich mehr als Professor denn als Bibliotheksdirektor, obwohl er schwer zu delegieren verstand und deshalb darauf bedacht war, „alle wesentlichen Geschäfte persönlich“ zu besorgen.1738 Unter Hopfs Ägide ließen die Versäumnisse der Vergangenheit das Häuflein der Bibliothekare fortwäh­ rend in den Abgrund blicken. Der Etat von nicht einmal 3.000 Talern war ein Witz, die Unterbrin­ gung in dem muffigen, nassen Bau im Königsberger Osten nicht minder, und die Personalnot schrie zum Himmel. Hopf wollte den Dienstantritt nutzen, um eine dritte Kustodenstelle herauszuschlagen, damit endlich jemand seinen einzigen Untergebenen, dem seit 1849 amtierenden ersten Kustos Albert Hoffmann und dem zweiten Kustos Rudolf Reicke, unter die Arme griffe.1739 Das Standardargument der kommenden Jahrzehnte fand hier schon Verwendung: die Bibliothek müsse die wissenschaftlich­ literarischen Bedürfnisse einer großen, entlegenen Provinz befriedigen, und dürfe darob bevorzugte Förderung beanspruchen. „Entlegen“ war um 1865 noch rein verkehrstechnisch gemeint, die Entfer­ nung etwa zur Buchandelsmetropole Leipzig und zur Residenzstadt Berlin beklagend. Die sich nach 1900 abzeichnende Frontstellung des ostpreußischen „Vorpostens“ in slawischer „Umklammerung“ spielte noch nicht die geringste Rolle. Zum 1. Januar 1868 erhielt Hopf endlich seinen dritten Kustos. Der Mann kam aus Bonn, aus der Schule von Ritschl und Bernays1740, hieß Joseph Müller, war zum Leidwesen des Ministeriums nicht promoviert, führte aber neue, freundliche Umgangsformen ein, nachdem sich die Knoten Reicke und Hoffmann als Benutzerhasser bereits ministerielle Rüffel eingefangen hatten. Trotzdem ging es mit Müller, der die „musikalischen Schätze“ der Gotthold­Bibliothek in einer sagenhaften Fleißarbeit binnen weniger Monate katalogisierte und dies Verzeichnis auf eigene Kosten publizierte,1741 nicht lange gut. Er stieß mit dem Germanisten Oskar Schade zusammen. Die Details sind nicht mehr zu ermitteln, doch daß Müller, der schon seit seiner Ankunft im Herbst 1867 unter „Feindseligkeiten“ litt, das unschuldige Opfer war, das im Frühjahr 1869 über Nacht seinen Posten räumen mußte, steht wohl fest.1742 mehr noch für die Berliner Berufungspolitik von kaum zu überschätzender Bedeutung. Vgl. SHBL VII, 1985, S. 150–152. 1737 Dazu Müller­Blattau, Die musikalischen Schätze der Staats­ und Universitätsbibliothek Königsberg, wieder im ND J. Müller 1971. Umfassender Wermke 1929 über die nicht nur Musikalien bergende Bibliothek und den monomanischen Büchersammler Gotthold, der ein würdiges Ende fand: „Inmitten seiner Bücher fand man ihn am 23. Juni 1858 vom Schlage getroffen, besinnungslos auf der Erde liegen“ (ebd., S. 368). 1738 So im Rückblick Wilmanns – Althoff v. 22. 10. 1887, in: GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV, unpag. 1739 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. III, unpag.; PrMK – PrMF v. 25. 8. 1863: Etatanmeldung 3. Kustoden­ stelle, von Hopf seit 1864 aufgegriffen und bis 1868 vergeblich beantragt. 1740 Der Altphilologe Jacob Bernays übte seit 1866 das Amt eines Oberbibliotheksrats an der UB Bonn aus, Müller diente ihm als Assistent. 1741 J. Müller 1870. 1742 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. III, unpag.; Kurator – PrMK v. 2. 3. 1869 wg. „sofortiger Kündigung“ Müllers, der einen vorbildlichen Leihverkehr aufgezogen, die Benutzungsfreundlichkeit der UBK somit erheblich gesteigert habe, so daß die plötzliche Entlassung, über deren Gründe man gern mehr erführe, in Königsberg doch einiges Aufsehen errege. Ebd., Müller – PrMK v. 6. 5. 1870, anläßlich der Übersendung seines Katalogs der

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Auf Müllers Stelle setzte Hopf seinen Schüler cand. phil. Otto Rautenberg, in der Hoffnung, der Jüngling werde sich literarisch oder wenigstens durch eine Staatsprüfung qualifizieren. Beides ließ auf sich warten. Rautenberg promovierte 1882, da war er lange schon die Nummer Zwei in den Hierar­ chie. Als der erste Kustos Hoffmann im Oktober 1870 infolge eines Rheumaleidens verschied, war das Aufrücken des publikumsfeindlichen Reicke nicht zu verhindern. Seine Stelle bekam der habilitierte Jurist Emil Steffenhagen, der von 1861 bis 1868 für ein Butterbrot das Katalogisierungsjoch auf sich genommen, und der sich um die Erfassung der Handschriftenbestände verdient gemacht hatte,1743 bevor er sich frustiert – weil Hopf ihm die dritte Kustodenstelle nicht erwirkte – für den Aufbau der griechischen Nationalbibliothek in Athen zur Verfügung stellte und anschließend die Danziger Stadt­ bücherei übernahm. Der nur beurlaubte Steffenhagen folgte im Herbst 1872 einem Ruf nach Göt­ tingen. Daher erhielt Rautenberg seine Chance und wurde zweiter Kustos. Ihn beerbte der hinkende Theologe Albert Kloepper, ein Bekannter Hopfs aus Greifswalder Tagen, dem er 1866 den Posten des Bibliothekssekretärs zuschanzte, nachdem dessen Vorgänger wegen nachlässiger Amtsführung den Hut nehmen mußte.1744 Hopf starb im Sommer 1873. Reicke und Steffenhagen bewarben sich um seine Nachfolge. Die Professorenschaft, versammelt im Generalkonzil, mußte sich nur der zahllosen Brüskierungen erinnern, die ihr durch den rauhbeinigen Lotsensohn Reicke widerfahren waren, der sie offenbar behandelt hatte wie eine rechtlose Crew „vorm Mast“. Dessen aus Goldap stammender, nicht eben handzahmer Lands­ mann Steffenhagen, der Jahre später als preußischer Autokrat die Kieler Universitätsbibliothek „auf Vordermann“ brachte, stand in puncto „Liebenswürdigkeit“ Reicke nicht nach. Diese kaum gesell­ schaftsfähigen Eigenbrötler könnten niemals den „lebendigen Zusammenhang“ zwischen Bibliothek und Universität wahren. Daher falle die Wahl auf einen auswärtigen Kandidaten, den Altphilologen August Wilmanns, der gleichermaßen Bibliothekar und Gelehrter sei.1745 Der klassische Philologe Wilmanns (1874/75), ein Schüler Friedrich Ritschls, mit wissenschaft­ lichen, zuletzt sich dem älteren italienischen Humanismus zuneigenden Ambitionen, der sich nach seiner Königsberger Amtszeit aber ganz für den Bibliotheksdienst entschied, engagierte sich anders als Hopf zwar ausschließlich in der Bibliothek, doch machten sich die von ihm angestoßenen Verbesse­ rungen erst unter Johannes Roediger (1876–1887) bemerkbar. Seine kurze Königsberger Amts­geriet Wilmanns jedoch zur Leidenszeit. Kaum waren einige Monate verstrichen, klagte er dem Bonner Kollegen Hermann Usener:1746 „Land und Leute gleich unerfreulich, Bibliothek wüst und mit wüsten Gesellen besetzt, an Lesen [sc. Lehrveranstaltungen] vorläufig nicht zu denken. Wohnungen und Lebensbedürf­ Gotthold­Bibliothek auf den Zwist zurückkommend, aber den Konflikt mit Schade nur andeutend, bei dem er sich, nach genauer Prüfung durch Laband, Richelot und August Simson nichts vorwerfen lassen müsse, was der Hochschulreferent Olshausen ihm im Juni 1869 auch ausdrücklich bestätigte. Eine Rolle spielte wohl auch, daß Müller sich im Vorwort seines Katalogs despektierlich über (Un­) Ordnung in der UBK äußerte, was zu einem öffentlichen Disput zwischen ihm und Reicke führte. 1743 Ergebnis der Hss.­Erfassung ist sein Catalogus Codicum Manuscriptorum Bibliothecae Regimontanae, 1861 und 1872. 1744 Ebd.; Hopf – PrMK v. 26. 10. 1865 zu Kloepper: literarisch wenig hervorgetreten, daher ohne Aussicht auf eine Professur, die akademische Laufbahn verlassend und privatisierend in Greifswald, eine praktische Karriere als Prediger verschmähend wegen seines steifen Fußes, vollständig mittellos in traurigsten Verhältnissen lebend. Dies sollte sich als Königsberger Bibliothekssekretär bei einem Gehalt von 200 Talern im Jahr nicht wesentlich ändern. Mehrfach beantragte Kurator v. Horn eine Gehaltserhöhung mit dem Argument, daß Kloepper „thatsächlich“ Hunger leide (ebd., Kurator – PrMK v. 4. 2. 1870). 1745 Ebd.; Generalkonzil AUK – PrMK v. 2. 12. 1873, betr. Nf. Hopf. 1746 Wilmanns an den mit ihm seit der Studienzeit eng befreundeten Usener v. 5. 3. 1875, zit. n. Paalzow 1943, S. 22.

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nisse äußerst mangelhaft und teuer, dazu das Klima (der Frühling beginnt im Juni) und die Entfernung! Ich würde für ein günstiges Geschick, das mich fortführte, nicht unempfänglich sein.“ Jubilierend zog er im Sommer 1875 nach Göttingen, „diesen Osten, diesem Klima, dieser Gesell­ schaft“ den Rücken kehrend.1747 Daß ihm die drei Bibliothekare, der Kant­Forscher Rudolf Reicke, der landeshistorisch interessierte Otto Rautenberg und der kränkelnd­lustlose Neutestamentler Albert Kloepper, als „wüste Gesellen“ erschienen, mit denen er nicht den geringsten außerdienstlichen Ver­ kehr pflegen wollte, ist kaum verwunderlich, wenn man den Akten entnimmt, wie rigoros Wilmanns, eine „Tyrannennatur“,1748 seinen neuen Amtsbezirk mit „eisernem Besen“ zu säubern gedachte. Nur den vierten Kustos, den dem Danziger Judentum entstammenden Max Perlbach, der gerade begann, sich einen Namen als Landeshistoriker zu machen, wollte Wilmanns verschonen.1749 Daß es für die Herren täglich nur vier Dienststunden gab, verkürzt durch ein halbes Stündchen Frühstück, mußte aufhören, wenn der „Benutzungsbetrieb“ seinen Namen verdienen sollte. Kataloge und Geschäftsjournale seien nicht „mustergültig“ gewesen. Der Diener Friedrich Weber, ein zivilversor­ gungsberechtiger, von der Gicht geplagter Feldwebel, habe im Stile eines Subunternehmers eine derbe Magd eingestellt, anfangs nur für Reinigungsarbeiten, peu à peu für seine anderen Obliegenheiten, für die Besorgung der „Außenkontakte“ der Bibliothek mit professoralen Benutzern, Buchhändlern, Buchbindern, was für ein „königliches Institut“ kein „ganz würdiges Verhältnis“ sei. An allen Ecken und Enden mußte Remedur geschaffen werden, „die für das Publicum wichtige Exactheit und Schnel­ ligkeit in allen Einzelheiten des Dienstes“ sollte einkehren, „Ordnung und Sauberkeit“ herrschen. Ein zweiter Diener sei unabdingbar, damit die Bibliothekare die Bücher nicht mehr selbst aus dem Maga­ zin „herbeischleppen“ müßten und sie dafür eingesetzt werden könnten, ein „schreiendes Bedürfnis nach wissenschaftlicher Katalogisirung, die so gut wie gar nicht existirt“, zu befriedigen. 1750 Diese biedermeierlich­verschlafene Universitätsbibliothek wollte Wilmanns zum Arbeitsinstrument für For­ scher und Lehrer formen. Darum ging er die „Uebelstände“ zupackend an, weitete er zum Entsetzen seiner Untergebenen die Benutzungszeiten aus, verkürzte die Leihfristen, erhöhte die Mahngebühren, oktroyierte ihnen schließlich kurz vor der Abberufung eine neue Benutzungsordnung, nachdem er schon vorher die unübersichtlichen alten Zugangsverzeichnisse durch Zettelkataloge ersetzt hatte, die er selbst monatelang führte, bevor er sie seinen „wüsten Gesellen“ anvertraute.1751 Zum Nachfolger Wilmanns hätten die im Generalkonzil versammelten Professoren gern Anton Klette, seit 1870 Direktor der Jenaer, oder Carl Zangemeister, seit 1873 Oberbibliothekar und Leiter der Heidelberger Universisitätsbibliothek gewonnen. Beide waren klassische Philologen, wie Wilmanns Ebd., an Usener v. 12. 7. 1875; trotz der „unerquicklichsten und heftigsten Zänkereien mit einer gewissen Clique“, so räumt Wilmanns zum Abschied versöhnlich ein, habe er doch „die allerangenehmsten Verkehrver­ hältnisse mit einer großen Anzahl von Kollegen“ genossen. Dazu zählte sein Bonner Studienfreund und altphilo­ logischer Kollege Henri Jordan und der ihm von Kiel her bekannte Althistoriker v. Gutschmid, sowie „mehrere unverheiratete Professoren“. 1748 So sein Göttinger Untergebener, der Lagarde­Biograph und Gobineau­Apostel Paul Schemann. Dazu merkt Paalzow, der dies zitiert (1943, S. 29 f.), an, daß wir heute sagen würden, der autokratische Wilmanns, weit ent­ fernt von liberalen und demokratischen Grundanschauungen, auf denen eine „kollegiale Bibliotheksverfassung“ basiere, leitete „seine“ Häuser in Königsberg, Göttingen und Berlin eben nach dem „Führerprinzip“. 1749 Der Hilfsbibliothekar Perlbach, ein Waitz­Schüler, dessen „bahnbrechende editorische Leistungen“ (1882: Pommerellisches Urkundenbuch, 1890: Statuten des Deutschen Ordens) Kurt Forstreuter (APB 1037) rühmt, bedeutend auch als „Organisator der altpreußischen Geschichtswissenschaft“, war in Wilmanns Augen die einzige „schnelle und energische Arbeitskraft“, doch eine Stütze war er ihm nicht, weil er sich mit Reicke & Co. selbstver­ ständlich solidarisierte (Paalzow 1943, S. 21). 1750 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV, unpag.; Wilmanns – PrMK v. 4. 8. 1874. 1751 Paalzow 1943, S. 21. 1747

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aus Ritschls Bonner Schule, beide waren aber nicht habilitiert und daher auch nicht als Dozenten tätig. Das entsprach der Absicht der Königsberger Professorenschaft, die von Wilmanns begonnene, benut­ zerfreundliche Umgestaltung der Bibliothek fortsetzen zu lassen, und es zeugte auch von ihrer Einsicht in die wesentlich erhöhten „Ansprüche der Geschäftsführung“, die gegen eine weitere Verknüpfung des Bibliotheks­mit dem Professorenamt sprach. Nur ihre personellen Wünsche ließen sich nicht er­ füllen, und Minister Falk schickte zum SS. 1876 den bereits auf ihrer Liste als Ersatzmann genannten Johannes Roediger aus Breslau, einen promovierten, aber ebenfalls nicht habilitierten Orientalisten, der früh ganz im Bibliotheksdienst aufgegangen war.1752 In der Tat hatte Wilmanns in nur einem Jahr „erstaunlich viel geleistet“ (Paalzow), so daß unter seinem Nachfolger Roediger Mitte der 1880er Jahre die zentrale Aufgabe einer Neukatalogisierung des Bestandes endlich in Angriff genommen werden konnte. Allerdings nur mit Hilfskräften und im Zeitlupentempo. War doch zuletzt zu Hopfs Zeiten das wissenschaftliche Personal um den dritten Kustos vermehrt worden. Was bereits 1875 Wilmanns bei weitem nicht mehr für ausreichend hielt, ohne daß es ihm, Roediger oder dessen Nachfolgern Prinz und Gerhard bis 1892 gelang, in Berlin eine zusätzliche, dringend benötigte Planstelle genehmigt zu bekommen. Die Arbeit verteilte sich bis 1892 daher auf den Direktor und vier Bibliothekare. Zu ihnen zählte der erwähnte, seit 1857 dort angestellte, 1870 zum I. Kustos beförderte Rudolf Reicke, der nach 40 Dienstjahren 1897 um die Pensionierung einkam, und der nie, obwohl mehrfach die vakante Direktorenstelle vertretend, als Leiter der Bibliothek in Betracht gezogen worden war, weil er, dies Urteil stand seit Wilmanns Einschätzungen seiner Person unveränderlich fest, „geschäftlich“ zu um­ ständlich, zu langsam war, vor allem aber als knotig­misanthropisch, schroff und feindlich gegenüber allen Benutzern „seiner“ Bücher galt.1753 Zusammen mit dem „Dichter und Richter“ Ernst Wichert begründete Reicke 1864 die Altpreußischen Monatshefte, blieb deren Herausgeber bis 1905 und machte sich damit hochverdient um die ostpreußische Landeskunde.1754 Zudem genoß er als Kant­Forscher, als Editor der Nachlaß­Papiere und – im Rahmen der Akademie­Ausgabe – der Briefe des Philo­ sophen großes Ansehen über Königsberg hinaus.1755 Auch der II. Kustos, Otto Rautenberg, gebürtiger 1752 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV, unpag.; Generalkonzil u. Prorektor – Kurator v. 30. 6. 1875, Vor­ schläge Nf. Wilmanns. 1753 Paalzow 1943, S. 21; dort erwähnt, wohl als Kontrast zu den Urteilen Wilmanns’, das schöne (geschönte) Portrait Reickes, das seine Enkelin, die frauenbewegte Schriftstellerin Ilse Reicke von ihm in ihrer Familiensaga ‚Treue und Freundschaft‘ (1936) zeichnet. Ausführlich, aber die herben, aus entbehrungsreicher Aufsteigerexi­ stenz des Memeler Lotsensohnes, dessen Vater und Bruder „auf See“ blieben, erklärlichen Charakterzüge ebenso verschweigend, der Nekrolog von G. Krause 1905. Vgl. auch die von Althoff erbetenen Voten, die Roediger und Wilmanns 1887 abgaben, als Reicke sich um die Nachfolge Roedigers beworben hatte. Roediger riet ab, weil er Reicke organisatorische Fähigkeiten absprach. Wilmanns bestätigte dies mit Hinweis auf die ihm fehlende „Ini­ tiative“, die zwar auch daher rühre, daß unter Hopf Selbständigkeit nicht gefragt war, die aber wesentlich damit zu erklären sei, daß Reicke nie „aus seinem heimathlichen Boden herausgekommen“ sei, er keinerlei Anregungen erhalten habe, weshalb ihm „die einmal in Königsberg hergebrachte Weise als vorzüglich galt“. Zudem sei er wenig mit den Professoren in Berührung gekommen und habe daher „Schwierigkeiten, ihnen gegenüber den richtigen Ton zu finden“. Kein Wunder, daß von denen dann niemand daran dachte, ihn nach Wilmanns’ Weggang 1875 an die Spitze der Bibliothek zu stellen (w. o. Anm. 1738, Roediger – Althoff v. 11. 10. 1887 und Wilmanns – Althoff v. 22. 10. 1887). 1754 Wie Wichert 1902, S. 130 f., betont, lagen die Redaktionsgeschäfte „bald gänzlich in den Händen von Reicke“. 1755 Vgl. Krause 1905, S. 12 f.: „Man kann sagen, daß erst durch Reicke das archivalische Studium des Lebens und der Persönlichkeit Kants begründet worden ist.“ Dabei habe er, von Kant ausgehend, „allmählich alle bedeutenden Menschen, die Ostpreußen und insbesondere Königsberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufwies, mit seinem geistigen Auge erschaut. Man kann sagen, daß er in dem Königsberg jener Epoche lebte. Er erschien dem Zuhörer wie ein Zeitgenosse und Freund jener Männer, die damals unsere Heimatstadt zu einem Brennpunkt deutscher Bildung machten […]“. Daß diese nicht zufällig die Aufklärungsepoche ansteuernde Gelehrsamkeit

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Ostpreuße wie Reicke, seit 1869 im Königsberger Bibliotheksdienst, leistete mit seinem Ost­ und Westpreußen erschließenden ‚Wegweiser durch die Zeitschriftenliteratur‘ einen wertvollen landes­ kundlichen Beitrag. Der Geschichte seiner Heimat verschrieb sich auch der IV. Kustos, der in Wehlau geborene Schüler Maurenbrechers, Hans Mendthal, der von 1891 bis 1905 für das Preußische Urkun­ denbuch die Urkunden des Bistums Samland herausgab und darüberhinaus als Erforscher der „altpreu­ ßischen Geschichte“ bekannt war.1756 Mendthal hatte sich 1885 aus Breslau wieder nach Königsberg zurückversetzen lassen, um dem Staatsarchiv und seinen Urkunden nahe zu sein.1757 Albert Kloepper, den dritten Kustos, hatte noch Wilmanns auf ein theologisches Extraordina­ riat weggelobt und durch Max Perlbach ersetzt, der aber 1876 nach Greifswald ging.1758 Auf seine Stelle rückte Theodor Moritz Redslob, der 1876 „mit lebhafter Freude“ für seine Versetzung nach Kiel dankte.1759 Ihn löste der in Memel aufgewachsene Altphilologe Paul Habrucker ab – nur einige Wochen später, nach Perlbachs Weggang, zum 3. Kustos befördert. Aus Greifswald traf für ihn Karl Molitor ein, der bis 1885 blieb, dann nach Göttingen versetzt wurde und 1891 die Leitung der Pauli­ nischen Bibliothek in Münster übernahm. Molitors Stelle erhielt Mendthal, die des von Roediger nach Marburg „mitgenommenen“ Habrucker,1760 1888 Theodor Wichert, der als Königsberger Privatdozent

eskapistisch auch als Reaktion auf das enttäuschte Engagement von 1848 gedeutet werden könnte, liegt auf der Hand. Obwohl für Reicke, anders als für den aktiveren Kommilitonen und Kantianer Emil Arnoldt, nicht fest­ zustellen sei, so sein Biograph Krause über diesen sich gern in das vom „ewigen Frieden“ träumende Zeitalter der „Humanität“ absetzenden „Kosmopoliten“, wie weit er sich an dem „politischen Leben und Treiben“ 1848 betei­ ligt habe. Immerhin blieb er nach der Spaltung der Studentenverbindung Lituania wie Arnoldt bei der liberalen, landsmannschaftlichen Fraktion. Reickes gesellschaftlicher Verkehr beschränkte sich aufs ‚Literarische Kränzchen‘, mit Ernst Wichert, dem Universitätsrichter Singelmann und dem Pädiater Heinrich Bohn, Reickes Schwager, ebenfalls von liberalem Zuschnitt (vgl. Wichert 1902, S. 146). – Reicke gab 1882–1884 in der AprM erstmals ‚Ein ungedrucktes Werk aus Kants Nachlaß‘ heraus, es folgte das Konvolut der ‚Losen Blätter‘ (1887–1898) und als Abschluß einer vierzig Jahre währenden Sammelarbeit: Kants Briefwechsel, Bd. I–II, 1900, Bd. III, 1902, im Rahmen der Akademieausgabe; den von Reicke schon vorbereiteten IV. Bd. (Anmerkungen, Register, Ergän­ zungen) konnten Paul Menzer und Rose Burger erst 1922 zum Druck geben. Vgl. die Rez. Schöndörffer 1922 und Malter/Kopper 1972, S. XXV sowie zur Königsberger „Lokaltradition I: Reicke/Arnoldt“ in Sachen Kant: Stark 1993, S. 71–81. – Die vier Halblederbände (die ersten drei mit Marginalien von Reickes Hand) aus dem Besitz seines ältesten Sohnes, des Berliner Bürgermeisters Georg Reicke, ein mit Widmung versehenes Geschenk für seine Schwester Anna, konnte Vf. beim „fliegenden Altbuchhandel“ in Berlin noch 2008 für ein paar Euro erstehen. 1756 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V, unpag.; Schwenke – PrMK v. 29. 7. 1898, Beurteilung Mendthals in Vorbereitung seiner Ernennung zum Oberbibliothekar sowie nochmals ebd., Boysen – PrMK v. 20. 1. 1900. Beide Direktoren hoben hervor, daß Mendthal eine „gewisse Passivität“, ein Fehlen „selbsttätiger Initiative“, eine „Scheu vor eigener Verantwortung“ eigen sei, die ihn für Leitungsaufgaben nicht empfehle. 1757 Ebd., Bd. IV, unpag.; Mendthal – PrMK v. 21. 11. 1884. M. war 1880 als Volontär in den Dienst der UBK eingetreten, 1882 nach Breslau versetzt worden. 1758 Ebd., Falk – Kurator v. 22. 3. 1875: Kloepper sollte den Bibliotheksdienst quittieren, das theologische Lehramt läge ihm mehr. Dazu notiert Referent Goeppert, daß die Theol. Fak. seine Berufung auf ein vakantes Extraordi­ nariat bereits einstimmig beschlossen habe, die Sache sei nur leider aus unbekannten Gründen stecken geblieben. Man müsse sie also „von hier aus“ wieder in Fluß bringen. Das geschah innerhalb weniger Wochen; im Juni 1875 konnte Wilmanns dann Perlbach als 3. Kustos vorschlagen. 1759 Ebd., Kurator – PrMK v. 9. 6. 1875 wg Nf. Kloepper (Perlbach) und Nf. Perlbach (Redslob) sowie Redslob – PrMK v. 23. 3. 1876. Redslob war der Sohn eines bekannten Hamburger Hebraisten und Orientalisten und war in Kiel mit der Edition eines arabischen Textes promoviert worden. 1760 Roediger wurde zum 1. 10. 1887 auf eigenen Wunsch nach Marburg versetzt. Habrucker hatte sich 1886 um eine Versetzung bemüht, weil er in Königsberg, nach zehn Jahren als 3. Kustos, keine Möglichkeit sehe, die „ortsfesten“ Kustoden Reicke und Rautenberg zu beerben (an PrMK v. 14. 10. 1886). Kurz nach Roedigers Abgang hatte er das Gesuch wiederholt, diesmal die angeschlagene Gesundheit seiner Frau ins Feld führend, die dringend

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der mittleren und neueren Geschichte zwölf Jahre vergebens auf ein besoldetes Extraordinariat gehofft hatte, um sich 1887 resigniert in den Bibliotheksdienst zu verabschieden.1761 Unterhalb dieser Hierarchie gab es einen Hilfsbibliothekar, der für die 1829 eingerichtete Lehr­ buchsammlung, die sog. „Handbibliothek“ zuständig war. Diesen Dienst versah seit 1883 Reickes Sohn Johannes, den Althoff 1895 nach Göttingen schickte und durch den Berliner Bibliotheksassi­ stenten Paul Hirsch ersetzte, der bis zu seiner Abberufung nach Münster (Juni 1899) erfolglos bestrebt war, seine voluminöse Bibliographie der Publikationen zum deutsch­französischen Krieg von 1870/71 abzuschließen.1762 Für ihn kam 1899, von der Kieler Universitätsbibliothek, Hans Ohlrich, ein Ost­ preuße, 1864 im Kreis Wehlau geboren, mit einer klassisch­archäologischen Studie 1888 in Jena pro­ moviert, und seit Volontärszeiten (1890 bis 1894) mit der Königsberger Bibliothek vertraut. Von Roediger übernahm der aus Münster in den ihm unbehaglichen Nordosten wechselnde ka­ tholische Rheinländer Rudolf Prinz, auch ein Altphilologe aus der Bonner Schule, 1887 die Stafette, um sie nach nur kurzer Amtszeit – seit Herbst 1889 war er wegen „Überspannung des Nervensystems“ in der Landesirrenstalt Merzig untergebracht, im Oktober 1890 verstarb er1763 – an Karl Gerhard, seinem Nachfolger an der Paulinischen Bibliothek in Münster, weiterzureichen. Der „Bibliotheksrat“, zusammengesetzt aus Professoren aller Fakultäten, der seit 1852 immer wieder ein ihm nach den Uni­ versitätsstatuten nicht zustehendes Mitspracherecht bei der Besetzung des Direktorenpostens für sich reklamierte, wollte 1890 zur überholten Regelung zurückkehren, die Bibliotheksleitung einem Ord­ niarius zu übertragen, weil nur einer der ihren mit diesem „Werkzeug unserer Studien“ angemessen umgehen könne. Der Rat schlug daher Alfred Schoene und Adalbert Bezzenberger vor, ohne daß indes Althoff in der Wahl Karl Gerhards schwankend geworden wäre.1764 Nach Einschätzung der im Generalkonzil versammelten Professoren war ihre Bibliothek, die doch „vielleicht“ eine „wichtigere Kulturmission“ erfülle als die von Althoff verwöhnte Straßburger mit ihren 665.000 Bänden und 60.000 Mark­Buchetat, 1890 aufs Abstellgleis geschoben worden. Göt­ tingen, Bonn, Breslau und Halle, von Berlin nicht zu reden, schöpften dank Althoffs Politik aus dem Vollen und erfreuten sich zudem der Nachbarschaft nicht­universitärer Bibliotheken. Während das geizig dotierte Königsberg, „zwei volle Nachtfahrten“ von den nächstgelegenen großen Berliner Bi­ bliotheken entfernt, ohne solchen „Beistand“ auskommen müsse. Denn die 10.000 Bände der Phy­ sikalisch­Ökonomischen Gesellschaft würden bei weitem keine so kräftige Stütze abgeben wie die einen Wechsel in die „westlichen Provinzen“ erforderlich mache (an PrMK v. 2. 1. 1888, bereits am 8. 1. 1888 bot ihm Althoff die Marburger Stelle an, die er zum 1. 5. 1888 übernahm). 1761 Über Th. Wichert s. o. S. 95. – Wichert erhielt zunächst 1887 die Stelle des vorletzten, 7. Kustoden in Göt­ tingen. Am 8. 3. 1888 hatte Habrucker seinen Königsberger Schreibtisch geräumt, und am selben Tag bewarb sich Wichert bei Minister v. Goßler um dessen Nachfolge mit der Begründung, daß er sich nach Ostpreußen sehne, daß ihn die „alte Liebe zur Heimat“ zurückziehe, in jene Provinz, „an der die preußische Königskrone haftet“ und wo seine Familie seit Ende des 13. Jahrhunderts nachweisbar sei. Einem Seitenzweig sei vom Großen Kurfürsten sogar der Adel verliehen worden: „Und darum muß und werde ich selbst auch ein tieferes, eben ein patriotisches Interesse der gesetztenfalls dort meinen Händen anvertraut werdenden Bücherschätze der Königlichen Bibliothek entgegentragen“ (ebd.). Die Bewerbung hatte Erfolg, unerhört blieb jedoch sein Vorschlag, wieder als Dozent in die Philosophische Fakultät einzutreten. 1762 Anstelle der „großen“, nicht abgeschlossenen Bibliographie erschienen von Hirsch 1905/06 aber zwei Biblio­ graphien zur franz. bzw. dt. Truppengeschichte. 1763 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V, unpag.; Kurator – PrMK v. 15. 10. 1889 betr. Beurlaubung von Prinz (s. Catalogus), dabei ein ärztliches Attest seines Hausarztes Julius Caspary und Attest aus der Provinzial­Irrenansalt Merzig, ebd. Kurator – PrMK v. 6. 4. 1890, weitere Beurlaubung betr.; Prinz, ein Paralytiker wie Marek und Part­ heil, starb dann in Grafenstein bei Düsseldorf. 1764 Ebd.; Kurator – PrMK v. 8. 12. 1890 mit Votum des Bibliotheksrats v. 30. 11. 1890, worin ohne nähere Be­ gründung über die „üblen Folgen“ der Ämtertrennung seit Roediger geklagt wurde. Am 17. 12. 1890 bot Althoff Gerhard die Stelle an, der am 18. 12. „sehr gerne“ annahm.

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Bücherreservoire der Göttinger Akademie, der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft in Halle oder der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in Breslau. Dieser „zweifellos vorhan­ denen Zurücksetzung“, die eine lange, im 18. Jahrhundert wurzelnde Tradition habe, verdanke die Universitätsbibliothek ihre „Lückenhaftigkeit“, die „auf allen Gebieten geradezu erschreckend“ sei.1765 Karl Gerhard, der Anfang 1891 die Leitung übernahm, verließ im Frühjahr 1893 Königsberg mit dem Gefühl, wenig getan zu haben, um diese „miserablen Zustände zu bessern“. An seiner Stelle wünschte er einen energischen Neuerer, und eigentlich keinen Mann, dem „zu geringe Schneidigkeit“ nachgesagt wurde, wie dem Göttinger Bibliothekar Paul Schwenke.1766 Aber es stand niemand sonst zur Verfügung, der die nötige Erfahrung auch in der stellvertretenden Leitung einer Universitätsbibliothek mitbrachte, und so vertraute Althoff darauf, daß Schwenke durch Kompetenz wettmachen würde, was ihm an „Energie“ abging. Eine Hoffnung, die der gelernte Altphilologe nicht enttäuschte. Er blieb länger als seine Vorgänger, sechs Jahre, und bewährte sich derart, daß er 1899 zum Abteilungsdirektor der Königlichen Bibliothek und damit zum zweiten Mann der späteren Berliner Staatsbibliothek auf­ rückte. Auch er machte sich um die Landeskunde verdient. Mit dem Kunsthistoriker Konrad Lange gab er 1894 ein Verzeichnis der Silberbibliothek Herzogs Albrecht heraus.1767 Sichtbarer trug sich Schwenke jedoch in die Königsberger Bildungstopographie ein durch seine dann doch eine gehörige Portion Energie an den Tag legenden Anstrengungen um die Neukatalogisierung des Bücherbestandes und um die Verbesserung der Personallage. Ein Zufall kam ihm dabei zur Hilfe: sein Dienstantritt fiel mit dem Freiwerden der Zinsen des „Herbartschen Legats“1768 zusammen, das ihm 2.000 M. jährlich an zusätzlichen Mitteln zum Bücherkauf spendierte. Zwei Extrafonds warfen 1897 und 1898 insgesamt 20.000 M aus. Verbunden war damit ein erhöhter Katalogisierungsaufwand, während gleichzeitig die Benutzerzahlen anzogen, der 1893 eingerichtete Leihverkehr mit Berlin zunahm und ab 1898 zudem der Leihverkehr mit den ostpreußischen Gymnasien eine Mehrbelastung brachte. Am alphabetischen Zettelkatalog, 1886 begonnen, fehlte 1894 noch 2/5 des Erfassbaren. Ein systematischer Sachkatalog schien eher einem Torso zu gleichen. 100.000 Zettel stünden aus, rechnete Schwenke vor, also zwölf Jahrespensen eines Mitarbeiters, wenn dieser sich denn bis 1906 ungestört solch monotoner Aufgabe widmen könnte. Ganz im argen lag die systematische Ordnung. Für zwei Drittel des Bestandes könne man dem Benutzer nicht verraten, welche Werke für ein bestimmtes Sachgebiet vorhanden seien. Ein „beschämender Zustand“ für das „Werkzeug“ einer Hochschule, wie Schwenke zu Recht beklagte. Überdies erheischten die älteren Zettel eine Revision, denn nur per Autopsie sei festzustellen, was von der Akzession vergangener Tage wirklich noch vorhanden war. Dafür veranschlagte Schwenke acht Jahre, die einer seiner Untergebenen damit zubringen müsse. Ratlosigkeit ergriff ihn angesichts der Umsignierung und Umstellung der Bücher, die solche Revision nach sich ziehen müsse. Auch hier rechnete er damit, daß ein Mitarbeiter acht Jahre beschäftigt sein werde, vorausgesetzt er schaffe es all­ 1765 Ebd., Nr. 1, Bd. X, unpag.: Generalkonzil – PrMK v. 21. 7. 1890. Beigefügt ist eine umfangreiche Desiderata­ Liste. 1766 Ebd.; Gerhard – PrMK v. 25. 3. 1893. Zu Schwenke s. Catalogus; eine der ergiebigsten Quellen zu Schwenkes Amtszeit hat Manfred Komorowski 2005 mit dessen Briefen an seinen väterlichen Freund, dem Göttinger UB­ Direktor Karl Dziatzko (1842–1903) erschlossen. 1767 Schwenke/Lange 1894. 1768 Der Philosoph und Pädagoge Johann Friedrich Herbart (1776–1841), der von 1809 bis 1833 Kants Lehrstuhl inne hatte, war seit 1811 mit der Kaufmannstochter Mary Jane Drake (1791 Memel–2. 12. 1876 Königsberg) verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos, so daß die Witwe 1865 testamentarisch den wiss. Nachlaß Herbarts der UBK vermachte und ihr darüberhinaus ein bedeutendes Vermögen vererbte, von dem bis zu seinem Tod der schwer be­ hinderte Pflegesohn des Paares versorgt werden sollte, ein „Idiot“, den Herbart zu einem „denkenden Menschen“ habe erziehen wollen, was „nur bis zu einem gewissen Grade gelungen“ sei (v. Horn – Falk v. 3. 3. 1877 in: GStA Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 9). Der Büchernachlaß Herbarts aus dem Besitz der Witwe scheint mit seinen 239 Bän­ den und 47 kl. Schriften nicht bedeutend gewesen zu sein, wie der enttäuschte Roediger nach einer Musterung an Kurator v. Horn berichtete (ebd., unpag., Schreiben v. 28. 6. 1877).

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jährlich, 30.000 Bänden einen neuen Platz anzuweisen. Womit endlich dem „unerträglichen“ Zustand ein Ende bereitet werde, der derzeit die Bibliothek damit blamiere, daß römische und griechische Klas­ siker bunt durcheinander stünden oder Neuerwerbungen zu Geschichte, Geographie, Landeskunde einfach in der Reihenfolge ihrer Anschaffung nacheinander in den Regalen landeten.1769 An solche so herkulischen wie unumgänglichen Aufgaben durfte Schwenke aber nicht einmal den­ ken, solange das Personal nicht reichte, um die laufenden Geschäfte zu erledigen. Ihm gewährte das Ministerium 1896 immerhin die lang ersehnte, wenn auch nicht ausreichende fünfte Bibliothekars­ stelle, die man dem Mittvierziger Georg Herrmann übertrug, den der Direktor schon nach acht Wo­ chen als „etwas langsam“ arbeitend beurteilte, und der in seinen Augen wohl auch fernerhin nicht der zupackende Typ war, von dem er sich eine Förderung der Katalogisierung erwartete.1770 Alters­ bzw. krankheitsbedingt schieden in Schwenkes Amtszeit Wichert (1894), Reicke (1897, ersetzt durch den historisch­geographisch ausgebildeten Walter Meyer) und Rautenberg (1898, ersetzt durch den Marburger Altgermanisten Karl Kochendörffer) aus. Unter ihren Nachfolgern fand der Di­ rektor den größten Gefallen an Ernst Kuhnert, 1895 Wichert ersetzend, ein Westpreuße, promovierter Altphilologe, der 1887 in den Dienst der UBK getreten war und aus Marburg dorthin zurückkehrte.1771 Kuhnert, den man wie Schwenke später in der Chefetage der Berliner Staatsbibliothek wiederfindet, ein eher subalterner Charakter und zeitlebens ein demütiger Verehrer Althoffs, nahm sich gegen Ende seiner Dienstzeit vor, die Geschichte seiner alten Wirkungsstätte zu schreiben, kam aber über den er­ sten, bis 1810 reichenden Band (1926) leider nie hinaus.1772 Als wesentliche Verstärkung galt auch die 1899 endlich etatisierte Kanzlistenstelle, die Schwenke mit dem langjährigen Katalogmitarbeiter stud. rer. nat. Wilhelm Rindfleisch besetzte.1773 In Schwenkes Amtszeit füllen sich die Akten mit Memoranden zur Notlage seiner Bibliothek.1774 Selbst nicht in Erscheinung tretend, scheint er aber der Urheber öffentlicher Klagen über die trau­ rige Lage des überfüllten Hauses in der Königstraße gewesen zu sein. 1895 war sie Gegenstand einer Debatte im Abgeordnetenhaus. Ein Grundstück für den Neubau hatte der Fiskus zu dieser Zeit schon erworben, doch der ließ auf sich warten. Im Parlament hieß es dazu diplomatisch: „Wenn man nicht Ebd.; Schwenke – PrMK v. 18. 8. 1894. Über die Schwierigkeiten, mit denen Schwenke zu kämpfen hatte vgl. auch den Zeitzeugenbericht Ernst Kuhnerts bei W. Schultze u. a. 1922, S. 62 f. Fast 40 Jahre nach Übernahme, war die Gottholdsche Musikbücherei (30.000 Bände) immer noch nicht vollständig erfasst (1895 fehlten noch 1.000 Bände). Von den Pflichtexemplaren war „seit langen Jahren“ nur wenig ins Magazin gekommen, jahr­ gangsweise harrte das meiste zusammengeschnürt einer Bearbeitung. Schwenke mußte überdies bis ins Detail die Arbeiten am großen Zettelkatalog überwachen und selbst bei den Buchbinderarbeiten, um erstmals eine gewisse Einheitlichkeit zu gewährleisten, persönlich Hand anlegen. 1770 Ebd.; Schwenke – PrMK v. 8. 6. 1896, nachdem Herrmann seinen Dienst am 1. 4. 1896 begonnen hatte! 1771 Ebd.; Kurator – PrMK v. 17. 4. 1895, das „uneingeschränkte Lob“ kolportierend, mit dem Roediger wie Schwenke Kuhnert bedacht hätten. 1772 Kuhnert 1926; wie weit der pensionierte Bibliothekar, dem ein langes Leben beschieden war, er starb 90jährig 1952, seine Forschungen überhaupt für das 19./20. Jh. vorangetrieben und im Manuskript fixiert hat, ist ungewiß, vgl. Komorowski 1980, S. 143, Anm. 66, 67. 1773 Ebd., Schwenke – PrMK v. 19. 7. 1898, Antrag, der Bibliothek einen Expedienten zu bewilligen, über den alle preußischen Universitätsbibliotheken verfügten, nur Königsberg und Breslau nicht. Göttingen verfüge sogar über 3 solcher die Geschäftspost abwickelnden Unterbeamten. Der Westpreuße Rindfleisch, Schüler von Hertwig, Chun und R. Caspary, hatte 1886 aus „pekuniären“ Gründen sein Studium abbrechen müssen, war für die Neu­ katalogisierung angestellt worden, kam 1891–1893 als Assistent Brauns im Zoologischen Museum unter und trat 1895 als ao. Hilfsarbeiter wieder in den Bibliotheksdienst ein. 1774 Zusammen mit Roedigers Jahresberichten, denen stets ein etwa 250 Titel umfassendes „Verzeichnis der wich­ tigsten Neuanschaffungen“ angehängt war, geben Schwenkes Berichte, Memoranden und Desiderata­Listen, die Boysen und Schulze fortspannen, sowie die seit 1890 in der AUK Chronik publizierten Übersichten über die Neukäufe gutes Material für eine Bestandsrekonstruktion ab. 1769

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das Gegentheil wüßte, müßte man annehmen, daß es der Verwaltung darum zu thun ist, die Geistes­ wissenschaften in den östlichen Provinzen systematisch zu vernachlässigen.“ Althoffs Kollege Naumann replizierte ungerührt: Seit 1883 sei in Königsberg doch viel geschehen, für die Naturwissenschaftler seien drei Institute neu gebaut, die Mediziner mit einer neuen Pathologie und mit Klinikerweiterungen bedacht worden: „Ich glaube, Königsberg kann sich nicht beschweren.“1775 Was nicht nur Ostpreußens Lobbyisten im Parlament anders sahen. Der Königsberger Presse schien unzweifelhaft, daß den Ber­ liner „Zentralstellen“ die Einsicht dafür fehle, „was hier bitter not thut“. Deshalb stehe die Provinz bei der „Pflege ihrer geistigen Kultur“ hinter anderen preußischen und nicht­preußischen Territorien zurück. Man müsse sich nur einmal die Bibliotheksdichte in Thüringen anschauen und sie mit der des größten Regierungsbezirks Gumbinnen vergleichen, wo nicht eine einzige öffentliche Bibliothek zu finden sei! Oder eben auf die „miserablen“ Verhältnisse an der Universitätsbibliothek hinweisen. Der Zustand des Gebäudes mit seinen unheizbaren, feuchten Büchersälen könnte „nicht schlimmer“ sein. Es herrsche drangvolle Enge, überall stolpere man über Bücherberge und Leitern. Von Königsberger Bibliothekaren müßte eigentlich vor ihrer Anstellung verlangt werden, einen „gründlichen Kursus im Klettern und Voltigieren durchzumachen“. Und dies, obwohl jährlich der Buchbestand infolge eines unglaublich niedrigen Etats von 5.500 M. nur in bescheidenster Weise wachse und ein Drittel der Bestellzettel mit dem Vermerk „Nicht vorhanden“ zurückkäme.1776 Diese „Öffentlichkeitsarbeit“ orchestrierten Schwenkes Tatarenmeldungen, die 1895/96 im Mi­ nisterium einliefen. 1895 initiierte er eine Bestandsaufnahme in den Seminarbibliotheken, um dar­ zulegen, daß von dieser Seite für ihn keine Entlastung zu erwarten sei. So fehlten den Juristen die wichtigsten Zeitschriften, elementare Lehr­ und Handbücher. In der Systematischen Abteilung des Theologischen Seminars sei nicht eine Zeitschrift aufzutreiben, in der Abteilung Kirchengeschichte mußte der Bezug der Ausgabe der lateinischen Kirchenväter schon nach dem ersten Band abgebrochen werden. Bei den Historikern könnten Seminarübungen zum Grenzgebiet Verfassungs­ und Kirchenge­ schichte im Mittelalter nicht stattfinden, weil dazu keine Quellen­ und Regestenwerke bereit stünden. Alle Quellenwerke zur Reformationsgeschichte, zur preußisch­deutschen Geschichte des 18./19. Jahr­ hunderts fehlten, ebenso Monographien zur Verfassungs­ und Wirtschaftsgeschichte, zu schweigen von Darstellungen außerdeutscher Geschichte (Frankreich, England, Rußland). Bei den Altphilologen sehe der „Kern“ griechischer und lateinischer Texte „höchst unzulänglich“ aus, von einer Inschriften­ sammlung könne man eigentlich nicht reden, auch der CIL sei nur mit dem ersten Band vertreten. „Geschichtliche Darstellungen“ antiker Geschichte gebe es nicht, Droysens Alexander nicht, nicht einmal Arbeiten von Königsberger Althistorikern wie Drumann und Busolt, oder die Cicero­ und Caesar­Lexika Hugo Merguets. Und selbst von Lobeck seien dort, wo er den Ruhm der Königsberger Philologie begründete, nicht alle Schriften zu erhalten. Im Deutschen und im Englisch­Romanischen Seminar, ohnehin jüngeren Datums, könne man angesichts kärglicher Dotierung erst recht keine aus­ reichenden Bestände erwarten, wenn auch die Germanistenbibliothek vielleicht „dringendste Bedürf­ nisse“ befriedige. 22.000 Mark müßte das Ministerium spendieren, um die großen Löcher der sechs Königsberger Seminarbibliotheken zu stopfen.1777 Ruhigen Gewissens, genug für die Albertina getan zu haben, ließ man im Ministerium derart uto­ pische Forderungen unbeachtet. Nicht einmal für 4.000 M. wollte Althoff sich im Finanzministerium verwenden, um Rossbach und Rühl zu ermöglichen, die für diesen Preis äußerst günstige Bibliothek ihres verstorbenen Kollegen Hirschfeld zu erwerben, 1.000 Bände, reich an teuren illustrierten Werken

GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. X, unpag; Auszug Protokoll 34. Sitzung PrAH v. 4. 3. 1895, Redebei­ träge Abgeord. Dr. Krantz u. Naumann (PrMK). 1776 Ebd.; Bibliotheken in Ostpreußen aus: KHZ v. 5. 1. 1896. 1777 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. X, unpag.; Kurator – PrMK v. 17. 8. 1895. 1775

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und ausländischen archäologischen Zeitschriften.1778 Rossbach rang seit 1895 um eine adäquate Unter­ bringung seiner von Hirschfeld vermehrten archäologischen Sammlung, durfte 1903 damit in das verlassene alte Gebäude der Universitätsbibliothek ziehen, kämpfte aber bis 1914 vergeblich darum, den unzureichenden Etat von 1.500 auf 2.000 M. zu erhöhen, um die wichtigsten Standardwerke anzuschaffen und mehr als eine (!) Zeitschrift halten zu können. Ebenso abschlägig beschieden wur­ den Anträge auf außerordentliche Zuschüsse zum Erwerb von Abgüssen antiker Schätze des Louvre. Rossbachs Verweis auf jährlich steigende Besucherzahlen in seiner öffentlich zugänglich gemachten Sammlung kümmerten den Finanzminister aber so wenig wie das Pochen auf die Bedürfnisse des är­ chaologischen Unterrichts, für den immer mehr Studenten und Königsberger Kunstliebhaber Interesse bekundeten.1779 Zu gleicher Zeit dürfte auch Ernst Kühl vergeblich angeklopft haben, um mit 1.500 M. das Fundament einer neutestamentlichen Handbibliothek zu legen.1780 Und sehr fraglich ist, ob Bezzenberger und Franke wenigstens etwas von den beantragten 5.000 M. erhielten, die sie benötigten, um einen Grundstock an Pali­Literatur anzulegen, die Richard Garbe nicht interessiert und die er nicht gekauft hatte, obwohl ohne sie die Kenntnis des Buddhismus „unmöglich“ sei.1781 Nach soviel Hartherzigkeit gegenüber den Wünschen der Seminarleiter schien Althoff 1896 ge­ neigt, Schwenke ein wenig entgegenzukommen. Der kramte eine megalomane Forderung Roedigers aus dem Jahre 1884 wieder aus, die sich auf 100.000 M. als einmaligen Zuschuß und eine jährliche Aufstockung von 10.000 M. belief, um sein eigenes Begehren auf ein um 7.500 M. erhöhtes Jahres­ fixum als umso bescheidener erscheinen zu lassen. Zu den für Königsberg peinlichsten Lücken, die er mit diesem Geld schließen wollte, zählte Schwenke dabei die „slawischen Litteraturen, welche der hiesigen Bibliothek eigentlich nie hätten fern liegen sollen, für die aber so gut wie gar nichts geschehen ist“. Auch nicht für die leider sehr kostspielige Assyriologie, der sich immerhin zwei Königsberger Privatdozenten (Rost, Peiser) widmeten. Zudem fräßen „immer neue periodische Organe“, die als Folge wissenschaftlicher Spezialisierung auf den Plan träten, einen immer größeren Batzen des An­ schaffungsetats auf. Diesem Lamento zeigte Althoff sich zugänglich: Schwenke bekam nicht 7.500 aber 2.000 M. für den ordentlichen Etat und einmalig 20.000 M.1782 Offenbar ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn als er im April 1899 schon sein Billet für Berlin gelöst hatte, konfrontierte Schwenke den Ministerialdirektor erneut mit desaströsen Verhältnissen. Mi­ 1778 Ebd.; Kurator –PrMK v. 16. 7. 1895 betr. Schwenkes Bereitschaft, die Bibliothek von Hirschfelds Witwe zu erwerben. Rühl und Rossbach wollten mit den, wie sie hofften, zahlreichen Büchern, die Schwenke als Dubletten aussortieren würde, ihre Seminarbibliotheken auffüllen (an Kurator v. 29. 6. 1895). Rühl verriet, daß, neben einer Unzahl historisch­geographischer Standardwerke von Curtius, Partsch, Freeman usw., in seiner Althistorischen Abt. des Hist. Seminars weder Friedländers populäre ‚Sittengeschichte Roms‘ noch Carl Hopfs Griechenland­ Monographie zu finden war, immerhin die Hauptwerke Königsberger Kollegen. Rossbach vermißte schmerzlich die Mitteilungen der Dt. Archäologischen Institute in Rom und Athen, Benndorfs unerschwingliche ‚Reisen im südlichen Kleinasien‘ (2 Bde. für 240 M., die der wohlhabende Hirschfeld aber dafür übrig hatte), das American Journal of Archaeology, das Journal of Hellenic Studies sowie die ersten acht Jahrgänge des Jahrbuchs der Preußischen Kunstsammlungen. Fast höhnisch muß die Absage des PrMK v. 29. 10. 1895 den Königsbergern geklungen haben: 4.000 M. für Hirschfelds Bibliothek seien nicht übrig, aber um sich nicht kleinlich zu zeigen, schenke man Ross­ bach Jg. 1–16 des Jb. der Preuß. Kunstsammlungen ! 1779 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 22, Bd. II, unpag.; darin von 1895 bis 1914 die stets erfolglosen Ein­ gaben Rossbachs, die, dies verdient festgehalten zu werden, von den Kuratoren und vom Ministerium zumeist befürwortet wurden, aber am stets am Finanzminister scheiterten. 1780 GStA, Rep. 76Vd …, Bd. X, unpag.; Kühl – Kurator v. 29. 7. 1895. 1781 Ebd.; Bezzenberger/Franke – Kurator v. 31. 7. 1896. Aus einem beigefügten, detaillierten Angebot des deut­ schen Hauptimporteurs, des Leipziger Verlegers und Buchhändlers Harrassowitz, gehen die Wünsche der beiden Antragsteller hervor. Zugleich dokumentiert diese Bücherliste, daß Garbe fast 20 Jahre ohne indologische Biblio­ thek ausgekommen war. 1782 Ebd.; Schwenke – PrMK v. 28. 7. 1896; PrMK – Kurator v. 22. 9. 1896.

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nutiös, Fach für Fach, listete er die Desiderata auf, um zu begründen, daß der ordentliche Etat seines Nachfolgers um 10.000 M. steigen müsse und fast 120.000 M. als Zuschuß erforderlich seien. So sei etwa die Abteilung Staatswissenschaften und Nationalökonomie eine der schlechtesten in der Königs­ berger Bibliothek. Im Staats­, Verwaltungs­ und Völkerrecht müsse man bei den „unentbehrlichsten Handbüchern“ passen. Die deutsche Literatur der Klassik und Romantik sei „sehr schlecht vertreten“, von den slavischen Sprachen fehle weiterhin „so gut wie alles“, obwohl seit 1896 ein Lektor für Rus­ sisch amtiere. Die Mediziner entbehrten die „neueren großen Lehrbücher“. Der Zoologe Braun könne seine Sammlungen nicht bestimmen, weil der UB­Etat den Kauf teurer systematischer Werke nicht gestatte. Die Historiker müßten seit langem auf die mit der „preußischen im engsten Zusammen­ hang stehenden“ Werke zur polnischen Geschichte verzichten. Der Bestand sei hier „außerordentlich mangelhaft“, während Bücher zur Geschichte Rußlands „so gut wie gar nicht vertreten“ seien.1783 Die Dramatik von Schwenkes letztem Krisenreport zeitigte in Berlin nochmals Wirkung, und auf seinen Nachfolger ergoß sich 1900 ein warmer Regen von 25.000 M. Zuschuß und ein jährliches Plus zum festen Etat von 5.000 M. Einen gewaltigen Sprung auf dem Weg zur „modernen“ Dienstleistungsin­ stitution konnte Schwenke bis 1899 indes nur noch anschieben: den im September 1901 bezogenen, 240.000 M. teuren, nur wenige hundert Meter vom Hauptgebäude der Albertina entfernt errichteten Neubau auf dem Mitteltragheim.1784 Unter Carl Boysen, der gern in der Bibliothek arbeitete, sich im akademischen Milieu „behaglich“ fühlte, aber der sich wie viele Professoren mit der Stadt nicht anfreundete und sich deswegen minde­ stens einmal jährlich fortsehnte,1785 unter ihm also, der im Juni 1899 Schwenke ablöste, begann in Ebd.; Schwenke – PrMK v. 14. 4. 1899. „Vor dem Umzuge wurde im Juli mit Hülfe von Mannschaften des Grenadier­Regiments Kronprinz eine Gesamtreinigung der Bücher durch Ausklopfen und Abbürsten vorgenommen. Der Umzug wurde am 5. August 1901 begonnen. Es waren sämmtliche Beamte, in eine Vormittags­ und Nachmittagsschicht getheilt […], dabei betheiligt […] Den Transport besorgten Mannschaften des Fussartillerie­Regiments von Linger, die der Herr Re­ giments­Kommandeur freundlichst zur Verfügung gestellt hatte[…]. In Folge der bevorstehenden Kaisermanöver konnten die Mannschaften nicht immer kommen, auch versagte acht Tage lang der Fahrstuhl. Nichtsdestoweniger war am 5. September der Hauptumzug in 165 Fuhren beendigt […,] am 23. September [konnte] die Bibliothek wieder dem Publikum geöffnet werden … “. AUK Chronik 1901/02, S. 62 f. – Zum Neubau: Crass 1976, 67–69. 1785 Atmosphärisches liefern Boysens Briefe an den Berliner, dann Breslauer, zuletzt 1907–1920 Bonner Bibliothe­ kar Wilhelm Erman (1850–1932), Althoffs Berater bei der preußischen Bibliotheksreform. So heißt es einige Mo­ nate nach dem Umzug am 6. 12. 1899: „Sonst geht’s mit uns in Königsberg so sachte weiter, mir gefällts ganz gut, weil mir mein Dienst gefällt und die Kollegen, meiner Frau gefällts noch wenig. Es gibt hier Menschen, welche für die Eingewöhnung in Königsberg vier Stadien annehmen: 1. grenzenloses Erstaunen, 2. sinnlose Wuth, 3. Schwan­ ken zwischen Wuthausbrüchen und Resignation, 4. dauernder Stumpfsinn. Ganz so schlimm findet es nun sogar meine Frau nicht, denn sie findet die Menschen und die Geselligkeit in Universitätskreisen nett und einfach. Wir waren bisher bei Rühl’s, bei Jeep, Prutz, Bezzenberger, College Kuhnert, Prof. Schoenflies – überall wars behaglich. Viel Besuche haben wir ja überhaupt nicht gemacht, d. h. bisher, ich habe rund 120 Visitenkarten abgegeben. Und habe über 90 Gegenbesuche bereits empfangen, jetzt tröpfelt es auch nur nach. Im Uebrigen bin ich schon zu einem Kegelabend engagiert und einem Sonntagfrühschoppen mit schönem Culmbacher Bier im ‚Mönchshof‘. Im Blutgericht bin ich freilich noch nicht gewesen. Aber eine Sitzung der Prussia und eine andere des Vereins für Geschichte Ost­ und Westpreußens habe ich mitgemacht.“ Am 29. 1. 1900: „Neulich waren wir auch bei [Staats­ archivdirektor Erich] Joachim in Gesellschaft, es war uns ein bischen fremd der Kreis, aber es ging behaglich her. Wir haben uns inzwischen mehrfach in partificalitus bei den Universitätsfeiern getroffen. Unter dem Zeichen dieser stand ja der Januar, am 8ten habe ich ein Spitzen­Frühstück mit gemacht, das der Decan der jurist. Fakultät Prof. Gradenwitz sich gedrungen fühlte zur Feier der Einführung des bürgerl. Gesetzbuches zu geben. Anwesend: Graf Bismarck, der Oberprsädialrath v. Werder, die jurist. Fakultät, die Dekane der übrigen, einige Matadore der Universität: Geh. Rat Schade, Bezzenberger, Rühl als röm. Historiker, Brinkmann als Philologe, ich unvermeidlich als Conservator der jetzt veraltenden Litteratur des röm. Rechts – item im Ganzen 20 Personen, höllisch fein, es gab so vieles, wo man sich erst absehen mußte, wie mans essen müßte. Hummer à la Américain, nordische Hühner, 1783

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diesem Haus für vier Jahrzehnte die benutzungsfreundlichste Phase in der Geschichte der Königsber­ ger Universitätsbibliothek. Die Zahl der Bücherentleihungen schnellte daher schon 1902, dem ersten ganz am Mitteltragheim zugebrachten Geschäftsjahr, um 30 Prozent nach oben, die Zahl der Lesesaal­ besucher verdreifachte sich fast.1786 Die innere Organisation hielt damit aber immer noch nicht Schritt. Für die, auch dank neuer elektrischer Beleuchtung, von 9 bis 19 Uhr (statt wie bislang von 10 bis 15 Uhr) ausgedehnten Öffnungszeiten war die Personaldecke zu dünn. Boysen schlug bei Althoff eine zweite Kanzlisten­ und eine Hilfsarbeiterstelle heraus, erhielt aber nicht den von ihm für unabdingbar erachteten sechsten Bibliothekar.1787 Und dies, obwohl der Zettelkatalog nicht abgeschlossen war und die Mitarbeit am aberwitzigen Unternehmen eines Gesamtkatalogs der preußischen Bibliotheken, das fünf Jahre nach Beginn der Erfassung trotzdem erst in den Anfängen steckte, das Arbeitspensum einer wissenschaftlichen Kraft absorbierte.1788 Von 1898 bis 1903 stockte das Ministerium den ordentlichen Anschaffungsetat (20.000 M.) jährlich um 8.000 M. auf, damit Schwenke und Boysen die peinlichsten Lücken ausfüllen konnten. Trotzdem sandte Boysen im Sommer 1904 einen Notruf an Althoff. „Sofort“ brauche er wenigstens 4.000 M., um den „weiteren Rückschritten der Bibliothek Einhalt zu tun“. Der Etat sei viel zu knapp bemessen angesichts der „starken Steigerung der literarischen Produktion“ und anziehender Buch­ preise. Die drückendsten Probleme, der „finanzielle Notstand“ seiner Bibliothek, resultierten jedoch aus dem Zeitschriftenbezug. Die rasant fortschreitende Spezialisierung vor allem in den Naturwissen­ schaften und in der Medizin lasse mit neuen Disziplinen auch neue Zeitschriften wie Pilze aus dem Boden schießen, und die älteren Periodica würden ihren jährlichen Ausstoß beängstigend erhöhen. So habe Pflügers Archiv für Physiologie 1868 mit einem Band begonnen. 1903 verfügte die Redaktion aber schon über so viel Material, daß sie acht Bände füllte. Entsprechend habe sich der Preis pro Jahrgang in 30 Jahren verzehnfacht. Was das für seinen Etat bedeutete, demonstrierte Boysen stati­ stisch: Bis Mitte der 1890er Jahre hätten die Mittel, die für die „freie Anschaffung“ von Büchern, Nova wie Antiquaria, bereit standen, den Aufwendungen für Neuabonnements und Fortsetzungen von Zeitschriften die Waage gehalten. 1903 hingegen mußte er von den verfügbaren 22.500 M. fast Pommery mit Austern etc, etc. ½ 1 Uhr fings an, um 10 Uhr war ich glücklich vom Frühfest wieder zu Hause angelangt. Sonntag, am 10. Januar Jahrhundertfeier, am 18ten Krönungstag, der hier auch dies academicus für Universität und Bibliothek ist und endlich am 27ten, wo ich in der Universität den Worten Prof. Baumgarten’s über Justus Möser und im Friesensaal des Schlosses Bezzenberger, der über prähistorische Waffen Ostpreußens sprach, gelauscht habe, dann stieg ich in den Schloßkeller ins ‚Blutgericht‘ zu einem Rebentrunk und dann zum Diner in der Palaestra Albertina. Dazwischen allerhand Geselligkeit, auch 1te Gesellschaft bei uns selber. Item vita continuata …“ Dagegen am 18. 11. 1900: „Ich fragte ihn [den nach Koblenz versetzten Erich Joachim], ob wir nicht tauschen wollten, dann könne er in der Nähe seiner [kurz vor der Heirat mit dem Königsberger Oberlehrer Eduard Loch stehenden] Tochter bleiben, und wir drehten dem Orte K. gern den Rücken, aber er schien das trotz Tochter auch ganz gern zu thun. Königsberg sieht jetzt wieder im November unglaublich düster und dreckig aus, und es liegt doch über dem Ganzen ein Hauch von Barbarei und Armseligkeit und der Menschenschlag wenigstens der vierten Klassen, Handwerker, Marktleute ja bis in die besseren Läden hinauf ist wenig angenehm und wenig reell. Aber stolz ist der Ostpreuße sehr auf sein Vaterland, und empfindlich gegen jeden Tadel über die Maßen, dessen Schatten er nicht zugeben will. In Universitätskreisen fehlt freilich der Ostpreuße fast ganz … .“ (SBB, Slg Darmstaedter 2b 1881 (35) in Nl. Erman). 1786 Wie Anm. 1780; Boysen – PrMK v. 12. 5. 1903: 1900 gab es 25.919 Entleihungen, 1902: 34.944, Lesesaal 1900: 7.636 Benutzer, 1902: 19.530! 1787 Ebd.; Boysen – PrMK v. 11. 8. 1900. Das Ministerium setzte Boysens Anliegen sogleich um und beantragte beim Finanzministerium eine Bibliothekars­ und eine Kanzlistenstelle (Anmeldung zum Etat v. 25. 8. 1900), mußte Boysen dann aber bescheiden, daß es Geld nur für einen II. Kanzlisten gegeben habe. Immerhin wurde dann die Hilfsbibliothekarsstelle von Ohlrich in eine volle Stelle umgewandelt (PrMK – Kurator v. 29. 11. u. 3. 12. 1900). 1788 Ebd.; Boysen – PrMK v. 11. 8. 1900.

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19.000 M. für Zeitschriften ausgeben. Das zwischen 1898 und 1903 gewährte Extraordinarium von 48.000 M. habe diese Entwicklung nicht aufhalten können, da dies Geld dem Buch­ und nicht dem Zeitschriftenbestand zugute kam. Obwohl er schon seit Monaten jeden Antrag auf Anschaffung von Periodica ablehne, sei nunmehr absehbar, wann sich die Bibliothek vom wissenschaftlichen Buchmarkt zurückziehen müsse. Mit allen Konsequenzen für Königsberg als Hochschulstadt. Die Frequenz der Universität werde bald leiden, da sich gerade höhere Semester dorthin orientierten, „wo ihnen reichere literarische Hilfsmittel zu Gebote stehen“. Wenn die Bibliothek, die einzige im Nordosten Preußens „von einiger Bedeutung“, die ein weites, die katholische Akademie in Braunsberg und die neue TH Danzig mit Hilfsmitteln versorgendes Ein­ zugsgebiet habe, daran mitwirken solle, „hier im Osten deutsche Wissenschaft zu wahren“, dann sollte sie „überhaupt stärker dotiert werden“. „Ausreichender literarischer Mittelpunkt des Ostens“ könne sie nur sein, wenn das Ministerium ihren Etat verdopple – bei mäßiger Personalerweiterung.1789 Boysens wissenschaftspolitische Argumentation mochte im Kultusministerium auf fruchtbaren Boden fallen,1790 nicht aber im preußischen Finanzministerium. Die geforderte Verdopplung erachtete man dort für völlig indiskutabel. Immerhin stieg der Bücheretat zum 1. April 1905 von 22.500 auf 29.000 M., die dem Direktor natürlich nicht genügten. 1906 forderte Boysen weitere 6.000 M. Bei den Rechtswissenschaften sei infolge der Einführung des BGB, bei den Staatswissenschaften durch die Sozial­ und Versicherungspolitik des Reiches, bei Medizinern und Naturwissenschaften durch beinahe wöchentlich zu vermeldende „Fortschritte“ die Bücherflut derart angestiegen, daß er sich mit dem Minimum von 6.000 M. wenigstens die wichtigsten Werke herausfischen könne.1791 Doch erst sein Nachfolger, der Romanist Alfred Schulze, der den nach Leipzig wechselnden Boysen im Herbst 1906 ablöste, erhielt den Zuschuß – allerdings nur bescheidene 1.000 M. Auch an der zweiten Front im Kampf ums Geld, der sich seit 1886 fortschleppenden Katalogisie­ rung, war Boysen weit von seinen hochgesteckten Zielen entfernt. 1902 waren ihm die beantragten 10.000 M. rundweg versagt worden, die er zum Abschluß der alphabetischen Neukatalogisierung benötigte. Im Sommer 1905 warteten daher von den 270.000 Bänden noch knapp 40.000 auf ihre Er­ fassung. Dazu kamen 3.000 Sammelbände mit 75.000 kleineren Schriften sowie die 200.000 Disser­ tationen und Schulprogramme, die ohnehin noch nicht in den alphabetischen Katalog aufgenommen würden. „Die erste wirklich ausreichende Katalogisierung der Bibliothek“ seit ihrer Gründung, müsse nach zwanzig Jahren zu Ende geführt werden, da sie die Grundlage für alle weiteren Katalogisierungen bilde, vor allem für die Erstellung des systematischen Katalogs, der die Bestände in den Rechts­ und Staatswissenschaften, den medizinischen Fächern und in der Theologie benutzbarer machen solle.1792 Die nunmehr auf 6.000 M. ermäßigte Forderung wurde erfüllt. Im April 1907 durfte Alfred Schulze, der sofort nach Dienstantritt den erschöpften Bücheretat beklagte, über die erste Rate von 3.000 M. für die Weiterarbeit am Zettelkatalog verfügen. Ebenso über die von Boysen beantragten 9.000 M. für neue Bücherbretter.1793

GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. XI, unpag.; Boysen – Kurator v. 21. 7. 1904, von Gramsch befürwortend an Althoff weitergeleitet. 1790 In der Regel folgte auf Eingaben des Königsberger Bibliotheksdirektors unmittelbar ein Antrag des PrMK ans PrMF, die geforderten Mittel im nächsten Etat einzustellen. Nicht der Kultus­, sondern der Finanzminister ließ sich von der Vision eines „literarischen Mittelpunkts“ im Osten nicht mitreißen. 1791 Ebd., Boysen – PrMK v. 20. 8. 1906, wiederum zustimmend vom Kurator ans PrMK geschickt, der dabei nochmals unterstreicht, wie groß das Einzugsgebiet der Universitätsbibliothek sei, der, infolge der „Armut“ der Bevölkerung Ost­ und Westpreußens, auch keine Entlastung durch große Privat­ oder nennenswerte Stadtbiblio­ theken zuteil werde. 1792 Ebd.; Boysen – PrMK v. 26. 7. 1905. 1793 Ebd.; Schulze – PrMK v. 2. 2. 1907, auf einen absehbaren Fehlbetrag von 4.000 M. aufmerksam machend. 1789

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In Boysens letzte Amtswochen fällt der Ankauf eines Teilnachlasses, der aus dem Bibliotheksetat schon deshalb nicht bezahlt werden konnte, weil für Nachlaßerwerbungen nur der kleinste Posten reserviert war1794 und sich die Bibliothek darauf verließ, mit „großzügigen Schenkungen“ bedacht zu werden, wie das 1904 bei dem „ganzen Nachlaß“ Johann Georg Hamanns der Fall war.1795 So billig sollte die Bibliothek allerdings nicht wegkommen, als ihr im Sommer 1906 die Kantiana aus dem Nachlaß des 1905 verstorbenen Oberbibliothekars Reicke angeboten wurden. Die Familie war bereit, die Manuskripte und Bücher für 6.000 M. zu veräußern. Ein moderater Preis, den Boysen, der „die Schriftstücke dem deutschen Vaterlande und hier natürlich am besten der Heimat des großen Philo­ sophen erhalten“ wissen wollte, aber nicht zahlen konnte. Das Geld mußte „extraordinär“ bewilligt werden, und um dies sicherzustellen, ließ er sich von der Preußischen Akademie der Wissenschaften unterstützten – von ihrer mit der Werkausgabe beschäftigten Kant­Kommission und deren Vorsit­ zenden Wilhelm Dilthey. Der Berliner Philosoph wies wie Boysen auf die große Gefahr hin, daß „die umfangreichste Sammlung kantischer Manuskripte, die zur Zeit noch im Privatbesitz vorhanden ist“, Handschriften aus dem Nachlaß „unseres größten modernen Denkers“, ins Ausland abwandern könnte. Von „amerikanischer Seite“ lägen bereits Angebote vor. Um die von Dilthey für „unentbehr­ lich für das Studium Kants“ deklarierten Stücke im Lande zu halten und, wie Boysen geltend machte, mit ihnen die Nachlaßsplitter zu ergänzen, über die die Königsberger Universitätsbibliothek schon ver­ füge, seien 6.000 M. nicht zuviel verlangt. Die Sammlung enthielt Vorlesungshandschriften („bedeut­ sam für die Entwicklungsgeschichte der kantischen Philosophie“), Briefe, lose Blätter („wertvoll für Kants Anthropologie“), eine Rektoratsrede sowie, von Dilthey als „das wertvollste Stück“ qualifiziert, Kants Handexemplar seiner ‚Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen‘ (1764), die den „jugendlich­männlichen Denker in Auseinandersetzung mit den Ideen Rousseaus“ zeige, „welche in seiner Entwicklung Epoche gemacht“. In keinem seiner Werke trete uns Kant „persönlich so nahe in

Die seit 1890/91 in der AUK Chronik veröffentlichten Jahresberichte der UBK weisen selten nennenswerte Ausgaben für Handschriften aus. Dazu zählt der Wiedererwerb eines Gebetsbuchs der Herzogin Dorothea von Preußen für 900 M. (dank „Sonderbewilligung“ des Kurators, Chronik 1899/00, S. 51). Ansonsten meldet die Direktion alljährlich Schenkungen. Aus dem Besitz des Königsberger Mäzens Walter Simon erhielt die UBK 1902 „42 Bände wertvoller Autographen“, 1903, im Vorfeld des Kant­Jubiläums, drei „Kant­Reliquien“ geschenkt, u. a. den amtlichen „Verteilungs­Rezess“ über Kants Hinterlassenschaft vom 17. 9. 1804 und „einen silbernen Ess­ löffel mit den Initialen des Philosophen“ (Chronik 1903/04, S. 66). Kantiana enthielt auch ein Depositum der Altertumsgesellschaft Prussia (Chronik 1904/05, S. 59). Ebenso ging ein Konvolut mit 62 Briefen an den Kant­ Freund Ludwig Ernst Borowski als Geschenk ein (Chronik 1906/07, S. 69). Reickes Sohn Johannes, Bibliothekar in Göttingen, übergab aus dem väterlichen Nachlaß „Briefe und Schriftstücke betr. Herders Leben“ sowie Rudolf Reickes Nachschriften von Vorlesungen bei Rosenkranz, Lobeck und Drumann (1847–1851). 1912, wie im Fall Hamanns wieder auf Vermittlung des Amtsrichters Arthur Warda, floßen Kantiana aus Wasianskis Nachlaß der Bibliothek zu, überdies aus Berliner Familienbesitz eine „reichhaltige Sammlung“ von Briefen Herbarts, die s. Zt. vom Testamentsvollstrecker der Witwe Herbarts der UBK vorenthalten worden waren (Chronik 1912/13, S. 72 f.). 1795 AUK Chronik 1905/06, S. 66 f. Lediglich für einen kleinen Teil mußten 600 M. gezahlt werden, die der Ku­ rator dem Universitätsfond entnahm. Diese Schenkung war die Basis für die von Josef Nadler initiierte Hamann­ Ausgabe, vgl. Nadler 1930, S. 146–154 („Heimkehr von Hamanns Nachlaß“). 1794

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der ganzen Tiefe seines Gemüts“.1796 Dem Gewicht dieses Dilthey­Gutachtens wollte auch der Finanz­ minister nicht mit dem üblichen Gegeize entgegentreten, und die 6.000 M. waren schnell bewilligt.1797 1901, bei der Neuaufstellung im Gebäude am Mitteltragheim, zählte der Bestand 250.000 Bände, dazu 200.000 Schul­ und Universitätsschriften und 1.200 Handschriften. Als Boysen im Herbst 1906 die Geschäfte Alfred Schulze übergab, bargen die Magazine 275.000 Bände. Sieben Jahre später war der Bestand auf 325.000 angewachsen. Die jährlich Zuwachs, in Boysens Ära 5.000, belief sich unter Schulzes Direktion also auf 7.000 Bände. Eine Steigerung, die möglich wurde, weil in den letzten Jahren vor Beginn des Ersten Weltkrieg der Anschaffungsetat, wie einst von Boysen gefordert, sich ver­ doppelte und Schulze von 1911 bis 1914 dazu jährlich fast 20. 000 M. an außerordentlichen Mitteln einsetzen durfte, um, zumeist durch Käufe auf dem Antiquariatsmarkt Bestandslücken zu füllen. Im ordentlichen Etat verfügte Schulze nach einer kräftigen Aufstockung 1909 über 55.000 M., inklusive Zuschuß seit 1911 über ansehnliche 75.000 M. für die Bücherbeschaffung, die ihm freilich als nicht ausreichend erschienen, da ihm dieser Betrag nicht den Bezug ausländischer Zeitschriften erlaube, die er zum „dringendsten Desideratum“ seiner Bibliothek erklärte.1798 Wie seine Vorgänger den Zugewinn einer großen Sammlung wie Gottholds Musik­Bibliothek auch als Last erfahren mußten, so kam auf Schulze die Katalogisierung der 1909 übernommenen, bis dahin im Königsberger Dom untergebrachten, 15.000 Bände umfassenden Wallenrodtschen Bibliothek zu. Der erste Eindruck, im Standortkatalog aus dem 18. Jahrhundert eine Orientierungshilfe zu finden, trog. Bald war klar, daß dessen Unzuverlässigkeit „alle Begriffe“ übersteige, er „einfach unbrauchbar“ sei. Obwohl die historisch wertvolle, „viel Material zu Ostpreußens Geschichte“ enthaltende Biblio­ thek seit Dezember 1909 in der Universitätsbibliothek öffentlich zugänglich war, ließ sich die Masse ohne Katalog kaum nutzen. Schulze konnte ihn nicht einmal antiquarisch ergänzen, da er Gefahr lief, teuer zu erwerben, was vorhanden war, sich aber in einem der vielen, nicht erschlossenen Sammel­ bände mit Kleinschriften aus dem 17./18. Jahrhundert versteckte. Da er die lange vernachlässigte, in zwei „wunderbar stimmungsvollen Domzimmern“ untergebrachte „Sehenswürdigkeit“, die jedoch unkatalogisiert nur „totes Kapital“ sei, der Forschung erschließen wollte, beantragte er 1911 mäßige 6.000 M. für Katalogisierungsarbeiten, die ihm jedoch verwehrt wurden.1799 Kurz vor Ausbruch des I. Weltkrieges ging zwar auch dafür Geld ein, aber nicht soviel wie gefordert. Für die Bearbeitung des Handschriftenbestandes, die seit 1870 weitgehend ruhte, gab der Etat hingegen läppisch wenig her, und im Sommer 1914 mußte Schulze melden, daß die 300 (!) ostpreußischen Lokalzeitungen, die ihm 1796 Ebd.; Boysen – PrMK v. 25. 6. 1906, Dilthey – PrMK v. 25. 6. 1906 mit Verzeichnis der im Nachlaß befind­ lichen Handschriften und Bücher Kants. Dazu auch noch eine Stellungnahme des Kant­Philologen Erich Adickes (Tübingen, Hg. des hs. Kant­Nachlasses) für Althoff v. 13. 6. 1906. Eine detaillierte Aufstellung ihrer Neuerwer­ bung veröffentlichte die UBK in der AUK Chronik 1907/08, S. 69 f. – Falls es die Haushaltslage nicht erlaube, ad hoc 6.000 M. bereit zu stellen, so Boysen, habe der der Assyriologe Felix Peiser angeboten, den Betrag vorzu­ strecken. 1797 Am 5. 7. 1906 ging der auf Dilthey gestützte Antrag des PrMK ans PrMF ab, am 11. 7. 1906 erfolgte bereits eine Zusage über 3.500 M., der Rest dürfte bald darauf bewilligt worden sein. Die Gesamtsumme weist erst der Etat 1907 aus. 1798 Vgl. die Berichte Schulzes AUK Chronik 1909/10–1913/14. 1799 GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. VIII; unpag.; Schulze – PrMK v. 14. 6. 1911. Zur Übernahme, der, für Schulze überraschend „freudig“, der Kurator der Wallenrodtschen Stiftung, Georg von Kuenheim (Juditten), 1908 zugestimmt hatte, vgl. ebd., Nr. 1, Bd. XI, unpag.; Schulze – PrMK v. 14. 2. 1908: Zum 1. 4. 1907 habe die UBK die Verwaltung der WB übernommen, die sich immer noch im Dom befinde, Forschern praktisch unerreichbar. Im Winter, angetan mit Mantel und Ohrenschützern, könne man während der ohnehin nur einstündigen Benut­ zungszeit (2 x wöchentlich!) gar nicht schreiben, weil die Hände vor Eiseskälte erstarrten. Am 8. 9. 1908 dann die Nachricht, daß v. Kuenheim, von Schulze in Juditten aufgesucht, doch dem Auszug aus dem Dom zugestimmt habe, dem Schulze im Februar noch widerraten hatte, da er der „Zerstörung eines Kunstdenkmals“ gleichkäme. Vgl. ebd. Übernahmevertrag v. 28. 2. 1909. Zur Geschichte der WB vgl. Juntke 1927 und Vanselow 1931.

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als Pflichtexemplare ins Haus flatterten, nicht gebunden werden könnten, da dafür kein Pfennig mehr vorhanden wäre.1800 Ungeachtet der stattlichen Etaterhöhung und des warmen extraordinären Geldregens, der alljähr­ lich auf die Königsberger Universitätsbibliothek niederging, mußte Schulze 1912 auch bei den Zeit­ schriftenkäufen die Notbremse ziehen und in großem Umfang Abonnements kündigen. So entstan­ den neue Lücken, die seine Nachfolger bis in die 30er Jahre hinein peinigten, ohne daß ihnen deren Schließung gelungen wäre.1801 Verharrt man quellennah allein in der Königsberger Perspektive, scheint die Geschichte der Uni­ versitätsbibliothek von 1870 bis 1914 besonders ergiebiges Belastungmaterial zu liefern, um zeitge­ nössische Klagen über die kulturpolitische Zurücksetzung Ostpreußens durch die Berliner „Zentral­ stellen“ zu bestätigen. Ein vergleichender Blick auf die parallele Entwicklung mittel­ und westdeutscher Universitätsbibliotheken führt aber aus solcher Verengung heraus. Die Jereminaden Königsberger Bibliotheksdirektoren, über den zu kargen Anschaffungsetat, unzulängliche Katalogisierung, steigende Buchpreise, knappes Personal, unzureichende Räumlichkeiten, der allzeit drohende Abrutsch in die Provinzialität – sie gingen im Kultusministerium fast gleichlautend aus allen Himmelsrichtungen ein und grundieren jede Bibliotheksgeschichte der wilhelminischen Ära.1802 Aus ihnen ergibt sich, daß der Vorwurf der Vernachlässigung nur immer dann berechtigt ist, soweit Bonn, Breslau, Göttin­ gen, Königsberg usw. mit Berlin verglichen werden. Unübersehbar ist dabei die von Althoff forcierte Politik, die Königliche Bibliothek der Reichshauptstadt zu einer den imperialen Bücherkathedralen in Paris und London ebenbürtigen Nationalbibliothek auszubauen.1803 Das geschah zwangsläufig zu Lasten aller preußischen Universitätsbibliotheken. Insoweit waren sie alle gleichermaßen die Verlierer in einem Wettbewerb, der in Preußen vor allem deswegen so dramatische Züge annahm, weil ein bis 1870 vernachlässigtes, im deutschen Vergleich rückständiges Bibliothekswesen mit der im letzten Jahr­ hundertdrittel explodierenden Buch­ und Zeitschriftenproduktion konfrontiert wurde.1804 Wer unter ihnen, wie gerade Königsberg, mit der Erblast großer Bestandslücken und unzureichender Katalo­ gisierung beschwert war, konnte angesichts des jährlich unerträglicher werdenden Mißverhältnisses zwischen verfügbaren und benötigten Mitteln nur permanent Mangelverwaltung treiben. Ein Miß­ stand, den die Favorisierung Berlins in der Konkurrenz um knappe Ressourcen nur noch befestigte. Ebd., Nr. 1, Bd. XI, unpag.; Schulze – PrMK 14. 6. 1914. Da allein die UBK die Provinzblätter sammelte, und die Bestände offenbar zu den Totalverlusten von 1944/45 zählen, lassen sich Ost­ und Westpreußen als wilhelmi­ nisches Dorado der Meinungsvielfalt leider nicht mehr rekonstruieren. 1801 Vgl. etwa die Denkschrift von Carl Diesch, März 1928, die diese „rücksichtslose Gewaltmaßregel“, die vor allem medizinische Zss. traf, sofern davon „in irgendeiner Klinik“ welche vorhanden waren, zwar mit der „da­ maligen Not“ Schulzes entschuldigte, aber doch nicht umhin konnte, darin eine Fehlentscheidung zu sehen, die wegen kurzfristiger Spareffekte langfristig immense Kosten in Kauf nahm (ebd., Nr. 1, Bd. XII, unpag.). 1802 Vgl. für Göttingen nur Hartmann/Füchsel 1937, S. 249–311, die plastisch schildern, wie etwa Wilmanns zwischen 1875 und 1885 mit den gleichen Schwierigkeiten ringen muß, denen er in Königsberg begegnet war. Er, seine Nachfolger Dziatzko und Pietschmann, pflegten natürlich auch hingebungsvoll das Stereotyp von der „Vernachlässigung“ der Provinz durch die Metropole. Für Kiel, wo die Bibliothek von 1875 bis 1903 unter dem Regiment des Ostpreußen Emil Steffenhagen stand, vgl. Schmidt­Künsemüller 1965, S. 238 ff. 1803 Sachse 1928, S. 285 ff. – Hartmann/Füchsel 1937, S. 313, konstatieren daher, daß auch Göttingen, die größte der zehn preußischen Universitätsbibliotheken, „gegenüber der alle überragenden Berliner Königlichen Biblio­ thek“ letztlich vor 1914 „je länger um so mehr zu einer Provinzialbibliothek herabgedrückt“ worden sei. Eine exemte Stellung genoß außer Berlin nur noch die finanziell wohlversorgte Bibliothek der Reichsuniversität Straß­ burg – aus naheliegenden politischen Gründen. 1804 Das traf für die 1866 hinzugekommenen „neupreußischen“ Bibliotheken in Kiel und Marburg ebenfalls zu, nicht auf Göttingen, obwohl im „Ausgang der hannoverschen Zeit“ schon „dunkle Schatten“ auf den „Glanz“ der Bibliothek gefallen und der „Rückgang der Anstalt“ nicht zu übersehen gewesen sei (Hartmann/Füchsel 1937, S. 247).

1800

Die Staats­ und Universitätsbibliothek Königsberg

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Ihn zu beheben, hätte ein anderes „Verständnis für die geistigen Güter [des] Volkes“ und eine daraus resultierende, nahezu revolutionäre Umverteilung im Staatshaushalt vorausgesetzt, wofür aber nicht nur im wilhelminischen Reich der politische Wille fehlte. Denn Kultur und Bildung galten gemein­ europäisch eher als nachrangige Investitionsgüter.1805

Vgl. Hartmann/Füchsle 1937, S. 314. Das schwach ausgeprägte Verständnis für Investitionen in Kultur und Bildung lasten die Autoren 1937 zeitgemäß den „Parteien“ an, die vor und nach 1918 nur in „Ausnahmefällen“ Etatentscheidungen zugunsten der „Pflege geistiger Güter“ getroffen hätten.

1805

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

6.

Universität und Öffentlichkeit: Das professorale Engagement in weltanschalichen, politischen und wissenschaftlichen Vereinen

Ein Einstieg: 1813–1913 Der Oberlehrer am Altstädtischen Gymnasium August Rosikat, ein Mann, der zwei für die Verklam­ merung zwischen akademischer und kommunaler Öffentlichkeit wichtigen Zusammenschlüssen ange­ hörte, der „Königlich Deutschen Gesellschaft“ wie der „Gesellschaft der Freunde Kants“, hatte vor bei­ den Auditorien Vorträge gehalten, die eine erinnerungspolitische Synthese zwischen Kant und einem primär sich militärisch bewährenden preußischen Patriotismus zu stiften versuchten.1806 Das geschah im Vorfeld der mit ungeheuerem Pomp inszenierten staatlichen, städtischen und akademischen Feiern zur Erinnerung an die preußische Erhebung gegen Napoleon. In Königsberg stellte man Anfang 1913 dabei mit besonderen Nachdruck heraus, daß Ostpreußen das Ursprungsland des Befreiungskrieges war. Nahe der Provinzgrenze, in der Mühle von Tauroggen, besiegelte General Yorck den Frontwech­ sel seines Korps, von den Franzosen weg hin zu den Russen. Und in den ersten Januarwochen des Jahres 1813 stieß er in Ostpreußen auf so starken Widerhall, daß er im Königsberger Ständehaus am 5. Februar zum Volksaufstand gegen die französische Besatzungsherrschaft aufrufen konnte. Im historiographischen Rückblick schloß Yorcks eigenmächtiger Schritt die preußische Reformära ab, die, gestaltet von Stein und Hardenberg, mit der Niederlage des nachfriderizianischen Hohen­ zollern­Absolutismus bei Jena­Auerstedt (1806) einsetzte und zur liberalen Reorganisation des Ge­ meinwesens durch Bauernbefreiung, Städteordnung und Gewährung der Gewerbefreiheit führte. Der Landeshistoriker August Seraphim, der zum Fest eine Biographie des 1813 verstorbenen Königsberger Bürgermeisters August Wilhelm Heidemann vorlegte, strich diesen Sinn für den Wert der „Freiheit“ erst weckenden Reformgeist als zündenden Impuls der „Erhebung“ stark heraus,1807 während sein Kollege Stolze und der mit einer Urkundenedition über die Bedrückungen der „Franzosenzeit“ auf­ wartende Bezzenberger die ökonomische Unerträglichkeit des napoleonischen Besatzungsregimes be­ tonten, die den dampfenden preußischen Kessel zur Explosion gebracht hätte.1808 Die zentrale Deutungsarbeit fiel aber kraft Amtes Otto Krauske zu. Der Neuhistoriker bestritt einen ersten Jubiläumsbeitrag auf der traditionellen Feier des Krönungstages am 18. Januar 1913 mit der Festrede „Der deutsche Freiheitskrieg 1813“. Der der Hartungschen zufolge „stark indisponierte“ Laudator würdigte bei dieser Gelegenheit den „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. als eigentlichen Vorbereiter der Erhebung von 1813, da mit ihm die Erziehung des Volkes zur Disziplin begonnen habe, ohne die der Volkskrieg nicht hätte organisiert werden können. Die Bedeutung des Freiheits­ krieges selbst lag für ihn in der Bewährung des Patriotismus als Religion: Nur weil die Vaterlandsliebe die Kämpfer so „restlos“ erfaßt habe wie die Religion, seien sie unbezwingbar gewesen. Als Lehre für

1806 1807 1808

Dazu siehe unten den Abschnitt über die Gesellschaft der Freunde Kants. Seraphim 1913. Stolze 1913 und Bezzenberger 1913.

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die Gegenwart möge diese „Einigkeit“ der Vorfahren dienen, wie Krauske kurz darauf in seiner Fest­ rede vor dem Königsberger Lehrerverein nochmals appellativ betonte, sich zugleich scharf von einer anti­monarchistisch auslegbaren Deutung abgrenzend, die am Abend zuvor auf der Erinnerungsfeier des Königsberger Philologenvereins lanciert worden war: Der Absolutismus Friedrich des Großen habe den Staat atomisiert, erst das auf Kant zurückgehende Erwachen des Persönlichkeits­ und Pflichtbe­ wußtseins, der Glaube an „ideale Mächte“, ließ den echten Gemeinsinn entstehen, der zum erfolg­ reichen Freiheitskrieg geführt habe.1809 Die Vorrede zur Ansprache des Prorektors, des Gynäkologen Georg Winter, gehalten am 5. Fe­ bruar, dem Tag des denkwürdigen Appells Yorcks an die ostpreußischen Stände, nutzte Krauske wiede­ rum zu innenpolitisch motivierter Einforderung von „Eintracht“.1810 Winter dürfte diese doppelte Bedeutung des Datums, Abschluß liberaler Erneuerung und der von Krauske so einseitig konturierte Auftakt zur militärischen Befreiung, bekannt gewesen sein. Gleich­ wohl rief er seinen Zuhörern nicht die Liberalisierung des monarchischen Staates als Voraussetzung des Aufstandes der Massen ins Gedächtnis, sondern allein den „Geist des Patriotismus“, dem Preußen das Ende der napoelonischen Okkupation verdanke. Entsprechend fiel die Einordnung Kants in dieses vaterländische Panorama aus. Der Mediziner Winter, der hier sicher Inspirationen seines Stellvertreters Krauske verwertete, kontrastierte die praktische Philosophie mit den Anschauungen der „gebildeten Welt Deutschlands“, die „unter dem Einfluß der französischen Revolution immer weitere Betätigung der Menschenrechte und des eigenen Willens erstrebte“. Damit war jene sittlich verwerfliche „Indivi­ dualität“ gemeint, wie sie Rosikat, mit dem Krauske in der Kant­ wie in der Königlichen Gesellschaft am Tisch saß, definiert hatte, im strikten Gegensatz zur „inneren Befreiung“ Kants, der damit „das Gewissen und die Pflicht zu den Triebfedern unserer Handlungen machte“.1811 Kants „harter Imperativ der Pflicht“, so Krauske, die „zuerst seine Schüler, bald unsere Provinz und weiter unser ganzes Vater­ land durchdrang, gab unserem Volk Selbstverleugnung, Opferfreudigkeit und unbeugsamen Willen zur Tat“.1812 Die individuelle Freiheit für des „Vaterlandes Freiheit und Größe“ aufzugeben, „Selbst­ verleugnung“ bzw. „Idealismus und Vaterlandsliebe“ einzuüben, das habe die studentische Jugend aus Kants Werken gelernt, darum sei der Philosoph zum „größten Erzieher des deutschen Volkes“ gewor­ den. Doch die Freiheit der Nation galt niemals als unangefochten. Was Anfang 1913, angesichts der „Verschärfung der europäischen Lage durch die Balkankriege“, der „offen geäußerten französischen Revanchegedanken“, auch des „unverhohlenen Drang[s] Rußlands nach den Meerengen“ sowie „der wachsende[n] Bereitschaft Englands, in einem europäischen Krieg auf die Seite Frankreichs und Ruß­ lands zu treten“1813, keinem deutschen Zeitungsleser verborgen blieb. Prorektor Winter spielte auf diese spezifischen Gefährdungen in nächster Nachbarschaft zum Zarenreich an, als er die Albertina als „äusserste Burg des Deutschtums im Osten“ besang. Daher mußte „Kant als Erzieher“ den Nachfahren der studentischen Freiwilligen von 1813 weiterhin angedient werden. Eine Abordnung der Studen­ tenschaft, die der Kaiser zur Jahrhundertfeier „huldvollst“ im Schloß empfing, ermahnte Wilhelm II. darum – nicht ohne Beziehung zu seiner kurz zuvor vor dem ostpreußischen Landtag angedeuteten Notwendigkeit einer Heeresverstärkung –, „dem Vaterlande die Treue zu halten“. Winter schloß dazu passend seine Rede in der Gewißheit, daß die im kantischen Geist trainierte Opfergesinnung praktisch

KHZ Nr. 30 v. 18. 1. 1913 und Nr. 36, 22. und Nr. 37 v. 23. 1. 1913. Lt. KHZ Nr. 62 v. 6. 2. 1913; vgl. dazu auch die anläßlich der Übergabe des Prorektorats an Winter am 5. Mai 1912 gehaltene Rede: „Napoleons Zug nach Rußland 1812“, Chronik AUK 1912/13, S. 4 f. und 7. 1811 Zu Rosikats Deutung s. unten, S. 377. 1812 Chronik AUK 1912/13 , S. 10. 1813 Zu diesem außenpolitischen Szenario als Hintergrund der im März 1913 von der Reichsleitung im Reichstag eingebrachten Militärvorlage, die eine Vermehrung des Heeres um 136.000 Mann vorsah, vgl. E. R. Huber, Bd. V, 1978, S. 559 f.

1809 1810

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Die Universität im Kaiserreich von 1871 bis 1918

unter Beweis gestellt werde, sollte der Kaiser rufen und die „liebe[n] Kommilitonen“ dann „ausziehen, um zu kämpfen und, wenn es sein muß, zu sterben“.1814 Akademische Festkultur und gelehrtes Selbstverständnis In den Feierlichkeiten und Reden des Winters 1913 sind die zwei weltanschaulichen Konstanten er­ kennbar, die sich seit 1871 zunächst im engeren Rahmen des halböffentlichen akademischen Feier­ zyklus von Krönungstag (18. Januar), Kaisergeburtstag (22. März bzw. ab 1889: 27. Januar), Rek­ toratswechsel (April), Preisverleihungen (Januar, Februar, Juli) und Kant­Gedächtnis (12. Februar und 22. April) herausbildeten: 1. Die besondere Verbundenheit der Albertina mit der preußischen Geschichte und ihre Nähe zum Herrscherhaus der Hohenzollern, begründet durch den Stiftungsakt Herzog Albrechts von 1544 und im 18./19. Jahrhundert bestätigt durch königliche Ehrenrektoren. Und 2. die rituelle Herausstellung von Person und Werk Immanuel Kants als Identifikationsfigur, die, wie es auf dem 350. „Jubelfest“ 1894 hieß, ihn einerseits zum Patron der Albertina als einer „Pflege­ stätte des Idealismus“ (Hermann Jacoby) erhob, andererseits seine praktische Philosophie zu einer Integrationslehre aktualisierte, die Professoren wie Studenten die Eingliederung in das von der Krone repräsentierte „Ganze“ von Staat, Nation und Volk als vornehmste Pflicht auferlegte. Daraus leitete sich, besonders nach 1890, parallel zur Schulreform­Debatte über die Zukunft des Humanistischen Gymnasiums, das vielfach zelebrierte Selbstverständnis ab, als Korporation Hüterin eines über den Parteien, Klassen und Konfessionen stehenden Kanons allgemein verbindlicher Ideale und Werte zu sein und so im Strom der Spezialisierung und Ökonomisierung des Wissens die „geistige Führerschaft der Nation“ (Carl Gareis) zu behaupten und die Universität als Hort „reiner“ Wissenschaft, allgemei­ ner Bildung und Erziehung zu „idealistischer“ Lebensführung zu bewahren. Direkt politisch artiku­ lierte sich dieser Bildungsidealismus in vielen Bekenntnissen zum „erhabenen Herrscherhaus“, zum Monarchen als Garanten und Förderer „zweckfreier“ Forschung in der universitas literarum, sowie in rhetorischen Hieben gegen den „Naturalismus, Realismus, Modernismus“ jener „staatszersetzenden Elemente“, denen mit der „allmäligen Lösung der socialen Fragen“ (Gareis), zu der die Wissenschaften beratend beitragen könnten, das Wasser abgegraben werden sollte. Dieser preußisch­kantische Idealis­ mus der Königsberger Professorenschaft richtete sich auch 1913 nicht in erster Linie gegen eine äußere Bedrohung, gegen die es die innere Einheit zu mobilisieren und die „Ausbildung von Kriegserwartung und ­mentalität“ (W. Siemann) zu stimulieren galt. Vielmehr waren die von diesem Geist getragenen akademischen Inszenierungen Reaktionen auf die „innere Bedrohtheit“, wie Siemann zutreffender analysiert, und zugleich Sinnangebote aus den Führungsetagen einer Klassengesellschaft, „die sich in allen sozialen Schichten desintegrierte und die von einer tiefgreifen inneren Krise beherrscht wurde“.

Chronik AUK 1912/13, S. 6 (Empfang studentischer Abordnungen durch den Kaiser) und 11 (Rede Winter, s. ders. 1914). Wilhelm II. reklamierte die Vergangenheit als „Vorbild“ für die Zukunft, „wenn – was Gott verhü­ ten wolle – der König wieder einmal gezwungen würde, zum Kampfe für Ehre und Freiheit des Vaterlandes aufzu­ rufen“. Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, folgte dann der Hinweis auf die geplante Heeresvermehrung am Schluß der Rede, mit der Wendung, daß die Deutschen zur „Übernahme weiterer persönlicher Opfer nach dem rühmlichen Vorbilde unserer Väter“, zur „Verstärkung“ des „unentbehrlichen Fundaments“ von „Freiheit und Ehre“, der 1813/14 eingeführten allgemeinen Wehrpflicht, „freudig bereit“ sein würden. Zitiert nach dem Text der Kaiserrede in: Die Jahrhundertfeier in Königsberg, in: VZ Nr. 66, 6. 2. 1913. – Dem Leitartikler der liberalen Vossischen Zeitung blieb es vorbehalten, im patriotischen Jubel daran zu erinnern, daß die vom Kaiser beschworene „sittliche Kraft“ zur kriegerischen Selbstbefreiung „das Ergebnis jener freiheitlichen Gesetzgebung“ gewesen sei, „mit der die Namen Stein, Schoen, Hardenberg für alle Zeiten verknüpft sind“, in: VZ Nr. 67, 6. 2. 1913.

1814

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Einen entsprechend niedrigen Stellenwert nahm daher bis 1914 das Narrativ von der „Bildungsstätte deutsches Geistes und deutscher Cultur“ im „vorgeschobenen Grenzlande“ (Wilhelm II. 1894) ein.1815 Es ist erstaunlich zu sehen, wie die Königsberger Anläufe, sich neben Berlin als „geistiges Leib­ regiment des Hauses Hohenzollern“ (Emil Du Bois Reymond, 1870) zu empfehlen, durch Wil­ helm II. demonstrativ enttäuscht wurden. Der Kaiser kam nur nach Königsberg, wenn Festivitäten einen größeren als den universitären Rahmen boten und das akademische Personal eher Statistenrollen spielte, wie 1890 bei der Einweihung des Albrecht­Denkmals oder eben 1913. Zum Jubiläum 1894 schickte er einen Prinzen, und der Kultusminister ließ sich durch einen Staatssekretär vertreten. 1904 schlug er die Einladung zum Kant­Jubiläum aus, schickte aber immerhin seinen Kultusminister. Jahre­ lang wurde das unterwürfige Anliegen des Generalkonzils ignoriert, mit Kronprinz Wilhelm endlich wieder einen Ehrenrektor inaugurieren zu dürfen, bis Majestät „huldvollst“ seine Genehmigung er­ teilte und im August 1910, mitten in den Semesterferien, offenbar während eines manöverfreien Tages, vor einem eiligst zusammengetrommelten Auditorium, die heiß ersehnte Investiturfeier stattfinden konnte. 1816 Die Physikalisch­Ökonomische Gesellschaft 1789 als Verein zur Beförderung der Landwirtschaft in Herders Geburtsort gegründet, im Februar 1790 als Gesellschaft durch den preußischen König bestätigt, bald durch den Ankauf der Biblio­ thek einer Königsberger Lesegesellschaft im Besitz von, für damalige Verhältnisse überaus stattlichen 730 Bänden, sah der Festredner von 1914 seine Altvorderen im Zeichen der Französischen Revolu­ tion, denn bei der Generalversammlung hätten sämtliche Mitglieder ihren Sitz ohne Vorrang ein­ nehmen dürfen. Es herrschte völlige Gleichheit, Bauer, Bürger und Edelmann fanden sich in der Gesellschaft als „Brüder“ wieder. 1799 siedelte die Gesellschaft nach Königsberg über, 1814 gab sie ihre engere landwirtschaftliche Zwecksetzung auf und verwandelte sich in einen „allgemeinbilden­ den­literarischen“ Verein. „Neues und Wissenswürdiges“ aus dem gesamten Gebiete der Natur­ und Länderkunde, besonders auch der Staatswirtschaft und Technik, stand fortan auf der Tagesordnung der Zusammenkünfte. 1817 übernahm erstmals ein Professor der Albertina die Präsidentschaft, der Chemiker und Physiker Gottfried Karl Hagen. Seine Nachfolge trat 1831 der Anatom und Zoologe Karl Ernst von Baer an. Unter seiner Ägide begann die „populärwissenschaftliche Periode“, da er im März 1832 die Öffentlichkeit zu den Vorträgen einlud. Bis 1852, seit 1844 allerdings traktiert von mitlauschenden Zensoren, fanden 300 öffentliche Sitzungen statt. Wohl als Folge der Zensur in der „Reaktionszeit“ nach 1848 schaffte der seit 1858 präsidierende Arzt Wilhelm Schiefferdecker, mit dem die „naturwissenschaftliche Periode“ anhob, die öffentlichen Vorträge wieder ab und konzentrierte in Darstellung folgt H. Bonks Report über den Festverlauf Universitätsjubiläum 1894 (mit den Reden von Jacoby, Gareis und der Grußadresse Wilhelms II.) sowie der KHZ­Berichterstattung über Redeakte von 1888 bis 1914, den Mitteilungen über Festakte in der Chronik AUK 1886–1914. Klar innenpolitisch konnotiert die Rede von W. Stolze 1913, S. 19, wo es heißt, zwar drohe immer noch Frankreich, aber „die Gegner im Innern schlum­ mern nicht“, die Ernest Renans Wunsch erfüllen wollten, den Sieger von 1871 mit „französisch­demokratischen Ideen früher oder später zu Grunde“ zu richten. – Allgemeiner zu den Gedenkfeiern 1813­1913: Siemann 1988. Ein speziell die Universitätsfeiern 1913 thematisierender Aufsatz Trude Maurers (2011) zählt Königsberg und Breslau offenbar nicht mehr zu den deutschen Universitäten, ignoriert die Feiern dort und bringt für Berlin usw. gegenüber Siemann nichts Neues. ­ Beiträge zur akademischen Festkultur vor 1918 sind bislang selten (vgl. nur J e n a 2009, S. 254–264), nach 1918 am Beispiel Tübingens: Kotowski 1999, mit der gewagten These seines Lehrers Dieter Langewiesche im Vorwort, die Universitäten seien erst nach dem Ende des Kaiserreiches wirklich in die Öffentlichkeit getreten. 1816 Chronik AUK 1910/11, S. 3–9, mit den Reden des Rektors Manigk und des Kronprinzen. Ausführlich zur Feier des 100. Todestages von Immanuel Kant ebd. 1903/04, S. 5–10.

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einer neuen Satzung den Vereinszweck auf die Förderung naturwissenschaftlicher Forschungen, na­ mentlich solcher, die sich auf die Provinz bezogen. Stärkste Stütze dieser Vorhaben war der zoologische Ordinarius Zaddach, der die Geologie der Samlandküste erkundete. Ab 1860 erschienen, mit rasch anschwellendem Umfang die Schriften der PhÖG, zunächst mit dem Schwerpunkt auf Geologie und prähistorischer Archäologie. 1864 bewilligte der Provinziallandtag eine kontinuierliche finanzielle Un­ terstützung, mit deren Hilfe von 1865 an durch den an der Albertina habilitierten Geologen Berendt das große Projekt einer geologischen Landesaufnahme Ostpreußens in Angriff genommen werden konnte und die es der Gesellschaft erlaubte, 1879 in der Langen Reihe Nr. 4 ein Museum, mit Bern­ steinsammlung und Bibliothek zu unterhalten, bis 1899 in der Regie von Berendts Nachfolger, des Privatdozenten Alfred Jentzsch. Schiefferdecker, der ewige Präsident, starb 1889. Ihm folgten wieder drei Professoren nach, der Mathematiker Ferdinand Lindemann, 1893 der Physiologe Ludimar Her­ mann, 1906 der Zoologe Maximilian Braun. 1899 übernahm der geologische Extraordinarius Ernst Schellwien von Jentzsch die Verwaltung der Sammlungen. Als 1906, in Schellwiens Todesjahr, sich die Mitgliederzahl vom Höchstand des Jahres 1895 (468, darunter 212 außerhalb Königsbergs) unerfreu­ lich weit entfernt hatte (346, davon 185 Königsberger), der Provinziallandtag den Geldhahn zudrehte, und ohne dessen Subventionen das Museum nicht mehr zu finanzieren war, verkaufte Braun Haus und Sammlungen an den preußischen Staat. Im Einvernehmen mit Rektor und Senat der Albertina stellte das Kultusministerium den Fundus der Gesellschaft dem 1908 neu ausgebauten Geologischen Institut von Schellwiens Nachfolger Alexander Tornquist zur Verfügung, zusammen mit der Bern­ steinsammlung. Sie ergänzte die Tornquist ebenfalls überwiesene, 1901 vom Staat gekaufte Kollektion der Fa. Stantien & Becker zur weltweit bedeutendsten Bernsteinsammlung, der Tornquist noch den Privatschatz des 1911 verstorbenen Richard Klebs eingliedern wollte.1817 Die archäologische Samm­ lung der PhÖG ging an die Provinzialverwaltung, die sie der Altertumsgesellschaft Prussia überließ.1818 Ohne eigenes Haus war die Gesellschaft seit 1906 also ein reiner Vortragsverein. Allerdings seit langem schon das bedeutendste wissenschaftliche Podium Königsbergs. In den 1890ern hatte das Aus­ maß der winterlichen Vorträge, von denen viele nach 1870 wieder öffentlich angeboten wurden, die Aufteilung in Sektionen erzwungen. Wie aus den Sitzungsprotokollen in den (bis 1914) 55 Bänden der Schriften hervorgeht, bestritten die Naturwissenschaftler, Mathematiker und Mediziner der Albertina den Hauptteil der Plenar­ und Sektionssitzungen. Populäre, Wissenschaft als weltanschauliche Res­ source nutzende Referate sind kaum darunter. Kokens „Neue Übergangsformen zwischen Affe und Mensch“ (1895) oder die sozialpolitisch brisanten Ausführungen des Hygienikers Walther Kruse über die nach einer „gründlichen Reform“ schreienden, schauerlichen Wohnungsverhältnisse Königsbergs (1911) hatten Seltenheitswert. Auch die öffentlichen Vorträge folgten dem Muster der Sektionssit­ zungen, die ähnlich wie im weltanschaulich fast abstinenten Verein für wissenschaftliche Heilkunde (s. o. Kap. 4.4.3.) oder im von Johannes Abromeit seit 1901 geleiteten Preußisch Botanischen Ver­ ein, der freilich öffentlich, jedoch äußerst zurückhaltend, in Naturschutzfragen engagiert war,1819 dem fachlichen Austausch über eng begrenzte Spezialfragen oder Erörterungen über „Fortschritte der For­ schung“ verpflichtet waren. Die Altertumsgesellschaft Prussia Dieser Zusammenschluß von Akademikern und städtischen Honoratioren geht auf die Initiative des als Dozenten wenig ausgelasteten Kunsthistorikers Ernst August Hagen zurück, der 1844 glaubte, das beim 300. Universitätsjubiläum belebte, über den Kreis der Alma mater hinaus spürbare Königsberger

1817 1818 1819

Dazu s. oben, Kap. 4.4.2. Abriß der Geschichte nach Vogel 1914. Kurz zur Geschichte der 1862 gegründeten Botaniker­Vereinigung: Abromeit 1913.

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Wir­Erlebnis konservieren zu können. Hagens Prussia, die mittels vertiefter Kenntnisse der „vater­ ländischen Vorzeit“ das ostpreußische „Heimatsgefühl“ wecken wollte, lag damit im Trend der Vor­ märzzeit, als überall im deutschen Sprachraum „Historische Vereine“ entstanden, die dem regionalen Geschichtsbewußtsein aufhalfen. Hagens ebenfalls in der Prussia engagierter Kollege, der Historiker und Nationalökonom Friedrich Wilhelm Schubert, hatte schon 1827, damals als „Director“ der noblen, gleichfalls um staatsbürgerliche Pädagogik bemühten Königlich Deutschen Gesellschaft, das Integrationspotential der „vaterländischen Geschichte“ erkannt, die vorzüglich zur „Befestigung der patriotischen Gesinnung“ tauge. Und des „Zusammenwirken[s] aller inneren Kräfte“ bedürfe es schon, wenn der Staat die Fähigkeit aufbringen solle, sich zum Wohl des Vaterlands gegenüber „auswärti­ gen Mächte[n]“ zu behaupten. Bis zur preußisch­gesamtstaatlichen oder gar nationaldeutschen Ebene reichte Hagens Ehrgeiz indes nicht, zumal er große Sprünge mit seinem Anhang kaum wagen konnte, der bis 1869 auf 23 Mitglieder zurückschrumpfte. Erst die Energie des Oberlehrers Georg Bujack, Konservator der Prussia­Sammlungen seit 1869, Vorsitzender von 1872 bis zu seinem Tod 1891, hauchte dem marodenVerein neues Leben ein, sorgte für ein eigenes Organ, die seit 1875 erschei­ nenden Sitzungsberichte, die auch Abhandlungen veröffentlichten, und verstand das Wohlwollen des Oberpräsidenten von Horn sowie des Kronzprinzen Friedrich Wilhelm für die Prussia zu gewinnen, so daß 1880, im Königsberger Schloß, erstmals halbwegs passable Gelasse den wachsenden Fundus bar­ gen. 1871 standen 123 Namen im Mitgliederverzeichnis, 1890 knapp 300 und nur fünf Jahre später, als an Bujacks Stelle der, wie einst Hagen, im Lehramt unterbeschäftigte Indogermanist Bezzenberger die Vorstandsstafette übernommen hatte, schnellte die Zahl auf 768, 1900 sogar auf das danach nie wieder erreichte Maximum von 1032 nach oben. Bezzenberger blieb bis 1916 der Motor des Vereins, ihm verdankte er seine Blütezeit, sein wissenschaftliches Ansehen, seine weltweite Vernetzung, den geschwinden Ausbau der Sammlungen und der Bibliothek, deren Umfang 1906 den Umzug aus den beengten Räumlichkeiten des Schloßes in das von der Universitätsbibliothek verlassene Haus in der Königstraße 65/67 erzwang, wo man bis 1924, dem Jahr der Rückkehr ins Schloß, als Provinzial­ museum residierte. Bezzenbergers Heimatphilosophie ordnete seine orgiastische Sammelwut und den positivistischen Fleiß seiner aktivsten Mitstreiter, die den Boden Ostpreußens wie Maulwürfe auf der Suche nach vorgeschichtlichen Relikten durchpflügten, auf eine Sinnmitte hin, die sich seit Schu­ berts programmatischem Entwurf von 1827 nur wenig verändert hatte. Auch Bezzenberger glaubte die „Gegensätze des Tages“ im „Heimatsgefühl“ zu überwinden, das durch die Vergegenwärtigung vorgeschichtlicher Kultur gesteigert und „erwärmt“ werden sollte. Das Bewußtsein allen gemeinsamer, tief zurückreichender historischer Wurzeln war nach Bezzenbergers Überzeugung ein Mittel, um den sozialen Zusammenhalt zu festigen. Von den Kollegen wurde der Indogermanist an der Spitze des größten wissenschaflichen Vereins Königsbergs jedoch weitgehend allein gelassen. Nur den wenig ge­ forderten Assyriologen Felix Peiser, 1916 zu Bezzenbergers Nachfolger gewählt, packte die gleiche Leidenschaft für Ostpreußens Urgeschichte. Die bis 1918 konstant bleibende Zahl von etwa zwei Dutzend Dozenten der Albertina in der Prussia, zumeist aus der Philosophischen Fakultät, ist hingegen dem Lager der passiven Mitglieder zuzuschlagen. Trotz des enormen öffentlichen Zuspruchs, den die nicht abreißende Serie von Grabungserfolgen erntete, trotz der 10.000 Besucher, die sich alljährlich im Museum drängten, blieb die frühhistorische Archäologie aus akademischer Sicht ein Steckenpferd für Dilettanten. Eine starke Minderheit in der Philosophischen Fakultät, darunter der Geograph Hahn, der Geologe Branco, der Germanist Schade, Prutz, Dehio, Schoene sowie der „Heimatphilosophie“ lehrende Philosoph Julius Walter, bestritt 1890, daß von der Produktion und Vermittlung solchen Wissens „allgemeinbildende“ Effekte zu erwarten seien. Deswegen kam für sie nicht einmal die vom Mathematiker Lindemann angeregte Verleihung einer Honorarprofessur für Otto Tischler in Frage, der als vermögender Privatgelehrter die archäologische Abteilung der PhÖG leitete und wie Bujack in den 1880ern als unumstrittene Koryphäe das hohe Niveau der ostpreußischen Prähistorie verkörperte. Wohl von Prutz, Branco et al. instruiert, setzte sich der autokratische Kurator von Schlieckmann erfolgreich

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dafür ein, daß Tischler die Honorarprofessur versagt blieb und die vorgeschichtlichen Forschungen von Prussia und PhÖG den Nimbus von Liebhaber­Unternehmen nicht abschütteln konnten1820. Das Literarische Kränzchen In der „Reaktonszeit“ wurde allgemein Klage geführt über das „bedauerliche Stillschweigen“ der Königlichen Gesellschaft, dem ältesten Honoratioren­Zusammenschluß, ins Leben gerufen 1743, die nur an den zwei Landesfesttagen zusammenkam, am Krönungstag am 18. Januar und am Geburtstag Friedrich Wilhelms IV. im Oktober (ab 1861 zu Wilhelms I. Geburtstag im März). Zudem sei man dort elitär, lasse nur männliches Publikum zu, Damen müssen vorlieb nehmen mit Vorträgen im Gu­ stav­Adolf­Verein und der Inneren Mission, die „zum Theil ihre Stoffe der Literatur entnehmen“.1821 Auf Initiative des Kunsthistorikers Ernst August Hagen und des Tribunalsrats Reusch wurde daher im Herbst 1858 ein Literarisches Kränzchen etabliert, um „literarische Mittheilungen aller Art“ einmal monatlich zum „gesellschaftlichen Bindemittel für die Zusammenkünfte eines größern Damen­ und Herrenpublikums zu machen“. Im November 1859 sammelten sich hier die Träger des politisch um­ strittenen „Schiller­Festes“ zum 100. Geburtstag des Dichters.1822 Von den Dozenten der Albertina trugen neben Hagen häufiger vor Rosenkranz, Nesselmann, der Hebraist Saalschütz, der Lektor für Englisch Herbst, der Universitätsbibliothekar Reicke sowie dessen Freund, der „Dichter und Richter“ Ernst Wichert. Die Mitgliederzahl stieg bis 1864 auf „120 Familien“. Da war der Höhepunkt aber bereits überschritten, da eine Mehrheit die Oberhand gewann, die nicht „literarisch“, also weltan­ schaulich und politisch interessiert war, sondern „nach äußerlichen Unterhaltungen“ strebte und „the­ atralische Vorstellungen“ begehrte, mit der Folge, daß „die Aufmerksamkeit zerstreut“ wurde und „die Kräfte sich zersplitter[te]n“. Immerhin entstand im Kränzchen die Idee zur Herausgabe der Altpreußi­ schen Monatsschrift, dem mit Abstand bedeutendsten landeskundlichen Organ, das, von Reicke und Wichert gegründet, vornehmlich von Reicke bis 1905 redigiert, noch die ersten Jahre der Weimarer Republik erlebte. Angetreten waren auch diese beiden „Fortschrittler“ unter dem Banner der Über­ parteilichkeit. Unter „Ausschluß aller Politik“ wollten sie, im Februar 1864, als mit dem preußisch­ österreichischen Feldzug gegen Dänemark der erste der alle Verfassungskonflikte hinter sich lassenden „Einigungskriege“ soeben begonnen hatte, „schroffe Parteigegensätze in der gemeinsamen Pflege von Kunst, Wissenschaft und Industrie ausgleichen, um die Gemüter zu beruhigen und wieder für die Cultur der Güter des Friedens empfänglich zu machen und in den Stürmen der Gegenwart für die geschichtlichen Erinnerungen einer höchst eigenartigen Vergangenheit möglichst zu conservieren“.1823 Der Verein für die Geschichte Ost­ und Westpreußens Da die Prussia sich auf Vorgeschichte, die PhÖG sich auf geologische, botanische und zoologischen Erforschung der Provinz beschränkte, fehlte eine im engeren Sinne landesgeschichtliche Vereinigung, Darstellung nach den Sitzungsberichten der Prussia 1875–1919, hier bes. Bezzenbergers Abriß der Prussia­ Geschichte zum 50jährigen Jubiläum (H. 19, 1895, S. 177–195). Extrem kurz Adlung u. a. 1991; der Berliner Kulturhistoriker Wulf D. Wagner bereitet z. Zt. eine Monographie zur Geschichte dieser Altertumsgesellschaft (1844–1945) vor. – Schuberts Aufsatz findet sich in den Abhandlungen der KglDG von 1830. Der Schriftwechsel zur verhinderten Honorarprof. für Tischler in: GStA Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVI, Bl. 1–19. Zur vormärzlichen Gründungswelle regionalhistorischer Vereine: Kunz 2000. 1821 Anonym (vermutlich R. Reicke), Das literarische Kränzchen in Königsberg, in: AprM 1, 1864, S. 81–84. Danach die folgende Darstellung. 1822 Zu Nesselmann s. o. Kap. 2.2.4.1. 1823 GStA, Rep. 76Vc, Tit. XXIII, Nr. 1, Bd. II, unpag.; Reicke/Wichert – PrMK v. 18. 2. 1864 wg. ministerieller Subvention der AprM.

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die erst im April 1873, viel später als in anderen preußischen Provinzen, ins Leben gerufen wurde. Der Verein, wie Prussia und PhÖG bis 1944 aktiv, war öffentlich nicht sehr präsent, mußte lange die Altpreußische Monatsschrift als Mitteilungsorgan nutzen, bot bis in die 1890er lediglich drei Vortrags­ abende jährlich an, verfügte in Königsberg bis 1918 nur über durchschnittlich 120 Mitglieder, und war fast ausschließlich das Podium Königsberger Staatsarchivare, Bibliothekare, Oberlehrer sowie, neben Lohmeyer und dem einige Zeit (1877–1882) das Vorstandsamt verwaltenden, rechtshistorisch interessierten Strafrechtler Güterbock, der Ordinarien Maurenbrecher, Prutz und Krauske. Die Auf­ gabe, der man sich seit 1878, dem Jahr der Neugründung der Provinz Westpreußen, stark verpflichtet fühlte, war die Wahrung des „ideellen Zusammenhalts“ der „gebildeten Bevölkerung“ zwischen Memel und Danzig,1824 ein geschichtspolitisches Ziel, das mit den bevorzugten Editionsprojekten und der nicht sehr dichten Abfolge der primär auf ein winziges Fachpublikum zugeschnittenen Vorträge sehr unvollkommen realisiert wurde. Die Gesellschaft der Freunde Kants Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Kant­Rezeption, philosophiehistorisch als „Neukantianismus“ vereinheitlicht,1825 ging an der Geburtsstadt des Denkers, dessen Wohnhaus 1893 abgerissen worden war, ohne daß Magistrat oder Universität davon viel Aufhebens gemacht hätten, fast spurlos vorüber. Zu diesem Fazit gelangte der Königsberger Gymnasialprofessor August Rosikat1826, als er am 22. April 1914 in der „Gesellschaft der Freunde Immanuel Kants“, einer sich seit 1805 alljähr­ lich zu Ehren Kants an seinem Geburtstag zum „Bohnenmahl“ zusammenfindenden Honoratioren­ runde1827, seine Rede als amtierender „Bohnenkönig“ der Frage widmete, „wie sich nach Kants Tode auf der durch ihn zum Weltruf gelangten Universität das Studium der Philosophie und insbesondere der Kantischen gestaltet und welche Stellung die geistigen Führer der Albertina Kant gegenüber ein­ genommen haben“.1828 Zu ihrer Beantwortung wertete Rosikat die Unterlagen zweier Stiftungen aus. Zunächst der des 1821 verstorbenen Regierungsrats Carl Friedrich Schreiber, der schon knapp zwei Jahrzehnte nach dem Tod des Philosophen glaubte, nur finanzielle Anreize könnten das studen­ tische Kant­Interesse beleben. Nach Schreibers letztem Willen sollte „alljährlich im großen Hörsaal der Albertina“ eine Gedächtnisrede gehalten werden, die aus studentischen Preisarbeiten „über ein Thema aus den Kantischen Schriften“ auszuwählen und zu prämieren sei.1829 Rosikats Recherchen zufolge führte diese Auslobung dazu, daß in den ersten Jahrzehnten alljährlich „bis zu zehn Arbeiten“ eingingen, was bei der außerordentlich kleinen Studentenzahl schon etwas besagen wolle. Bis in die

So Bilanz und Ausblick nach fünfjährigem Bestehen des Vereins: AprM 15, 1878, S. 359–361. Vgl. das differenzierte Bild dieser alles andere als einheitlichen philosophischen Formation bei Köhnke 1986. 1826 Rosikat, geb. 1858 in Ramutten bei Heydekrug, Gymnasialbesuch in Tilsit, philolog. Studium in Königsberg seit 1877, seit 1883 im Schuldienst, 1887 Lehrer am Städt. Realgymnasium, 1892 Oberlehrer am Altstädt. Gym­ nasium, gest. 15. 12. 1920; vgl. den kurzen Nachruf in: KHZ Nr. 588, 15. 12. 1920 und Weisfert 1897, S. 191. 1827 Vgl. Hensche 1867 zu ‚Kant und die Kantgesellschaft‘ sowie Alfred Döhring, ‚Rückblick‘ 1905. Der Beitrag enthält im Anhang ein Verzeichnis der Bohnenkönige und Festredner zwischen 1805 und 1905. – Kurz nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989/90, als die Stadt Kants westlichen Besuchern zugänglich wurde, wollte Ru­ dolf Malter einen Beitrag zur Wiedervergegenwärtigung der Königsberger Kant­Tradition leisten, indem er wenige „Bohnenreden“ sowie andere Vorträge und Festansprachen in einem Sammelband vereinte, ders. 1992. 1828 Vortrag referiert in einem ungezeichneten Bericht: Das Kant­Bohnenmahl 1914, in: KHZ Nr. 188, 23. 4. 1914, 2. Blatt der Abendausgabe. 1829 GStA, I. HA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XI, Nr. 15: Schreiber­Stiftung bei der Universität Königsberg zu Kants Gedächtnis 1825–1827. Über Schreiber in § 12 der Satzung die autobiographische Notiz, daß er sechs Jahre als „Schüler und Zuhörer“ wie als „Verehrer“ dem alten „unvergeßlichen, nie genug zu preisenden und einzigen Pro­ fessor Kant“ nahe war und seit 1812 der 1805 etablierten Tischgesellschaft angehörte. 1824 1825

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sechziger Jahre hätten unter den Bearbeitern allerdings die Theologen überwogen.1830 Zu diesem Zeit­ punkt, in einer 1867 gehaltenen „Bohnenrede“, erschien dem Mediziner und Stadtältesten August Hensche die öffentliche Präsenz des Denkers hinreichend gesichert. Die „Freunde“ hefteten sich das Verdienst ans Revers, daß Rauchs Kant­Denkmal „in Erz und Granit“, nicht bloß eine Forderung dieser lokalen Erinnerungspolitiker, sondern eine „die das Jahrhundert gestellt hat“, endlich 1861 ausgeführt werden konnte. Mit der „Conservirung von Kant­Reliquien“ wollte man zufrieden sein, ebenso mit den 1865 erreichten Zahl von 50 Mitgliedern, durchweg Professoren und andere „Nota­ bilitäten“ der Stadt.1831 Trotzdem schien das Interesse gerade in der Universität zurückzugehen. Tiefpunkte erreicht der Zuspruch zu den „Bohnenmahlen“ nach Angaben des Altphilologen Karl Lehrs in die Zeit kurz nach der Reichsgründung. 1874 berichtet er einem Berliner Freund: „Neulich bestand die Kantgesellschaft [das Bohnenmahl am 22. 4.] aus 14 Personen! Ist das ein Zustand! Kommen sie nicht wegen der Philosophie, könnten sie doch wegen der Kumberlandsauce kommen..“ Und am 23. 4. 1876: Auf der „Kantfète“ seien „unter 30 Personen zwei Professoren gewesen […], außer Arnoldt kein professus philosophus, und im ganzen wol etwa nur die Hälfte überhaupt Studierte“. Erst 1878 verspürte man, als Folge von Falks Berufungspolitik,1832 die anziehende Kant­Konjunktur auch an der Albertina und meldete „eine erfreuliche Zunahme“ studentischen Zuspruchs zu den „die Philosophie Kants betref­ fenden Untersuchungen“ wie auch die „Steigerung der Zahl der Kant­Arbeiten“. Und die Fakultät ging sogar mit dem Plan einer „Neugründung einer philosophischen Professur schwanger, welcher in erster Instanz die Pflege der kantischen Philosophie obliege[n]“ sollte.1833 Offenbar muß es sich bei diesem Aufflackern des Kant­Enthusiasmus doch um ein Strohfeuer gehandelt haben, wenigstens im Kreise der Studenten. Denn „später“, Rosikat meinte wohl die Zeit nach 1880,1834 habe die Schreiber­Stiftung keinerlei Echo mehr geweckt. Und selbst 1904, zur 100. Wiederkehr von Kants Todesjahr, sei keine Arbeit entstanden. Rosikat ließ offen, ob diese negative Entwicklung mit der Einrichtung jener zweiten von ihm angeführten Stiftung endete, die die Stadt Königsberg 1904 mit 10.000 Mark ausstattete und deren Zinsen einem Studierenden zufallen sollten, der die beste Arbeit „über ein frei gewähltes Thema aus der Kantischen Philosophie“ einreiche.1835 Stattdessen zog er einen anderen Gradmesser heran, um die akademische und letztlich auch die städtisch­öffentliche Gleichgültigkeit Kant gegenüber noch schärfer herauszustellen: Von „Spezial­ dissertationen“ über den einzigen Königsberger von „Weltruf“ habe er zwischen 1807 und 1905 kümmerliche fünf Titel ermitteln können.1836 Ebensowenig „rühmlich“ für die Traditionspflege der Albertina sei das Wirken von Kants Lehrstuhlnachfolgern gewesen. „Fast beschämend“ müsse regis­ Rosikat ermittelte 53 Theologen, 85 „Philosophen“ (d. h. Studenten der Philosophischen Fakultät, also vor allem Philologen und Naturwissenschaftler), 18 Juristen und 7 Mediziner. Von den prominenten Preisträgern erwähnt er Julius Rupp (1830), Ferdinand Gregorovius (1840), Wilhelm Jordan (1842) sowie die Kantforscher Rudolf Reicke (der in den fünfziger Jahren „zweimal den ersten Preis“ bekam) und Arnold Kowalewski (1895). 1831 Hensche 1867, S. 246 f. 1832 Dazu Köhnke 1986, S. 310–323, 339–344. 1833 GStA, I. HA., Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XI, Bl. 126–130; PhilFak – PrMK v. 21. 7. 1878 im Zusmmenhang mit ihrem Einsatz für den politisch „vorbelasteten“ Privatdozenten Emil Arnoldt (dazu oben Kap. 2.2.4.1.). 1834 Ludwich 1894, Tl. 2, S. 933, 977, an den Philosophen und Kantforscher Wilhelm Tobias v. 6. 5. 1874 und 23. 4. 1876. 1835 Erster Preisträger war 1905 Walter Frost, 1874 Bartenstein/Ostpr.–1936 Riga (dort seit 1921 Prof. der Philo­ sophie an der lettischen Staats­Universität). 1836 Den Anfang machte 1807 (De librorum sacrorum interpretatione morali a Kantio commendata) Ludwig Rhesa (1777–1840; seit 1818 Prof. der Theologie an der AUK), erst 1872 folgte Josua Horowitz (De aprioritatis Kantii in philosophia principiis usw.), 1898 Rudolf Schade (Kants Raumtheorie und die Physiologie), Sohn des Königsberger Germanisten Oskar Schade, 1905 schließlich Walter Frost (s. Anm. 1835) und Willy Kaminski 1830

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triert werden, daß man zwischen 1808 und 1826 überhaupt „kein einziges Kantkolleg“ in den Lekti­ onskatalogen finde. „Auch der sonst nicht genug zu rühmende Karl Rosenkranz hatte in seinen vierzig Königsberger Jahren [1833–1879] kein einziges Kantkolleg gelesen“, – weil ihm Hegel „nun einmal der deutsche Nationalphilosoph“ gewesen sei. Immerhin habe er sich durch die mit dem Historiker Friedrich Wilhelm Schubert veranstaltete zwölfbändige Werk­Ausgabe (1838/1842) und manche „Er­ munterungen“ um das Kantstudium der „akademischen Jugend“ verdient gemacht. Ausgerechnet der seinem Schülerkreis entstammende Kantforscher Emil Arnoldt, wegen radikaldemokratischer und frei­ religiöser Ansichten in der preußischen „Reaktionszeit“ nach 1848 und darüberhinaus ohne Chance auf eine Universitätskarriere,1837 sei aber nicht nur auf politischem Gebiet stets eigene Wege gegangen, denn dieser „entschiedenste Kantkenner“ war zugleich der „entschiedenste Kantkritiker“, habe also kaum werbend gewirkt. Auch Rosenkranz’ Kollegen und Nachfolger, die Ordinarien Julius Walter, Günther Thiele und Ludwig Busse, hätten hier keine Abhilfe geschaffen. Walter, obwohl regelmäßig in Vorlesungen und Übungen Kants Werke behandelnd, sei „im wesentlichen wohl Jung­Hegelianer“ geblieben. Thiele, dessen Bibliographie zwar „gründliche Arbeiten“ zu Kant ausweise1838, kam in kein „besonders inniges Verhältnis“ zu den Königsberger Studenten, und Busse, der als Lehrer viel größeren Anklang fand und der auch alle „auf Kant bezüglichen Fragen mit Takt“ behandelte, sei trotzdem als „Gegner der Kantischen Erkenntnistheorie“ aufgetreten. Ebenso hätten wiederum deren – von Rosikat nicht namentlich erwähnten – Nachfolger, also vor allem der 1908 berufene Albert Goedeckemeyer, einerseits die „kritische Philosophie ausführlich“ im Kolleg berücksichtigt, sich andererseits aber nicht als „echte Kantianer“ erwiesen. So bleibe die Frage wohl aufzuwerfen, „ob nicht gerade die Kant­Uni­ versität für die wesentlichsten Lehren Kants jederzeit einen überzeugten Lehrer haben müsse und ob nicht einer ihrer beiden Lehrstühle immer von einem echten Kantianer besetzt werden sollte“. Nur dies böte die Gewähr, daß „uns vor allem jener Kantische Geist“ erhalten bliebe, „der Preußen vor hundert Jahren rettete und der Preußen stark machen möge für alles Kommende!“ Aus Rosikats eigenem schmalen philosophischen Werk ergab sich diese Verknüpfung zwischen Kant und dem „Geist von 1813“ mit einer gewissen Konsequenz. Sein nur vordergründig begriffsge­ schichtlicher, tatsächlich politischer, laut Vorbemerkung zu den „aktuellen Problemen des Sozialismus und der Erziehungsreform“ Stellung beziehender „Klärungsversuch“ über ‚Individualität und Persön­ lichkeit‘ (1911), entstanden aus einem Vortrag in der „Königlich Deutschen Gesellschaft“, hatte Kants „Auffassung des Sittlichen“ und den Objektivismus der Pflicht gegen ein negatives Verständnis von In­ dividualität als Subjektivismus ausgespielt, dessen Grenzen zum Egoismus, zur Libertinage und „mo­ ralischen Nihilismus“ ihm fließend zu sein schienen. Was sich damit unter dem Schlagwort „,Eman­ zipation des Fleisches‘ “ für ihn auftat, etwa der in „Anarchie“ mündende Solipsismus Stirners wie der „aristokratische Individualismus“ Nietzsches, war in seinen Augen mehr als eine bloß philosophische Modeströmung. Dagegen sprachen allzu deutlich die von Rosikat unterstellten praktisch­politischen Transformationen eines Individualismus, der die „Bedeutung der Persönlichkeit für das staatliche und soziale Leben“ verkenne und erst recht kein Verständnis aufbringe für den „Segen der Persönlichkeit“, wie er sich im „staatlichen Patriarchalismus“ Kaiser Wilhelms I. ausgewirkt habe.1839 Gemeint waren, ohne Umschweife, die „Sozialisten von der Spielart der deutschen Sozialdemokratie“, „die ‚rote Ge­ (Über Immanuel Kants Schriften zur physischen Geographie. Ein Beitrag zur Methodik der Erdkunde, Phil. Diss. Königsberg). 1837 Zu Arnoldt vgl. o. Kap. 2.2.4.1. 1838 Vor allem: Die Philosophie Immanuel Kant’s, nach ihrem systematischen Zusammenhange und ihrer lo­ gisch­historischen Entwicklung dargestellt und gewürdigt, 2 Tle. Halle 1882/87. Über ,Die Kantauffassung von Günther Thiele‘ regte A. Kowalewski eine Dissertation an, mit der Werner Robinski (1910 Kraupischken/Kr. Til­ sit, Abitur in Goldap, theologisches Studium AUK, Berlin, Tübingen, seit 1937 Pfarrer im Kreis Ebenrode) noch 1943 an der Albertina promovierte (ein msch. Exemplar erhalten in der UB der Berliner Humboldt­Universität). 1839 Rosikat 1911, S. 37–41, 50, 57, 65.

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fahr‘ “. August Bebels „Utopismus“, die paradiesische Verheißung des „Zukunftsstaates“, werde in der sozialdemokratischen Presse folgerichtig propagiert als „Realisierung des Individualismus“, als Genuß „erhöhter Existenz“ bei nur „höchstens dreistündiger Arbeit“, als „Freibrief für die Entfesselung aller ihrer Triebe, für ein maßloses Sichausleben“.1840 An den Bestrebungen der „modernen Frauenbewe­ gung“ und der „rede­ und schreiblustigen Schulreformer“ sei abzulesen, wo solcher Eudämonismus, solche „Unterwühlung der Grundlagen allen sittlichen Lebens“, weit über den Einflußbereich des so­ zialdemoratischen Milieus hinaus gesellschaftliche Leitbilder des wilhelminischen Bürgertums negiere: Die Frau solle sich nicht mehr als Gattin und Mutter, sondern als „schöne Individualität“ verstehen, das Kind werde zur Auflehnung gegen elterliche und schulische Autorität ermuntert.1841 Gegen solche Tendenzen, die aus Rosikats Blickwinkel allesamt auf den großen „Kladderadatsch“ des revolutionären Umsturzes hinausliefen, identifizierte er, unter geschickter Berufung auf Paul Natorp, einen promi­ nenten SPD­Sympathisanten unter den Neukantianern, sein Persönlichkeitsverständnis mit „Erzie­ hung zur Pflichterfüllung“ und „zum Gehorsam“, der Ausbildung der Fähigkeit, seinen Willen einem „ ‚Führenden‘ “ unterzuordnen. Das angemessene Betätigungsfeld finde die an Kant geschulte Persön­ lichkeit, die ihr Handeln am Allgemeinen ausrichte, weil in ihr der individuelle Wille zum Vernunft­ willen des kategorischen Imperativs gesteigert werde, in Staat und Vaterland.1842 Geschichtspolitisch seine Bohnenrede antizipierend, endet der Vortrag 1910 mit der Mahnung, Städteordnung und Bau­ ernbefreiung nicht zu vergessen, wenn der preußischen Reformen gedacht werde, aber im Vordergrund stünden „unzweifelhaft“ die „Kriegstaten“ von „Persönlichkeiten“, die „Preußen aus beispielloser Not“ gerettet und das „Fundament des neuen deutschen Reiches“ geschaffen hätten.1843 Diese bei Rosikat 1914 wiederkehrende Vereinnahmung Kants für einen primär militärisch sich bewährenden Patriotismus resultierte stärker noch aus jenem Zeitgeist, der sich in den oben ge­ schilderten Centenarfeiern manifestierte. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges schlug Rosikats Rede mit ihrer Beschwörung des preußischen Geistes kantischer Philosophie zumindest innerhalb der „Boh­ nengesellschaft“ einen neuen Ton an, da sich seine „Amtsvorgänger“, die „Bohnenkönige“ seit 1905, engeren, unpolitischen, wenn auch nicht in jedem Vortrag weltanschaulich abstinenten Themenstel­ lungen zugewandt hatten.1844 Zudem fiel die politische Zusammensetzung auch nach 1870, blickt man auf linksliberale Kantforscher wie Emil Arnoldt und Otto Schöndörffer, ihren Gesinnungsfreund, den Althistoriker Franz Rühl sowie den Rechtsanwalt Hugo Haase, der seinen Weg in die sozialdemokra­ tische Führungsetage angetreten hatte, auf Repräsentanten des jüdischen liberalen wie Vertreter des nicht­jüdischen „freisinnigen“ Bürgertums, keineswegs durch eine nationalkonservative Dominanz

1840 Ebd., S. 8, 79 f. – Gegen diese eudämonistische Interpretation sozialistischer Individualitäts­Projektionen pro­ testiert die sonst überraschend zustimmende Besprechung Karl Vorländers in: KS 17, 1912, S. 129 f. Vorländer rügt, daß Rosikat seinen Persönlichkeitsbegriff auch zum „Lobe des Patriarchalismus“ heranziehe, und hält dage­ gen, daß die Persönlichkeit nicht allein im Staatsdienst gedeihe: auch die „soziale Frage“ und „der recht verstandene Sozialismus“ biete für die „sittliche Persönlichkeit“ reichlich „Gelegenheit zu breitester Entfaltung“. 1841 Rosikat 1911, S. 61, 83–86. – Die Kraft des „Glaubens“ freigesetzt und eine idealistische Lebensorientierung basiert zu haben, rechnete Rosikat Kant auch in seiner Auseinandersetzung mit dem „materialistischen“ Monismus als Verdienst an; vgl. seinen Vortrag: „Kant und der Monismus“ vor dem Königsberger Kepler­Bund (s. u., referiert in: KHZ Nr. 24, 15. 1. 1913). 1842 Hierzu vor allem Rosikats Klassiker­Interpretation, derzufolge Lessing, Goethe, Schiller auf den „Bau des neuen Reiches“ hingearbeitet hätten, 1911, S. 52 ff. et passim. 1843 Ebd., S. 86 f. 1844 Aufstellung der „Bohnenkönige“ und ihrer Reden seit 1905 siehe Tilitzki 2004a. Zwischen 1880 und 1900 weist Döhrings Liste (wie Anm. 1827), S. 431, eine deutlich höhere Zahl politisch anschlußfähiger Vortrags­ themen aus; so sprach 1882 Hans Prutz über Kant und der preußische Staat, veröffentlicht in: PrJb 49, 1882, S. 535–550 (schon im Sinne Rosikats argumentierend: der kantische Geist habe die siegreichen Schlachten von 1813/15 geschlagen), und 1889 referierte Gottlieb Krause über Kants Lehre vom Staat.

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auf, was wohl auch die betont „ausgewogene“, ins Unpolitische ausweichende Neutralität der meisten Ansprachen zwischen 1905 und 1914 erklärt. Neben der eher informellen Bohnengesellschaft hätte das 1906 gegründete Philosophische Semi­ nar der Albertina die Kant­Tradition institutionell festigen können. Doch hatte Rosikat richtig be­ obachtet, daß sich am Desinteresse der jeweiligen Lehrstuhlinhaber dadurch nichts änderte, so daß von dorther bis 1914 politisch ähnlich konnotierte Interventionen in den öffentlichen Raum ausblieben, offensichtlich, weil dort jener „echte Kantianer“ im Sinne der patriotischen Erwartung Rosikats fehlte. Überdies war der Fakultät wie dem preußischen Kultusministerium offenbar entgangen, daß man Kants Lehrstuhltradition kurz nach dem Verrauschen der Jubelfeier von 19041845 in höchst profaner Manier berufungspolitisch ein Ende bereitet hatte.1846 Denn das von Kant auf Krug und Herbart, 1833 auf Rosenkranz übergegangene philosophische Ordinariat, das dann Thiele (1882) und Busse (1898) verwalteten, erhielt 1905 die von der Fakultät erwünschte Neuausrichtung auf „Psychologie, Psychophysik und experimentelle Psychologie“, so daß Ernst Meumann, ein Schüler Wilhelm Wundts, berufen werden konnte. Bezeichnend für Walters Nachfolger Goedeckemeyer (1908) war, daß er 1913, zwischen Kraus­ kes dem „Befreiungskrieg“ gewidmeten Reichsgründungsrede vom 18. Januar und Winters eigen­ willig­pathetischer Kant­Vereinnahmung vom 5. Februar, am 27. Januar die traditionelle akademische Kaiser­Geburtstagsrede dazu nutzte, Wasser in den Wein nationaler Begeisterung zu gießen. Nicht nur vermied er, Kant zeitgemäß auf 1813 auszurichten. Er schien vielmehr mit der kargen Ankündigung einer Rede „Über Metaphysik“ überhaupt jeder Thematisierung Kants ausweichen zu wollen, um der Versuchung zu entgehen, diesen tagespolitisch erwünschten Bogen schlagen zu müssen. Trotzdem bil­ det eine weltanschaulich­politisch brisante, der von Rosikat oder Winter bevorzugten Version ganz entgegengesetzte Kant­Auslegung den Angelpunkt dieser Festrede. Was sich in ihr zu Wort meldet, ist die andere, die liberal­demokratische Königsberger Kant­Tradition. Goedeckemeyer wandte sich gegen einen Zeitgeist, der als Reaktion auf das weltanschaulich vermeintlich desinteressierte neukan­ tianische „Vorwiegen erkenntnistheoretischer Forschungen“ zur Metaphysik zurückrufe.1847 Wer im Namen Thomas von Aquins oder Hegels die „alte Stellung der Metaphysik“ zurückgewinnen wolle, wer unter dem Etikett der „neuen“ eine „induktive Metaphysik“ kreiere wie Oswald Külpe, falle hinter Kants Einsichten zurück und könne dies daher nur unter Preisgabe wissenschaftlicher Ansprüche tun. Seit Kant seien „die Tage der Metaphysik als Wissenschaft vom Transzendenten, trotz aller Versuche, sie wieder zu beleben, gezählt“.1848 Metaphysische Aspirationen seien daher allein dem „Glauben“ zu überlassen, dem individuellen „Fürwahrhalten“, das wegen seiner „Subjektivität und Relativität“ nie allgemein verbindlich werden könne. Die preußische Tradition, auf die sich Goedeckemeyer hier­ für berief, war das Wort Friedrich des Großen, wonach jeder nach seiner Façon selig werden möge. Allenfalls tauge das ganze metaphysische „System von Seins­ und Wertbegriffen“, die man nach Er­ scheinen der „Kritik der reinen Vernunft“ nicht mehr auf „das wahrhaft Seiende“ beziehen dürfe, noch als „Hilfsmittel für die Fixierung, Ordnung und Berechnung der in unaufhörlicher Veränderung Zum Ablauf der Königsberger Feierlichkeiten 1904 kurz Malter (wie Anm. 1827), S. 20–23. In der Kant­Literatur regiert in Sachen „Nachfolge“ die pure Beliebigkeit. Bunt durcheinander geht es z. B. bei Dietzsch 1987, S. 421, der als „Rosenkranz’ [und damit Kants] Nachfolger“ zwischen 1879 und 1945 aufzählt: Walter, Goedeckemeyer, Hans Heyse, Arnold Gehlen und Eduard Baumgarten sowie Konrad Lorenz. Ein Blick in die Akten verschafft jedoch über die Reihenfolge Klarheit: Walter folgte zum WS. 1875/76 dem nach Leipzig berufenen Max Heinze, der wiederum, ab SS. 1875 auf dem Lehrstuhl des nach Marburg gewechselten Bergmann Platz genommen hatte. Bergmann war, auf Empfehlung von Harms und Trendelenburg, zum SS. 1872 Ueberweg gefolgt (GStA, I. HA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VIII, Bl. 170–172). Dazu wie zur Nf. Rosenkranz s. o. Kap. 2.2.4.1.. 1847 Goedeckemeyer 1913, S. 81. 1848 Ebd., S. 85. 1845

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begriffenen Empfindungswelt“. Diesen Pragmatismus, diese „ ‚Degradierung‘ “ der Metaphysik zum „bloßen Instrument“ theoretischer wie praktischer Lebensbewältigung, legitimierte Goedeckemeyer mit einem Hinweis auf die 1911 veröffentlichte „Philosophie des Als Ob“ Hans Vaihingers.1849 Über die „nicht gering zu achtende kulturelle Konsequenz“ dieser von ihm als unzeitgemäß einge­ schätzten Kant­Deutung schwieg sich Goedeckemeyer weitgehend aus.1850 Daß er damit der im Na­ men Kants proklamierten nationalistisch­etatistischen Verabsolutierung des Allgemeinen den Boden entzog, den „Seinsbegriff“ des „Vaterlandes“ wie den preußisch aufgeladenen „Wertbegriff“ pragma­ tisch „degradierte“ und in ihrer „Relativität“ zur Disposition individuellen „Fürwahrhaltens“ stellte, zählte jedenfalls zu den impliziten „kulturellen Konsequenzen“, die Goedeckemeyer in einer Geburts­ tagsrede auf seinen Landesvater lieber nicht offen aussprach. Ein Jahr nach dieser vorsichtigen Positionsbestimmung versuchte Goedeckemeyer unmittelbar Einfluß auf die Ausgestaltung der lokalen Kant­Tradition zu gewinnen. Äußerlich schien es so, daß er dabei mit einigen Honoratioren der „Bohnengesellschaft“ an einem Strang zog. Es ging um die Frage, ob Kants sterbliche Überreste im Königsberger Dom erneut beizusetzen oder, wie es in einer Umfrage der Hartungschen Zeitung hieß, ob es wünschenswert sei, „Kant eine freie, eigene Grabstätte zu geben und seine Gebeine in einem besonderen Mausoleum beizusetzen“. Diese Alternative ergab sich aus dem maroden Zustand der an der Nordseite des Domes angebauten Grabkapelle, in die man Kants Gebeine 1881 umgebettet und auf deren Verfall die preußische Regierung bereits 1907 aufmerksam gemacht hatte, zugleich den Magistrat auf schnelle Abhilfe drängend. Seitdem waren sieben Jahre ver­ strichen, und die in der „Bohnengesellschaft“ recht solide Mehrheit für eine Umbettung in den Dom trug einen neuerlichen Beschluß der Stadtverordnetenversammlung mit, die Kapelle abzubrechen und „die Gebeine des Philosophen unter Anbringung eines Epitaphs im hohen Chor des Domes zu be­ statten“. Doch „plötzlich“ setzte Ende Januar 1914 „eine ganz neue Bewegung ein, die rasch Anhang gewann“.1851 Federführend hatte den „Aufruf zur Errichtung eines Kantmausoleums“ der Königsber­ ger Gymnasialprofessor Otto Schöndörffer unterzeichnet, während Goedeckemeyer seine Kollegen in einem Rundschreiben um Stellungnahmen bat.1852 Die Stoßrichtung zielte unmißverständlich darauf, Ebd., S. 89 f. Ebd.; erhofft wird nur, daß der Pragmatismus sozial integrierend wirke, weil er „metaphysisch“ bedingte Ge­ gensätze entschärfe. 1851 KHZ Nr. 595, 19. 12. 1920; ungez. Artikel, vermutlich von Ludwig Goldstein. 1852 Vgl. den „Aufruf zur Errichtung eines Kantmausoleums“, unterzeichnet von Otto Schöndörffer (KHZ Nr. 171 v. 12. 4. 1914 und Nr. 235 v. 21. 5. 1914), während Goedeckemeyer an Kollegen ein Rundschreiben verschickte. Überliefert ist u. a. seine Anfrage an Rudolf Eucken, Königsberg, d. 24. 2. 1914 (Thüringische Universitäts­ und Landesbibliothek Jena, Nl Eucken I, 9: Brief G 197): „Sehr geehrter Herr Geheimrat. Wegen der Baufälligkeit der Grabstätte Kants ist man hier auf den alten (vgl. Kantstudien XIII, 167 ff.) Gedanken zurückgekommen, Kant im Dom beizusetzen. Nach der Ansicht vieler Kantfreunde würde es angemessener sein, wenn man ihm, was schon Rosenkranz betonte, eine eigene Grabstätte errichtete. Wir erlauben uns, auch Ihnen den Aufruf zu unterbreiten und würden uns freuen, wenn Sie gestatteten, auch Ihre Unterschrift zu benutzen. Zu großem Dank würden Sie uns verpflichten, wenn Sie auch sonst unsern Plan unterstützen würden …“ – Der Feuilletonchef der KHZ, Ludwig Goldstein, übernahm es, einen kleineren Kreis ihm persönlich bekannter Philosophen und Schriftsteller anzufragen. Überliefert ist die Antwort des Kant­Biographen Karl Vorländer, Solingen v. 29. 1. 1914 (Staats­ und Landesbibliothek Dortmund, Nl Vorländer Nr. 7239): „Indem ich Ihnen für die Zusendung Ihres mich sehr interessierenden Artikels bestens danke, möchte ich auf Ihre Anfrage zusammenfassend folgendes erwidern: 1. Der jetzige Zustand (Kantkapelle) erscheint auch mir unwürdig und eine Erneuerung an derselben Stelle ebenfalls unrichtig. Aber ich kann mich 2. auch für die Unterbringung im Chor der Domkirche, trotzdem Sie gut dafür plä­ diert haben, nicht erwärmen, sondern würde 3. eine besondere, vielleicht mausoleumartige Grabstätte im Freien, die allen ohne weiteres zugänglich wäre, als das Schlichteste, Würdigste und für den freigesinnten Philosophen Passendste empfinden. Ob dazu der jetzige oder alte Steindammer Friedhof passend ist, vermag ich, da ich ihn nicht kenne, nicht zu beurteilen. Hoffentlich wird die Sache nicht übers Knie gebrochen und hört man auch die 1849 1850

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eine – gerade vom Führungspersonal der Provinz, allen voran dem Oberpräsidenten und Kurator Lud­ wig von Windheim bevorzugte1853 – Umbettung des „Weltweisen“ in den Dom, das „preußische West­ minster“, zu verhindern. Die meisten der von auswärts eingeholten und auf den Titelseiten der Har­ tungschen publizierten Antworten auf die Umfrage betonten denn auch, ganz im Sinne Schöndörffers und Goedeckemeyers, wie unpassend es sei, den Verfasser der „Kritik der reinen Vernunft“, den von Wöllner gemaßregelten Aufklärer, über dessen Distanz zur konfessionellen Religion kein Zweifel be­ stünde, in einer Kirche beizusetzen, wo im übrigen ein ungehinderter Zugang nicht gewährleistet und die „Einzigartigkeit“ des Philosophen zwischen Epitaphen für mindere Geister, mithin als „Grab unter Gräbern“, zu sehr gefährdet schien.1854 Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zwang zur Vertagung dieses Streits. Auch war von Kant mitten im Waffenlärm jahrelang wenig die Rede. Schon gar nicht in Königsberg. Der philosophische Heros der „Ideen von 1914“ hieß Fichte.1855 Aber selbst an dessen kriegspropagandistischer Verwer­ tung beteiligten sich Professoren der Albertina kaum ansatzweise. Goedeckemeyer, anders als sein ein­ gezogener Kollege Ach ständig am Ort und bemüht, den Vorlesungsbetrieb aufrechtzuhalten, überließ Kriegsdeutung und weltanschauliche Ausrichtung der Heimatfront in Gänze den Theologen, den Ju­ risten und den äußerst umtriebigen beiden Historikerkollegen Brackmann und Krauske.1856 So wenig wie Goedeckemeyer fühlte der einzige philosophische Privatdozent, der vom Militärdienst befreite Kowalewski, eine Verpflichtung, ideologisch mobil zu machen. Die Bohnengesellschaft, obwohl die meisten ihrer älteren Mitglieder präsent waren, pausierte für die Dauer des Krieges. Erst am 22. April 1920 begrüßte der letzte Vorkriegs­Bohnenkönig, Schulrat Heinrich Gerschmann, die Kant­Freunde und hielt die traditionelle Rede, die auf Albert Einsteins damals in allen Feuilletons diskutierte Relati­ vitätstheorie Bezug nahm: „Die kantische und die neueren Lehren vom Raum“.1857 Geographische Gesellschaft von 1882 Hermann Wagner, der erste Inhaber des Königsberger geographischen Lehrstuhls, propagierte früh die ökonomische und demographische Unabwendbarkeit einer kolonialen Ausbreitung des jungen Deut­ schen Reiches nach Übersee. Über das ihm dafür richtungsgebende britische Empire, über „England öffentliche Meinung Deutschlands besser als damals, wo man Kants Wohnhaus abbrach. Die Stadt Königsberg hat an dem Andenken Ihres größten Sohnes noch manches gut zu machen.“ Pochend auf „Wiedergutmachung“ auch Vorländers publizierte Antwort zur KHZ­Umfrage, in: ebd. Nr. 181, 19. 4. 1914. 1853 s. KHZ Nr. 181, 19. 4. 1914. 1854 Vgl. die Antworten von Paul Stettiner (Stadtschulrat und „Kultusminister“ Königsbergs), Wilhelm von Pech­ mann (Bankier, München), Oberpräsident von Windheim, Oberpräsidalrat Georg Graf Lambsdorff, Otto Hieber (Sanitätsrat, Königsberg), Stanislaus Cauer (Bildhauer an der Kunstakademie), Bruno Bauch, Wilhelm Wundt, Georg Simmel, Paul Schlenther, Erich Becher und Rudolf Eucken (KHZ Nr. 171, 12. 4. 1914); es folgten Anton Ulbrich (Baugewerkschule Königsberg), Wilhelm Windelband, Benno Erdmann, Ludwig Fulda, Ernst Marcus, Karl Vorländer, Richard Pfeiffer, Ludwig Dettmann (Kunstakademie Königsberg), Franz Rühl, Paul Natorp, Gott­ lieb Krause und Arthur Warda (KHZ Nr. 181, 19. 4. 1914) sowie Richard Dethlefsen (Provinzialkonservator), Ludwig Goldstein, Friedrich Lahrs (Kunstakademie, der Architekt des dann 1924 ausgeführten Mausoleum­Ent­ wurfs), Otto Heichert (Kunstakademie), Theobald Ziegler, K. Söckning und Hans Vaihinger (KHZ Nr. 205, 3. 5. 1914) sowie als Nachzügler die Philosophen Hermann Cohen, Moritz Kronenberg und Franz Erhardt sowie Regierungspräsident v. Keyserlingk, und „zwei Kant­Verehrerinnen“ (KHZ Nr. 229, 17. 5. 1914). 1855 Vgl. Lübbe 1974, S. 200–205. Daß daneben Kant in bescheidenem Umfang ideologisch funktionalisiert wurde, rekonstruiert Hoeres 2002. Von den Königsbergern Kantkennern beteiligt sich, mit pazifistischem Akzent, allein Schöndörffer 1917. 1856 Dazu Kap. III. 1857 Zur Rede des Provinzial­Schulrats Gerschmann (1858–1928) vgl. Das Bohnenmahl der Kant­Gesellschaft, in: KHZ Nr. 190, 23. 4. 1920.

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und seine Colonien“ hielt er im WS. 1878/79 eine gut besuchte Vorlesung, 1858 und außerhalb der Universität scheint der leidenschaftliche Didaktiker und Popularisator für die Kolonialidee geworben zu haben.1859 Wäre er nicht im Herbst 1880 nach Göttingen berufen worden, hätte die Gründung einer geo­ graphischen Gesellschaft gewiß nicht lange auf sich warten lassen, eines Forums, um das Interesse des Königsberger Publikums für die außereuropäische Welt wie für die koloniale Expansion zu gewinnen. An Wagners Stelle ergriffen Ende 1881 der von ihm promovierte Friedrich Hans Lullies, sein Lehrstuhlnachfolger Karl Zöppritz und der vielgereiste Archäologe Gustav Hirschfeld, nebenher Reise­ Feuilletonist und Didaktiker der Geographie,1860 die Initiative zur Gründung einer solchen Gesell­ schaft. Am 10. Februar 1882 fand die konstituierende Sitzung mit einem Hirschfeld­Vortrag über Entdeckungsreisen im Altertum statt.1861 Am Vorstandspersonal, paritätisch besetzt mit Zöppritz, Hirschfeld sowie den beiden Gymnasial­ lehrern Lullies und Georg Ellendt1862, dazu als Kassenwart der Kaufmann Wilhelm Japha, ist abzu­ lesen, daß sich auf dieser Bühne Universität und Stadt begegnen sollten. Das Programm der ersten hundert Veranstaltungen bis 1898 zeigt, daß das hier vermittelte geographische Wissen im Zeichen kolonial­imperialer Erwartungen und Wünsche stand. Und dies, obwohl weder der Geomorphologe Zöppritz als Vorsitzender, und nach dessen Tod 1885 Hirschfeld, der passionierte Erforscher der histo­ rischen Geographie Griechenlands, noch Lullies, dessen Blicke auf Zentralasien gerichtet waren, sich kolonialpolitisch sonderlich engagierten.1863 Trotzdem beschäftigte sich ein Viertel aller Vorträge bis 1898 mit den deutschen „Schutzgebieten“ in West­, Südwest­ und Ostafrika sowie mit dem deutschen Streubesitz in der Südsee. Mit dem seit 1890 in Königsberg praktizierenden Arzt Otto Schellong, der zuvor sechs Jahre als Malariaforscher, Anthropologe und Regierungsarzt auf Neu­Guinea zugebracht hatte, stand ein Experte an Ort und Stelle zur Verfügung,1864 und auch manche Offiziere, die über Afrika referierten, scheinen der Königsberger Garnison angehört zu haben, so etwa der spätere Mit­ Sieger von Tannenberg, Hauptmann Hermann von François, der im März 1897 über „Leben und Treiben“ des renitenten Hottentottenhäuptlings Witboi und die militärischen Schwierigkeiten bei der „Befriedung“ Südwestafrikas sprach.1865 Für die unmittelbare Nachbarschaft, das Baltikum, Russisch­Polen, erst recht für die ostpreußische Landeskunde,1866 die man bis zur Jahrhundertwende der PhÖG und der Prussia überließ, fühlten die in exotischen Fernen schweifenden Liebhaber der Geographie sich lange nicht zuständig. Soweit GStA …, Sek 11, Tit VII, Nr. 1, Bd XIV, unpag; verzeichnet sind 27 Hörer Wagner 1881. 1860 Vgl. nur Hirschfeld 1891a–c; und als Beispiel für Hirschfelds Feuilletonismus: 1891d. 1861 Tesdorpf 1898, daraus auch das folgende. 1862 G. Ellendt (1840–1908), Altphilologe, 1865 Lehrer am FC, 1891 dessen Direktor. 1863 Zöppritz sprach am 14. 12. 1883 über „Frankreich und seine Colonien“, offenbar mit sehr kritischen Seiten­ hieben, da er die Franzosen für unfähig hielt, über afrikanische Völker zu herrschen, eine Unfähigkeit, die zu allerlei „Übergriffen“, gewalttätigen Repressionen usw. führe. Reine Deskription bot am 14. 11. 1884 sein Referat über „Die deutschen Schutzgebiete in Westafrika“ (Tesdorpf 1898). 1864 O. Schellong (1858–1945), APB 603. Er sprach erstmals im Dezember 1888, wohl während eines Urlaubs, über die „Papuanen Neuguineas, ein Volk der Steinzeit in der Gegenwart“, 1892 über sein öfter im Verein für wissenschaftliche Heilkunde traktiertes Lieblingsthema, die Einwirkungen des Tropenklimas auf Europäer. 1865 Tesdorpf 1898, S. 180–183; Fortsetzung der Übersicht über die Sitzungen bis 1925 in: GStA, XIII. HA, Film 89. 1866 Ostpreußische Landeskunde war die Domäne von PhÖG und Prussia, aber auch den 1872 gegr. Verein für die Geschichte von Ost­ und Westpreußen darf man nicht vergessen. Mit diesen Vereinen wollte die Geographische Gesellschaft offenbar nicht konkurrieren. In den ersten 20 Jahren sprachen daher nur Lullies über die Entstehung der masurischen Seen (1892), v. Negelein über Land und Leute auf der Kurischen Nehrung (1903) und Schellwien über den geologischen Bau der samländischen Küste (1903). 1858

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das Zarenreich ihre Aufmerksamkeit fand, galt der Grundsatz: je weiter fort von der ostpreußischen Grenze, desto interessanter. Fast zehn Jahre mußten seit der Gründung vergehen, bis den Zuhörern erstmals ein Vortrag über Russisch­ und Österreichisch­Polen geboten wurde. Der Kunsthistoriker Hermann Ehrenberg, der die polnische Malerei nur streifte, da er sie als Propagandakunst im Dienst der nationalen Sache für minderwertig erachtete, schilderte lieber die Verhältnisse jenseits der ost­ preußischen Grenze, wo sie ihm als wenig einladend erschienen waren. Warschau werde zu einem Drit­ tel von Juden bewohnt, die „streng hebräisch“ lebten, „unberührt von der abendländischen Kultur“. Die Schlösser um Warschau bezeugten ihm den Ratschluß der Weltgeschichte, „wonach ein verderbtes Polentum dem Untergang verfallen mußte“. In Krakau vermißte er das einst „blühende Deutschtum“, das polnischem Druck gewichen sei. Wie repräsentativ Ehrenbergs negatives Polen­Bild war, ist kaum abzuschätzen, aber das erwähnte auffallende studentische Desinteresse an der Sprache und Geschichte des Nachbarvolkes wie der Umstand, daß erst wieder 1918 ein Referent (Friederichsen) über Polen sprach, sind doch Indizien, die für eine sehr verbreitete herablassend­gleichgültige Haltung sprechen. Der Königsberger Goethebund Ausgerechnet an der erfolgreichsten Vereinsgründung, die Königsberg im 20. Jahrhunderts erlebte, dem 1901 sich konstituierenden „Goethebund“, nahm die Professorenschaft bis 1918 fast keinen Anteil. Dabei entstand mit diesem Zusammenschluß des bildungsbürgerlichen Mittelstandes binnen weniger Monate das größte Vortragsforum der Stadt. Im April 1901 war die Gründungsversammlung einberufen worden, im November desselben Jahres begrüßte man das 1.000. Mitglied, im Januar 1902 standen 1.800 Namen in der Mitgliederkartei, eine bis zum I. Weltkrieg konstante Zahl, die dann infolge sehr öffentlichkeitswirksamer Vorträge zum Wohl von Soldaten und Flüchtlingen bis 1916 auf 2.350 anstieg. Anstoß für den Zusammenschluß gab 1898 das „Lex Heinze“. Nach dem Vorbild des Berliner Goethebundes, an dessen Spitze neben dem Strafrechtler Franz von Liszt der ostpreußische Erfolgs­ autor Hermann Sudermann stand, formierte sich der Königsberger Ableger zur „Abwehr der Bestre­ bungen, die freie Kunst und die freie Wissenschaft in Deutschland unmöglich zu machen“.1867 An der Albertina schien man diese Gefahr für gering zu achten, denn allein der Altphilologe August Brink­ mann unterschrieb den Aufruf eines „Comités“, das zur ersten öffentlichen Versammlung in der Deut­ schen Ressource einlud.1868 Diese akademische Zurückhaltung hatte Gründe. Die konservative Presse schmähte den Bund als Sammlungsbewegung regierungs­, staats­ und reichsfeindlicher Elemente. Die penetrante Beschwörung der eigene „Objektivität“, der „reinen Parteilosigkeit“ sowie der „Sittlichkeit“ der eigenen Ziele half dagegen wenig. Eine Musterung der Königsberger Initiatoren ergibt tatsächlich, daß sich hier der traditionelle Linksliberalismus der Stadt eine attraktive Plattform geschaffen hatte – allerdings das letzte Mal vor 1918. Die beiden einzigen Frauen, die dem Vorstand angehörten waren Pauline Bohn, Witwe des 1888 verstorbenen Pädiaters Heinrich Bohn, und Hulda Peters, Witwe des Astronomen Carl Peters. Ihre Ehemänner waren stadtbekannte Parteigänger des „Fortschritts“. Ihre Frauen teilten stets deren politische Überzeugung. Hulda Peters saß seit Ende der 1890er einem Verein Frauenbildung und Frauenstudium vor. Bohns Gesinnungsfreund während der „Konfliktzeit“ seit 1861, der „Dichter und Richter“ Ernst Wichert, fand es wichtig genug, von Berlin aus anzurei­ sen, um den Taufakt in der Ressource rhetorisch einzuleiten.1869 Die Redakteure der linksliberalen Hartungschen Zeitung wollten nicht fehlen. Einer von ihnen, der Feuilletonist Ludwig Goldstein, ein Schüler von Schade und Baumgart, bei letzterem 1896 mit einer Arbeit über Moses Mendelssohn

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Zur Geschichte vgl. Schwonder 1931. Schwonder, S. 4 f. Seine Rede ebd., S. 9–11.

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promoviert, stieg 1906 vom Schriftführer zum ersten Vorsitzenden auf, blieb auf diesem Posten bis 1929 und wußte den Bund bis dahin für seine kulturpolitischen Ziele weidlich zu nutzen, zu denen bis 1918 gehörten: einer moderaten literarischen (Ibsen, Strindberg, Hauptmann, A. Holz, Wedekind, Hofmannsthal, Dehmel, Gorki) und künstlerischen (Corinth, Liebermann) Moderne in Königsberg Eingang zu verschaffen sowie die „ästhetische Bildung“ dadurch zu fördern, daß er – bei größtem Zuspruch – das „Sehen lernen“ einübte, auf landeskundlichen Exkursionen zu den Bauwerken der Pro­ vinz, zumeist zu den Hinterlassenschaften der Ordenszeit. Nach und nach, mit größerem Widerhall aber erst ab 1919, spannte er den Bund auch in die von ihm eifrig verfolgte Erinnerungspolitik ein, die Ostpreußens Dichter und Denker im öffentlichen Raum durch Denkmäler („monumentale Ehrungen für Männer von Bedeutung“) präsent machen wollte.1870 Daß ihn dabei die Universität fast völlig im Stich ließ,1871 lag nicht an diesen wenig revolutionären Bemühungen zur ostpreußischen Identitätsstiftung, sondern an dem linksliberalen Nimbus, den Dar­ win­ und Heine­Feiern ebenso festigten wie die demonstrative Offenheit gegenüber den Bestrebungen des Königsberger Monistenbundes (s. u.), dessen Vorsitzender Heinrich Michelis seit 1910 auch als Schriftführer in Goldsteins Vorstand saß.1872 Erst mit der „vaterländischen Bewährung“ im Weltkrieg verflüchtigte sich dieser Nimbus,1873 obwohl Goldstein dagegen protestierte, im letzten Kriegsjahr zu Unterhaltungsveranstaltungen („100 frohe Abende“) zwecks Stabilisierung der Heimatfront, „zu bloßen Vorspanndiensten für augenblickliche politisch­nationale Stimmungsmache“, allzu demons­ trativ herangezogen zu werden.1874 Die Gesellschaft für Ethische Kultur, die Monisten und der Keplerbund Die Königsberger „Materialisten“ unternahmen 1896 einen Sammlungsversuch, als sie, in Anwesen­ heit Moritz von Egidys, eine Ortsgruppe der „Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur“ gründe­ ten. Ende 1897 zählte dieses Häuflein 76, mehrheitlich offenbar weibliche Mitglieder, die auch das bescheidene Engagement auf dem Gebiet der Sozial­ und Schulpolitik (Elternrechte, Frauenbildung) steuerten. „Betrübend“ nannte eine der Königsberger Damen die Verhältnisse in der Pregelstadt, da die „oberen und unteren Schichten, Professoren und Arbeiterwelt“, aufgrund des dort besonders aus­ geprägten „Kastengeistes“ überhaupt nicht zu gewinnen seien. Ohne Mitgliedseinnahmen lasse sich aber kein Einfluß auf die Öffentlichkeit nehmen. Eine Auskunftstelle für Wohlfahrtseinrichtungen sei Darum beteiligte sich der Bund an der Sammlung für eine Kant­Grabstätte. Eine erste, von Stanislaus Cauer gefertigte Gedenktafel wurde am 7. Juni 1914 in der Löbenichtschen Langgasse 12 angebracht, wo Heinrich von Kleist während seiner Königsberger Zeit gewohnt hatte (Schwonder 1931, S. 50). Zu diesen noch völlig uner­ forschten Bestrebungen, die ostpreußische „Identität“ zu beleben, schweigt sich das auf letztlich kümmerlicher Quellenbasis erstellte Werk von Robert Traba 2010 vollständig aus. Zu Goldstein, der Thomas Mann nach Ost­ preußen und ins Niddener Sommerhaus lockte, vgl. Bd. II. 1871 Abgesehen von Haendcke und Kohlrausch, die sich mit dem Goethebund solidarisierten als er 1910 mit den Königsberger Behörden darum rang, das von denen verhängte Aufführungsverbot für Wedekinds ‚Frühlings Erwachen‘ wieder zurückzunehmen, vgl. Schwonder 1931, S. 34 ff. (39). Bezzenberger referierte 1914 im Be­ gleitprogramm zu der vom Bund getragenen Ausstellung „Die Kurische Nehrung in Wissenschaft und Kunst“. Der Gemanist Baesecke sprach im November 1917 auf einem Abend zu Ehren des Reformators über „Luther in deutscher Sprache und Literatur“ (Schwonder 1931, S. 49, 59). 1872 Ebd., S. 32. 1873 Zuletzt hatte die Geschäftsführerin des Bundes, die 1880 in Ragnit geb. Schriftstellerin Dr. Elisabeth Brönner­ Höpfner (1919 für die DDP in der Nationalversammlung, während der 20er Jahre publizistische Kämpferin gegen die litauische Annexion des heimatlichen Memellandes), Ehefrau des KT­Chefredakteurs Wilhelm Brönner, im September 1918 eine große „Litauische Ausstellung“ im Königsberger Heimatmuseum organisiert, die für den faktischen Anschluß eines von Rußland abgetrennten Satellitenstaates Litauen warb (Schwonder 1931, S. 61–63). 1874 Ebd., S. 60. 1870

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aus Mangel an Kräften wieder geschlossen worden. Nur die 1896 eröffnete „Lesehalle“ der Ortsgruppe werde gut besucht. Lade man zu Vorträgen des freireligiösen Pastors Ziegler, fände sich sogar „viel“ Pu­ blikum ein. Ein Zuspruch, der ermutige, eine „Vereinigung weiblicher kaufmännischer Angestellter“ ins Leben zu rufen, zumal man sich in der Bewegung etwas freier fühle, nachdem die „Polizeiobhut“ nachgelassen habe.1875 Zwei Jahre später hatten sich solche Ausblicke als allzu hoffnungsfroh erwiesen. Der Berliner Phi­ losoph Moritz Kronenberg, „Vordenker“ der Gesellschaft, machte die Hauptversammlung mit dem Niedergang der Königsberger Abteilung vertraut. Daran trügen Interessenkollisionen mit anderen kleinen, gleichgerichteten Vereinen, der Freireligiösen Gemeinde und dem linksliberalen „Verein Waldeck“ die Hauptschuld. Überdies vollziehe sich bei den Freireligiösen eine Spaltung: die älteren Mitglieder hielten im Geist von Julius Rupp am Deismus als religiöser Basis der Moralität fest, die jün­ geren unter Pastor Ziegler seien „rationalistisch“. Da sich die Ortsgruppe aus dem Mitgliederreservoir der Freireligiösen speise, wirkten deren Zerwürfnisse auf sie zurück.1876 1903 war sie dann auf zehn Mitglieder zusammengeschmolzen, nachdem das interne Gegeneinander von „radikalen Freidenkern, Theisten und Deisten“ jede Außenwirkung unmöglich gemacht hatte.1877 Anders als in Berlin, wo mit Georg von Gizycki ein Extraordinarius die „Gesellschaft“ mitbegründete und wo sie Einfluß im akademischen Milieu gewann,1878 fand von den Dozenten der Albertina niemand den Weg zu ihr. Allein der Dermatologe Samuel Jessner, als „Waldecker“, bezeugte Sympathie1879, doch gerade solche Parteinahme versperrte ihm zu dieser Zeit den Zugang zur Privatdozentur.1880 Aber gerade die Königsberger „Freidenker“ sammelten sich 1908 wieder, um eine Ortgruppe des Deutschen Monistenbundes ins Leben zu rufen. Verglichen mit Berlin oder Hamburg nahmen sich de­ ren Mitgliederzahl (bis 1914 unter 100) und das Vortragsprogramm zwar eher bescheiden aus. Jedoch blieb diesmal der akademische Zuspruch nicht ganz aus: der Anatom Richard Zander, der Neurologe Kurt Goldstein („Das Großhirn als Sitz der höheren Seelentätigkeiten“) und der Internist und Herz­ spezialist Ernst Rautenberg übernahmen „monistische“ Vorträge. Zander, der seit 1885 im Rahmen seiner anatomischen Lehrveranstaltungen regelmäßig über die Evolution des Menschen las, bekannte sich als mit viel „Reklame“ angekündigter Festredner des „Darwin­Gedächtnisaktes“, zum 100. Ge­ burtstag des Biologen, emphatisch zur Evolutionstheorie.1881 Die Ortsgruppe stand unter der Führung des rührigen Oberrealschullehrers Heinrich Michelis. Er war der Sohn von Arthur Michelis, eines Schülers vom „alten Neumann“, dem Physiker. Der Senior war Professor für naturwissenschaftliche Fächer am Städtischen Realgymnasium. Ausgerechnet der Neuidealist Ludwig Busse promovierte den jungen Michelis 1903 mit einer Dissertation über ‚Scho­ penhauers Stellung zum psychophysischen Parallelismus‘. 1906 bekannte sich der junge Doktor mit einer aus dem üblichen Rahmen fallenden Rede zum Sedantag als Pazifist. 1914 erschien eine Revue über ‚Monistische Charakterköpfe‘, versehen mit einem „Leitwort“ Herbert Eulenbergs: „Frei ist die Menschheit, tot sind die Götter,/unser ist dieses Leben und Land/“. Das Werk begrüßt den Leser mit GEthK, Protokoll der 4. ord. Hauptversammlung Berlin 9.–11. 10. 1897, S. 8, Bericht der Delegierten Frl. Thierbach, Königsberg. 1876 GEthK, Protokoll 6. ord. HV Wiesbaden 21.–23. 10. 1899, S. 8; Bericht Kronenberg über die Lage der Königsberger Abteilung der „Gesellschaft“. 1877 Ebd., Protokoll 10. HV. München 10.–12. 10. 1903, S. 11; Kronenberg zur Lage in Königsberg. Ein letztes Lebenszeichen der Gruppe findet sich im HV.­Protokoll Berlin Januar 1910. Demnach zählte der Berliner Haupt­ verein 456 Mitglieder, Königsberg und Danzig nur noch je 10. 1878 Köhnke 1988. 1879 Das Protokoll der Berliner Hauptversammlung von 1897 erwähnt ihn als Teilnehmer (Anm. 1875). 1880 Zu Jessners verunglückten Start in die akademische Laufbahn, s. o., S. 193. 1881 Vgl. die Mitteilungen aus der Königsberger Ortsgruppe in: Der Monismus. Zeitschrift für einheitliche Weltan­ schauung und Kulturpolitik. Blätter des Deutschen Monistenbundes 4. 1909– 9. 1914, mit Anhang OG­Mitteilungen. 1875

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einem Kopernikus­Portrait, und es endet mit einem Hymnus auf Haeckel. Die ‚Charakterköpfe‘ seien im Bestreben verbunden, die Menschheit „von aller Jenseitsmoral“ freizumachen.1882 Michelis vertrat die SPD seit 1919 als Stadtverordneter, forderte im gleichen Jahr die Verbannung des Religionsunter­ richts aus der Schule1883 und leitete von 1919 bis 1921 die Königsberger Ortsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft. Parteiverbindungen dankte er 1921 seinen Aufstieg zum Studiendirektor an der Deutschen Oberschule in Jüterbog, einen Posten den er, wiederum politisch bedingt, 1933 verlor, als er, zum Studienrat degradiert, nach Pr. Friedland in die Provinz Grenzmark Posen­Westpreußen straf­ versetzt wurde.1884 In seiner Person verkörperte er die Synthese von Monismus und Sozialismus, den in der Blütezeit der Königsberger Ortsgruppe freilich nicht alle Mitglieder tolerierten.1885 Wie im Reich, so erstand den „Monisten“ auch in Königsberg mit dem „Keplerbund“ ein weltan­ schaulicher Widerpart. Die Königsberger Ortsgruppe des 1907 in Frankfurt/M. gegründeten Kepler­ bundes, dessen Namenspatron die Vereinbarkeit von Naturwissenschaft und Religion vermitteln sollte, dürfte 1908 aus der Taufe gehoben worden sein. Die Leitung hatten der Oberlehrer am Friedrichs­ kollegium Glage sowie der in Königsberg hochangesehene, spätere Generalarzt Benno Bobrik inne. Zu den anziehendsten Rednern der Ortsgruppe zählte der Neutestamentler Richard Adolf Hoffmann. Sein erster Vortrag über den „wahren Theismus“ fand am 19. Oktober 1909 statt, in den „trotz so­ fortiger Öffnung eines Nebensaales überfüllten Räumen des Polytechnischen und Gewerbevereins“. Anwesend war auch einer der prominentesten Haeckel­Antipoden, der Kieler Botaniker Johannes Reinke, in der anschließenden Diskussion freudig begrüßt vom Physik­Ordinarius der Albertina, Paul Volkmann, neben Hoffmann eine der akademischen Stützen der Königsberger Kepler­Gemeinde.1886 Hoffmann sprach im Januar 1912, abermals vor sich drängendem Publikum, über „Gottesvorstel­ lungen der Gegenwart“; und er nahm als Delegierter im Frühjahr 1912 an der Hauptversammlung des Keplerbundes in Düsseldorf teil, wo ein von ihm formulierter Antrag scheiterte, der Bund möge sich programmatisch auf die Versöhnung von Glauben und Wissen festlegen, um so der „Anerken­ nung übernatürlicher Kausalitäten“ den Weg zu bahnen. 1913 wies die Ortsgruppe 300 Mitglieder aus, fast vier Mal so viel wie die „Monisten“. Diese größere Resonanz zeugt von einem kurz vor dem Weltkrieg schon sehr geschwächten Linksliberalismus in der akademischen Bildungsschicht der Stadt. Die Vortragstätigkeit im Keplerbund spiegelt diese Kräfteverhältnisse auch für die Universität wider. Denn blieb bei den Monisten das Engagement auf einige Mediziner wie Zander und Kurt Goldstein beschränkt, traten im Keplerbund Angehörige aller Fakultäten ans Rednerpult. Unter den Theologen Michelis 1914, S. 67. Ders., ‚Staat, Kirche, Schule‘, 1919. 1884 Matull 1970, passim; Gause II, S. 699; KK 1912 ff. Zu A. Michelis (1845–?), Oberlehrer, seit 1893 Professor, Weisfert 156. Michelis jr. wurde 1878 geboren, starb nach 1938. 1885 Exemplarisch für eine konträre politische Übersetzung des Monismus stehen Leben und Werk des Geologen Erich Meyer, geb. 1874 in Königsberg, 1893 KneipG, Landmesser­ und Kulturingenieur­Ausbildung in Berlin 1893–1898, 1896–1903 naturw. Stud. FWU, Jena (Haeckel!), Göttingen. Aus Berlin vertrieben durch den „Geist radikaler, ironischer Skepsis“ („Es fehlte somit auch jede Weltanschauung und also jede ethische Richtschnur“), habe er bei Haeckel die Sehnsucht nach einer „befriedigenden Weltanschauung gestillt“. In den Berliner Moni­ stenbund, so sein Nachrufer, sei er dann als „unerschrockener Vorkämpfer“ eingetreten, habe sich aber später abge­ wandt, als die Versammlungen „immer mehr zum Tummelplatz rassefremder Elemente geworden waren, die durch Propagierung pazifistischer, internationaler Ideen nationales Empfinden zu zersetzen begannen“. Meyers Monis­ mus, an dem er gleichwohl festhielt, blieb der „Wunschreligion des Sozialismus und Pazifismus“ fern. Allein auf das „Gesetz der Auslese der Tüchtigsten“ als „unentrinnbares Naturgesetz“ habe er seine „Ethik des Lebendigen“ entfaltet (vgl. ‚Naturerkennen und ethisch­religiöses Bedürfnis‘, 2. Aufl. Königsberg 1906). Folglich fasste er den Weltkrieg 1914 auf als einen „typisch darwinistischen Fall“ eines „Kampfes ums Dasein“ auf, an dem teilzunehmen sich der 40jährige Kriegsfreiwillige drängte, der in einem Königsberger Regiment im März 1915 in den Karpathen fiel. Vgl. Harbort 1920. 1886 Bericht in: Unsere Welt 2, 1910, Heft 1, Anhang nach S. 48, unpag.. Vgl zu Hoffmann auch oben S. 210 f. 1882 1883

Universität und Öffentlichkeit

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bewies den eifrigsten Einsatz Hoffmann, der als Theist die Naturgesetze nur als „Zeugnisse“ für das Wirken Gottes verstehen wollte. Unter den Naturwissenschaftlern legte der Physiker Paul Volkmann gleichartige Bekenntnisse ab. Der Alttestamentler Johannes Herrmann, der Eucken­Schüler Hans Rust, 1912 für systematische Theologie habilitiert, der unentwegt um die Vermählung von Glauben und Wissen ringende Philosoph Arnold Kowalewski, die Germanisten Uhl und Ziesemer (seit 1913 im Vorstand), die Chemiker Benrath und Lassar Cohn, der Botaniker Mez, der Agrarwissenschaftler Mit­ scherlich, Volkmanns Habilitand Gerhard Hoffmann, die gleichfalls andeutungsweise teleologisch ar­ gumentierenden, „übernatürliche Kausalitäten“ und „schöpferische Kräfte“ anerkennenden Mediziner Schieck (Augenheilkunde, 2. Vorsitzender 1913/14), Weiß (Physiologie), Reiter (Hygiene), Gerber (HNO), Friedrich (Chirurgie), Puppe (Gerichtsmedizin), Scholtz (Dermatologie) – sie alle vereinten sich unter der Fahne des Keplerbundes zum Kampf gegen den Monismus, der „offen im Bunde mit der Sozialdemokatie atheistische Propaganda“ treibe, und sich dafür zu Unrecht auf die Erkenntnisse der Naturwissenschaft berufe.1887 Juristische Gesellschaft Sie nahm ihren Anlauf im Juni 1861, wies sofort 108 Mitglieder aus, steigerte die Zahl 1862 auf 125, die sich allmonatlich zum „Meinungsaustausch über Fachgegenstände“ trafen und zur „gesellige Ver­ einigung“, dabei wissenschaftliche oder praktische Vorträge hörend. Die Bildung von Sektionen war im optimistischen Überschwange geplant, ein erster Vortrag im Druck.1888 Anders als die etwa gleichzeitig entstandenen Juristischen Gesellschaften in Breslau, Gießen oder München, vor allem aber die Berliner, dem „Centralpunkt“, aus deren Kreis der „Deutsche Juristen­ tag“ hervorging, schwächelte das Königsberger Unternehmen jedoch schon drei Jahre nach seiner Gründung und ging „dem Verfalle“ entgegen. Und zwar zeitlich parallel zum siegreich beendeten Feld­ zug gegen Dänemark, dem ersten grandiosen Erfolg der Bismarckschen „Realpolitik“, die gerade dem Königsberger Linksliberalismus das Wasser abgrub. Wohl nicht zufällig zum gleichen Zeitpunkt, als im „fortschrittlich“ dominierten „Kränzchen“ die Nachfrage nach „Bildung“ dem Bedürfnis nach „Un­ terhaltung“ wich.1889 Eine im Januar 1889 gelungene Neugründung durch den linksliberalen Anwalt, Parlamentarier und regionalen Wortführer der Freisinnigen Volkspartei Robert Gyßling (1858–1912) erfreute sich anfangs zwar wieder reger Beteiligung auch der juristischen Professoren, allen voran Ga­ reis und Endemann, entging aber ab Mitte der 1890er Jahre offenbar nicht dem Schicksal ihrer Vor­ läuferin, dem Absinken ins bedeutungslos Private.1890

Keplerbund­Mitteilungen 61. 1914, Sp. 4 f., V. Hauptversammlung OG Keplerbund Königsberg v. 13. 11. 1913, Vorsitzender Oberlehrer Glage (FC) über Ziele und Arbeit des Bundes. Ansonsten Angaben nach dem Mitteilungsblatt des Keplerbundes, Beilage zu Unsere Welt 1909–1914. 1888 Mitteilung über die Anfänge in AprM 1, 1864, S. 80. 1889 Vgl. die Mitteilung AprM 2, 1865, S. 374 f. 1890 Vgl. Bericht 1890 und Bericht 1893, danach sind keine gedruckten Vereinsberichte mehr erschienen. Das Mitgliedverzeichnis spiegelt maximalen Pluralismus im Politisch­Weltanschaulichen. Aus der JurFak beteiligten sich Endemann, Gareis, Güterbock, Salkowski und Zorn sowie die späteren Privatdozenten Leo und Weyl. Die PhilFak war nur durch Umpfenbach vertreten. Ferner als Mitglieder aufgeführt die Universitätsrichter MacLean und v. d. Trenck, die höhere Königsberger Richterschaft und der RA Hugo Haase, im November 1918 für die USPD im Rat der Volksbeauftragten. Über den Königsberger Haase vgl. Held 2000.

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7.

Exkurs: Die Albertina – eine Familienuniversität?

Sondiert man in den Papierbergen Königsberger Doktorarbeiten, die zwischen 1870 und 1944 die 3.000er­Marke deutlich hinter sich lassen, dann ist unübersehbar, daß die Albertina bis zu ihrem Un­ tergang wenigstens „ein bischen“ auch eine „Familienuniversität“ geblieben ist. Natürlich nicht in dem Sinne, wie es in Gießen, Tübingen, Göttingen oder Greifswald während des 19. Jahrhunderts angeb­ lich üblich war, wo Sohn, Schwiegersohn oder Enkel den Lehrstuhl des Ahnen erbten.1891 Findet man dazu in Königsberg doch nur in Ansätzen eine Entsprechung. Der Physiker Franz Neumann war der Schwager des Astronomen Bessel und des Kunsthistorikers Hagen, der Vater des Ordinarius für Patho­ logie Ernst und des nationalökonomischen Privatdozenten Friedrich Julius Neumann. Ansonsten sind im letzten Jahrhundertdrittel Verwandtschaftsbeziehungen in der Professorenschaft eher selten. Die zunehmende Fluktuation dürfte daran erheblichen Anteil gehabt haben. Symptomatisch ist, daß der UB­Direktor Boysen seinem Kollegen Erman 1900 beglückt meldete: „In Universitätskreisen fehlt der Ostpreuße fast ganz“.1892 Trotzdem werden im Kollegium durch Heirat verwandtschaftliche Bande geknüpft. Der Kirchenhistoriker Carl Franklin Arnold wurde der Schwiegersohn des Systemati­ kers Heinrich Voigt, der Physiker Volkmann, einer dieser seltenen Ostpreußen in der Philosophischen Fakultät, heiratete eine Tochter des agrarwissenschaftlichen Kollegen Fleischmann, Georg Dehio ehe­ lichte Ludwig Friedländers Tochter. Otto Weiß, Assistent am Physiologischen Institut, nahm eine Tochter des Internisten Lichtheim zur Frau, der Pharmakologe Ellinger die Nichte seines Chefs Max Jaffé. Die beiden medizinischen Extraordinarien Paul Baumgarten und Hermann Münster verbanden sich mit den Töchtern des im Strudel von 1848 um die akademische Karriere gebrachten habilitierten Königsberger Arztes Hay, während der Chemiker Ernst Lassar Cohn eine Tochter des Pathologen Sa­ muel „heimführte“. Ellinger und Weiß folgten Jaffé und Hermann auf ihren Lehrstühlen, per Hausbe­ rufung. Von Nachteil dürften ihre Ehen dabei gewiß nicht gewesen sein, aber ein stärkerer, von außen wirksamer Einfluß als der interne von Ordinarien läßt sich eher bei Martin Kirschners Hausberufung entdecken. Denn der Chirurg war nicht mit einer Professoren­, sondern mit der Tochter des Gene­ rallandschaftsdirektors Kapp liiert, dessen Fürsprache bei dem oberpräsidialen Kurator Batocki 1916 denn auch gegen den einmütigen Widerstand der Fakultät den gewünschten Erfolg zeitigte.1893 Mit Friedländer­Dehio und Fleischmann­Volkmann saßen zwischen 1884 und 1895 also lediglich vier eng verwandte Ordinarien in der Philosophischen Fakultät. Ob es ihm bei seiner Berufung nach Königsberg geholfen hatte, daß der Neutestamentler Ernst Kühl der Schwiegersohn David Erdmanns war, eines ehemaligen theologischen Ordinarius der Albertina, ist zu bezweifeln. Der Kirchenhistoriker Heinrich Gisbert Voigt habilitierte sich, als sein Vater, der Dogmatiker, noch im Amt war, erhielt eine Berufung aber erst 1895 nach dessen Emeritierung und Tod. Sein Schwager Arnold war zu dieser Zeit

1891 1892 1893

Vgl. M. Baumgarten 1997, S. 93 ff., 130 ff. SBB, Nl. Erman; Brief v. 18. 11. 1900. Dazu unten Kap. III, 6. 3.

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schon Ordinarius in Breslau. Der Alttestamentler Sommer gab die Hand seiner Tochter dem Universi­ tätsbibliothekar Kuhnert, der jedoch seine Laufbahn im Westen fortsetzte. Über die mögliche „Fernwirkung“ verwandtschaftlicher Beziehungen ist nur zu spekulieren. Nach­ zuweisen ist allein, daß, wie geschildert, Voigt sen. seinen Lehrstuhl dem Kultusreferenten Kögel ver­ dankte, seinem Schwager. Ob Droysen hinter den Kulissen für seinen Schwiegersohn Henri Jordan einige Fäden zog, um ihm 1867 ein altphilologisches Ordinariat zu verschaffen, ist nicht belegbar. Zu vermuten ist allenfalls, daß der Einfluß ihrer berühmten Väter oder Onkel den Juristen His, v. Gierke, Kohlrausch und v. Blume, den Altphilologen Schoene,1894 Gercke, Heinze und Meister, den Medizi­ nern Esmarch, Lexer und Birch­Hirschfeld die Karriere zumindest erleichterte. Arthur Schoenflies war ein Vetter des Archäologen Hirschfeld, der 1895 starb, vier Jahre vor der Berufung des Mathematikers. Aber solche Beziehungsgeflechte haben nichts mehr mit der für Königsberg negativ zu beantwor­ tenden Frage nach der „Familienuniversität“ zu tun. Sie sind vielmehr typisch für die relative soziale Homogenität der wilhelminischen Gelehrtenschicht. Daß der Sohn eines Bremer Hafenarbeiters, der Historiker Dietrich Schäfer, es bis zum Berliner Ordinarius bringen konnte, ist mit Blick auf das geschlossene Milieu der Gebildeten eben bis in die 1930er Jahre als die ganz große Ausnahme anzu­ sehen. Universitäts­ und Gymnasiallehrer, höhere und mittlere Beamte, Ärzte, Pastoren und Anwälte, wohlhabende Kaufleute und Landwirte – die weitaus meisten der über 550 Lebensläufe Königsberger Dozenten im Zeitraum zwischen 1870 und 1918 weisen auf solche Herkunft zurück. Die Neigung un­ tereinander zu heiraten ist dabei wie selbstverständlich stark ausgeprägt. Bei knapp vierzig Biographien stößt man sogar auf einen professoralen Vater oder Schwiegervater. Dies ist die physische, leibliche Ba­ sis der Wissens­ und Werte­Produktion wie deren Vermittlung. Insofern ist jede deutsche Universität um 1900 tatsächlich „Familienuniversität“, aber als Gemeinschaftsunternehmen der großen Familie der Gebildeten. Wie die Produktion von nützlichem wie orientierendem Wissen und dessen akademische Kommu­ nikation das Gebildetenmilieu festigt und verstetigt, ist anhand der Studienwege deutlich erkennbar, die der Nachwuchs Königsberger Dozenten einschlug. Ausgehend von der Universität als Ausbildungs­ zentrum und Doktorschmiede der Provinz, spannt sich mit der Rekonstruktion dieser Nachwuchskar­ rieren rasch ein informelles Netz über Ost­ und Westpreußen, das Verwaltung und Justiz, Anwalts­ kanzleien, Kliniken, Kirchen und Gymnasien, die Landwirtschaftskammern ebenso wie das bunte Vereinsleben verknüpft. Familiäre Anhänglichkeiten sind, mit nach 1918 freilich abnehmender Tendenz, bis in die frühen dreißiger Jahre nachweisbar. Fünfzig Professorensöhne und –töchter promovierten zwischen 1890 und 1934 in Königsberg. Ausgenommen Gustav Adolf Benrath, von Uckeley 1917 promoviert mit einer Arbeit über Schleiermachers Bekenntnispredigten von 1830,1895 strebten die Theologenspröß­ linge Georg und Otto Dorner, Walther und Günther Jacoby, Wilhelm Grau, Wilhelm Pelka, Otto Lackner, Walther Benrath sowie Alfred Benrath, der Neffe des Kirchenhistorikers, allerdings fort von der Gottesgelehrsamkeit.1896 Günther Jacoby, Schüler des Alttestamentlers Giesebrecht, schien sich Schoene war besonders gut gebettet: Sein Vater war der Generaldirektor der Kgl. Museen Richard Sch., sein Onkel der Königsberger Ordinarius Alfred (1887–1892) und sein Schwiegervater der renommierte Berliner Romanist Adolf Tobler! 1895 Benrath, G. A., Schleiermachers Bekenntnispredigten von 1830. – 1889 Bonn, V: Karl Benrath, Kirchen­ historiker, 1907 WilhelmsG, theol. Studium Halle, Marburg, AUK, theol. Prüfungen 1910 und 1912, Seemanns­ missionar in Barcelona, Leith, 1913 bei den Kolonistengemeinden in Süd­Brasilien, August 1914 Kriegsfreiwilliger FAR, Okt. 1914 EK II u. Uffz., Sept. 1915 Militär­Oberpfarramt Königsberg zwecks Aushilfe bei der Lazarett­ pflege, Okt. 1915 Ordination, Diss. während mehrmonatigen Krankheitsurlaubs ausgearbeitet, schon 1908 von J. Bauer angeregt, bei Uckeley beendet. Seit Okt. 1916 Pfarrer in Frauenburg. 1896 Georg Dorner, Beiträge zur Kenntnis der Hämolysine, 1905; 1881 Wittenberg, V.: August D., 1900 FC, med. Stud. AUK (1), während der Studienzeit Preisaufgabe der PhilFak gelöst über Turbellarienfauna Ostpreußens. 1894

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mit seinen Jesaja­Glossen zunächst zwar im väterlichen Metier ansiedeln zu wollen, ging dann aber zur Philosophie über und ließ sich in diesen Gefilden bald stark vom US­Pragmatismus affizieren, als gelte es, möglichst rasch einen weiten Abstand zum Tagewerk „vermittlungstheologischer“ Sinn­ stiftung nach Art des väterlichen Homiletikers zu gewinnen.1897 Unter Medizinern waren derartige Absetzungsbewegungen nicht üblich. Dem Vorbild des Pädia­ ters Hugo Falkenheim folgte sein Sohn Curt, der es in der Universitäts­Kinderklinik zum Extraordina­ rius brachte.1898 Der Nachwuchs der medizinischen Professoren Dohrn, Neumann, Stieda, Schneider, Caspary, Jessner, Pinkus, Hallervorden, Zander, Schreiber tat es ihm gleich, wobei jedoch die ärztliche Praxis die Regel, die Universitätslaufbahn die Ausnahme war.1899 Nach 1920 kamen die Söhne des Otto D., Über die Teiler von Formen, 1908; 1884 Wittenberg, 1903 FC, mathem. Stud. AUK 1903–1907. – Walther Jacoby, Kritik der Carl Mengerschen Kapitalstheorie 1908; 1883 Königsberg., V: Hermann J., 1902 WilhelmsG, jur. nat.ök. Stud. Freiburg (1), AUK. – Wilhelm Grau, Das Verhalten der Schleim­Hautreflexe bei organischen und funktionellen Erkrankungen des Nervensystems auf Grund des Materials der Kgl. psychiatrischen Klinik in Königsberg, 1911; 1887 Königsberg, V.: Rudolf Gr., „bis zum Tode meiner Mutter“ 1902 WilhelmsG, dann G Belgard/Pommern, ab WS. 1906/07 med. Stud. AUK, 1/1912 StE. – Wilhelm Pelka, Studien zur Ge­ schichte des Untergangs des alten Thüringischen Königreichs im Jahre 531 n. Chr., 1903, R.: Krauske; 1879 Königsberg, V.: Hermann P., WilhelmsG 1898, hist. Stud. FWU, AUK. – Bei Dorner: Otto Lackner, Wie un­ terscheidet sich das Sittengesetz vom Naturgesetz? Ein Versuch zur Lösung des Freiheitsproblems mit besonderer Berücksichtigung von Spinoza, Kant und Schleiermacher; der Promovend war der 1871 in Königsberg geb. Sohn des Dirigenten des Litauischen Seminars in der Theol. Fak. Matthias L. – Benrath, Walter, Untersuchungen zur Pollenstatistik und Mikrostratigraphie von Tonen und Torfen in Randgebieten des Kurischen Haffs; 1895 Kö­ nigsberg, V: Karl Benrath, oö. Prof. AUK, 1913 WilhelmsG, 1913/14 naturwiss. Studium AUK, August 1914 Meldung als Kriegsfreiwilliger, aus Krankheitsgründen erst 1921 Fortsetzung des Studiums, 1924 nochmalige Unterbrechung, Hilfsassistent Mitscherlich­Gesellschaft, 1930 Lebensmittelchemikervorexamen, Prom. bei Mez 1934. – Alfred Benrath, 1878 Düren, V: Fabrikant, 1897 ORS Viersen, naturw. Stud. Zürich, TH Berlin, Hei­ delberg. (dort 1901 Prom), Privatassistent Stollés in Heidelberg 1901/02, 1902/03 Studienreise Südamerika, seit April 1904 AUK, Juli 1905 Habil. f. Chemie bei Klinger, nach 1918 oö. Prof. TH Aachen. 1897 G. Jacoby, Glossen zu den neuesten kritischen Aufstellungen über die Composition des Buches Jeremja (Cap. 1–20), F. Giesebrecht gewidmet, „meinem hochverehrten Lehrer“; 1881 Königsberg, V.: Hermann J.; 1899 WilhelmsG, theol. Stud. Tübingen (1), AUK, 1911 Habil. f. Philosophie Greifswald, 1921–1937 ebd. oö. Prof., entlassen, da sein Vater als „Halbjude“ eingestuft wurde, vgl. Tilitzki 2002, S. 272–276, 665 f.; Ders. 2000. 1898 Der ältere Bruder Albert, geb. 1891, blieb zwar nicht der Medizin, aber der Albertina treu: er promovierte 1920 bei Litten über ‚Die Unmöglichkeit der Leistung infolge Zeitablaufes …‘; ebenso absolvierte die Schwester von Curt und Albert Falkenheim, Susanne, geb. 1896 Königsberg, ihr naturw.­chem. Studium in der Heimatstadt, wo sie 1921 bei Sonn und Klinger über ‚Die Synthese des Fisetols‘ promovierte. 1899 Karl Dohrn, Über die Behandlung des operablen Uteruscarcinoms am normalen Ende der Gravidität, 1898; 1874 Marburg, V.: Rudolf D., Prof. f. Gynäkologie, 1893 WilhelmsG, med. Stud. Freiburg, München, AUK. – Paul Neumann, Ein neuer Fall von Teratom der Zirbeldrüse, 1900; 1872 Cranz, V.: Ernst N., Prof. f. Pathologie AUK, 1892 KneipG verlassen, um militär. Laufbahn einzuschlagen, aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, 1894 WilhelmsG, 1894/95 „andere Studien“, seit WS. 1895/ 96 med. Stud. Halle, AUK, StE 1900. – Alfred Stieda, V.: Ludwig St., Prof. f. Anatomie, med. Prom. 1891, Juni 1904 Habil., AV: Ueber mechanische Behand­ lung der Frakturen, 1921 nb. ao. Prof., noch 1941 in Königsberg, Chef des Roten Kreuz KHS Tragheimer Pul­ verstr. Auch sein jüngerer Bruder Alexander, 1875 in Dorpat, promovierte in Königsberg, und zwar mit einer anatomischen Dissertation ‚Über Situs inversus partialis‘ bei – seinem Vater! Die Arbeit ist dem dritten Medizi­ nerbruder gewidmet „Dem Andenken an meinen Bruder Dr. med. Hermann Stieda“. – Walter Schneider, Über angeborene Speiseröhrenverengerungen 1901; 1875 Königsberg, V.: Rudolph Sch., Prof. f. Chirurgie. – Heinrich Caspary, Pityriasis rubra pilaris, 1903; 1879 Königsberg, V.: Julius C., 1897 WilhelmsG, med. Stud. München (1), AUK. – Max Jessner, Über Choleraaggressine, 1908; 1887 Stolp, V.: Sanitätsrat Dr. Samuel J., seit 1890 in Königsberg, 1905 AltstädtG, med. Stud. München, AUK, 1910 StE., Oberarzt Univ.­Hautklinik, PD Breslau 1922, ao. Prof. ebd. 1926. – Julius Hallervorden, Über Heilerfolge bei nervösen Invalidenversicherten (aus der Heilstätte für Nervenkranke, Berlin Zehlendorf ), 1908, R.: E. Meyer; 1882 Allenberg/Kr. Wehlau, V.: Psychiater

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Hygienikers Selter, des Chirurgen Ehrhardt, des Augenheilkundlers Birch­Hirschfeld und des Patholo­ gen Kaiserling sowie die Tochter des Dentisten Adloff hinzu.1900 Unter den Naturwissenschaftlern fallen die Söhne des Chemikers Lossen, des Botanikers Luerssen, des Veterinärmediziners Pilz und des Agrarwissenschaftlers Fleischmann auf, die medizinisch dokto­ rierten.1901 Der ältere Sohn des Mathematikers Franz Meyer promoviert 1912 bei dem Altphilologen Wünsch, der jüngere 1920 mit einer zivilrechtlichen Dissertation bei Alfred Manigk.1902 Medizinisch promovierten die Tochter des Musikdirektors Fiebach, der Sohn des akademischen Musiklehrers Brode, die Söhne des Bibliothekars Rautenberg, des Indogermanisten Bezzenberger, des Historikers Prutz, des Juristen Gareis und des Althistorikers Schubert.1903 Der Profession ihrers Vaters treu blieben die Söhne u. PD Eugen H., 1902 FC, med. Stud. AUK (s. Anm. 1330). – Paul Zander, Beitrag zur Behandlung der akuten Herzinsuffizienz mittels intravenöser Injektion von Strophantin­Böhringer 1908, 1884 Königsberg, V.: Richard Z., 1902 WilhelmsG, med. Stud. AUK, StE 1907. Paul Zanders Bruder Hans geb. 1885 in Königsberg, studierte seit 1907 Agrar­ u. Staatswiss. ausschließlich an der Albertina, bestand 1911 das lw. Vorexamen, stand 1914–18 an der Front und promovierte 1920 bei E. A. Mitscherlich über den ‚Einfluß des Wassergehalts und des Hohl­ raumvolumens auf die Bearbeitungsfähigkeit des Bodens‘. – Richard Schreiber, Ueber Polyarteriitis nodosa, 1904; 1880 Königsberg, V.: Julius Sch., Prof. f. Innere Medizin, 1899 AltstädtG, med. Stud. München (1), AUK, Appr. März 1904, Rig. 28. 7. 1904. – Daß sein Bruder Erich den chirurgischen Lehrstuhl dort vertrat, dürfte Karl Lexers Wunsch, seinen med. Doktor in Königsberg zu machen, stark beeinflußt haben: Therapeutische Versuche mit künstlichem Pneumothorax, 1907; 1882 Würzburg, V.: Prof. Matthias von Lexer, HG München 1901, med. Stud. München, FWU, AUK, 1906 StE Königsberg. – Nicht zu vergessen sind Paul F. K. Doebbelin, Pseudoacromegalie und Acromegalie, 1895; 1867 Königsberg, V.: Zahnarzt, Bruder Carl war Lektor für Zahnheilkunde AUK, 1889 G Insterburg, med. Stud. München (1), AUK, sowie Karl Hufschmid, geb. 1869 in Zürich, Ueber Enterotomie bei Ileus. [operative Darmöffnung bei Darmverschluß], gewidmet ist die Arbeit „Meinem Onkel Herrn Prof. Dr. C. Nauwerck“, dem als Extraordinarius in der Fakultät tätigen Coelestin N. 1900 Adolf Birch­Hirschfeld, Entgiftung …, 1934, geb. 1907 Leipzig, V.: Artur B.­H., 1925 HufenG, vier Sem. Chemie in München, Leipzig 1927–32 med. Stud., Bonn, AUK. – Helmut Kaiserling, Über multiple Gehirn­ metastasen…, 1934; 1906 Berlin, V.: Carl K., 1927 G Königsberg, med. Stud. München, Paris, FWU, AUK, StE 12/1932. ab 12/1932 Med. prakt. Univ. Nervenklinik AUK, 8/1933 Innere Abt. StädtKHS (Böttner). 1901 Josef Lossen, Anatomische Untersuchungen über die Cartilagines cuneiformes (Wrisbergsche Knorpel) [am Kehlkopf ], 1900, R.: Stieda; 1876 Heidelberg, V.: Wilhelm L., 1895 WilhelmsG, med. Stud. AUK. Ihm folgte 1902 sein Vetter Otto Lossen, Beiträge zur Kenntnis des Camphorylhydrooxylamins, der von seinem Onkel ge­ prüft wurde [sic!]; 1875 Dresden, G Stuttgart 1895, naturw. Stud. München, AUK. – Arthur Luerssen, Biologie des Influencabacillus, 1903; 1877 Kleinzschocher/Leipzig, V.: Christian L.; 1898 KneipG, med. Stud. AUK. – Walter Pilz, Ueber den Einfluß verschiedener Gifte auf die Totenstarre, 1901; 1873 Charlottenburg, V.: Korpsross­ arzt Gustav P., Lektor Tierheilkunde, FC 1892, med. Stud. München, AUK, 3/1900 StE. – Adolph Fleischmann, Ein Fall von hernia funiculi, 1894; 1866 Memmingen, V.: Wilhelm F., 1888 WilhelmsG, med. Stud. AUK. 1902 Herbert Meyer 1912; Helmut Meyer 1920, s. HSV. 1903 Martina Fiebach, Über kongenitale Patellarluxationen, 1911; 1886 Königsberg, V.: Musikdirektor Otto F., 1905 FC, med. Stud. AUK. Ihr älterer Bruder Werner, geb. 1882 Pr. Stargard, 1900 WilhelmsG, jur. Stud. München, AUK, StE 1904, 1910 Assessor, RA in Berlin, von 1914–1919 Kriegsdienst, promovierte 1921 bei Manigk mit einer zivilrechtlichen Arbeit: ‚Über Pflichten und Rechte aus Vorkriegsverträgen nach dem Friedensver­ trage‘. – Franz Brode, Über die Beziehungen zwischen Zahnheilkunde und Sprachheilkunde, 1929; 1896 Königs­ berg, V.: Max Br., August 1914 Notabitur AltstädtG, Kriegsfreiwilliger, 11/1915 schwer verwundet, 1915/16 stud. AUK, 1917–1919 wieder im Heer, 1919–1922 kaufmännische Tätigkeit, seit 1922 Bankbeamter in Königsberg, ab WS. 1925/26 med. Stud. AUK, Approb. 2/1929. – Hans Rautenberg, Kenntnis der Dermoidcysten …, 1903; 1879 Königsberg., V.: Otto R., Oberbibliothekar UB­AUK, 1897 FC, med. Stud. AUK. – Ernst Bezzenberger, Infusorien aus asiatischen Anuren, 1904; 1881 Königsberg, V.: Adalbert B., 1899 WilhelmsG, med. Stud. AUK. Sein jüngerer Bruder Reinhard, Jurastudium ohne Prom. in Königsberg, stieg 1921 zum Landesrat, 1929 zum ersten Landesrat und stellvertretenden Landeshauptmann der Provinz Ostpreußen auf (APB 1083). – Wolfgang Prutz, Über das anatomische Verhalten der Leber bei der puerperalen Eklampsie; 1869 Danzig, 1886 AltstädtG, med. Stud. Heidelberg, AUK, 1892 Prom. AUK, Habil. ebd. 1898. – Hermann Gareis, Ueber die Bildung von

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des Staatsrechtlers Zorn und des Universitätsrichters von der Trenck, ebenso die Tochter des National­ ökonomen Gerlach, während die Tochter des Astronomen Peters bei Pillet mit einer romanistischen Studie promovierte, der Sohn des Zoologen Braun mit einer Dissertation über Ostpreußens Seen seine Laufbahn als Professor für Geographie begann, ebenso wie der Historikersohn Alfred Rühl,1904 und der von Einstein als Entdecker der „fünften Dimension“ gepriesene Mathematiker Theodor Kaluza, der als Sohn des Anglisten ebenfalls die väterliche Bahn verließ.1905 Daß sich unter den Doktoranden eine stattliche Zahl von Kindern ostpreußischer Lehrer, über­ wiegend Gymnasiallehrer mit publizistischen Ambitionen, finden, verwundert nicht, da damit vielfach eine Familientradition schon deshalb ihre Fortsetzung finden mußte, weil mit den Gehältern der Väter längere Studienaufenthalte „im Reich“ nicht zu finanzieren waren.1906 Hämolysinen im Serum mit Blut gefütterter Tiere; 1875 Bern, V.: Karl G., 1896 WilhelmsG, med. Stud. Freiburg, München, AUK, StE 6/1902. Gareis jr. starb 1911 als prakt. Arzt in München. – Paul Schubert, Folgen von Hy­ dramnios für die foetalen Organe; 1882 Königsberg, V.: Rudolf Sch., 1901 KneipG, med. Stud. AUK. 1904 Der allerdings zu Ferdinand von Richthofen nach Berlin wechselte, wo er 1906 promovierte. Habil. 1908 in Marburg. Über den Sohn (1882–1935) des Königsberger Althistorikers vgl. APB 1052 u. Schultz 2003. 1905 Albert Zorn, Kriegsmittel und Kriegführung im Landkriege nach den Bestimmungen der Haager Conferenz 1899, 1902, R.: Gareis; 1875 Bern. – Siegfried von der Trenck, Die naturalis obligatio im BGB, 1905, R.: Graden­ witz; 1882 Königsberg, V.: Theodor v. d. Tr., LG Präsident, 1900 FC, jur. Stud. Freiburg, FWU, AUK, 1904 StE, Referendar AG Fischhausen, LG Insterburg, Rig. 5. 7. 1905, bald darauf aus dem Justizdienst ausgeschieden und als Schriftsteller tätig. – Elisabeth Gerlach, Das Handlungskostengeld zu Königsberg, R.: Hesse; 1898 Königsberg, V.: Otto G., 1918 KLS, rechts­ u. staatsw. Stud. AUK, HHK, Rig. 23. 3. 1921. – Gertrud Peters, Die Frau in der französischen Kunstepik des 12. Jahrhunderts bis zu Christian von Troyes; 1881 Kiel, V.: Carl Friedrich P., 1911 RG Münchenhof Königsberg, ab WS. 1911/12 Romanistik, Geschichte, Erdkunde AUK, Rig. 30. 11. 1917. – Gustav Braun, Ostpreußens Seen. Geographische Studien, 1903; 1881 Dorpat, V.: Maximilian Br., 1899 Wil­ helmsG, hist.­geograph. Stud. AUK und Göttingen, sich dort unter H. Wagner ganz der naturwiss. Seite der Erd­ kunde zuwendend, 1901 Rückkehr an AUK, Privatassistent Hahns, 1912 oö. Prof. Basel. Sein Bruder Otto, geb. Dorpat 1885, Schüler Euckens, 1920 oö. Prof. f. Philosophie in Basel (dort Freitod 1922), wuchs in Königsberg auf, studierte auch von 1903 bis 1905 an der Albertina, promovierte aber 1906 in Jena, kehrte 1906/07 zu naturw. Studien an die AUK zurück und ging dann nach bestandenem StE in den Hamburger Schuldienst. – Theodor Kaluza, Die Tschirnhaustransformation algebraischer Gleichungen mit einer Unbekannten, 1907, R.: F. Meyer (s. Catalogus). 1906 Alfred Lehnerdt, Über die Geburtsverhältnisse im frühen Lebensalter …, 1896; 1871 Thorn, V.: Gymn. Di­ rektor Albert L., 1889 FC, med. Stud. AUK. – Walter Rindfleisch, Ein Fall von diffuser akuter Myokarditis, 1898; 1872 Marienburg, V.: Gymnasiallehrer Dr. W. R., 1890 G Marienburg, med. Stud. FWU, AUK, 1896 StE, 1. 10. 1896 Assist. arzt Innere Abt. StädtKHS, 24. 5. 1898 Rig. – Gustav Lejeune Dirichlet, De macarismorum apud veteres formis 1912; 1890 Königsberg, V.: Dr. Georg L. D., Gym.lehrer und Stadtverordneter. – Johannes Brehm, Die Entwicklung der evangelischen Volksschule in Masuren im Rahmen der Gesamtentwicklung der preu­ ßischen Volksschule von der Reformation bis zur Regierungszeit Wilhelms I., 1913; 1878 Babrosten/Kr. Johannis­ burg, V.: Rektor, 1898 G Lyck, theol. Stud. AUK, StE 1901, 1903 2. StE, 1904 Hilfsprediger, 1905 Pfarrer in Puchallowen/Kr. Neidenburg, Rig. Juni 1913, nach 1920 als Verfasser „altpreußischer“ Romane bekannt gewor­ den, Pfarrer in Quednau bei Königsberg. – Willi Portzehl, Die Methode der orientierten Elemente in mehrdimen­ sionalen Räumen, 1917; 1893 Königsberg, V.: Otto P., Direktor der Königsberger Oberrealschule, Lehrbeaufragter AUK u. HHK, 1912 WilhelmsG, naturw. Stud. AUK, 1914 Kriegsfreiwilliger, Westfront, Pioniere, Mai 1915 dauernd felddienstunfähig, Fortsetzung des Studiums. – Anna Rausch, Hermann von Fritzlar [ein „Gottesfreund“ des 14. Jhs.], R.: Ranke; 1894 Jena, V.: Alfred R., 1913–1923 Direktor FC, 1914 Oberlyzeum Königsberg, 1918 WilhelmsG, 1916–1921 germ.­hist. Stud. Leipzig, AUK, Schülerin von Baesecke, Rig. 29. 11. 1921. – Walter Frick, Angeborene Pektoralisdefekte, 1910, R.: Lexer; 1883 Königsberg, V.: Oberlehrer Prof. Otto Fr., M.: Maria Kissner, 1903 G Memel, med. Stud. FWU, Marburg, AUK, noch im EB 1941 als prakt. Arzt geführt. – Leo Sahm, Pseudotabes, 1927, R.: Matthes; 1902 Mehlauken/Kr. Labiau, V.: Magistratsschulrat und Landeshistoriker Wil­ helm Sahm, 1920 AltstädtG, med. Stud. Freiburg, AUK 1920–1925, im EB 1941 als Regierungsmedizinalrat und Facharzt für innere Krankheiten, am Steindamm praktizierend. – Die Väter des Germanisten Walther Ziesemer,

Exkurs: Die Albertina – eine Familienuniversität?

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Erheblich zur Stärkung der familiären Komponente trug bei, daß vor allem in der Medizinischen Fakultät die Selbstergänzung des Lehrkörpers, auf der Ebene der Oberärzte und Assistenten, eine große Rolle spielte. Der Pädiater Hugo Falkenheim, der Internist Harry Scholz, der Chirurg Egbert Braatz – sie erwarben in Königsberg ihre venia und gehörten vierzig Jahre zur Fakultät. Viele Mediziner­ karrieren verliefen an der Albertina ähnlich. Standen ihnen doch der Urologe Theodor Cohn, der Laryngologe Ralph Sokolowsky, der Rhinologe Paul Harry Gerber, der Internist Gerhard Joachim, die Chirurgen Oskar Ehrhardt, Walther Carl und Alfred Stieda nicht nach, auch wenn sie wie andere Privatdozenten und nichtbeamtete Professoren hauptamtlich an Königsberger Krankenhäusern oder Privatkliniken wirkten. Wie überhaupt das „Patientenmaterial“ in der Stadt, in der Provinz und, bis 1914, im russisch­polnischen Umland, wohl die Entscheidung erleichterte, sich am Studienort eine berufliche Existenz aufzubauen. Ein Blick ins Königsberger Einwohnerbuch von 1941 bestätigt, daß Dutzende von Zöglingen der Albertina, deren Namen aus den Promotionverzeichnissen bekannt sind, als Allgemeinmediziner oder Fachärzte ein Auskommen in der Landeshauptstadt gefunden hatten.1907 Eine Variante dieser Verwurzelung im heimatlichen Umfeld zeigte sich, wiederum vor allem in der Medizinischen Fakultät, in den Haus­ und Zurückberufungen. Fast alle planmäßigen Extraordinariate, die Althoff in den 1890er Jahren den Medizinern genehmigte, wurden aus deren eigenen Dozenten­ reservoir besetzt. Für die Nachfolge des Augenheilkundlers Jacobson berief man 1890 wie selbstver­ ständlich dessen langjährigen Assistenten Arthur von Hippel, ein „Landeskind“, aus Gießen zurück. Mit derselben Empfehlung hatte sich Heinrich Bohn 1868 als pädiatrischer Extraordinarius geradezu aufgedrängt, ebenso Ernst Neumann, Sohn des mit Orden und Ehrungen überhäuften Physikers Franz Neumann, der 1869 das Ordinariat für Pathologie erhielt. Der aus dem Posener Judentum stam­ mende Naunyn­Schüler Julius Schreiber bekam ein planmäßiges Extraordinariat und obendrein die Leitung der Medizinischen Poliklinik. Die „kurzen Wege“ ins Ordinariat, die Ellinger, Weiß, Kirschner nahmen, wurden eingangs erwähnt. Selbst noch bei der Nachfolge des Pathologen Kaiserling schlug 1935 für Carl Krauspe zu Buche, daß er geborener Ostpreuße und Promovend der Albertina war, Voraussetzungen, die für die Berufung des 1908 in Königsberg habilitierten Gynäkologen Wilhelm Zangemeister zum Nachfolger Georg Winters (1925) und des gebürtigen Danzigers Herbert Assmann (Königsberger Dr. med. von 1905) zum Nachfolger des Internisten Max Matthes (1930) entschei­ dend ins Gewicht fielen. Bei der langwierigen Wahl des Zangemeister­Nachfolgers war es für Felix von Mikulicz­Radecki, dem Patenkind von Felix Dahn, ein Pluspunkt, daß die Fakultät seinen Vater, als Ordinarius für Chirurgie, Ende des 19. Jahrhunderts einige Jahre zu den ihren zählen durfte. Mit oö. Prof. AUK 1921, und des Philosophen Arnold Kowalewski, Habil. 1899, nb. ao. Prof. AUK 1921, waren Seminarlehrer im westpreußischen Löbau. 1907 Einwohnerbuch Königsberg (Pr.) 89, 1941, Vierter Teil: Verzeichnis der freien Berufe. 55 von den zwischen 1890 und 1938 an der Albertina promovierten med. Doktoren begegnet man in dem 80 Allgemein­ und 120 Fach­ ärzte (abzüglich der AUK­Dozenten) umfassenden Verzeichnis. Hingegen nur im alphabetischen Teil noch zu entdecken sind die Ärzte jüdischer Herkunft, etwa Johann Siegfried Jacobi, promoviert 1906 bei Kuhnt mit einer ophthalmologischen Diss.: Üeber Exophthalmus intermittens. Jacobi, 1878 in Fischhausen/Samland geb., ließ sich als Arzt in Königsberg­Ponarth nieder, das Einwohnerbuch (S. 111), führt ihn 1941 als Siegfried Israel Jacobi, „ohne Beruf“, wohnhaft in der „gutbürgerlichen“ Walterstr. 12 auf. Nachbarn dort in 10a bzw. 13–15 waren die Professoren Ziesemer und Forsthoff. Aufgeführt ist auch noch einer der bekanntesten Augenärzte Königsbergs: „Leo Israel Pollnow, Dr., ohne Erwerb“, Steindamm 146; das Straßenverzeichnis nennt ihn „Privatier“. Ihm in Steindamm 144 benachbart: die NSDAP Ortgruppe Steindamm. Als Dr. Paul Israel Hirsch, „Krankenbehandler“, ist ein Promovend des Psychiaters Ernst Meyer eingetragen. Hirsch hatte sich in seiner Dissertation ,Zur Frage der Kastration des Mannes vom psychiatrischen Standpunkt‘ (1921) für eine eng begrenzte Sterilisation „Minderwer­ tiger“ ausgesprochen und insoweit der NS­Gesetzgebung vorgegriffen, deren Opfer er schließlich selbst wurde. Der Pädiater Hugo Israel Falkenheim, der emeritierte persönl. Ordiniarus der Albertina, figuriert ohne akademische Titel im alphabetischen Verzeichnis, während ihm das Straßenverzeichnis, als Mieter in der Henschestr. 12, den „Prof. Dr.“ gelassen hat.

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Recht nannte sich das Mitteilungsblatt, das noch bis um 1990 den Zusammenhalt unter Mitgliedern und Absolventen der Medizinischen Fakultät stiftete, Ostpreußische Arztfamilie. Eine vergleichbare Beziehungsdichte ist in den anderen Fakultäten nie erreicht worden. Hausbe­ rufungen galten deshalb hier zumindest nach 1900 als einsame Ausnahme. Davor erhielten, allerdings weniger aufgrund interner „Auswahl“ als dank externer Protektion durch den oberpräsidialen Kurator oder dank Althoff ihre Ordinariate: Paul Volkmann (Physik), Hermann Baumgart (Deutsche Philo­ logie), Adolf Hurwitz, David Hilbert (beide Mathematik), Richard Garbe (Sanskrit) und Ludwig Jeep (Latinistik). Mit Ausnahme von Hurwitz allesamt Hausberufungen durch eine Fakultät, die ihnen schon die venia verliehen hatte.1908 Nach 1918 erreichten dieses Ziel nur noch der Germanist Walther Ziesemer und der (freilich 1916 von Dresden umhabilitierte) Milchwirtschaftler Walther Grimmer. Johannes Tolkiehn verdankte die glückliche Habilitation für Klassische Philologie (1896) und seinen gut dotierten Lehrauftrag seinem Schwiegervater, dem Gräzisten Arthur Ludwich. Der Geologe Ernst Schellwien empfahl sich der Fakultät, die für ihn 1901 nach mehreren vergeblichen Vorstößen endlich ein Extraordinariat erwirkte, durch sein großes naturkundliches wie organisatorisches Engagement für die von allen Honoratioren der Stadt geförderte Altertumsgesellschaft Prussia wie für die Physikalisch­ Ökonomische Gesellschaft. Ansonsten ist Familiarität, ein durch Bekanntschaft, gemeinsame Überzeugungen und Interes­ sen gestifteter Zusammenhalt, eher außerhalb der Philosophischen Fakultät zu suchen – wenn auch durch sie erheblich gefördert. Denn offenkundig waren es ihre Absolventen, die das wissenschaftliche Vereinswesen in der Provinz am Leben hielten. Das gilt in erster Linie für die vor dem Ersten Welt­ krieg aufblühende Landeskunde und Landesgeschichte. Deren wichtigste Exponenten hatten zwischen 1900 und 1920 das Historische Seminar der Albertina durchlaufen: Karl Lohmeyers nur mit einem landeshistorischen Lehrauftrag versehener Nachfolger August Seraphim, Direktor der Königsberger Stadtbibliothek, der Schlobittener Archivar Christian Krollmann, nachmals in der Stadtbibliothek an Seraphims Platz, sowie Bruno Schumacher, Direktor des Gymnasiums in Marienwerder und (ab 1933) des Königsberger Friedrichskollegs. Ferner der von Haendcke über die ‚Wallfahrtskirche in Hei­ ligelinde‘ promovierte Anton Ulbrich, Professor an der Baugewerkschule und Verfasser einer ‚Kunst­ geschichte Ostpreußens‘ (1932), der Bibliothekar Ernst Wermke, dessen voluminöse Bibliographie des landeskundlichen Schrifttums überhaupt erst das Fundament regionalhistorischer Forschung schuf, der Brackmann­Schüler und spätere Leiter des Königsberger Stadtmuseums Fritz Gause, der 1931 mit ‚Die Russen in Ostpreußen 1914/15‘ das wichtigste Werk zur Zeitgeschichte der Provinz vorlegte. Des weiteren der Staatsarchivar Erich Weise, der Landeshistoriker Hans Schmauch, der sich mit Arbeiten zur Geschichte Ermlands und zur Kopernikus­Forschung verdient machte, sodann der Königsberger Gymnasiallehrer und Vormärz­Spezialist Reinhard Adam, sein Lehrerkollege Walther Franz, der sich an einer ‚Geschichte der Stadt Königsberg‘ (1934) versuchte und schließlich Wilhelm Gaerte, der 1924 die Leitung des Prussia­Museums übernahm und eine magistrale ‚Urgeschichte Ostpreußens‘ (1929) schrieb.

Wie eingangs erwähnt, war Volkmann verheiratet mit einer Tochter Wilhelm Fleischmanns, der seit 1886 als Ordinarius für Landwirtschaft zur Phil. Fakultät gehörte. Garbe war der Schwiegersohn des „Richters und Dich­ ters“ Ernst Wichert. Für ihre Berufungen kamen ihnen diese Beziehungen offensichtlich aber nicht zugute.

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Eine am Vorabend des Ersten Weltkrieges aufzumachende Zwischenbilanz für die preußische Uni­ versität Königsberg nach vier Jahrzehnten im zweiten Deutschen Reich fällt eher negativ aus. Das gilt nicht allein für die Albertina. Alle preußischen Universitäten hätten 1914 darüber klagen können, daß sie zugunsten von Berlin, zugunsten der dortigen Hochschulen und der Großforschungseinrich­ tungen der Kaiser­Wilhelm­Gesellschaft, Opfer bringen mußten; in geringerem Maße auch zugunsten der Straßburger Reichsuniversität, der naturwissenschaftlich­mathematischen Schwerpunktbildung in Göttingen und, nach Ansicht nicht weniger Kenner des Kaiserreichs, vor allem zugunsten des finanz­ politischen Primats von Militär und Rüstung.1909 Königsberg traf diese Zentralisierungspolitik aber besonders hart – einem über die Dezennien steigenden Gesamtetat für die Albertina zum Trotz, ungeachtet auch der wie überall im Reich explo­ dierenden Studentenzahlen und der langsamen Vermehrung von Lehrstühlen, Instituten und Klini­ ken. Denn Preußen, wie alle anderen Bundestaaten, orientierte sich nach Westen. Westlich seiner Metropole, am Rhein, lag sein, im Vergleich mit Oberschlesien, wichtigeres technisch­industrielles Kraftzentrum. Der agrarische Osten wurde vernachlässigt und blutete ökonomisch wie demographisch aus. Mühsam genug, gegen den indirekten Widerstand der „Großagrierlobby“, kam im Zuge der In­ dustrialisierungspolitik des westpreußischen Oberpräsidenten Gustav von Goßler 1904 die Gründung der TH Danzig zustande.1910 Zu dieser Zeit hatte die Albertina ihren Rang als neben Berlin naturwis­ senschaftlich führende Hochschule Preußens längst eingebüßt. Pünktlich mit der Reichsgründung, während der „Ära Falk“, begann man im Ministerium damit, ohne daß hierzu eine strategische Ent­ scheidung gefallen, ein klar umrissenes hochschulpolitisches Konzept beschlossen worden wäre, die mathematisch­physikalische Tradition „Neumann­Jacobi­Bessel“ auf den Aussterbeetat zu setzen. Eine Kompensation, durch die Förderung geisteswissenschaftlicher Fächer, etwa durch einen mehrfach vergeblich gewünschten Lehrstuhl für slavische Sprachen und Kulturkunde, ist Königsberg verwei­ gert worden. Als alternativer Ersatz dafür hätten sich, inmitten von drei großen, durch gravierende Strukturprobleme behinderten, von Absatzkrisen und Wanderungsverlusten gebeutelten Agrarpro­ vinzen, Posen, Ost­ und Westpreußen, der großzügige Ausbau eines Landwirtschaftlichen Instituts aufgedrängt. Dafür ist indes wenig bis nichts geschehen, so daß das Königsberger Institut 1914 zu den am schlechtesten ausgestatteten Preußens zählte, obwohl sich mit der Berufung von Johannes Hansen (1910) eine Wende zum Besseren anzukündigen schien. Daß eine das Berliner Zentrum und die westlichen Hochschulen bevorzugende Mittelverteilung, die sich als eine restriktive Sparpolitik zu Lasten Königsbergs auswirkte, durch eine glückliche Be­ Vgl. nur die sehr dezidierten Ansichten Charles E. McClellands 2010, S. 248–253: Allein nach 1910 hätten sich die Rüstungsausgaben des Reiches um weitere 73 Prozent erhöht, was erkläre, warum die „‚geistigen Kräfte‘“ unzureichend mit Butter versorgt gewesen seien. 1910 Über die kombinierte Nationalitäten­, Hochschul­ und Industriepolitik des ehemaligen Kultusministers v. Goßler, seit 1891 Oberpräsident Westpreußens, zuletzt Uwe Müller 2010.

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rufungspolitik konterkariert werden konnte, beweist das Beispiel Hansen. Allein Althoff und „seine“ Minister betrieben für Königsberg in der Regel keine „glückliche“ Berufungspolitik. Auffallend oft wurden die Fakultätslisten ignoriert. Im Landwirtschaftlichen Institut oktroyierte Berlin nach Herzens­ lust. Fehlgriffe wie im Fall von Alexander Backhaus, Georg Rörig, oder zuletzt Hugo Hagelweide (1912), waren die Folge. Nicht allein, weil damit die Fakultäten schon vor der Ankunft des neuen Kol­ legen vergrätzt wurden. Sondern auch, weil das Ministerium damit selbstherrlich spezielle Unterrichts­ bedürfnisse und Forschungstraditionen ignorierte. So ging die kulturhistorische Ausrichtung in den Altertumswissenschaften und in der Orientalistik nach 1890 zeitweilig verloren, eine Entwicklung, die zumindest bei den Altphilologen mehr das Konto Jeeps und Rossbachs als das Althoffs belastet. Noch öfter führten die bloßen „Versorgungsrücksichten“ gehorchenden Althoff­Oktrois auf fachlich tote Gleise. Man muß nur an die Hausberufungen der Germanisten Baumgart und Uhl denken, mit denen das Königsberger Deutsche Seminar für Jahrzehnte nur für die Ausbildung ostpreußischer Oberlehrer geeignet war. Ähnlich ist die Wahl der Historiker zu beurteilen: Hopf war ein radikaler Positivist, ein lupenreiner Faktensammler, der sich in denkbar weitestem Abstand von den für ihn relevanten Archiven in Königsberg ausschließlich mit der Geschichte Griechenlands im Mittelalter beschäftigte, nahezu der einzige deutsche Fachmann für dieses abgelegene Terrain. Der bedauernswerte Lohmeyer, schwerstbehindert, blieb auf ostpreußische Landesgeschichte fixiert, und, als Begrenzung noch in die­ ser Begrenzung, ging er dabei kaum über das 17. Jahrhundert hinaus und sah sich zum Verdruß der Fakultät außerstande, seine 1407 endende Landesgeschichte mit einen zweiten Band fortzuführen. Unter den Historikern fehlte ein „Modernisierungsmotor“ wie Gustav Schmoller, der in Berlin die Mediävistik und die Frühneuzeit­Geschichte in sozial­ und wirtschaftshistorische Bahnen und damit „in Richtung einer neuen Kulturwissenschaft“ lenkte.1911 Hans Prutz empfahl sich nur politisch, nicht fachlich, und mauserte sich – umgeben von borussophilen „Neorankeanern“ in seiner Zunft – zum wiederum randständigen Preußenkritiker, für den aber die Staats­ und Ereignisgeschichte fern von ihren sozial­ökonomischen Bedingungen im Mittelpunkt stand. Sein Nachfolger Krauske stellte seine Produktion nach der Berufung weitgehend ein. Ebenso taten dies der Anglist Kissner (dessen Berufung allerdings auf einer krassen Fehlentscheidung der Fakultät beruhte), die Kirchenhistoriker Benrath und Lezius, der Chemiker Lossen, der sich in den Freitod stürzende Philosoph Quäbicker. Der Nationalö­ konom Umpfenbach, von Falk ohnehin mehr als vermeintlicher Widerpart der „Kathedersozialisten“ und als vielleicht kulturkämpferisch einsetzbarer Altkatholik erkoren, griff in Königsberg nur noch selten zur Feder. Sein Kollege Gerlach legte unmittelbar nach seiner Berufung eine schöpferische Pause von fünfzehn Jahren ein, bevor er sich dann intensiver mit den regionalen Problemen der Inneren Ko­ lonisation in Ost­ und Westpreußens befasste. Beide finden sich in der Geschichte ihres Faches nicht einmal als Fußnote wieder, sowenig wie das Gros der Naturwissenschaftler. Bezzenberger wechselte nach zehn Königsberger Jahren seinen Forschungsschwerpunkt von der Baltistik zur Prähistorie Ostpreußens. Der Systematiker Dorner ließ sich zwar im Produzieren kaum bremsen, schrieb sich aber von Buch zu Buch immer weiter ins Abseits eines „Metaphysikers des Christentums“. Neu sich auftuende Forschungsfelder in seiner Disziplin nahm der positivistisch­ru­ brizierende, ästhetischen Normen, die ein Wilhelm von Bode schon um 1900 für reichlich antiquiert belächelte, gehorchende Kunsthistoriker Haendcke sowenig wahr wie der unverdrossen systematisie­ rende Botaniker Abromeit und der sein Herbarium ordnende Institutschef Luerssen. Der Slavist Rost, habilitierter Assyriologe, war 20 Jahre lang weit eher Russisch­Lektor als Philologe oder gar Vermittler der slavischen Literatur und Kultur, über die er auch als Extraordinarius, zwischen 1915 und 1935, kaum eine Miszelle zu Papier brachte. Für die deutsche Slavistik gab es Paul Rost überhaupt nicht. Das Exzentrische in extremer spezialistischer Verpuppung kultivierten der Agrikulturchemiker Ritthausen, der Zoologe Maximilian Braun mit seiner „Parasitologie“, und der Botaniker Carl Mez mit seiner 1911

So Johannes Helmrath in: Tenorth Bd. V, 2010, S. 374.

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serologischen Abstammungslehre für das Pflanzenreich. Der hausberufene Physiker Paul Volkmann widmete sich seit 1895 fast ausschließlich der erkenntnistheoretisch­weltanschaulichen Ausdeutung moderner Physik, ohne selbst etwas zu ihrem „Fortschritt“ beitragen zu wollen. Ähnlich lagen die Dinge in der Sternwarte unter Luther, Peters, Struve, Battermann, wo bis 1918 keine Abkehr von der aus der Mode kommenden Positionsastronomie hin zur Astrophysik stattfand, und wo Spitzweg Motive für eine seiner zeitfernen Idyllen gefunden hätte. Wenn Bezzenbergers Doktorand Reinhold Trautmann, gebürtiger Königsberger, intimer Kenner der Verhältnisse, 1921 auf einen slavistischen Lehrstuhl an die Albertina berufen, in einem Nachruf auf seinen Lehrer 1922 von einer bis 1918 „klei­ nen und vernachlässigten Universität Königsberg“ sprach, dürften Einsichtige im Kultusministerium eigentlich nur beschämt genickt haben.1912 Auf der Ebene der Nicht­Ordinarien, soweit es sich um den eignen Nachwuchs handelte, muß­ ten sich diese Defizite höchst nachteilig auswirken. An die vernichtende Beurteilung des Gräzisten und Ludwich­Schülers Tolkiehn durch externe Gutachter sei erinnert, ebenso an die kuriose Vorliebe des Neutestamentlers Hoffmann für die Parapsychologie oder das antiquierte (wenngleich in seinem Fach um 1900 nicht seltene) Bestreben des Philosophen Kowalewski, dem christlichen Glauben „wis­ senschaftlich“ neue Impulse geben zu wollen. Nach einem Vertreter der in Leipzig, Göttingen und Würzburg gelehrten anwendungsbezogenen, anti­metaphysischen Psychologie hingegen verlangte die Fakultät ein Vierteljahrhundert lang vergeblich, und als ihr Wunsch endlich mit Ernst Meumann 1905 erfüllt wurde, blieb diese Kapazität nur vier Semester und fand mit dem Denkpsychologen Narziß Ach keinen adäquaten Ersatz. Disziplinär abseitiges Personal bevölkerte auch die Juristische Fakultät. Der aus Mitleid zum Or­ dinarius beförderte Romanist Salkowski zählt dazu. Ebenso Zorns Nachfolger Arndt, der unter den Staatsrechtlern seiner Zeit zur Minderheit der „absolutistischen“ Gegner der konstitutionellen Monar­ chie gehörte, wie wiederum dessen Lehrstuhlnachfolger, der Apologet des „Machtstaates“, Erich Kauf­ mann. Der Ordinarius für Römisches Recht Otto Gradenwitz fühlte sich wenigstens als Papyrologe, auf seinem engsten Forschungsfeld, in Königsberg wie in der Verbannung. Bei den Medizinern fanden nur die Innere Medizin, die Augenheilkunde und die Chirurgie, mit Einschränkungen auch die Physiologie und die Pharmakologie bis 1914 kontinuierlich eine Besetzung, die den Vergleich mit dem Spitzenpersonal ihres jeweiligen Faches nicht zu scheuen brauchte. Welche Qualitätsunterschiede sich ansonsten offenbarten, dafür sei nur auf den Psychiater Fritz Meschede verwiesen, der das Fach von 1875 bis 1903 vertrat, und demgegenüber auf den innovativen Neuro­ logen und Aphasie­Forscher Kurt Goldstein. Im Ergebnis hatte die Berliner Hochschulpolitik die Albertina also im Verlauf von vier Jahrzehnten zu einer den Bedarf der nordostdeutschen Provinz an Nachwuchs für die „höheren Berufe“ deckenden Ausbildungsstätte degradiert und sie als Forschungsstätte marginalisiert. Auch die disziplinäre Diffe­ renzierung und Spezialisierung, an der Königsberg nicht aufgrund eigener Initiativen partizipierte, son­ dern vornehmlich als Profiteur von drei nationalen Gründungs­ und Berufungswellen – der des „Mil­ liardensegens“ der französischen Reparationszahlungen seit 1871, der sozial­ und gesundheitspolitisch induzierten Expansion der medizinischen Spezialfächer seit 1888 und der gestiegenen Nachfrage nach Zivilrechtlern seit dem Inkrafttreten des BGB (1900) – mündete infolge der für die Albertina primär an Vermittlern von Wissen, an Lehrern und nicht an Forschern, interessierten ministeriellen Beru­ fungspraxis keineswegs automatisch in innovativer Wissenschaft. In Königsberg dominierte daher die Lehre die Forschung, die Reproduktion von Wissen die Produktion von neuem Wissen. Die beiläufige Bemerkung des Germanisten Erich Jenisch, ohne empirischen Anhalt, lediglich Atmosphärisches aus der Studienzeit vor 1918 erinnernd, die „Eigenart“ der Albertina machte in der „fortschreitenden Ent­

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wicklung der Wissenschaften“ zu wilhelminischer Zeit die Bewahrung einer „konservativen Haltung“ aus, erfährt in der disziplinhistorischen Detailanalyse also eine recht eindrucksvolle Bestätigung.1913 Ob Fluktuationsraten über das wissenschaftliche Ansehen einer Universität etwas aussagen, ist zweifelhaft. Für Straßburg ist eine durchschnittliche Verweildauer der Ordinarien von 15 Jahren als Beleg für eine „erstaunliche personelle Kontinuität“ und Attraktivität (Gehalt, Studentenzahl, Arbeits­ bedingungen, Ausstattung, Wohnverhältnisse, landschaftliches Ambiente) des Standorts gewertet wor­ den, und dies angesichts der Tatsache, daß die Gelehrten der Reichsuniversität „heftig umworben“ gewesen seien.1914 Die Albertina weist ähnliche „Kontinuitäten“ auf: in der Theologie blieben die Pro­ fessoren am längsten auf Posten (16,8 Jahre), gefolgt von den Geistes­ (13,4) und Naturwissenschaft­ lern (13,1), den Juristen (12,5) und Medizinern (12,0). Doch hier sind die Zahlen wohl eher ein Beleg für die Schwierigkeit, sich in Königsberg zu qualifizieren, um sich für eine Fortberufung zu empfehlen. Standorttreue hatte im äußersten Westen also einen erheblich anderen Stellenwert als im äußersten Osten: Dort wollte man nicht weg, hier konnte man nicht. Ein anderer Indikator für die Einstufung der wissenschaftlichen Bedeutung einer Universität ist die Berufungshäufigkeit unter den Privatdozenten. Obwohl bisher keine Vergleichsmöglichkeiten be­ stehen, erscheinen 15 Wegberufungen unter 126 habilitierten Medizinern (= 12 %) doch als außer­ gewöhnlich niedrige Zahl, die nicht von einem großen Ansehen der Königsberger Fakultät zeugt. Den Anteil der Hausberufungen (11 = 9 %) abgerechnet, mußte über Dreiviertel der medizinischen Privatdozenten der akademischen Karriere entsagen, blieb dem Klinik­ und Institutsbetrieb als unbe­ soldeter Nichtordinarius erhalten oder, in wenigen Fällen, schuf sich durch Umhabilitation an eine andere Universität doch noch ein Sprungbrett zur Berufung. Günstiger fallen die Relationen bei den 68 Habilitationen in der Philosophischen Fakultät aus, da hier 23 Wegberufungen (= 32 %) erfolgten, dazu kamen 11 Hausberufungen durchweg auf Königsberger Extraordinariate. Aber auch in dieser Fa­ kultät blieb demnach mehr als die Hälfte des Nachwuchses vom weiteren Aufstieg ausgeschlossen und verdingte sich im Schul­, Archiv­ und Bibliotheksdienst oder schuf sich mit Hilfe von besoldeten Lehr­ aufträgen ein regelmäßig karges Einkommen. Insgesamt deutet die niedrige Wegberufungsrate der Me­ diziner, Geistes­ und Naturwissenschaftler1915 auf die begrenzte „Markttauglichkeit“ des in Königsberg erzeugten Wissens hin. Sonst, so darf man vermuten, hätte die Nachfrage nach den Privatdozenten der Albertina lebhafter gewesen sein müssen. Zwangsläufig mußte der reproduktive Konservatismus Konsequenzen für die wissensvermittelte Weltbildformung, Verhaltensnormierung und Identitätsbildung haben. Nicht, daß die Korporation der Lehrenden und Lernenden in die „niedere Celebrität“ der Königsberger Alma mater in der Zeit um 1800 zurückgefallen wäre, als der Zoologe Karl Ernst von Baer erlebte, wie den Dekanen aufge­ tragen war, darauf zu achten, daß in den Dissertationen keine Neuerungen vorkämen („ne quid novi insit“).1916 Aber die geringere Bedeutung des Forschungsimperativs beeinflußte den „Geist“ der Universität doch nachhaltig, indes mehr im weltanschaulichen als im politisch gemeinten konservativen Sinn. Der Jenisch 1960, S. 920. Roscher 2006, S. 89 f.; ähnlich die Zahlen bei Paletschek 2001, S. 333, dort für den Zeitraum 1890–1909 die durchschnittliche Verweildauer aller Tübinger Ordinarien: 15,7 Jahre. 1915 Theologen und Juristen kommen mit je 9 Habilitationen in 50 Jahren zwischen 1868 und 1918 hier nicht für einen Vergleich in Betracht. Trotzdem sei erwähnt, daß bei den Theologen drei Wegberufungen (Arnold 1888 nach Breslau, Löhr 1892 ebenfalls nach Breslau und 1906 der Alttestamentler Procksch nach Greifswald) sowie eine Hausberufung (1906 R. A. Hoffmann) zu registrieren sind. Bei den Juristen halten sich drei Hausberufungen (Hubrich 1901, Klein 1919, Sauer 1920) und drei Wegberufungen (Martitz 1872, Schoen 1896, Weyl 1898) die Waage. – Allerdings könnte die extrem niedrige Nachwuchsquote dieser Fakultäten auch als Indiz für fehlende Standortqualität gewertet werden. 1916 Prutz 1894, S. 4; vgl. a. Selle 1944, S. 183 f., über die Zeit, als „alles an Königsberg vorbei ging“. 1913 1914

Ein Blick zurück auf 44 Jahre Universitätsgeschichte im Kaiserreich

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Germanist Hermann Baumgart, für den die deutsche Literaturgeschichte mit Goethes Tod endete, und der in seinen Publikationen wie im Unterricht fast ausschließlich die ästhetisch­ethischen Werte der Weimarer Klassik vermittelte, ist als der ideale Exponent dieses Konservatismus zu betrachten. Wäh­ rend 1913 der Tod Erich Schmidts in Berlin als Zäsur empfunden wurde, als Chance zur Abwendung von der Philologisierung der Scherer­Schule hin zu der von Dilthey inspirierten geistes­ und kultur­ historischen Behandlung deutscher Literatur,1917 harrte der 70jährige Baumgart ungerührt aus und fuhr fort im alten Trott noch bis 1918. Zugespitzt formuliert: Wissensgenese und Wissenstransfer fanden in Königsberg bis 1914 nicht nur bei Baumgart unter Ausschluß der Moderne statt. Wissensproduktion und Wissensvermittlung waren daher gleichbedeutend mit der Einübung und Eingewöhnung in den gesellschaftlichen und kulturellen Status quo. Soweit die lückenhafte Überlieferung ein Urteil darüber gestattet, gehorchte dem auch die öffentliche Wirkung der akademischen Verwalter des Wissensfun­ dus. Gradmesser ist die oben knapp skizzierte Inszenierung der Kant­Tradition in und außerhalb der Universität. Nicht der Aufklärer Kant, der Denker, der im Marburger Neukantianismus um 1900 die Brücke des „Ethischen Sozialismus“ zum Reformsozialismus der Arbeiterbewegung schlug, sondern der preußische Prediger der Pflicht, sich als Individuum ins Ganze, in Staat und Nation zu integrieren und sich ins Bestehende zu fügen, regierte in den Festreden von 1881 bis 1913. Nicht, daß der wissenschaftliche Geist als Stabilisator des Überlieferten ein Königsberger Allein­ stellungsmerkmal gewesen wäre. Seine konstitutionelle, natürlich Beharrungskraft dürfte auch in allen kleineren und mittleren Universitäten des Reiches die Oberhand gewonnen, und sich selbst in Hoch­ burgen wissenschaftlicher Modernität wie Leipzig, München oder Berlin mindestens im Gleichgewicht befunden haben mit seinem dort auf das „bessere Wissen“ (Ernst Bloch) gerichteten Innovationspoten­ tial. Aber die Standortbedingungen kamen dem intellektuellen Konservatismus im Nordosten außer­ gewöhnlich entgegen. Denn die einzigartig externe, in vielstimmigen professoralen Klageliedern als klimatisch „abschreckend“ geschilderte, von den „Kulturzentren“ isolierte Lage schloß nennenswerten Studentenzuzug von außerhalb des alten Preußenlandes per se aus. Schon Ende des 18. Jahrhunderts, nach Kants Abschied vom Lehramt, machten die deutschen Studenten aus den benachbarten bal­ tischen Ostseeprovinzen zugunsten sehr viel weiter entfernter Universitäten einen großen Bogen um Königsberg. Die Attraktion des Studienortes ließ sich seitdem nur durch exzellente Professoren und eine gute Ausstattung mit Apparaten, Laboren, Bibliotheken sowie einer spendablen Gewährung von Stipendien, Freitischen und Preisgeldern steigern. Eine unter diesen Auspizien günstigere Konstella­ tion, weniger als Resultat kultusministerieller Planung als biographischer Zufälle, trat zwischen 1835 und 1865, zu Zeiten der naturwissenschaftlichen „Königsberger Schule“ tatsächlich ein – wenn auch in viel mäßigerem Umfang als es erinnerungspolitisch motivierte Ansätze zur akademischen Identitäts­ stiftung vor und nach 1945 suggerieren. Im hier untersuchten Zeitraum ab 1870 tat die preußische Unterrichtsverwaltung jedenfalls nicht mehr genug, um einen sich wieder schließenden Teufelskreis zu durchbrechen, der sich aus der peripheren Lage, der deswegen auf die Provinz beschränkten Rekrutie­ rung konstant niedriger Studentenzahlen und der zu dürftigen institutionellen Infrastruktur bildete. Ganz im Gegenteil: Die Berliner Berufungspolitik, die Lehrämter vorwiegend mit Privatdozenten, „Berufsanfängern“, besetzte und ihnen nur karge Arbeitsmöglichkeiten in Seminaren und Instituten einräumte, schuf die wichtigsten Voraussetzungen zur Verstetigung eines stagnierenden Bildungsstand­ orts, der nach dem ministeriellen Willen nie mehr sein sollte als Ausbildungsstätte für die Führungs­ schicht einer Agrarprovinz. Die Kehrseite einer solchen staatlich prolongierten Verwaltung des Status­quo­Wissens ist an einer Berufungsentscheidung aus dem Jahr 1916 zu exemplifizieren. Anstelle des Würzburger Anatomen Johannes Sobotta, eines lupenreinen Positivisten und Meisters „deskriptiver Anatomie“, hätte auch der Freiburger Extraordinarius Eugen Fischer berufen werden können, noch vor seiner Bestallung 1917

Zu dieser Zäsur zum wiederholten Mal H. Dainat, in: Tenorth Bd. V, 2010, insbes. S. 474 ff.

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zum Direktor eines Berliner Kaiser­Wilhelm­Instituts (1927) der maßgebliche deutsche Repräsen­ tant der „Rassenhygiene“. Mit dem Vorschlag, die spätere Galionsfigur der Tübinger Neurologie und Psychiatrie Robert Gaupp zu berufen, der wie Fischer heute wissenschaftshistorisch zu den „Wegbe­ reitern“ der medizinischen „Vernichtungspolitik“ des Nationalsozialismus gerechnet wird, hatte sich sogar schon 1903 für Königsberg das Tor zu einer „modernen“, um der utopischen civitas humana willen auch vor Menschenzüchtung nicht zurückschreckenden Medizin einen Spalt breit geöffnet.1918 Was Fischer, um die „Zukunft der europäischen Völker“ besorgt, 1910 vor Freiburger Bildungsbürgern entfaltete, die „Rassentheorien“ der Chamberlain, de Lapouge, Woltmann, deren „Grundgedanke“ richtig sei, war die „Verbreitung anthropologischen Wissens“. Ein „Wissen“, das zum Handeln, zur Umgestaltung der sozialen Ordnung anleiten sollte und den „nicht angefaulten Kern unseres Volkes“ zur „Rettung in zwölfter Stunde“ aufforderte.1919 Fischer und der retrospektiv als „Bruder im Geiste von Massenmördern“ denunzierte Gaupp1920 sind mithin als Exponenten einer spezifisch südwest­ deutschen Kultur innovativen und zukunftsträchtigen, die ethischen Normen der wilhelminischen Gesellschaft verändernden und letztlich auflösenden „Wissens“ die denkbar radikalsten Antipoden der relativ homogenen konservativen Königsberger Wissenskultur. Der hochschulpolitische Dirigismus Falks und Goßlers, Althoffs und Elsters, schob die Königs­ berger Mathematik und Naturwissenschaften auf ein Abstellgleis, während sich der physikalische Weltbildwandel in Berlin oder Göttingen vollzog. Quantenphysik, Relativitätstheorie, Geophysik, physikakalische Chemie, Genetik, Zellforschung, Evolutionsbiologie, Psychologie, Soziologie, das ge­ samte wissenschaftliche Innovationsspektrum, das sich andernorts zur Optimierung der Diesseitigkeit entfaltete,1921 fehlte in Königsberg bis 1918. Eine Gesellschaftsordnung ohne Monarchen konnten sich auch liberale Juristen wie Alexander zu Dohna und Max Fleischmann nicht vorstellen, so daß ein Regenpfeifer der Demokratie wie der Strafrechtler Gustav Radbruch im Königsberger Fakultäts­ kollegium wie ein Paradiesvogel wirkt. Die erste Globalisierung wurde nach dem Willen des Berliner Ministeriums ab 1914 im Kieler Institut für Weltwirtschaft analysiert, während sich „Aufhalter“ wie der Nationalökonom Otto Gerlach und der Geograph Friedrich Hahn an der Albertina anstrengten, rührend hilflose Konzepte gegen die „Landflucht“ im Osten zu entwerfen. Universal­ und Kulturge­ schichte wurde an Karl Lamprechts Institut in Leipzig gelehrt, während Historiker wie Krauske, Rach­ fahl, Werminghoff und Brackmann ihre Arbeit an der Nation als unhinterfragbarer Ordnungsmacht ausrichteten und Kulturwissenschaftler wie Wünsch, Immisch, Baumgart und Haendcke zur Einbür­ gerung im Wertehimmel des Neuhumanismus einluden. Einer vergegenwärtigenden Reflexion einer solchen, im Sinne Nietzsches „antiquarischen“ Wissenskultur, einer Besinnung auf die akademische Provinz am Pregel steht ihre Abkoppelung von der Moderne freilich nicht im Wege, wenn man sich deren Ambivalenzen, wie sie in der Kombination von Quantenphysik und Rassenhygiene aufscheinen, bewußt ist. Dazu immer noch anregend: Schipperges, Utopien der Medizin, 1968. Vgl. ferner Schmuhl 1987; Weß 1989; Weingarten u. a. 1992. 1919 E. Fischer 1910, Vortrag vor der Naturforschenden Gesellschaft in Freiburg, zugleich Werbung für die dortige jungen Ortsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene. 1920 v. Raden 2001, S. 75 f., 100, über die ideelle Nähe Gaupps zu seinem prominentesten Patienten, dem schwä­ bischen Massenmörder Ernst Wagner, dessen mit der Liquidierung von Millionen kalkulierende „Sanierungs“­ Phantasien zur Heilung des „Volkskörpers“ angeblich Gaupps rassenhygienischen Rezepten zur Therapie der „Ent­ artung“ des deutschen Volkes entsprächen. 1921 Verwiesen sei nur auf die Skizze zu „Biologie in Berlin um 1900“ von H. Rheinberger, in: Tenorth Bd. V, 2010, S. 735–752. Im Vergleich mit Königsberg scheint dort die Erforschung des Lebens in der experimentellen Em­ bryologie, der Protozoologie und der Vererbungsforschung um Generationen voraus zu sein, obwohl selbst Berlin auf diesen Gebieten nicht „an vorderster Stelle“ stand (ebd., S. 752) – zumindest nicht mit seinen universitären Instituten und Laboren. 1918

III. Die Albertina im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918

Kriegsauftakt in Ostpreußen: Stimmen und Stimmungen

1.

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Kriegsauftakt in Ostpreußen: Stimmen und Stimmungen

Am 1. August 1914, einem Samstag, als zur Abendbrotzeit aus Berlin die Nachricht über die vom Kaiser angeordnete allgemeine Mobilmachung eintraf, blieb in Königsberg die Begeisterung aus. „Die Stimmung der Bevölkerung war in Ostpreußen eine andere als im Reich.“1922 Jedenfalls bemerkte der frisch berufene Strafrechtler Gustav Radbruch vom patriotischen Überschwang des im Nachhinein mythisierten „Augusterlebnisses“ nichts.1923 Obwohl er sich am 2. August schon „wie auf dem Kriegs­ schauplatz“ fühlte, berichtete er seinen Eltern: „Die Stunde der Mobilmachung war erhaben. Als etwa um 8 Uhr die Anschläge erschienen, hörte man kein lautes Wort, lauter ganz in sich versunkene Ge­ sichter, auf jedem das Schicksal, das für alle gemeinsam und doch für jeden ein anderes ist. Versuche zu Kundgebungen, Hurras und Liedern fanden keinen Widerhall. Auch die Truppen ließ man ohne Hurras an sich vorüberziehen. Die Stimmung war zu ernst. Die Glocken läuteten.“1924 Am Sonntag soll die Innenstadt dann zwar einer „kochenden See“ geglichen haben, aber die Menschen, die die Straßen und Plätze füllten, waren in erster Linie hinausgegangen, um ihre Neugier zu stillen. Sie umlagerten die Anschläge und rissen sich um die Extrablätter, aber daß sie den „Soldaten, Soldaten und nochmals Gause 1931, S. 17: Gewiß habe es Begeisterung gegeben, aber die „erhebenden Augusttage“ seien in Ostpreu­ ßen doch „ernster“ ausgefallen. Die Morgenausgabe der KHZ Nr. 357 v. 2. 8. 1914 hält fest, daß die um 19 Uhr erfolgte amtliche Bekanntmachung „ohne eine besondere Steigerung der Erregung aufgenommen“ worden sei; ebensowenig habe die kurz zuvor bekannt gemachte Aufbietung des Landsturms „eine Änderung in der Gemüts­ verfassung der Massen bewirkt“. Als alle Glocken der Stadt zu läuten begannen, „stand die Menge still, Frauen falteten die Hände, und Ernst und Andacht ergriff alle Herzen“. Erst danach, als die ersten durchziehenden Trup­ pen mit „Hurra“ begrüßt wurden, habe „alle“ das „Band einer großen Verbrüderung“ umschlungen. Den Enthu­ siasmus des Vorabends, am 31. Juli, als das reguläre Konzert im Tiergarten immer wieder von „vaterländischen“ spontanen Einlagen des Publikums unterbrochen wurde, erreichte der Jubel am 1. August offenbar nicht – aber am Freitagabend wollte ja eigentlich auch niemand an den Kriegsausbruch glauben. Bestätigt werden Gauses Angaben durch die Zeitzeugin Agnes Miegel, die an Lulu von Strauß und Torney schrieb: „Da hier am Anfang durchaus nicht die Begeisterung war wie im Reich, beinah im Gegenteil nur der Mut der Verzweiflung, hier auch alle Siege nach Gebühr, aber niemals mit dem Begeisterungsrausch des flaggenfreudigen und hurrahrufenden Mitteldeutsch­ lands gewürdigt wurden, – so ist hier weniger Kriegsmüdigkeit als bei Euch, durchaus das Bestreben durchhalten bis zuletzt, das andre ist unser Ende.“ (Brief v. 31. 3. 1915, ed. Kopp/Diederichs 2009, S. 220). 1923 Die Königsberger Bevölkerung fällt damit nicht so sehr aus dem Rahmen, wie Agnes Miegel 1915 und Fritz Gause noch 1931 meinten. Vielmehr hat die Forschung in den letzten Jahren „ein breites Spektrum ganz un­ terschiedlicher Reaktionen“ und so die lange im kollektiven Gedächtnis gespeicherte Auffassung von der ein­ heitlichen Kriegsbegeisterung als „Mythos“ nachgewiesen (s. Artikel „Augusterlebnis“ in: Hirschfeld u. a. 2003, S. 358 f.). Ebenso uneinheitlich, überwiegend aber keineswegs enthusiatisch fielen die Reaktionen beim öster­ reichischen Waffenbruder aus, vgl. nur die Tagebuchnotizen Stefan Zweigs über die Reaktionen der Wiener Be­ völkerung in den ersten Kriegstagen, als er zu spüren glaubt, wie sich „das Grauen in der ganzen Stadt“ festsetzte (1984, S. 81 ff.). 1924 Brief an die Eltern, Königsberg, 2. August 1914, in: Radbruch 1991, S. 181. 1922

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Soldaten“ oder den schon zur Hälfte in militärischer Kluft in die Depots marschierenden Eingezo­ genen zugejubelt hätten, vermelden die Beobachter der Hartungschen Zeitung nicht, denen eher die vielen zur Nottrauung eilenden Paare und das „unterdrückte Schluchzen“ während der Bittgottes­ dienste eine Notiz wert waren. Wie Radbruch faszinierte auch die Königsberger Zeitungsmacher der „tiefste Friede“, wie sie ihn in den westlichen Stadtteilen erlebten: „Freundlich blühten die Gärten. Auf den Rasenflächen spielten die Kinder, und das sonst auch in diesen Gegenden nicht fehlende Geräusch der Großstadt vermißte man hier mit einem Male gänzlich … .“1925 Von Kriegseuphorie ist auch in den nächsten Tagen und Wochen, vertraut man der überlieferten Professorenkorrespondenz, wenig zu spüren. Das Mobilmachungswochenende verstrich, bevor Prorek­ tor Schulze am Montag „Huldigungsdepeschen“ an Kaiser und Kronprinz absetzte. Tags darauf erging sein „Aufruf“ an die kriegsfreiwilligen Studenten, der die „zu den Waffen“ Eilenden an den Geist Ernst Moritz Arndts und an die Befreiungskriege mahnte, nebenbei penibel die Übergabe der Univer­ sitätsgebäude an die Militär­Verwaltung bekannt machte und, dieser Einschränkung ungeachtet, die Aufrechterhaltung des Vorlesungsbetriebs in Aussicht stellte.1926 Der Historiker Krauske und einige seiner Kollegen nahmen angesichts der russischen Gefahr das preußische Suum cuique recht wörtlich und ließen sich vorzeitig ihr Gehalt auszahlen. Krauske re­ gistriert dabei, wie er Brackmann – „bitte, sub silentio“ – schrieb, daß „verschiedene Instanzen den Kopf gänzlich verloren“ hätten und im Begriff gewesen seien, „sofort den ganzen Baarbestand der Universitätskasse, einem nicht sehr klaren Befehl entsprechend, bei der Regierung abzuliefern, die alle ihre Gelder schleunigst fortbringt“.1927 Vor falschem Heldentum riet er dem in Hannover weilenden Mediävisten auch unter dem Eindruck erster Gerüchte über einen militärischen Erfolg bei Tannen­ berg1928 entschieden ab: „Ich möchte Ihnen vorschlagen, noch einige Zeit in Hannover zu bleiben und wenn sich weiter alles so gut anläßt, wie seit der Schlacht von Gilgenburg­Ortelsburg gleich mit Ihrer KHZ Nr. 358, Abendausgabe v. 3. 8. 1914, 2. Blatt. – Überschwang kam ebensowenig während des Militär­ gottesdienstes in der Schloßkirche auf, wo Militäroberpfarrer Bock „in tiefbewegten Worten auf den Ernst der kriegerischen Lage“ hinwies. Nach Gebet und Segenserteilung „durchbrausten die Klänge des Lutherliedes ‚Ein feste Burg ist unser Gott‘ die weiten Räume der Kirche.“ Nach einer Serie von Gottesdiensten am 5. 8., als auch in der Neuen Synagoge Rabbiner Vogelstein dafür betete, an die deutschen Fahnen möge sich der Sieg heften, kam man in der Schloßkirche noch einmal zusammen, wo nun „lautes Schluchzen und erstickte Seufzer“ die Predigt begleiteten (KHZ Nr. 362, 5. 8. 1914). 1926 Chronik AUK 1914/15, S. 27–30. 1927 Krauske – Brackmann, 26. 8. 1914, in: GStA, VI. HA, Nl. Brackmann, Nr. 36, Bl. 78 f. Über sein eigenes Schicksal berichtete Brackmann an Kehr: „Wir in Ostpreußen haben ja eine tolle Zeit hinter uns. Als die Dinge sich Ende Juli zuspitzten, schickte ich, wie fast alle anderen Herren, Frau und Kinder [= Irmgard Brackmann mit ihren 1909 und 1912 geb. Kindern Ilse und Kurt] nach dem Westen, da der Kurator vertraulich dazu aufforderte. Ich selbst versuchte zuerst mit einigen anderen Kollegen eingestellt zu werden, meldete mich dann, als wir als zu alt zurückgestellt wurden, beim Oberpräsidenten zu beliebiger Verwendung und wurde in der Verwundeten­ und Flüchtlingsfürsorge angestellt. Hier war ich bis Ende August tätig. Bald nach der Auflösung der Zentrale wurde ich telegraphisch nach dem Westen gerufen, weil mein Schwager als Hauptmann bei V[?]ville gefallen war und die Fa­ milie meiner bedurfte. Als ich zurückkehrte, wurde die Bahn nach Kgb. gesperrt; ich meldete mich daher hier zur Verwundetenpflege und […] nach kurzer Zeit zum Operationsassistent, als welcher ich zur Zeit noch tätig bin. Ich habe mich jedoch nur bis zum Semesterbeginn verpflichtet und werde in etwa 14 Tagen nach Kgb. zurückkehren, allerdings wiederum im Hauptamt medizinisch und nur im Nebenamt historisch tätig sein.“ GStA, VI. HA, Nl. Kehr, AI Nr. 2, Bl. 656; Brackmann – Paul Kehr v. 10. Oktober 1914. 1928 Der historischer Erinnerung an die Niederlage des Deutschen Ordens am 15. Juli 1410 auf dem Schlachtfeld von Tannenberg Rechnung tragende, von Ludendorff gewählte Name des nahebei gelegenen Schlachtfeldes vom August 1914. 1925

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Familie heimzukommen. Freilich darüber wird noch einige Zeit vergehen. Vorläufig ist es nicht unmöglich, daß in den nächsten Tagen Königsberg vorübergehend eingeschlossen wird. Vorgestern Abend fanden dicht vor dem Fortbereich Gefechte bei Uderwangen und Witten­ berg (südlich von Wickbold) statt. Die Forts der Südfront haben gefeuert; ebenso war gestern Abend eine halbe Stunde Kanonendonner hörbar. Indessen ich denke, die Zeit ist nicht mehr fern, wo Monsieur Rennenkampf in Ostpreußen die Visitenkarte abgeben wird p. p. c. pour jamais. Bis dahin lassen Sie Ihre Familie noch in Hannover, denn die Zeit des Harrens, die wir ohne jede offizielle Nachricht durchgemacht haben, war eine harte Probe, die viele wackere Menschen nicht bestanden haben.“ Unter diesen „wackeren Menschen“ stachen vor allem die Theologen Dorner, Löhr, Uckeley und Juncker hervor, die es bei Gottvertrauen nicht bewenden ließen und sich oder wenigstens ihre Familien umgehend in Sicherheit brachten.1929 Sie mußten sich ihrer Ängstlichkeit nicht schämen. Sie war Ausdruck der Kriegspsychose, die sich während des „Aufhörens des bürgerlichen Lebens“ und im „Fieberzustand“ der „gespannten Er­ wartung“ des „unbekannten Nachbarn“ ausbreitete. Bis Mitte August nahmen die Befürchtungen zu, genährt durch erste Greueltaten oder nur Gerüchte über die Grausamkeit der seit dem 2. August nördlich der Memel und im Raum Schirwindt, Stallupönen und Pillkallen operierenden Kosaken, aufgeheizt durch die in den östlichen Grenzkreisen einsetzende Massenflucht vor den russischen Trup­ pen. Mit den Zivilisten flohen die Behörden. In der gesamten Provinz führte der russische Vorstoß im Regierungsbezirk Gumbinnen zur „fast völligen Desorganisation des Behördenapparats“, Folge der mangelhaften Zusammenarbeit der Dienststellen untereinander und der Weigerung der Militärs, sich mit den Zivilbehörden abzustimmen.1930 Nach dem am 20. August befohlenen Rückzug deut­ scher Truppen vor der aus dem Nordosten Russisch­Polens in die Provinz einfallenden Njemen­Armee Rennenkampfs, die am 24. August Insterburg besetzte und auf Königsberg vorfühlte, schien sich zu bestätigen, daß Ostpreußen aus gesamtstrategischen Erwägungen zunächst preisgegeben werden sollte. Der Oberbefehlshaber der Ostpreußen deckenden 8. Armee, von Prittwitz und Gaffron, legte Schlief­ fens Strategie für den Zweifrontenkrieg – Abwehr im Osten, bis der Sieg im Westen errungen ist – in dem Sinne aus, daß er Abwehr mit Hinhalten und Ausweichen gleichsetzte, was seiner 8. Armee zwangsläufig den Weg zurück über die Weichsel wies.1931 Einen aufmerksamen Zeitgenossen dürfte An sehr versteckter Stelle erhält man Aufschluß über diese Absetzbewegung, nämlich in einer Akte über die Erteilung von Remunerationen und Unterstützungen. Sie dokumentiert, daß sich die nicht sehr „wackeren Men­ schen“ nach ihrer Rückkehr um Kostenersatz bemühten. Da per Verordnung dieser Anspruch eingeräumt worden war, zugleich aber begrenzt auf die Zeit nach dem 16. August (in den ersten 14 Tagen sei niemand zur Abreise „durch feindlichen Einfall genötigt“ gewesen), gingen Löhr (der sich gleich am 2. August mit Familie nach Jena begab) und die Familien von Dorner und Uckeley leer aus. Vgl. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 11, Bd. VI, unpag.; Bericht des Kurators v. 20. 4. 1915 nebst Einlassungen der Antragsteller. Außer den Theologen noch der Indologe Franke (der erst am 29. 8. mit Familie und „Zettelsammlungen“ abreiste, just am Tag des Sieges von Tannenberg, von dem er noch nichts habe wissen können, als er am 28. die Fahrkarten erstand!), der Physiologe Hofmann, der Chirurg Friedrich (beide „ins Feld“ und beide ihre Familien am 1. 8. fortschickend), der Jurist Manigk (mit Familie am 25. 8. nach Breslau) und der Zoologe Thienemann (am 21. 8. nach Halle), dessen An­ sprüche geradezu mit Entrüstung zurückgewiesen wurden, da sein Dienstort Rossitten auf der Kurischen Nehrung schließlich „nie gefährdet“ gewesen sei. Aus Krauskes Briefen an Brackmann geht hervor, daß auch die Familien der Juristen Knoke und v. Gierke, des Physikers Kaufmann sowie Frau und Kinder des Altphilologen Deubner evakuiert wurden. 1930 Gause 1931, S. 20 f., 54. 1931 Anders die Deutung Schlieffens durch den Befehlshaber des I. AK, General v. François, vgl. ders. 1920, S. 149 und 190–192. Der war der Überzeugung, im Kampf mit den Russen sei der Hieb die beste Parade. Also sei nicht ausweichende Abwehr im Sinne Schlieffens nötig, sondern offensive Vorwärtsverteidigung, um möglichst die ge­

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das nicht überrascht haben. Ebenso findet ein rückschauender Historiker wie Hartmut Boockmann dies konsequent: Denn der für kurze Zeit erwogene Rückzug über die Weichsel, der temporär in Kauf genommene Verlust der östlichen Provinzen, signalisiere, daß man auf diese „Region zweiten Ranges“ im Notfall verzichten konnte.1932 Solange die Semesterferien währten, zeigten die Flüchtlinge der Universität wenig Neigung zur Rückkehr, zumal die militärische Lage „nach Tannenberg“ und der ersten Schlacht an den Masurischen Seen (8.–11. September 1914) unübersichtlich blieb: „Es sieht ja so aus, als ob dank Hindenburg und Ludendorf[f ] Ostpreußen dauernd befreit ist. Aber wer kennt die Pläne der Russen!“1933 Aus sicherer Entfernung gab Brackmanns nun in Halle sitzender Vorgänger Werminghoff die ermunternde Ein­ schätzung des Stammtischstrategen: Ein Königsberger Major, einst sein Hörer, habe ihm von Tannen­ berg erzählt: gigantisch, „grausam das Angst­ und Wutgeheul der in die Sümpfe getriebenen Russen, die Leichen standen, weil sie nicht mehr fallen konnten“. Da weitere aussichtsreiche Kämpfe „wohl“ in Russisch­Polen bevorstünden, gelte es: „nicht die Nerven verlieren, ausharren, durchhalten“.1934 Ein kurzer patriotischer Taumel erfasste die Universitätsführung Mitte September, als man eilends beschloß, den siegreichen Feldherrn von Tannenberg zum Ehrendoktor aller vier Fakultäten zu ernen­ nen, während seinem Stabschef Ludendorff am 28. September der Dr. phil. h.c. verliehen wurde.1935 Doch in der ungeachtet des ostpreußischen Cannae weiter von den zaristischen Armeen bedrohten Provinz dominierte ansonsten eher die von Krauske vermittelte Stimmung vorsichtigen Abwartens – ausgenommen der seine Triumphgefühle enthemmt auslebende, vom blanken Russenhaß getriebene alldeutsche Kirchenhistoriker Friedrich Lezius.1936

samte Provinz vor „Russenverwüstungen“ zu schützen. So verfuhr v. François mit seinen Truppen bei Gumbinnen, mußte sich am 20. August aber fügen und den Rückzug antreten. Dabei erlebten seine Offiziere einen weinenden General, der aus „Empörung und Enttäuschung“ über den Prittwitz­Befehl Tränen vergoß. 1932 Boockmann 1992, S. 394. – Zeitgenössische Militärhistoriker stellen allerdings in Abrede, daß die Oberste Heeresleitung unter dem jüngeren Moltke die Provinz habe preisgeben wollen. Vielmehr habe Generaloberst von Prittwitz und Gaffron am 20. August eigenmächtig den Rückzug über die Weichsel eingeläutet. Um das zu ver­ hindern, setzte ihn Moltke am 21. 8. ab und berief am 22. 8. Hindenburg, dem er Generalmajor Ludendorff als Stabschef attachierte. So die offiziösen Darstellungen des Reichsarchivs, Bd. II: Befreiung Ostpreußens 1925 und v. Schäfer 1927, ebenso Elze 1928 und Grosse 1939; die in neueren Arbeiten – so in den Artikeln „Ostpreußen“ und „Tannenberg“ von V. G. Liulevicius in: Hirschfeld 2003 – zitierte Monographie von Showalter 1991 bietet nur eine Zusammenfassung dieser, dem angelsächsischen Publikum unbekannten, älteren deutschen militärhisto­ rischen Forschung. Als ultima ratio hätten Schlieffen und Moltke d. J. die vorübergehende Preisgabe Ostpreußens jedoch schon in ihr strategisches Szenario des Zweifrontenkrieges einbezogen. 1933 GStA, VI. HA, Nl. Brackmann, Nr. 36, Bl. 74 f.; Krauske an Brackmann v. 25. 9. 1914. Ähnlich der Chirurg Paul Friedrich an seine Frau, Königsberg, d. 21. 9. 1914: „Übersiedlung nach hier besser noch nicht ins Auge fas­ sen. Russische Vorstöße immer wieder zu erwarten.“ (Tilitzki 2008, S. 53). 1934 Ebd., Nr. 40; Werminghoff – Brackmann v. 29. September 1914. 1935 AUK Chronik 1914/15, S. 16; s. a. Hindenburg 1914. 1936 Die Ortsgruppe Königsberg des Alldeutschen Verbandes war Ende 1912 neu gegründet worden. Den Vorsitz übernahm Oberlehrer Lange, unterstützt von zwei Telegraphenbeamten. Lezius wird 1916 erstmals als 2. Vorsit­ zender genannt, spielte aber, wie aus der einschlägigen Rubrik der AllB zu ersehen ist, wohl schon vorher, neben dem Gymnasiallehrer und Lehrbeauftragten an AUK und HHK Arthur Mentz sowie dem Staatsarchivar Paul Karge, eine führende Rolle. Im Januar 1913 hielt er seinen ersten Vortrag über „Heer und Volk einst und jetzt“, ein Korreferat zum Vortrag des Verbandssekretärs Taube über die Zabernaffäre. Am 4. 3. 1913, als die OG 50 Mit­ glieder zählte, sprach Lezius über „Das Deutschtum in Rußland“. Zusammen mit dem örtlichen Ostmarkenverein, VDSt und dem Wehrverein richtete die OG im Mai eine erste öffentliche Veranstaltung mit dem stellvertr. AllV­ Vorsitzenden Admiral Alfred Breusing aus. Vgl. AllB 22, 1912, S. 399, 467; 23, 1913, S. 126, 214; 24, 1914, S. 62 f., 70, 251 (zum Mentz­Vortrag über „Das Deutschtum in Vorderasien“ – mit Blick auf die „Bagdad­Bahn“); 25, 1915, S. 15 f. (über eine „vertrauliche Sitzung“ am 15. 12. 1914, in der Lezius über die erste Class­Denkschrift

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Der schickte in diesen aufregenden Wochen seinem Freund, dem Berliner Dogmatiker Reinhold Seeberg, fast täglich Stimmungsberichte, da er, auf Abendgesellschaften, vor Zeitungsgebäuden, in Buchhandlungen („Karten studieren“) und in vielen Straßengesprächen gierig alle Informationen und Gerüchte einsaugte, die in der Festung und „Frontstadt“ Königsberg kursierten. Er wünsche den Krieg „jetzt“, hatte Lezius am 30. Juli gedrängelt, da die russische Hochrüstung das Reich in eine immer aussichtslosere Lage bringe und der mit Sicherheit „ca. 1917–1918“ zu erwartende Angriff eines über­ mächtig gewordenen Feindes „Zusammenbruch und Finis Germaniae oder offenes Vasallenthum“ be­ deute.1937 Obwohl Lezius, der das Scheitern diplomatischer Vermittlungen zwischen Berlin, Wien und Petersburg nahezu herbeisehnte und den Kriegsausbruch als Chance zur Abrechnung mit Rußland begrüßte, sich tapfer zum Ausharren entschloß und mokant über furchtsame Kollegen wie den eilig das Weite suchenden Geographen Hahn oder den Theologen Juncker („aus Angst vor den Russen ausge­ kniffen“) herzog, überkam auch ihn, als der in der Festung als Landwehroffizier dienende Slavist Rost ihm die Einschließung in Aussicht stellte, ein mulmiges Gefühl: „Rost meinte, natürlich sei eine Be­ lagerung nicht ausgeschlossen. Dann werde man sich mehr in den Kellern aufhalten. Schöne Aussicht. Habe schlecht die Nacht geschlafen. Bin doch recht nervös geworden. Der Samländer Strand ist, wie ich mich überzeugt habe, total ausgestorben. An den Festungswerken wird mit Hochdruck gearbeitet, Wälder rasiert usw. Einschließung klingt nicht gut.“1938 Als die Schlacht zwischen Gumbinnen und Goldap zwei Wochen später mit einem deutschen Abwehrerfolg endete, verflog Lezius’ Nervosität. Stattdessen tobte sich nun der antirussische Furor des einst beinahe nach Sibirien verbannten Balten­ deutschen aus. Auf das Frohlocken über den „totalen Sieg“, den Oberpräsident von Windheim den verbliebenen Professoren am 21. August noch vor Erscheinen des Heeresberichts bekanntgemacht hatte, und die „Berge stinkender Russenleichen“ auf dem Gumbinner Schlachtfeld, folgten, nach einer kurzen Phase der Verunsicherung über den unverständlich erscheinenden Rückzug,1939 jubilierende Briefe über das „russische Sedan“ bei Tannenberg: „Das ist mehr als Sedan, das ist Cannae.“ Un­ zufrieden war Lezius damit, die geschlagenen Russen gefangen zu nehmen. Nach den von ihnen in Ostpreußen verübten Greueltaten gegen Zivilisten sei solcher Großmut fehl am Platze: „Wozu wir noch 90.000 dieser Barbaren das Leben geschenkt haben, ist mir nicht recht erfindlich.“1940 Aber es gab für den leidenschaftlich gern in weltpolitischen Betrachtungen schwelgenden Kirchenhistoriker noch gewichtigere Gründe, das russische Tannenberg­Desaster und die unmittelbar darauf folgende Niederlage Rennenkampfs in der ersten Masuren­Schlacht bald reservierter zu kommentieren: „Es ist ein Jammer. Ich kann mich über unsere Siege schlechterdings nicht freuen, weil ich weiß, daß sie ja sprach); 26, 1916, S. 206 (zu Lezius’ Wiederwahl als 2. Vorsitzender; dazu die Meldung, daß die Mitgliederzahl von 93 im Sommer 1914 auf inwischen 192 angewachsen sei). 1937 BAK, N 1052/99, Bl. 9–11; Lezius – Seeberg v. 30. 7. 1914. 1938 BAK, N 1052/99, Bl. 15–16; Lezius – Seeberg v. 8. 8. 1914. Darin auch über Hahn („abgereist aus Furcht vor den Russen“); mit dem Kollegen Juncker wartete er zu dieser Zeit noch gemeinsam vor den Zeitungsgebäuden auf Extrablätter. Juncker verließ dann Ende August die Stadt, kehrte aber bald zurück – in Lezius’ Augen behaftet mit dem Odium des Feiglings: „Juncker war aus Angst vor den Russen ausgekniffen, jetzt ist er wieder hier, nervös und angsterfüllt wie immer.“ (ebd., Bl. 69–74, an Seeberg v. 16. 9. 1914). 1939 BAK, N 1052/99, Bl. 18–21; Lezius – Seeberg v. 27. 8. 1914: „Die geängstete Provinz kann sich gar nicht über die Siege im Westen freuen. Man ist sehr bitter. Zu wenig Truppen hier, kein Prinzip, bald wird die Provinz gehal­ ten, dann geräumt, dann wieder gehalten. Bald sagen die Behörden, bleibt in Stadt und Land, dann heißt es flieht. Auch die verwundeten Soldaten sind bitter. […] Die Leute sind bitter und sagen, wozu ließ man die Russen ins Land. Pferde und Menschen hungerten ihnen in Rußland, erst in Ostpreußen haben sie Fleisch zu essen und Korn zu fressen bekommen, so daß sie zu Kräften kommen. Dazu die Morde und Greuel der Russen. In Neidenburg haben sie das Hospital samt allen Ärzten und Kranken verbrannt. Nichts davon darf in die Zeitungen.“ – Über den Abwehrerfolg bei Gumbinnen – Goldap schrieb Lezius am 22. 8. siegesgewiß an Seeberg, daß die Entscheidung in den nächsten Tagen fallen werde (ebd., Bl. 30). 1940 BAK, N 1052/99, Bl. 42–45; Lezius – Seeberg v. 5. 9. 1914.

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doch nur im elendsten aller Frieden enden werden, der Deutschlands Untergang vorausgeht.“ Hier setzten die erst mit der Niederlage und Revolution von 1918 endenden Klagen Lezius’ über die „poli­ tischen Schwächlinge“, den Kaiser und seinen Reichskanzler Bethmann Hollweg ein, denen er unter­ stellte, als „Epigonen Bismarcks“ Deutschland für „saturiert“ zu halten und daher einen Frieden an­ zustreben, der den Weltkrieg mit dem status quo ante bellum abschließen werde. Als Parteigänger der Alldeutschen, dessen lautester akademischer Trommler er in Königsberg war, vertrat Lezius dagegen den Standpunkt, nur ausgreifende Zugewinne in West und Ost könnten den Bestand des Deutschen Reiches dauerhaft garantieren. Mit seinen kühnen Annexionsplänen, vornehmlich zu Lasten Rußlands („Petersburg preußisch“, der Kaukasus „herrliches Kolonialland“),1941 in einer Art Weltmachtrausch („Hoffentlich haben wir bald Krieg mit America“),1942 verlor Lezius rasch jedes Maß, ebenso mit seiner Kritik an der Reichsleitung, die ihm einen Prozeß wegen Majestätsbeleidigung eintrug, oder in sei­ nen verbalen Vernichtungsorgien („Vivat der große Russentöter“ – auf Hindenburg, nach der zweiten Masurenschlacht im Winter 1915).1943 Im Herbst 1914 und auch im weiteren Kriegsverlauf, als sich gerade in Königsberg um den Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp die alldeutsche Opposition formierte, die sich 1917 als neugegründete Deutsche Vaterlandspartei inneren Reformen und dem „Verständigungsfrieden“ entgegenstemmte, blieb Lezius’ Radikalismus selbst im Umfeld seiner Gesin­ nungsfreunde isoliert. Solange wie der Feind noch einen Teil der Provinz besetzt hielt, fand im akademischen Rahmen ohnehin kaum nationalistische Agitation statt, wie sie sich etwa im Oktober 1914 an der Berliner Universität artikulierte.1944 Abgesehen von den kriegsfreiwilligen oder sofort eingezogenen Studenten (2/3 der Immatrikulierten) und Dozenten (1/3 des Personalbestands), suchten sich jene eher „vater­ ländisch“ nützlich zu machen, die der „Russengefahr“ im Schutze der Festung Königsberg ins Auge gesehen hatten. Fast alle nicht eingerückten Ärzte fanden in den Lazaretten der Stadt Verwendung, ebenso der Jurist Knoke und einige Philologen. Hansen, Krauske, Mitscherlich, Radbruch und der Chemiker Eisenlohr halfen bei der Betreuung der nach Königsberg hineinströmenden Flüchtlinge bzw. arbeiteten in einem für sie eingerichteten Auskunftsbüro.1945 Ob der Vorlesungsbetrieb zum Wintersemester würde aufgenommen werden können, schien durchaus fraglich, da ein Großteil der Hörsäle und Seminare militärisch beschlagnahmt war und Laza­ rettzwecken diente. Darüberhinaus schien die „große Zeit“ die Bedeutung von Forschung und Lehre zu relativieren, wie Krauskes nicht eben froh klingende Mitteilung über den nahenden Semesterbeginn verrät: „Ja, es ist der Beschluß gefaßt, im Wintersemester zu lesen. Wie ich aus dem Schulzeschen Rundschreiben,1946 das Sie wohl gleichzeitig erhalten haben, zu meinem Erstaunen sehe, ist BAK N 1052/154; Lezius an Friedrich Kropatschek (Breslau) 16. 9. 1914; diese auch Seeberg in Briefen vom 16. und 19. 9. übermittelten Phantasien kondensierte Lezius 1915 zu seiner oft zitierten, im Manuskriptdruck verbreiteten ‚Denkschrift‘. 1942 BAK, N 1052/154; Lezius – Kropatschek v. 15. 2. 1915. 1943 BAK, N 1052/154; Lezius – Kropatschek v. 15. 2. 1915. Auch hier wieder in reichlich unchristlicher Un­ barmherzigkeit über die Massen toter Feinde schwadronierend: „Meilenweit liegen russische Leichenberge da. Hindenburg hat wieder einmal ganze Arbeit gemacht … .“ 1944 Zum „Aufruf der 93“ und zu den kriegspublizistischen Aktivitäten vor allem der Berliner Professorenschaft ausführlich: J. u. W. v. Ungern­Sternberg 1996; breiter angelegt Fries 1994 und Flasch 2000. 1945 GStA, Nl. Brackmann, Nr. 36, Bl. 74; Krauske – Brackmann v. 25. 9. 1914 und Radbruch 1991, S. 184 f. (an die Eltern v. 11. 10. 1914). Nach R. Meyer in: Göttgen 1928, S. 115, hätten Krauske und Mitscherlich die Auskunftsstelle des Vaterländischen Frauenvereins „geleitet“. Hansen verwaltete im Auftrag des Frauenvereins die Speicher mit den aus ganz Deutschland für die Flüchtlinge eingehenden Sachspenden (ebd., S. 124). 1946 Gemeint ist der Prorektor im Studienjahr 1914/15, der Theologe Martin Schulze. 1941

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unser Seminar nicht zu Lazarettzwecken verwandt. Wohl aber ist in den großen Räumen ein Militärspital. Mir sind Vorlesungen in diesem Winter ein widerwärtiger Gedanke. Ich meine, bei aller Verehrung für unsere Wissenschaft und unseren Beruf, es gibt in jetziger Zeit Pflich­ ten, die uns näher stehen. Ich beabsichtige, nach dem Schluß unseres ‚Flüchtlings­Ausschanks‘ mir eine andere gemeinnützige Tätigkeit zu suchen und die Vorlesungen usw. möglichst zu beschränken. Wer wird denn diesen Winter zu unseren Füßen sitzen? Wir dürfen höchstens auf einige Reichskrüppel [sic] und etliche Fräulein rechnen. Und diejenigen davon, die das Herz auf dem rechten Fleck haben, werden sich auch nach gemeinnütziger Tätigkeit umsehen und die Vorlesungen nur belegen, um die Semester herauszuschinden. Bin ich ungerecht, wenn ich sage, das ist nicht das Auditorium, an dem man Freude haben kann? […] Eine [?] Tätigkeit werden Sie, meiner Ansicht nach, hier finden. Und die wird Sie mehr befriedigen, als die wissenschaftliche Eulenspiegelei, während unser Herz und unsere Gedanken ganz woanders sind.“1947 Nicht nur Krauske fürchtete sich zu diesem Zeitpunkt weiter vor der russischen Bedrohung: „Die Haupterwägung verdient m. E. die politische Lage. Gott allein weiß, ob Königsberg vor einer Belage­ rung schon ganz sicher ist. Heute ist die Nachricht von einer Schlacht bei Augustowo gekommen, wo unsere Truppen zwei russische Korps geschlagen haben sollen. Lyck und Goldap sind wieder einmal von den Einwohnern geräumt worden.“1948 Nachdem Anfang Oktober deutsche Operationen im Raum Augustowo, auf russischem Territo­ rium, wegen zu starken feindlichen Widerstands abgebrochen werden mußten, zogen sich die Truppen der nun von dem, mit mehreren kleinen Offensiven letztlich scheiternden, „Draufgänger“ v. François geführten 8. Armee wieder hinter die eigene Grenze zurück. Vier Wochen später drängte Rennen­ kampfs Nachfolger General Sievers, in südwestlicher Richtung bis nach Masuren vorstoßend, gegen eine schwache deutsche Front und löste die zweite Massenflucht von 350.000 Bewohnern des östlichen Ostpreußens aus. Ein breiter Grenzstreifen zwischen Tilsit und Lyck fiel im November wieder in rus­ sische Hand.1949 Unter den Augen der Russen begann also Ende Oktober an der Albertina der Unterricht, obwohl der zurückgekehrte, als Dozent kaum geforderte Brackmann („Mein ganzes Seminar vom vorigen Sommer steht bis auf 2 Leute im Felde, die Damen sind beim Roten Kreuz tätig – woher sollen also die Hörer kommen?“) mit verfrühtem Optimismus meldete: „Zur Zeit ist ganz Ostpreußen frei. Nur in der Nähe von Lyck haben sich einige russische Regimenter eingegraben, treu bewacht von ostpreußischen Landwehrregimentern. Die Ent­ scheidung wird natürlich bei Warschau fallen, wo unsere ganze 8. [recte: 9.] Hindenburgische Armee versammelt ist samt österreichischen Streitkräften. Hoffen wir das Beste! […] Mit den GStA, VI. HA, Nl. Brackmann, Nr. 36, Bl. 70–73; Krauske – Brackmann v. 4. 10. 1914. Ebd. 1949 Zu den militärischen Ereignissen in Herbst und Winter 1914/15 ausführlich die Publikationen des Reichs­ archivs: Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Bd. V, S. 501–543 (von Mitte September bis Anfang November 1914), Bd. VI, S. 324–350 (Nov./Dez. 1914) und Bd. VII, S. 172–240 (die zweite Masurenschlacht im Februar 1915). Sehr anschaulich: Bilderatlas 1915. – Dazu der besorgte Kommentar des Geographen Friedrich Hahn an den Sekretär des Deutschen Geographentages vom 16. 11. 1914: „Was wir in Ostpreußen seit 1. August erlebt haben, davon macht man sich vielfach in Berlin doch keine ganz richtige Vorstellung. Daß auch meine Gesundheit unter dem Eindruck der Sorgen sehr gelitten hat, können Sie sich denken. Hier an der Grenze wird ja, wie auch Ihnen die Depeschen melden, immer noch gekämpft. Möchten doch endlich die Russen gänzlich vertrieben werden. Wir waren lange Zeit in Leipzig, mußten aber im Oktober zurückkehren, weil das Semester anfangen sollte. Eine kleine Anzahl Zuhörer, meist Damen, hat sich wirklich gefunden.“ (SBB, Slg. Darmstädter, F 1 f* 1877).

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wenigen anwesenden Damen und einigen Kollegen, zu denen auch Krauske gehört, haben wir einen Kriegsbund gebildet, der sich abends oft zusammenfindet. Trotz des Ernstes der politischen Diskussion sind wir meist recht lebaft und vergnügt; denn das eigene Leid behält jetzt jeder für sich.“1950 Erst im Februar 1915, nach einem Sieg in der „masurischen Winterschlacht“, war Ostpreußen dann wirklich frei und Brackmann, der dem Bonner Kirchenrechtler Ulrich Stutz meldete, seit Kriegs­ ausbruch als Hilfskraft in der Verwundetenpflege und in der Flüchtlingsfürsorge keine Minute zu wissenschaftlicher Arbeit gekommen zu sein, deutete eine Rückkehr an den Schreibtisch wenigstens an, zugleich eingestehend, daß er als Historiker auch dankbar gewesen sei, Geschichte nicht nur aus Akten und Büchern, sondern als Realität, „aus nächster Nähe“, erfahren zu können.1951

An Paul Kehr (wie Anm. 1927, Bl. 658 f.) v. 27. 10. 1914. „So kann man sich den Pflichten dieser Art nicht entziehen und muß einstweilen auf wissenschaftliche Ar­ beit verzichten […] Ihr Brief kam nach einer 10tägigen Sperre, die uns im Bahn­ und Nachrichtenverkehr völlig vom Westen abgeschnitten hatte. Wenn dieser Brief in Ihre Hände kommt, werden Sie den Grund vermutlich schon aus den Zeitungen erfahren haben. Die Russen hatten, wie man hört, große Streitkräfte, hauptsächlich auf Tilsit, geworfen, um dort durchzubrechen. Hindenburg hat deshalb in der kurzen Frist von 14 Tagen eine neue 10. Armee gebildet, mit dem Kommando in Insterburg, und während ich dies schreibe, ist eine Schlacht in der Nähe von Tilsit im Gange, die Hindenburg persönlich leitet. Hoffentlich werden Sie zugleich mit diesem Briefe die Siegesnachricht erhalten. Ich empfinde es als Historiker außerordentlich dankbar, daß ich das alles aus allernächster Nähe miterleben darf, und freue mich, daß man dabei nicht als ganz untätiger Zuschauer an der Seite zu stehen braucht.“ (an U. Stutz v. 12. 2. 1915; UA Zürich, Nl. Stutz).

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Gleichzeitig mühte sich die verbliebene Dozentenschaft, ihren Beitrag zur geistigen Mobilmachung zu leisten. Eine Anstrengung, die anders als bei den Berliner oder Heidelberger Kollegen auf nur regionale Resonanz rechnen durfte und die bis 1918 tatsächlich kaum einmal über die Königsberger Auditorien oder die Zeitungsleserschaft der Stadt hinauswirkte.1952 Mitte Oktober, als die Königsberger Profes­ soren geschlossen die „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches“ unterzeichneten, war es auf nationalem Tapet wohl das erste und letzte Mal, und mit der Einmütigkeit war es danach ebenfalls vorbei, obwohl es an der Albertina im Kriegsverlauf schon deshalb nicht zu den Berlin, Marburg oder Freiburg vergleichbaren Lagerbildungen zwischen alldeutschen „Annexionisten“ und liberalen „Ge­ mäßigten“ kommen konnte, weil die große Tradition des ostpreußischen „Fortschritts“ zwar vielleicht noch leise Anhänger wie den Philosophen Goedeckemeyer oder den Alttestamentler Löhr hatte, die sich aber öffentlich nicht organisierten und artikulierten, so daß die öffentlichen Kundgebungen nur ein schmales Mitte­Rechts­Spektrum abdeckten.1953 Der „Geist von 1914“ sollte erstmals in einem Vortragszyklus zur „Unterstützung der Hinterblie­ benen gefallener ostpreußischer Krieger“ geweckt werden. Im krassen Kontrast zum Annexionismus, den Lezius in seiner privaten Korrespondenz und als Mitarbeiter an der Class­Denkschrift ins Kraut schießen ließ,1954 fielen die öffentlichen „Kriegsreden“ von Bezzenberger, Hansen, Pillet, Fleischmann, Baesecke und Stolze bescheidener aus. Zählte für Lezius die Einverleibung des heimatlichen Baltikums zu den Selbstverständlichkeiten eines künftigen „Siegfriedens“, warnte Bezzenberger: das baltische Deutschtum liebe uns nicht, fürchte die Prussifizierung mehr als die Russifizierung. Erst recht solle man die Hände von Russisch­Polen lassen, wenn man nicht noch mehr Katholiken im Reichsverband wünsche, zu schweigen von den sozialrevolutionären „Nihilisten“, die sich dort tummelten. Politisch klüger sei es, einem deutsch dominierten baltischen Staatenbund aufzuhelfen und Polens Unabhängig­ keit zu fördern, um so „Pufferstaaten“ gegen Rußland zu schaffen. Eine Argumentation, die von dem Festgehalten zu werden verdient allerdings, daß der 1913 nach Berlin verzogene Emeritus Adolf Arndt mit zahlreichen DJZ­Artikeln und Kommentaren im nationalliberalen Tag zu staats­ und völkerrechtlichen Fragen eifrig die nationale Bühne bespielte, dabei wohl aber nicht mehr als „Königsberger“ wahrgenommen wurde (vgl. Arndt 1914–1919). Ansonsten überregional präsent nur Haendcke (s. Anm. 1989). 1953 Vgl. Erklärung 1914, S. 19; es finden sich dort 78 Dozenten, es fehlen Dorner, Pott und M. Braun, die aber im Nachtrag verzeichnet sind, sowie eine Reihe von Medizinern, die, wie der Chirurg Paul Friedrich, bereits an der Front standen als die Unterschriftenliste Anfang Oktober herumging. Es unterschrieben auch Männer wie Goedeckemeyer, Löhr, Radbruch und Selly Askanazy, die politisch Alldeutschen wie Lezius denkbar fern standen. Dieser „überparteiliche“ Schulterschluß kennzeichnet die Namenslisten aller Hochschulen, etwa in Berlin, wo der Historiker Arthur Rosenberg, nach 1918 KPD, und der Philosoph Ernst Cassirer unterzeichneten, oder in Heidel­ berg (Jaspers, A. Salz, Troeltsch) und Marburg (H. Cohen, Natorp, M. Rade). 1954 Class­Denkschrift 1914; über Lezius’ Beitrag, der in den Anhang aufgenommen wurde, vgl. Class 1932, S. 340 f.; zu Lezius siehe unten.

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Hebräisten Felix Perles1955 und dem Alttestamentler Max Löhr dahingehend gestützt wurde, daß beide in den polnischen Juden, die dort wie im gesamten Westrußland eine „deutsche Enklave im slawischen Osten“ bildeten, ein Pfund sahen, mit dem die Berliner Politik wuchern könne.1956 Verlor Lezius über die Verletzung der belgischen Neutralität kein Wort, weil er an seinem Schreibtisch viel zu beschäftigt damit war, Frankreich aufzuteilen, glaubte der Völkerrechtler Fleischmann, daß es gewiß erforderlich sei, vor dem Königsberger Publikum den deutschen „Durchmarsch“ als Akt der „Notwehr“ ausführ­ lich zu rechtfertigen,1957 während der Romanist Pillet eindringlich davor warnte, dem Gerede von der französischen „Dekadenz“ aufzusitzen und, den „Erbfeind“ unterschätzend, mit dessen rascher Niederwerfung zu rechnen.1958 Daß ein längeres Ringen bevorstehe, durften die Zuhörer zudem Han­ sens Vortrag entnehmen, der aber, mit Blick auf die landwirtschaftlichen Produktionsziffern und die bis 1914 angeblich erreichte Autarkie in der Futtermittelerzeugung, immerhin eine positive Antwort glaubte geben zu können auf die Frage: „Werden wir wirtschaftlich durchhalten?“1959 Äußerte sich hier eine aufgrund regionaler Betroffenheit durch das Kriegsgeschehen bestenfalls gedämpft zu nennende Zuversicht, die der Germanist Baesecke zudem gewiß nicht aufhellte, wenn er der zeitgenössischen „Kriegspoesie“ bescheinigte, im Vergleich mit den Schlachtgesängen von 1813 „eher schwach“ zu wirken,1960 so befand man sich wenigstens in der Abstrafung des „perfiden Albion“ im Gleichklang mit der nationalen Anti­England­Propaganda. Sofern man nicht, wie der Physiker Kaufmann, pauschal davon überzeugt war, der Ursprung des Krieges sei in „Haß und Neid zurückge­ bliebener Nachbarvölker“ zu suchen,1961 rückte meistens England als Hauptfeind in den Mittelpunkt der rhetorischen Abwehrschlacht, während ausgerechnet Rußland auffällig ignoriert, von Frankreich und ab 1915 von Italien, einer „Nation der Analphabeten und Tagediebe“ (Mutschmann), kaum Notiz genommen wurde.1962 Von den beliebten antibritischen Stereotypen, an denen der Anglist Kaluza üb­ rigens den geringsten Gefallen fand,1963 fehlte keines: von der „Mißgunst gegen das Emporblühen Löhr hatte 1915 erstmals versucht, den hochgelehrten Königsberger Rabbiner in der Fakultät zu etablieren, was erst nach 1918 gelang, und dann nur in der PhilFak; s. F. S. Perles 1981 u. Bd. II. 1956 Perles 1914 und die ausführliche Würdigung durch Löhr in KHZ Nr. 571 v. 6. 12. 1914. Perles hat 1918 in einer Rezension nochmals scharf betont, daß die Juden nie eine „innere Beziehung zu Polen“ gefunden hätten, ihre Bildung habe folglich nichts mit dem „polnischen Volksgeist“ zu schaffen, sondern sie speise sich aus der deutschen Literatur. Auch sei die repressive russische Judenpolitik kaum dazu angetan gewesen, Anleihen womöglich gar bei der russischen Kultur zu machen. 1957 Fleischmann 1914b. 1958 Pillet 1914. Sachlich­kühl und respektvoll über Frankreichs Eigenart auch Hahn 1915. 1959 Hansen 1914. Noch zu Beginn des berüchtigten „Steckrübenwinters“ 1916/17 versicherte Hansen, daß das deutsche Volk die beruhigende Gewißheit haben könne, daß „unsere Ernährung bis zur nächsten Ernte unbedingt gesichert ist“ (1916b, S. 24). 1960 Baesecke 1914. 1961 KHZ Nr. 44, 27. 1. 1916, Kaisergeburtstagsrede Kaufmanns über die Beziehung zwischen Naturwissenschaft, Physik und Technik. Ganz allgemein von „Neidern“ Deutschlands, die den Krieg heraufbeschworen hätten, sprach Prorektor von Gierke. Vgl. seine Immatrikulationsrede zum WS. 1916/17, v. Gierke 1916b. So selbstverständlich wie beiläufig ist für den Anatomen Gaupp England der „Urheber des Krieges“, dem der neben Haeckel berühmteste unter den deutschen Aposteln Darwins, sein ehemaliger Freiburger Kollege August Weismann (1834–1914), die gebührende Antwort erteilt habe, als der „glühende Patriot“ sich gleich nach Kriegsbeginn seiner zahlreichen eng­ lischen „Ehren und Würden entäußerte“ (Gaupp 1917, S. 25). 1962 Der Altphilologe Mutschmann 1916b über ‚Italien und wir‘. 1963 Kaluza 1914a, eine Rezension, die sich mit der Inhaltsangabe einer im Herbst 1914 rasch hinausgeschleu­ derten Kampfschrift eines Anonymus, Britannien und der Krieg, begnügt, sowie Kaluza 1914b, die eher kritische Anzeige der Broschüre seines Berliner Kollegen H. Spies, Deutschlands Feind. England und die Vorgeschichte des Weltkrieges. Kaluza verwahrt sich hier gegen Spies’ „Ausfälle gegen die ‚Pacifisten‘ und die ‚Verständigungsbewe­ gung‘“ sowie gegen die These, der Krieg zwischen Deutschland und England sei das Resultat „Jahrhunderte alter Gegensätze und Rassenunterschiede“. 1955

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Deutschlands“ (Stolze), vom „Krieg aus reinem Handelsinteresse“ (Gerlach), dem „Wirtschaftskrieg gegen Deutschland“ (Mutschmann) war genauso die Rede wie von Englands seit 1864 andauernden zähen Kampf gegen die deutsche Selbständigkeit (Krauske), den tiefen Wurzeln des faktisch die Welt­ herrschaft ausübenden englischen Imperialismus (Uhl) oder der Notwendigkeit, das ohnehin schon unterhöhlte Empire in einer letzten Verzweiflungstat gewaltsam vor dem deutschen Anspruch auf Gleichberechtigung zu verteidigen, wie der Kunsthistoriker Haendcke wähnte.1964 Haendcke billigte den Engländern gar eine Art Notwehrrecht zu, da ihnen, seit 20 Jahren „durch Deutschland gefähr­ det“, keine andere Wahl geblieben sei, als der Griff zu den Waffen. Darum müßten sie nunmehr zwar „derartig geschlagen werden“, daß sie das Kaiserreich als „gleichwertig“ anerkennten, aber keinesfalls dürfte man England „bis ins Mark erschüttern“, wenn nicht die wünschenswerte, auf „Rassegemein­ schaft“ und „Gemeinschaft der Interessen“ beruhende deutsch­britische Koexistenz in einer, unter Ein­ schluß Hollands und Skandinaviens, Konföderation germanischer Völker gefährdet werden solle.1965 Ohne Haendckes Herleitung der notwehrähnlichen Reaktion Englands auf die deutsche wirt­ schaftliche Herausforderung zu akzeptieren, herrschte weitgehend Einigkeit darüber, die Hauptschuld am Weltkrieg im britischen „Handelsneid“ zu suchen. Krauske bestritt dabei sogar, diesen Konflikt als innergermanischen Zwist werten zu dürfen, denn die Masse der Engländer seien Kelten, keine Germanen, also mit den Deutschen nicht „blutsverwandt“ und, da seit Jahrhunderten von Minder­ heiten beherrscht, unheilbar „moralisch krank“.1966 Die ihnen schon von Carlyle attestierte „brutale Selbstsucht“, die den Weltkrieg auslöste –, so durfte, im Gegensatz zu Haendcke, der Kirchenhistori­ ker Benrath verstanden werden –, versperrte folglich gemeinsame Nachkriegsperspektiven. Daher sei Zusammenfassungen der Vorträge von Bezzenberger et al., die am 31. 10. 1914 begannen und mit Stolzes Betrachtung: ‚Bismarck und der Krieg von heute‘ am 4. 12. 1914 endeten, finden sich in der KHZ Nr. 512/13 v. 31. 10./1. 11. (Bezzenberger, ‚Ostpreußens Grenzlande‘), 524 v. 7. 11. (Hansen), 536 v. 14. 11. (Pillet), 546 v. 21. 11. (Fleischmann), 558 v. 28. 11. (Baesecke) und 570 v. 5. 12. (Stolze). Über ‚Die englische Larve‘ hatte Krauske in der KHZ vom 3. 11. 1914 einen Leitartikel geschrieben. Gerlach erläuterte seine, die Kriegsschuld auf England abwälzende Ansicht im April 1915 bei der Eröffnungsfeier der Handelshochschule (Gerlach 1915). Bekräftigend der Berliner Althistoriker Eduard Meyer in seinem auf Gerlachs Einladung am 17. 11. 1917 an der HHK gehaltenen Vortrag über ‚Das britische Weltreich‘, jedoch betonend, daß es England um Handelsinteres­ sen, aber fundamentaler noch um „Weltherrschaft“ gegangen sei, die das Kaiserreich bedroht habe, Meyer 1918, S. 49 f. – Mutschmann antwortete in einem KHZ­Artikel im November 1914 auf die Kriegsparolen der Entente („Befreiung vom preußischen Militarismus“) und solidarisierte sich mit der Erklärung der deutschen Hochschul­ lehrer („Aufruf der 93“): Den Unterdrückern Irlands und den Herren über weltumspannende Kolonialgebiete stehe das Befreiungsgerede kaum zu, es verberge nur notdürftig die wahren ökonomischen Motive ihres Krieges gegen Deutschland (Mutschmann 1914). Der Germanist Uhl referierte in der Königsberger Ortsgruppe des (All­) Deutschen Wehrvereins über ‚Benjamin Disraeli als Begründer des britischen Imperialismus‘ (Uhl 1916). Einen etwas krausen Versuch, Herder gegen England in Stellung zu bringen, unternahm der Laryngologe Harry Gerber: Soweit englische und französische Forscher Herder für ihre kriegspropagandistische These in Anspruch nähmen, Humanismus und Preußentum seien unvereinbare Gegensätze, hätten sie dabei übersehen, daß der ostpreußische Geschichtsdenker von der Notwendigkeit eines „Kulturbollwerks“, einer großen „zentral­germanischen Macht in Europa“ überzeugt gewesen sei, also quasi ein Vorläufer von Friedrich Naumanns „Mitteleuropa“ war (Gerber 1916). Nicht zu dieser Kriegspublizistik zählend, aber für das Bild Englands aus Königsberger Professorensicht zu berücksichtigen, ist Bruno Skalweits 1915 veröffentlichte Habilschrift über die britische Landwirtschaft. Daß der „Übergang zum reinen Industriestaat“ mit der Urbanisierung auch innere Instabilität im Gefolge habe, die Massierung von „Arbeitslosen und Streitlustigen“ in „übervölkerten Städten“ (1915, S. 7), legte den Schluß nahe, das Mutterland des Empire könnte die Flucht in den Krieg angetreten haben, um sich aus einer vorrevolutionären Lage zu befreien. 1965 Haendcke 1915a. 1966 Vgl. im Rahmen des zweiten Zyklus von Kriesgvorträgen im SS. 1915 seine „Charakteristik der englischen Geschichte“, präsentiert im Mai 1915 vor dem Verein zur Bekleidung armer Schulkinder, wobei er diese etwas befremdlich wirkende These verfocht (Krauske 1915e). 1964

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unverzüglich mit der Austilgung des kulturellen englischen Einflusses zu beginnen, wie er sich etwa im deutschen Protestantismus in Gestalt des Sektenwesens, des veräußerlichten Christentums der Bap­ tisten und Methodisten, zeige.1967 Im Vergleich damit betrachtete der Systematiker Dorner das deutsch­britische Verhältnis differen­ zierter. Auch für ihn war das Empire der Hauptfeind und der Hauptverursacher des Krieges, zudem gehöre die britische Gesellschaftsordnung –, wo hinter der freiheitlichen Verfassungsfassade tatsäch­ lich die Plutokratie regiere –, und ihr materialistisches Wertesystem einer Gegenwelt an, die mit der „idealistischen“ deutschen Existenzform unvereinbar sei. Das deutsche Volk sei in diesem ihm aufge­ zwungenen Krieg berufen, eine höhere, der universalistischen Vernunftidee des Rechts gehorchende Form der Politik durchzusetzen. Zu dieser „Politik des ethischen Idealismus“ könnten die Briten aber bekehrt werden, um nach einem ehrenvollen Frieden zusammen mit den Deutschen die Macht ihres Reiches in den „Dienst des Rechts“ zu stellen und so am „Fortschritt der Menschheit“ teilzuhaben.1968 Den idealistisch veranlagten Deutschen traute Dorner eher zu, ihren Patriotismus nicht allein in der Selbstbehauptung der Nation zu erschöpfen. Sei doch die Macht des Staates, deren Behauptung und Steigerung, als Selbstzweck nur von relativem Wert und müsse ihre Rechtfertigung als bloßes Mittel im „Absoluten“ der sittlichen Ideen finden. Da den Briten als Vernunftwesen ebenso der Zugang zum „Absoluten“ offen stünde, scheitere die Auflösung nationaler Gegensätze also keinesfalls an den von Dorners Kollegen oft reklamierten „natürlichen“ Verschiedenheiten.1969 Deshalb, so der Strafrechtler Radbruch 1916 in einem im Schützengraben entstandenen Aufsatz ‚Zur Philosophie dieses Krieges‘, könne man auch keine bellizistische Rechtfertigung daraus ableiten, daß Deutschland für die Kultur, die Entente „nur“ für die Zivilisation zu Felde ziehe. Ob Macht als Maßstab der Kultur tauge, sei schon fraglich. Militärische Stärke speise sich also nicht notwendig aus „Kulturenergie“. Ebensowenig seien Kultur und Zivilisation auf nationale Trägerschaften säuberlich zu verteilen angesichts der Erfordernisse des modernen Krieges, wo „völlig gleichartige Organisationen“, aber nicht „artverschiedene Nationen“ miteinander ringen.1970 Aus Radbruchs Text mag man schon die Vorbehalte eines Sozialdemokraten in Wartestellung herauslesen. Aber auch den nach 1918 zeitweise dem Linksliberalismus zugeneigten Fleischmann wie den Deutschnationalen Kaufmann, die beiden Völkerrechtler, brachte der Kriegsverlauf in Er­ klärungsnot. Wie alle anderen deutschen Staats­ und Völkerrechtler überforderte sie die durch die britische Seeblockade verursachte Eskalation und Totalisierung des Krieges, die sich juristisch nicht mehr regulieren und in gewohnte Bahnen zwingen ließ. Seit 1915 Mitherausgeber der Zeitschrift für Völkerrecht (ZfV), dort fleißiger Rezensent und vor allem Chronist des See­ und Blockadekrieges mit Großbritannien, der im April 1917 zum Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente führte,1971 mochte Fleischmann sich, trotz öffentlicher Deklamationen, das Reich dürfe zu seiner Verteidigung

Benrath 1915. „Kriegstheologie“ wurde hier und bei anderen Königsberger Theologen (Dorner, Pott, Uckeley) nur in einer moderaten Variante geboten. Vgl. dagegen Hammer 1974 u. zu R. Seeberg: Brakelmann 1974. 1968 Dorner 1914, bes. S. 10 f., 18 f., 26, 30. – Mit der Betonung, daß die von Dorner empfohlene „Politik eines ethischen Idealismus“ allein den Sieg bringen werde, preist ein anonymer Rezensent die Broschüre den KHZ­ Lesern an: Ausgabe Nr. 357, 15. 11. 1914. 1969 Dorner 1916, S. 131–134. 1970 Radbruch 1917, S. 152 f. – Zu dieser letztlich pazifistisch motivierten Argumentation bei Radbruch vgl. Hoeres 2004, S. 460–462. 1971 Vgl. die Einleitung zur Dokumentation und Kommentierung des „Lusitania“­Falles, eines im Mai 1915 ver­ senkten Cunard­Dampfers, der Kriegsmaterial an Bord hatte und bei dessen Untergang auch einige US­Bürger ertranken, die gegen dringenden Rat des deutschen Konsuls in New York eine Passage auf diesem Schiff gebucht hatten. Der Tod dieser Bürger eines neutralen Landes gab den USA erstmals Gelegenheit, diplomatisch und publi­ zistisch gegen das Kaiserreich in die Offensive zu gehen, Fleischmann 1916c. 1967

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nicht in den Kriegsmitteln beschränkt werden,1972 trotz gründlicher Kenntnis des von ihm in aller Breite erörterten „Lusitania“­Falles1973 und der von ihm edierten „Diplomatischen Aktenstücke“ zum „verschärften Unterseeboot­Krieg“,1974 nicht von der fixen juristischen Idee der rechtlichen „Harmo­ nisierung des Krieges“ abwenden – ungeachtet der offenkundigen „Zersetzung der Internationalität“ infolge des „Wirtschaftskrieges“, mit dem England die Auseinandersetzung mit den Zentralmächten auf deren Zivilbevölkerung ausweitete.1975 Auf der Linie des Herausgebers Fleischmann dürfte dem­ nach eine ausführliche und entschieden ablehnende Rezension der Polemik Paul Eltzbachers gele­ gen haben, die der Kölner Staatsrechtler Fritz Stier­Somlo in der ZfV plazierte. Eltzbacher schlug vor, es der britischen Totalisierung des Krieges, die durch eine völkerrechtswidrige „Hungerblockade“ alle Mittel mobilisiere, um den deutschen Feind nicht nur auf dem Schlachtfeld zu treffen, mit glei­ cher Münze heimzuzahlen und „das gesamte Volk“ Großbritanniens und seiner Verbündeten in die Kriegshandlungen mit einzubeziehen. Also auch den „uneingeschränkten“ U­Boot­Krieg gegen alle, feindliche wie neutrale Schiffe in englischen Gewässern auszurufen, um nun deutscherseits die Insel von überseeischer Zufuhr abzuschneiden, „auszuhungern“ und so die „feindliche Volkskraft“ unmit­ telbar zu brechen.1976 Stier­Somlo, durchaus repräsentativ für die von der Realität überholte deut­ sche Völkerrechtlerzunft,1977 wollte von derart „revolutionärer Rechtsbildung“ nichts wissen, weil sie Im Rahmen von Kriegsvorträgen im Tragheimer Gemeindehaus, Winter 1915/16. Auch dies gesprochen mit Blick auf das Recht zum unbeschränkten U­Boot­Krieg. Hier vertrat Fleischmann die für ihn eher extreme An­ sicht, daß es Grenzen der Humanisierung des Krieges gebe, da schließlich jeder Krieg ein „Vernichtungskrieg“ sei (Fleischmann 1916e). 1973 Fleischmann 1916b. Der Aufsatz leitet eine von ihm redigierte völkerrechtliche „Würdigung“ der „Lusitania“­ Versenkung durch 21 deutsche Staatsrechtler ein, unter ihnen auch die ehemaligen Königsberger Paul Laband und Adolf Wach, die sämtlich wie Fleischmann selbst den U­Boot­Krieg als Abwehrmaßnahme gegen die völkerrechts­ widrige britische Hungerblockade werten und speziell die Torpedierung des Dampfers für zulässig erachten, weil es sich um ein „Hilfsschiff der englischen Kriegsflotte“ gehandelt habe, das wie ein Kriegsschiff behandelt werden durfte, also „Angriff und Vernichtung unterlag“ (Fleischmann 1916b, S. 165). 1974 Fleischmann 1918b. 1975 Zu diesem Erdrosselungsplan, der den „militärischen Krieg“ in einen „Wirtschaftskrieg“ transformiere, ders. 1918c, S. 214. Mit seinem Mit­Hg. Kohler legte Fleischmann zur Einführung des IX. Bandes 1916 ein Bekennt­ nis zur Völkerrechtsidee ab: „Das Völkerrecht ist nicht zerbrochen, wie der Voreilige höhnt“. Der Krieg gebäre vielmehr „ein neues Völkerrecht“ (1916f, S. 1, datiert auf den 1. 8. 1915). Bekräftigt hat Fleischmann diese Über­ zeugung in zwei Rezensionen zu E. I. Bekker (Das Völkerrecht der Zukunft) und E. Zitelmann (Haben wir noch ein Völkerrecht?): Den kriegsbedingten „Einrissen“ des Völkerrechts dürfe man „nicht so umstürzende Bedeutung beimessen“ (ders. 1916d, S. 114 f.). An dieser Position hat Fl. bis Kriegsende festgehalten. Vgl. seine Rez. zu H. Triepel, ‚Die Zukunft des Völkerrechts‘ (1918d, S. 217 f.); darin verhehlt er nicht, wie lieb ihm wäre, wenn sich, wie Triepel hofft, „der allgemeine Drang zur Kodifikation“ auch wieder dem „Kriegsvölkerrecht“ zuwende. Sympathisierend auch mit M. L. Müller (Tübingen), der sich für das für „bankrott“ erklärte Völkerrecht einsetze (1918e, S. 218). Zustimmend zitiert er Georg Jellinek, die Zeit sei längst vorbei, wo man über das Völkerrecht „spötteln“ dürfe und glaubte mit Ernst Zitelmann weiterhin an die „Möglichkeit eines Weltrechts“ (1918f, S. 457). 1976 Eltzbacher 1916. 1977 Nicht nur für sie, wie die ZfV­Beiträge der beiden Königsberger Zivilisten Klein (1918) und Manigk (1918) zeigen. Klein sieht im Internationalen Privatrecht weiter eine wertvolle Stütze des Völkerrechts, und Manigk, der „Englands Politiker“ und „Amerikas Religionsparlamente“ dafür verantwortlich machte, daß man seit 1914 ohne „zuverlässige Kriegsgebräuche“ gegeneinander focht, deren Außerkraftsetzung er aber offenkundig für temporär ansah (1918, S. 218 f.). Daß Klein trotzdem zur Analyse des totalen Krieges der Entente begabt war, beweist seine Rez. zur Darstellung des Schweizer Anwalts Arthur Curti, Der Handelskrieg … (1918, S. 475 f.). – Markig unterschrieb der junge Staatsrechtler Otto Koellreutter, der als Offizier an der Westfront kämpfte, seine Kritik an dieser „stark pazifistische[n] und doktrinär angehauchte[n] deutschen Völkerrechtswissenschaft“ mit: „Vor Ypern“. In der Hoffnung, daß künftig „Kriegsbegriff und Kriegsrecht“ von denen „bestimmend beeinflußt“ werden möge, „die das Wesen der heutigen Kriegführung aus eigener Anschauung kennen“. Diese Attacke richtete sich gegen 1972

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alle völkerrechtlichen „Fortschritte“ zur „Humanisierung des Krieges“ vernichte und hinauslaufe auf eine „förmliche Anerkennung der Rechtsnatur eines die ganze Bevölkerung gegenseitig ergreifenden Kampfes“, eben des totalen, des „Völkerkrieges“.1978 Von den völkerrechtlichten Instrumentarien eines „gehegten“ Krieges sich zu verabschieden, hielt auch Erich Kaufmann, der seit seiner ‚Clausula‘­Schrift von 1911 als „Bellizist“ und „Völkerrechts­ leugner“ galt,1979 nicht für ratsam. Auf einer Brüsseler Tagung von Militärjuristen war es der von der Front herbeigeeilte Königsberger Ordinarius, der 1911 das „Grundrecht“ souveräner Staaten dekre­ tiert hatte, sich um ihrer Selbstbehauptung willen unter veränderten Umständen von vertraglichen Verpflichtungen zu lösen, und der nun plötzlich bekundete, eben dieses „Grundrecht“ erlaube keiner Kriegspartei, „unbeschränkt [zu] sein in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Gegners“. Denn das Selbsterhaltungsrecht finde seine Grenzen in den „Gesetzen der Menschlichkeit“. Vom Bankrott des Haager Kriegsrechts sollte daher nicht billig gesprochen werden. So weit wie es die Probe des Welt­ krieges nicht bestanden habe, könne es reformiert werden. „Voreilige Schlüsse“ vom unzulänglichen Haager Vertragswerk auf „das Völkerrecht überhaupt“ verböten sich.1980 Vordringlicher aber als der „Ideenkampf“ mit den äußeren Feinden schien es den Königsberger Kriegsrhetorikern zu sein, ihrem Publikum die innenpolitischen Konsequenzen des „Völkerringens“ zu vermitteln, wobei ihre Orientierungsangebote nur implizit auch dem „Militarismus“­Verdikt der feindlichen Propaganda begegneten. Kräftig akzentuierte Krauske dies 1914/15 in mehreren Reden. In ihnen verklärte er die Einigkeit des Augusterlebnisses, um für das 1915 zur Mobilisierung der Heimatfront verabschiedete Hilfsdienstgesetz zu trommeln, das den „Landsturm der Arbeit“ aufrufe. Dies solle zur Wiedererweckung der „Begeisterung von 1914“ bei „alle[n] Volkskräften“ beitragen. Ebenso seine Berufungen auf die großen Vorbilder der preußischen Geschichte. Im Rekurs auf Preu­ ßens Verfassungshistorie etwa wollte er demonstrieren, daß sich Monarchie und Demokratie nicht aus­ schlössen, „Fürst und Volk“ zu „innerer Einheit“ gefunden hätten. Dies sei eine Entwicklung, die mit Friedrich dem Großen begonnen habe, der Untertanen zu Bürgern erzog, so daß von da an die „Sache des Fürsten auch Sache des Volkes“ gewesen sei. In der heutigen „Hingabe des Einzelnen an Volk und Reich“ wirke der „Geist des großen Königs“ fort. Nicht zuletzt deshalb, weil Bismarck die Grundlagen für das „soziale Königtum“ der Hohenzollern verbreitert habe.1981 Daß der preußische Militärstaat stets A. Mendelssohn­Bartholdy, wie Fleischmann, Kaufmann, Manigk oder Klein ein Verfechter der idealistischen Mehrheitsmeinung. Der Würzburger, nach 1918 in Hamburg lehrende Völkerrechtler, erfasse, so konzedierte Koellreutter, zwar präzise die Eigenart des englischen Kriegsbegriffs, der nicht nur die Staaten, sondern jeden einzelnen Staatsangehörigen zum Feind im Rechtssinne mache und ohne moralische Bedenken es allein auf die „Überwältigung des Gegners mit allen zu Gebote stehenden Mitteln“ absehe, doch er glaube weiterhin, dies sei nur eine vorübergehende Abweichung vom kontinentalen Verständnis des Krieges als „Staatenkrieg“ (Koellreutter 1916, S. 426 f., in einer Rez. zu Mendelssohn­Bartholdy, Der Kriegsbegriff des englischen Rechts, Mannheim 1915). 1978 Stier­Somlo 1918, S. 216 f. 1979 Vgl. o. Kap. II, 4.2.2. 1980 In: Kaufmann II, 1960, S. 1–12, hier zit. S. 6. 1981 Vgl. O. Krauskes Rede „Vom deutschen Kriege“, gehalten vor dem Königsberger Lehrerverein, in: KHZ Nr. 594, 19. 12. 1914, vor dem gleichen Auditorium ein Jahr später „Vom Durchhalten“, in: KHZ Nr. 596, 20. 12. 1915; dazu sein Festvortrag vor der KglDG am 18. 1. 1915: Verfassungspläne und Konflikte in Preußen seit 1861, in: KHZ Nr. 29, 19. 1. 1915, und die Rede auf der Gedenkfeier der von Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp präsidierten Königsberger Bismarckgesellschaft, zum 100. Geburtstag des, so Krauske, „Waffenschmied[es] des Reiches“, in: KHZ Nr. 156, 3. 4. 1915. Krauskes Dithyramben auf Friedrich II. finden sich in der „zum Besten des Akademischen Hilfsbundes“ gehaltenen Rede: „Friedrich der Große und die Arbeit seines Lebens“ (die, so der Berichterstatter, „hinreißend“ gewirkt habe) und „Friedrich der Große im Siebenjährigen Krieg“, in: KHZ Nr. 293, 25. 6. 1916 und Nr. 130, 18. 3. 1917. – Krauske beteiligte sich auch mit einem Aufsatz an der „Hindenburgnum­ mer“ der Königsberger Woche, einer im April 1916 erschienenen Sonderausgabe zum Goldenen Militär­Jubiläum

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„Kulturstaat“ gewesen sei, so Brackmann in seiner Rede zu Kaisers Geburtstag im Januar 1915, beweise schon Kants Wirksamkeit im aufgeklärten Absolutismus Friedrichs II. Die Einführung der allgemei­ nen Wehrpflicht im Zuge der preußischen Reformen habe die kulturelle Entwicklung befördert, denn es gebe einen inneren Zusammenhang zwischen militärischer Disziplin und kulturellem Fortschritt im 19. Jahrhundert, für den auch 1871 keine Zäsur bedeute.1982 Aus diesem positiv konnotierten Milita­ rismus, den Brackmann offensichtlich im Sinne des „deutschen Sozialismus“ Plenges als ideale Form der Vergemeinschaftung des Individuums verstand, ergab sich zwanglos die Auffassung eines um die Bewahrung dieser „deutschen Art“ ausgefochtenen Weltkrieges.1983 Mit dieser Deutung bewegten sich die Königsberger Kriegssinnstifter eher im Rahmen des national Üblichen. Das galt auch für die religiöse Überhöhung des Völkerringens, die sich bei dem nimmer­ müden Homiletiker Alfred Uckeley und dem als Feldgeistlichen an der ostpreußischen Front aktiven Neutestamentler August Pott in einen Strom von Kriegspredigten ergoß. Vor allem Pott arbeitete die ganze Palette der Topoi protestantischer Kriegstheologie in seinen Predigten für die Feldgrauen an der Front und in der Königsberger Garnison ab, dabei die politischen und militärischen Ereignisse auf die Regie des „deutschen Gottes“ beziehend.1984 Ebenso versichert der Neutestamentler Richard A. Hoffmann seinen zivilen Zuhörern im vollbesetzten Stadtmissionshaus, sie lebten in einer Zeit der „großen Offenbarung Gottes“, der sich „im Donner der Schlachten“ enthülle, dessen Gnade sich in den „herrlichen Waffentaten“ des deutschen Heeres erweise.1985 Aber auch Krauske setzte den „deut­ schen“ mit dem „heiligen Krieg“ in eins, weil er mit dem Heroismus die lange verschütteten Glaubens­ kräfte, den idealen Sinn der Deutschen geweckt habe, der sich, abgesehen von begeisterter Erfüllung des kantischen Pflichtgebots, am schönsten im neuen Einheitsgefühl der Nation niederschlage, die seit dem August 1914 endlich „ein einig Volk von Brüdern“ geworden sei.1986 Krauske war es auch, der die Geschichte Preußens immer wieder zur Beglaubigung der für den Sieg unabdingbaren „Volks­ einheit“ ausbeutete: Der preußische Staat war und ist Staat allein durch freiwillige Ein­ und Unter­ ordnung des Einzelnen unter das Ganze. Friedrich der Große im Siebenjährigen Krieg sei für diese „Hingabe des Einzelnen an Volk und Reich“ ein „leuchtendes Vorbild“, und er sei darin ein „Lehr­ meister des deutschen Volkes“.1987 Demgemäß feierten Landeshauptmann von Berg („der große Maler Preußens“, „Erzieher seines Volkes“) und Haendcke Adolph von Menzel als künstlerischen „Verherr­ licher Friedrichs“. Haendcke pries den außerordentlichen Anteil, der seinen Bildern an der Weckung des Feldmarschalls. „Leitworte“ dazu trugen bei: Baumgart, Mitscherlich (1916) und Uckeley, dazu der Provinzi­ alkonservator Dethlefsen und von der Kunstakademie Stanislaus Cauer (dem Hindenburg für eine Büste Modell gesessen hatte) und Karl Storch. 1982 Bemerkenswert ist immerhin, daß auf der parallelen Kaiser­Geburtstagsfeier in der Kunstakademie konträre Ansichten geäußert wurden. So erinnerte der Festredner, der Graphiker und Zeichner Heinrich Wolff, an den kulturellen Rückschritt nach 1871, der die „Talmikultur der Gründerzeit“ gezeitigt habe. Die kriegerischen Ereig­ nisse selbst hätten, von Anton von Werner abgesehen, in der Malerei keinerlei Resonanz gefunden. Eine „nationale Malerei“ sei offenkundig vom militärischen Sieg über Frankreich und der neu gewonnenen Reichseinheit nicht inspiriert worden. Ebensowenig hätten die „großen Erlebnisse“ des gegenwärtigen Krieges die deutsche Kunst beflügelt; der Text der Rede „Krieg und Kunst“ abgedruckt in: KHZ Nr. 99, 28. 2. 1915. 1983 Über Brackmanns Ausführungen zu „Kaisertum und Militarismus“ vgl. KHZ Nr. 44, 27. 1. 1915. 1984 Zu Uckeley s. Kap. 6.1. – Pott zog als Divisionspfarrer der Königsberger 1. Infanterie­Division Anfang August 1914 ins Feld und nahm an den Schlachten von Gumbinnen, Tannenberg und an der ersten Masurenschlacht teil. Seine Frontpredigten sowie drei in Königsberg zum Friedrichstag am 24. 1. 1915, zu Bismarcks 100. Geburtstag und zum Kriegseintritt Italiens gehaltene Predigten veröffentlichte er 1915 unter dem Titel ‚Vom Feld fürs Feld‘. 1985 KHZ Nr. 158, 6. 4. 1915, Bericht über Hoffmanns Vortrag: Der Krieg und der christliche Glaube. 1986 Krauske, Vom deutschen Kriege, Vortrag vor dem Königsberger Lehrerverein, darüber Bericht in KHZ Nr. 594 v. 19. 12. 1914. 1987 KHZ Nr. 130, 18. 3. 1917. Dieser Friedrich­Vortrag, zugunsten einer neuen Kriegsanleihe, mündete kurz nach dem mörderischen Steckrüben­Winter 1916/17 mit einem Aufruf zum „Endkampf“.

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und Formung des Nationalbewußtseins zukomme. Eine Wirkung, die begünstigt worden sei durch drucktechnische Neuerungen (Schnellpresse), die vor allem seinen Illustrationen zu der vom „großen König“ geprägten Epoche preußischer Geschichte höchste Popularität verschafft hätten.1988 Als eifriger Beiträger des nationalliberalen Tag wartete Haendcke zudem je nach Kriegslage mit Aktualisierungen kunsthistorischer Themen auf, einerlei, ob er nach dem Kriegseintritt der USA das „amerikanische Haus“ als architektonisches Imitat kritisierte, die baukünstlerische Originalität des osmanischen Ver­ bündeten würdigte, mit dem Ausgriff nach Osten „Kunstgeschichtliches aus den Ostseeprovinzen“ parat hatte, dem „Marinebild“ die mentale Kräftigung deutschen Weltmachtstrebens zuschrieb oder vom Kriegsgeschehen endlich Impulse für eine leider in Verfall geratene Historienmalerei erhoffte. Daß die von ihm vor 1914 im Anschluß an Schnaase, Chamberlain und Woltmann intensiv betriebene Suche nach deutschen und französischen, also „nordisch­germanischen“ Einflüssen in der italienischen Kunst der Renaissance sich nun einsetzen ließ, um die Inferiorität des Kriegsgegners Italien wenigstens anzudeuten, war ein ihm willkommener Nebeneffekt dieser Tagesschriftstellerei, die bei aller Themen­ vielfalt primär nach dem Vorschein neuer „Monumentalität“ suchte, die zu einem neuen Idealismus und zu einer einheitlichen „hochgemuten Gesinnung“, offenbar zwecks Perpetuierung des „Auguster­ lebnisses“, beitragen sollte.1989 Nur privat, aber zur Vorbereitung einer öffentlichen Demarche gegen die Stärkung des Englischen zu Lasten des Griechischen in der Historikerausbildung, malte FriedrichMünzer dem Berliner Kollegen Eduard Meyer, der 1915 eine stattliche Broschüre zur Kriegsschuld Englands veröffentlicht hatte,1990 die Gefahr einer inneren Verengländerung an die Wand. Womöglich lasse sich die Zurückdrängung des Griechischen in der Lehramtsprüfung zugunsten der Sprache der ärgsten Feinde Deutschlands als Vorzeichen der Resignation lesen, die mit Englands Sieg und der „Vollendung seiner Weltherrschaft“ rechne. Deutschland, das sich beeile, das Englische zur dominanten Bildungssprache zu machen, käme nach seiner militärischen Erniedrigung lediglich noch die Rolle eines „zweiten Portugal“ zu.1991 Den Kriegsrealitäten näher als in der Polemik gegen die Entente kamen die akademischen Einlas­ sungen über Lage und Aussichten an der Front gegen Rußland. Gerade in Ostpreußen, wo unter dem äußeren Ansturm die innere Einigkeit sich hätte festigen können, führten Hindenburgs Erfolge aber schneller als im übrigen Reich zum Streit über die im Osten in so greifbare Nähe gerückten „Kriegs­ ziele“, und prompt wurden damit alte innenpolitische Gräben aufgerissen. Der Landeshistoriker und Königsberger Stadtbibliothekar August Seraphim sowie – ungeachtet seines lokalen alldeutschen An­ hangs – Lezius, die sich in Denkschriften zu Worte meldeten, mögen unter den Kollegen isoliert dastehende einsame Rufer gewesen sein. Doch Lezius regte den Oberpräsidenten Batocki zur For­ mulierung von Annexionsforderungen an, und er ermutigte offenbar den Generallandschaftsdirektor Kapp, seinen Privatkrieg gegen den „Verständigungspolitiker“ und „Flaumacher“ Bethmann Hollweg zu eröffnen. Ende 1915, als Kapp die „Ostpreußische Gesellschaft 1914“ ins Leben rief, entstand in Königsberg – neben dem Berliner Kreis um Reinhold Seeberg und Dietrich Schäfer – ein zweites, informelles Zentrum der Anti­Bethmann­Front, unter Beteiligung mehrerer Professoren der Alber­ tina wie Lezius, Hansen, Mitscherlich, Baumgart, Brackmann und Krauske.1992 Und Kapp setzte dem KHZ v. 12. 12. 1915, Rede Haendckes zur Eröffnung der Menzel­Ausstellung im Königsberger Kunstverein. Zu Haendckes Tag­Aufsätzen wie zu seinen Beiträgen für FZ und BT siehe Bibliographie. 1990 Ed. Meyer, England. Seine staatliche und politische Entwickelung und der Krieg gegen Deutschland, zuerst 1915. 1991 BBAW, Nl. Meyer; Schreiben Münzers v. 24. 6. 1916 zum 2. Entwurf für die neue, 1917 in Kraft getretene preußische Prüfungsordnung für das Lehramt an höheren Schulen. Der Entwurf sah vor, daß Hauptfachstudenten der Geschichte anstelle des bis dahin obligatorischen Griechischen auch Englisch wählen durften. 1992 Die erste Zusammenkunft der Gesellschaft fand am 19. 11. 1915 in Königsberg statt. Sie begann mit einem Eklat. Lezius, offenbar im Leitungsgremium, sollte nur ein „Hoch auf Heer, Volk und Vaterland“ ausbringen, sei dabei aber, wie der eigentliche „starke Mann“ Kapp es formulierte, „entgleist“ und habe sich zu außenpoli­ 1988

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Kanzler immerhin so zu, daß dieser ihm im Juli 1916 die Bestätigung zur Wiederwahl als Generalland­ schaftsdirektor verweigerte und ihn damit zur Demission zwang.1993 In diesem Umfeld forderte der Baltendeutsche August Seraphim 1915, noch vor seiner Abord­ nung zur Militärverwaltung nach Kurland, die Einverleibung von Kurland, Livland, Estland, dazu als Brückenland Litauen und ein kleines polnische Gebiet um Suwalki und Grodno. Er motivierte das mit der Notwendigkeit einer langfristigen Schwächung Rußlands, das man auf die moskowitische Dimension des 17. Jahrhunderts herabdrücken und mit seinen verbliebenen Expansionsgelüsten nach Asien ablenken müsse. Diese Rußland abzuknöpfende „neue Nordostmark“ des Reiches, staatsrecht­ lich eine preußische Provinz, sei außer mit reichsdeutschen auch mit rußlanddeutschen Siedlern zu kolonisieren. Die unvermeidliche Einbürgerung von Fremden, von Letten, Esten und Litauern, ma­ che Deutschland nicht zum Nationalitätenstaat, denn Letten und Esten würden binnen kurzem ger­ manisiert werden, während die renitenteren Litauer als Fremdkörper quantitativ kaum ins Gewicht fielen.1994 Seraphim, dabei im Einklang mit seinem Militärverwaltungschef von Goßler,1995 verfocht seine These von der Notwendigkeit deutschen Ausgreifens nach Nordosteuropa in dieser Radikalität zwar nur in einer „streng vertraulichen“ Denkschrift, versuchte seine „Vorschläge zu Veränderungen der Landkarte“ in historisch drapierten, maßvollen Varianten indes auch öffentlich zu lancieren.1996 Gegen Kollegen dieses Schlages, „welche heute die Erde kurzerhand teilen und dabei ein größeres Deutschland im Auge haben“, ohne sich klar zu machen, „welche Schwierigkeiten der Verwirklichung ihrer Wünsche durch Annexionen entgegenstehen“, publizierte Bezzenberger 1915 seinen elaborierten Vortrag über ‚Die ostpreußischen Grenzlande‘, um nochmals vor einem Ausgriff ins Baltikum und nach Russisch­Polen zu warnen. Man werde nur die „Zahl der Verdrossenen in unsern Grenzen“ ver­ mehren. Besonders fatale Wirkungen könnte der Annexionismus zudem zeitigen, wenn es gleichzeitig zu inneren Reformen käme. Dann würden parlamentarische Fraktionen „unverhältnismäßig“ gestärkt, tischen Betrachtungen hinreißen lassen, die in der Behauptung gipfelten, der deutsche Botschafter in Tokio habe auf Weisung des AA 1913 ein japanisches Bündnisangebot abgelehnt. Der ostpreußische Pressezar, der KAZ­ Herausgeber Alexander Wyneken, habe aufgrund der darob entstandenen Empörung seine AA­Beziehungen spie­ len lassen und von Unterstaatssekretär Zimmermann die Versicherung erhalten, daß „die Sache frei erfunden“ sei. Daraufhin habe sich der Wind gedreht und Lezius, ein Mann mit „sarkastisch­ironisierender Veranlagung“, sei nun aus der „leitenden Funktion“ der Gesellschaft ausgeschieden. Oberpräsident Batocki versicherte dem nach­ hakenden Kultusministerium, daß Lezius’, dem man vielleicht einiges nachsehen müsse, da er als Geistlicher aus Kurland „schroffere Lebensformen“ gewöhnt sei, „taktlose Rede allseitig mißbilligt“ worden sei. – GStA, Rep. 76 Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI, unpag.; Schreiben von Kapp v. 23. 12. 1915 und Batocki v. 29. 12. 1915. 1993 Zu Kapp 1916 vgl. Hagenlücke 1997, S. 109–142. 1994 Seraphim 1915. Die Denkschrift („Streng vertraulich!“) entstand lt. Vorwort im Oktober 1914, wurde im Juli 1915 in ca. 2.000 Exemplaren gedruckt (das Exemplar der Berliner SB trägt die Nr. 767, das der Dahlemer UB Nr. 1.800). Dazu: Geiss 1960, S. 51 f., und Linde 1965, S. 10 ff. – Vgl. auch KHZ Nr. 178, 17. 4. 1915, über einen Vortrag Seraphims („Rußland als Nationalitätenstaat“) zu Gunsten des Vereins zur Bekleidung armer Schulkinder: eine völkerpsychologische Betrachtung, die das „tartarische Erbe“ der Großrussen betonte, die mit einem Anteil von 45 Prozent in ihrem eigenen Staat in der Minderheit seien. Zum Königsberger akademischen Annexionismus im Kontext der Kriegspublizistik baltischer Provenienz (Johannes Haller, Paul Rohrbach, M. H. Boehm u. a.) kurz Colliander 1935, S. 83; Lewerenz 1958, S. 65–68, 77–79; Geiss 1960, S. 51 f., 74–78; Linde 1965, S. 10–17, 236–238, der auch aus dem Briefwechsel Lezius – Seeberg zitiert und Schwabe 1969, S. 55, 70, 222. Alle betonen die Außenseiterposition von Lezius, da niemand ihn an Radikalität übertroffen habe, gerade weil er seine Entwürfe unerreichbar in der Höhenluft „politischer Phantastereien“ (Lewerenz 1958, S. 79) entwickle. 1995 Über dessen Annexionismus, der „Rußland zerschlagen und nachhaltig schwächen“ wollte, vgl. Janssen 1968, S. 44. 1996 Hierzu ein schmales Bändchen, das einen in Der Panther 3, 1915, S. 785–806, zuerst erschienenen Aufsatz über ‚Preußen und die baltische Frage seit dem 18. Jahrhundert‘ sowie zwei Anfang 1918 in Riga vor Militärs gehaltene, „deutsches staatliches Leben auf baltischer Erde“ propagierende Vorträge vereint, Seraphim 1918, hier zit. S. 34.

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an denen man bisher schon wenig Freude habe. Sollten zu „Dänen und Französlingen“ noch Letten und Esten stoßen, sollte das Polentum samt der katholischen Kirche aus jenen Regionen ihre Reihen füllen, die in „ganzen großen Landstrichen politisch korrumpiert und vom Nihilismus durchsetzt“ seien?1997 Wohl aufgrund seiner neu erworbenen Kenntnisse argumentierte der seit 1915 in Warschau bei der Landeskommission des Generalgouverneurs tätige, 1917 nach Königsberg berufene Geograph Max Friederichsen ähnlich verhalten, wenn auch nicht allen Neuerwerbungen abhold. Er wollte auf die „große Abrechnung nach dem Sieg“ warten und deutete nur an, daß dann das Baltikum wohl in irgend einer Form zur Sicherung Ostpreußens beitragen müsse, daß ein „Verschieben“ der Grenze auch auf der Linie Thorn – Warschau einen zweiten „August 1914“ für die Provinz verhindern werde. Um die neugewonnenen Landstriche zu besiedeln, ließen sich Deutsche aus Rußland anlocken, wenn man deren Ausreise in den Katalog der Friedensbedingungen für das niedergerungene Zarenregime auf­ nehme.1998 Über diese relativ geringfügigen Grenzverschiebungen wollte Friederichsen nicht hinaus­ gehen, weil ihn, anders als Seraphim, der „Vielvölkercharakter“ im Osten, speziell in Russisch­Polen schreckte.1999 Friederichsen änderte seine Meinung auch nicht, als er wenige Tage nach dem Frieden von Brest­Litowsk die Lage in der Kownoer Zeitung kommentierte. Er beschränkte sich dabei auf die zu erwartende Entwicklung in Zentral­ und Ostasien: Die „Schreckensherrschaft sibirischer Bolsche­ wiki“ unterminiere Rußlands Kraft, den imperialistischen Landgewinn am Pazifik gegenüber Japan und China festzuhalten Es gebe dort also ein ähnliches, seit 1917 aber zugunsten Moskaus nicht mehr zu lösendes „Grenzmarkenproblem“ wie gegenüber seinen westlichen Nachbarn. Doch vollziehe sich nur ein natürlicher Rückschlag auf die im 19. Jahrhundert auch unter demographischen Aspekten viel zu riskante Überdehnung des „Sammelns“ vermeintlich „russischer Länder“.2000 Für Ostmitteleuropa schwebte ihm ein Gürtel neuer Nationalstaaten vor (Finnland, Polen, Litauen, Weißrußland, Ukraine), die sich eng an den unter deutsch­österreichischer Führung stehen­ den „Wirtschafts­Bund Mitteleuropa“ anschließen sollten.2001 Allein diese dezidierte Rücksichtnahme auf den Primat des Selbstbestimmungsrechts, die Friederichsens Vorschläge zur Neuordnung des ostmitteleuropäischen Raums wie die, abgesehen von den Balten Lezius und Seraphim, der meisten Königsberger Kriegspublizisten auszeichnet, widerlegt jede der seit Fritz Fischer so beliebten Konstruk­ tionen von „Kontinuitäten“ zwischen wilhelminischer Ostpolitik und rassenpolitisch determinierten NS­Visionen, wie sie sich im „Generalplan Ost“ niederschlugen. Bezzenberger 1915, S. 39 f. – Das Wahlrechtsargument hatten Seraphim und Lezius ihrerseits natürlich be­ dacht. Ihre simple „Lösung“: den Bewohnern der annektierten Gebiete werde es selbstredend verweigert! Ent­ sprechend warf Seraphim (1915, S. 33) Bezzenberger Flaumacherei hinsichtlich der Integrationsbereitschaft der Baltendeutschen vor. Sie würden als preußische Neubürger keineswegs zu „verdrossenen Staatsangehörigen“ zäh­ len, auf die man, wie der Indogermanist glaubte, um des inneren Friedens willen lieber Verzicht leisten sollte. 1998 Friederichsen 1915, S. 31 ff, 75, 88. 1999 Ebd., S. 18 f. und Ders. 1918a, S. 20 f. et passim, den Horror vor dem „Schmutz“ der Judenviertel in War­ schau, Lodz und Lublin zum Ausdruck bringend. Diese auch von Perles 1914 (s. o. Anm. 1956) konzedierten und beklagten, aber der russischen antijüdischen Politik angelasteten Verhältnisse zügelten bei Friederichsen offenbar größeren Annexionsappetit. 2000 Friederichsen 1918c, S. 20–22 (=Sonderdruck aus Kownoer Zeitung Nr. 75, 78, 82, 84). 2001 Schwankend seine Position bezüglich der Zukunft des Baltikums in der „Schützengraben“­Schrift 1918b, S. 34 f.: Gewiß soll nur die „Loslösung“ aus dem ohnehin nach Brest­Litowsk „zerfallenden“ russischen Riesenreich sein. Wie aber der „enge Anschluß der baltischen Ostseeländer“ an Deutschland und die Mittelmächte staats­ und völkerrechtlich zu gestalten sein werde, bleibt offen. Für Litauen will er ungeachtet seiner Empfehlung für den politisch­wirtschaftlichen „Anschluß“ die staatliche Selbständigkeit gesichert wissen (ebd., S. 37). Polen, Weiß­ rußland und die Ukraine müßten bei der großen Neuordnung des Ostraums ebenfalls als selbständige National­ staaten so struktuiert werden, daß sie den „Anschluß“ an den „Wirtschafts­Bund Mitteleuropas“ erstreben (S. 39 f., 42–48).

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Auch für den Völkerrechtler Fleischmann stand daher außer Frage, daß das „von russischer An­ archie durchwühlt[e]“ Finnland die bolschewistische Oktoberrevolution nur nutzte, um sich mit deutscher Hilfe für selbständig zu erklären.2002 Allerdings nur scheinbar noch bescheidener als Frie­ derichsen und Fleischmann gab sich der Germanist Baumgart, da er für eine Nation wie die deut­ sche, der „keinerlei Weltherrschaftsgelüste“ und keine „Eroberungsabsicht“ die Waffen in die Hände zwinge, nur allgemein „nachhaltigen Schutz“ vor „raubgierigen“ Feinden forderte. Aber Bismarck, dessen Politik ja stets vom Grundsatz des Maßhaltens bestimmt gewesen sei, dürfe dabei trotzdem nicht der Lehrmeister seiner Nachfolger sein. Woraus Baumgart dann den beinahe beiläufigen Schluß zog, „das Äußerste, was nur immer die Kraft unserer Waffen uns ermöglicht“ zum „Schutz und Trutz gegen alle Welt“ festzuhalten.2003 Damit öffnete sich der letztlich weiterhin nationalstaatlich, nicht „großräumlich“­imperialistisch denkende Germanist nur sehr argwöhnisch jenen Vorschlägen, die das äußerste an Expansionismus zu Papier brachten, was unter Königsberger Akademikern kursierte, der Konzeption von Friedrich Lezius. Der Kirchenhistoriker teilte Rußland in einem anonymen Beitrag zu Class­Denkschrift im Herbst 1914 und in einem Artikel für die Alldeutschen Blätter umstandslos auf, um es weltpolitisch zu liquidieren.2004 1915 bündelte er diesen Maximalismus in einer Denkschrift, die er unter dem Siegel der Vertraulichkeit „als Handschrift“ drucken ließ, von der er aber 3.000 Exem­ plare in Umlauf brachte.2005 Offenbar unter dem Einfluß der hochfliegenden Pläne von Lezius und des ungleich bescheideneren Entwurfs von Seraphim machte sich Oberpräsident Batocki daran, in einer für Bethmann Hollweg bestimmten Denkschrift einen breiten russisch­polnischen Grenzstreifen entlang der östlichen und südlichen Grenze Ostpreußens abzustecken, ihn zur Annexion vorzuschlagen und für eine „großzügige Umsiedlung“ der dort ansässigen polnischen und litauischen Bevölkerung einzutreten.2006 Hingegen hatte sich der Kirchenhistoriker Benrath offenbar mit dem im November 1916 aus der Taufe geho­ benen Königreich Polen abgefunden, sorgte sich jedoch um das Schicksal der deutschen protestan­ tischen Minderheit dort, die bis zum 18. Jahrhundert dem „religiösen Fanatismus“ unter „polnischer Herrschaft“ ausgeliefert war, und für die es nun nicht „irgend welche Garantien“ dafür gebe, daß dem 2002 Fleischmann 1918a, S. 6 f. Die einzige völkerrechtliche Problematik, die sich aus Finnlands Selbständigkeit seit November 1917 für Fleischmann überhaupt noch ergab, war die „Alandfrage“. Die strategisch wichtige In­ selgruppe zwischen Finnland und Schweden wird von einer Mehrheit ethnischer Schweden bewohnt, so daß sich territoriale Ansprüche des Königreiches auf deren Selbstbestimmungsrecht gründen ließen. Da gewichtigere poli­ tische und kulturelle Argumente aber für die Zugehörigkeit zu Finnland sprachen, verblieben die Aland­Inseln bei Finnland, eine Lösung, der Fleischmann in einem für die finnische Gesandtschaft in Berlin unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung erstellten völkerrechtlichen Gutachten zustimmte. 2003 Baumgart 1916, S. 15 f. 2004 Class 1914, Anhang, von Class 1932, S. 340 f. inhaltlich referiert. Nochmals in den AllB: Lezius 1914 (unter­ zeichnet nur: F. L.), dies wieder abgedruckt im: Archiv für Innere Kolonisation VII, 1915, S. 130–134 (Lezius 1915a). In diesem Aufsatz legte Lezius einem russischen Gewährsmann die Aufforderung in den Mund, Deutsch­ land solle Weißrußland und die Ukraine als sein „eigentliches Kolonialgebiet“ betrachten und die Bevölkerung dort nach Sibirien abschieben. 2005 Lezius 1915b. 2006 Geiss 1960, S. 74–78; Denkschrift Batocki an Staatssekretär im Reichskanzleramt Wahnschaffe v. 20. 12. 1914. Die Forderung nach „sicheren Grenzen“ für Ostpreußen erhob Batocki mit Macht nochmals öffentlich in einer Berliner Rede am 16. 3. 1915, die in zwei Broschüren verbreitet wurde, von denen die eine nur den Text bietet, die andere aber mit Fotos von zerstörten Ortschaften illustriert, was die Provinz in ihren alten, unsicheren Grenzen erleiden mußte. Beachtlich ist jedoch, daß Batocki bei weitem nicht so unersättlich wie Lezius war und selbst noch hinter Seraphim deutlich zurückfiel und deshalb mahnte, beim Friedensschluß auf die Ermöglichung von „erträglichen Beziehungen“ zu den Nachbarn zu achten. Um darauf schon vorab hinzuarbeiten, habe man im Pro­ vinziallandtag den Beschluß gefaßt, auch die Gräber der gefallenen russischen Soldaten zu pflegen (Batocki 1915, S. 21).

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wiederum seit 1914 „in schwerste Mitleidenschaft gezogene Protestantismus in Polen“, der sich unter deutscher Verwaltung langsam aufzurichten begann, eine von staatlicher wie katholisch­kirchlicher Seite ungestörte Entwicklung möglich sei.2007

2007

Benrath 1917a.

Wissenschaftlicher Kriegseinsatz

3.

Wissenschaftlicher Kriegseinsatz

3.1.

Zuarbeit für die Militärverwaltung „Ober Ost“

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Wegen der räumlichen Nähe bot sich eine Zuarbeit Königsberger Universitätsinstitute für die Militär­ verwaltung in „Ober Ost“, in den besetzten Teilen Russisch­Polens und des Baltikums, geradezu an. „Ober Ost“, das umfasste ein Gebiet unmittelbar entlang der ostpreußischen Grenze, von Kurland bis kurz vor Warschau, auf 110.000 qkm sich ausdehnend, 1 ½ so groß wie Bayern. Tatsächlich richtete sich die Verwaltung zuerst auf ostpreußischem Boden, in Tilsit ein, ging dann nach Kowno, schließlich nach Wilna und organisierte sich zwischen 1915 und 1918 mehrfach um.2008 In der nicht kleinen Zahl publizistischer Selbstdarstellungen bringt die deutsche Administration „Ordnung und Kultur“ in eine halbasiatische Region, bewohnt von unterentwickelten Russen, Polen, Litauern und Juden, die allen Grund hätten haben sollen, Hindenburgs Truppen als Befreier vom Zarenjoch zu begrüssen. Tatsächlich überwog aber die feindlich gesinnte Bevölkerung, die aus ver­ schiedenen Gründen ihre Loyalität zum zaristischen Regime nicht brechen wollte. Diese Haltung der Bevölkerung war der eine Grund, warum man in Königsberg nicht zur Mitarbeit in Kowno drängte. Die insgesamt unerfreuliche ökonomische Perspektive rohstoffarmer Landstriche war der zweite. Zu­ dem, drittes Hindernis eines Engagements auf diesem Terrain, eskalierten die Spannungen 1916/17, als es zu Zwangsaushebungen von Arbeitskräften und zur Requirierung landwirtschaftlicher Güter kam, zur rigorosen Bekämpfung des sich dagegen erhebenden Widerstands, wobei die „tägliche Praxis der Todesstrafe“ auf die vorgeblich sich von russischer Korruption so vorteilhaft abhebende deutsche „Sauberkeit“ einer harten, aber „gerechten“ Justiz einen langen Schatten geworfen haben soll.2009 Der Königsberger Baltist Bezzenberger beurteilte die Aussichten erfolgreicher Nationalitätenpoli­ tik von Anfang an negativ.2010 Konfrontiert mit polnischen und litauischen Autonomiewünschen, sah man sich schnell weiterreichenden Forderungen nach staatlicher Selbständigkeit ausgesetzt, die den Polen im Warschauer Generalgouvernement im November 1916 auch gewährt wurde und die für die Dazu der Abschlußbericht des zuletzt amtierenden Verwaltungschefs Häpcke 1921. Strazhas 1993, S. 27–44, hier zit. S. 35 f.; der Verfasser streut selbst mehrfach ein, daß er 1944/45 als Offi­ zier auf Seiten der Roten Armee das Baltikum „befreit“ habe und läßt gelegentlich einen sehr „sowjetischen“ Sprachduktus erkennen, so daß man argwöhnt, bei ihm werde die Ober­Ost­Verwaltung zu einseitig als „Un­ terdrückungssystem“ (ebd., S. 14) dargestellt. Im Vergleich mit Strazhas und der gründlichen Studie von Linde 1965 (der Strazhas’ frühe Publikationen zu Ober Ost als reine Sowjetpropaganda zurückweist) offeriert die von Rezensenten, die offenbar mit dem Forschungsstand nicht vertraut waren, fälschlich als Pionierleistung gefeierte Dissertation von Liulevicius (2000, dt. 2002) über das ‚Kriegsland im Osten‘ keine neuen Erkenntnisse, sondern fällt streckenweise auf das Niveau, wie Linde 1965, S. 74 , sie genannt hat, litauischer „Hetzschriften“ aus Zeiten des 1. Weltkrieges und der Staatsgründung Litauens zurück, etwa wenn er ohne quellenkritische Bedenken aus diesem einschlägigen Schrifttum zitiert, vgl. etwa S. 189 ff.. 2010 Siehe oben, S. 413, 421 f..

2008 2009

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Litauer in „Ober Ost“ Ende 1917 wenigstens in greifbare Nähe rückte.2011 Das einzige akademische „Kompetenzzentrum“, das in diesem schwierigen Umfeld überhaupt zur Verfügung stand, wurde aber erst im Mai 1916 als Torso ins Leben gerufen: das Königsberger Institut für ostdeutsche Wirtschaft.

3.2.

Die Gründung des Instituts für ostdeutsche Wirtschaft (IOW)2012

Den Anstoß zur Gründung des IOW gab im Frühjahr 1915 eine (nicht überlieferte) Denkschrift Albert Hesses, der, nach dem Vorbild des 1914 eröffneten Kieler Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr, in Königsberg hinreichend günstige Standortfaktoren ausmachte, um die Zustimmung privater Finan­ ziers zu gewinnen und zugleich dem Kultusministerium eine wissenschaftspolitische Wende in seinem Fach vorschlagen zu können. Öffentlich rechnete er dann später vor, wie weit die Nationalökonomie hinter den Naturwissenschaften zurückgefallen war. Denn 1913 betrugen die Aufwendungen aller preußischen Universitäten für Chemie und Physik 456.000 M., während die Staatswissenschaften mit dem Almosen von 7.600 M. abgefunden wurden – „also pro Universität 760 Mark, und das bei dem ersten Industriestaat der Welt, dem drittwichtigsten Agrarland der Erde“. In Staatswissenschaftlichen Seminaren wie dem Königsberger fehlt es an allem, von der tech­ nischen Ausstattung bis zur Zeitungsauswertung. Wie die naturwissenschaftlichen Labore hätten aber auch die staatswissenschaftlichen Institute zu „großen Werkstätten“ ausgebaut werden müssen. Die Wirtschaftswissenschaft zähle zwar zu den Geisteswissenschaften, berühre sich aber wegen ihrer prak­ tischen Bezüge mit den Naturwissenschaften, da es mit „begrifflichem Denken“ nicht getan sei, son­ dern das nationalökonomische Alltagsgeschäft primär „Beobachtung und Erfahrung“ fordere. Daher sei die Anlage von Archiven, die Einrichtung eines Nachrichtendienstes, eines praktischen Apparats zur „dauerhaften, planmäßigen Beobachtung der Vorgänge des Wirtschaftslebens“ unumgänglich. Bei aller Spezialisierung, die damit einhergehe, sei trotzdem eine größere Einheitlichkeit durch inter­ disziplinäre Kooperation anzustreben. Im Rückblick auf die traditionelle theoretische Orientierung des Faches sei es zudem sehr fraglich, ob die Studenten nach „ungeheuren praktischen Erfahrungen des Krieges“ fernerhin die „innere Ruhe für abstraktes Denken“ aufbrächten. Der Praxisbezug stünde für sie in Zukunft wohl im Vordergrund. Auch die Aufmerksamkeit „nicht­akademischer Kreise“ wäre

Eine neuere Darstellung der dreijährigen Geschichte von „Ober Ost“ bietet Liulevicius 2002. Er vermag, abgesehen von August Seraphims Abordnung in die Kultusverwaltung in Kurland, nicht einmal die schwachen Spuren einer Königsberger Politikberatung zu lesen. Freilich gilt sein Erkenntnisinteresse auch vornehmlich den „kulturellen Auswirkungen“ dieser „Begegnung mit dem Osten“ auf die „Mentalität“ der Deutschen. Seine These lautet, der „Militärstaat Ober Ost“ habe, zwecks „dauerhafter Inbesitznahme“ des Territoriums, die „Identitäten und Loyalitäten“ der multiethnisch zusammengesetzten Einwohnerschaft im deutschen Interesse verändern wol­ len. Ein „Völkergemisch“, das sich nicht allein regieren konnte, sollte unter „totale Kontrolle“ der Deutschen ge­ bracht werden. Daraus folgert er: Das sich schon vor 1918 abzeichnende Scheitern dieser „Mission im Osten“ habe das Prozedere des zweiten deutschen Ost­Abenteuers, 1939–1944, determiniert: das „Volk“, das sich 1915/18 der deutschen Kultur verweigerte, habe man in Heinrich Himmlers „Generalplan Ost“ eben eliminieren wollen, nach der Devise: „Weg mit den Völkern und her mit dem Raum.“ (ebd., S. 301 ff.). Soweit wie der Vf. die repressive Seite des „Militärstaates“ beschreibt, stützt er sich auf zwei (!) litauische Propagandschriften von 1922 und 1928, was allein schon gegen die Solidität seines gesamten Werkes spricht. 2012 KHZ Nr. 232, 18. 5. 1916, Ansprachen von Batocki und Hesse: Zusammengehen von Wissenschaft und Praxis nötig, Hinweis darauf, daß Stiftungskapital von Gewinnen aus Exportgeschäften der Oberost­Verwaltung gespeist werde. – Batocki in seinem Vortrag in der Börse (KHZ Nr. 60, 5. 2. 1916): Gegenwart und Zukunft Ostpreußens, u. a. zur Förderung der Wissenschaft, Hinweis auf die Denkschrift über Theodor von Schöns Anteil an der Reorga­ nisation Ostpreußens vor 100 Jahren (bei Hesse von W. E. Mayer erforscht), Schilderung des Kriegsschicksals der Provinz, IOW werde Arbeit am Wiederaufbau für die Regierung übernehmen. Vgl. a. Hesse 1920 u. IOW 1928. 2011

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damit zu gewinnen, wie der Zuspruch schon in der Planungphase des Königsberger Instituts für ost­ deutsche Wirtschaft gezeigt habe. Denn bei der Planung und Einrichtung des IOW habe das Praxismoment den Ausschlag gegeben. Es sei zum einen gegründet worden, um am Wiederaufbau der kriegszerstörten Provinz Ostpreußen mitzuwirken, und mitzuhelfen, die bereitstehenden beträchtlichen Mittel effizient einzusetzen.2013 Ohne dieses Angebot wäre die vehemente Unterstützung des Oberpräsidenten von Batocki nicht zu erlangen gewesen, und ohne ihn wiederum nicht die Teilnahme „größerer Kreise von Persönlichkeiten aus der Provinz“, also des Großgrundbesitzes und der Königsberger Kaufmannschaft, die im März 1916 Hesses Satzungsentwurf genehmigten und einen privaten Trägerverein, die „Vereinigung für ost­ deutsche Wirtschaft“ ins Leben riefen, die das der Universität angegliederte IOW finanzierte. Zum andern warb Hesse, daß das Institut der Besatzungsverwaltung in Russisch­Polen und im Baltikum („Ober Ost“) zuarbeiten könne, und zwar „in Hinblick auf die Angliederung östlicher Gebiete“. For­ schungen im Auftrag und in Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Ober­Ost­Verwaltung in Grodno und Wilna schlössen, wie Hesse in der ersten Jahresbilanz des am 18. Mai 1916 feierlich eröffneten Instituts ausführte,2014 die Inspektion und Auswertung von Bibliotheken und Archiven in Rußland ein, wo wertvoller Stoff für verwaltungs­ und wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen zu holen sei, da die Geschichte Westrußlands und Litauens bei aktuellen Planungen berücksichtigt wer­ den müsse. Mit einem stattlichen Eigenkapital von 400.000 M. und jährlichen Zuwendungen von 110.000 M. habe man die Zeiten knapper Alimentierung der Nationalökonomie endlich hinter sich gelassen.2015 Die Arbeit im Institut, im Vergleich mit dem Kieler Vorbild eher bescheiden eingerichtet in einer 20­Zimmer­Mietwohnung in der Schönstraße unweit der Universität am Paradeplatz, hatte am 1. April 1916 begonnen. Hesse, zuständig für Gewerbe, Handel und Verkehr, fungierte als Direktor. Der im SS. 1916 noch in der Etappenverwaltung in Ober Ost dienende Gerlach leitete die Abteilung für Agrarpolitik, Hansen übernahm die Landwirtschaft, Brackmann die Wirtschaftsgeschichte und Friedrich Werner von der Handelshochschule den Sektor Privatwirtschaft. Unter Kriegsbedingungen kamen viele Forschungsvorhaben jedoch kaum über Konzeptionen hinaus. Gerlach wurde 1916 über­ haupt nicht tätig und wollte auch für 1917 nur den ersten Band einer historischen Monographie über die Auswirkung der Stein­Hardenbergschen Reformen auf die ostpreußische Agrarverfassung ver­ sprechen, nämlich das Opus des von Hesse promovierten Mittelschullehrers Robert Stein über ‚Die Umwandlung der Agrarverfassung‘ , das dann doch erst im Sommer 1918 im Buchhandel erschien.2016 Hesse regte eine Dissertation über die gewerblichen Verhältnisse Ostpreußens an, gedacht als Teil Es bestehe die Gefahr, daß die notwendigen großen Investitionen von staatlicher und privater Seite keinen „vollen Erfolg“ brächten, wenn die „Maßnahmen der Praxis“ nicht wissenschaftlich fundiert würden, so Hesse 1916e, S. 4. Zwecks weiterer Verbreitung dieses Textes samt Satzung nochmals Hesse 1916g in OstprH. 2, 1916, Sp. 240–244. Hesse referierte über das Unternehmen auch bei einer Berliner Großveranstaltung zur Gründung des Reichsverbandes Deutscher Kriegshilfsvereine für Ostpreußen („Ostpreußenhilfe“) am 15. 4. 1916, vgl. den Bericht von E. Kenkel, ebd., Sp. 210–213. 2014 Diese Aufgabe wurde in § 1 der IOW­Satzung festgeschrieben: „Untersuchung der wirtschaftlichen Tatsachen und Zusammenhänge, die sich aus der etwaigen Angliederung neuer Gebietsteile im Osten für diese selbst und die alten Grenzlande ergeben“. 2015 GStA, Rep. 76Va, Sek. 1, Tit. VII, Nr. 84, Beiheft B, Bl. 125–134 und Hesse 1917b. Ders. 1916d+e; ders. 1917a (in GStA …, Beiheft B, Bl. 135–161), dort S. 24 ff. Mitgliederverzeichnis der Vereinigung für ostdt. Wirt­ schaft. Im Verwaltungsrat: v. Berg, Körte, v. Brünneck; von der AUK/HHK: Brackmann, Gerlach, Hansen, Hesse, F. Werner; Mitglieder der Vereinigung u. a. H. St. Chamberlain, aber neben solchen Alldeutschen auch zahlreiche jüdische Mitglieder, Franz v. Mendelssohn, Hans Litten, Felix Peiser u. a. 1916 hatte der Verein 361 Mitglieder, vornehmlich in ostpr. Städten, dagegen zählte die Kieler Gesellschaft zur Stützung des Weltwirtschaftsinstituts 2.000 Mitglieder, darunter viele potente Förderer in Hamburg, Berlin und an Rhein und Ruhr. 2016 Stein 1918, mit ausführlicher Vorrede von Gerlach; zur Person des Lehrers s. u. Kap. 6.4.2. 2013

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einer großen Denkschrift über den Wiederaufbau.2017 Die Untersuchung der gewerblichen Wirtschaft und die Infrastruktur in den russischen Nachbarterritorien, die er sich selbst reserviert hatte, kam indes nicht voran, weil ihn „kriegswirtschaftliche Aufgaben“ okkupierten. Seine militärischen Auf­ traggeber, Ober Ost und das Königsberger Generalkommando, folgten offenbar der Devise, erst den Wirtschaftskrieg gegen die Entente gewinnen zu wollen. Ostpreußens Wiederaufbau hatte für sie Zeit bis nach dem Krieg. Um diesen Prioritäten Nachdruck zu verleihen, habe man sogar Heeresangehörige ins IOW abgestellt, die eine Kartothek aller Kriegsverordnungen und kriegswirtschaftlichen Vorgänge angelegt hätten und sie auf dem laufenden hielten. Trotzdem schaffte es Hesse bis 1918, sechs Bände einer als Handreichung zum Wiederaufbau der Provinz gedachten Denkschrift über die „Grundlagen des Wirtschaftslebens von Ostpreußen“ vorzulegen. In Windeseile hatte er selbst dafür die dringend benötigten, statistisch unterlegten Bände über den Grundbesitz und die Bevölkerung von Ostpreußen 1916 fertiggestellt. Hansen stellte die Landwirtschaftsverhältnisse der Provinz dar, Werner den Handel und die Kreditbanken, Hesses Assistent Herbert Goeldel sammelte die Daten, die über den Wohlstand der Bevölkerung Auskunft gaben, und sein Doktorand Georg Metz schloß endlich 1918 doch noch seine Fleißarbeit über die Struktur des ostpreußischen Gewerbes ab.2018 Um aus den kriegsbedingt verschärften Kalamitäten, unter denen die Agrarprovinz Ostpreußen seit Jahrzehnten litt, herauszukommen, wartete aber gerade Hansens Wälzer nur mit bekannten und bislang wenig wirksamen, auch von Gerlach und Gayl bis 1914 etwas phantasielos verordneten Rezep­ turen auf: Stärkung des klein­ und mittelbäuerlichen Besitzes, Ansiedlung von Landarbeitern, „Innere Kolonisation“, „Befreiung von volksfremden Arbeitern“, staatliche Förderung der „ländlichen Kultur“ (Schulen, Büchereien, Fortbildungsangebote) und Hebung der Eigeninitiative (Genossenschaften, Vereine), dazu Ausbau der Infrastruktur.2019 Mehr persönlicher Neigung als seinen amtlichen Pflichten als IOW­Direktor folgte Hesse, als er sich im Frühjahr 1917 den Königsberger Militärbehörden im Rahmen einer großangelegten Aktion zur „Volksaufklärung“ als wirtschaftspolitischer Redner zur Verfügung stellte, um mitzuhelfen, den Kriegswillen „in den kleinsten Teilen der Bevölkerung“ zu festigen und durch die Erörterung „zeitge­ mäßer Fragen“ wie jenen zur prekären Ernährungslage und zur „Zwangswirtschaft“,2020 die psychische Bereitschaft zum „Durchhalten“ zu stärken,2021 wobei sich Hesse einmal mehr als „Wertrelativist“ ge­ Metz 1918. Hesse 1916a+1916b; Hansen 1916a; F. Werner 1917; Goeldel 1917; Metz 1918. 2019 Hansen 1916a, S. 40 ff., 55 ff., 76 ff., 387 ff.; ähnlich: Ders. 1916b; 1917; 1918 sowie Gerlach 1918b. 2020 Hesse 1918, gedruckt in einer von v. Batocki in seiner Amtszeit als Präsident des Kriegsernährungsamtes begründeten Schriftenreihe. Was sich in der Kriegsernährungswirtschaft mit ihren Eingriffen in den Markt und die Verfügungsfreiheit, mit Preisdiktaten, Verbrauchseinschränkungen, Beschlagnahmungen und Zuteilungen wie ein großer Schritt hin zum Sozialismus ausnehme, sei lediglich die kriegsbedingt und daher nur temporär radi­ kalisierte Form herkömmlichen Sozialausgleichs, die „Durchsetzung des Sozialprinzips“, eine „Beschränkung des freien Wettbewerbs zugunsten der wirtschaftlich Schwachen“, wie dies in der „Friedenswirtschaft“ von den „Ka­ thedersozialisten“ gepredigt worden sei (S. 5 f., 12, 19): „Immer handelt es sich um Kriegsnotwendigkeiten. Eine Aenderung unserer wirtschaftlichen Grundlagen ist weder beabsichtigt noch herbeigeführt worden. […] Von einer Verstaatlichung der Produktion ist nicht die Rede.“ (ebd., S. 31 f.). – Zur natök. „Kriegssozialismus“­Debatte vgl. D. Krüger 1994. 2021 GStA, XX. HA, Rep. 2II, Nr. 7573, Bl. 55 ff.; gedrucktes Protokoll der konstituierenden Sitzung der Aufklä­ rungsstelle im Bereich des stellv. Generalkommandos I. AK am 15. 6. 1917 im Königsberger Oberpräsidium; unter den Teilnehmern mehrere freie Mitarbeiter, Vertrauensleute wie der Stadtschulrat Stettiner und die Gymnasial­ direktoren Prellwitz (Rastenburg, Indogermanist, von Bezzenberger 1901 habilitiert) und Sehmsdorff (Stal­ lupönen). Hesse hielt einen der beiden Hauptvorträge („Warum ist Aufklärung in wirtschaftlicher Beziehung notwendig?“) und lieferte Argumente zur Rechtfertigung der den freien Handel aufhebenden Kriegswirtschaft („Höchstpreise, Beschlagnahme, Zuteilung“ – ein System, das fehlerhaft, aber alternativlos sei, s. Anm. 2020). Von kaum einem seiner Kollegen wurde Hesse bei dieser Aktion unterstützt. Auf den Vertrauensmännerlisten der 2017

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rierte, der darauf hoffte, daß es für die Stabilität der deutschen Kollektivpsyche genüge, sich als „Volk“ im Kampf ums Dasein behaupten zu wollen. Denn zu „beweisen“, daß die „Gesamtheit bestehen muß“, sei so unmöglich wie jede andere nor­ mative Begründung der Kriegsanstrengungen.2022 So glaubte Hesse, für die Widerstandskraft von Front und Heimat genüge die Anstachelung des existentiellen Überlebenswillens, während die Kriegspropa­ gandisten der Entente die Massenseele offenbar realistischer einschätzten, wenn sie den Kampfgeist ihrer Völker mit „absoluten“ Werten und „menschheitlichen“ Zielen konditionierten. Auch Hansen, der 1916 seinen Einstand mit einem vor 1914 begonnenen Mammutwerk über die ostpreußische Landwirtschaft gab, delegierte fortan mehr, als daß er sich selbst im IOW engagierte. Die „agrarische Intensitätssteigerung“ in der Provinz beim Übergang zu neuen Bewirtschaftungsformen nach 1870 ließ er von seinem Assistenten Schweiger untersuchen, doch bevor der anhand einer um­ fassenden Analyse der Buchführung ausgewählter Güter zu einem Resultat kam, mußte er einrücken. Schweiger fiel Ende 1916, und Skalweit führte die Arbeit fort, ohne sie zum Abschluß zu bringen. Wohl weil er daneben noch in Hansens Auftrag mit der Ermittlung von betriebswirtschaftlichen Ba­ sisdaten der Agrarökonomie Litauens befaßt war, über die er 1918 eine Studie veröffentlichte, die die eigentlichen Adressaten in der Wirtschaftsadministration von Ober Ost zu diesem Zeitpunkt kaum mehr erfreuen konnte.2023 Schwer tat sich auch der frei­ oder mutwillig fort von der Editionsarbeit an den Papsturkunden zur osteuropäischen Wirtschaftsgeschichte drängende Mediävist Brackmann: „Große selbständige Arbeiten“, mußte Hesse im ersten Jahresbericht des IOW eingestehen, seien bei ihm allerdings noch nicht entstanden, nur Handreichungen dort, wo „praktische Aufgaben Aufklä­ rung früherer Verhältnisse erfordern“, z. B. über Theodor von Schöns Maßnahmen zum Wiederaufbau nach 1815.2024 Für 1917 sei der Abschluß der Sichtung des Materials zu erwarten, das in den Archiven von Grodno, Bialystok und Suwalki ausgehoben wurde. Anhand dieser Akten ließen sich praktische Ergebnisse der preußischen Verwaltung in der kurzen „südostpreußischen“ Zeit (1795–1807) dieser polnischen Grenzgebiete eruieren. Für die ostpreußische Wirtschaftsgeschichte fehle ihm hingegen kriegsbedingt ein Bearbeiter, so daß er in dieser Verlegenheit nur auf den Doktoranden Stein verweisen konnte.2025 Diese wirtschaftshistorische Erschließung der russischen Archive, die Brackmann sich vorgenom­ men hatte, blieb nicht allein wegen der Königsberger Personalnöte in den Anfängen stecken. Die Militärs setzten seinem Eifer Grenzen. Erst Anfang 1917 erhielt er das Placet, sich in Grodno und Aufklärungsstelle taucht neben ihm nur der Theologe Uckeley auf. Erst in letzter Minute traten Mitscherlich und Hansen hinzu, die mit Hesse am 9./10. 10. 1918 auf einem Kriegswirtschaftslehrgang des Generalkommandos Vorträge hielten (ebd., Bl. 258). Für die Akademie Braunsberg meldeten sich deren Rektor Alfons Schulz und der PD Bernhard Gigalski, der sich mit dem Thema „Rußland“ empfahl. Ihre Bereitschaft, zu „Bürgerkunde, Heimatkunde, Kunst und Wissenschaft“ zu referieren, erklärten der KHZ­Feuilletonchef Ludwig Goldstein und der Provinzialkonservator Richard Dethlefsen. Von den bekannten Lokalhistorikern stellte sich nur Johannes Dziubella (Lötzen) zur Verfügung („Stilles Heldentum in der modernen Kriegsliteratur“). Eine für den Rednerge­ brauch konzipierte (anonyme) Broschüre ‚Zeitgemäße Fragen und Antworten‘ (Düsseldorf 1917; in dieser Akte enthalten) legte übrigens den eifrigen Rekurs auf historische Vorbilder nahe (z. B.: „Was haben unsere Vorfahren in der napoleonischen Zeit ausgehalten und geleistet?“, „Halten die Lebensmittelpreise von 1917 den Vergleich mit 1817 aus?“), so daß eine stärkere Heranziehung von Historikern zu erwarten gewesen wäre. Im August 1918 mußte Oberpräsident Batocki dem PrMdI jedoch das „völlige Versagen des militärischen Aufklärungsdienstes“, insbesondere in Arbeiterkreisen, melden. Daher sei die Überleitung auf eine vom Vorsitzenden der Provinzial­ schulkommission, ORR Friedrich Hoffmann, geführte zivile „Hauptstelle für Heimatdienst“ erforderlich gewesen. Daraus wurde dann 1919 der Ostdeutsche Heimatdienst (dazu Bd. II). 2022 Hesse 1918, S. 34. 2023 Skalweit 1918. 2024 E. W. Mayer 1916. 2025 Erster Jahresbericht s. Hesse oben; und vgl. IMWKT 10, 1916, u. Hesse 1917b.

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Bialystok umzuschauen, „was dort für die Zwecke unseres Instituts vorhanden ist“.2026 Der Staatsarchi­ var Erich Joachim sollte die nach Königsberg verlagerten Bestände, Akten aus der kurzen preußischen Ära zwischen 1795 und 1807, inventarisieren und Brackmann wollte die Stücke aussondern, „die wirt­ schaftliche Maßnahmen betreffen“.2027 Doch erst nach nochmaligen Verzögerungen traten Brackmann und Joachim im März 1917 ihre Reise nach Bialystok, Grodno – wo die „Hauptmasse konzentriert“ lagerte – und Wilna an und sortierten die für sie relevanten Bestände aus.2028 Ein weiteres Hindernis, das sich der effizienten Erfassung der russischen Wirtschaftsverwaltung in den Weg stellte, erwuchs aus der mangelnden Vertrautheit mit den Sprachen Osteuropas. Hesse versicherte zwar, er habe alle Assistenten angehalten, Russisch zu lernen, doch das reichte 1917/18 eben nicht, das historische wie das aktuelle Material in einer Weise auszuwerten, um daraus wie immer beschaffene, vage Lehren für die „etwaige Angliederung neuer Gebietsteile im Osten“ zu ziehen. Nun rächte sich die langjährige Vernachlässigung des slavistischen Unterrichts an der Albertina, die sich auch nicht kurzfristig dadurch heilen ließ, daß Brackmann mit einigen Kollegen vom Ministerium die sofortige Errichtung eines slavistischen Seminars forderte, „unter besonderer Berücksichtigung der lettischen und litauischen Literatur für die Bibliothek“, und dazu zwei ordentliche Lehrstühle, je einen für Rußland und Polen.2029 Diesen Kompetenzdefiziten war wohl geschuldet, daß die Zusammenarbeit zwischen Königsberger Universität und der Militärverwaltung Ober Ost sich in kaum nennenswerter Weise entwickelte. Do­ zenten, die zwischen Bialystok, Wilna und Kurland anzutreffen waren, trugen in der Regel Uniform und versahen ohnehin ihren militärischen Dienst dort, wie die Juristen zu Dohna, Litten und von Gayl, oder der Nationalökonom und Reservehauptmann Otto Gerlach, der als Bahnhofsvorsteher in Suwalki den unbedeutendsten Posten abbekommen hatte. Auch von Gayls komfortable Position, im Herbst 1916, den Stab von Hindenburgs Schwiegersohn Brockhusen­Justin übernehmend, als Chef der politischen Abteilung in der Zentralverwaltung von Ober Ost, intensivierte die Beziehungen zwi­ schen Wilna und Königsberg in keiner Weise. Unter Gayls Aufsicht fand sich in der Presseabteilung von Ober Ost auch viel literarisch­akademische Intelligenz aus dem Reich ein, von Moeller van den Bruck, über Paul Fechter, Arnold Zweig, Victor Klemperer, Willy Kabitz bis zu Richard Dehmel, aber von der Albertina, aus Königsberg und Ostpreußen überhaupt – niemand!2030 GStA, VI. HA, Nl. Kehr, Nr. 8, Bl. 677–678; Brackmann an Kehr v. 8. 1. 1917. – Hesse rühmte sich, wäh­ rend einer Studienreise das Gros der Akten aus preußischer Zeit im Keller des Gouvernementarchivs entdeckt und ihren Wert als Stoff für verwaltungs­ und wirtschaftshistorische Untersuchungen erkannt zu haben. Auf Hesses Anregung übernahm Brackmann dann die Auswertung. Vgl. Rep. 76Va, Sek. 1, Tit. VII, Nr. 84, Beiheft B, Bl. 122–124; Hesse –Prorektor Hansen v. 30. 7. 1917. 2027 GStA, VI. HA, Nl. Kehr, Nr. 8, Bl. 679; Brackmann – Kehr v. 12. 1. 1917. 2028 Ebd., Bl. 680; Brackmann – Kehr v. 27. 3. 1917. 2029 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 152–157; Separatvotum Brackmann, Mez, Pillet, Münzer, Rupp, Baesecke, Meister, Zielstorff, Blaschke v. 28. 7. 1917 ergänzend zu dem Antrag Braun/Gerlach v. 1. 8. 1917, den slav. Extraordinarius Rost endlich zum oö. Prof. zu ernennen. Daß es im Ministerium gerade gegen Rost Bedenken gegeben haben dürfte, der reiner Philologe war, während die Königsberger Vorstellungen offenkundig auf Kulturkunde Osteuropas zielten, ergibt sich schon aus dem Umstand, daß man ihn sieben Jahre auf die 1907 beantragte Ernennung zum beamteten Extraordinarius hatte warten lassen. Auch 1917 waren die Antragsteller in Erklärungsnot: Rost habe mindestens seit 1914 deshalb nichts publizieren können, da er unent­ wegt als Hauptmann der Landwehr und Dolmetscher der Königsberger Festungskommandantur zur Verfügung stehen mußte. Das war eine etwas zu dürftige Entschuldigung, um ihn für das beantragte Rußland­Ordinariat zu empfehlen. 2030 Abgesehen von dem 1891 nahe Insterburg geb. Alfred Brust, der aber während seiner kurzen Zeit in der Buchprüfungsstelle der Presseabteilung erst mit literarischen Fingerübungen befasst war, bevor er nach 1918 als ostpreußischer Protagonist des Expressionsmus hervortrat. Der aus Elbing stammende Westpreuße Paul Fechter, geb. 1880, war seit langem in der Berliner Literaturszene assimiliert. 2026

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Als das Oberkommando der Heeresgruppe Eichhorn Ende 1917 in Wilna für zwei Wochen wissen­ schaftliche Vorträge organisierte, sprach als einziger Königsberger Fritz Litten, der ohnehin als Stabs­ offizier in der Stadt diente.2031 Im April 1918, als die Führung der 8. Armee zu ähnlichen Veranstal­ tungen für drei Wochen nach Riga einlud, griff man wieder auf Litten zurück („Kultur und Recht“), holte aber von der Albertina nur Bezzenberger („Das Volkstum der baltischen Provinzen“),2032 während man im übrigen Berliner Zelebritäten wie Dietrich Schäfer, Ulrich v. Wilamowitz­Moellendorff, Alois Riehl, Erich Marcks (bis 1922 noch München), Reinhold Seeberg und natürlich Eduard Meyer für standesgemäßer erachtete.2033 Der Königsberger Orientalist Friedrich Schwally durfte hingegen nur auf einem „Berufswissenschaftlichen Kurs“ für Handlungsgehilfen im grauen Rock, angeboten im Mai 1918 in Wilna, über „Die Türkei im Zeitalter der Reformen“ referieren.2034

Litten sprach über „Probleme des modernen Entschädigungsrechts“ sowie über die „Entfremdung zwischen Volk und Recht“, im Tenor an Freirechtsschule und Interessenjurisprudenz orientiert, die Richterschaft ermu­ tigend, den „Interpretationshebel“ großzügig anzusetzen, „Werturteile“ und „Willensentscheidungen“ nicht zu scheuen. Nach Wilnaer Zeitung Nr. 323 v. 25. 11. 1917 und ebd. Nr. 332 u. 333 v. 4. und 5. 12. 1917. 2032 Bezzenberger hatte sich vermutlich in der berühmten Wilnaer Kriegspressestelle, dem erwähnten Intellektuel­ lentreff mit Moeller van den Bruck, Fechter, Dehmel u. v. a., nicht beliebt gemacht, als er sich Dehmels „frei ver­ deutschte“ ‚Litauische Volkslieder‘ in einer KHZ­Rezension vornahm. Nach Ansicht des die Bedürfnisse werbender Kriegspropaganda gering achtenden, knorrig­redlichen Philologen, war das nichts weiter als ein Plagiat aus dem Werk seines Amtsvorgängers Nesselmann. Bezzenberger nutzte hier auch die Gelegenheit, sich abschätzig über die Masse der litauischen Dainos auszulassen, von denen die meisten keiner Übersetzung wert seien, und auch auf Distanz zur frühen Dainos­Begeisterung bei Goethe und den Brüdern Grimm zu gehen (Bezzenberger 1917b). 2033 Vortragsfolge in Wilnaer Zeitung Nr. 101 v. 1. 4. 1918. 2034 Wilnaer Zeitung Nr. 141 v. 26. 5. 1918. 2031

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Daß der „Burgfriede“ die inneren Spannungen bei einer längeren Kriegsdauer unter der Decke halten könnte, damit rechnete wohl kein Beobachter des politischen Geschehens. Lezius zog das früh ins Kalkül, als er über die „Bedeutung des Weltkrieges für die Lösung der sozialen Frage“ öffentlich rä­ sonnierte. Abgesehen von der unsicheren Aussicht darauf, daß der seit August 1914 zu registrierende religiöse Aufschwung vielleicht anhalte und die „Parteien und Stände“ versöhnlicher stimmen könnte, schien es für Lezius realistischer, auf den militärischen Sieg zu setzen. Dann würden „reichliche Kriegs­ entschädigungen“ in einen großen Fond fließen, „der zur Lösung der wichtigsten sozialen Fragen verwandt werden soll“.2035 Baumgart, auf der Bismarckfeier am 2. April 1917, betonte das Vermächtnis seines Heros, daß deutsche Politik, wenn schon auf Volksvertretungen zu stützen, nie ohne ein „starkes einiges Parla­ ment“ gestaltet werden könne. Bethmann Hollwegs Wort von der erforderlichen „Neuorientierung“ interpretierte der Germanist daher kühn als Anregung zur Bildung einer „Reichspartei“, also im Grunde als Aufforderung zum Abschied vom Parteienstaat. Zugleich ließ sich damit bereits ein Vor­ griff auf die Königsberger Konstituierung der „Deutschen Vaterlandspartei“, der im September 1917 realisierten „Reichspartei“, heraushören.2036 Der nationalliberale Strafrechtler Graf zu Dohna war von dieser sich „überparteilich“ gerierenden ultrakonservativen Position gar nicht so weit entfernt. Dohna klagte im Krisensommer 1916 darü­ ber, daß der innere Zusammenhalt zu zerbrechen drohe und führte das auf Mängel des Wahlrechts zurück. Die Mehrheitswahl zum Reichstag, die gerade die Stimmen des Proletariats unter den Tisch fallen lasse, wirke so desintegrierend wie das preußische Dreiklassenwahlrecht. Trotzdem plagten ihn Skrupel, das Verhältniswahlrecht könnte die Sozialdemokratie „über Gebühr“ stärken.2037 Um sich aus dem Dilemma herauszuwinden, hoffte er, Anregungen Bethmann Hollwegs folgend, „Parteipo­ litik“ in „Nationalpolitik“ transformieren zu können: Konservative und SPD müßten nur ihren ein­ seitigen Parteistandpunkt überwinden. Das sollte auf der Linken umso leichter fallen, als zwischen „Volk“ resp. „Proletariat“ und der latent staatsfeindlichen SPD gar keine Identität bestünde, so daß daher eine „nationale Arbeiterpartei“ durchaus möglich sei.2038 Wie stark Dohna, der sich zugleich zum Sprecher des anti­annexionistischen „Deutschen Nationalausschusses“ machte, dessen kleine An­ hängerschaft in Königsberg der Kollege Fleischmann leitete,2039 hier Wunschdenken verhaftet war, Lezius, Vortrag vor der „Jugendabteilung der kirchlich­sozialen Frauengruppe“ in der Königin­Luise­Schule, nach einem Bericht der KHZ Nr. 564, 2. 12. 1914. 2036 Dazu Presseberichte: Festrede auf der Feier der Königsberger Bismarck­Gesellschaft, in: KHZ Nr. 155, 2. 4. 1917, und: Bismarckfeier am 1. April. Vortrag Baumgart: Bismarck und die deutsche Reichsidee, in: KT Nr. 78, 3. 4. 1917. Im Tenor wie die Broschüre: H. Baumgart 1916a. 2037 Dohna, Richtlinien einer Wahlrechtsreform, in: Der Tag (A) Nr. 193, 18. 8. 1916. 2038 KHZ Nr. 282, 19. 6. 1916 = Nachdruck aus: Der Tag (A) Nr. 141, 18. 6. 1916. 2039 Schwabe 1969, S. 117.

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erfuhr er durch Kritik von rechts, gegen die er sein innen­ und außenpolitisches Konzept nur mit dem hilflosen Einwand verteidigte, er und seine Gesinnungsfreunde würden zu Unrecht als die „Schutz­ truppe Bethmanns“ verdächtigt, die die innere Eintracht exklusiv auf das Ziel des „Verständigungs­ friedens“ verpflichten wolle.2040 Daß Dohna nach Eröffnung des unbeschränkten U­Boot­Krieges im Frühjahr 1917 vielmehr zu den Verfechtern des Siegfriedens zählte, gab er in einer irreal wirkenden staatsrechtlichen Erörterung über die etwaige Kompetenz des Reichstages zum besten, am Friedens­ schluß mitwirken zu dürfen. Hier verteidigte Dohna noch einmal rückhaltlos die Prärogativen des Kaisers gegen „konstitutionelle Schranken“, seine Regierungsgewalt als völkerrechtlicher Repräsentant des Reiches, seine Kommandogewalt als Oberbefehlshaber der gesamten deutschen Streitkräfte, der, da der Friedensschluß ein Akt der Kriegführung sei, nach eigenem Ermessen, das nicht einmal ministeri­ eller Verantwortlichkeit Raum gebe, die „Wiederaufnahme friedlicher Beziehungen“ mit den Feinden des Reiches gestalten dürfe.2041 Um die „Eintracht“ und Geschlossenheit der Heimatfront fürchtete, angesichts lauter werdender Forderungen nach inneren Reformen, auch Erich Kaufmann, der kurz nach dem Wechsel von Königs­ berg nach Berlin eine Kampfschrift über ‚Bismarcks Erbe in der Reichsverfassung‘ publizierte.2042 Ohne den Begriff zu verwenden, faßte Kaufmann darin den Weltkrieg als totalen Krieg auf. Den zeichne aus, daß er nicht auf das militärische Ringen beschränkt bleibe. Soweit wie neben den Soldaten die gesamte Bevölkerung des kriegführenden Staates mobilisiert werden mußte, war sie ihrerseits Objekt ökono­ mischer, juristischer und propagandistischer Angriffe. Letztere zielten auf die öffentliche Meinung und die Kollektivpsyche, auf „Stimmungen“ und „Instinkte“, wie Kaufmann das nannte. Damit waren die Alliierten erfolgreicher als die Deutschen, und besonders nach dem Kriegseintritt der USA mußte Kaufmann konstatieren, daß es dem US­Präsidenten Wilson gelungen sei, als „völkerbeglückender Prediger der Demokratie“ das „Evangelium der demokratischen Freiheit“ nicht als das erscheinen zu lassen, was es wirklich war, nämlich als „imperialistisches Machtmittel“ im totalen Krieg. Daher hätten die Parolen zünden können, leider so gewaltig, daß eine „große demokratische Welle“ in Deutschland nicht mehr zu ignorieren sei. Von ihr gehe eine Bedrohung der „grundlegenden Normen unseres Ver­ fassungsrechts“ aus. Allein die Debatte um die Reform des preußischen Wahlrechts zeige, wie sehr es Wilson schon gelungen sei, das Reich durch „innere Verfassungskämpfe“ zu spalten. Das Versprechen von „Frieden und Freiheit“ für den Fall, daß sich die Deutschen ihrer „autokratischen Regierung“ entledigten, war eine Aufforderung zur Revolution.2043 Dohna, „Geschlossen nach innen – entschlossen nach außen“, in: Der Tag (A) Nr. 217, 15. 9. 1916. – „Innerer Friede“ als Voraussetzung für (nunmehr) die „Wiedergewinnung der Weltgeltung“ blieb für den DVP­Parlamenta­ rier Dohna auch nach 1918 Richtschnur seiner Politik, vgl. seine Rede ‚Lebenshaltung und Lebensinhalt‘ auf dem Königsberger Kongreß des Kirchlich­sozialen Bundes im Herbst 1919, Dohna 1920, S. 4 ff, 18 f., sowie Rede zur DVP­Gründung in Königsberg, 1918b; Einzelheiten dazu siehe Bd. II. 2041 Dohna 1917, Sp. 465; für wie akademisch der Verfasser seine umständlichen Haarspaltereien selbst ein­ schätzte, ergab sich aus der Schlußwendung: „Wir begnügen uns damit, die theoretische Möglichkeit eines solchen Konflikts [zwischen Kaiser und Reichstag] zu konstatieren, und überlassen die Sorge dafür, daß er nicht zur Wirk­ lichkeit werde, in voller Zuversicht und hingebender Dankbarkeit unserem Hindenburg und seinen unvergleich­ lichen Truppen.“ 2042 Kaufmann 1917, wieder in ders. 1960, Bd. I, S. 143–223; gewidmet dem Kieler und Königsberger Kolle­ gen, dem 1914 gefallenen Strafrechtler Hermann Kriegsmann (Kaufmanns hinlänglich bekanntes Bestreben, nach 1945 seinen einstigen Ultranationalismus zu verdecken, kommt einmal mehr darin zum Ausdruck, daß er in der Neuveröffentlichung 1960, die Widmung unvollkommen zitiert, also ohne die Passage, Kriegsmann sei als Leut­ nant bei den Kämpfen südlich der Marne gefallen. Ebenso fehlt natürlich das Vorwort, worin, im August 1917 geschrieben, der Verfasser bekundet, dem Vaterland nunmehr mit der Feder dienen zu wollen, da es ihm nach zweijähriger „Tätigkeit im Felde“ nicht mehr vergönnt sei, dies mit der Waffe tun zu können). Zu dieser Schrift vgl. Schwabe 1969, S. 153–155; Korioth 1992; Zelger 1996, S. 321; Kachel 2004, S. 418–422. 2043 Kaufmann 1960, Bd. I, S. 146–149. 2040

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Kaufmanns Verteidigung, die weniger Rechtfertigung der preußisch­deutschen Verfassungskon­ struktion gegenüber angelsächsischer Diffamierung („Autokratismus“) sein wollte, als Werbung und Bewußtmachung ihres eigentümlichen Wertes, erschöpfte sich jedoch in detaillierten historisch­ juristischen Betrachtungen über den von Bismarck geschaffenen „bündischen Monarchismus“, der es ihm erlaubt habe, den Föderalismus als „Kampfmittel gegen die Parlamentarisierung“ einzusetzen, ver­ mochte aber kaum plausibel zu machen, warum gerade der Dualismus von Reichstag und Bundesrat der einzige Garant sein mußte, um das „Reich als kraftvolle Einheit“ zu erhalten, warum die Parlamen­ tarisierung die „innere Zerreißung des Reiches“ bedeute, warum „staatliche Macht“ nur erzeugt werde durch ein nicht vom Volk gewähltes, „überparteiliches“ Verfassungsorgan wie den Bundesrat, nicht aber durch die Parteien des Reichstages.2044 Gerade das von Kaufmann zum Schluß zitierte „Schreck­ bild“ eines chaotischen Parteien­ und Interessenpluralismus, das der schwedische Sozialdemokrat Gustav F. Steffen 1912 von der angelsächsischen Demokratie entwarf, und das die innere Stabilität dieser Gesellschaftsordnung schon für Friedenszeiten unterschätzte, hatte mit der große innere Ge­ schlossenheit aufweisenden Kriegsrealität in Großbritannien und in den USA nichts zu tun.2045 Ungleich subtiler und zugleich zweideutiger griff Kurt Wolzendorff, seit dem SS. 1917 Nachfolger des auf Kaufmanns Ordinariat berufenen Fleischmann, in die Verfassungsdebatte ein. Die „dualis­ tischen“ Elemente der preußischen wie der Reichsverfassung, Monarch und Parlament, wollte er gar nicht mit der „Konstruktion einer Einheit“ verdecken.2046 Jedenfalls nicht in den Mustern, derer sich manche Kollegen bedienten. Um „Einheit“ ging es Wolzendorff gleichwohl. Maßstab war ihm dabei das volksgemeinschaftliche „Augusterlebnis“ zu Kriegsbeginn 1914. Ein rechtshistorisch vertieftes Ver­ ständnis der Reichsverfassung könne den nur scheinbaren Antagonismus zwischen Volksvertretung und Monarch offenbaren und somit den „Gedanken der Einheitlichkeit“, seine „Verinnerlichung“ im „Empfinden“ fördern. Schließlich habe jede Rechtsordnung ihren „letzten Grund in der nicht weiter ableitbaren subjektiven Überzeugung von [ihrer] Gültigkeit“.2047 Dazu müsse der durch das „System der Kriegsregierung“ in Verruf geratene „Obrigkeitsstaat“ nur auf seine wahre Gestalt, seine Identität mit der alten germanischen „Genossenschaft im Recht“ zurückgeführt werden, dessen letzte Form der deutsche Konstitutionalismus sei. Bismarcks Arbeitergesetzgebung sei nur möglich gewesen, weil die Reichsverfassung von 1871 im Genossenschaftsrecht wurzelte und daher ein hinreichend großes Integrationspotential freisetzen konnte. Daraus allein sei noch das Verhalten der SPD und der Arbei­ terschaft im August 1914 erwachsen. Das sei der Geist, der das „Volk zur Einheit bindet“.2048 Gemäß dem alten genossenschaftlichen „Rechts­ und Staatsgedanken“, demzufolge die Integration zur Volks­ einheit durch die Überzeugung aller Rechtsgenossen von der „Gemeindienlichkeit der Staatsgewalt“ bewirkt werde, regierten Kaiser und Oberste Heeresleitung. Dies müsse zur ideellen Aufrüstung der Heimatfront endlich ins öffentliche Bewußtsein treten. Und es müsse dem feindlichen angelsäch­ sischen Ausland auseinandergesetzt werden. Denn die Demokratien des Westens bezögen ihren „Wert­ gehalt“ genauso aus dem „alten deutschen Rechts­ und Staatsgedanken der Genossenschaftlichkeit“ Ebd., S. 204 f. Ebd., 1960, S. 220 f. – Vgl. dazu die Kritik Max Webers, der die Rechtfertigung der Reichsverfassung allein aus der deutschen „Eigenart“, auf die Kaufmann, abgesehen von dem bei Steffen ausgeliehenen „Schreckbild“, letztlich nur rekurrieren konnte, ein „trauriges Schauspiel“ nannte, schon weil „heutige Professoren“ damit die liberal­demokratische Tradition von 1848 von der „deutschen Eigenart“ ausschlossen (Weber 1984b, S. 339–443; zuerst in: FZ v. 28. 10. 1917). 2046 Wolzendorff 1917, S. 2 ff. 2047 Ebd., S. 76 f., 91. – Die Gefühlsintensität und die Bindekraft des Gemeinwesens seien dort am höchsten, wo sie der Staatsbürger am unmittelbarsten selbst erfahre, im Militärdienst. Über diese Integrationsinstanz handelte der für untauglich befundene Heimatkrieger Wolzendorff schon vor Kriegsbeginn in seinen im Herbst 1913 abge­ schlossenen Betrachtungen über das „Volksheer“ (Tübingen 1914). 2048 Wolzendorff 1917, S. 96 f. 2044

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wie die deutsche konstitutionelle Monarchie. Die Gegensätze zwischen dem lateinischen und angel­ sächsichen einer­, dem deutschen Staatsgedanken andererseits seien daher keine des „politisch­dyna­ mischen Ideen g e h a l t s “, sondern allein solche der „politisch­theoretischen Ideen f o r m “.2049 Der „demokratischen Idee der Gemeindienlichkeit und der Rechtsgebundenheit aller Macht im Staate“ verpflichtet, stehe das Kaiserreich also hinter der Präsidialverfassung der USA an Modernität nicht zurück. Den alliierten Forderungen nach einem Verfassungswandel und dem Sturz der Hohenzollern­ „Autokratie“ als Voraussetzung für einen Friedensschluß glaubte Wolzendorff damit den Boden entzo­ gen zu haben.2050 In der so festen wie naiven Zuversicht, es genüge, diese Deutung nur fleißig vor der „Weltöffentlichkeit“ zu propagieren, dann würden die Kriegsgegner schon der „Macht der Wahrheit“ erliegen.2051 Wie Fleischmann, Kaufmann und Dohna warf Wolzendorff sich damit für eine Bewah­ rung des verfassungsrechtlichen Status quo in die Schanze, scherte insoweit nicht aus der Einheitlich­ keit der kriegspublizistisch engagierten juristischen Fakultät aus, bewies aber nur wenige Stunden nach Ausbruch der Novemberrevolution, die ihn als Vertrauensmann der Räte kurzzeitig an die Spitze der Albertina katapultierte, wie anpassungsfähig er sein konnte und wie vielseitig verwendbar seine Formel vom „Genossenschaftsstaat“ war, mit der er zwanglos auch den Weimarer „Volksstaat“ zu legitimieren versuchte.2052 Der einzige Mediziner, der gleichfalls mit der Erörterung von Zukunftsfragen der Nation in eine breitere Öffentlichkeit drängte, war der Gynäkologe Georg Winter. Der Krieg hatte den Ordinarius und Klinikchef von seinem wichtigsten Betätigungsfeld, dem Kampf gegen den Uterus­Krebs in Ost­ preußen, verdrängt. Mit der „Bevölkerungspolitik“ erschloß er sich seit 1916 ein neues. Eingebettet in die sich schon vor 1914 belebende Kontroverse über das Pro und Contra pronatalistischer Politik, riet Winter dazu, das hunderttausendfache Kriegsopfer auszugleichen durch rigorose Unterbindung des spontanen, des künstlichen und kriminellen Aborts. Das war für ihn eine „patriotische wie wissen­ schaftlich gleich wichtige Aufgabe“, für die er die gynäkologische Kollegenschaft an den Hochschulen mobilisieren wollte. Winter stieß dabei zwar auf Widerspruch von Autoritäten wie Ernst Bumm, doch gelang es ihm, die Kampagne 1918 zuspitzend auf die Verhinderung der „Abtreibungsseuche“, eine gesundheitspolitische Debatte zu entfachen, die in den 20er und 30er Jahren, auch mit seiner Hilfe, den Anschluß an den „rassenhygienisch­erbbiologischen“ Diskurs fand.2053

Ebd., S. 109 f. Ebd., S. 110 f., mit dem trotzigen Bekenntnis schließend: „Wir bestehen auf unserem Recht, nach unserer ‚Fasson‘ selig zu werden.“ 2051 Ebd., S. 108, hier Johann Stephan Pütter (1725–1807), einen bedeutenden Staatsrechtler der Aufklärungs­ epoche zitierend. 2052 Dazu Bd. II. 2053 Winter 1916, ders. 1918a und 1918b; zu Winter und zur bevölkerungspolitischen Debatte 1915–1918 vgl. Steinecke 1996, S. 141–143. 2049 2050

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Die Albertina im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918

5.

Siegfriede oder Verständigungsfriede: Die Debatte 1917/18

Je weiter der „Siegfriede“ entfernt war, desto ratloser wirkte die professorale Politikberatung. Der Völkerrechtler Fleischmann, bei Kriegsbeginn eher formaljuristisch überkorrekt, erwog Anfang 1916 die Entschränkung der Haager Konvention, da man inzwischen einen „Vernichtungskrieg“ führe, der fraglos anderen Gesetzen gehorche, denen zufolge Rücksichtnahme auf Zivilisten nur die eigene Ver­ teidigung behindere.2054 War das ein verklausuliertes Plädoyer für den uneingeschränkten U­Boot­ Krieg? Das darf wohl so verstehen, wer sich seine mit knappen anti­amerikanischen Glossen versehene Zusammenstellung des amtlichen Notenwechsels ansieht, die er nach Wilsons Kriegserklärung in der Zeitschrift für Völkerrecht publizierte.2055 Brackmanns von höhnischen Untertönen nicht freier Tag­Artikel „Moralische Eroberungen“2056 wollte nach dem parlamentarischen Erfolg von SPD, Zentrum und Linksliberalen im Juli 1917 eine gewisse Aufweichung in den Reihen der Verfechter des Verständigungsfriedens entdecken. Gleichwohl schienen sie einer historischen Lektion dringend bedürftig. Weit ausholend demonstrierte Brackmann an Knotenpunkten preußischer Geschichte, wie wenig ein idealistischer Antimachiavellismus politisch bewegt habe. Das Werben um „Verständigung“ und die Hoffnung, etwa Napoleon moralisch zu über­ zeugen, führte zum Desaster von 1806. Auch an 1848, den Verfassungskonflikt von 1861 und an die allein mit „Blut und Eisen“ gewonnene deutsche Einheit, sollten sich der heute mit überholten Parolen operierende Linksliberalismus, ebenso Katholiken und Sozialdemokraten erinnern, um endlich einzu­ sehen, daß mit dem Glauben an „Verständigung“ keine Politik gemacht werden könne. Mit Bezug auf das Baltikum und Belgien dürften diese Kräfte also nicht staatspolitische Notwendigkeiten in Abrede stellen, die dort eine gewaltsame Behauptung deutscher Machtpositionen erforderten. Ähnlich funktionalisierte Brackmann die „Kriegsschicksale“ Ostpreußens, die Verheerungen von 1914/15 und die Untaten der Russen gegen die Zivilbevölkerung. Daraus müsse man die Lehre ziehen, von „falscher Vertrauensseligkeit“ in der Politik Abschied zu nehmen. Aus Brackmanns akkurater Schilderung russischer Bestialitäten gegen Frauen und Kinder, der Vergewaltigungen und Verschlep­ pungen, resultierte, den „Geist der Ermordeten“ anrufend, der Appell an die Opferbereitschaft, die Ein­ forderung bedingungsloser militärischer Kraftanstrengung unter der Parole „Sieg oder Untergang“.2057 Als Brackmann dies publizierte, im April 1917, in den Tagen des US­Kriegseintritts, schien sich in Königsberg Endkampfstimmung auszubreiten. So mahnte Prorektor Hansen auf der Immatrikula­ KHZ Nr. 90, 23. 2. 1916; Fleischmann im Tragheimer Gemeindehaus über die „Sittlichkeit des Krieges“. Fleischmann 1918a. Zu Fleischmann s. a. oben, S. 417 f.. 2056 Brackmann „Moralische Eroberungen.“, in: Der Tag (A) Nr. 84, 11. 4. 1918 und in: Ostpr. Heimat Nr. 15 v. 13. 4. 1918, S. 113 f. 2057 KHZ Nr. 164 und 166, 8. und 11. 4. 1917 (1917a). Vgl. auch ders. über ,Ostpreußen zwischen Mobilmachung und Russeneinfall‘, in: KHZ Nr. 499, 24. 10. 1916, dies auch wieder in einem Beitrag Brackmanns für Bd. 5 seiner ‚Kriegshefte‘ (Brackmann 1916c). Ausführlich die „Leidenszeit“ der Provinz schildernd in seinem Aufsatz für Ernst Jäckhs Sammelband ‚Der Große Krieg als Erlebnis‘, 1916, S. 143–163. 2054

2055

Siegfriede oder Verständigungsfriede: Die Debatte 1917/18

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tionsfeier Ende April, die seligen Tage der Einheit im August 1914 nicht zu vergessen, erinnerte an die dem „großen Ganzen“ seitdem gebrachten Opfer, damit die Deutschen ihre „Freiheit“ bewahren können und rühmte den Genius Hindenburgs, dem es vergönnt sein möge, einen „siegreichen Frieden zu erkämpfen“. Daran habe die Albertina ihren Anteil, da ihre Agrarwissenschaftler alles getan hätten, um englische Aushungerungspläne zu vereiteln. In diesem Existenzkampf sei „Wissenschaft“ indes eher zweitrangig, daher sollten sich die Studenten dem „vaterländischem Hilfsdienst“ zur Verfügung stellen, in praktischer Umsetzung des kantischen Pflichtgebots – „in waffenstarrender Zeit“2058. Seiner eige­ nen Pflicht genügte Hansen umgehend, indem er den Aufruf zur U­Boot­Spende am 30. April 1917 unterzeichnete, zusammen mit dem Braunsberger Rektor Switalski und mit dem Landeshistoriker Christian Krollmann, der als Vorsitzender des lokalen „Deutschen Wehrvereins“ unterschrieb.2059 Hansen erklärte sich dann auf einem Vortragsabend der „Ostpreußischen Gesellschaft 1914“ – die im Gegensatz zu ihrem Berliner Pendant Bethmann Hollwegs Politik nicht unterstützte, sondern sie aggresiv bekämpfte und die 1917, ebenfalls im auffallenden Gegensatz zu Berliner Usancen, dabei auf Massenagitation setzte –2060 für einen „deutschen Frieden“ im Sinne des „Unabhängigen Ausschusses“ von Seeberg und Schäfer.2061 Hansen machte sich im Sommer 1917, kurz nachdem Bethmann Hollweg von Hindenburg und Ludendorff aus dem Amt gedrängt worden war und kurz nach der „Friedensresolution“ des Reichs­ KHZ Nr. 197, 28. 4. 1917. Einige Wochen später glaubte Hansen den Durchhaltewillen stärken zu können, durch die nochmalige Versicherung, gerade die für die Versorgung Deutschlands so bedeutsame ostpreußische Landwirtschaft habe durch den Russeneinfall zwar schwer gelitten, ihre Kraft sei jedoch „ungebrochen“ (1917a, S. 17). 2059 KHZ Nr. 199, 30. 4. 1917. 2060 Kapp hatte den Zusammenschluß als einen „gleichgesinnter monarchischer Männer“ bezeichnet, von denen sich 267 am 19. 11. 1915 zur Königsberger Gründungsversammlung einfanden, die mit dem Lezius­Eklat endete (s. o. Anm. 1992). Die Einladung war vom Königsberger OB Körte, dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenver­ sammlung Lejeune­Dirichlet, dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Brandes, Otto Meyer, Herrenhaus­ Mitglied und Obervorsteher der Königsberger Kaufmannschaft, Mitscherlich, als Rektor der AUK, Hansen, als Direktor des Landwirtschaftlichen Instituts, dem Kultur­Stadtrat Stettiner und auch von einem unscheinbar als „Telegraphendirektor“ figurierenden Herren namens Steinecke unterschrieben, der zugleich Vorsitzender der OG des Alldeutschen Verbandes war. Kapps Betonung des „monarchischen“ Konsens schloß, anders als in der Berliner Gesellschaft, Sozialdemokraten aus, hinderte aber nicht die Teilnahme von Juden wie Lejeune­Dirichlet und Stet­ tiner. Man traf sich von November 1915 bis Januar 1917 allmonatlich einmal unter Ausschluß der Öffentlichkeit, so daß sich über diese Zusammenkünfte keine Spuren in der Lokalpresse finden lassen. Daß man auch in dieser Zeit gegen Bethmann Hollweg Stimmung machte, dafür garantiert schon Kapp als Führungsfigur der Gesellschaft, obwohl er dem Kultusministerium noch 1915 versicherte, man verfolge „dieselben Ziele wie die Berliner“ (GStA, Rep. 76V, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI, unpag.; Kapp an PrMK v. 23. 12. 1915). Ganz anders die Berliner „Deutsche Gesellschaft 1914“, gegründet am 28. 11. 1915, also eine Woche nach der Königsberger! Die politischen Positionen der Berliner seien hingegen mit „denen der Regierung Bethmann Hollweg weitestgehend“ gleichzu­ setzen, wie Sösemann 1987, S. 638, konstatiert, dem die Königsberger Gründung unbekannt blieb und der nur noch eine am Berliner Vorbild orientierte, liberal gesonnene „Württembergische Gesellschaft von 1918“ ermittelt hat (ebd., S. 643). 2061 KHZ Nr. 235, 22. 5. und KT Nr. 118, 23. 5. 1917: Ostpreußische Gesellschaft 1914. Vortragsabend, Er­ öffnungsansprache Hansens als Stellvertreter des erkrankten Vorsitzenden Körte: Militärische Erfolge zu Wasser und zu Lande lassen ihn „vertrauensvoll in die Zukunft“ blickend auf einen deutschen Frieden hoffen. Der Haupt­ redner, der alldeutsch gestimmte Sekretär des Verbands der katholischen Arbeitervereine Dr. Paul Fleischer, sprach zum Thema: „Stellt ein Frieden ohne Landerwerb und Kriegsentschädigung die Zustände vor dem Kriege wieder her?“, eine Frage, die er natürlich verneinte, um für Annexionen zu werben und zum Kampf gegen die „goldene und rote Internationale“ zu trommeln. Ein Schiffsingenieur Schindler hatte im März 1917 in öffentlicher Ver­ anstaltung der Ostpr. Gesellschaft 1914 das zahlreich erschienene Publikum auf den am 1. Februar begonnenen unbeschränkten U­Boot­Krieg eingestimmt: „Mit dem U­Boot gegen England“, in: KHZ Nr. 131, 19. 3. 1917. 2058

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Die Albertina im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918

tages, zum Sprecher der Königsberger alldeutschen Annexionisten. „Ostpreußens Friedenswünsche“ wichen in der Version Hansens dabei erheblich vom parlamentarischen Ideal des „Verständigungs­ friedens“ ab. Ohne die „Grenze weiter nach Osten“ zu schieben, ohne Angliederung von Litauen und Kurland, ohne „Schutzwall“ fern der alten Reichsgrenze, der die Provinz vor dem neuerlichen „Einfall der Kosakenhorden“ bewahren werde, gebe es nur einen „schlechten Frieden“, und der bedeute den „Untergang Deutschlands“. Seinen „Siegfrieden“ glaubte Hansen zu diesem Zeitpunkt mit Händen greifen zu können, da die militärische Lage doch „vorzüglich“ sei, nachdem im Februar „endlich das erlösende Wort vom uneingeschränkten U­Bootkrieg fiel“ und es sechs Monate danach, ohne daß den Feinden ihrerseits Deutschlands „Aushungerung“ gelungen sei, nur noch ein „Rechenexempel ist“, „wann der U­Bootkrieg zum endgültigen Sieg führt“.2062 Der sonst eher kühl abwägende Nationalökonom Albert Hesse ließ zur gleichen Zeit seine Phanta­ sie ins Kraut schießen und sah aufgrund der relativ günstigen Lage an der Front gegen das innerlich zu­ sammenbrechende Zarenreich plötzlich eine ungeahnte Chance für einen ökonomischen Befreiungs­ schlag zugunsten Ostpreußens. Dessen bisher mangelhaft erschlossenes Hinterland, Russisch­Polen und die baltischen Ostseeprovinzen, eröffne bei einer politischen Neuordnung des Raumes den Weg für eine industrielle Entwicklung Ostpreußens. Bis 1914 habe die zaristische Wirtschaftspolitik West­ rußland so vernachlässigt, daß es als potentielles Absatzgebiet nicht dazu einlud, Aufwendungen für eine industrielle Infrastruktur in Ostpreußen zu riskieren. Wenn sich dieses „natürliche Hinterland“ nunmehr auftue, lasse sich die agrarische Monostruktur Ostpreußen aufbrechen, neue industrielle Arbeitsplätze entstünden und die Abwanderung des Bevölkerungsüberschusses nach West­ und Mit­ teldeutschland wäre gestoppt.2063 Wie er sich diese „Erschließung“ dachte, als eine durch den „Sieg­ frieden“ Rußland abzuzwingende Annexion der von „Ober Ost“ verwalteten Gebiete oder durch Eta­ blierung scheinsouveräner, vom Kaiserreich abhängiger Nationalstaaten, verriet Hesse jedoch nicht. Sein Fachkollege Gerlach, in seinem Nebenamt als wissenschaftlicher Leiter der Königsberger Handelshochschule, konzipierte im Mai 1917 für das Wintersemester eine Vortragsreihe, die der durch die Washingtoner Kriegserklärung geschaffenen neuen „weltpolitischen“ Lage Rechnung tragen und das Publikum über „Macht­ und Wirtschaftsziele“ der um die USA erweiterten Feindstaatenkoali­ tion aufklären sollte. Der Berliner Althistoriker Eduard Meyer, prominenter Anwalt eines annexio­ nistischen „Siegfriedens“, der Gerlach auch bei der Auswahl der übrigen Referenten beriet, übernahm den Vortrag über ‚Das britische Weltreich‘, der Hamburger Nationalökonom Karl Rathgen widmete sich den USA und Japan, Hans Uebersberger versuchte wenige Wochen nach der Oktoberrevolu­ tion, das in „Teile zerfallende Rußland“ als Machtfaktor einzuordnen und Hermann Oncken führte die Königsberger Zuhörer zum Auftakt der Reihe in die „weltgeschichtlichen Probleme des großen Krieges“ ein.2064 2062 KT Nr. 191, 17. 8. 1917, Berichterstattung über eine von tausend Königsbergern besuchte öffentliche Ver­ anstaltung der Ostpr. Gesellschaft 1914 im vollbesetzten Börsensaal. Außer Hansen sprachen im gleichen Sinne Stadtrat Rudolf Meyer und OB Körte. In Telegrammen an den Kaiser, Hindenburg und den neuen Reichskanzler Michaelis bekräftigte die Gesellschaft ihre Forderung nach „sicheren Grenzen“ im Osten. – Höchst erstaunlich ist, daß nur Körte im Sommer 1916 zu den Unterstützern des Aufrufs gehörte, mit dem R. Seeberg, Ed. Meyer und D. Schäfer für ihren Unabhängigen Ausschuß für einen deutschen Frieden warben. Vgl. die Liste der Unterzeich­ ner in: Die Reformation 10, 1916, S. 440 f. Dort finden sich außer den professoralen Initiatoren weitere drei Dut­ zend Ordinarien, unter ihnen v. Below, Haeckel, W. Wundt, auch der ehemalige Königsberger Indogermanist Otto Hoffmann, aber aus Ostpreußen neben Körte sonst nur der samländische Rittergutsbesitzer v. d. Goltz­Kallen. 2063 Hesse 1917c. 2064 Die Vortragsreihe begann am 27. 10. 1917 mit Onckens Ausführungen, die England als Hauptschuldigen am Weltkrieg präsentierten, da die Briten mit Deutschland den gefährlichsten Rivalen im Weltmachtspiel matt setzen wollten. Ferner sprachen Erich Brandenburg über Frankreich und zum Abschluß, am 11. 4. 1918, Rudolf Stammler über „Recht und Macht“. Gerlach gab die Vorträge im Mai 1918 in einem Sammelband heraus (Gerlach 1918a).

Siegfriede oder Verständigungsfriede: Die Debatte 1917/18

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Obwohl die Stimmung in der Königsberger Öffentlichkeit, kurz nach der Gründung der Vater­ landspartei, noch „alldeutscher“ war als im Frühjahr, obwohl die AllV­Ortsgruppe ihre Agitation verstärkte und im Winter 1917/18 viel Zuspruch bekam,2065 wollte Gerlach auf diesen Zug nicht aufspringen. Trotz Meyers Beteiligung, hörte man keine Plädoyers zugunsten territorialer „Arrondie­ rungen“ des Reiches. Wie Gerlach es sich von Meyer gewünscht hatte, boten er und seine Mitreferenten lediglich „Aufklärung“ über „die sich vor unseren Augen vollziehende Entwicklung vom System der europäischen Staaten zu einem Weltstaatensystem, vom Nationalstaat zum Imperium mit den Begleit­ erscheinungen auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik“,2066 wobei nur Oncken unbestimmt für einen ostmitteleuropäischen cordon sanitaire zwischen Finnland und der Ukraine eintrat, um auf lange Sicht die „Westslawen“ als Verbündete der Zentralmächte zu gewinnen, während Uebersberger das sich an­ bahnende Friedensdiktat von Brest­Litowsk als Chance deutete, um die neuen, Mitteleuropa mit der Waffe der sozialen Revolution bedrohenden bolschewistischen Machthaber auf Distanz zu halten.2067

Am 14. 2. 1917 trat mit dem AllV­Hauptgeschäftsführer Leopold von Vietinghoff­Scheel ein führender Funk­ tionär in der Königsberger OG auf, um mit der Propagandaoffensive seines Verbandes in Sachen „Siegfrieden“ auch in den äußersten Nordosten vorzustoßen. Am 27. 3. 1917 sprach einer der meistbeschäftigen AllV­Redner, der Münchner Historiker und Wagnerianer Richard du Moulin­Eckart, über „Deutsche Aufgaben, deutsche Ziele“, vor 400 Hörern, am 3. 5. kam der Berliner AllV­Geschäftsführer Schöne, um vor einem „Scheidemann­ Frieden“ zu warnen. Diese Werbung wirkte über Königsberg hinaus: in Bromberg, Allenstein, Marienwerder und Löbau entstanden neue Ortsgruppen, für das Samland und Natangen im Mai „Landschaftsgruppen“ des AllV; die Königsberger Mitgliederzahl stieg auf 251. Im Oktober 1917 konnte sogar ein „Gauverband Ostpreußen“ zu einer Großveranstaltung einladen, die wieder 400 Zuhörer anzog, denen Heinrich Class angekündigt worden war, der sich aber in letzter Minute durch einen Berliner Syndikus vertreten ließ. Am 2. 12. 1917 leitete Christian Krollmann eine „geschlossene Veranstaltung“ ein, auf der als Mitglied der AllV­Hauptleitung General Eduard von Liebert wie üblich den „Verzichtsfrieden“ geißelte und sich über defaitistische Stimmung in der Heimat beklagte. Vgl. AllB 27, 1917, S. 101, 251 f., 290, 297, 482 und AllB 28, 1918, S. 15, 354. – Über die große propagandi­ stische Schlußoffensive des AllV 1917/18 vgl. anhand der Hamburger OG Hering 2003, S. 261 ff. 2066 BBAW, Nl. Meyer, Nr. 321; Gerlach an Eduard Meyer v. 19. 5. 1917. Um die ungewöhnlich prominente Re­ ferentenriege an die winzige HHK zu ziehen, kalkulierte auch Gerlach Ostpreußens nationalen Prestigegewinn ein: „Wohl weiß ich, daß es ein großes Opfer ist, welches ich den Herren Kollegen mit dieser Aufforderung zumute. Aber ich meine, es sind gerade die besten Kräfte zu dieser großen Aufklärungsarbeit berufen und das warme Inte­ resse, welches in unserem Vaterlande durch die Russeneinfälle für die ferne Ostmark und für die Pflege deutscher Kultur in ihr wachgerufen ist, läßt mich hoffen, daß auch Sie sich meiner Einladung nicht versagen werden.“ 2067 Oncken und Uebersberger in: Gerlach 1918a, S. 17 f. und 138.

2065

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6.

Berufungspolitik, Forschung, Lehre und Studium unter Kriegsbedingungen

In den ersten Tagen der Mobilmachung beanspruchte die Militärverwaltung das Hauptgebäude der Albertina, alle Kliniken und fast alle Institute zur Einrichtung von Lazaretten. Bis zum Beginn des Wintersemesters 1914/15 wirkte sich diese Beschlagnahme nicht aus. Danach aber fielen deswegen die meisten der Veranstaltungen aus, die hätten zustandekommen können, weil sich einige Hörer, „Damen“ überwiegend, bei den militärisch untauglichen Dozenten eingefunden hatten. So kam es im ersten Kriegswinter zu einem Ausfall von achtzig Prozent der Lehrveranstaltungen. Die Lage besserte sich im Herbst 1915, als ein großer Teil der Kliniken und das Hauptgebäude am Königsgarten vom Militär geräumt wurden. Bei der Begrüßung der Neuimmatrikulierten zum SS. 1916 verkündete der Prorektor von Gierke daher mit Stolz: An der Albertina sei inzwischen wieder eine Ausbildung wie im Frieden möglich.2068 Das war im Mai 1916 aber immer noch eine Schönfärberei erster Ordnung. Nicht allein, weil weiter­ hin Institutsgebäude als Lazarette dienten. Es fehlte vor allem an Professoren und Studenten. Viele würden auch nicht mehr wiederkehren. Bis zum Ende des WS. 1914/15 waren fünf Dozenten und 58 Studenten gefallen. Bis November 1915, also in nur sechs Monaten, verdoppelte sich die Zahl fast auf 98 Studenten. Prorektor Mitscherlich enthüllte im Vorraum des Hauptgebäudes ein erstes Ehren­ mal, das mit einem zynisch klingenden Vierzeiler Theodor Körners den Heldentod verklärte („Mag der Staub gefallener Helden modern …“). Marmortafeln mit den Namen aller Gefallenen, so versprach Mitscherlich, würden nach Kriegsende im Treppenhaus hängen, neben den marmornen Totenlisten von 1813 und 1864/1871.2069 Im SS. 1916, als sich die Hörerreihen mit den nur noch „garnisonverwendungsfähigen“ Verwun­ deten und mit Studentinnen wieder auffüllten, standen ihnen nur 43 von 68 Ordinarien zur Ver­ fügung, sogar nur 23 von 63 Privatdozenten. Von den 1.300 eingeschriebenen Studenten des SS. 1915 befanden sich 839 im Kriegsdienst, eine Zahl, die sich zum Ende des WS. 1915/16 auf 893 erhöht hatte.2070 Ein Drittel der Erstsemester waren im WS. 1915/16 und im SS. 1916 Frauen. Die Fakultäten betraf die Abwesenheit von Dozenten und Studenten in recht unterschiedlicher Weise. Bei den Juristen entfielen bis 1917 ein Drittel der angekündigten Veranstaltungen. Bei den Medizinern bis 1916 etwa die Hälfte, während es den Theologen, wo 1914 alle Ordinarien zu alt für den Wehrdienst waren, lediglich an Studenten mangelte, doch solange, mit Einschluß des Lehrers, die Bedingung: tres faciunt collegium erfüllt war, wurde unterrichtet. Dank eines ähnlich günstigen Altersdurchschnitts der Do­ zenten hätten 2/3 der Veranstaltungen in der Philosophischen Fakultät stattfinden können, doch teil­ weise fehlte es an Räumlichkeiten, da die Seminare, deren Bibliotheken und Sammlungen infolge der militärischen Belegung des Hauptgebäudes bis 1916 unzugänglich blieben, teilweise mußten Prak­

2068 2069 2070

KHZ Nr. 210, 5. 5. 1916; v. Gierke 1916a KW 8, 1915/16, S. 152, Ausgabe v. 25. 11. 1915. Chronik AUK 1914/15 und 1915/16.

Berufungspolitik, Forschung, Lehre und Studium unter Kriegsbedingungen

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tika und der Versuchsbetrieb an den naturwissenschaftlichen Instituten ausfallen, da die Assistenten und der größte Teil des nichtwissenschaftlichen Hilfspersonals, Diener, Gärtner und Laboranten, „im Felde“ stand. Fast alle Bibliothekare und Beamten der mittleren wie unteren Dienste mußte auch die Universitätsbibliothek an die Armee abgeben. Im Unterschied zu vielen Instituten und Kliniken litt ihre Funktionstüchtigkeit aber darunter nicht.

6.1.

Die Theologische Fakultät

Abgesehen von dem Privatdozenten August Pott, der als Feldprediger im August 1914 zur Verteidi­ gung Ostpreußens auszog, und dem in diesen Kämpfen gefallenen Hebräisch­Lektor Edwin Albert,2071 beeinträchtigte der Kriegsausbruch den Personalstand dieser Fakultät nicht. Und auch während der Kriegszeit änderte sich die personelle Zusammensetzung des Lehrkörpers vergleichsweise geringfügig. Der Systematiker Dorner, neben Uckeley zwischen 1914 und 1916 noch die vernehmlichste Stimme unter den Kriegspublizisten, schied Ende des WS. 1915/16 aus, und der Neutestamentler Hoffmann erhielt einen Ruf nach Wien. Während Dorners Lehrstuhl für systematische Theologie wegfiel, trat der Hallenser Neutestamentler Johannes Behm zum SS. 1916 Hoffmanns Nachfolge an, war jedoch als Leutnant in einem an den Brennpunkten von Ost­ und Westfront fechtenden bayerischen Infante­ rieregiment bis zum WS. 1918/19 „unabkömmlich“.2072 Eine faktische Verstärkung erfolgte somit nur durch den 1918 zum Honorarprofessor für Hymnologie ernannten neuen ostpreußischen General­ superintendenten Paul Gennrich.2073 Politische Schlagzeilen in schöner Regelmäßigkeit verdankte die Fakultät ihrem enfant terrible Friedrich Lezius, der ab Frühjahr 1916 ein Fall für die preußische Justiz wurde. Der Kirchenhistoriker, der sein Lehramt über das politische Engagement weitgehend vernachlässigte, hatte einen seiner zahl­ losen Ausfälle gegen den „entarteten Hohenzoller“ Wilhelm II. auch dem gleichgesinnten alldeutschen Verleger Julius F. Lehmann in München schriftlich mitgeteilt. Dort wurde der Brief beschlagnahmt, und Lezius sah sich in ein langwieriges Verfahren wegen Majestätsbeleidigung verwickelt, das im De­ zember 1917 mit einer milden Verurteilung zu zwei Monaten Festungshaft abschloß, gegen die er aber Revision einlegte. Ohne daß darüber noch entschieden werden mußte, fand das Verfahren, nach dem Sturz der beleidigten Majestät, im November 1918 mit einer Amnestie für politische Strafverfahren sein Ende.2074 Als Privatdozent gehört Albert der Fakultät seit 1911 an. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI, unpag.; Entpflichtungsgesuch Dorners v. 25. 8. 1915 und Fakultätsliste zur Nf. Hoffmann v. 24. 1. 1916: primo loco a. Behm und b. Otto Schmitz (1883 Hummulten­ berg/Kr. Lennep–1957 Wuppertal, Habil. FWU 1910, 1912–1915 Direktor Ev. Predigerschule Basel, 1915/16 beauftr. Dozent Kiel, SS. 1916–1934 oö. Prof. f. Neutestamentl. Theol. u. Exegese Münster), secundo loco a. Hermann Strathmann (1882 Opherdicke/Kr. Hoerde–1966 Erlangen, Habil. Bonn 1910, b. ao. Prof. Münster 1915, Heidelberg 1915/16, oö. Prof. Rostock 1916, Erlangen 1918–1948) und b. der Königsberger PD Pott, über dessen jüngste Schrift ‚Das Hoffen im Neuen Testament in seiner Beziehung zum Glauben‘ das Urteil der Fachwelt freilich „geteilt“ ausfalle – eine subtile Art, dem Ministerium zu signalisieren, daß man nicht an eine Hausberufung denke. 2073 Ebd., Antrag der Fakultät v. 6. 5. 1918. – Gennrich, der bis 1903 Friedrich Naumanns Nationalsozialem Ver­ ein nahe stand und dessen politische Hauptsorge bis 1914 dem „Anwachsen der Sozialdemokratie“ galt (Wolfes 1999, Sp. 611–613), hatte sich in seiner Antrittspredigt im Oktober 1917 beinahe kleinmütig über seine seel­ sorgerischen Perspektiven geäußert, daß er im Kern zufrieden sein wolle, wenn es „nach dem Kriege“ gelinge, wenigstens einige Kriegsheimkehrer, die „draußen angerührt“ worden seien durch eine religiöse Empfindung, für den kirchlichen „Neubau des Lebens“ zu gewinnen (Gennrich 1917 a, S. 6 f.). 2074 Das Verfahren, mit Anklageerhebung im Februar 1917 öffentlich bekannt, schlug erhebliche Wellen. Nach­ dem das OLG Königsberg im Mai 1917 das Hauptverfahren eröffnet hatte, ließ es sich der Vorwärts nicht ent­ 2071

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Lezius war ein Störenfried in der Fakultät, aber seine Eskapaden vermochten die Harmonie im Schatten des Krieges nicht zu trüben. Wie die gemeinsame Feier von Universität und KglDG zum Luther­Jubiläum am Reichsgründungstag 1917 bewies. Der Systematiker Schulze sprach über: „Die evangelische Reformation Luthers“. Was habe Luther vorgefunden? Die Veräußerlichung der Religion. Worin bestand seine Tat? In der Wiedererweckung des Sinns für die Selbsthingabe des persönlichen Willens, Rechtfertigung allein durch den Glauben, „Gewißheit der persönlichen Gotteszugehörig­ keit“, allgemeines Priestertum, Geist der persönlichen Selbständigkeit. Das sei die neue Zeit, die die Freiheit des Individuums gebracht habe. Ähnlich dozierte Schulze im Mai 1917 auf einer weiteren Luther­Feier im Oberpräsidium vor Spitzenbeamten und Militärs der Provinz. Die Reformation be­ deute den Beginn der Neuzeit. Frei von mittelalterlichen Schlacken sei Luthers Lehre, die die Religion in die Gesinnung verlege und damit das Individuum verselbständige. Ein Brückenschlag zu Königs­ bergs Meisterdenker bot sich an: Kant sei der Philosoph der Reformation und des Protestantismus. Luther und Kant seien die Schrittmacher für den Kulturfortschritt der Neuzeit. Oberpräsident v. Berg führte die Kette der großen Männer von Luther über Kant in seiner anschließenden Ansprache dann mühelos zu Bismarck und Hindenburg fort: an diese Männer denken, gebe dem Deutschsein seinen Inhalt: „furchtlos und treu“. Der Hymnologe Gennrich nahm Monate später, am eigentlichen Refor­ mationstag, diese Deutung Luthers als des Stifters der deutschen Nationalreligion wieder auf und ver­ stieg sich überdies zu einer kühnen Aktualisierung der Passionsgeschichte: Ostpreußen, „das feste Boll­ werk des Evangeliums und Deutschtums“, habe die russische Invasion ertragen „in stellvertretendem Leiden für das Ganze des Vaterlandes“.2075 Mit dem „deutschen Gott“ wollte Gennrich es jedoch nicht auf die völkische Spitze treiben. Die in solcher Rhetorik angelegte Volksvergottung wehrte er aus­ drücklich ab. Es sei nicht in Luthers Sinn, Gott für ein Volk ausschließlich in Anspruch zu nehmen, „oder es als das auserwählte Gottesvolk zu betrachten“.2076 Dies überlasse er gern den Angelsachsen, die vorgäben, „die Gottesherrschaft auf Erden“ errichten zu wollen, tatsächlich aber „die Völker der Welt“ unter ihre „Botmäßigkeit zwingen“ wollten. Ihr mit „heuchlerischen frommen Phrasen“ unterlegter, Frauen und Kinder aushungernder Krieg gegen Deutschland werde aber tatsächlich geführt, um das Reich „des Götzen Mammon“ auszuweiten zu „schrankenloser Herrschaft“ und „die Ausbeutung aller Kräfte in seinem Dienst“ zu forcieren, die nirgends „rücksichtsloser“ und „ohne auch nur eine Spur von sozialer Gesinnung und Fürsorge für die wirtschaftlich Schwachen“ ins Werk gesetzt werde als bei Briten und US­Amerikanern, die um den Titel des „auserwählten Volkes“ konkurrierten.2077 gehen, Lezius als den „Wortführer der annexionistischen Bewegung in Königsberg“ anzugreifen (Ausgabe v. 23. 6. 1917), und die Vossische (Nr. 316, 23. 6. 1917) wußte über die Suspension vom Lehramt zu berichten, wäh­ rend die Kreuzzeitung am 7. 7. darauf hinwies, daß für Lezius, das Vorstandsmitglied des Kirchlich­sozialen Kon­ gresses, schon Hilfstruppen mobil gemacht würden, vor allem der Kongreß­Vorsitzende Reinhart Mumm für ihn kämpfen werde. Mumm hat sich in der Tat am 3. 7. 1917 bei Kultusminister Trott für ihn verwendet: Lezius habe die Eigenart, Auffassungen mit Schärfe zu vertreten, habe sich in „Geheimdenkschriften“ auch für die Gewin­ nung Westrußlands eingesetzt, was man aus dem biographischen Hintergrund verstehen müsse. Sein Großvater sei Universitätsprofessor in Dorpat gewesen, er selbst kämpfe seit langem für die Eindeutschung des Baltikums, und die Verbannung seines Bruders (kurz nach Kriegsausbruch 1914) werde „das Feuer genährt“ haben. Lezius sei ein einsamer Mann, herb, und fraglos ein Kämpfer gegen die Reichsregierung, aber mit einer Suspension vom Dienst sollte das nicht bestraft werden (GStA …, Nr. 18, Bd. VI, unpag.). 2075 Gennrich 1917b, S. 10. Bemerkenswert, daß weder Gennrich noch Schulze (1917 + 1918) oder Benrath (1917b) den „germanischen“ Luther zelebrierten, wie gleichzeitig in Berlin Reinhold Seeberg, vgl. Maron 1983, S. 324 f. 2076 Gennrich 1917b, S. 11. 2077 Ebd., S. 14. – Auf den Geologen Bergeat machte es wenig Eindruck, wie seine theologischen Kollegen das Reformationsjubliäum begingen. Insgesamt könne er nur urteilen, daß sie der Bedeutung der Albertina sowie des Preußenlandes für die Reformationsgeschichte nicht gerecht geworden seien. Es fehle dafür in Königsberg „an kraftvollen und mitreißenden Leuten“ (Schreiben an N. N. v. 29. 10. 1917, in: SBB, Nl. 370, Kasten 13).

Berufungspolitik, Forschung, Lehre und Studium unter Kriegsbedingungen

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Bis zuletzt als „Kriegstheologe“ aktiv war der als „untauglich“ ausgemusterte Homiletiker Alfred Uckeley. Er hatte 1916 seine teilweise in der KAZ publizierten Betrachtungen über die geistig­seelische Bereicherung der Religiosität durch kriegerisches „Erleben“ in einem Büchlein unter dem Titel ‚Wie sie Gott im Kriege fanden‘ versammelt, 1917 unter dieser Prämisse den ‚Sinn des Lebens‘ für die Reihe „Schützengraber­Bücher“ gedeutet, sowie in der Etappe der Ostfront an theologischen Lehrgängen teilgenommen, in denen er Feldprediger und eingezogene Theologiestudenten über „Evangelium und Kriegsfrömmigkeit“ dahingehend instruierte, sie sollten mithelfen, ihre Kameraden von der Fixierung auf den „Wunsch, nur am Leben zu bleiben“ zu lösen und stattdessen ihre Opferbereitschaft im Sinne von „Dein Wille geschehe“ zu stimulieren.2078

6.2.

Die Juristische Fakultät

Anders als die Theologen, die einer älteren Generation angehörten, waren die Juristen überwiegend im wehrfähigen Alter. Das kleine Kollegium dieser Fakultät lief daher im August 1914 rasch auseinander. Erich Kaufmann eilte zu seinem Regiment und kam im Sommer 1916 an der Westfront so schwer zu Schaden, daß er bis zu seiner Wegberufung nach Berlin 1917 nicht mehr auf sein Königsberger Katheder zurückkehrte.2079 Der staatsrechtliche Kollege Max Fleischmann blieb zwar bis 1916 als Mili­ tärrichter in Königsberg, sah sich als Dozent aber zeitlich stark eingeschränkt. Der Strafrechtler Dohna rückte sofort aus, sein jüngerer Fachgenosse Radbruch las noch bis zum SS. 1915, erhielt dann die Ein­ berufung und stand bis 1918 im Schützengraben.2080 Dohna war seit 1916 in der Militärverwaltung Litauen Süd tätig, wo er Anfang 1918 die Leitung des Justizdezernats übernahm, bis er nach Dorpat wechselte, um beim Wiederaufbau der deutschen Universität zu helfen.2081 Strafrechtliche Vorlesungen fielen damit weitgehend aus, solange bis sich 1916 der für den Kriegsdienst untaugliche Wilhelm Sauer habilitieren konnte,2082 der bis zum November 1918 der einzige Fachvertreter blieb. Auch fünf Zivilrechtler, Manigk, von Gierke, Knoke, Müller­Erzbach und Litten holte das Militär oder der Laza­ rettdienst – wenn auch zumeist für nur kurze Zeit.2083 Knoke schied 1916 überhaupt aus der Fakultät aus, weil er sich als Prinzenerzieher in heimatlich­braunschweigische Dienste begab. Da sein Lehrstuhl als „künftig wegfallend“ ausgewiesen war, pochte die Fakultät vergeblich auf einen Nachfolger.2084 Uckeley 1916a, 1917 und 1918. Über den Theol. Lehrgang an der Ostfront berichtet Füllkrug 1918b, der auch mehrere in Ost und West gehaltene Referate 1918a noch zu einem Sammelband zusammenfaßte. 2079 Kaufmanns Wegberufung erfolgte zum SS. 1917. 2080 Dazu Radbruch 1991, Briefe I, S. 218–286. 2081 Nur im SS. 1916, zwischen Rückkehr von der Front und Einsatz in Ober Ost, stand Dohna der Fakultät wieder zur Verfügung. 2082 Siehe unten. 2083 Brackmann berichtete dem Bonner Kirchenrechtler Ulrich Stutz, daß v. Gierke, Knoke, Müller­Erzbach und Radbruch im Lazarettdienst Verwendung gefunden hätten, Brief vom 12. 2. 1915 (UA Zürich, Nl. Stutz). 2084 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VII, Bl. 43–45 1915; JurFak – PrMK v. 21. 10. 1915, Vorschläge Extraord. Röm. Recht, Nf. Knoke: Hans Walsmann, 1877 Rostock–1939 ebd., Prom. Rostock 1900: Compen­ satio lucri cum damno; Habil. Göttingen 1905: Die streitgenössische Nebenintervention, 1908–1910 Lehrstuhl­ vertretung Greifswald, WS. 1910/11 b. ao., WS. 1916/17 oö. Prof. f. Römisches, Bürgerliches u. Zivilprozeßrecht Rostock, vornehmlich Prozessualist, 1932 Neubearbeiter der 12. Aufl. von Seufferts ZPO­Kommentar; W. befand sich seit 1914 als Infanterieoffizier an der Front; politisch hätte er als Nationalliberaler (ab 1919: DVP) gut in die Königsberger Fakultät gepaßt (s. Kurzbiographie bei Buddrus/Fritzlar 2007, S. 424 f.). – 2a. Gerhard (1917: von) Beseler, 1878 Berlin–1947 Oberaudorf/Bayern, 1904/06 Prom. u. Habil. f. Röm. u. Bürg. Recht Kiel, 1911 Tit., 1915 Hon. Prof. ebd., Schwerpunkt: Interpolationenforschung, „Scheu vor der großen Synthese“ und „über­ steigerter Purismus bei der Ermittlung der klassischen Textüberlieferung“, politisch: „rechter Flügel der DVP“ (so SHBL VIII, S. 40 f.). – 2b. Peter Klein (AUK, s. Catalogus). – 3. Max Ludwig Müller (Habil. Tübingen 1912). 2078

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Hauptmann Litten ging mit seinem Truppenteil an die Ostfront, wo der über 40jährige bis 1918 auch im vordersten Graben eingesetzt war, seit Herbst 1917 aber im Stabsdienst in der Etappe Wilna nach Zeit fand, rechtswissenschaftliche Vorträge vor Heeresangehörigen zu halten.2085 Manigks und Julius von Gierkes offenbar in der Heimat abgeleisteter Militär­ und Lazarettdienst dürfte sich höchstens auf die beiden Wintersemester 1914/15 und 1915/16 erstreckt haben, denn beide lasen im SS. 1915, und v. Gierke übernahm im SS. 1916 das Prorektorat. Zur gleichen Zeit schloß er den zweiten Band seiner kompendiösen ‚Geschichte des deutschen Deichrechts‘ in der Hoffnung ab, daß der „deutsche Weltfriede“, also der „Siegfriede“, der weiteren Erforschung des deutschen Rechts zu Gute kommen möge.2086 Auch der Handelsrechtler Müller­Erzbach blieb vom Fronteinsatz verschont, mußte 1916 nur einige Wochen zu einem Insterburger Ersatztruppenteil einrücken, um dort als Erntehelfer zu „dienen“.2087 So hatte er sehr viel Muße, seine Darstellung des preußischen Bergrechts bis in feinste Verästelungen hinein zu perfektionieren und 1917 zu veröffentlichen.2088 Kein gänzlich entrückter Zeitvertreib, da der Verfasser meinte, es habe der Bergbau, offenbar als Muster für die an der Heimat­ front anzustrebende innere Einheit, schon in seiner vorindustriellen Arbeitsorganisation gemeinschaft­ stiftend und –fördernd gewirkt und dann die im 19. Jahrhundert wachsenden Arbeitsheere wenig­ stens auf diesem Sektor in „straffe Zucht“ genommen, zu „treuer Kameradschaft“ und „militärischer Tüchtigkeit“ erzogen, und – wie im August 1914, liest man heute unwillkürlich mit – „das kastenartig gegliederte und zersplitterte Volk zusammengeschlossen“.2089 Vier Jahre unbehelligt konnte auch Peter Klein, der Romanist und Fachmann für Internationales Privatrecht, seinen Lehrverpflichtungen nachkommen.2090 Trotzdem litt der juristische Unterricht. Ein Spiegel dieses eingeschränkten Lehrbetriebs sind die Promotionsverfahren. Zwischen 1915 und 1918 wurden nur sieben Dissertationen eingereicht, da­ runter zwei von Juristen, die der militärische Dienst nach Königsberg verschlagen hatte, dazu eine von Fleischmann angenommene Studie über Invalidenversicherung, die der Königsberger Magistratsrat Julius Boecker, Jahrgang 1872, anhand der eigenen Berufserfahrung erstellt hatte. Dazu kamen drei von Manigk angeregte Arbeiten, die eine über Baugläubigerschutz, verfaßt von seinem Schüler Martin Fischer 1916, nach schwerer Verwundung in den ostpreußischen Grenzkämpfen und Abordnung in den Königsberger Garnisonsdienst, die andere über Manigks Domäne, die „Willenserklärung“, sowie

Ebd., Bl. 46, PrMK v. 13. 12. 1915, macht auf k.w.­Vermerk aufmerksam. Bl. 50 f., Antwort JurFak v. 27. 12. 1915: Antrag, k.w.­Vermerk aufzuheben, da Lehrstuhl unabweisbares Bedürfnis befriedigt. Knoke sei seit 1902 stets ausgelastet gewesen, obwohl Klein ab SS. 1912 mit 12 Wochenstunden ebenfalls das Röm. und Bürgerl. Recht bedient habe. Bl. 54, PrMK – Kurator v. 21. 1. 1916: Berufung nicht möglich, Stelle sei bereits aufgehoben, viel­ leicht neu einzurichten im Etat 1917. Bl. 61, JurFak v. 16. 6. 1916, erneuter, aber vergeblicher Anlauf der Fakultät, „unabweislich nötige“ Stelle wieder besetzen zu lassen. Bl. 90, am 30. 11. 1917 erneutes Insistieren: da der Lehr­ stuhl „unentbehrlich“ sei, sollte der nächste Etat endlich die erforderlichen Mittel bereit stellen, oder Peter Klein müsse zum plm. Extraordinarius/pers. Ordinarius ernannt werden. Erhört wurde die Bitte der Fakultät erst von der republikanischen Kultusverwaltung: Zum WS. 1919/20 erhielt Klein ein Extraordinariat für Röm. Recht, ebd., Bl. 167; Vorschlagsliste JurFak v. 26. 5. 1919: 1. Klein (s. Catalogus). 2085 Zu Litten in Wilna, siehe oben, S. 431. 2086 v. Gierke 1917, S. IX, Vorwort vom November 1916. 2087 Nunn 1998, S. 96 –99. 2088 Müller­Erzbach 1917; das Werk ist seinem Bonner Lehrer Konrad Cosack gewidmet. 2089 Ebd., S. 1. 2090 GStA, Rep. 7Va, Sek. 11, Tit. VII, Nr. 1, Bd. XIX, unpag. Darin die hs. Listen über die während des Krieges zustandegekommenen und die ausgefallenen Veranstaltungen. Klein und Müller­Erzbach sind darin die einzigen Juristen, die bis 1918 kontinuierlich mindest eine Übung anboten und mit jeweils etwa 10 Teilnehmern auch zu Ende brachten.

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eine bereits 1910 konzipierte Arbeit zum Hypothekenrecht.2091 Auch von Gierke betreute nur zwei zivilrechtliche Dissertationen2092. Dohna begegnete seinem einzigen Doktoranden praktischer Weise an seinem Einsatzort in Litauen, wo der Verfasser als Presseoffizier bei einer Kownoer Zeitung tätig war, und wo er fern üblicher Hilfsmittel eine Doktorarbeit über die Grenzen zivilrechtlicher Präklusion im Strafverfahren anfertigte.2093 Im Vergleich mit den Promotionen fällt die seit Jahrzehnten unbefriedigende Bilanz der Habi­ litationen ausgerechnet unter schwierigen Kriegsbedingungen überraschend positiv aus. Im Herbst 1916 erhielt der rechts­ und kulturphilosophisch ambitionierte Wilhelm Sauer die venia für Straf­ und Strafprozeßrecht aufgrund einer um soziologische Ableitungen bemühten Untersuchung über ‚Die Ehre und ihre Verletzung‘. Sauer, Sprößling der bekannten Orgelbauerdynastie aus Frankfurt/Oder, hatte sich mit 37 Jahren entschlossen, die richterliche Laufbahn zu verlassen und steuerte die Alber­ tina aufgrund seiner guten Beziehungen zu dem Ordinarius Dohna an, die aus gemeinsamer Liszt­ Schülerschaft herrührten.2094 Ein Jahr nach Sauer durchlief der von Dohna 1914 strafrechtlich promo­ vierte Georg Schüler das Habilitationsverfahren und erhielt die venia für Zivilprozeßrecht mit einem schmalen Beitrag zur Klagrechtslehre: ‚Der Urteilsanspruch‘.2095 Beide Privatdozenten, auch dies im Unterschied zu ihren nestflüchtigen Vorgängern, blieben der Fakultät treu. Schüler als Extraordinarius bis 1945, ohne bis dahin jemals publizistisch aufzufallen. Den hingegen manisch produktiven Jungge­

Martin Fischer war der einzige Königsberger unter den Doktoranden, Sohn eines Gymnasialprof. am KneipG, der 1912 aus dem Justizdienst ausgeschieden war, um seinen Lebensweg in Deutsch­Südwest fortzusetzen, bis eine Tropenkrankheit ihn 1913 zur Rückkehr in die Heimat zwang, wo er bis Kriegsbeginn als Geschäftsführer einer Berliner GmbH arbeitete. 1917: Beiträge zur Frage des gesetzlichen Schutzes der Baugläubiger. Geb. 1887 Königs­ berg, im August 1914 im Füs. Reg. 33 als Reserveoffizier an Kämpfen um Ostpreußen teilgenommen, am 24. 8. bei Grenzgefechten schwer verwundet, fünf Monate im Lazarett, Teilnahme an Winterschlacht um Masuren, seit April 1916 Oblt. im Stellv. GKdo AK I in Königsberg. – 1918: Max Krull, Die widerrechtliche Bestimmung durch Drohung in Konkurrenz mit anderen Mängeln einer Willenserklärung (Rigorosum schon am 19. 11. 1914); 1891 Dirschau, StE 5. 8. 1914, Heeresdienst ab 10. 8. 1914. – 1917: Joseph Wisniewski, Die Haftung des persönlichen Schuldners für den Hypothekenausfall; 1886 Folgowo/Kr. Thorn, kath., infolge schwerer Augenerkrankung erst im WS. 1907/8 AUK, philos., dann jur. Stud., 1911 Ref. Ex., Juni 1916 Assess., Rig. 26. 7. 1916; Vf. war wegen seines Augenleidens militärisch untauglich. 2092 Bänder kam als nur garnisondienstfähiger Landsturmmann in die Festung Königsberg, war dort 1915 im Bürodienst des Gouvernementsgerichts tätig. Leweck reichte die Diss. 1915 während der milit. Ausbildung beim Königsberger FAR Nr. 8 ein: F. Bänder, Haftung der Emissionshäuser; 1886 Kassel, Rigorosum 1. 10. 1915. – Victor Leweck, Das Kündigungsrecht aus § 570 BGB (Beamtenkündigungsrecht) 1917; 1892 Dierdorf/Wester­ wald, Rig. 27. 2. 1915. 2093 Der preußische Litauer David Saunas, Abitur 1911 am HG Tilsit, ging als Kriegsfreiwilliger im August 1914 an die Front, konnte 1915 aber sein Referendarexamen ablegen und kam im Herbst 1916, wohl wegen seiner Sprachkenntnisse, zur Militärverwaltung Ober Ost, um die litauische Zeitung Dabartis, ein für die Bevölkerung in Ober Ost gegründetes prodeutsches Blatt, zu gestalten und zu beaufsichtigen. 2094 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, Bl. 185–187; Habilverfahren Sauer, Meldung JurFak – PrMK v. 3. 11. 1916. Sauer war seit 1907 an Amts­ und Landgerichten in Angermünde, Berlin, Frankfurt/O. tätig, im­ mer wieder unterbrochen zu Studienurlauben. In Halle promovierte er 1908, an Liszts Berliner Seminar nahm er regelmäßig bis 1909 teil, 1913 ließ er sich beurlauben, um bei Rudolf Stammler in Halle rechtsphilosophische Übungen zu besuchen. Im März 1915 entschloß er sich, den Justizdienst zu verlassen. Einer akademischen Karriere stand das Militär nicht im Wege, denn der Leutnant der Reserve in einem Regiment der Feldartillerie (1906) war 1911 wegen „chronischen Gelenkrheumatismus“ ausgemustert worden. Vgl. zur vita auch Sauers Autobiographie, 1958, S. 43–76, 107 f.. 2095 GStA …, Bd. I, Bl. 189–193; Habilverfahren Schüler, Meldung JurFak – PrMK v. 18. 10. 1917 sowie Antrag JurFak v. 9. 5. 1922 auf Verleihung eines Lehrauftrages für Freiwillige Gerichtsbarkeit und privatrechtliche Neben­ gesetze. 2091

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sellen Sauer lockte nichts von Königsberg fort,2096 bis er 1935 gehen mußte, aufgrund einer politisch motivierten Zwangsversetzung nach Münster.2097 Eine gewisse Belebung erfuhr die Fakultät durch die Berufung des Staatsrechtlers Kurt Wolzen­ dorff, der, bei der einzigen Personalveränderung in vier Kriegsjahren, zum SS. 1917 Fleischmanns Extraordinariat erhielt, nachdem dieser auf Kaufmanns Ordinariat gerückt war.2098 Wolzendorff, zunächst in Heidelberg stark von Georg Jellinek beeinflußt, dann ein Marburger Schüler Walther Schückings, militärisch untauglich, zu Depressionen und Selbstmitleid neigend, mit dem links­ liberalen Lager der Verständigungsfreunde sympathisierend, richtete seinen publizistischen Eifer vor allem auf die Erörterungen innenpolitischer Reformvorschläge, und über die Frankfurter Zeitung wußte er sich Gehör zu verschaffen. Sein völkerrechtlicher Nachfolger Herbert Kraus charakterisierte Wolzendorff als den treuesten Schüler Schückings, dem er „in größter Anhänglichkeit eng verbunden geblieben“ sei, persönlich wie weltanschaulich­politisch „durch den sittlich betonten naturrechtlichen Zug seiner wissenschaftlichen Grundeinstellung“, weiterhin durch die „liberale Staatsauffassung“ und den Glauben an die „Notwendigkeit der Erweiterung des Rechtsgedankens über die Welt“.2099 Nach Königsberg mitgebracht hatte Wolzendorff seine jüngste Publikation ‚Vom deutschen Staat und seinem Recht‘, die ihn, wie erwähnt, dem Lager der Verteidiger des verfassungsrechtlichen Status­quo der konstitutionellen Monarchie zuordnete.2100

6.3.

Die Medizinische Fakultät

Ein Großteil medizinischer Dozenten fand im August 1914 sofort beim Militär Verwendung, nicht wenige als Ärzte in Königsberger Lazaretten. Der chirurgische Ordinarius Paul Friedrich, sein Assistent Hans Boit sowie die Privatdozenten Alfred Linck und Theodor Cohn standen bereits am 20. August 1914 in den Feldlazaretten am Rande des Schlachtfeldes von Gumbinnen und versorgten die Opfer dieses ersten größeren, extrem blutigen Zusammenstoßes deutscher und russischer Regimenter.2101 Noch im SS. 1915 waren der Chirurg Friedrich, der Internist Alfred Schittenhelm sowie Otto Weiß, der designierte Lehrstuhlnachfolger des Physiologen Hofmann, bei der Truppe. Mit ihnen achtzehn Extraordinarien und Privatdozenten.2102 Ungeachtet der Kriegsereignisse nahm an der Medizinischen Fakultät gleichwohl das in Friedens­ zeiten so überaus quirlige Berufungsgeschäft seinen Fortgang. Anfang Oktober 1914 lag die Liste für Vgl. Sauer 1958, S. 107 f. Dazu ausführlich Bd. II. 2098 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VII; JurFak – PrMK v. 17. 1. 1917, Liste Nf. Kaufmann, primo et unico loco Max Fleischmann, wobei das Verdienst bei der Verteidigung der deutschen Rechtsauffassung im „Lusitania“­Fall besonders gewürdigt wurde. – Ebd., Bl. 83 ff.; Liste Nf. Fleischmann v. 9. 2. 1917: 1. K. Wolzen­ dorff (s. Catalogus). – 2. Ottomar Bühler, 1884 Zürich–1965 München, Habil. Breslau 1913, b. ao. Prof. Münster 1921, oö. Prof. Halle 1922 (Nf. Wolzendorff ), 1924 Münster, 1942–1952 Köln; Wirtschafts­ und Steuerrechtler. – 3. Otto Koellreutter, 1883 Freiburg–1972 ebd., Habil. ebd. 1912: Verwaltungsrecht und Verwaltungsrecht­ sprechung im modernen England, ao. Prof. ebd. 1918, oö. Prof. Halle 1920, Jena 1921, München 1933–1949, NSDAP seit 1930, Staats­ und Verwaltungsrechtler. 2099 Kraus 1921, S. 278 f. 2100 Siehe oben Abschnitt 4. 2101 Dazu die Schlachtbeschreibung Friedrichs in einem Brief an seine Frau, Tilitzki 2008. 2102 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. VII, Nr. 1, Bd. XIX, unpag.; im SS. 1915 waren im Militärdienst: Fried­ rich, Schittenhelm, Kirschner, Weiß, Gerber, Rudolf und Theodor Cohn, Rosinski, Ehrhardt, Stieda, Streit, Stein, Borchardt, Linck, Kirschner, Telemann, Scholz, Unterberger, Boit, Henke, Proell; der Neurologe Kurt Goldstein galt als beurlaubt, war aber definitiv an die neueröffnete Universität Frankfurt gewechselt, wo er 1915 ein Lazarett für hirnverwundete Soldaten einrichtete. 2096

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Berufungspolitik, Forschung, Lehre und Studium unter Kriegsbedingungen

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den Nachfolger des nach Halle berufenen Augenheilkundlers Franz Schieck in Berlin zur Entschei­ dung vor. Vier Wochen später war die Vereinbarung mit Arthur Birch­Hirschfeld getroffen, der sich Ende November 1914 von Leipzig aus nach Königsberg begab, nachdem das einzige kleine Hindernis, der Sprung vom sächsischen in den preußischen Sanitätsdienst, aus dem Weg geräumt worden war.2103 Nachdem sein Assistent Riesser den nach Frankfurt gewechselten Pharmakologen Ellinger im WS. 1914/15 vertreten hatte, traf zum SS. 1915 der Freiburger Privatdozent Hermann Fühner ein, um den Lehrstuhl zu übernehmen.2104 Als Toxikologe und stark an praktischer, auch militärischer Ver­ wertung interessierter experimenteller Pharmakologe ließ sich Fühner bald in Kampfgasforschungen einspannen.2105 Im dritten Kriegsjahr standen nicht weniger als fünf Berufungen an: der Chirurg Paul Friedrich, Teilnehmer an der Schlachten von Gumbinnen und Tannenberg, war als Opfer seines militärischen Einsatzeifers im Januar 1916 einer Krankheit erlegen. Der Physiologe Franz Hofmann nahm einen Ruf nach Marburg an, Alfred Schittenhelm ging zum SS. 1916 nach Kiel, der Anatom Gaupp vertauschte GStA …, Nr. 20, Bd. XII, Bl. 286–287; Med. Fak. – PrMK v. 9. 10. 1914, Liste Nf. Schlieck: 1a. Alfred Bielschowsky (stand schon 1912 sec. loco auf der Liste Nf. Krückmann, s. d.). – 1b. Wolfgang Stock, 1874 Bön­ nigheim/Württ.–1956 Tübingen, Prom. 1897 Tübingen, Habil. f. Augenheilkunde 1902 Freiburg, 1907 ao. Prof., oö. Prof. Jena 1910 (Zusammenarbeit mit Zeiss­Werken, einer der Begründer der Jenaer Optiker­Schule), 1921– 1952 Tübingen, publizierte wenig, von der Königsberger Fakultät als Operateur und Organisator gewürdigt, 1907: Tuberkulose als Aetiologie bei chronischen Entzündungen des Auges und seiner Adnexe, dafür 1910 mit dem v. Graefe­Preis ausgezeichnet (R. Franz 1981, S. 184–187). – 2. Birch­Hirschfeld (s. Catalogus). – 3. Arthur Brück­ ner (1877, s. Catalogus), 1906 Habil. Würzburg, 1907 umhabil. AUK, 1912 umhabil FWU. – 4. Aurel v. Szily, 1880 Budapest–1945 ebd., Habil. Freiburg 1910, ao. Prof. ebd. 1913, 1924–1936 oö. Prof. f. Augenheilkunde Münster, wg. jüd. Herkunft zwangsemeritiert; Hauptwerke: Die Anaphylaxie in der Augenheilkunde (1914), Atlas der Kriegsaugenheilkunde (1916), Studien zur Entwicklungsgeschichte des Wirbeltierauges, Pathogenese der sym­ pathischen Ophthalmie; Engelking 1946. – Ebd., Bl. 289 Berufungsvereinbarung v. 5. 11. 1914. Ebd., Bl. 296; Birch­Hirschfeld – PrMK v. 26. 11. 1914: Übernahme in preuß. Sanitätsdienst geklärt, Abreise am 30. 11., um die als Militärlazarett eingerichtete Universitäts­Augenklinik am 1. 12. 1914 zu übernehmen. 2104 Die drei Tage vor Kriegsausbruch erstellte Liste in GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 20, Bd. XII, Bl. 310 f., Nf. Ellinger: 1a. Edwin Stanton Faust, 1870 Baltimore–1928 Basel, Deutschamerikaner, 1893 phil. Prom. München, 1898 Dr. med. Straßburg, Schüler u. Assistent Schmiedebergs, 1900 ebd. Habil. f. Pharmakologie, 1906 Tit. Prof., 1907 oö. Prof. Würzburg, 1920 Wechsel in chem. Industrie, „Autorität auf dem Gebiet der tierischen Gifte“, befaßte sich mit der Wirkung des Morphins im tierischen Organismus und mit synth. Herzmitteln, entdeckte das Sepsin und die immunisatorische Wirkung der abiureten Gifte (BLÄF I, S. 389). – 1b. Wolfgang Heubner, stand bei Nf. Jaffé primo loco, s. o. Anm. 1355. – 2. H. Fühner, auch er schon bei der Nachfolge Jaffés genannt, s. Cata­ logus. – 3. Ernst Peter Pick, 1872 Jaromër /Böhmen, Prom. 1896 Prag, 1899–1911 Assist. Staatl. Seruminstitut Wien, 1911–1924 Exper.­pharmakol. Institut, unter dem an der Albertina promovierten Schmiedeberg­Schüler Hans Horst Meyer, 1904 Habil. f. angew. med. Chemie Wien, 1911 Tit. Prof., 1912 nb. ao. Prof., 1924 oö. Prof. (Nf. H. H. Meyer), Forschungen zur Immunitätslehre, Serologie, Chemie der Antigene, Herz­ u. Pharmakologie des Zentralnervensystems (Schlafmittel). – Ebd., Bl. 316–320; Vereinbarung v. 19. 3. und Bestallungsvorschlag Fühner v. 31. 3. 1915 zum 1. 4. 1915. Zu Riessers Vertretung das Schreiben des Kurators v. 27. 10. 1914 (ebd., Bl. 315). Riesser, der seit Königsberger Zeiten zur Physiologie und Pharmakologie des Muskels forschte, folgte zum SS. 1915 seinem Lehrer Ellinger nach Frankfurt, erhielt 1921 einen Ruf nach Greifswald, 1928 Breslau, 1933 Emigration, s. Catalogus. 2105 Ein Hinweis auf diese Forschungen findet sich in: BABL, R 49 01, Nr. 1906, Bl. 22; Fühner – PrMK v. 23. 6. 1916 wg. Vergrößerung des Tierstalles mit der Begründung, der Bedarf an Versuchstieren sei gestiegen, da z. Zt. „militärisch interessierende Versuche über die Giftigkeit gewisser Gase“ liefen. Dafür habe man aus Berlin zu höchsten Preisen weiße Mäuse gekauft. Daneben forsche er zur Schädlichkeit von Pilzsorten (wichtig für die Volksernährung). Zu Fühner NDB V, S. 687; Mani 1992; K. Karzel/M. Göthert, in: Philippu 2004, S. 137 f.; nach dem Urteil seines Bonner Lehrstuhlnachfolgers W. Schulemann (in: Mani 1992) einer der „Pioniere“ der Toxikologie. In der gründlichen Monographie zur dt. Kampfstofforschung von Peter Wollschläger 1990 sucht man Fühners Namen vergeblich. Vgl. a. Gradmann 1996. 2103

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zum WS. 1916/17 Königsberg mit Breslau, und für den Hygieniker Kißkalt stand die Berufung nach Kiel zum SS. 1917 im Herbst 1916 fest, so daß die Vorschlagsliste bereits im September fertig war. Den heftigsten Streit löste die Friedrich­Nachfolge aus. Demonstrativ berücksichtigte die Fakultät den amtierenden Chef der Chirurgischen Klinik nicht: den im Oktober 1915 von der Westfront zu­ rückgekehrten Martin Kirschner. Sie gab zwei älteren Ordinarien, Fritz König (Marburg) und Georg Perthes (Tübingen), den Vorzug.2106 Das Ministerium verfolgte indes eigene Pläne und betrieb die Be­ rufung des sich in Zürich zu fern dem ringenden Vaterlande fühlenden Ferdinand Sauerbruch. An den die Fakultät wiederum nie dachte. Für Kirschner trat der einstige Königsberger Klinikchef Erwin Payr ein, der seit 1911 in Leipzig „regierte“ und zu den ersten Autoritäten des Faches zählte. Zur Verbesse­ rung der Chancen Kirschners wäre dies aber kaum ausschlaggebend gewesen, wenn ihm in der Gestalt des ostpreußischen Oberpräsidenten und Universitätskurators von Batocki nicht noch ein mächtigerer Fürsprecher geholfen hätte. Denn Kirschners Ruf war in vielfacher Beziehung nicht der beste. Mit Payr war er von Greifswald nach Königsberg gekommen, der hatte ihn 1911 habilitiert. Statt mit ihm nach Leipzig zu ziehen, blieb Kirschner unter Friedrich in der Klinik, wo er 1913 zum Oberarzt aufstieg. Ungeachtet dieser Beförderung muß das Verhältnis zu Friedrich aufgrund des cholerisches Tempra­ ments Kirschners keineswegs harmonisch gewesen sein. Hinzu kamen „Anstößigkeiten“ im Privat­ leben des stets „korpsstudentisch“, „barsch und schroff“ wirkenden Chirurgen, der als „Stürmer und Dränger“ galt, wie ihn Batocki schilderte.2107 Der Oberpräsident mußte überdies Gerüchte um „weib­ liche Beziehungen“ einräumen, auch den einen oder anderen Besuch in „Tanzlokalen“, in die er „nicht hineingehörte“. Was vornehm ausgedrückt war, denn offensichtlich handelte es sich um den durch „rote Laternen“ markierten Typ „Nixenheim. Endlich allein“, gegen den der Dermatologe Scholtz als Königsberger Propagandist der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten seit Jahren agitierte, unterstützt vom Gynäkologen Winter, von dem nach Batockis Urteil der stärkste Widerstand gegen Kirschner als Person und Arzt ausging.2108 Unbestreitbar war zudem, daß Kirschner „Schneidigkeit“ nicht nur in der Damenwelt bewies. Er stehe, so Batocki, unter Fachkollegen leider im Ruf, „manchmal allzu bereit“ zu sein, „das Messer zu gebrauchen“. Aber, wie er versicherte, seit einigen Wochen gehörten zumindest die privaten Eskapaden der Vergangenheit an, da Kirschner in den Hafen der Ehe eingelaufen und der Schwiegersohn des Generallandschaftsdirektors Kapp gewor­ den sei. Ein gesellschaftlicher Aufstieg, der die Fakultät in ihrem Urteil freilich nicht schwankend werden ließ. Es gebe da nun einmal die ihn „behindernden persönlichen Erlebnisse“, die ihm in Stadt 2106 GStA …, Bd. XII, Bl. 370 f.; Med. Fak. – PrMK v. 1. 3. 1916, Liste Nf. Friedrich: 1a. Fritz König, war schon primo loco auf der Liste Nf. Lexer 1910, s. Anm. 1263. – 1b. G. Perthes, stand schon 1911 auf Liste Nf. Payr, s. o. Anm. 1268. – 2. Friedrich Pels Leudsen, 1866 Willich b. Krefeld–1944 Mehlem b. Bad Godesberg, 1891 Prom. Marburg, 1896–1899 Assist. in H. Brauns Chir. Klinik Göttingen, Habil. f. Chirurgie bei Franz König FWU 1900, 1904–1911 Ltr. Chir. Univ. Poliklinik Charité, oö. Prof. Greifswald 1911 (als Nf. Friedrich König, dem Sohn seines Lehrers), 1919/20 Rektor, 1934 em.; seine ‚Chirurgische Operationslehre‘ erreichte von 1910 bis 1925 vier Auflagen. Politisch nach 1918 für die DNVP im Provinziallandtag, im „Stahlhelm“ Greifswald von der Grün­ dung 1919 bis 1933, Vorsitzender des Deutschnationalen Volksvereins in Greifswald, Rektoratsrede 1919: Über den Wert der Arbeit für die Gesundheit und die Gesundung des menschlichen Körpers (LGH 2004, S. 178 f.). 2107 Zenker 1942, betonte in seinem Nachruf auf den an Magenkrebs verstorbenen Kirschner, ihn habe ein „dämo­ nischer Forscherdrang“ beherrscht. – Die jüngste Kirschner­Biographie, eine Tübinger medizinhistorische Disser­ tation von F. W. Hörmann (2000), geht auf die Königsberger Zeit kaum ein, konsultiert weder die Ministerialakten noch die Briefe Kirschners im Nl. Kapp. Interessant ist allerdings, was Hörmann über die Stellung Kirschners zum NS. und vice versa beibringt: Der seit 1933 in Heidelberg wirkende Chirurg sei nicht NSDAP­Mitglied gewesen, begegnete, obwohl Förderndes Mitglied der SS, der „nationalen Erhebung“ skeptisch. Deshalb, als es 1933 um eine Berufung nach Berlin ging, vom einstigen Königsberger Kollegen und nun im Rust­Ministerium die Weichen stellenden Baltisten Gerullis vernichtend beurteilt: Man denke nicht daran, diesen „‚Todfeind unserer Bewegung und Erzreaktionär herzuholen [nach Berlin]‘ “ (an Fehrle/Bad. KultM v. 21. 8. 1933; zit. von Hörmann, S. 196). 2108 Ebd., Bd. XIII, Bl. 19 f.; Batocki – PrMK (Trott) v. 6. 7. 1916. – Scholtz 1909, S. 14 f.

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und Provinz anhingen. Und damit passe er nicht in die große Tradition der Königsberger Chirurgie. Mit ihm an der Spitze der Klinik werde deren Vorherrschaft „im ganzen Osten gefährdet“, und das zu einem Zeitpunkt, wo ohnehin die Studenten genauso fehlten wie das russische Krankenmaterial und die Albertina insgesamt auf den Rang einer „mäßig bedeutenden Provinzuniversität“ abgerutscht sei. Der Wiederaufstieg, der sich aus dem zu erwartenden „territorialen Zuwachs im Osten“ ergeben müsse, werde durch Kirschner behindert, der fachlich nicht einmal mit den örtlichen Krankenhaus­ Chirurgen wie Oskar Ehrhardt und Alfred Stieda mithalte. Mit speziellen Kenntnissen in der Kriegs­ chirurgie, erworben als Chefarzt einer Rot­Kreuz­Hilfsexpedition im Balkankrieg (1913) sowie als beratender Chirurg in einem bayerischen Armeekorps an der Westfront (1914/15), mit seinem guten Ruf in der Extremitätenchirurgie und als Fachmann für die Verpflanzung von Körpergewebe, deckte Kirschner in den Augen der Fakultät auch ein zu kleines Segment seines Fachgebietes ab.2109 Derweil hatte das Ministerium, gegen Payrs entschiedenen Rat, Sauerbruch das Königsberger Ordinariat ange­ boten, trotz dessen vage formulierten, nach „entsprechenden Anstellungsbedingungen“ gierenden, also voraussichtlich höchst kostspieligen Forderungen. Wenigstens ließ sich Sauerbruch herbei, von Zürich nach Königsberg zu reisen, um Klinik und Stadt zu inspizieren. Nach Wochen geschickten Taktierens, schlug er in Zürich für die Ablehnung des Berliner Rufs eine fast monarchische Position als Klinikchef heraus, den Neubau einer Klinik, die Unterstellung eines mit internierten deutschen Soldaten belegten Züricher Lazaretts sowie die ärztliche Aufsicht über 7.000 in der Westschweiz internierte Soldaten des deutschen Heeres. Bei aller Bereitschaft zur Spendabilität, konnte Berlin dies nicht überbieten, zumal Sauerbruch indirekt eine Art Erschwerniszulage für den Wechsel gerade nach Königsberg verlangt hatte, dessen Klinik er gegenüber seinem mit „reichlichem Etat“, großer Assistenten­ und Pfleger­ zahl gesegneten „Centrum der Brustchirurgie“ als rückständig eingestuft hatte und dessen städtische „äußere Lebensbedingungen“ für ihn einen Vergleich mit dem Züricher Komfort nicht bestünden.2110 So gaben denn nach seiner definitiven Absage Payrs Warnung und Batockis Einfluß den Ausschlag für einen Oktroi und eine Hausberufung Kirschners, die zum WS. 1916/17 erfolgte.2111 Für die den Kriegsanforderungen kaum gewachsene Chirurgische Klinik sollte die herrische Aura des neuen Chefs zunächst von Vorteil sein. Versuchte das Ministerium doch schon seit Vorkriegszeiten jede größere Investition für die Mediziner mit dem Hinweis auf den ganz großen Wurf, ein neues Klinikviertel im Villenvorort Amalienau, veranschlagt mit 12 Millionen Mark, zu vermeiden. Da dieses Projekt 1916 aber wieder in sehr weite Ferne gerückt war, drückte Kirschner seine Maximalfor­ derung nach einer halben Million Mark für unaufschiebbare An­ und Umbauten durch. Der Geldfluß verwandelte das ungefüge Klinikmonstrum in der Langen Reihe wieder einmal in eine Großbaustelle, Ebd., Bl. 21 f.; Med. Fak. – PrMK v. 29. 6. 1916, ministeriell erbetene Stellungnahme zu Kirschner. Dazu auch Bl. 26–28; Karl Garré (Bonn, von 1901–1905 auf dem Chirurg. Lehrstuhl der AUK) – an einen „Collegen“ v. 4. 8. 1916: Kirschner sei für die Königsberger Stelle nicht reif, ihn zu berufen, hieße die dortigen Arbeitsfelder unterschätzen. 2110 Ebd., Bd. Bd. XII, Bl. 382–385; Sauerbruch – PrMK v. 13. 5. 1916, darin auch die Forderung, Königsberg nur als Zwischenstation betrachten zu dürfen, mit der garantierten Aussicht auf baldige Fortberufung an eine größere preußische Universität. Sauerbruch mußte nicht aussprechen, daß er sich dabei selbstverständlich Berlin vorstellte. – Ebd., Bl. 375; Payr – PrMK v. 30. 12. 1915 (darin die „Reibungen“ dieser „Kampfnatur“ mit Friedrich erwähnend, der ihn einfach nicht „verstanden“ habe!) und Bl. 380; Schreiben v. 12. 5. 1916: käme Sauerbruch nach Königsberg, seien Kirschners Tage dort gezählt, denn die beiden Herren würden sich abstoßen wie Feuer und Wasser. Nachdem er in Zürich alle Zusicherungen eingeheimst hatte, fuhr Sauerbruch nach Berlin, um seine Absage, „nach reiflicher Überlegung“, persönlich zu überbringen (über das Gespräch Aktenvermerk v. 9. 6. 1916, ebd., Bl. 386). Er schied mit der Bitte, ihm dies nicht übel zu nehmen, denn „später“ wolle er ja gern wieder nach Deutschland zurückkehren, was 1918 geschah, als er einen Ruf nach München annahm, um dann 1927 ans Ziel seiner „academischen Entwicklung“ (Sauerbruch) zu gelangen, an die Berliner Charité. 2111 Ebd., Bd. XIII, Bl. 25; Kirschner – PrMK v. 11. 8. 1916: Dank für den an ihn ergangenen Ruf. Ebd., Bl. 29 f. und 33; Bestallungsvorschlag v. 31. 8. 1916 und Vereinbarung v. 17. 8. zum 1. 10. 1916. 2109

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ohne daß das Ergebnis Kirschners Erwartungen genügt hätte.2112 Schwierigkeiten entstanden dem neuen Direktor bis Kriegsende überdies aus dem nie versiegenden Zustrom orthopädischer Patienten. Nun rächte sich die auf Wahrung der Besitzstände bedachte Politik der Kirschner­Vorgänger, die sich stets gegen eine Ausgliederung der Orthopädie gesperrt hatten. Die private „Krüppel­Anstalt“ des ein­ stigen Schönborn­Assistenten, des 1917 verstorbenen Orthopäden Heinrich Hoeftmann, vermochte des Andrangs, der mit „Stützapparaten und Kunstgliedern“ zu versorgenden Kriegsversehrten nicht Herr zu werden.2113 Wenig konstruktiv gedachte Kirschner seine Kapazitäten dadurch auszuweiten, daß er die Einverleibung der Hoeftmann­Anstalt forderte, da er anders die „kriegsbedingte Häufung der Verletzten und Verstümmelten“ nicht mehr bewältigen könne – eine Usurpation, die ihm im Früh­ jahr 1918 so wenig gelang wie während seiner weiteren Amtszeit bis 1927.2114 Geringeren Lärm in den Kulissen löste zwar die Regelung von Schittenhelms Nachfolge aus, aber bei der Auswahl des neuen Leiters der Medizinischen Klinik wurde die Fakultät in ähnlicher Weise vom Ministerium düpiert wie im Fall Kirschner. Denn gewollt hatte man eine junge Kraft, wie den primo loco gesetzten Internisten Paul Morawitz (Greifswald), trotz seiner 37 Jahre eine Kapazität auf dem Gebiet der Blutkrankeiten. Gern begrüßt hätte man auch den Zweitplazierten Theodor Brugsch, mit dem Schittenhelm ein sehr erfolgreiches ‚Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden‘ (1908) verfaßt hatte.2115 Neben diesen um 1880 geborenen Kandidaten waren ältere Ordinarien geprüft, aber schließlich aussortiert worden. Unter ihnen der Marburger Klinikchef Max Matthes, Jahrgang 1865, den die Fakultät 1912 bei der Lichtheim­Nachfolge an zweiter Stelle genannt hatte. Nun war von ihm nicht mehr die Rede, weil die eingeholten Gutachten sich darin einig waren, daß Matthes kaum der Kirschner 1922, S. 34–41. Kiewe 1928, S. 6, spricht von „mehreren 1.000 Verwundeten“ zwischen 1914 und 1918. 2114 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 7, Bd. VIII, unpag.; Kirschner – PrMK v. 5. 5. 1918. Seinem Vorgänger Friedrich hatte das Ministerium 1915 zum Ausbau orthopädischer Behandlungsräume und zur Anschaffung von Geräten stattliche 31.000 M. bewilligt, ohne daß damit die Fehlentscheidung, der Fakultät eine eigene orth. Klinik und mindestens ein Extraordinariat zu verweigern, wettgemacht worden wäre (ebd., Erlaß PrMK v. 21. 8. 1915). 2115 Ebd., Bd. XII, Bl. 344 f.; Med. Fak. – PrMK v. 23. 2. 1916, Liste Nf. Schittenhelm: 1. Paul Morawitz, 1879 St. Petersburg–1936 Markleeberg b. Leipzig, Prom. Jena 1901: Zur Kenntnis der Knorpelkapseln und Chond­ rinballen des hyalinen Knorpels, Habil. f. Innere Medizin Heidelberg 1907, ao. Prof. u. Direktor Med. Poliklinik Freiburg 1909, oö. Prof. Greifswald 1913, 1914 Kriegseinsatz als Stabsarzt, beratender Internist an West­ u. Ost­ front, WS. 1921/22 Würzburg, SS. 1926 Leipzig (Nf. A. Strümpell), Forschungen vor allem zu Blut und Blut­ krankheiten mit Bezug zur Arbeits­ und Sportmedizin, Begründer des Blutspendewesens in Deutschland (LGH 2004, S. 168 f.). – 2a. Th. Brugsch, 1878 Graz–1963 Berlin, Sohn des Ägyptologen Heinrich Br. (1827–1894), Prom. 1903 FWU, Habil. f. Innere Medizin 1909 ebd., 1910 ao. Prof. ebd., 1914–1916 berat. Internist beim Gar­ dekorps, 1917–1919 Internist 9. Armee in Rumänien, 1927 oö. Prof. f. Innere Medizin Halle, 1936 wegen seiner jüdischen Ehefrau entlassen, bis 1945 Privatpraxis in Berlin, 1945–1957 (sic!) ord. Prof. HU Berlin, profilierter Gesundheitspolitiker der DDR, autobiographisch: Brugsch 1957; publizierte mit A. Schittenhelm u. a. ein ‚Lehr­ buch klinischer Untersuchungsmethoden‘, sechs Aufl. v. 1908 bis 1923. – 2b. Hans Eppinger, 1879 Prag–1946 Wien, Prom. 1903 Graz, 1909 Habil. f. Innere Medizin Wien, 1926 oö. Prof. Freiburg, 1930 Köln, 1933 wegen angeblich zu enger Beziehungen zu Konrad Adenauer und der Zentrumspartei zur Annahme eines Rufs nach Wien genötigt (Nf. Karl Friedrich Wenckebach), von dort aus nach 1940 vermutlich „an medizinischen KZ­Versuchen beteiligt (‚Salzwasser­Versuche‘)“, 1946 Selbstmord nach Vorladung zum Nürnberger Ärzte­Prozeß (Golczewski 1988, S. 449 f.; Voswinckel 2002, S. 374 f.; nichts darüber in: NDB IV, S. 551 f.), 1910: Vagotonie, 1917: Patholo­ gie des Ödems, 1927: Das Versagen des Kreislaufs; bis heute gültiges Haupt­ und Standardwerk: Die Leberkrank­ heiten, Wien 1937. Als Konsiliarius 1936 nach Moskau zur Behandlung Stalins. – 2c. Leo Mohr, 1874 Lustadt/ Rheinpfalz–1918 Halle, 1896 Prom. AUK, 1908 ao. Prof. u. Direktor Med. Poliklinik Halle, Schwerpunkte: Stoffwechselkrankheiten u. Pathologie der endokrinen Drüsen. – 3. Karl Robert Schlayer, 1875 Reutlingen–1937 Berlin, militärärztliche Ausbildung Berlin, Prom. 1897 FWU: Über Hydrocele muliebris, 1900–1903 Militärarzt China­Expedition („Boxeraufstand“), Habil. f. Innere Medizin Tübingen 1907: Über nephritisches Ödem, pl. ao. Prof. München 1913, 1921 Leiter Augusta­Hospital Berlin, Mit­Hg. Zeitschrift für Urologie.

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richtige Mann „für das Bildungscentrum des Ostens“ sei. Vom Ministerium aufgefordert zur Stellung­ nahme, rekurrierte man auf diese Voten und betonte, daß man ihn nach eingehender Beratung „aus­ drücklich nicht auf die Liste gesetzt“ habe, da die auswärtigen Gutachter darin übereinstimmten, daß die „vielseitige Tradition“ des Königsberger Lehrstuhls bei Matthes kaum in den richtigen Händen liege.2116 Warum das Ministerium trotz dieser unmißverständlichen Abwehr Matthes von Marburg nach Königsberg verpflanzen wollte, bleibt unklar; jedenfalls erging an ihn im Mai 1916 der Ruf, der ihn bis zu seinem Tod 1930 auf einen Posten brachte, dem er nach Ansicht der Fakultät „nicht voll gerecht“ werden könne.2117 Da Paul Friedrich, einst Hauptgegner einer Hausberufung des Physiologen Otto Weiß,2118 der kühle Rasen deckte, bereitete die Nachfolge Franz Bruno Hofmanns nicht annähernd solche Kompli­ kationen wie die Wahl des neuen Chirurgen und des neuen Internisten. Anfang Mai stand Weiß primo loco auf der Liste, und schon am 18. Mai 1916 war der Bestallungsvorschlag ausgefertigt.2119 Verwicklungen blieben der Fakultät auch erspart, als der Anatom Ernst Gaupp ersetzt werden mußte. Von den beiden primo loco Vorgeschlagenen, Martin Heidenhain (Tübingen) und Johannes Sobotta (Würzburg), hätte man vielleicht lieber die erste Kraft unter den „lebenden Histologen“ aus Schwaben nach Ostpreußen gezogen, aber mit Sobotta, dem anerkannten Meister der „topo­ graphischen Anatomie“, der den Ruf erhielt und zum WS. 1916/17 annahm, glaubte man alle An­ sprüche erfüllt bekommen zu haben.2120 Ebd., Bd. XII, Bl. 350; Med. Fak. – PrMK v. 31. 3. 1916. Ähnlich wie Kirschner wurde Matthes als zu spe­ zialistisch abgelehnt. Es könnten aber auch Verstimmungen aus dem Jahr 1912 nachgewirkt haben. Matthes, der sich als oktroyierter Lehrstuhlinhaber zumindest in erster Zeit unwohl gefühlt hat, wäre 1918 gern nach Bonn fortberufen worden. Er glaubte darauf sogar einen Anspruch zu haben, da ihm 1912 vom Minister zugesichert worden sei, bei der nächsten sich ergebenden Möglichkeit einer Bonner Berufung berücksichtigt zu werden, falls er die Lichtheim­Nachfolge ablehne. Berufung und Ablehnung finden sich aber für 1912 nicht in der Akte, so daß eine Brüskierung der Fakultät zumindest keinen schriftlichen Niederschlag gefunden hat. Ebd., Bd. XIII, Bl. 82 f.; Matthes – PrMK (Becker) v. 14. 3. 1918, ein Begehren, das in scharfem Ton als „ungehörig“ zurückgewiesen wurde (ebd., Bl. 83, Becker an Matthes v. 4. 5. 1918). 2117 So das Votum der Fakultät, s. Anm. 2116. Der Bestallungsvorschlag datiert v. 5. 5. 1916 (ebd. Bl. 352 f.). 2118 S. o., S. 266. 2119 Bd. XII, Bl. 361 f.; Med. Fak. – PrMK v. 6. 5. 1916, Liste Nf. Hofmann: 1. O. Weiß, s. Catalogus. – 2. Ernst Th. v. Brücke, 1880 Wien–1941 Boston, Enkel des ersten Physiologen der Albertina (1848/49), Ernst Wilhelm v. Brücke (1819–1892), Prom. 1904 Wien, Habil. f. Physiologie bei Ewald Hering in Leipzig 1908, 1913 ao. Prof. ebd., 1916–1938 oö. Prof. Innsbruck, 1927 Rektor, aufgrund „jüdischer Versippung“ (mütterlicherseits: Milly Wittgenstein, Tante des Philosophen Ludwig W.; zudem verheiratet mit der als „Volljüdin“ stigmatisierten Dora Teleky), Emigration in die USA, 1939–1941 Harvard; Physiologie nervöser Zentralorgane, zentralnervöse Hem­ mungserscheinungen, Nerven­ u. Muskelphysiologie (NDB II, S. 654 f.; Voswinckel 2002, S. 186 f.). – 3a. Karl Bürker (Tübingen) stand 1912 tertio loco auf der Liste Nf. Hermann, s. o., Anm. 1361. – 3b. Richard F. Fuchs, 1870 Bensen/Böhmen–1940 Kopenhagen, Habil. Erlangen 1902: Zur Physiologie und Wachstumsmechanik des Blutgefäßsystems, 1908 nb. ao. Prof. ebd., pl. ao. Prof. Breslau 1910, Direktor des Labors für Arbeitsphysiologie, 1922–1926 Mitglied des preuß. Staatsrates, 1933 wg. jüdischer Herkunft entlassen, Emigration nach Dänemark; 1906: Physiologisches Praktikum für Mediziner, 2. Aufl. 1912, 1914 Mitarbeit an H. Wintersteins Handbuch der vgl. Physiologie (Farbenwechsel und chronische Hautfunktionen der Tiere, Bd. III), seit 1905 Hochgebirgs­ Stoffwechselforschungen am Monte Rosa/Schweiz. – 3c. Martin Gildemeister (1876–1943), Habil. AUK 1904, s. Catalogus. – 3d. Alfred Lohmann, schon auf der Liste Nf. Hermann, s. Anm. 1361. 2120 Ebd., Bd. XIII, Bl. 2–4; Med. Fak. – PrMK v. 5. 6. 1916, Liste Nf. Gaupp: 1a. M. Heidenhain, 1864 Bres­ lau–1949 Tübingen, Sohn des Physiologen Rudolf H. (1834–1897), Habil. Würzburg 1894, 1899 Prosektor in Tübingen, dort 1911 oö. Prof., berühmt geworden durch sein dreibändiges Werk über ‚Plasma und Zelle‘ (1907–1911). – 1b. J. Sobotta (1869–1945), siehe Catalogus, Habil. Würzburg 1896, dort 1899 Nf. Heidenhains als Prosektor, 1912 pl. ao. Prof. ebd. – 2a. Friedrich Meves, 1868 Kiel–1923 Königsberg, s. Catalogus zu Bd. II. – 2b. Werner Spalteholz, 1861 Dresden–1940 Leipzig, Schüler Brauns in Leipzig, 1886 Prom. ebd., 1891 Habil. f. 2116

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Bei der letzten Personalie der Kriegszeit, der Regelung von Kißkalts Nachfolge, wollte vergleich­ bare Zufriedenheit hingegen nicht aufkommen. Den Gießener Ordinarius Paul Schmidt hatte man an erster Stelle plaziert, doch die Hallenser Fakultät war schneller und bot die besseren Bedingungen. Eindeutig ein Kandidat Kißkalts war der secundo loco genannte Ignaz Kaup, ein seit 1912 an Grubers Hygiene­Institut in München lehrender Österreicher, der zu dieser Zeit neben Alfred Grotjahn der be­ kannteste, publizistisch produktivste deutsche Sozialhygieniker war. Die Fakultät, unter Federführung des am institutionellen Ausbau dieses Teilgebiets seit langem interessierten Kißkalt, wollte hier ein Zeichen setzten, und erstmals einen Sozialhygieniker auf ein Ordinariat berufen – überzeugt davon, daß eine medizinische Disziplin, die ihre Basis in der „sozialen Fürsorge“ finde, auch aus politischen Erwägungen endlich „Gleichberechtigung“ gebühre. Entsprechend ausführlich fiel die Laudatio für Kaup aus, während die Skizzierung der immerhin auch die Bearbeitung sozialhygienischer Themen einschließenden medizinischen Verdienste der Drittplazierten Emil Gotschlich (Saarbrücken), mit fast zwanzigjähriger Erfahrung als oberster Seuchenbekämpfer in der Hafenstadt Alexandria, und Hugo Selter (Leipzig) wie eine Pflichtübung wirkte.2121 Anatomie, 1892 Kustos der Anatom. Sammlungen, 1905 I. Prosektor u. 1912 pl. ao. Prof. ebd., 1929 em., auf der Intern. Hygiene­Ausstellung in Dresden 1911 für die Sektion „Der Mensch“ verantwortlich und deswegen von der Königsberger Fakultät als „Organisator“ gerühmt, Hauptwerke: Handatlas der Anatomie des Menschen, 3 Bde. 1895–1903, Über das Durchsichtigmachen von menschlichen und tierischen Präparaten, 1911. – 3a. Eugen Fischer, 1874 Karlsruhe–1967 Freiburg, Habil. Freiburg 1900, 1912 Prosektor in Würzburg, der bekannteste Fachvertreter nach 1918, den der Karriereweg 1927 nach Berlin führte, wo er auch das Direktorat des KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik übernahm. – 3b. Carl Peter, 1870 Frankfurt/M.–1955 Fisch­ bach/Obb., Schüler von Hertwig, Wiedersheim und Hasse, Prom. Freiburg 1894, 1897 Habil. Breslau, b. ao. Prof. Greifswald, 1917 oö. Prof. f. Anatomie ebd., „einer der wenigen Vertreter der Rouxschen entwicklungsme­ chanischen Lehre“ in Deutschland, wie es distanzierend in der Laudatio hieß, 1935 LA München, 1946 als ord. Prof. am Wiederaufbau des Anatom. Inst. München mitwirkend, Hauptwerke: Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Niere (2 Tle. 1909/1927), 1913: Atlas der Entstehung der Nase und des Gaumens beim Men­ schen, 1920: Die Zweckmäßigkeit in der Entwicklungsgeschichte, 1927 ff. Mit­Hg. Handbuch der Anatomie des Kindes; fehlt bei LGH 2004. – Wieder unberücksichtigt blieb, wie 1912 nun erst recht, Richard Zander, obwohl er sich erneut, mit nunmehr 61 Jahren, dem Ministerium als Gaupp­Nachfolger anbot (ebd., Bl. 11–12; Schreiben v. 6. 5. 1916), dabei nicht ungeschickt darauf verweisend, daß der anatomische Lehrstuhl der Albertina, wie über­ haupt die Universität, wegen Abgelegenheit zu den „geistigen und Kunstzentren“, als nicht „sehr begehrenswert“ gelte und eine jüngere Kraft nur annehmen werde, um das Amt als Sprungbrett fürs schnelle Fortkommen zu nutzen. Er hingegen, der dem Institut seit dreißig Jahren die Treue halte, könne die Kontinuität wahren. 2121 GStA…, Nr. 20, Bd. XIII, Bl. 43– 45; MedFak – PrMK v. 26. 9. 1916, Liste Nf. Kißkalt: 1. P. Schmidt, 1872 Neustadt/Sa.–1950 Halle, 1897 Prom. München: Über comatöse Zustände …, Schiffsarzt, nach Stationen am Institut für Tropenhygiene Hamburg und an der Bayr. Bakt. Untersuchungsstation Landau 1907 Habil. f. Hygiene Leipzig, 1913 ebd. nb. ao. Prof., 1914 oö. Prof. Gießen, 1917–1939 Halle. – 2. I. Kaup, 1870 Marburg an der Drau–1944 München, 1896 Prom., 1899 Sanitäts­Assessor niederöst. Statthalterei Wien, 1903 Gewerbe­ Hygieniker öst. Handelsminist., 1904 Habil. f. Hygiene TH Wien, 1908 Dozent Gewerbe­Hygiene TH Berlin, 1912–1917 b. ao. Prof. f. Sozialhygiene München, 1914–1916 als Stabsarzt im öst.­ungar. Heer, 1918–1920 Staats­ sekretär für Volksgesundheit in der ersten sozialdemokrat.­zentrümlichen öst. Nachkriegs­Regierung, entlassen aufgrund seiner Weigerung, galizisch­jüdische Ärzte zu vereidigen, „pionierhaft“ seine Einführung konstitutions­ biologischer Reihenuntersuchungen von Jugendlichen (dazu: Körperverfassung und Leistungskraft Jugendlicher, 1930); Arbeiten über Mutterschaftsschutz berufstätiger Frauen, Schulspeisung armer Kinder, Ertüchtigung der schulentlassenen Jugend, Blei­ u. Phosphorvergiftungen in öst. Hütten­Betrieben, dazu zahlreiche populär gehal­ tene Veröffentlichungen zur Rassenhygiene: Frauenarbeit und Rassenhygiene (1914), Volkshygiene oder selektive Rassenhygiene (1922, gegen die Rassenhygiene als „Züchtungspolitik“, da die „Volksgemeinschaft“ spaltend und die Zusammengehörigkeit „untergrabend“), Süddeutsches Germanentum und Leibeszucht der Jugend (1925), Gestaltlehre des Lebens und der Rasse (1935); vgl. BLÄF I, S. 745; A. Raupach 1989, die ihn zutreffend nicht der Rassenhygiene zuordnet, sondern Kaup wie Grotjahn als einen um die Behebung der „Kollateralschäden der In­

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Tatsächlich standen die Chancen für Kaup nicht schlecht, zumal ein Sozialhygieniker mit Blick auf den von der Fakultät wieder einmal reklamierten territorialen „Zuwachs im Osten“ samt Be­ völkerungszunahme ein reiches Betätigungsfeld gefunden hätte. Aber, obwohl Kaup anders als Grot­ jahn keinen nahtlosen Übergang von der Sozialhygiene zur Sozialdemokratie fand, stand er aufgrund seiner langen Zusammenarbeit mit ihm doch im Verdacht, seine Forschungen gegen inakzeptable politische Vereinnahmungen nicht abzudichten. Was dazu führte, daß das Ministerium seinen Haus­ gutachter, den Berliner Hygieniker Carl Flügge, um eine Einschätzung bat, die genau an diesem wun­ den Punkt einhakte. Kaup, so Flügge, sei wie die meisten Sozialhygieniker nicht hinreichend „kritisch erzogen“. Er neige zur Herstellung „fixer Kausalitäten“. Etwa, wenn er die Abnahme der Wehrkraft auf die Unterernährung der ländlichen bzw. auf die mangelhaften Wohnungsverhältnisse der städtischen Bevölkerung zurückführe. Welcher sozialpolitische Sprengstoff in solchen angeblichen „Reduktionen“ lag, konnte man sich im Kultusministerium dann selbst leicht ausmalen. Flügges Hilfsargument, daß Kaup für einen Hygieniker zu wenig experimentelle Erfahrung, kaum Laborarbeiten vorweisen könne, bedurfte es dann kaum noch, um ihn für Königsberg als ungeeignet erscheinen zu lassen.2122 Stattdessen fiel die Wahl auf Hugo Selter, für den Flügge keinen Enthusiasmus aufbringen konnte, den er als „Durchschnitt“ qualifizierte, von dem „bahnbrechende Entdeckungen oder neue Auf­ fassungen“ nicht ausgegangen und von dem wohl auch in Zukunft keine „hervorragenden wissen­ schaftlichen Leistungen zu erwarten“ seien, der aber für die Albertina trotzdem eine „befriedigende Lösung“ biete.2123 Selter, sozialhygienisch immerhin recht gut mit einem ‚Handbuch der deutschen Schulhygiene‘ ausgewiesen, und mit den ihn in Königsberg erwartenden Aufgaben als nebenamtlicher Gesundheitsstadtrat als Kenner der rheinischen „Industriehygiene“ und der kommunalen Probleme der Trinkwasserversorgung vertraut, trat, als „dritte Wahl“ der Fakultät, 39jährig, sein Amt zum SS. 1917 an.2124

dustrialisierung“ bemühten Sozialreformer versteht (ebd., S. 18 ff.); Voswinckel 2002, S. 766 f. – 3a. E. Gotschlich (s. u. Anm. 2123) – 3b. H. Selter, s. Catalogus. 2122 GStA …, Nr. 20, Bd. XIII, Bl. 46–48; Flügge – PrMK v. 14. 10. 1916. Das PrMK hatte beim Bonner Hy­ gieniker Rudolf Neumann (1868–1952) ein weiteres Gutachten bestellt, der ebenfalls bei Kaup die zu einseitige Konzentration auf Sozialhygiene und geringe Laborerfahrung bemängelte. Daher schlug er den praktisch erfah­ renen Gotschlich vor, den er wie Flügge für wissenschaftlich qualifizierter als Selter hielt (ebd., Bl. 51; Gutachten v. 12. 10. 1916). 2123 Ebd.; Gotschlich, den Flügge höher als Selter einstufte, fehlte seiner Ansicht nach die Erfahrung als Lehrer, da er von 1896 bis zu seiner kriegsbedingten Ausweisung 1914 eine gut dotierte Stelle als Leiter des städtischen Gesundheitsamts im britisch­ägyptischen Alexandria inne hatte. Nach seiner Rückkehr war er 1915 nur einige Monate Institutsleiter in Halle, wo man, wie Flügge anmerkt, nicht zufrieden mit ihm war, sonst hätte man ihn auf die Liste für das dort vakante Ordinariat gesetzt. Vom Juli 1915 bis März 1917 amtierte er an dem für die Westfront bedeutenden Saarbrücker Institut für Hygiene und Infektionskrankheiten. Der aus Oberschlesien stam­ mende Gotschlich (1870 Beuthen–1949 Heidelberg), Prom. 1894 Breslau, Assistent am Hyg. Inst. ebd., war nach Rückkehr aus Ägypten 1914 Leiter von Hygiene­Instituten in Halle und Saarbrücken, 1915 Lehrstuhlvertretung Halle (C. Fraenkel), ohne dann von der Fakultät zum definitiven Nf. vorgeschlagen zu werden, SS. 1917 oö. Prof. Gießen (Nf. Paul Schmidt), 1925–1935 Heidelberg (Nf. Hermann Kossel), Dekan 1927/28, Rektor 1930, 1935 in die Türkei, dort bis 1940 Direktor Zentral­Hygiene Institut Ankara. Hauptwerk 1920: Leitfaden der Mikroparasitologie und Serologie, 1924: Die Bedeutung der Hygiene für die Erneuerung des deutschen Volkes; mit anderen 1926–1929: Handbuch der hygienischen Untersuchungsmethoden (3 Bde.), weltanschaulich ferner interessant seine Heidelberger Rektoratsrede: Hygiene, Zivilisation und Kultur (1929). Zu Biographie und Werk die gründliche Gießener Med. Diss. von Barbara Nöske 1996, die vermerkt, daß Gotschlich, von 1920–1924 in der DNVP, sich als Sozialhygieniker „in Übereinstimmung“ mit der NS­Gesundheitspolitik befunden habe, nie aber der NSDAP beigetreten sei (S. 364). 2124 GStA …, Nr. 20, Bd. XIII, Bl. 53 f.; Berufungserlaß Selter v. 7. 1. zum 1. 4. 1917.

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Mit dem zwar nicht „bahnbrechenden“ Selter bekam die Fakultät aber einen zuverlässigen Arbeiter gerade für den sozialhygienischen Acker.2125 Zuverlässig, weil Selter anders als Kaup, und in nahtlosem Anschluß an Kißkalt, keine tendenziell klassenkämpferischen Forderungen aus seinen Erhebungen ableitete, sondern sich früh von Kaiser Wilhelms II. Interesse an der jungen Disziplin motivieren ließ: „‚Ich suche nach Soldaten. Wir wollen eine kräftige Generation haben‘ “.2126 In der Schulhygiene, seinem ersten Forschungsschwerpunkt, besorgte ihn die „Wehrfähigkeit unserer Jugend“, die durch den überkommenen Schulbetrieb, der „Kurzsichtigkeit und Rückenmarksverkrümmungen“ provo­ ziere, vielfach gefährdet schien, und der nicht hinreichend vorbereite auf den „rücksichtsloser wer­ denden Kampf ums Dasein“, bei dem es um nicht weniger als die Verteidigung der „hervorragenden Stellung Deutschlands in der Welt“ gehe, die bei der „Verminderung der Militärtauglichkeit […] un­ serer Jugend“ akut gefährdet sei.2127 Da in der „Kriegszeit“ das „Kulturniveau“ abgesunken sei und Krankheiten im Lande aufträten, die nicht nur Kißkalt lange besiegt glaubte, sah sich schon Selters Vorgänger besonders in die Pflicht genommen.2128 Der kriegsbedingt fulminante Aufschwung seines Instituts seit August 1914 resultierte aus der doppelten, kommunalen wie militärischen Beanspruchung. Der Unterrichtsbetrieb lief nur mit geringer Hörerzahl weiter, so daß der Direktor, nachdem sein Assistent Friedmann ihm 1915 wieder zur Verfügung stand, sich ganz dem Labor widmen konnte. Unterstützt zudem von Franz Schütz, der sich im Juli 1915 habilitierte und der nach einer freiwilligen Meldung im Oktober 1915 vom Militär umgehend wieder ans Institut kommandiert wurde. Um die weitaus „größere Inanspruchnahme als im Frieden“ zu belegen, wies Kißkalt darauf hin, daß allein sein Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten seit Kriegsbeginn 17.000 Untersuchungen ausgeführt habe. Wie die übrigen wissen­ schaftlichen Arbeiten dienten sie „grossenteils der Vertiefung der im Kriege gemachten Erfahrungen und der Bekämpfung der Seuchen.“ 2129 Befruchtend wirkte sich dabei das Faible des Hygienikers für die Medizinalstatistik und Seuchen­ geschichte aus, die er zu den wichtigsten Grundlagen der Epidemiologie rechnete, für die Selter ein ge­ ringeres Interesse zeigte.2130 Die Militärtauglichkeit ostpreußischer Schulkinder, der Konnex zwischen Säuglingssterblichkeit und Wohlstand bzw. Armut der Eltern, die Sterberaten verglichen mit den Steu­ ertabellen, die Bevölkerungsbewegung als Resultat von Binnenmigration, die Abhängigkeit zwischen Krankheit und Wohnverhältnissen, der Verlauf von Epidemien in Königsberg im 18./19. Jahrhundert – es gab keine sozialmedizinisch und ­politisch relevante Handlungsanweisung, die mit Kißkalts Tabel­ len und den von ihm angeregten Dissertationen nicht hätte legitimiert werden können.2131 Selter wandte sich erst nach Kriegsende auch bakteriologischen Fragen zu, vgl. Selter 1923 über Immundia­ gnostik und Therapie. Als Hg. u. Beiträger des ,Grundriß der Hygiene‘ (1920a–e) jedoch auch der alten Fachrich­ tung treu bleibend. 2126 Selter 1911, S. 1. 2127 Ebd., S. 1 f.. Vgl. dazu das Vorwort zu seinem ‚Handbuch der deutschen Schulhygiene‘, 1914a, S. III f. über den verhängnisvollen Zusammenhang von rückläufigen Geburtenzahlen und „Rückgang der Militärtauglichkeit“. Der Schulhygiene obliege die nationalpolitische Pflicht, alles zu tun, „um die körperliche Tüchtigkeit der Jugend zu heben und ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken“ – „im eigensten Interesse der Nation“. Vorschläge dazu unter­ breitet Selter in seinem eigenen Beitrag über ‚Hygiene des Schulhauses und seiner Inneneinrichtung‘, 1914b. 2128 Kißkalt 1919b, S. 109. 2129 Chronik AUK 1915/16, S. 39 f.. Vgl. zur Hygiene/Bakteriologie im I. WK: Eckart 1996. 2130 Kißkalt 1919b, S. 109, einleitend zu seiner Studie über die Zunahme der Sterblichkeit in Königsberg infolge Ruhr und Influenza 1781–1783. Vgl. a. seine 1919a aus Königsberger wie Kieler Erhebungen gespeiste ‚Einfüh­ rung in die Medizinalstatistik‘, die der Autor jungen Kollegen mit der Empfehlung ans Herz legte, der Krieg habe die „interessanteste Statistik geschaffen, die jemals dagewesen ist“ (ebd., S. 1). 2131 Vgl. dazu die von Kißkalt betreuten Dissertationen: Bandalin, Nochim, Die Fragebogen bei Wohnungs­ enquêten (1914), Görner, Rudolf, Körpermessungen an samländischen schul­ u. vorschulpflichtigen Kindern, ein Beitrag zur Konstitutionsstatistik (1916, Ergebnis: Landkinder sind in besserer Körperverfassung als städtische 2125

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In der Gerichtsmedizin hielt seit SS. 1915 der Berliner Privatdozent Carl Strauch, Stabsarzt in Pillau­Camstigall, Vorlesungen ab, bis Georg Puppe zu Weihnachten 1915 aus dem Heeresdienst zu­ rückkehrte. Sein Institutsbetrieb lebte, obwohl Puppe als Gerichtsmediziner im Festungshauptlazarett Dienst tun mußte, Anfang 1916 allmählich wieder auf, wobei er die Kapazitäten auf die Zuarbeit „für die Gerichte des besetzten Etappengebiets“ konzentrierte, was, ausweislich der Kriegsveröffent­ lichungen Puppes, nichts anderes hieß, als der Militärjustiz bei der Ahndung von Selbstverstümme­ lungen behilflich zu sein.2132 Die beiden größten Kliniken, die Medizinische und die Chirurgische, gab die Militärverwaltung erst Mitte Oktober 1915 wieder für die zivile Nutzung frei. Lehre und Forschung mußten an der Medizinischen Klinik auch 1915 ruhen, weil mit zwei Ausnahmen alle Assistenzärzte im Militärdienst standen. Da Friedrich, der Direktor der Chirurgischen Klinik, im Oktober 1915 lieber als Generalarzt in Frontnähe amtierte, übernahm sein Oberarzt Martin Kirschner kommissarisch die Leitung und konnte immerhin einen Notbetrieb einrichten und nebenher auch noch Vorlesung halten. Als die fleißigste „Doktorenschmiede“ der Albertina fiel die Medizinische Fakultät während der Kriegszeit aus. Zwar gab es 1915 noch zwanzig Verfahren, doch ist dies als Überhang zu werten, da ein großer Teil der im Sommer vor dem Rigorosum stehenden Doktoranden zur Fahne eilte und, wie es die Lebensläufe ausweisen, in der ersten Urlaubs­ oder Lazarettzeit sich der Prüfung stellte. Von 1916 bis 1918 begann sich der Krieg dann voll auszuwirken und drückte die Doktorexamina auf den jährlichen Durchschnitt von 22 Dissertationen herab. Unter den 66 Arbeiten wurden zehn von Frauen angefer­ tigt, von denen fast alle, wie das Gros ihrer männlichen Kollegen, im Lazarettdienst standen. Nach dem kriegsbedingten Ausbleiben jüdischer Studenten aus Rußland trat zu Tage, in welchem nahezu exklusiven Ausmaß die Fakultät von den Landeskindern Ost­ und Westpreußens frequentiert wurde. 1917 kamen nicht einmal zehn Prozent der Doktoranden aus dem übrigen Reichsgebiet. Insgesamt promovierten ab 1916 knapp dreißig Prozent Auswärtige, von denen aber wiederum die meisten als Militärärzte oder freiwillige Arztvertreter nach Ostpreußen gekommen waren und zuvor nie an der Albertina studiert hatten.2133

Volksschüler, sind jedoch Kindern an höheren Schulen auch körperlich unterlegen); Perl, Heinrich, Die Mes­ sung und Beurteilung der Körperkonstitution mittels des Dynamometers. Nebst einem Beitrag zu einer verglei­ chenden Konstitutionsstatistik (1916); Schlake, Friedrich, Körpermessungen von Landkindern an der Südküste des Kurischen Haffs (1916, geht der Frage der Militärtauglichkeit der ostpr. Jugend nach, auffälliges Phänomen: Ausmusterung von Kleinwüchsigen, trotzdem lautet das Fazit: Ostpreußens Nachwuchs stelle ein „gutes Soldaten­ material“); Allot, Ernst, Größe, Körpergewicht und Muskelkraft der Schulkinder einer ostpreußischen Mittelstadt (Allenstein) und ihrer ländlichen Umgebung (1917); Doehring, Ella, Die Sterblichkeit in Königsberg 1770–1772 (1917). – Die Seuchengeschichte hielt Kißkalt 1919b, S. 109, für eine der wichtigsten Grundlagen der Epidemio­ logie. 2132 Im Mai 1917 rückte Puppe nochmals zum militärischen Sanitätsdienst aus und mußte wieder von Strauch vertreten werden (GStA …, Nr. 20, Bd. XIII, Bl. 67; Puppe – Kurator v. 18. 5. 1917). – C. Strauch, 1868 Frank­ furt/O.–1931 Berlin, med. Studium Heidelberg, Würzburg, FWU, Prom. ebd. 1892: Ueber Lähmung des N. abducens bei Brüchen der Schädelbasis, Habil. f. gerichtl. Medizin ebd., 1921 nb. ao. Prof. ebd. 2133 Vgl. die Lebensläufe im Promotionsjahr 1916: Görner (1888 Zittau) übernahm eine von der preußischen Innenverwaltung vermittelte Stelle als Landarzt im samländischen Pobethen, ebenso Meer (1891 in österr. Gali­ zien) und Schlake (1888 in Westfalen) im Landkreis Königsberg. Knemayer (1883 in Westf.), Assistent in Kiel, nutzte die Abordnung an eine Irrenanstalt bei Gnesen zur Promotion bei Meyer, ebenso Lipper (1891 Braun­ schweig), der im Reservelazarett Dt. Eylau diente; so auch der schwer verwundet nach Königsberg gekommene Bayer (1889 Jauer/Schlesien) und der Berliner Neumann. 1917 promovierten der Rheinländer Cohnen (1890), der freiwillig im Kreis Ragnit praktizierte, bei Kirschner und der Elsässer Allot, der als Bataillonsarzt in Allenstein diente, bei Kißkalt (s. o. Anm. 2131).

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Thematisch ging etwa ein Drittel der Arbeiten, unter denen die von Meyer (Psychiatrie) und Kißkalt/Selter (Hygiene) betreuten quantitativ herausragen,2134 auf medizinische Fragen zurück, die entweder direkte Kriegsfolgen betrafen, zum Beispiel die Zunahme von Nierenentzündungen bei Frontsoldaten, die Gefahren der Kleiderläuse, die Therapie der Ruhr, die aus Rußland von deutschen Soldaten wie von russischen Gefangenen eingeschleppte Malaria in Ostpreußen,2135 oder die indirekt mit den Erfordernissen des „totalen Krieges“ zusammenhingen, so wenn Kißkalt in seinem Hygie­ nischen Institut Untersuchungen über die Körperkonstitution ostpreußischer Schulkinder anregte,2136 um deren spätere militärische Eignung prognostizieren zu können, Meyer sich zum einen verstärkt für die organischen Ursachen psychischer Krankheiten interessierte, zum anderen „Schwachsinn“ eher auf soziale als auf Erbfaktoren zurückführen ließ.2137 Für den Psychiater Meyer war der Krieg primär ein unerschöpfliches Erfahrungsreservoir. Auf der Kriegstagung des Deutschen Vereins für Psychiatrie, abgehalten im Herbst 1916 in München, referierte er über seine Erfahrungen mit ostpreußischen Flüchtlingen, denen er in Königsberg nach der russischen Invasion in großen Scharen begegnet sei, ohne bei ihnen eine spezifisch kriegsbedingte Steigerung der aus Friedenszeiten bekannten „Erschöpfungspsychosen“ festgestellt zu haben. Auch hier blieb sich Meyer treu, da er die Folgen des Krieges auf Einzel­ und Kollektivpsyche stets gering veran­ schlagte. Anders sein 1916 in Frankfurt mit schwer hirnverletzten Soldaten arbeitender Ex­Assistent Kurt Goldstein, der in München beschrieb, wie sehr seine Probanden unter dem „Trommelfeuer“ gelitten hätten. Organische Psychosen habe er auch eher selten festgestellt, aber im Anschluß an Er­ schöpfung und Schreck seien „hochgradige Verwirrtheitszustände“ häufig, einschließlich Analgesien und „Amokläufe“.2138

Rechnet man von 1916 bis 1918 alle an einem Lehrstuhl entstandenen Dissertationen, so führt die Psychiat­ rische Klinik mit 15 Arbeiten, gefolgt vom Hygienischen Institut (11), der Medizinischen Klinik (Innere Medizin: Schittenhelm/ab 1916: Matthes, alle 13 Dissertationen augenscheinlich ohne äußeren Anstoß durch den Krieg entstanden) und der Frauenklinik (5). Auffällig ist der fast völlige Ausfall von Augenheilkunde (3), Physiologie (1, noch bei Hermann vor 1914 entstanden), Anatomie (0), HNO (1), Dermatologie (1), Pädiatrie (0), Pharmazie (0), Gerichtsmedizin (2) und Pathologie (2), und auch in der Chirurgischen Klinik förderte Kirschner in drei Jahren nur drei Dissertationen. 2135 Vgl. die Dissertationen Erich Schultz (Nierenentzündungen), Jaruslawsky (Kleiderläuse), Kurtzahn (Thera­ pie der Ruhr), Meer (Malaria), sowie in diese Gruppe gehörend: Oleynick (Augenverletzungen während der er­ sten Kriegsmonate; „das Auge ist für den Soldaten im Felde eine der wichtigsten Waffen“), Jantzon (Vitiligo am Augenlid nach Verschüttung), Matz (Funktionsprüfung von Herz und Gefäßsystem bei gesunden und kranken Feldsoldaten), Hartwich (Künstlicher Lidersatz), Grau (Wärmebehandlung bei Gonorrhoe – „Heilung jedes Trip­ perkranken, um das Heer gesund und schlagfertig zu erhalten“). 2136 Vgl. oben Anm. 2131. 2137 Direkte Kriegsfolgen studierte nur sein Schüler Baumgarten (Hysterische Gangstörungen bei Kriegsteilneh­ mern), während Meyer ansonsten bestrebt war, unabhängig von kriegsbedingten, durch Schußverletzungen, Ver­ schüttung oder Entbehrungen verursachte Nervenleiden allgemein auf organische Beeinträchtigung untersuchen bzw. umgekehrt die körperlichen Symptome von Nervenkrankheiten eruieren zu lassen: Dieckert (Diagnostische Irrtümer … bei organischen und funktionellen Nervenleiden), Starfinger (Poliomyelitis anterior subacuta nach Trauma), Henrard (Körperliche Erscheinungen bei funktionellen Nervenkrankheiten), Knemayer (Körperliche Symptome bei dementia praecox). Von Meyer und Goldstein angeregt, ging Eliassow der ‚Erbliche[n] Belastung und Entwicklung von Hilfsschulkindern‘ an Königsberger Schulen nach, und stellte fest, daß der „erblichen Bela­ stung keine so große Bedeutung zukommt, als man im allgemeinen anzunehmen geneigt ist“, sondern schädliche Wirkungen auf dem überwiegenden „unheilvollen Einfluß des sozialen Milieus“ beruhten (1916, S. 27). Zu den genaueren Titeln der Diss. vgl. o. Anm. 1330. 2138 Kriegstagung des Dt. Vereins für Psychiatrie, München 21./22. 9. 1916, in: ZsPsych. 73, 1917, S. 163 ff., Re­ ferate Meyer u. Goldstein, S. 171 f. Vgl. zur Psychiatrie im I. WK: Lerner 1996.

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6.4.

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Die Philosophische Fakultät

6.4.1. Die Geisteswissenschaften Da die Seminarräume der Geisteswissenschaftler im Hauptgebäude oder in der Palästra Albertina lagen, wo bis 1916 Verwundete des Krieges gepflegt wurden, kam der Unterricht im WS. 1914/15 fast vollständig zum Erliegen. Im SS. 1915, unter den provisorischen Dächern des Zoologischen Museums und des Landwirtschaftlichen Instituts, etablierte sich aber bei den Neuphilologen und Historikern ein fast wieder normaler Lehrbetrieb. Goedeckemeyers Vorlesung über „Die Philosophie des 19. Jahr­ hunderts“ lockte die meisten an, nämlich unter diesen Umständen märchenhafte 83 Hörer. Hörer­ zahlen wie zu Friedenszeiten verzeichneten Haendcke („Das Zeitalter von Rubens bis Rembrandt“, 36 Hörer), Kaluza („Der englische Roman“, 31), Baesecke („Die deutsche Novelle seit Goethe“, 53), Uhl („Märchen und Sage“, 38), Baumgart („Deutsche Literaturgeschichte“, 30), Kowalewski („Einlei­ tung in die Philosophie“, 26) und der Geograph Hahn („Anthropogeographie“, 33). Der Slavist Rost, im Festungsbereich als Dolmetscher eingesetzt und daher abkömmlich, köderte mit seinem „Russisch für Fortgeschrittene“ nur einen Interessenten und auch sein Angebot für „Anfänger“ in der Sprache des soeben zurückgeschlagenen Feindes nahmen nur drei Studenten an. In das nach der Einberufung von Hesse und Gerlach verwaiste Staatswissenschaftliche Seminar kehrte im Juni 1915 wieder Leben ein, als der nach schwerer Verwundung entlassene Albert Hesse über die Wirkungen des Krieges auf das deutsche Wirtschaftsleben zu lesen begann.2139 Allerdings nicht in den Seminarräumen des Haupt­ gebäudes, die ihm wie Hahn, Goedeckemeyer usw. noch versperrt waren. Bei den Altertumswissenschaftlern fehlten der des Russischen mächtige Baltendeutsche Ludwig Deubner, der als Nachrichtenoffizier in der Armee Hindenburgs die Funksprüche des Feindes dechrif­ frieren half, und der als Landwehroffizier zum „ersten Aufgebot“ einberufene Karl Meister,2140 der nach einer Verwundung 1916 wenigstens vorläufig wieder lehrte und genug Zeit fand, um sich in ‚Die homerische Kunstsprache‘ einzuspinnen, in sein „epochemachendes“ Hauptwerk,2141 das mit der Annahme, die Quellen Homers lägen in „barbarischer Erde“, einmal mehr mit der Königsberger „Klas­

2139 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 140; Hesse (Lt., Res. IR 3) – PrMK v. 29. 4. 1915: Sich aus Halle meldend, schrieb der Nationalökonom, daß er z. Zt. an einer Herzneurose und Frostschäden an seinen Füßen laboriere. Da er deswegen längere Zeit nicht felddienstfähig sei, wolle er neben dem Garnions­ dienst wieder seine Lehrtätigkeit aufnehmen, wenn es gelinge, ihn nach Königsberg zu versetzen. Kurz darauf schilderte der sich in Bad Sachsa erholende Hesse, daß er von August 1914 bis zum 18. 1. 1915 an der Ostfront war, bis er an diesem Tag durch einen Lungenschuß verwundet wurde, unversorgt auf dem Schlachtfeld lag, von russischen Soldaten beraubt, mißhandelt und auf die Brustwehr ihrer Schützenstellung geschleppt. Die dort ver­ brachten 24 Stunden im Schnee hätten ihm auch noch eine Rippenfellentzündung eingebracht (ebd.; Bl. 144 f.; Hesse – PrMK v. 1. 5. 1915). – Gerlach dürfte ebenfalls spätestens 1916 wieder zur Verfügung gestanden und im WS. 1916/17 gelesen haben, wie aus einer Klage über den drastischen Rückgang seiner Kolleggeldeinnahmen (von 3.000 auf 300 M.) hervorgeht (an PrMK v. 17. 2. 1917, in: GStA …, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 304 f.) 2140 Meister war zum 1. 10. 1914 berufen worden, trat sein Amt aber zunächst nicht an, da er sich am 3. 8. 1914 von Berlin aus zu seiner Einheit begab (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bl. XXVII, Bl. 105 f.; Mei­ ster – PrMK v. 3. 8. 1914, darin auch die Einschätzung, daß er vermutlich erst nach Kriegsende nach Königsberg komme. Die ihm etwa zustehende Pension möge man im Fall des Falles seiner Witwe zukommen lassen). 2141 So die Einstufung von Viktor Pöschl 1964, wieder in: Ders. (Hg.) 1987, S. 10.

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sizität“ brach,2142 und das er nach dem Ende des „unseligen Krieges“ veröffentlichte.2143 Der an der Pensionsgrenze stehende Rossbach übernahm bis 1917, als Christian Jensen Deubner ersetzte,2144 die Stallwache im Seminar. Die Sprachvermittlung im Griechischen und Lateinischen lag weiter den Hän­ den des nicht viel jüngeren Johannes Tolkiehn, der offenbar vom Krieg unberührt seine in der Zunft als berüchtigt geltenden, haarspalterisch­mikrologischen ‚Philologischen Streifzüge‘ fortsetzte,2145 sowie in denen des Extraordinarius Heinrich Mutschmann, der erst 1918 dem Unterricht entzogen wurde, als er als Sanitäter an die Westfront kam, wo er in den ersten Einsätzen gefallen ist. Der Althistoriker Friedrich Münzer mußte wegen fehlender Teilnehmer im SS. 1915 Übungen aus­ fallen lassen und sprach auch im WS. 1915/16 lediglich einen „Herren und zwei Damen“ an. Auf den Beistand seines 70jährigen Kollegen Rudolph Schubert, der im Herbst 1915 in den Ruhestand ging, war er angesichts solchen Desinteresses daher kaum mehr angewiesen. Ungestört lehrte der militärisch untaugliche Brackmann weiter, durchaus mit aktuellem Bezug. Etwa mit Seminaren zur Entstehung des osmanischen Reiches oder des rumänischen Staates. Nebenher trug er im Auftrag des Oberpräsi­ denten Batocki Material zusammen, um den Krieg in Ostpreußen umfassend zu dokumentieren.2146 Meister 1921, S. 226–231. Das homerische Epos sei kein „Erbstück aus der urindogermanischen Vorzeit“, es sei „in Hellas geboren“, aber deswegen doch keine Schöpfung ausschließlich der Hellenen. „Älteste Zuflüsse“ kämen, wie Meisters sprachhistorische und grammatische Analysen beweisen wollen, von den kleinasiatischen Völkern, mit denen Griechen an der Küste des nordwestlichen Kleinasien zusammengewohnt hätten, „oft in denselben Städten, hier waren die freundlichen und feindlichen Beziehungen gewiß nicht allein durch den Ras­ sengegensatz bestimmt“. Daß man in Arthur Ludwichs Homer­Philologie und erst recht in den Quisquilien seines Schülers Tolkiehn (s. u. Anm. 2145) solche Erörterungen vergeblich sucht, zeigt wiederum anschaulich die Tiefe der Zäsur, die die Berufungen von Wünsch, Deubner, Meister hervorrief. 2143 Meister 1921, Ulrich v. Wilamowitz­Moellendorff gewidmet; im Vorwort Dank an die Kollegen Baesecke, Rost, Münzer, R. O. Francke, Pillet, Jensen und Bergsträsser. 2144 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd.XXVII, Bl. 322–326; PhilFak – PrMK v. 18. 2. 1917, Liste Nf. Deubner. Im Vordergrund stand für die Fakultät, wieder einen Gräzisten zu gewinnen, dabei mit der „gestiegenen Bedeutung“ kalkulierend, die Königsberg als Ausbildungsstätte nach dem (siegreichen) Krieg erhalten werde. Da­ her benötige man eine erfahrene Persönlichkeit, die den meist aus Landeskindern bestehenden altphilologischen Nachwuchs heranbilden könne. An erster Stelle setzte man Christian Jensen, der schon einmal auf Deubner gefolgt war, als es 1912 dessen Extraordinariat zu besetzen galt. Er sollte nun wieder von seinem Jenaer Ordinariat an die Albertina zurückgeholt werden, was zum SS. 1917 auch gelang. – 2. Karl Kalbfleisch, 1868 Gelnhausen–1946 Gie­ ßen, Prom. 16. 8. 1892 FWU: In Galeni de placitis Hippocratis et Platonis libros observationes criticae …, Habil. Freiburg 1897: Über Galens Einleitung in die Logik, 1900 b. ao. Prof. Rostock, 1903 Marburg, 1913–1934 oö. Prof. f. Klass. Philologie Gießen, schmales Werk, Studien hauptsächlich zur antiken Medizingeschichte u. Papy­ rologie, eher Latinist, von der Fakultät empfohlen wegen seiner unvergleichlich reichen Lehrerfahrung. – 3a. Paul Friedländer, 1882 Berlin–1968 Los Angeles, Prom. FWU 1905: Argolica: Quaestiones ad Graecorum historiam fabularem pertinentes, cap. I–III, Habil. FWU 1911, 1909–1913 Schuldienst, b. ao. Prof. FWU 1915, pers. Ord. Marburg 1920, Halle 1932, 1935 dort wg. jüd. Herkunft entlassen, 1939 Emigration USA, 1940–1949 Prof. Univ. of California, L. A., galt als einer der besten Platon­Kenner seiner Generation, von der Fakultät gerühmt als Kenner der griechischen Heldensage (wenn auch die aus der Diss. erwachsenen Herakles­Untersuchung auf „starken Widerspruch“ gestoßen sei), der ältesten griechischen Poesie, Verdienste als Editor, ideenreich und scharf­ sinnig, fesselnder Dozent. – 3b. H. Mutschmann (siehe Catalogus), der während der Abwesenheit Deubners und Meisters die Fahne der Klass. Philologie hochgehalten und recht erfolgreiche Lehrveranstaltungen abgehalten habe. Eine der literarisch fruchtbarsten Gräzisten seiner Generation, Hauptgewicht liegt bei ihm auf Edition der Werke eines der Häupter der „skeptischen Philosophenschule“, Sextus Empiricus. Die beiden bislang vorgelegten Bände dürften die Texte wohl „so gut wie abschließend festgestellt“ haben. 2145 Tolkiehn 1916; „aus langjähriger Beschäftigung mit den grammatischen Studien der Griechen und Römer“ entstanden (S. 7), waren diese seinem Schwiegervater gewidmeten Quisquilien bestimmt als Beitrag zu einer von ihm geplanten Ludwich­Festschrift zu dessen 50. Doktorjubiläum, die aber kriegsbedingt nicht zustande kam. 2146 „Ich selbst stecke in tüchtiger Arbeit. Der neue Oberpräsident, zu dem ich infolge mehrerer öffentlicher Reden ein gutes Verhältnis gewonnen habe, hat mich um die Vorbereitung einer ‚Geschichte der Russenzeit Ostpreußens‘ 2142

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Neue Arbeit kam mit dem deutschen Vormarsch im Sommer 1915 auf ihn zu. Die Gründung der Militärverwaltung Ober Ost hatte die Inspektion russischer Archive zur Folge. Brackmann übernahm dabei deren Sicherstellung und Auswertung im Rahmen seiner Tätigkeit am Institut für ostdeutsche Wirtschaft (siehe oben). Krauske, in dessen Vorlesung über „Die europäische Geschichte seit 1813“ im SS. 1915 respek­ table 35 Hörer saßen, fand für das gleichzeitig angebotene Seminar keine Teilnehmer, konnte im WS. 1915/16 aber ein Seminar über Seckendorffs „Vom teutschen Fürstenstaat“ abhalten. Krauske und Brackmann zogen den Karren alleine noch bis Kriegende weiter, da Spangenberg, der in einem Infanterieregiment bis zum Bataillonsführer aufrückte, und Stolze den grauen Rock trugen, während Seraphim seit Oktober 1915 in der Besatzungsverwaltung Kurlands an der Reorganisation des Schul­ wesens mitarbeitete2147 – mithin alle drei Historiker bis zum November 1918 fortblieben. Daß ge­ rade der fließend russisch, lettisch und polnisch parlierende Seraphim nicht greifbar war, dürfte auch die im Zeichen der „Auslandskunde“ gemachten Anstrengungen behindert haben, den „politischen Wandlungen des Krieges“ endlich mehr Rechnung zu tragen, und vom Ministerium eine verstärkte Förderung der „russisch­polnischen Geschichte“ zu verlangen, zumal wegen der vitalen Interessen Ost­ preußens und des gesamten deutschen Ostens „in diesen Ländern“ und um ihren Zusammenhang mit der deutschen Geschichte ins öffentliche Bewußtsein zu heben. Die stille Hoffnung, mit einer solchen Demarche Seraphim aus Kurland zurückzuholen, erfüllte sich aber so wenig wie der Wunsch nach einem eigenen osteuropäischen Seminar samt Bibliothek und muttersprachlichen Lektoren.2148 Die Germanisten Baesecke und Baumgart hielten zumindest ihre Vorlesungen bis 1916 in ge­ wohnter Weise ab. Baesecke, stets gut beraten von Bezzenberger und Ziesemer, schrieb unverdros­ sen, da nur zur „kurzen ruhmlosen Soldatenzeit“ dem Schreibtisch entzogen, an seiner im „goldenen Frieden“ begonnenen, selbst während der „ostpreußischen August­ und Septembertage 1914“ nicht beiseite gelegten ‚Einführung in das Althochdeutsche‘, die ihm, in der Hoffnung, diese „beschämt­ stille wissenschaftliche Arbeit“ möge als Leistung für das Vaterland gelten, ein „Ruhe­ und Freude­ bringer“ in den „Stürmen“ des Krieges war, und die er im Oktober 1917 abschloß mit dem Wunsch, sie möge hindurchdringen durch die „rasende“ in die „deutsch befriedete Welt“.2149 Ziesemer, im Juni 1915 eingerückt, vervollständigte bis dahin weiter seine Zettelkataloge zum ‚Preußischen Wörter­ buch‘, sammelte volkskundlich verwertbare Photographien über die Kriegsverwüstungen in Memel, Schirwindt, Eydtkuhnen usw., und freute sich über ein Geschenk, „13 Aufnahmen des Tannenberger Schlachtfeldes“, ebenso über Fotos, die der Landeskonservator Dethlefsen ihm aus seinem Fundus über den Wiederaufbau Ostpreußens überließ.2150 Der Romanist Pillet war bis Januar 1916 eingezogen ersucht und mir völlig freie Hand für diese Vorbereitung gelassen. Daneben halte ich Vorlesungen (vor 22 Hörern) und Seminar (8 Teilnehmer) und war bis vor kurzem auch im Dienste des Roten Kreuzes. Was nach Abschluß aller jener übernommenen Arbeiten wird, weiß ich noch nicht. Es hängt ja alles von dem weiteren Verlauf des Krieges ab, so daß man nicht über die Gegenwart hinausblicken kann […]“, in: GStA, VI. HA, Nl. Kehr, Nr. 8, Bl. 660; Brackmann – Paul Kehr v. 25. Mai 1915. Offiziell wurde die Einrichtung dieser Sammlung erst im Herbst 1915 bekannt gegeben, KW 8, 1915/16, S. 99, Ausgabe v. 4. 11. 1915. In der UBK aufbewahrt, bildete sie die Materi­ albasis für Brackmanns Schüler Fritz Gause, der daraus sein 1931 erschienenes zeithistorisches Meisterwerk über ‚Die Russen in Ostpreußen 1914/15‘ komponierte. 2147 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bl. XXVII, Bl. 182; Seraphim – PrMK v. 18. 9. 1915: Er begebe sich in den nächsten Tagen nach Mitau, wo er in der Zivilverwaltung als Dezernent für Schulwesen tätig sein werde. Meldung darüber in: KW 8, 1915/16, S. 11, Ausgabe v. 11. 10. 1915. Mit dem Zusatz, daß einer seiner Brüder, der Königsberger Rechtsanwalt Dr. Richard S., der Militärverwaltung bereits als Bürgermeister von Mitau diene. 2148 Ebd., Bl. 302; PhilFak – PrMK v. 11. 1. 1917; offenbar blieb es bei der Unterstützung von 1.000 M. zur An­ schaffung von historischer und landeskundlicher Literatur, die Brackmann im Ministerium ausgehandelt hatte. 2149 Baesecke 1918, S. VII. 2150 „Ich bin zur Feldartillerie gekommen. Da aber dort der Bedarf noch nicht so groß ist, werde ich voraussichtlich noch einige Zeit warten können, ehe ich einberufen werde. Bis dahin setze ich meine bisherigen Arbeiten ruhig

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und setzte dann seine Lehrtätigkeit mit Unterbrechungen fort,2151 natürlich ohne seinen zu Kriegsbe­ ginn ausgewiesenen französischen Lektor, für den der betagte Gymnasialdirektor Otto Portzehl und der UB­Direktor Alfred Schulze einsprangen. Mehr als durchschnittlich zehn Teilnehmer ließen sich bei Pillet jedoch nicht blicken. Ähnlich schwachen Besuch verzeichnete Kaluzas Englisches Seminar. Allergeringsten Zuspruch meldeten der Sanskritist Franke und der Assyriologe Peiser. Der Indogerma­ nist Bezzenberger, Jahrgang 1851, kränkelte zunehmend. Im WS. 1915/16 mußte er sich deswegen beurlauben lassen. Für seine große Stunde als „Krisenrektor“ von 1918 bis 1920 schien er sich aus­ ruhen zu wollen. Die nicht sehr schwere Unterrichtslast, auch bei ihm fanden sich nur ein Handvoll Hörer ein, mußte er zumeist ohne seine Privatdozenten bewältigen. Denn Hugo Ehrlich fiel im Kampf gegen die russischen Invasionsarmeen in der ersten Masurenschlacht im September 1914, Julius von Negelein tat seit 1916 Dienst im Heer.2152 Mißt man die Lebendigkeit des akademischen Betriebs in der Fakultät an der Zahl der Promotions­ verfahren, scheint sich die Albertina auf den ersten Blick nicht ganz in eine, wie Brackmann klagte, „höhere Töchterschule“ verwandelt zu haben. Doch von den knapp sechzig Promotionen, die das Hochschulschriftenverzeichnis für die Kriegsjahre nachweist, fallen zwanzig noch in die letzten Frie­ densmonate, oder das Rigorosum fand kurz vor dem Ausrücken der Doktoranden zwischen August und Dezember 1914 statt. Fünf Doktoranden der Jahrgänge 1863 bis 1884 durften altersbedingt daheim bleiben; dazu kamen sechs Frauen, von denen die meisten ihre Dissertation aber auch schon bis Ende 1914 eingereicht hatten. Sieben Lebensläufe verraten, daß die Promovenden infolge schwerer Verwundung oder gesundheitlicher Beeinträchtigung aus dem Heer entlassen worden waren und ihr Studium wieder aufnehmen konnten. Daneben fallen einige Jüngere auf, die offenkundig als untaug­ lich nicht zum Militärdienst herangezogen wurden und sieben Kandidaten, die während ihres Fron­ turlaubs ins Rigorosum gingen. Ältere Semester, Invaliden, Urlauber, militärisch Untaugliche und Frauen stellten also während der vier Kriegsjahre den „akademischen Nachwuchs“ der Fakultät, die damit durchschnittlich sieben Doktordiplome pro Jahr verlieh, ein Absturz im Vergleich mit den 50 Verfahren, die seit 1910 alljährlich zum Abschluß kamen. fort. Hier in Königsberg merken wir begreiflicherweise mehr vom Kriege als weiter im Westen. Sogar Danzig, wo ich Pfingsten war, zeigt ein viel weniger kriegerisches Bild als unsre Stadt. Täglich sieht man hier kleinere und größere Trupps von Soldaten blumengeschmückt und singend ausrücken. Im Sept. vorigen Jahres hörten wir hier Tage lang den Kanonendonner von den Kämpfen an der Deimelinie. Die Provinz selbst sieht in den Grenzgebie­ ten furchtbar aus. Man kann sich davon trotz aller Photographien und Berichte keine rechte Vorstellung machen: das muß man sehen! In Königsberg ist die Stimmung zuversichtlich und gut. Gewiß haben die ostpreußischen Regimenter besonders stark gelitten, aber die Ostpreußen sind auch stolz auf ihre braven Landsleute.“ – BBAW, Nl. Behrendt; Ziesemer an Fritz Behrendt v. 5. 6. 1915. – Militärisch wurde Ziesemer auch bis Jahresende offenbar kaum beansprucht, denn am 8. 11. 1915 stand er als Hauptreferent für die VGOW­Sitzung im noblen Berliner Hof am Steindamm zur Verfügung und sprach über „Geschichte und Aufgaben der Dialektforschung in Ost­ und Westpreußen“ (SB­VGOW 1915/16, S. 1 f.). Vgl. Ziesemer 1914, 1915 a + b. 2151 Im Herbst 1916 meldete der Kurator, Pillet habe seine Lehrtätigkeit „wieder in vollem Umfang“ aufgenom­ men (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bl. XXVII, Bl. 235; Kurator – PrMK v. 25. 9. 1916). 2152 Fraglich ist, ob v. Negelein, der sich 1900 als Krankenpfleger freiwillig gemeldet hatte, um mit dem deutschen Expeditionskorps nach China gegen die „Boxer“ zu Felde zu ziehen, nicht schon im August 1914 „dabei“ sein wollte und gewesen ist. Das wäre der Fall, wenn der Indogermanist mit jenem v. Negelein identisch wäre, der in den Erinnerungen des Festungskommandanten v. Busse (1919) gelegentlich Erwähnung findet als Redakteur der den Kampfgeist stärkenden Zeitung der „Feste Boyen“, einer Schlüsselstellung an der masurischen Seenplatte, am Westrand Lötzens gelegen. Aus einem Schreiben v. Negeleins an den Kurator v. 8. 3. 1915 – immerhin: aus Lötzen! – geht diese Identität mit letzter Sicherheit nicht hervor. Es heißt darin, daß er sich am 31. Juli 1914 „zur Beteiligung am Feldzug“ gemeldet hatte und am 11. 8. einer mobilen Formation der „Akadem. Genossenschaft für freiw. Krankenpflege im Kriege“ zugeteilt worden war, erwähnt aber nicht deren Einsatz in der seit dem 24. 8. 1914 von Rennenkampfs Truppen belagerten Feste Boyen (GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 11, Bd. V, unpag.).

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Da der größte Teil der Arbeiten vor Kriegsbeginn angeregt worden war, blieb eine thematische Anpassung an politisch oder militärisch induzierte Fragestellungen aus. Nur im Institut für ostdeut­ sche Wirtschaft und an Hesses Lehrstuhl ist eine davon abweichende Praxis zu beobachten. Hesses Assistent Georg Metz, als Kriegsinvalide Anfang 1916 aus dem Heer entlassen, untersuchte im Rah­ men der Wiederaufbau­Denkschrift das ostpreußische Gewerbe2153 und der Mittelschullehrer Robert Stein erstellte zwecks Nutzanwendung für die Gegenwart seine historische Studie zur Besitzverfassung Ostpreußens.2154 Aktuelle Probleme berührte auch die Dissertation des Veterinärs Reinhold Gohr, der Determinanten der Lebensmittelteuerung in Königsberg seit 1893 zu bestimmen versuchte, um da­ mit letztlich die von ihm wohlweislich ausgesparte, kriegsbedingte Teuerung zu relativieren.2155 Ein Gerlach­Schüler, aus dreijähriger russischer Gefangenschaft schwer lädiert zurückgegekehrt, legte im Handumdrehen eine Studie über die deutsche Preisfestsetzungspolitik vor, die sich ähnlich wie Hesses öffentliche Vorträge zum Thema darum bemühte, die nationalökonomische Weisheit dieser Form des Kriegssozialismus zu preisen.2156

6.4.2. Die Natur- und Agrarwissenschaften Personell bewegte sich bei den Naturwissenschaftlern während der Kriegszeit wenig. Lediglich zwei Neuberufungen in Geographie und Mathematik waren erforderlich. Der Geograph Friedrich Hahn, über dessen Leistungsschwäche der Kurator schon vor Kriegsbeginn geklagt hatte,2157 verstarb im Fe­ bruar 1917. Sein Nachfolger sollte ein Kenner des der Fakultät im Rahmen der Auslandsstudien zu­ gewiesenen russischen Kulturraums sein. Mit dem Greifswalder Ordinarius Max Friederichsen, der in Warschau die landeskundliche Kommission des Generalgouverneurs leitete, war dieser Fachmann

Metz, G., Das Gewerbe in Ostpreußen, Phil. Diss. 1918 (238 S.!). – 1883 Zöschingen/Dillingen, kath., HG Günzburg 1904, jur. Studium München, Erlangen bis 1908, StE, 1908–1910 HHS Berlin, 1910 Dipl. Kfm., bis 1915 „in industriellen Firmen“, Ende April 1915 zur militärischen Ausbildung nach Königsberg eingezogen, 1915/16 Teilnahme am Feldzug in Galizien, erkrankt, Rückkehr nach Königsberg, Frühjahr 1916 Assistent IOW. 2154 Stein, R., Die Umwandlung der Agrarverfassung Ostpreußens durch die Reform des 19. Jahrhunderts, Bd. I: Die ländliche Verfassung Ostpreußens am Ende des 18. Jahrhunderts, Phil. Diss. 1918 (Druckfassung, als Heft 5 von Hesses Denkschrift: 543 S.!), R.: Hesse/Krauske. – 1878 Grünhain/Kr. Wehlau, V: Glöckner, Präparandenan­ stalt Lötzen u. Seminar Osterode, Volksschullehrer, seit 1906 in Königsberg, 1909 ebd. Mittelschullehrer, mehrere Jahre Hospitant AUK u. ein Semester FWU. Stein konnte das auf drei Bände angelegte Werk 1933/34 abschließen (die beiden im Selbstverlag erschienenen Bände umfassen 800 Seiten). 1937 trat er noch einmal als agrarhisto­ rischer Fachmann auf den Plan, in einer scharfen Rezension der Baseler Dissertation Marion Gräfin Dönhoffs. Im April 1945 wurde er zusammen mit Frau und Tochter in seinem Haus in Königsberg­Juditten von der Soldateska der Roten Armee ermordet (nach Reinholds Helings biographischer Notiz zur Neuausgabe von Bd. I, Hamburg 1997, S. XVII* f.). 2155 Gohr, Die Verteuerung der Lebensmittel in Königsberg in den letzten 20 Jahren, Phil. Diss. 1917; der Ver­ fasser, der im SS. 1918 Otto Müller als Leiter der Univ.­Tierklinik vertrat, hatte neben seiner Tätigkeit als städt. Veterinär ein schon 1911 begonnenes nationalökonomisches Studium abgeschlossen und bis 1916 in Hesses Staatswiss. Seminar hospitiert. 2156 Spannenkrebs, Karl, Die Preisfestsetzungspolitik der deutschen Kriegswirtschaft, Phil. Diss. 1917, R.: Ger­ lach. – 1893 Breslau, V.: Seminardirektor, 1913 G Bromberg, german. Studium AUK, FWU, Innsbruck, 1914 Fahnenjunker, 1915 bis Ende 1917 russische Gefangenschaft, Verlust des rechten Auges, Verkrüppelung der rech­ ten Hand. 2157 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 110; Kurator – PrMK v. 18. 5. 1914 wg. Ersatzprofessur für den schwächeln­ den Hahn. 2153

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schnell gefunden, der im WS. 1917/18 das nun finanziell besser ausgestattete Geographische Seminar neu organisierte, die Bibliothek ausbaute und die ihm übertragenen „Ostaufgaben“ anpackte.2158

2158 GStA …, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 287–289; PhilFak – PrMK v. 9. 3. 1917 9 Liste Nf. Hahn: 1a. Max Friede­ richsen (s. Catalogus): Bei ihm fiel für die Fakultät die frühe Rußland­Erfahrung ins Gewicht (Teilnahme an einer Expedition der Universität Tomsk in sibirische Gebirgsregionen, 1902); dazu die Tätigkeit als Leiter der landes­ kundlichen Kommission in Warschau, die mit einer Gesamtaufnahme und Darstellung des besetzten Russisch­ Polen beauftragt war. Zudem war Fr. 1915 mit einer Übersicht über ‚Die Grenzmarken des europäischen Rußland‘ hervorgetreten. Da sein „Hauptinteresse“ somit der „Landeskunde des östlichen Europa“ galt, deren „Pflege in nächster Zukunft von großer Wichtigkeit“ sein werde, käme mit ihm der richtige Mann nach Königsberg. Von Belang wäre zudem die Anbindung des Geographen an das 1916 gegründete Institut für ostdeutsche Wirtschaft (IOW), dieser projektierten „Centralstelle für auswärtige Forschungen“ und das „Auslandsstudium“. Das Ministe­ rium habe durch Errichtung des IOW anerkannt, daß die Albertina eine der Zentren für osteuropäisch­russische Studien werden solle und die Denkschrift des Hochschulreferenten C. H. Becker über das Auslandsstudium habe diesem Gedanken neuen Auftrieb gegeben. – 1b. Robert Gradmann, 1865 Lauffen/Neckar–1950 Sindelfingen, ursprünglich Theologe, 1891–1901 Stadtpfarrer Forchtenberg, 1898 Prom. Tübingen: Pflanzenleben der schwä­ bischen Alb, 1901–1919 Bibliotheksdienst UB Tübingen, ebd. 1909 Habil. f. Geographie bei Karl Sapper: Ge­ schichte des Getreidebaus im römischen und deutschen Altertum, 1913 erschien sein Hauptwerk, eine ‚Sied­ lungsgeographie des Königreichs Württemberg‘, 1919–1934 oö. Prof. Erlangen. Als ein ganz auf Süddeutschland konzentrierter Geomorphologe, Siedlungs­ und Pflanzengeograph kam Gradmann offenkundig nur eine Platz­ halterfunktion auf der Liste zu, als ernsthaften Konkurrenten zu Friederichsen konnte ihn das PrMK nicht auf­ fassen. Immerhin glaubte man ihn aufgrund seiner siedlungsgeographischen Arbeiten hinreichend vorbereitet zur „wissenschaftlichen Erschließung des Ostens“. Vgl. NDB VI, S. 703–705. Er selbst erinnerte sich ungern an die „drohende“ Berufung in den Nordosten: „Eine Übersiedlung nach Königsberg wäre für die meinigen ein Marty­ rium gewesen“ (Gradmann 1965, S. 116). – 2a. Gustav Braun, 1881 Dorpat–1940 Oslo, Sohn des Königsberger Zoologen Maximilian Braun, 1903 von Hahn mit ‚Geographischen Studien‘ über ‚Ostpreußens Seen‘ promoviert, anschließend dessen Privatassistent. Während der Studienzeit in Göttingen von Hermann Wagner (1876–1880 der erste Inhaber des Königsberger geogr. Lehrstuhls) für die naturwissenschaftliche Seite des Faches begeistert. 1912 b. ao., 1913 oö. Prof. f. Geographie in Basel, Schwerpunkt: physikalische Geographie, Geomorphologie, Kooperation mit der geomorphologischen Schule des US­Gelehrten William Morris Davies; 1919 oö. Prof. Greifs­ wald, 1933 aus politischen Gründen zeitweise in Haft und zwangsweise in den Ruhestand versetzt (s. Stamm­ Kuhlmann 2006, S. 416 f.). – 2b. Alfred Merz, 1880 Perchtolsdorf bei Wien–1925 Buenos Aires, Penck­Schüler, Prom. Wien 1907: Beiträge zur Klimatologie und Hydrographie Mittelamerikas, Habil. FWU 8/1909: Die phy­ sikalischen Verhältnisse des Golfes von Triest, 1911: Hydrographische und biologische Untersuchungen auf den deutschen Feuerschiffen der Nordsee, 1911 erste ozeanographische Forschungsreise im Südatlantik, 1921 oö. Prof. FWU, Klimatologe, Meeres­ und Seenkunde mit Schwerpunkt Südeuropa, Mittelmeer, Schwarzes Meer, posthum dazu: Hydrographische Untersuchungen Bosporus und Dardanellen [1914–1917 im Auftrag des Reichsmarine­ amtes durchgeführt], bearb. v. Lotte Möller, 1928; Begründer der Groß­Berliner Volkshochschule, vor allem aber berühmt geworden als geistiger Urheber, Planer und Organisator der „Deutschen Atlantischen Expedition“, 1925 bis 1927 auf dem Forschungsschiff „Meteor“ (das Merz infolge einer tödlichen Erkrankung am La Plata verlassen mußte). Von der Albertina nahm der Geologe Otto Pratje (s. Bd. II) an dieser kostspieligsten, aber auch prestige­ trächtigsten deutschen Forschungsunternehmung der Weimarer Zeit teil. – 3. Alfred Rühl, 1882 Königsberg– 1935 Morschach/Vierwaldstätter See, Sohn des Königsberger Althistorikers Franz Rühl, Schüler Ferdinand von Richthofens in Berlin, ebd. 1906 promoviert, 1909 Habil. Marburg, 1912 Abt. vorsteher Institut f. Meereskunde Berlin, 1914 ao. Prof., 1930 oö. Prof. ebd., vgl. APB 1052, primär Wirtschaftsgeograph. – Die Vereinbarung mit Fr. erfolgte am 23. 5. 1917 zum WS. 1917/18; als Direktor des Geogr. Seminars war ihm als „Sonderaufgabe“ die „Pflege der osteuropäischen Länderkunde, insbes. Landeskunde der ostbaltischen Gebiete“ aufgetragen worden. Der Instituts­Etat wurde auf jährlich 1.000 M. erhöht, 4.000 extraordinär gab es für 1917/18, dazu 500 M. jähr­ lich für Exkursionen und erstmals Mittel für einen Assistenten (ebd., Bl. 291). Im SS. 1917 mußte Friederichsen von dem Bonner Privatdozenten Otto Quelle kurzfristig vertreten werden (ebd., Bl. 276–280; s. Catalogus). – Vorschläge zum Aufbau geogr. Seminare von Fr. schon 1914 veröffentlicht.

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Bei den Mathematikern kam es zu einem Wechsel, als Böhm zum SS. 1917 einen Ruf an die TH Karlsruhe annahm. Für nur vier Semester folgte ihm der Leipziger Geometer Wilhelm Blaschke,2159 der in den 20er Jahren, in seiner Hamburger Zeit, zum „führenden“ Mann seines Faches heranwuchs, eine Position, die er nutzte, um berufungspolitisch starken Einfluß auszuüben.2160 Bei den Mathematikern und Physikern gab es im Vorlesungsbetrieb zwar Beeinträchtigungen, aber ansonsten herrschte bei Volkmann (Jahrgang 1856) und Kaufmann (1871) Normalität. Allerdings ent­ behrten sie ihre Assistenten und das technische Personal, was die Experimentalausbildung behinderte. Volkmanns aus Memel stammender Assistent Louis Boettcher war Soldat vom ersten Kriegstag an, er fiel im Dezember 1915 an der Westfront. Die Sternwarte verlor ihren Observator Ernst Jost im August 1915 an den Militär­Wetterdienst, der Assistent Artur Werner, auch seit dem 1. August 1914 an der Front, tat nach schwerer Verwundung in der Garnison Thorn Dienst, der Rechner Kruse an einer Feldwetterstation im Westen. Die wissenschaftliche Tätigkeit hatte der Ordinarius Battermann somit fast vollständig einstellen müssen. Nur den von Heer und Marine beanspruchten Zeitdienst konnte der Astronom weiterhin aufrecht erhalten. Doch auch Battermann fiel Mitte 1917 unter ominösen Umständen aus: Seine Frau hatte sich von Ernst Meyer, dem Leiter der Universitäts­Nervenklinik, ein Attest beschafft, um ihren Gatten als unheilbar an Paralyse leidend in einer Nacht­und­Nebel­Aktion in die Heilanstalt Eberswalde verbringen zu lassen, wo es ihm gelang, seine „Entführung“ dem Mini­ sterium zu melden, „befreit“ zu werden, aber lediglich als nicht mehr diensttauglich nach Königsberg zurückzukehren, wo Jost zum Kriegsende die Geschäfte übernahm.2161 Bei den Geologen ging es besser, so daß sogar Exkursionen zur Nehrung und ins Samland möglich waren, jedoch konzentrierte sich die Arbeit unter dem neuen Extraordinarius Karl Andrée weitgehend auf die Aufräumung und Umordnung der Sammlungen sowie die Katalogisierung größerer Ankäufe, für die man im Krieg noch Zeit erübrigte. Der Ordinarius Bergeat (Jg. 1866), obwohl älter als An­ drée (1880), rückte am dritten Mobilmachungstag zu seinem bayerischen Ersatzbataillon ein und GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd., Bl. 255–258.; PhilFak – PrMK v. 11. 1. 1917, Vorschlagsliste Nachfolge Böhm: 1a. Wilhelm Blaschke (s. Catalogus), b. ao. Prof. TH Prag, 1915 oö. Prof. Leipzig, Schwer­ punkte, die die Auswahl der Fakultät bestimmten: höhere Orientierungsgeometrie, Probleme der Maximums­ u. Minimumseigenschaften geometrischer Gebilde sowie Reihen­ und Funktionentheorie. – 1b. Hermann Weyl, 1885 Elmshorn–1955 Zürich, 1910 Promotion und Habilitation Göttingen, 1913 ord. Prof. ETH Zürich, gelobt als „hervorragender Vertreter der analytischen Göttinger Schule“ der beiden ehemaligen Königsberger Ordinarien David Hilbert und Hermann Minkowski. – 2a. Fritz Hartogs, 1874 Brüssel–1943 München (Freitod), „Prings­ heimsche Schule“ (d. h. von Alfred Pringsheim, 1850–1941, dem Schwiegervater von Thomas Mann), 1903 Prom. München: Beiträge zur elementaren Theorie der Potenzreihen und der eindeutigen analytischen Funktionen zweier Veränderlichen, 1905 Habil. ebd.: Zur Theorie der analytischen Funktionen mehrerer unabhängiger Ver­ änderlichen …, 1910 nb. ao. Prof. u. LA f. Elementarmathematik ebd., 1913 ebd. b. ao. Prof. f. darstellende und synth. Geometrie, von ihm wichtige Beiträge zur Weiterentwicklung der höheren Funktionentheorie, 1935 wg. jüdischer Herkunft entlassen. – 2b. Robert Koenig, 1885 Linz–1979 München, Prom. Göttingen 1907, Habil. Leipzig 1911 über die Lösung des Schwarzschen Abbildungsproblems von 1870, b. ao. Prof. Tübingen 1914, 1915 im fachwiss. Beirat der Kartographischen Abt. des stellv. Generalstabes, zuständig für Höhere Geodäsie, zwischen 1914 und 1920 Studien über Riemannsche Funktionen­ und Differentialsysteme, die Riemannschen Transzen­ denten; oö. Prof. Münster 1922, 1927 Jena, 1947 Lehrstuhlvertretung München, dort sein Hauptwerk vollendet: Mathematische Grundlagen der Höheren Geodäsie, Bd. I: Das Erdsphäroid und seine konformen Abbildungen. 2160 Lt. einer knappen Einschätzung von Krull 1970, S. 43. 2161 GStA, Sek. 11, Tit. X, Nr. 16, Bd. VIII, Bl. 233–269 über Personalia 1914–1917 und Bl. 269–279 zu Batter­ manns „Entführung“. In seinem Hilfsersuchen aus dem Eberswalder „Sanatorium“ („eigentlich mehr eine Irren­ anstalt“) erklärte Battermann das Verhalten seiner Frau, die ihn mit Hilfe ihres Bruders und eines Königsberger Psychiaters im Amtszimmer der Sternwarte überfallen und „trotz meiner Proteste sofort zur Bahn ab[geführt]“ habe, um ihn nach Eberswalde zu verfrachten, wo er „in strengster Haft gehalten“ werde, mit dem „Neid“ auf die ewige „Nachtarbeit“ im Turm der Sternwarte (an PrMK v. 11. 10. 1917), vielleicht nur eine Umschreibung für die so grundlose wie krankhafte Eifersucht der kinderlosen Professorengattin.

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stand bis zum Beginn des SS. 1917 im Heeresdienst, vermutlich einige Zeit auch als Kriegsgeologe.2162 Die im August 1914 evakuierte Bernsteinsammlung kehrte zurück und war ab Januar 1916 wieder für das Publikum, für „Schulen und verwundete Krieger“, geöffnet. Die von den Geologen betreute Erdbebenforschung in der Station Gr. Raum ruhte hingegen. Ein Vorstoß von Fakultät und Kurator zwecks Aufstockung des Extraordinariats, unter Hinweis auf die während des Krieges enorm gestiegene Bedeutung der Geologie, insbesondere aber auf die das Königsberger Institut nach Friedensschluß erwartende geologische „Durchforschung Litauens und Kurlands sowie der an Ostpreußen angren­ zenden polnischen Landesteile“, wurde im Ministerium ignoriert.2163 Lebendigeres Treiben registrierten die Botaniker und Zoologen, wo der Andrang der Studierenden ungebrochen schien. Der Botaniker Mez schied Anfang 1916 krankheitshalber aus dem Heeresdienst aus und kehrte ans Institut zurück. Braun, in seinem Spezialfach plötzlich ein ungewöhnlich gefragter Mann und vielfach Auskünfte über Parasiten an Kriegslazarette in ganz Deutschland erteilend, durfte sich über den 1915/16 fertiggestellten Hörsaal­Neubau freuen, mußte aber seinen Assistenten Lühe entbehren, der als Feldarzt an der Ostfront diente und dort 1916 einer Ansteckung erlag. Auch der As­ sistent Alfons Dampf fehlte kriegsbedingt. Er hatte sich während einer Forschungsreise in Ostafrika der Schutztruppe Lettow­Vorbecks angeschlossen und war 1917 in englische Gefangenschaft geraten.2164 Am Landwirtschaftlichen Institut fand lediglich ein empfindlich reduzierter Lehr­ und Versuchs­ betrieb statt. Vor allem Feld­ und Tierversuche litten unter Personalknappheit. Hinzu traten Wetterka­ priolen, zu trockene Frühjahrsmonate und nasse Sommer 1915 wie 1916. Der starke Mann des Insti­ tuts, der Tierzüchter Johannes Hansen, hatte im WS. 1915/16 daher viel freie Zeit zur Abfassung einer „Denkschrift“ über die Landwirtschaft in Ostpreußen, die gedruckt 500 Seiten füllte.2165 Trotzdem konnte er im Verlauf des Kriegsjahrs 1916 seine Abteilung soweit reorganisieren, daß er bis Kriegsende in größerem Maßstab Prüfungen von Ersatzfuttermitteln durchführte, im Auftrag des Berliner Kriegs­ ausschusses für Ersatzfutter.2166 Unbefriedigend waren die Verhältnisse in der Abteilung für Pflanzenkunde, die Mitscherlich leitete. Dessen Assistent Reinhold Hoffmann zog im August 1914 sofort Uniform an, focht in der Schlacht von Tannenberg mit und, nachdem er als Reserveleutnant 1916 ausgeschieden war, diente bis zum Kriegsende als landwirtschaftlicher Berater in der Zivilverwaltung der 8. Armee in Kurland. 1915/16, als Prorektor zudem mit Geschäften überhäuft, blieb Mitscherlich keine Zeit, experimentell tätig zu sein.2167 Auf dem Versuchsgut Gutenfeld habe daher nur eine „bescheidene Anzahl von Dün­ gungsversuchen“ stattfinden können.2168 Bei den Milchwirtschaftlern fiel Hittcher im WS. 1915/16 wegen einer 1917 tödlich endenden Erkrankung aus, so daß der Institutsbetrieb zwei Jahre ruhte, bevor mit Walther Grimmer ein Nachfolger gefunden wurde, der dem Landwirtschaftlichen Institut

GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. VII, Nr. 1, Bd. XIX, unpag. GStA …, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 359 f.; PhilFak und Kurator – PrMK v. 10. 12. 1917. 2164 Siehe Catalogus. 2165 Hansen 1916a. 2166 GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Bd. XII, unpag.; Hansen – PrMK v. 28. 12. 1916 wegen Ersatzes für den gefallenen Assistenten Schweiger, da er in Labor und Versuchsstall Futtermittelersatz prüfe, und an den Ergebnis­ sen dieser Versuchsreihen sei die Kriegswirtschaft „in höchstem Maße interessiert“. Hansen mußte dafür erstmals auf weibliche Kräfte zurückgreifen, hatte aber mit Margarete Lunkwitz Pech, die er schon nach wenigen Wochen wieder entließ, weil sie seinen Anforderungen nicht genügte. Erst mit Elisabeth Suplie (1880 Insterburg), die sich unter Zielstorff in der Lw. Versuchsstation Insterburg bewährt hatte, fand er zum 1. 3. 1917 eine tüchtige Hilfs­ assistentin, die ihm bis zu ihrer Verheiratung im Frühjahr 1920 diente. 2167 Seine Vorlesungstätigkeit sei „sehr beschränkt“ gewesen (d. h. er dozierte vor zwei Hörern!), die „Institutstätig­ keit“ (Labor­ und Feldversuche) auf „ein Minimum gesunken“; Mitscherlich 1945, S. 30. 2168 Chronik AUK 1916, S. 43. 2162 2163

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bis 1944 erhalten geblieben ist.2169 Die Tierklinik nutzte die Heeresverwaltung als Pferdelazarett. Der Agrikulturchemiker Stutzer, Jahrgang 1849, gestand im Sommer 1915 ein, den neuen kriegsernäh­ rungswirtschaftlichen Problemen nicht mehr gewachsen zu sein und bat um seine Emeritierung zum Ende des WS. 1915/16.2170 Die von ihm, Mitscherlich und Hansen vorgeschlagene Nachfolgeregelung stand im Zeichen des vor allem von Hansen verfolgten Plans, die Königsberger Agrarwissenschaften zu einem Zentralinstitut für den neuen Ostraum auszubauen. Davon, daß der Krieg mit einem ter­ ritorialen Zugewinn für das Kaiserreich zu Lasten Russisch­Polens enden werde, war Hansen zutiefst überzeugt. Deswegen benötigte er an Stutzers Stelle keinen exzellenten Wissenschaftler, sondern einen Landwirtschaftslehrer, der Bauernsöhnen elementare Kenntnisse vermitteln sollte und als Praktiker bereits unter den ostpreußischen Landwirten Vertrauen genoß. Das schien ihm auch deshalb vor­ dringlich, weil die ostpreußischen Betriebe wohl zehn Jahre benötigten, um sich von den Schäden der russischen Invasion zu erholen. Solange aber fehlten dem Nachwuchs die Mittel zum Studium. Um die Lage der Landwirte also möglichst schnell zu verbessern, müsse der neue Agrikulturchemiker sich ihnen primär als Praktiker empfehlen. Dafür sei Willy Zielstorff, seit 1905 Vorstand der Landwirt­ schaftlichen Versuchsstation in Insterburg, genau der passende Kandidat. Daß er seit zehn Jahren keine wissenschaftliche Arbeit mehr veröffentlicht hatte, dürfte nach Hansens Vorgaben sogar als dezidierte Empfehlung gegolten haben.2171 Andere Prioritäten bestimmten die Nachfolge des seit Kriegsbeginn kränkelnden Milchwirtschaft­ lers Karl Hittcher, der, stets nur im engen Rahmen seiner Tapiauer Versuchsanordnungen geblieben,2172 in seiner Disziplin als eine randständige Figur galt. Mit Walther Grimmer, der 1916 die Landwirt­ schaftliche Versuchsstation in Kleinhof­Tapiau 1916 übernahm, und der sich zum WS. 1917/18 als Extraordinarius unter die Dozenten des Landwirtschaftlichen Instituts einreihte, erhielt man dagegen eine der angesehensten Nachwuchskräfte. Grimmer, Jahrgang 1878, hatte seine Doktorarbeit in Berlin bei Otto Wallach angefertigt und war von 1904 bis 1907 Assistent an der Physiologisch­Chemischen GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVII, Bl. 336; PhilFak – PrMK v. 16. 7. 1917, Vorschlag Nf. Hittcher, unico loco für den 1916 von Dresden nach Königsberg umhabilitierten Grimmer. 2170 Ebd., Bl. 180; Stutzer – PrMK v. 9. 9. 1915. 2171 Ebd., Bl. 185; Stutzer – PrMK v. 5. 11. 1915 die Vorschlagserwägungen erläuternd und dabei im wesentlichen Hansens Standpunkt referierend, auf den Zielstorff „weit überragenden“ Paul Ehrenberg lieber zu verzichten: „Wir hätten Z[ielstorff ] nie genannt, wenn nicht durch den Krieg bedingt eigenartige Verhältnisse in Ostpreußen vorlägen, die eine Rücksichtnahme auf Z. z. Zt. wünschenswert erscheinen lassen.“ Denn Ostpreußen habe durch Krieg schwer gelitten. Vor allem Hansen lege darauf Wert, daß Z., der seit 1905 in Ostpreußen als Praktiker tätig sei, „durch Wort und Schrift“ dazu beitragen könne, die Landwirte dazu zu veranlassen, ihre Söhne möglichst bald zur Universität zu schicken. Zudem: bei voraussehbarer Ausdehnung des Staates auf Kosten Rußlands werde die Landwirtschaft im Osten eine noch größere Bedeutung als bisher erlangen. Ebd., Bl. 189–192; PhilFak – PrMK v. 26. 10. 1915, Liste Nf. Stutzer: 1. Paul Ehrenberg, 1875 Brandenburg/H.–1956 Freising, 1911–1921 ord. Prof. f. Agrikulturchemie Göttingen, 1921–1945 Breslau. – 2. Franz Honcamp, 1875 Erfurt–1934 Rostock, 1908 nb. ao. Prof. Rostock, 1923 oö. Prof. ebd., 1908–1934 Leiter der Lw. Versuchsstation ebd., die Masse seiner Publikationen über Düngung, Düngungsmittel und Futterlehre erst ab 1920, Hg. eines Handbuchs der Pflanzenernährung und Düngerlehre (1930); Teilnahme am Weltkrieg, 1914 beim Sturm auf Langemarck verwundet, vgl. RHB I, S. 796 f.; NDB IX, S. 595 f. („gehörte zu den maßgebenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Tierernährungslehre“); Buddrus/Fritzlar 2007, S. 199 f. – 3. Willy Zielstorff (Jg. 1866, s. Catalogus in Bd. II), 1890 Prom. Greifswald, bis 1905 Chemiker Lw. Hochschule Hohenheim, 1. 10. 1905 Vorstand lw. Versuchsstation Insterburg. Ihm sei, so die Laudatio, die „Verkündigung“ wissenschaftlicher Erfahrungen in Praktikerkreisen anzurechnen, und er habe auf dem Boden wissenschaftlicher Kritik Mißstände auf dem Gebiet des Futter­ und Düngermittelhandels aufgedeckt. Bei Ostpreußens Landwirten sei Z. beliebt, er kenne auch die durch den Krieg veränderten Verhältnisse sehr genau. Mit pädagogischem Geschick mache er die „hiesige Landwirtschaft“ mit wissenschaftlich gestützter Wirtschafts­ weise vertraut, so daß er als Universitätslehrer wohl einige Anziehungskraft haben werde. 2172 Einsetzend Hittcher 1899 (seinem „hochverehrten Lehrer“ Fleischmann gewidmet, Kurzfassung eines wahren Epos über die Milchuntersuchung an 63 Kühen der Herde in Kleinhof­Tapiau) bis zuletzt Hittcher 1914. 2169

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Versuchsstation der Tierärztlichen Hochschule Dresden, die von der milchwirtschaftlichen Koryphäe Wilhelm Ellenberger geleitet wurde,2173 der ihn 1913 auch habilitierte.2174 Während seiner Zeit als Assistent am Milchwirtschaftlichen Institut in Greifswald schrieb er ein ‚Kurzes Lehrbuch‘ über ‚Che­ mie und Physiologie der Milch‘, das sich den bis dahin eher auf die Milchverwertung oder die Hygiene der Milch konzentrierten Lehrbüchern zur Milchkunde an die Seite stellte. Gleichzeitig durfte er an Ellenbergers ‚Lehrbuch der vergleichenden Physiologie der Haussäugetiere‘ mitarbeiten,2175 und der fleißige Grimmer galt nach seiner Dresdner Habilitation (1913) als sicherer Anwärter auf ein Ordi­ nariat. Da er zudem militärisch ausgemustert war, stand er dem Königsberger Instiut seit seiner Um­ habilitation 1916 uneingeschränkt zur Verfügung. Angesichts kriegsbedingter Ausfälle am Institut war das kein unwichtiges Berufungskriterium für den denn auch als ersten und einzigen vorgeschlagenen Grimmer.2176 Zu den kriegsbedingten Ausfällen kam die ärgerliche Dauerabsenz des Kulturtechnikers Hagel­ weide hinzu, der seine Abwesenheit so lange mit einem Nervenleiden entschuldigte, bis er unter An­ drohung eines Disziplinarverfahrens 1917 um die Entbindung von seinen seit 1914 ohnehin kaum mehr erfüllten Lehrverpflichtungen bat.2177 Somit hatte Kurator v. Berg diesen scheinbar obstinaten Dozenten nahezu elegant entsorgt, aber wegen des Nachfolgers war guter Rat teuer. Im jungen Fach der landwirtschaftlichen Kulturtechnik ließ sich qualifiziertes Personal an den Fingern einer Hand ab­ zählen. Darunter befanden sich die meisten zudem „im Felde“. Die Fakultät, der es wegen der geringen Studentenzahlen auch nicht eilte, brachte daher auch keinen Dreiervorschlag zustande, sondern setzte allein den nicht einmal promovierten Regierungsbaumeister Gustav Richter auf die Liste, Jahrgang 1873, der seit 1913 am KWI Bromberg in der Abteilung Meliorationswesen tätig war, 1917/18 aber als Reserve­Hauptmann in einer Berliner Heeresbehörde sich um die Waffen­ und Munitionsbeschaf­ fung kümmerte.2178 Trotzdem wurde Richter berufen, vom Militär sogar freigestellt, und nahm, kurios

Der bedeutende Veterinärmediziner Ellenberger (1848–1929) lehrte an der Dresdner Tierärztlichen Hoch­ schule seit 1882, von 1896 bis 1924 war er deren Rektor, 1903 setzte er dort für sein Fach die Habilitationsord­ nung, 1907 die Promotionsordnung durch. Grimmers erstes, in Greifswald entstandenes Lehrbuch (‚Chemie und Physiologie der Milch‘ 1910) ist Ellenberger „in Verehrung und Dankbarkeit“ gewidmet. 2174 Grimmer 1913. 2175 Grimmer 1909. 2176 GStA …, Bd. XXVII, Bl. 336; PhilFak – PrMK v. 16. 7. 1917, Liste Nf. Hittcher. Ebd., Bl. 337, Berufungser­ laß v. 3. 10. 1917, Bestallung als Extraord. erfolgte ohne Besoldung, doch bekam Grimmer wie Hittcher (seit 1910) eine Remuneration von 2.400 M. 2177 Ebd., Bl. 282; Kurator – PrMK v. 7. 4. 1917: Disziplinarverfahren gg. Hagelweide einleiten, mit dem Ziel der Entfernung aus dem Amt, da er Königsberg nicht nur ohne Urlaub wiederholt verlassen habe, sondern der Ver­ dacht bestehe , daß er bei der Ernennung zum Extraordinarius 1912 unberechtigt den Doktortitel geführt habe. Ebd., Bl. 316; Hagelweide – Kurator v. 31. 5. 1917, Bitte um Entpflichtung wg. Depression, Gedächtnisschwäche, Nervosität. Der Fall stellte sich nach Hagelweides Einlassungen allerdings erheblich anders dar als aus der Sicht des Kurators: Der Kulturtechniker litt schon vor seiner Berufung an neurasthenischen Beschwerden, die sich im für ihn „unverträglichen Königsberger Klima“ verschlimmerten. Der Ankauf eines „Gütchens“ in Metgethen brachte Linderung, der Kriegsausbruch drückte wieder aufs Gemüt. Vorlesungen kamen nicht zustande, Hagelweide wich ans KWI nach Bromberg aus, beschäftigte sich dort mit hydrotechnischen Versuchen, bevor er sich im Frühsom­ mer 1916 für den Rest des Jahres der Obhut Dresdner Sanatorien anvertraute, deren Ärzte aber seiner „schweren Neurasthenie, Depression, Gleichgültigkeit“ nicht beikamen (ebd., Bl. 315, Attest Sanatorium Radebeul). Der Kurator empfahl daher am 19. 7. 1917, vom Disziplinarverfahren gegen den offenkundig „schwerkranken“ H. abzusehen und ihn zu emeritieren, was zum 1. 10. 1917 auch erfolgte (ebd., Bl. 318 f.). 2178 GStA …, Bd. XXVIII, Bl. 9–10; PhilFak – PrMK v. 11. 1. 1918, Liste Nf. Hagelweide. Am 16. 10. 1917 hatte man gebeten, einen Neuvorschlag unterlassen zu dürfen, da die meisten potentiellen Kandidaten militärisch ge­ bunden seien und die Wiederbesetzung wegen des geringen studentischen Zuspruchs in den Agrarwissenschaften nicht eile (ebd., Bd. XVII, Bl. 341). 2173

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genug, im SS. 1918 als Königsberger Professor seine erste Aufgabe in Angriff: die Anfertigung seiner eigenen Doktorarbeit.2179 Die letzte Kriegspersonalie ergab sich aus dem physischen Zusammenbruch des Veterinärs Otto Müller, der seit 1909 als planmäßiger Extraordinarius das alte Lektorat für Tierheilkunde versah und der hauptamtlich das Bakteriologische Institut der Landwirtschaftskammer leitete. Dieser Doppel­ belastung, zumal das Generalkommando seine Tierklinik als Pferdelazarett stärkstens beanspruchte, hielt Müller nicht stand. Nachdem ihn im SS. 1918 ein Königsberger Schlachthoftierarzt vertreten hatte, 2180 entschieden sich Fakultät und Ministerium für den zum Ersatzpferdedepot in Breslau ab­ kommandierten Erich Hieronymi, einen Berliner Lehrersohn des Jahrgangs 1884, im Unterschied zum Kulturtechniker Richter aber promoviert, wenn auch publizistisch nahezu unausgewiesen. Da sein Schwiegervater Beamter im Kultusministerium war, lag dessen „persönliche Verwendung“ für die Übertragung des Königsberger Amtes nahe, die letztlich erfolgreich war, wenn der im Oktober 1918 Berufene auch erst zum Frühjahr 1919 vom Heeresdienst frei kam.2181 Im Ganzen waren das enge und bedrückende Verhältnisse, die indes nur zum Teil aufs Kriegs­ konto gingen. Diesen Schluß legt eine Denkschrift Hansens nahe, der 1917 mit einem großen Be­ freiungsschlag der Mangelwirtschaft an der Tragheimer Kirchenstraße entkommen wollte, die dort nach seinem Urteil Forschung auf dem Niveau von Bonn­Poppelsdorf oder Hohenheim bereits vor 1914 verhindert hatte. „Völlig unhaltbare Zustände“ herrschten in den Abteilungen für Kulturtechnik, wo die Ausstattung „eigene Forschung“ gar nicht erlaube, für Maschinentechnik, die mit veralteten Modellen und Lichtbildern „mehr als kümmerlich“ eingerichtet sei, beim Pflanzenschutz, den es im Institut gar nicht gäbe, in Mitscherlichs Institut für Pflanzenbau, wo für das wichtigste Segment, der Erforschung widerstandsfähiger und ertragreicher Sorten für Ostpreußens extremes Klima, nichts geschehen könne, weil kein ausreichendes Versuchsfeld zur Verfügung stünde, so daß man sich not­ gedrungen auf Bodenkunde beschränke. In der Betriebslehre sei Skalweit zwar ein Lehrauftrag erteilt worden, doch wie in Berlin, Bonn, München und Hohenheim könne nur ein Ordinarius das immer wichtiger werdende Fach vertreten. In der Tierklinik von 1876, „dürftig“ ausgestattet trotz Umbaus, könnten keine wissenschaftlichen Versuche stattfinden. Sein eigenes Institut für Tierzucht müsse end­ lich bei der Erforschung der Vererbungsvorgänge an führende Institute in den USA anschließen, wo Betreut von Mitscherlich, eingereicht im August 1918(!), zum nicht eben typisch kulturtechnischen Thema: Die Ausführung mechanischer und physikalischer Bodenanalysen. 2180 GStA …, Bd. XXVIII, Bl. 5; PhilFak – PrMK v. 3. 5. 1918 wg. Vertretung des verstorbenen Müller durch den seit 1913 am Königsberger Schlachthof tätigen Veterinär Gohr. 2181 Ebd., Bl. 35–38; PhilFak – PrMK v. 4. 7. 1918, Liste Nf. O. Müller: 1. E. Hieronymi, Breslau , seit 1908 1. Assist. am Vet. med. Instit. ebd., 1910 Dr. vet. Bern, aber ausgewiesen seit 1909 nur mit neun Miszellen, gelobt als tüchtiger Operateur, vorzüglicher Bakteriologe mit Lehrgeschick, zudem im Nebenamt an der LWK Schlesien Verdienste in der Tierseuchenbekämpfung. – 2. Alfred Weichel, 1884 Müllersholz­Schlettstadt/Unterelsaß, 1902 G Schlettstadt, 1902–1906 vet. med. Studium Tierärztl. Hochchule München, Stuttgart, StE 1906, 1908–1910 wiss. Mitarbeiter Kais. Gesundheitsamt, Prom. Dr. med. FWU: Der Nachweis der Fäulnis bei zubereitetem Fleisch usw., Berlin, Prom. Dr. med. vet. Bern 1909: Das Vorkommen von Bakterien der Koli­Typhus­Gruppe (Typha­ ceen nach Loeffler) bei der Kälberruhr, 1911–1913 Grenztierarzt und Ltr. Auslandsfleischbeschau Basel, 1913/14 Ltr. Labor der polizeilichen Lebensmittelkontrolle Berlin, 2. 8. 1914 als Oberveterinär ins Feld, sogleich schwer verwundet, 1915 erster Assistent Pathol. Institut Tierärztl. Hochschule Berlin. Publikationen ausschließlich zu bakteriologischen Fragen. – 3. Ernst Emshoff, 1875 Leipzig, 1896 NikolaiG Leipzig, naturwiss. Studium Leipzig, Übergang zur Tiermedizin, Militärtierarzt, 1908–1912 abgeordnet Tierärztl. Hochschule Dresden, Prom. Leip­ zig 31. 3. 1911: Beiträge zur Histiogenese des Lymphknotentuberkels. Experimentelle Untersuchungen an Meer­ schweinchen (R.: Joest), 1. 8. 1914 Kriegsteilnahme, 1917 Divisionsveterinär, noch 1918 bei der 34. ID im Feld. – Aus einer Marginalie von Beckers Referenten Erich Wende („sein Schwiegervater“, der seit 30 Jahren im PrMK tätig sei, „hat sich persönlich für ihn verwendet“) ist ersichtlich, daß der Kandidat Hieronymi versucht hatte, seine Beziehungen zu nutzen. 2179

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man bekanntlich auch beim Pflanzenschutz den Deutschen weit voraus sei. Daher sollte ihm eine „umfangreiche Haustierhaltung“ finanziert werden, so daß er endlich auch die Probleme der Fütterung und Haltung in Angriff nehmen könne, deren „ungeheure Bedeutung“ der Krieg in ein „helles Licht gerückt“ habe. Auf dem alten Institutsgelände werde man aber nicht mehr vorankommen. Mit impe­ rialer Gebärde unterbreitete Hansen daher Pläne für ein vier Millionen Mark teures Neubauprojekt an der Cranzer Allee, zu realisieren auf einer Fläche von beinahe zehn Hektar. Hauptargumente für dieses Unternehmen, das selbst in Friedenszeiten als größenwahnsinnig eingestuft worden wäre, waren der praktische Nutzen der Agrarwissenschaften beim Wiederaufbau der Provinz, deren Bevölkerung zur Hälfte in der Landwirtschaft tätig sei, die vermeintlich sichere Aussicht auf weiter östlich gezogene neue Reichsgrenzen, so daß die an der Albertina als dem „geistigen Mittelpunkt“ und der „Lehran­ stalt der Landwirte des Ostens“ ausgebildeten Instrukteure „lohnende Kulturen“ in den benachbarten Gebieten „russischer Mißwirtschaft“ aufbauen könnten, und schließlich die „vaterländische Pflicht“, mit der Agrarwissenschaft als der „stärksten Waffe“ dafür zu kämpfen, von ausländischen Zufuhren unabhängig zu werden. Nach vier Jahren Bauzeit könnten diese herkulischen Aufgaben in den Labo­ ren, Ställen, Gewächshäusern und Versuchsfeldern draußen an der Cranzer Allee gemeistert werden.2182 Wer groß denkt, kann jedoch auch groß scheitern, wie Hansen, dem selbstverständlich von Finanz­ minister Oskar Hergt die im vierten Kriegsjahr „angespannte Finanzlage“ Preußens entgegengehalten wurde. In Breslau, so Hergt, solle der geplante Neubau nicht einmal 2 Millionen kosten, was beweise, in welchem Ausmaß Hansen über die „wirklichen Bedürfnisse“ hinaus plane. Er möge lieber prüfen, ob er nicht ohne Verlegung weiterarbeiten könne. Damit war gegen den kaiserlichen Wunsch nach einem „Ausbau“ der Königsberger Agrarwissenschaften eine Entscheidung über den alten Standort getroffen, der bis 1945 nicht mehr aufgegeben wurde.2183

6.5.

Konturen des Königsberger Auslandsstudiums

Schon kurz vor Kriegsausbruch entstand eine breite, inzwischen gut erforschte Diskussion über die Notwendigkeit einer Internationalisierung des deutschen akademischen Unterrichts, der für eine „Weltpolitik“ und „Welthandel“ treibende Nation völlig unangemessen und viel zu lange in der „‚alten binnenländischen Denk­ und Sinnesweise‘ “ stecken geblieben sei.2184 Die „Förderung der Auslands­ kenntnis“ stand also schon überparteilich weit oben auf der kulturpolitischen Agenda, als die ersten Kriegsmonate mit einem Schlag zeigten, wie die „Weltmeinung“ von den Nachrichtenagenturen und den Diplomaten der Entente dominiert wurde, und wie kriegswichtig es war, auf diesem Sektor mit­ halten zu können. Das gab im Frühjahr 1916 dem Bonner Orientalisten Carl Heinrich Becker die Bahn frei, um hier, im neu geschaffenen Hauptreferat für Auslandshochschulen und Auslandsstudien des Kultusministeriums, als Programmatiker und Gestalter zu wirken. Im Februar 1917 lag seine „Denkschrift zur Förderung der Auslandsstudien“, verbunden mit den Etatforderungen des Kultus­ GStA, Rep. 89, Nr. 21675; J. Hansen, Das Landwirtschaftliche Institut der Universität Königsberg i. Pr. in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Denkschrift zum Wiederaufbau der Provinz Ostpreußen. Als Hand­ schrift gedruckt, Königsberg o. J. [1917b], 53 Seiten umfassend, mit Bauzeichnungen für das projektierte Haupt­ gebäude an der Cranzer Allee. 2183 Ebd., Hergt – Zivilkabinett, Entwurf zur Stellungnahme in Sachen Denkschrift Hansen, undat. [Anfang 1918], bezugnehmend auf eine kaiserliche Verfügung zum Ausbau Lw. Institut AUK, mitgeteilt durch Schreiben des Zivilkabinetts v. 2. 8. 1917. 2184 So der Bonner Nationalökonom Hermann Schumacher in einem Gutachten zur Errichtung einer Auslands­ hochschule v. 30. 12. 1913, zit. nach Guido Müller, 1991, S. 149. Ebd., S. 142–207, ausführlich zur Diskussion und zur Genese der von C. H. Becker konzipierten „Auslandstudien“. Zeitlich bis zur Jahrhundertwende zurück wird die Debatte über „Weltpolitik als Kulturmission“ bei vom Bruch 1982 verfolgt, spezieller: Kloosterhuis 1994. 2182

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ministeriums, 100.000 M. für Lehraufträge und 60.000 M. für ost­ und südosteuropäische Literatur zu bewilligen, dem preußischen Abgeordnetenhaus vor. Beckers Hauptziel war dabei die „Politisie­ rung“ des akademischen Studiums, das auf „Weltzusammenhänge“ ausgerichtet werden sollte, um von innen­ und sozialpolitischen Problemen, von den partei­ zu den „überparteilichen“ Gesichtspunkten der Politik hinzuführen. Untrennbar damit verbunden war eine Verdrängung alter Bildungsinhalte und Bildungsideale: fort von der ästhetisch­historischen, philologischen Orientierung, hin zum „staatswis­ senschaftlichen“ Weltbild, zur Vermittlung wirtschaftlicher, juristischer und politischer Kenntnisse „andersartiger Kulturkreise“.2185 Im Abgeordnetenhaus erntete Becker dafür einmütige Zustimmung, zumal sich die Sozial­ demokratie von diesem neuen Bildungsideal eine wichtige innenpolitische Rückwirkung erhoffte: der „politisierte“ Student sei nicht mehr der „Untertan“, sondern der „moderne freie Staatsbürger“.2186 Konservative Redner erwarteten von der auslandswissenschaftlichen Schwerpunktbildung, daß an den Universitäten endlich eine „weltpolitische Kinderstube“ entstehe und dort die Fachleute herangezogen würden, die eines Tages befähigt seien, die „Vertrustung der deutschfeindlichen Weltmeinung“ aufzu­ brechen – im Interesse der deutschen Wirtschaft!2187 Entsprechend positiv fiel die Königsberger Reaktion auf Beckers Denkschrift im Sommer 1917 aus. Freudige Zustimmung signalisierend, schickte Prorektor Hansen vier Fakultätsvoten über die Möglichkeiten eines Königsberger Auslandsstudiums an Becker. Betonend, daß man einmütig der An­ sicht sei, daß sich durch Ausbau dieser Studienrichtung eine wirkliche Erweiterung des Gesichtskreises der akademischen Jugend erreichen lasse und so in der kommenden Generation mehr Verständnis für die „großen Fragen der Weltpolitik und Weltwirtschaft“ herrschen werde. Ende Juni habe man eine Kommission aus allen Fakultäten gebildet, um die Albertina auf das europäische Rußland und das ihm vorgelagerte Osteuropa zu konzentrieren, während man von einem Ausgriff in den skandinavischen Norden eher absehen wolle. Sorgen bereiten indes die leidigen, die IOW­Arbeit bereits behindernden Sprachprobleme. Da an der östlichsten Hochschule Deutschlands kaum ein Dozent Russisch spreche, müsse man zunächst geeignete Übersetzer anstellen. Studienreisen, auch für Studenten, hinein in das aus der Feindkoalition ausscherende Rußland, würden langfristig diesen Mißstand beheben. Jedoch nur, wenn Spezialbibliotheken mit fremdsprachiger Literatur und wohlsortierte Pressearchive aufge­ baut würden, wobei man auf die Bestände des IOW zurückgreifen könne. Zur Koordination zwischen den Fakultäten sei die Bildung eines Arbeitsausschusses vorgeschlagen und Bezzenberger als dessen Vorsitzender in Aussicht genommen worden.2188 Die Philosophische Fakultät komponierte ihr Veranstaltungsangebot für das WS. 1917/18 bereits ganz im Sinne des neuen Schwerpunkts „Erforschung des europäischen Rußland“. Hesse kündigte übergreifend eine Vorlesung über Deutschlands Stellung in der Weltwirtschaft an, während Bezzen­ berger über Kurland und Livland („Bevölkerung, Geschichte, Kultur“) lesen, Skalweit diese baltischen Provinzen agrarwissenschaftlich beleuchten wollte. Gerlach nahm sich des Themas: „Der russische Bauer“ an. Der Chemiker Eisenlohr referierte über „Platinmetalle Rußlands und ihre Wichtigkeit für die allgemeine Chemie“. Der Geologe Andrée interessierte sich für die „Lagerstätten und Vorkommen von Kohle und Petroleum im europäischen Rußland“. Der neue Geographie­Ordinarius Friederich­ So zutreffend das Referat der Beckerschen Intentionen bei Müller 1991, S. 164–168. Die weltpolitischen Perspektiven, die bestechende Argumentation und der allseitige Beifall des Parlaments beeindruckten den Finanz­ minister allerdings nicht so stark, daß sie ihn an der kräftigen Beschneidung der beantragten Summen gehindert hätten; vgl. ebd., S. 163. 2186 Konrad Haenisch im Plenum, zit. nach Müller 1991, S. 171. 2187 So in einer späteren Erörterung des Auslandsstudiums, in: GStA, Rep. 76Va Sek 1, Tit. VII, Nr. 84, Bd I, Bl. 458 ff. Auszug Protokoll Pr. Abgeordnetenhaus, 153. Sitzung v. 7. 6. 1918. 2188 GStA, Rep. 76Va, Sek. 1, Tit. VII, Nr. 84, Beiheft B: Auslandsstudien, Bl. 108–110; Stellungnahme Prorektor Hansen v. 27. 7. 1917. 2185

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sen wandte sich wieder dem von ihm viel behandelten Thema „Die Grenzmarken im europäischen Rußland“ zu, über die er 1915 ein Buch veröffentlicht hatte.2189 Brackmann kündigte Veranstaltungen über „Polen und das Deutsche Reich“ und die von ihm öfter traktierte „ukrainische Frage“ an. Kowa­ lewski versprach „Charakterbilder aus der russischen Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Einflüsse“, der Slavist Rost widmete sich der „traditionellen Volkskultur der Russen“. Sein germanistischer Kollege Uhl der „Literaturgeschichte des preußischen Ostens und der Ostseeprovin­ zen“, und selbst der Botaniker Abromeit reihte sich hier mit einer „Pflanzengeographie Eurasiens“ ein. Insgesamt, räumte man seitens der Philosophischen Fakultät ein, stehe man vor einem wenig erschlossenen Gebiet und werde mit der Mannigfaltigkeit und Schwierigkeit der bodenständigen Sprachen zu kämpfen haben, „die nur sehr wenige von uns beherrschen“. Hinzu komme die „schwere Erreichbarkeit der literarischen Quellen“, die Unübersichtlichkeit der ethnographischen Verhältnisse. Bei der Mittelvergabe sei deshalb wohl zu bedenken, daß man erst einen Stab von sprachkundigen Forschern heranziehen müsse und daneben die Errichtung eines Übersetzungsdienstes unabdingbar sei. Da einzig das IOW in engerer Beziehung zur Verwaltung der besetzten Gebiete stehe, sollten die interdisziplinären Auslandsstudien mit etwaigen neuen Bibliotheken und Archiven möglichst eine räumliche Verbindung mit diesem Institut eingehen2190 Hesse bestätigte diese Kooperationsperspektive und präsentierte sein Institut als Zentrum der Königsberger Auslandsstudien. Es genieße seit seiner Besprechung im Hauptquartier von Ober Ost, im August 1916, die volle Unterstützung der Militärverwaltung, die ihn und seine Mitarbeiter kontinuier­ lich mit Material über die ökonomischen, ethnographischen, geologischen, medizinischen Verhältnisse versorge. An einer Bibliographie der Literatur zu den besetzten Gebieten werde gearbeitet. Aktuelle Probleme der dortigen Wirtschaftsverwaltung seien angegangen worden, so über die Landwirtschaft in Litauen (Skalweit), die Agrarverfassung Litauens (Zechlin), den Handel in Kurland (Metz) und die Gewerbe­ wie Verkehrsverhältnisse in Kurland (E. F. Müller). Ein ‚Statistisches Handbuch der nord­ westlichen Gouvernements Rußlands‘ (E. F. Müller) sei in Vorbereitung. Ebenso, dank der Aktenfunde in Grodno, eine Geschichte Litauens und Weißrußlands nebst einer Übersicht zur Bevölkerung in den besetzten Gebieten.2191 Neben Brackmann und Hesse glaubte vor allem der neuberufene Geograph Max Friederichsen von den mit Sicherheit zu erwartenden finanziellen Wohltaten für die Auslandsstudium profitieren zu kön­ nen. Noch vor dem Fakultätsvotum traf eine separate Denkschrift von ihm bei Becker ein, „implicite meine Forderungen für den Ausbau des Lehrstuhles [enthaltend], mit besonderer Betonung des gerade von Königsberg aus besonders gut möglichen und in Beckers Auslandshochschul­Denkschrift auch für dort in Aussicht genommenen Studien der östlichen Nachbargebiete“.2192 Unverhoffte Unterstützung erfuhr die staatliche Ausrichtung der Albertina auf die „Pflege der slavischen Welt in Forschung und Lehre“ von privater, noch dazu sozialdemokratischer Seite. Arthur Schulz, 1878 in Joneiten/Kr. Niederung geboren, im September 1917 in Königsberg gestorben, Sohn eines gut situierten Landwirts, hatte als Anwalt in München das väterliche Vermögen weiter gemehrt, Zum Ärger seines Lehrers Hermann Wagner zog das kriegspublizistische Engagement Friederichsen von der versprochenen Mitarbeit an den Neuauflagen seines ‚Lehrbuchs der Geographie‘ ab. Seine für 1916 in Aussicht gestellte ‚Spezielle Kunde der europäischen Länder‘ für Band II/2 des Lehrbuchs hatte der ständig brieflich von Wagner bedrängte Königsberger Geograph aber auch 1920 noch nicht geliefert, da ihn inzwischen schon wieder neue tagespolitische Ablenkungen dem Schreibtisch entzogen hatten (Wagner 1920, S. IV). Zu Friederichsens Osteuropa­Forschungen vgl. Bibliographie. 2190 Ebd., Bl. 111–117; Stellungnahme der PhilFak v. 16. 7. 1917, angehängt die Eingabe v. 11. 1. 1917 zur Errich­ tung einer hauptamtlichen Professur für die „Geschichte des Ostens“. 2191 Ebd., Bl. 122–124; Stellungnahme Hesse v. 30. 7. 1917. Zu Skalweit u. a. s. Bibliographie. Zechlins Werk wurde nicht abgeschlossen. 2192 UAGö, Nl. Wagner; Friederichsen an Wagner v. 24. 5. 1917. 2189

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gehörte aber seit seiner Referendarzeit der SPD an. Schon die Königsberger Dissertation über ‚Korn­ zoll, Kornpreis und Arbeitslohn‘, 1902 betreut von Karl Diehl, dem Kenner und Kritiker sozialistischer Weltanschauung, vertrat in ihren „Thesen“ sozialdemokratisch­„revisionistische“ Überzeugungen.2193 Rechtsanwalt Schulz profilierte sich bis 1914 als führender Theoretiker in der Landarbeiterfrage. Die Stiftung des Rußland­Instituts motivierte er mit der „unversöhnlichen Feindschaft der angel­ sächsischen Völker“, mit der die Politik des Reiches auf „unabsehbare Zeit“ rechnen müsse. Deshalb solle Deutschland, so wünschte es sich Schulz Monate vor Lenins Machtergreifung,2194 in „engste Beziehungen mit dem Osten“ treten, die in dem neuen Königsberger Institut auch wissenschaftlich anzubahnen seien.2195 Schulz’ Vorleistung honorierte der preußische Staat 1918 mit der Bewilligung eines Extraordinariats für russische Volkswirtschaftslehre, das jedoch infolge der Kriegsereignisse und der revolutionären Wende vom November 1918 erst im Frühjahr 1919 mit Wilhelm Dietrich Preyer besetzt werden konnte, der dann dem Institut erstmals Leben einhauchte.2196 Die Konzentration auf den russischen Kulturkreis ließ an der Albertina einen Aspekt des Becker­ schen Programms ganz unbeachtet: die Fundierung des Auslandsstudiums durch ein neues Fach „Poli­ tik“. Allein der Strafrechtler zu Dohna sprach sich im kleinen Kreis der „Königlichen Gesellschaft“ für eine Wiederanknüpfung an die Tradition der von Dahlmann, Waitz und Treitschke gelehrten Politik als „wissenschaftliche Disciplin“ aus. Die damit zu erreichende Politisierung der akademischen Elite sollte den Anfang machen bei der politischen Erziehung des ganzen Volkes. Denn erst einem politisch gründlich erzogenen Volk traute zu Dohna zu, sich an staatlicher Willensbildung beteiligen zu können. Was für ihn nicht bedeutete, im akademischen Unterricht die demokratische Öffnung als Selbstzweck anzubahnen. Denn wissenschaftliche Politik sollte den Vorrang der Nation vor der Partei, des Ganzen vor dem Individuum lehren. Und das Ganze war für Dohna bedingt durch internationale Zwänge, die das Kaiserreich nötigten, nach „Weltgeltung“ zu streben. Nahezu im Sinne Max Webers argumentie­ rend, wollte zu Dohna also die Massenbasis der wilhelminischen Weltpolitik verbreitern, Partizipation an die Verpflichtung binden, mitzuhelfen daran, die „nationalen Bedürfnisse“ zu erfüllen. Ob die SPD und „die klerikale Partei“ des Zentrums, die 1917 auf Parlamentarisierungskurs waren, sich derart einbinden lassen würden, als Parteien, „deren letztes Ideal jenseits der nationalen Sphäre gelegen ist“, daran wagte der nationalliberale Strafrechtler mehr als nur leise zu zweifeln.2197

„1. Die modernen periodisch wiederkehrenden Wirtschaftskrisen sind nicht Folgen zufälliger Zeitereignisse, sondern notwendige Ergebnisse der privatkapitalistischen Wirtschaftsordnung, 2. Der wissenschaftliche Sozialis­ mus kann und sollte, da seine historische Notwendigkeit nicht unbedingt gewiß ist, teleologisch und insbesondere ethisch begründet werden.“ 2194 Schulz hatte bei seiner Stiftung noch das zaristische Rußland vor Augen, insoweit mit seiner außenpolitischen Option auffällig von der SPD­Generallinie abweichend, die Petersburger Autokratie als das europäische Zentrum der Reaktion zu bekämpfen. 2195 Zitiert aus der Stiftungsurkunde vom ersten Institutsleiter Wilhelm Preyer in einer Debatte des Preußischen Landtages zur Förderung der Albertina, 44. Sitzung v. 28. 9. 1921, Sp. 3058 ff., Protokoll enthalten auch in GStA, Rep. 77, Tit. 46, Nr. 3, Bl. 45 ff. Seltsamerweise bleibt Schulz’ Stiftung in APB 1497 f. unerwähnt, ebenso bei Camphausen 1989. Aus archivalischen Quellen lassen sich Gründung und Geschichte des Instituts leider kaum rekonstruieren. 2196 Zu Preyer vgl. Bd. II. 2197 Preußen und die neue Zeit. Vortrag Kgl. Deutsche Gesellschaft 18. 1. 1918, im Ms. in UA Bonn, Nl. Dohna IVa, Nr. 1. 2193

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7.

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Für den im August 1914 immer noch amtierenden Direktor der Königlichen und Universitäts­ bibliothek Königsberg, Alfred Schulze, stand es keinen Augenblick zur Diskussion, seinen Posten zu verlassen. „Mir scheint es selbstverständlich, daß wir aushalten“, ließ er seinen Breslauer Kollegen Fritz Milkau am 22. August 1914 wissen und fügte für den gebürtigen Ostpreußen hinzu:2198 „Wir leben seit 8 Tagen in entsetzlicher Spannung: über die Kämpfe an der Grenze, die nach den massenhaft Verwundeten [zu urteilen] furchtbar sein müssen, verlautet amtlich keine Silbe, während die wüstesten Gerüchte verbreitet werden. Jedenfalls muß man auf alles gefaßt sein. Die Handschriften, die Silberbibliothek und Zimelien stehen in 37 Kisten zur Abfahrt nach Berlin bereit. Im übrigen werde ich mich darauf beschränken, für den Fall Beschießung Königsbergs die Kataloge in den Keller zu schaffen.“ Mit eisernem Nervenkostüm ausgestattet, hatte Schulze in der zweiten Kriegswoche damit begonnen, die Silberbibliothek des Herzogs Albrecht, wertvolle Drucke und Handschriften zu verpacken, um sie auf Befehl sofort Richtung Westen abzutransportieren. Am Tag der Schlacht von Gumbinnen, am Dienstag, den 22. August, war es soweit. Drei Fuhrwerke mit den Kisten sollten zum Bahnhof aufbre­ chen, als er die Nachricht erhielt, es werde wohl für längere Zeit kein Zug zur Verfügung stehen. Zwei Tage später ordnete der Festungskommandant an, den Bücherschatz binnen zwei Stunden zum Pregel zu schaffen, ein Dampfer bringe die kostbare Fracht über die Ostsee fort. Über den dramatischen Ab­ lauf heißt es in einem Schreiben an Milkau tags darauf:2199 „Am Donnerstag plötzlich um ½ 11 Uhr Mitteilung des Gouvernements, die Abbeförde­ rung werde auf dem Wasserwege zunächst nach Danzig durch einen um 12 Uhr ablegenden Dampfer erfolgen. Nach langer Suche endlich ein Gefährt gefunden, für das Verladen blieben 10 Minuten, wenn der Wagen in schärfster Gangart zur Anlagestelle des Dampfers fuhr. Also keine Idee von Mitnehmen der Handschriften, ich beschränkte mich auf die Silberbibliothek und kam – höchstpersönlich auf dem Rollwagen durch die Stadt jagend – kurz vor Abfahrt des Dampfers mit meinem Schatz an, wäre auch nach Danzig – unvorbereitet wie ich war – mitgefahren, wenn nicht der Direktor der Kunstakademie,2200 der an Bord war, die Sorge für die Kisten übernommen hätte. Solche Tagen kosten Nerven, die ohnehin jetzt in Königsberg dran glauben müssen!“

2198 2199 2200

SBB, Nl. Milkau, Korresp. Kasten 2; Schulze – Milkau v. 22. 8. 1914. Ebd.; Schulze – Milkau v. 25. 8. 1914. Ludwig Dettmann.

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Weniger aufregend, gleichwohl äußerst peinlich, verlief vier Tage zuvor ein Überfall, dem sich Schulze in seiner Wohnung ausgesetzt sah. Doch waren es nicht „die Russen“, die ihn heimsuchten, sondern die Schwiegermutter seines Bibliothekars Emil Ettlinger, die ihn so lange bittend und bet­ telnd bedrängte, bis Schulze sich genötigt sah, seinem Untergebenen Urlaub zu gewähren, um, am Vorabend der Schlacht von Tannenberg, mit einem Evakuierungszug aus der mit russischer Belagerung rechnenden Festung Königsberg zu entkommen. Da er mit einem Beamten, der vor Angst ohnehin unfähig sei, Dienst zu tun, nichts anfangen könne, habe er der ihn derart „belästigenden“ Frau nach­ gegeben.2201 Ettlinger schickte dann aus dem heimatlichen Karlsruhe fortwährend neue Urlaubsge­ suche, mit ärztlichen Attesten über seine „nervösen“ Leiden unterlegt, um nur nicht in das gefährdete Ostpreußen zurückkehren zu müssen. Schulze regte seine Versetzung an und sah ihn nicht wieder. Auf Ettlingers Posten wurde aus Greifswald der Neuphilologe Wilhelm Feustell beordert, auch kein Gewinn für Schulze, da der sich nach einigen Monaten im Dienst mit einer „schweren Melancholie“ in die Universitätsnervenklinik begab, um sich dort bis 1917 auszukurieren.2202 Der größte Teil des männlichen Personals war im August 1914 ohnehin „zu den Fahnen“ geeilt. Von den drei immerwährenden Königsberger Bibliotheksplagen Raumnot, Etatsnot und Personalnot bekam Schulze daher letztere bis zum Kriegsende am schmerzlichsten zu spüren. Sein Stellvertreter Otto Schultz, obwohl schon im 54. Lebensjahr, stellte sich sofort nach Kriegsausbruch zur Verfügung und zog als Oberleutnant der Landwehr gegen die russischen Invasoren ins Feld. Etwas voreilig meldete Schulze bald darauf nach Berlin, Schultz sei am 14. September 1914 im Kreis Gerdauen „gefallen“. Da Rennenkampfs Armee in diesen Tagen aber schon auf dem Rückzug war und sehr viel weiter östlich stand, kamen ihm schnell Zweifel daran, ob der bei einer Munitionskolonne eingesetzte Landwehr­ offizier wirklich durch Feindeshand den Tod gefunden hatte. Er bohrte bei den Militärbehörden nach und erfuhr mit einiger Mühe endlich den wahren Hergang, daß sich Schultz nämlich, nach einem sein „Ehr­ und Pflichtgefühl“ aufs Tiefste verletztenden Konflikt mit einem Vorgesetzten, im Gutshaus zu Kl. Gnie erschossen hatte.2203 Auf einen Ersatzmann mußte der Direktor monatelang warten, bevor GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. VIII, unpag.; Schulze – PrMK v. 14. 10. 1914. „Als sich die Verhältnisse hier zuspitzten“ sei Ettlinger, der seine Familie bereits in den sicheren Westen geschickt hatte, bei ihm um Ur­ laub eingekommen. Schulze lehnte das ab und erinnerte den ängstlichen Ettlinger an seine vaterländische Pflicht, sich wenigstens dem Landsturm zur Verfügung zu stellen. Das tat der 42jährige auch, doch meldete er sich zur „Stammrolle“ im heimatlichen Karlsruhe, so daß er am 23. 8. wieder in Schulzes Wohnung erschien, um für seine Reise ins Badische Urlaub zu erbitten. Schulze sah darin nur eine „raffinierte Eigenmächtigkeit“ und hielt ihm sein „unmännliches, würdeloses, lediglich auf seine eigene persönliche Sicherheit bedachtes Verhalten“ vor und verwei­ gerte ihm abermals den Urlaub, auch als Ettlinger „mir den Austritt aus dem Staatsdienst anbot“, um die nötige Bewegungsfreiheit zu gewinnen. Daraufhin schickte der Bibliothekar seinem Chef die resolute Schwiegermutter ins Haus. 2202 Ebd., Schulzes Berichte seit 10. 12. 1915, Atteste des Klinikchefs E. Meyer, der ihn 1916 in eine westdeutsche Klinik überwies, wo nochmals Monate vergingen, bevor sich Heilungserfolge zeigten. 2203 Ebd.; Schulze – PrMK v. 25. 2. 1915 mit dem Untersuchungsprotokoll der Etappen­Inspektion der 8. Armee vom 14. 9. 1914, das unmittelbar nach der Tat (Schultz hatte sich in der Morgendämmerung des 14. seine Brow­ ning­Pistole an die Schläfe gehalten und abgedrückt) aufgenommen worden war. Die Tat und ihre Vorgeschichte werden darin mit staunenswerter Akkuratesse aufgeklärt, dem Tod eines einzelnen ungeachtet des tausendfachen Sterbens ringsum also größte Aufmerksamkeit gewidmet. Dorf und Gut Kl. Gnie, an der Bahnstrecke Gerdauen – Insterburg gelegen, war Ende August 1914 von russischen Truppen besetzt worden, die aber in der ersten Septem­ berwoche wieder abzogen; zum „Tatort“ und zur interessanten Gutsgeschichte vgl. W. Wagner 2008, bes. S. 629 ff. – Schulze plädierte übrigens dafür, Schultz trotz des Selbstmords so zu ehren, als habe er sein Leben dem Vaterland zum Opfer gebracht. Juristische Spitzfindigkeit kam im Ministerium zu einer anderen Wertung: Schließlich werde auch nicht tödlich endende Selbstverstümmlung schwer bestraft! In einer „Notiz für den Unterstaatssekretär“ empfahl der Bibliotheksreferent daher, Schultz nicht in die „Ehrentafel“ aufzunehmen, denn: „ ‚Es muß uns scha­ den bei den Gutgesinnten‘ “. In seiner Festansprache zum Bibliotheksjubiläum 1929 reihte Carl Diesch Schultz 2201

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ihm das Ministerium im Januar 1915 den in Königsberg geborenen Kieler Oberbibliothekar Johannes Kemke schickte. Wie Feustell wiederum keine vollwertige Kraft, da der 50er von „labiler Gesundheit“ war, ab 1916 stark behindert durch Rheumatismus und zu Beginn des Jahres 1917 deswegen weit­ gehend dienstunfähig. Im September 1918 bescheinigte ihm sein Arzt, sich ohne fremde Hilfe nicht mehr fortbewegen zu können, drei Wochen vor Kriegsende ist er gestorben.2204 Beim übrigen, ihm verbliebenen Personal sah es gleich trübe aus. Der zweite Oberbibliothekar Hans Ohlrich, Jahrgang 1864, seit 1897 wieder in Königsberg, mußte wegen eines schweren Nieren­ leidens 1915 beurlaubt werden, dem er im Mai 1916 erlag.2205 Der aufgrund seiner Schwerhörigkeit 1900 vom Schul­ in den Bibliotheksdienst gewechselte Heinrich Preuß war inzwischen völlig ertaubt und nur „beschränkt einsatzfähig“, ebenso der kränkliche, 61jährige Georg Herrmann und der zucker­ kranke Kanzlist Wilhelm Rindfleisch, von Schulze als „halbe Kraft“ eingestuft. Der Bibliothekssekretär Martin Woischwill war als Leutnant im Februar 1915 in Russisch­Polen gefallen, seine Stelle blieb unbesetzt.2206 Die wissenschaftlichen Bibliothekare Edmund Will und Gustav Rieken standen wäh­ rend der gesamten Kriegszeit im Heeresdienst, ebenso der Diener August Wannig und der Heizer Otto Loewe. Der dritte Diener Johannes Sdorra wurde 1916 eingezogen, so daß August Gieger, zu Roedigers Zeiten 1882 eingestellt und 1917 seinen 80. Geburtstag feiernd, unter Überbeanspruchung litt und mit gelegentlichen Gratifikationen bis 1918 daran gehindert wurde, seine Pensionierung zu beantragen.2207 Auf Gieger, den Expedienten Ferdinand Balzer und den Bibliothekar Hermann Riesen schmolz die Schar derjenigen ab, die nach Schulzes Urteil als „volle Arbeitskräfte“ gelten durften.2208 Georg Herr­ mann drängte im Sommer 1917 auf Versetzung, die er zwar erst 1920 erreichte, aber eine volle Kraft hatte Schulze an ihm nicht mehr.2209 Einen Zugewinn brachte nur die Rückkehr Walter Meyers im Oktober 1917, den Schulze 1909 ungern nach Berlin hatte ziehen lassen und der jetzt, nach dem Tod seiner Frau in „tiefe Depression“ verfallen, den „lebhaften Wunsch“ hegte, wieder in seiner Vaterstadt wirken zu dürfen.2210 Von Schulze freudig begrüßt als Nachfolger auf der seit 18 Monaten verwaisten Stelle Ohlrichs, und als der inzwischen einzige außer ihm, der in der Lage sei, an das „historisch Ge­ gleichwohl unter jene ein, die „ihr Leben für das Vaterland“ gaben (Bericht UBK 1929/30, S. 17). Einen weiteren Versuch, den Ablauf der Ereignisse zu rekonstruieren, der mit dem Eingeständnis endet, die letzten Gründe für den „unseligen Entschluß“ nicht freilegen zu können, enthält der Brief an Schultz‘ Landsmann und Studienfreund Fritz Milkau v. 22. 1. 1915 (SBB, Nl. Milkau, Korresp. Kasten 2). 2204 Ebd.; Schulze – PrMK v. 23. 2. 1916, v. 8. 6. 1917 sowie ärztl. Attest v. 24. 9. 1918 und Meldung des Kurators v. 23. 10. 1918: Kemke sei am 20. verschieden. Schulze berichtete Milkau am 19. 9. 1918, daß Kemke nicht einmal mehr einen Brief schreiben könne, da die Hände durch die Gicht völlig „verschwollen“ seien. Das ärztliche Attest bedeute für den mit seinem Beruf verheirateten Junggesellen, den „einsamen Wanderer, der sich schwer und un­ gern anderen anschloß“, ein „Todesurteil“, und bei allem Mitgefühl sei sein Dasein wohl kaum mehr als lebenswert zu bezeichnen (SBB, Nl. Milkau, Korresp. Kasten 2). 2205 GStA, Rep. 76Vd …; Schulze – Kurator v. 15. 6. 1916. 2206 Ebd.; Kurator v. Batocki – PrMK v. 4. 3. 1915 mit Personalblatt Woischwill. 2207 Bei „alten Königsbergern“, ehemaligen Mitarbeitern der UBK, wie Boysen, J. Reicke, Milkau, hatte Schulze gesammelt, um Gieger zu seinem Ehrentag eine Uhr spendieren zu können, da dessen alter Zeitmesser weniger rüstig sei als er selbst. Vom Ministerium gingen 200 M. ein, das weibliche Personal der UBK schenkte ein Hinden­ burg­Bild (SBB, Nl. Milkau, Korresp. Kasten 2; Schulze – Milkau v. 22. 8. 1917). 2208 GStA, Rep. 76Vd …; Schulze – PrMK v. 23. 2. 1916. 2209 Ebd.; Schulze – PrMK v. 30. 8. 1917. Herrmann klage seit Jahren über das ihm unzuträgliche Königsberger Klima, über die schlechten Wohnungsverhältnisse. In jüngster Zeit habe er überdies auch deswegen Grund sich fortzusehnen, weil er im Dienst nachlasse, von ihm, Schulze, öfter getadelt worden sei, u. a. wegen der unleser­ lichen Handschrift auf den Katalogzetteln. Die Versetzung, die er 1920 erreichte, war dann die in den Ruhestand. 2210 Ebd.; Meyer – Generalverwaltung Preuß. Bibl. (v. Harnack) v. 5. 6. 1917. Meyer hatte sich ungern und allein aus Rücksicht auf seine lungenkranke Frau, die das Königsberger Klima nicht vertrug, versetzen lassen.

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wordene“ anzuknüpfen, die spezifische „Tradition“ des Hauses zu wahren, dessen „Bedürfnisse“ mit „praktischem Blick“ zu erkennen sowie mit „warmem Interesse“ zu vertreten, was Männer wie Preuß oder Herrmann auch nach zwanzig Königsberger Dienstjahren nicht gelernt hätten.2211 Der so hoch gelobte Walter Meyer, von 1888 bis 1909 an der Universitätsbibliothek und zuletzt Schulzes Stellver­ treter, trat 1921, in denkbar chaotischer Zeit, die Nachfolge seines nach Marburg gewechselten Chefs an.2212 Daß die Personalnöte wegen kriegsbedingt geringerer Beanspruchung der Bibliothek, die Albertina habe schließlich unter allen deutschen Hochschulen „prozentuell die größte Zahl von Studierenden ins Feld geschickt“, doch unmöglich so drückend gewesen sein könnten – einen solchen Verdacht ließ Schulze in seinen Rapporten gar nicht erst aufkommen.2213 Mit guten Gründen, denn zum einen gab es aus den „fetten“ Etatsjahren seit 1911 einen bedeutenden Überhang, der seit dem 1. August 1914 von Schulzes kleinem, invaliden Kollegium allein bewältigt werden mußte. Sodann erfuhr der ordent­ liche Etat keine Einschränkung, es waren also weiter die jährlichen Neuanschaffungen an Büchern und Zeitschriften abzuarbeiten, dazu kam wie bisher ein großzügiges Extraordinarium, für 1915/16 allein 28.000 M.. Geschenke gingen wie gehabt in erfreulichen Mengen ein und auch die Katalogisierungsar­ beiten mußten fortgesetzt werden.2214 Mehrarbeit, wenn auch geringfügige, machte die Betreuung von „Hausbüchereien“ in den 36 Königsberger Lazaretten, die man aus eigenem Bestand mit 6.000 Bänden ausgestattet hatte und über die als „Hilfsbibliothekarinnen“ auch zwei von Schulzes dort eingesetzten Töchtern wachten. Um der Nachwelt „ein möglichst lebendiges Bild der großen Zeit zu überliefern“, ließ Schulze zudem eine Sammlung aller auf den Krieg bezüglichen in Ost­ und Westpreußen herge­ stellten Drucksachen anlegen.2215 Die Lesesaalfrequenz, die vor Kriegsbeginn bei 150 Benutzern täglich lag, ging bis 1918 auf etwa 70 bis 80 zurück, ebenso halbierte sich die Ausleihquote, doch wegen der jammervollen Personalknappheit resultierte daraus keine Entlastung für Akzession und Katalog. Insgesamt darf man sagen, daß Alfred Schulze, selbst bis zur Erschöpfung arbeitend,2216 seine Biblio­ thek jederzeit funktionstüchtig und von Kriegsbeeinträchtigungen frei erhalten hatte. Die Raumnot war in seiner Amtszeit ohnehin kein Thema, da der Neubau auf 500. 000 Bände ausgelegt war, er den Bestand bis Kriegsende aber erst auf etwa 370.000 vermehrte. Die Etatsnot scheint ihn, obwohl der Betrag von 75.000 M. den als nicht ausreichend immer wieder beklagten Vorkriegsetat bis 1918 nicht überschritt, kaum mehr angefochten zu haben, weil er bei einer Aufstockung den erhöhten Bücherein­ gang schwerlich hätte bewältigen können. So blieb als wesentlichster Einschnitt die personelle Ent­ Ebd.; Schulze – PrMK v. 8. 6. 1917. Siehe Band II. 2213 Chronik AUK bis 1916 gedruckt, ansonsten in GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. XI. 2214 Hierfür seit 1902 bis mindestens 1919 als Hilfskraft zusätzlich eingesetzt die 1856 geb. Martha Noske. – 1914/15 standen ord. 52.000 M., ao. 19.500 M., 1915/16 56.000 M. aus dem ord. Etat und 28.000 M. Zuschuß zur Verfügung. 12.000 M. gab Schulze für Bücher aus dem Bereich „Geschichte und Hilfswissenschaften“ aus, für 6.500 schaffte er naturwissenschaftliche Literatur an. An Geschenken gingen u. a. auf Vermittlung Bezzenbergers Reisetagebücher aus dem Nachlaß des 1895 verstorbenen Gustav Hirschfeld ein, „Prussica“ und andere „wertvolle deutsche Literatur“ um 1800 aus der Bibliothek des Superintendenten Spiller, Ende 1917 ca. 500 überwiegend theol. Bücher von der Kirchengemeinde in Fischhausen, eine Sammlung des dort 1796 verstorbenen Diaconus Johann Gottlieb Fischer, für Schulze ein „Dokument des geistigen Interesses eines ostpreußischen Geistlichen des 18. Jahrhunderts“, sowie im Frühjahr 1918 als bedeutendster Zuwachs, die 14.000 Bände umfassende Bibliothek der Physikalisch­Ökonomischen Gesellschaft, überwiegend naturwissenschaftliche, geogr. u. prähist. Zeitschriften und Literatur, die aus Schulzes Sicht die UBK „mit einem Schlage auf eine höhere wissenschaftliche Stufe“ hob (GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. XI, unpag.; an PrMK v. 4. 10. 1917). 2215 AUK Chronik 1914/15. 2216 Schulzes Arbeitswut war allerdings keine kriegsbedingte. Die Briefe an den Kollegen Milkau zeugen seit 1908 davon, daß der Direktor, Vater von fünf Kindern und eigentlich Familienmensch, sich vom Dienst „auffressen“ ließ (so etwa an Milkau v. 23. 11. 1912, in: SBB, Nl. Milkau, Korresp. Kasten 2). 2211

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blößung, die intern zu „Stockungen“ führte, die aber infolge gesunkener äußerer Beanspruchung keine gravierenden Folgen für die Benutzbarkeit zeitigten, die Schulze letztlich mit einem steinalten Diener und einem Häuflein malader Bibliothekare über vier entbehrungsreiche Kriegsjahre aufrecht erhielt.

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Ob sich in Königsberg eine innere Opposition formierte, der man ex post einen Anteil am „Dolch­ stoß“ gegen das kämpfende Heer zuschreiben konnte, ist aufgrund der dürftigen Quellenlage nicht faßbar. Immerhin berichtete der Kirchenhistoriker Lezius am Ende des entbehrungsreichen Kohl­ rübenwinters 1916/17 über eine „Hungerrevolte“ und über spontane Plünderungen von Geschäften im Stadtzentrum.2217 Der alldeutsche Oberbürgermeister Körte ließ hingegen Zuversicht verbreiten und seine Verwaltung veröffentlichte Fotos von randvollen Lebensmittel­Magazinen.2218 Wie tief das die breite Masse beruhigte, ist schon deshalb nicht zu ermessen, weil keine sozialdemokratischen Pres­ seerzeugnisse aus dieser kritischen Zeit überliefert sind. Im öffentlichen Raum, soweit ihn die bürger­ liche Presse Königsbergs widerspiegelt, wußte sich jedenfalls nicht einmal der traditionelle Königsber­ ger Linksliberalismus vernehmen zu lassen. Allein der Oberlehrer und Kantforscher Otto Schöndörffer schien weiter seine Antipathien gegen Bismarck pflegen, sein vermutlich ohnehin gleichgesinntes Publikum mit diskret pazifistischen Positionen bestätigen und sogar dafür eintreten zu dürfen, Kriege fortan durch völkerrechtliche Verträge überflüssig zu machen.2219 Hätten alle Menschen Sinn für das kantische Sittengesetz, so spekulierte Schöndorffer, das ihm der Widerschein einer „vernünftigen Welt­ ordnung“ war, könnte diese allgemeine Anerkennung „ewiger praktischer Wahrheiten“ den „Haß der Völker“ wenigstens einschränken und die europäische Zivilisation gliche nicht länger dem „Gebaren wilder Tiere“.2220 Der Mehrheit Königsberger Akademiker sprach das nicht aus der Seele. Der Pflanzenkundler Mit­ scherlich, in seiner Kaisergeburtstagsrede 1917 über „Die Förderung der landwirtschaftlichen Produk­ BAK, N 1052/100, Bl. 18 f.; Lezius – R. Seeberg v. 26. 5. 1917: „Gestern und vorgestern hier Hungerrevolte. Weiber und Kinder ließen[?] hochleben, plünderten Bäckerläden und schlugen Schaufenster ein. Es waren schlech­ terdings keine Kartoffeln zu haben. Folge der öffentlichen Bewirtschaftung. Im Herbst die Einkellerung der Kar­ toffeln theils verhindert, theils verboten. Dann in der Kälte aus den Mieten gerissen, erfroren und verfault. Jetzt nicht aus den Mieten herauszukriegen, weil die Frühjahrsbestellung keine Zeit übrig läßt. Ein Ende ist beim System Batocki und Michaelis nicht zu erwarten, da Scheidemann und Bethmann es so für gut befinden. Mir tun die armen Hausfrauen leid …“ Mit der Spontanität soll es bei diesem Aufruhr nicht weit her gewesen sein. Als Zeitzeuge, ohne Beleg, schreibt Gause III, S. 13, er sei „von Linksradikalen geplant und aus dem Hintergrund ge­ steuert“ worden, was „nur die Eingeweihten“ gewußt hätten. 2218 KHZ Nr. 356 v. 2. 8. 1917 und Stadtrat W. Ausländer, Die Lebensmittelversorgung in Königsberg [mit Fo­ tos von Kartoffellagern, Mehlspeichern, Verteilungsstellen, Kriegsküchen], in: Königsberger Woche 10, 1917/18, S. 57 f., 69 f., 96, 106 f.; dazu auch Carl Ergang, Die Königsberger Lebensmittelkarten, in: ebd., S. 153 f., die Bevölkerung Ende 1917 auf „schwere Zeiten“ der Rationierung einstimmend. Vgl. Stern 1939. 2219 Schöndörffer 1917b, in einer längeren Rez. zu Erich Franz (Kiel), Politik und Moral, Göttingen 1917, in: KHZ Nr. 446 v. 23. 9. 1917. 2220 Schöndörffer 1917a, in einer Rezension zu Ernst Marcus, Kants Weltgebäude, München 1916, in: KHZ Nr. 118 v. 11. 3. 1917. Dort auch die Klage über die „lähmende Wirkung des Krieges“, der entgehe, wer sich an Kant, den „Lehrer der Menschheit“, halte; vgl. a. Schöndorffer 1917c. 2217

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tion“, spann den Faden des Kollegen Hansen weiter und beruhigte seine Zuhörer zur Zeit des härtesten Hungerwinters: Seit 1900 sei Deutschlands Ernährungswirtschaft jährlich unabhängiger vom Ausland geworden. Leider habe es aber ausgerechnet 1915 und 1916 Ernteausfälle gegeben, so daß nunmehr Vorsorge für im Sommer 1917 etwa bevorstehende Einbußen gefragt sei.2221 Ende September 1917 meldeten sich Rektor und Senat mit einer Protestnote gegen die „An­ maßung“ des US­Präsidenten Wilson, den Monarchen und sein Volk gegeneinander ausspielen zu wollen: Kaiser und Reich seien unzertrennlich.2222 Vor den Honoratioren der Königlich Deutschen Gesellschaft glaubte der Strafrechtler zu Dohna versichern zu dürfen, daß der Versuch des „demo­ kratischen Diktators“, Kaiser und Volk zu entzweien, „bis tief in die Reihen der Sozialdemokratie“ Entrüstung ausgelöst habe. Trotzdem treffe Wilsons demokratische Rhetorik unleugbar Mißstände, denen „innere Kämpfe und Zwistigkeiten“ entsprängen, und die das von der Vernichtung bedrohte deutsche Volk zur Kapitulation zwingen und „in den Zustand einstiger Ohnmacht und beschaulicher Selbstgenügsamkeit zurückschleudern“ würden. Ähnlich wie sein staatsrechtlicher Kollege Wolzen­ dorff forderte zu Dohna daher, die Kritik an der konstitutionellen Monarchie und am „Obrigkeits­ staat“ mittels Wiederbelebung „genossenschaftlicher“ Traditionen zu neutralisieren. Schon einmal, während der preußischen Reformen, habe ein Freiherr vom Stein die „Belebung des Gemeingeistes“ entfacht und damit Kräfte für Preußens Wiederaufstieg entbunden. Darum lasse sich, unter Wahrung „deutschen Wesens“ und nicht nach dem auf „fremdländischen Boden“ gewachsenen Schema Wilsons, mehr Demokratie wagen, wenn sie, der „Eigenart der historisch­politischen Entwicklung des Deut­ schen Volkes“ Rechnung tragend, genossenschaftlich organisiert werde und dem Prinzip der „Deut­ schen Freiheit“ gehorche, die „willige Hingabe“ an das Ganze, die „Freiheit zum Staat“ verlange.2223 Im Winter 1917/18 traten verfassungsrechtliche Diskussionen im Geist der Ideen von 1914 je­ doch vor den Sorgen des Kriegsalltags spürbar zurück. Allgemeine Erschöpfung schien das Bedürfnis nach öffentlichen Bekundungen des Sieges­ und Durchhaltewillens einzuschläfern. Nicht nur für den Geologen Bergeat, der über eine lächerlich geringe Kohlenzuteilung für die Universität klagte und über das gespentische Erlöschen jeder innerstädtischen Betriebsamkeit beim frühen winterlichen Ein­ bruch der Dunkelheit,2224 drängten sich elementare Kümmernisse in den Vordergrund. Die fast eupho­ rischen, vom „Auslandsstudium“ ausgelösten Reaktionen, die im Sommer 1917 noch von der Freude zeugten, sich „nützlich“ machen zu dürfen und die den Arbeitsmut belebten, wurden im Kriegswinter 1918 auf eine harte Belastungsprobe gestellt. So schreibt der Ägyptologe Wreszinski an seinen Lehrer Adolf Erman im Januar 1918: „In der Universität ist es teilweise unerfreulich. Bezzenberger ist sehr krank, der Winter, der Kohlen­ und Fettmangel setzen ihm stark zu. Auch sonst ist die ältere Generation etwas klapp­ rig, alle aber, Alte und Junge, sind von einer politischen Nervosität und Zerfahrenheit, daß man schwer miteinander auskommt. Bei einzelnen Leuten haben diese Zustände pathologische Formen angenommen.“2225 KHZ Nr. 45 v. 27. 1. 1917. Um Saatgut zu sparen, gab Mitscherlich die Parole aus: „Mengsaaten statt Rein­ saaten“. 2222 KHZ Nr. 451 v. 26. 9. 1917. 2223 zu Dohna, Preußen und die neue Zeit, Vortrag KglDG 18. 1. 1918; Ms. in UB Bonn, Nl. Dohna IVa, Nr. 1. Dohna folgte hier den Gedankengängen, die Adolf von Harnack, Friedrich Meinecke, Max Sering, Ernst Troeltsch und Otto Hintze in ihren Vorträgen im Preuß. Abgeordnetenhaus über „Die deutsche Freiheit“ entwickelten, im Mai 1917, sechs Wochen nach der US­Kriegserklärung; s. Bund deutscher Gelehrter … (Hg.), 1917. 2224 Brief an einen Kollegen v. 4. 10. 1917, in: SBB, Nl. 370, Kasten 13. 2225 UB Bremen, Nl. Erman; Wreszinski an Erman v. 17. 1. 1918. Einen Monat später (Schreiben v. 18. 2. 1918) folgte die Beschwerde über den ersterbenden Unterrichtsbetrieb. Der Kunsthistoriker Haendcke habe keinen ein­ zigen Hörer, der Archäologe Rossbach gerade einmal zwei, während Wreszinski für ein philologisches Kolleg nie­ 2221

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Der Altphilologe Karl Meister gab sich dem „hochverehrten Herrn Geheimrat“ Eduard Meyer gegenüber Untergangsstimmungen hin: „Wie nieder drückt der Gedanke die Seele, daß die europäische Kultur ihren Höhepunkt über­ schritten hat, daß wir größeren inneren Gefahren entgegengehen als die sind, die uns jetzt von außen bedrohen, daß wir im Spiegel der antiken Geschichte mit ihren Tragödien unsere eigene Zukunft erblicken. Möchte uns allen die Kraft gegeben werden, den Posten, auf den uns die Gottheit gestellt hat, zu behaupten und dabei soll uns nicht nur das Heldentum unserer Kämp­ fer draußen, sondern auch die Arbeit unserer geistigen Führer helfen!“2226 Klang Meisters trotzige Schlußwendung eher nach dem Pfeifen im Walde, glaubte Brackmann mit dem Friedensschluß von Brest­Litowsk handfesten Anlaß zu vorsichtigem Optimismus erhalten zu haben, mit dem er im März 1918 den politisch gleichgestimmten, aber skeptischeren Grafen Dohna noch einmal anstecken wollte: „[…] der Tag, an dem wir den Friedensschluß mit Rußland erfuhren, soll nicht vergehen, ohne daß ich Ihnen ein Lebenszeichen von mir gebe. Krauske und ich haben heute Vormittag bereits auf die Zukunft Deutschlands angestoßen. Es ist doch ein ganz großer Augenblick der deutschen Geschichte, den wir heute erleben. Mag sich vieles in diesem Kriege anders gestaltet haben, als wir erhofften, so ist diese Entwicklung im Osten doch über alles Erwarten günstig verlaufen. Vor der ‚Dampfwalze‘ sind wir nun wohl auf lange Zeit hinaus gesichert und haben die Hände frei, um uns mit England auseinanderzusetzen. Ob der Verlauf der russischen Revo­ lution klärend auch auf unsere inneren Verhältnisse wirken wird, bleibt abzuwarten. Der Ruck nach Links wird kommen, das Wahlrecht wird ‚marschieren‘, aber die Monarchie wird bleiben, vielleicht kräftiger als zuvor. In dieser Beziehung teile ich die Befürchtungen nicht, die mir vor einigen Tagen Herr von Batocki so schwarz wie möglich ausmalte. Die überwiegende Mehr­ heit des deutschen Volkes ist monarchistisch und wünscht nur ‚gleiches Recht für alle‘: in der Verwaltung, im Steuerwesen und auch in der Justiz. Und diese Forderungen lassen sich nicht mehr abweisen. Sie müssen kommen – trotz Oldenburg­Januschau und verwandter Seelen.“2227 Ebenso unverzagt trat zur gleichen Zeit Gerlach auf, als er Eduard Meyer über den Abschluß seiner Vor­ tragsreihe berichtete und ungehalten jene verurteilte, denen der erwünschte „Siegeswille“ fehle, jene, die ängstlich auf die „ ‚Verständigung‘ “ schielten, wo es stattdessen gelte, den „Willen des Feindes [zu] brechen“.2228 Kurz vor Unterzeichnung des Brester Friedens, in seiner Kaisergeburtstagsrede über ‚Die manden gefunden habe, eine Veranstaltung über ägyptische Kunstgeschichte aber immerhin noch 25 Hörer anzog – was im Verhältnis zu Friedenszeiten aber auch wenig sei. 2226 BBAW Nl. Meyer Nr. 938; Karl Meister an Eduard Meyer v. 14. 4. 1918. – Spätestens nach Versailles hat Mei­ sters Nationalismus alle Untergangsstimmungen verdrängt, wie noch seine Heidelberger Rektoratsrede ‚Über die Tugenden der Römer‘ von 1930 beweist: „Über diesen Vertrag der Ungerechtigkeit gerechtes Gericht zu fordern muß ein Anliegen der gesitteten Menschheit werden […]. An uns Deutsche geht dies Anliegen in erster Linie, weil es zugleich ein nationales Anliegen ist, das unsre Ehre und unseren Wohlstand wiederherstellen soll“. Was für den kriegsbeschädigten Humanisten indes nicht hieß, im Kampf gegen Versailles „Gewalt gegen Gewalt“ zu setzen (wiederabgeruckt in: Meister 1987, S. 13–31, hier zit. S. 31. 2227 UB Bonn, Nl. Dohna, Brackmann an Dohna v. 4. 3. 1918. Zwei Wochen später beschrieb er dem in Ober Ost tätigen Strafrechtler die Stimmung als „recht zuversichtlich infolge der großen politischen Zugewinne im Osten, die eine innenpolitische Beruhigung gebracht“ hätten (Schreiben v. 17. 3. 1918, ebd.). Im Vorgriff auf Brest­Litowsk hatte Brackmann 1917 bereits die „Ukraine­Frage“ erörtert. 2228 BBAW, Nl. Meyer Nr. 630; O. Gerlach an Meyer v. 26. 3. 1918. Anlaß war die Absage des Kieler National­ ökonomen Bernhard Harms, der die HHK­Vorträge (s. o. S. 438 f.) mit einem Beitrag über den gegen Deutschland

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deutsche Hanse‘, versprühte der Handelsrechtler von Gierke ähnliche Siegeszuversicht. Riga sei „un­ ser“, der Anspruch auf Rußlands baltische Provinzen auch historisch nicht unbegründet, eine „starke deutsche Flotte, ohne die wir jetzt zugrunde gegangen wären“, die Schöpfung des vom hansischen Geist erfüllten Kaisers, der Garant des „starken deutschen Friedens“, dem man 1918 entgegensehe.2229 Neben den Kleinmütigen wie Wreszinski und den Zweckoptimisten wie Brackmann, Gerlach und v. Gierke wirkten aber noch jene, von denen man annehmen muß, daß sie als die Stillen im Lande die Mehrheit im Kollegium bildeten: die, die abgeschottet gegen die Zeitläufte ganz in „Lehre und For­ schung“ aufgingen. Unter ihnen sind wiederum zwei Gruppierungen auszumachen, in der Mehrheit jene, die die „Wissenschaft als Beruf“ bis zum Autismus perfektionierten, etwa die Neuphilologen Ka­ luza und Pillet, die Altphilologen Rossbach und Tolkiehn, oder das Gros der Naturwissenschaftler, und eine Minderheit derer, die business as usual ohne ostentativen politischen Ehrgeiz trieben, gleichwohl aber einem „vaterländischen“ Impuls folgten und sich der, ex post gesprochen, systemstabilisierenden Wirkung ihres Alltagsgeschäfts wohl bewußt waren. Zu ihnen zählte in erster Linie der Geograph Max Friederichsen. Als befände er sich in seligsten Friedenszeiten, die er übrigens mit „Zuversicht und Freudigkeit“ erwartete, hatte er, wie er seinem Lehrer Hermann Wagner berichtete, mittels einer „engagierten Schreibmaschinenhülfe“ sowie „vier Studentinnen“, die wertvolle Bibliothek („mit den weit über 3.000 Büchern“) seines Vorgängers Friedrich Hahn im Institut „katalogisiert, etiquettiert, inventarisiert und aufgestellt“. Unverdrossen glaubte er, „wenn ich im Laufe dieser Sommerferien auch die Separaten­, Karten­ und Lichtbildersammlung durchgeordnet habe“, „unseren zurückkehrenden Braven ganz andere Studienmöglichkeiten bieten“ zu können, als dies „bisher der Fall war“. Bis es soweit war, lockte er ein zu 2/3 aus „Damen“ bestehendes Publikum von stattlichen 50–60 Hörern mit seinen Vorlesungen an. Daneben veranstaltete er, gemeinsam mit dem Geologen Andrée, in einem landschaftlichen Umfeld, wo Nahrungsmittelknappheit und Preistreiberei die sich zur Sommersaison 1918 dorthin verirrenden wenigen Urlauber abschreckte,2230 ausgedehnte, zu Zeiten des Stubenge­ lehrten Hahn undenkbare Exkursionen ins Samland und auf die Kurische Nehrung.2231 Den meta­ wissenschaftlichen Zusammenhang seines Treibens verlor Friederichsen, den Brackmann als Kollegen charakterisierte, der „stark politisch interessiert“ sei,2232 gleichwohl nicht aus den Augen: „Neben diesen Organisationsarbeiten gingen im Laufe des Winters dauernd die Arbeiten zur Förderung des Auslands­Studiums, speziell der Kunde Ost­Europas, weiter. Ich selber las 1stündig über Finnland und Ostseeprovinzen und suchte mit Hülfe eines Teils der ministeriell geführten „Wirtschaftskrieg“ abschließen sollte. Einen Ersatz vom Fach habe er, Gerlach, nicht gefunden, und „Staatsmänner haben offenbar immer noch nicht begriffen, daß man durch objektive Darstellung den eigenen Siegeswillen stärkt“. So habe er sich entschlossen, für den letzten Vortrag einen anderen Gegenstand zu wählen und den „Ideenkampf“ wiederaufzunehmen, „den unsere Feinde begonnen haben“, und den Rechtsphilosophen Rudolf Stammler über „Recht und Macht“ sprechen zu lassen. 2229 v. Gierke 1918, S. 29 f. – Daß es gerade nicht des Kaisers Schlachtflotte, sondern die erst nach Kriegsausbruch vermehrt produzierten U­Boote waren, mit denen das Reich der Entente empfindliche Schläge versetzte, übersah der Laudator. Nicht ahnen konnte v. Gierke hingegen, daß die Revolution, die seinen „erhabenen Kaiser“ die Krone kostete, im November 1918 an Bord seiner Schlachtschiffe beginnen sollte. 2230 Vgl. dazu Tagespresse u. Ostpr. Heimat 3. 1917. 2231 UBGö, Nl. Wagner, Friederichsen – Wagner v. 9. 7. 1918: „Besonders bei den zahlreichen Excursionen und deren äußerlicher wie wissenschaftlicher Vorbereitung, sowie bei den Anfänger­Übungen hat er [sein Assistent Dr. Krohn] mir wacker und erfolgreich geholfen. Für Königsberg waren diese Excursionen ja etwas völlig Neues. Sie fanden viel Anklang, wurden sehr gut besucht (meist ca. 30 Teilnehmer und Teilnehmerinnen) und fleißig durch vorbereitende und nachbereitende Übungen ausgewertet. In der Pfingstwoche war ich 3 ½ Tage in der Umgegend von Elbing und Danzig, sonst hier an der samländischen Küste und in [sic] der eigenartig wilden und roman­ tischen Nehrung“. 2232 UBBonn, Nl. Dohna, Brackmann – Dohna v. 17. 3. 1918.

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bewilligten Mittel den Grundstock für eine russisch­polnisch­baltische Bücher­ und Karten­ Abt. des Instituts zu legen. Daneben betätigte ich mich bei den Beratungen der Auslands­ Studien­Kommission, in welche man mich gewählt hatte. Hier galt es den Plan zu fixieren für ein ‚Institut für die Kunde Rußlands und Polens‘, für welches als Grundstock die Zinsen eines der Königsberger Universität vermachten Vermögens von 360.000 M verwendet werden sol­ len.2233 Ob unser in den nächsten Tagen endgültig auszuarbeitender, sehr großzügig angelegter und auf erhebliche weitere ministerielle Geldmittel ausgehender Plan zustande kommen wird, ist noch fraglich. Wir hoffen es aber! Dann wird unter meiner Leitung auch eine ‚Abteilung für Landeskunde‘ begründet werden. Als erste Veröffentlichung dieser Abteilung drucke ich schon jetzt an einer Arbeit meines früheren Schülers Dr. Joh. Dreyer über die Moore Kurlands.2234 Dreyer hat im Dienste der Etappe Libau auf meine derzeitige Empfehlung hin diesen Auftrag erhalten und trefflichst durchgeführt. […] Als zweite Arbeit hoffe ich dann auf die auch gegen Ende dieses Jahres fertig werdende und z. T. schon im druckfertigen MS. in meinen Händen befindliche ‚Landeskunde von Kurland‘ aus Dr. F. Magers Feder.“2235 Aber selbst diese Betriebsamkeit, die anscheinend alles in den Dienst des „Siegfriedens“ stellte, und hoffnungsfroh das Baltikum vermessen ließ, als sei es übermorgen „Reichsland“, konnte nicht ver­ decken, daß dem regsamen Geographen im Sommer 1918 Zweifel bezüglich der „politischen Tages­ Ereignisse und Kriegsbegebenheiten“ quälten, die er mit „schwerem Kopfschütteln“ verfolge und an­ gesichts derer er sich frage: „Ob wir das glückliche Ende, auf welches ich nach wir vor felsenfest hoffe, noch in diesem Jahre erleben werden? Wer wagt zu prophezeien?“ Den Historiker Krauske beschlich zur gleichen Zeit ein gelindes Grauen, das er dem Chirurgen Kirschner, dem Schwiegersohn Kapps, anvertraute, der ihn aufgefordert hatte, den Alldeutschen Ver­ band zu unterstützen: Da wolle er sich nicht sperren. Aber eigentlich sei ihm jeder „extreme Stand­ punkt unbehaglich“. Und wer garantiere eigentlich, daß wir vor Erreichen all der „glanzvollen Kriegs­ ziele“ nicht verhungert seien?2236 Verhungert – oder gefallen, wie Friederichsens Kollege, der Gräzist Christian Jensen kurz darauf konstatierte, als er dem im Verlauf der letzten verzweifelten Offensive an der Westfront als Sanitäter gefallenen Extraordinarius Hermann Mutschmann die Gedenkrede halten mußte: „Ich habe eine sehr schwere Woche hinter mir, da am letzten Sonntag (21. 7.) die telegr[aphische] Nachricht eintraf, daß Mutschmann gefallen. Ich hatte die schwere Aufgabe, die Eltern vorzu­ bereiten. Erst vor vier Wochen war Mutschmann als San.­Unteroffizier zu einem Feldart. Reg. gekommen. Ein Volltreffer in den Unterstand hat seinem Leben ein Ende gemacht. So ist mir nun auch der letzte Freund aus der Kieler Zeit entrissen, er stand mir sehr nahe, war jeden Tag bei uns im Hause. Ich habe vorgestern die Gedächtnisrede in der Universität gehalten, in den nächsten Tagen kommt der Bruder aus dem Hauptquartier, um den Nachlaß zu ordnen mit mir. Das Schicksal hat mir eine schwere Aufgabe zugedacht.“2237

Zu dieser Stiftung s. o., S. 470 f.. Dreyer 1919. 2235 Auch bezüglich Mager, der in den nächsten zwanzig Jahren mit dem Königsberger Geographischen Insti­ tut eng verbunden blieb, mußte Friederichsen einräumen, daß dieser Kurland­Experte keine „einzige slavische Sprache“ beherrsche! Magers Landeskunde erschien erst 1920, als Kurland ein Bestandteil des souveränen Lettland war. Zitat aus Brief v. 9. 7. 1918, wie Anm. 2231. 2236 GStA, VI. HA, Nl. Kapp Nr. 934; Krauske an Kirschner v. 14. 6. 1918. 2237 UBGö, Nl. Nohl; Chr. Jensen – Herman Nohl v. 29. 7. 1918.

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Mutschmann und der habilitierte Psychiater Arthur Pelz waren Mitte Juli 1918 die letzten von 15 Do­ zenten und Assistenten der Albertina, die ihr Leben an der Front ließen, während die Zahl der Ge­ fallenen unter den Studenten – bis zum Waffenstillstand insgesamt 271, also ein Fünftel der 1914 Immatrikulierten – gerade im letzten halben Jahr des Krieges kräftig nach oben schnellte.2238 Im Sommer 1918, als eine Abfolge düsterer Tage an der Westfront am 8. August im katastrophalen „Schwarzen Tag“ von Amiens kumulierte, wo britische Verbände tief in die Front einer deutschen Armee eindrangen und 20.000 kriegsmüde Soldaten des Kaisers sich fast ohne Gegenwehr ergaben, versuchte man in Ostpreußen mittels landesweit ausgerichteter „Tannenberg­Feiern“ den Siegeswillen zu steifen.2239 Ebenso zukunftsfroh gab sich eine im September eröffnete Königsberger Ausstellung über Litauen, die an alten Visionen über die moderate Neuordnung des Ostpreußen benachbarten Ostraums festhielt.2240 Parallel zu den Berliner Sondierungen, im Oktober 1918 ein letztes Aufbäumen zu organisie­ ren (Walther Rathenaus „levée en masse“),2241 kam es am 25. Oktober 1918 in einer allgemeinen Studentenversammlung zu einer von Endkampfstimmung durchwirkten Protestresolution gegen die dritte der erpresserischen Wilson­Noten vom Herbst 1918,2242 die bekanntlich ungeachtet solcher Ein­ sprüche direkt zum Waffenstillstand von Compiègne führte.2243 Gleichzeitig leitete der Völkerrechtler Kurt Wolzendorff, der sich am 9. November 1918 eiligst auf die Seite der „revolutionären“ Studenten schlagen sollte,2244 einen Vortrag über die „Notwendigkeit deutschen Kolonialbesitzes“ ein, zu der der interkorporative „Bund deutschnationaler Studenten“ geladen hatte.2245 Und noch eine Woche vor der Fahrt deutscher Unterhändler nach Compiègne riefen Batocki und Körte bei einer Kundgebung zur „neunten Kriegsanleihe“ zum Ausharren bis zum Sieg auf.2246 Den hielt ein Teil der Professorenschaft auch im Oktober 1918 noch für möglich. Der Homiletiker Gennrich, der als Generalsuperintendent am 20. Oktober an die ostpreußische Geistlichkeit appellierte, dem „angestammten Herrscherhaus“ die Treue zu halten, meinte rückblickend jedenfalls, die „Dolchstoß“­Legende kolportierend, das „Zer­ setzungswerk“ von Zentrum und SPD in der Heimat habe die Front ins Wanken gebracht.2247 Der Wilhelm II.­Hasser Friedrich Lezius beschuldigte hingegen den Kaiser, das militärisch vorgeblich Er­ reichbare gemeinsam mit den „Flaumachern“ des Reichstages politisch verdorben zu haben, wie er Reinhold Seeberg klagte:2248 „Es ist furchtbar, den Wahnsinn des politischen Selbstmordes in Berlin anzuschauen. Gott will das deutsche Volk durch seine Regierung verderben, das ist mit Händen zu greifen. Die Räu­ mung Belgiens und Nordfrankreichs, welche die O. H. L. in unpatriotischem Kadavergehorsam vollzieht, war militärisch nicht geboten, da wir uns dort noch halten konnten, sondern eine wahnsinnige Tat unserer grauenhaften Versöhnungspolitik, ebenso wie die Einstellung des U­ Zahlen nach einer Broschüre, hg. zur Trauerfeier der Universität für ihre Gefallenen am 28. 10. 1919, mit Reden Bezzenbergers und des Studentenvertreters stud. phil. Erich Weise, einem Doktoranden Brackmanns, in: GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. I, Nr. 16. 2239 Anonym 1918a. 2240 Anonym 1918b. 2241 Schölzel 2006, S. 245 f. 2242 Zur Reaktion auf die dritte Wilson­Note ausführlich Schwabe 1971, S. 144–175. 2243 KT Nr. 252 v. 26. 10. 1918, Bericht über Studentenversammlung unter Vorsitz des Prorektors Ernst Meyer, Prof. f. Psychiatrie. 2244 Dazu Bd. II. 2245 KT Nr. 252 v. 26. 10. 1918; Bericht über den Vortrag Paul Leutweins und Wolzendorffs Einführung über Ziele, Zwecke und Aufgaben des nationalen Studentenbundes. 2246 KT Nr. 260 v. 5. 11. 1918. 2247 Gennrich 1938, S. 165. 2248 BAK, N 1052/102, Bl. 72; Lezius – Seeberg v. 23. 10. 1918. 2238

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Bootkrieges. Friedrich der Große würde die Stellung in Belgien und Nordfrankreich behauptet haben, da das militärisch nützlich war, und würde den U­Bootkrieg noch mehr verschärft, die Drückeberger herangeholt, die Deserteure und Meuterer wie Foch und Clemenceau schließlich füsiliert haben und dem Volk zugerufen haben: Lieber tot als Sklav. Dazu ist die Feigheit, Ehr­ losigkeit und der pazifistische Idealismus in Berlin unfähig. Die Regierung trieb Selbstmord­ politik, schädigt unsere militärische Stellung ohne feindliche Äquivalente, stärkt die Feinde, wirtschaftlich sie ihrer Kohlennot enthebend, ohne daß die es auch nur zum Waffenstillstand kommen ließen. Deutschland soll den Krieg nur noch gründlicher verlieren, es ist das Bestre­ ben der Regierung S.[einer] M.[ajestät], die ihn und Deutschland offenbar verderben wird und will, indem sie S. M. ködert durch die Aussicht auf baldigen Frieden. Um des baldigen Friedens willen durften Riga, Petersburg, Saloniki usw. nicht genommen [= erobert] werden, wurden Zeppeline und U­Boote nicht losgelassen. Genau wie alle vier Kriegsjahre hindurch verdirbt die aberwitzige Versöhnungs­ und Friedenspolitik bis zuletzt den Krieg.“ Ähnlich vom Versagen der Heimat überzeugt waren die drei Mediziner Matthes, Kaiserling und Kirschner,2249 die noch 1921 dafür sorgten, Ludendorff mit der Begründung zum Ehrendoktor zu promovieren, ihm sei sein unbesiegtes Schwert aus der Hand geschlagen worden von jenen Kräften, die vertrauensselig den Versprechungen Wilsons geglaubt hätten.2250 Wie bedenklich die Heimatfront in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft schwankte, durften die Königsberger Professoren am 3. November der Presse entnehmen: Tags zuvor, am dies ater der Memel­ stadt, war es in Tilsit zum Aufruhr gekommen, jugendlicher Mob und Soldaten der Garnison hatten in der Hohen Straßen Scheiben eingeworfen und stundenlang geplündert, der Schaden lag zwischen 1,5 und 2 Millionen Mark – ein Menetekel.2251

Matthes, Kirschner, der Pharmakologe Rudolf Cohn und der Chemiker Lassar­Cohn traten im September 1918 öffentlich als Beiträger zur „Ludendorff­Spende“ hervor (lt. KT Nr. 218 v. 17. 9. 1918). Lassar­Cohn hatte zuvor in der Tagespresse der dt. Wirtschaft noch günstige Prognosen für die Zeit nach dem „Siegfrieden“ gestellt (1918a + b). 2250 Presseecho und Briefwechsel Kurator Bezzenberger, Rektor Max Matthes (Innere Medizin), Dekan Martin Kirschner (Chirurgie) in: GStA, Rep. 76Va, Nr. 10329, Bl. 19–28. Matthes, Kirschner sowie der Pathologe Carl Kaiserling wurden als „Ludendorffs Protektoren“ im SPD­Organ Vorwärts v. 17. und 18. 8. 1921 scharf angegrif­ fen. Die Dolchstoß­Legende wurde im Elogium für den „Meister der Feldherrenkunst“ recht unverblümt expli­ ziert. 2251 Quentin/Reyländer 1919, S. 96 ff. 2249

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Die Albertina an der Heimatfront – Wirkungen des Krieges

Der Einfluß des „Großen Krieges“ auf die Königsberger Universität, die durch ihn bewirkten Ver­ änderungen in Forschung und Lehre, auf das Selbstverständnis der Wissenschaftler und ihre Wissens­ produktion, sind aufgrund der unzulänglichen Quellenlage nur ungenau zu bestimmen. Im bislang universitätshistorisch ohnehin kaum erschlossenen Zeitraum von 1914 bis 1918 scheinen die hierzu vorliegenden wenigen Studien über Heidelberg, Tübingen, Marburg, Leipzig und Freiburg2252 das Ur­ teil zu gestatten, daß sich der Kriegsdienst an der „Heimatfront Universität“ auf dem akademischen Außenposten im Nordosten auf den ersten Blick nicht wesentlich von den übrigen Hochschulen des Reiches unterschied. Dies zeigen die gängigen Indikatoren, mit denen sich der Kriegseinfluß auf den Universitätsbetrieb messen läßt: Beteiligung der Dozenten an der Kriegsdeutung in Publizistik und öffentlichen Vorträgen, ihr und der Studenten Anteil am Fronteinsatz, an zahlreichen Hilfsdiensten (Lazarette, Besatzungsverwaltung, Frontbetreuung, Studenten­, Flüchtlings­ und Hinterbliebenen­ Fürsorge), an der anwendungsbezogenen Forschung im militärischen Auftrag, an der Ausrichtung des Lehrbetriebs auf aktuelle Unterrichtsthemen und an institutionellen Veränderungen. Ebenso ist der übliche starke Rückgang der Studentenzahlen um Zweidrittel zu verzeichnen, eine im preußischen Durchschnitt von 20 bis 30 Prozent liegende Rekrutierungsquote unter den Dozenten mit den ebenso üblichen Schwankungen der altersbedingten Inanspruchnahme zwischen Ordinarien und Privat­ dozenten. Auch zwischen den Fakultäten differierte das Ausmaß des Kriegseinsatzes. Bei den Medi­ zinern standen zeitweise bis zu 80 Prozent des Lehrpersonals, das in Frontlazaretten oder in ihren zu Reservelazaretten umgewidmeten Königsberger Kliniken tätig war, nicht für den Unterricht zur Ver­ fügung. Das sind Zahlen, wie sie auch aus Marburg (bis zu 100 %) und aus dem frontnahen Freiburg, dem „südwestlichen Eckpfeiler der deutschen Kranken­ und Verwundetenfürsorge“, bekannt sind.2253 Die erste Königsberger Besonderheit stellt indes dar, daß es unter der ohnehin kleinen und nicht sehr agilen Zahl Königsberger Kriegspublizisten nicht zu der andernorts häufigen Spaltung in zwei Lager, zu der sich seit 1916 aus dem Ende des „Burgfriedens“ ergebenden Polarisierung zwischen „An­ nexionisten“ und „Gemäßigten“, zwischen „Vaterlands­ und Volksbundgruppe“2254 kam. Zwar deutet die geringe Beteiligung an der Gründung der Vaterlandspartei, die sich auf Hansen und Baumgart beschränkt, eine Lagerbildung an, obwohl die alte liberale Tradition in keiner Fakultät mehr eine Jansen 1992, S. 109­142; Paletschek 1997; Wettmann 2000; Gätke­Heckmann 2005, Chickering, Hofer, A. Lehmann, alle 2007. 2253 Wettmann 2000, S. 118; Hofer 2007, S. 172 f. 2254 So, statt „Annexionisten vs. Reformer“ der Terminologievorschlag Bruendels 2003, S. 151 f. Der „Vaterlands­ gruppe“, versammelt seit September 1917 in der Deutschen Vaterlandspartei, auf Siegfrieden, Annexionen und gegen innenpolitische Reformen geeicht, stand der am 4. Dezember 1917 gegründete, die Befürworter von Ver­ ständigungsfrieden, preußischer Wahlrechtsreform und Parlamentarisierung der Reichsverfassung organisierende „Volksbund für Freiheit und Vaterland“ gegenüber, der intellektuelle Schwergewichte wie Ernst Troeltsch, Max Weber, Friedrich Meinecke und Hans Delbrück zu seinen Anhängern zählte. 2252

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Stimme hatte und so extreme Parteiungen zwischen Alldeutschen und Reformern wie etwa in Berlin von vornherein ausgeschlossen waren. Aber auch in diesem schmaleren Mitte­Rechts­Spektrum ver­ schwand zumindest für die Gelehrtenrepublik der Albertina, wie die Einlassungen des nationalliberalen Strafrechtlers zu Dohna oder die die „Einheit“ als Unterpfand des Sieges beschwörenden Festreden des konservativen Historikers Krauske belegen, das Trennende – sogar die in Königsberg im Winter 1916/17 in Plünderungen wieder aufbrechenden Klassengegensätze – hinter der durch Kriegszwänge gebotenen Fixierung auf innere Geschlossenheit, auf den „einheitlichen Volkswillen“, den „Primat des Gemeinwohls“, ja auf die vom „Augusterlebnis“ induzierte „Utopie einer konfliktfreien, harmonischen Gemeinschaft“ als „frühe Vision des totalen Staates“.2255 Die zweite Besonderheit ergibt sich aus der IOW­Gründung und den auf die „slavische Welt“ aus­ gerichteten „Auslandsstudien“. Darin ist bei weitem keine umfassende Mobilmachung des Lehr­ und Forschungsbetriebs zu erblicken, die es an deutschen Universitäten während des Ersten Weltkrieges bekanntlich nicht gegeben hat.2256 Aber hier sind ausgeprägter als an anderen Hochschulen,2257 zumal in Verbindung mit der von Dozenten aller Fakultäten kontinuierlich bis 1918 generierten „Kriegs­ sinndeutung“, Ansätze anwendungsbezogener, praxisnaher Wissensproduktion zu erkennen, mit der vor allem Nationalökonomen, Agrarwissenschaftler, Geographen, Geologen, Historiker und Juristen eine Brücke zwischen ihrem „Elfenbeinturm“ und dem „wirklichen Leben“ zu schlagen versuchten. In dieser „Existenzialisierung“ wissenschaftlichen Wissens ist daher zu Recht der nachhaltigste Einfluß des Krieges auf das deutsche Universitätswesen gesehen worden.2258 Für die „Volksgemeinschaft“ nützliches Wissen zu produzieren oder, im engeren Rahmen der Pro­ vinz, Wissenschaft zur politischen und ökonomischen „Grenzsicherung“ im exponierten Ostpreußen „einzusetzen“ – in diesem Wandel des gelehrten Selbstverständnisses ist die tiefste Zäsur gerade in der Königsberger Universitätsgeschichte zu sehen, wie sie der Erste Weltkrieg als der große „Erzieher zur Einheit“2259 und zum „Leben der Nation“ bewirkte.2260 Den zweiten Existenzialisierungsschub im Sinne einer forcierten Gemeinwohlorientierung von Wissenschaft löste dann nicht die Revolution vom 9. November 1918, sondern der Versailler Vertrag mit den darin diktierten territorialen Veränderungen in Ostdeutschland aus. Diese neue geopolitische Lage formte die Albertina zur„Grenzlanduniversität“, die sich in Forschung und Lehre in einer bis 1914 nie gekannten Weise der „Wirklichkeit“ zuwandte und sich politisierend in den Dienst der sich vom „Slawentum“, in erster Linie durch das wiedererstan­

Bruendel 2003, S. 139 f. Wie Paletschek 1997, S. 86 („keine systematische Mobilmachung des Produktionsfaktors Wissenschaft und Technik“, ausgenommen die „TH Charlottenburg und das [sic!] Kaiser­Wilhelm­Institut“) und Wettmann 2000, S. 143, zu Recht betonen. Das fehlende staatliche „Gesamtkonzept“ für den totalen Kriegseinsatz der Wissen­ schaften (Wettmann) widerspricht aber nicht der zu beobachtenden sporadischen Auftragsforschung für militä­ rische Zwecke, wie etwa Fühners offenbar im Zusammenhang mit dem Gaskrieg stehenden Königsberger Expe­ rimenten, der Herstellung von Choleraimpfstoffen durch den ehemaligen Königsberger Bakteriologen Kruse in Leipzig (Kästner/Thom 1990, S. 109), oder der stärkeren Heranziehung Freiburger Naturwissenschaftler zur Roh­ und Ersatzstoffsuche, zur Kriegsgeologie, Meteorologie, Luftfahrtforschung, Seuchenbekämpfung und natürlich zu „Gaskampf“­Forschungen, vgl. A. Lehmann 2007. 2257 Ein reichsweiter Vergleich ist aufgrund des Forschungsstandes nicht möglich, doch scheint die äußerste Zu­ rückhaltung, wie sie Paletschek 1997, S. 86, für den Südwesten konstatiert, derzufolge „kein Naturwissenschaftler an Forschungen zu Kriegszwecken beteiligt“ gewesen sei, kein Einzelfall gewesen zu sein. Vgl. jedoch gg. Palet­ schek: A. Lehmann 2007. 2258 Wettmann 2000, S. 98; wie viele andere spricht hingegen Jansen 1992, S. 142, ungenauer vom Ersten Welt­ krieg als einer „Phase massiver Politisierung“ der Hochschullehrerschaft, ohne die Auswirkung auf ihr wissenschaft­ liches Selbstverständnis zu beachten. 2259 So wie Hunderte seiner Kollegen der Freiburger Ernst Fabricius 1914, zit. nach Chickering 2007, S. 161. 2260 Wettman 2000, S. 98. 2255 2256

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Die Albertina im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918

dene Polen, bedroht fühlenden Deutschen in der Nordostecke des Reiches stellte.2261 Für deren inneren Zusammenhalt und materielle Existenzsicherung glaubte sich die akademische Korporation seit 1919 in gesteigertem Maß verantwortlich.

Wie in Bd. II vor allem im Kapitel über die Königsberger „Ostwissenschaften“ zu zeigen sein wird, handelt es sich um das während des I. Weltkriegs gewachsene Konzept der „inklusiven Volksgemeinschaft“, das Bruendel 2003, 311 f., präzise von der „exklusiven Volksgemeinschaft“ der „radikal­sozialistischen wie radikal­nationali­ stischen Totalvergemeinschaftung“ kommunistisch­nationalsozialistischer Gesellschaftsutopien unterscheidet. Dem „inklusiven“ Gemeinschaftsmodell liege eine „substantiell andere politische Ordnungsvorstellung“ zugrunde als der NS­Volksgemeinschaftsidee.

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Catalogus Professorum Bio-Bibliographisches Verzeichnis der Professoren, Dozenten, Lektoren, Bibliothekare der Albertus-Universität Königsberg 1871–1918

Den Wunsch nach einem „Königsberger Professorenlexikon“ hat unlängst der um die Universitäts­ und Kulturgeschichte der Albertina hochverdiente Bibliothekar Manfred Komorowski angemeldet (2008, S. 24 f.). Es sollte uns nicht nur den Lehrkörper, sondern sogar noch die Sprach­, Tanz­ und Fechtmeister bio­bibliographisch vorstellen. Für die 400jährige Geschichte der Albertus­Universität dürfte ein solches Lexikon wohl noch lange ein Wunsch bleiben. Zumal in der von Komorowski vor­ geschlagenen Konzeption, die an den Lebensabriß eine „solide“ Primär­ wie Sekundärbibliographie anschlösse, ergänzt um ein Quellenverzeichnis, das Nachlässe, Briefe, Porträts erfassen möge. Das hier für den ersten Band der jüngsten Königsberger Universitätsgeschichte, also für den Zeit­ raum von der Reichsgründung bis zum Ende der Hohenzollernmonarchie erstellte Verzeichnis, das ins­ gesamt 586 Personalartikel umfasst, kommt Komorowskis hochgespannten Erwartungen daher nur in einem Punkt entgegen: es ist bemüht, über den eigentlichen Lehrkörper hinaus auch weiteres Personal zu berücksichtigen, außer den „Fechtmeistern“ vor allem die Bibliothekare der Universitätsbibliothek sowie die staatlichen Aufseher der Albertina, die oberpräsidialen Kuratoren und ihre Stellvertreter. Aus arbeitsökonomischen Gründen mußte darauf verzichtet werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Hilfspersonal, Assistenzärzte, Präparatoren oder Laboranten aufzunehmen. Bei dem ärztlichen Personal der Kliniken und Institute, dessen Verweildauer in der Regel ein Jahr nicht über­ schreitet, wäre Vollständigkeit aufgrund von Aktenverlusten ohnehin unmöglich gewesen. Für die namentlich bekannten Assistenzärzte, von denen die meisten keine akademische Karriere einschlugen, hätten sich die biographischen Angaben auf die Wiedergabe der Dissertationsviten beschränken müs­ sen, aus denen ein besonderes Profil ihrer Königsberger Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Außerhalb der Kliniken sind Assistentenstellen in den geistes­ wie naturwissenschaftlichen Fächern vor 1918 eher dünn gesät. Da sie zumeist mit den hier erfassten Habilitanden besetzt waren, fallen mithin wenige durchs Rost. Entsprechend der Stellenvermehrung gewinnt diese nicht­ärztliche Klientel nach 1918 an Bedeutung, entsprechend nimmt der Catalogus für Band II an Umfang zu. Die Personalartikel enthalten Lebensdaten, Namen, Stand und Konfession der Eltern, listen den Bildungsgang von Schule, Studium, Promotion, Examina, Habilitation sowie die Berufungsstationen auf. Es folgen die Forschungsschwerpunkte, die Angaben zur politischen Orientierung wie zur mili­ tärischen Laufbahn. Abschließend, für die Gelehrtensoziologie von einigem Belang, die Daten über Ehepartner und Kinder. Die angefügten Archivquellen verweisen auf das in den Ministerialakten do­ kumentierte Habilitationsverfahren, das oft ausführliche handschriftliche, vielfach noch in lateinischer Sprache abgefasste Lebensläufe des Bewerbers enthält, sowie auf den Bestallungsakt. Nachlässe oder Briefe konnten nur in Ausnahmefällen aufgenommen werden. An die Archivquellen schließt sich die wichtigste biographische Literatur an, sich auf das Rückgrat von Allgemeiner, Neuer Deutscher, Alt­ preußischer Biographie und weniger Professorenkataloge wie Otto Wenigs Bonner Verzeichnis oder den Kieler Volbehr/Weyl stützend.

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Abromeit, Johannes, Botanik * 17. 2. 1857 Paschleitschen/Kr. Ragnit † 19. 1. 1946 Jena V.: Johann Ansas A., Gutsbesitzer, M.: Emilie Motejat, ev.­ref. – Hausunterricht, 1871 höhere Bürgerschule Gumbinnen, 1879 Abitur BurgG, naturwiss. Stud. AUK, Prom. 10. 7. 1884 ebd.: Holzstrukturuntersu­ chungen an Eichen (R.: R. Caspary), Staatsprüfung 1886, pl. Assist. Bot. Garten 1888 (Luerssen), 1900 Habil.: Samenpflanzen aus dem Umanaks­ und Riten­ benks­Distrikt [Grönland], PV: Über den Wert ana­ tomischer Merkmale in systematischer Hinsicht, AV: Über Bastardisierung im Pflanzenreiche, LA f. angw. Botanik 1. 4. 1921, nb. ao. Prof. 31. 8. 1921, 1922 iR. – 1893 ff. Bearb. Bot. Ergebnisse der dt. Grön­ landexpedition (v. Drygalski), Biblotheca Botanica 1898/99: Beiträge zur Flora Ost­ und Westpreußens, 1898 Beteiligung am Handbuch des Dünenbaus; i. A. der preuß. Reg. Vorbereitung der Objekte für Weltaus­ stellung in Paris, Pflanzensystematiker u. ­geograph. – 1927 Ehrenmitglied der Bot. Vereine in Brandenburg u. Westfalen. – Politisch: FMSS 20. 3. 1934; NSLB 1. 8. 1933; BDO 19. 10. 1933. – Militär: Ausgemu­ stert. – oo 1889 Maria N. N. (1855–), 2 S. BABL, R 4901,13258/10; GStA …, Nr. 25, Bd. IV (Habil. Abromeit); Vogel 1927 (P); APB 853. Ach, Narziss, Philosophie, Psychologie * 29. 10. 1871 Ermershausen/Unterfranken † 25. 7. 1946 München V.: Michael A., Arzt, M.: Margarete Burger, kath. – 1890 G Würzburg. Med. Stud. ebd., 1895 StE u. Dr. med.: Ein Beitrag zur Aetiologie des Keuchhustens, 1895/96 Schiffsarzt Norddt. Lloyd (Südamerika, Fernost), 1897 Studien an Psychiatr. Klinik Heidel­ berg (Kraepelin), 1898 Untersuchungen zur Seekrank­ heit auf der Nordatlantikpassage des Nordt. Lloyd. 1898/99 experim. Arbeit am Pharmakol. u. Physiol. Institut Straßburg, 27. 11. 1899 Dr. phil. Würzburg: Über die Beeinflußung der Auffassungsfähigkeit durch einige Arzneimittel. Ab SS. 1901 Assistent Psychol. Institut Göttingen (G. E. Müller). 1902 Habil. f. Philosophie ebd.: Ein Beitrag zur experimentellen Untersuchung der Willensthätigkeit. PV: Experiment und Erkenntnislehre. 29. 10. 1904 Umhabilitierung f. experimentelle Psychologie nach Marburg, AV: Über Aufgabe und Methodik der experimentellen Psycholo­ gie, 1906 Tit. Prof., WS. 1906/07 Assist. Psych. Inst. FWU (Stumpf ), SS. 1907 oö. Prof. f. Philosophie u. Psychologie AUK (Nf. Meumann), WS. 1922/23 oö. Prof. f. Psychologie Göttingen, em. 1935. – Willens­ psychologie, „Gefühlstheorie des Wollens“, Zusam­ menhang von Denken und Wollen, Psychologie der Begriffsbildung, HLK: „Psychologie der Rasse, Verer­

bung […], Psychologie der Berufsberatung u. Verkehrs­ wesens“. – Politisch: 1917/18 Deutsche Vaterlandspar­ tei, 1923 DDP, 1930 Staatspartei. – 1914–1918 div. Verwendungen als bayr. Stabsarzt im Sanitätsdienst in der Heimat, u. a. 1. 1. 1917 Prüfstelle für Ersatzglieder in Nürnberg, aus dieser Erfahrung 1920: Zur Psycho­ logie der Amputierten. – oo 1911 Maria Mez (1891–), 2 T, 4 S (1912–1925); galt während der Nachfolgebe­ ratungen 1922/23 als „Schwiegersohn“ des Botanikers Carl → Mez, in APB bestritten. BABL, R 4901, 13258/11; GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. IV, 83–85 (Habil. 1902); ebd., 135–142 ( Umhabil.); ebd., Sek. 12, Tit. IV, Nr. 3, Bd. II, 185–187 (Umhabil.); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 1 I (12 Br. an Althoff, 1906–1908); Chronik Univ. Göttingen 1902, 20; Gundlach 305 f.; NDB I, 27; APB 1743; Lück/Müller 2005, 60–64. Achelis, Hans, Theologie, Kirchengeschichte * 16. 3. 1865 Hastedt/Bremen † 25. 2. 1937 Leipzig V.: Ernst Christian A. (1838–1911), Pastor, seit 1882 Prof. f. prakt. Theologie Marburg, M.: Anna Iken, ev. – 1876–1882 G Barmen, 1882/83 G Marburg, theol. Stud. 1883–1887 Marburg, Erlangen, FWU, phil. Prom. Marburg 1887: Das Symbol des Fisches und die Fischdenkmäler der römischen Katakomben (R.: Harnack), 10. 5. 1893 Habil. f. Kirchengeschichte u. christl. Archäologie, Göttingen (aufgrund: Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts, 1. Buch: Die Canones Hippolyti, 1891, sowie: Acta SS. Nerei et Achillei, sog. „Märtyrerakten“, theol. Diss. 1893), 1897 Tit. Prof., SS. 1901 plm. Extraordinarius f. nt. Exegese AUK (Nf. Link), SS. 1907 b. ao. Prof. f. Kirchenge­ schichte Halle, 1913 oö. Prof. ebd., 1916 Bonn, 1918 Leipzig (Nf. A. Hauck), AV: Der Entwicklungsgang der altchristlichen Kunst. – Schwerpunkte: Christliche Ar­ chäologie, christl. Kunst, Geschichte der alten Kirche, altchristliche Volksfrömmigkeit u. Heiligenverehrung, Hauptwerke: Hippolytstudien, 1897; Die Martyrolo­ gien. Ihre Geschichte und ihr Wert …, 1900 sowie: Das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten, 2 Bde. 1912; 1921 eine dem einstigen Kollegen → Karl Ben­ rath gewidmete, kurzgefasste, von den Anfängen bis ins 19. Jh. reichende ‚Kirchengeschichte‘; Hg. der Werke Hippolyts; in Leipziger Zeit fast ausschließlich For­ schungen zur christlichen Archäologie, Hauptwerk: Die Katakomben von Neapel, 1936. „Hauptsache“ sei ihm in der alten Kirchengeschichte „immer die Rekon­ struktion der historischen Bilder aus dem Leben der Christengemeinden“ gewesen (Alt). – Dr. theol. h. c. AUK 1907. – Politisch: Burschenschafter (Erlanger Bu­ benreuther). – oo1897 Johanna Noltenius (1872), 1 T, 2 S., darunter Joh. Daniel A. (1898–), Prof. d. Physio­

Catalogus Professorum logie, Personalreferent im PrMK 1933/34, wesentlich an der „NS­Hochschulrevolution“ beteiligt. BABL, R 4901, 13258; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. III, 313; V, SBB Nl. Könnecke/Tl. Boette (Briefe an Boette); Vademecum 25 f.; Alt 1939; NDB I, 29; Ebel 1962, 46; BBKL I, 17; Balder 2010, 214. Adamkiewicz, Albert, Innere Medizin, Pathologie * 11. 8. 1850 Zerkow/Posen † 30. 10. 1921 Wien V.: Kreisphysikus. – Med. Stud. Breslau, AUK, Würz­ burg, ebd. 1872 Prom., 1873 StE Breslau, 1873 As­ sist. Physiol. Inst. AUK (v. Wittich), 1875 Assist. Med. Klinik ebd. (Naunyn), 18. 3. 1875 Habil., AV: Mechanische Principien der Homöothermie bei hö­ heren Thieren, 1877 Oberarzt Charité Berlin (Abt. f. Nervenkranke), 1880 ord. Prof. f. Innere Med. Krakau, 1891 Wien. „Behauptete, den Krebserreger entdeckt zu haben; da er dies nicht beweisen konnte, mußte er die akademische Lehrtätigkeit aufgeben.“ (ÖBL) – Militär: Teilnahme am Krieg 1870/71. Pagel 6 f. (P.); ÖBL I, 5. Albert, Edwin, Theologie, Lektor für Hebräisch * 13. 7. 1883 ? † 18. 11. 1914 gefallen in Ostpreußen V.: Steueraufseher, während der Kindheit seines Sohnes nach Ostpr. versetzt, ev. – 1904 G Lyck, 1904–1909 theol. Stud. AUK, 1908 1. theol Ex., Lehrvikar Königs­ berg, 1910 Lic. Theol.: Die isr.­jüd. Auferstehungshoff­ nung in ihren Beziehungen zum Parsismus (R.: Gie­ sebrecht/Löhr), 1. 4. 1910 auf neuer Lektorenstelle für Hebräisch, nebenbei als Prediger tätig, Habil. f. alttest. Wissenschaft, 12. 10. 1910 PV: Eine exegetisch­ kritische Arbeit über Saharja (zugleich Habilschrift), 21. 1. 1911 AV: Der Wert des AT angesichts der Er­ gebnisse der literarkritischen Forschung. Weist in Vita darauf hin, Wellhausens Werk als Student gründlich durchgearbeitet zu haben. Mai 1914 Ausscheiden als Hebräisch­Lektor, da Pfarrstelle in Passenheim/Ostpr. übernommen. Antrag Juli 1914, venia zu behalten, abgelehnt, da er seine Lehrverpflichtungen von Passen­ heim aus nicht erfüllen könne und im übrigen seit Habil. nicht wiss. produktiv gewesen sei. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 22, Bd. I, 213 f., 234 ff. Albert, Friedrich, Agrarwissenschaften, Pflanzenbau * 24. 5. 1860 Münchenhof bei Quedlinburg † 7. 4. 1949 ebd. V.: Friedrich Leonhard A., Jurist, Gutsbesitzer, M: Johanna Maercker, ev. – 1879 DomG Halberstadt, naturwiss.­lw. Stud. FWU, Göttingen, Prom. 3. 3. 1883

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ebd.: Über das Kaugerüst der Makruren; 1884/85 Zool. Station Neapel, mehrjährige praktische Tätigkeit auf Gütern in Sachsen, Posen, Pommern. 1887 lw. Stu­ dium Halle, 22. 10. 1889 Habil. f. Landwirtschaft ebd.: Untersuchungen über Grünpreßfutter. Ein Beitrag zur Konservierung frischer Futterpflanzen durch Selbster­ hitzung, AV: Ueber den Betrieb der Landwirthschaft nach festem Schema und die freie Wirthschaft, ebd. 22. 12. 1890 b. ao. Prof. f. spezielle Tierzuchtlehre u. Molkereiwesen, 1899 Vorsteher der milchwirtsch. Abt. Lw. Institut ebd., 1901 oö. Prof. Gießen, WS. 1903/04 – WS. 1909/10 AUK, auf eigenen Wunsch vorzeitig zum 31. 3. 1910 entpflichtet, als Emeritus in Weimar bis zum II. Weltkieg. – Schwerpunkt: von der Tier­ züchtung und Milchwirtschaft in den 1890ern überge­ gangen zur Fütterungslehre, Konservierung von Futter­ pflanzen. – oo 1887 Emmy Roth, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIII–XXV; Chronik Halle 1889/90, 25, ebd. 1890/91, 12 f.; Zeitgenossenlexikon 1905, 10; Gerber 2004, 13; APB 1743 f. Albrecht, Paul, Medizin, Anatomie * 6. 3. 1851 Hamburg † 15. 9. 1894 Brüssel Med. Stud. FWU, Wien, Kiel, Dr. med. ebd. 1875, Dr. phil. 1876 ebd., Schüler Kupffers, mit ihm 1877 nach Königsberg, Prosektor Anat. Inst., Habil. Ende 1877 AUK, 1882 Tit. Prof., Entlassung, um einige Jahre anthropolog. Studien am Naturhist. Museum in Brüs­ sel und in den USA treiben zu können, endete infolge „Geistesgestörtheit durch Suicid“ (BLÄ). Prosektor 1882. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 51; BLÄ 76. Anderson, Eduard, Zeichenlehrer, * 13. 3. 1873 Pr. Holland/Ostpr. † 5. 1. 1947 Stade V.: Heinrich A., Justizbeamter, M.: Emilie Eich­ horn, ev. – RG Elbing, 1890–1892 Fotografenlehre in Elbing, Stud. Kunstakademie Königsberg. Freier Künstler, Landschaftsmaler in Königsberg,1899–1920 Hilfslehrer Kunst­ u. Gewerbeschule ebd., ab 1910 Verwalter der Städt. Gemäldegalerie, Schriftführer des Kunstvereins, 1913 Zeichenlehrer AUK, 1. 10. 1897– 1. 12. 1920 Assistent am Kupferstichkabinett AUK. 1927 Direktor des von ihm maßgeblich konzipierten stadtgeschichtl. Museums im Altstädt. Rathaus, 1938 pensioniert, stellv. Leitung des Städt. Museums 1940– 1945. – Militär: 1897/98 Wehrdienst GR 3, 1915 Lt. d. Landwehr in Kurland. – Ledig. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 22, Bd. I; Nr. 30, Bd. I; Anderson 1955; APB 855; Schmidtke 1997, 262 (P).

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Andrée, Karl, Geologie, Paläontologie, Mineralogie, Bernsteinforschung * 10. 3. 1880 Münder/Deister † 9. 8. 1959 Göttingen V.: Adolph A., Apotheker, M.: Henny Duntze, ev. – RatsG Hannover 1898, schon als Schüler von Mine­ ralien fasziniert, Einfluß des Vaters, 1898 naturw. Stud. TH Hannover (Chemie bei Seubert, Mineralogie bei → Rinne), Göttingen, Prom. ebd. 27. 7. 1904: Der Teutoburger Wald bei Iburg (R.: v. Koenen), 1906 bis 1908 Assist. Bergakademie Clausthal (→ Bergeat), zuständig für die Neuaufstellung der Geol.­Paläont. Sammlungen, ab 1906 auch Vorlesungen zur Geo­ logie des Harzes u. Stratigraphie Deutschlands, 1906 Hauptvorlesung Paläontologie, Interesse für Lagerstät­ tenlehre geweckt, von da aus Petrographie der Sedi­ mentgesteine, erste Befassung mit einem für ihn bis in die 1920er Jahre wichtigen Forschungsfeld, der Oze­ anographie, 1. 10. 1908 Assist. geol. Inst. TH Karls­ ruhe, 25. 4. 1910 Habil. f. Geologie u. Paläontologie Marburg: Zur Kenntnis der Crustaceen­Gattung Ar­ thropleura Jordan und deren systematischer Stellung, 1913 Studienreise nach Nordamerika, Teilnahme am 12. Internat. Geologenkongreß in Toronto, 1914: Ver­ schiedene Beiträge zur Geologie von Canada, im glei­ chen Jahr: Über die Bedingungen der Gebirgsbildung, 1. 1. 1915 b. ao. Prof. AUK (Nf. Tornquist), 1920 oö. Prof. ebd., Direktor des Geol.­Paläont. Instituts, Lei­ ter der Bernsteinsammlung. 1930/31 Rektor AUK. – Schwerpunkte: Meeresgeologie, Geologie Ostpreu­ ßens, Skandinaviens, des baltischen Höhenrückens (u. a. Exkursionen nach Finnland, Estland), Geschichte der Geologie, Hauptwerk nach 1918: Das Meer und seine geologische Tätigkeit, in: W. Salomon (Hg.), Grundzüge der Geologie, Stuttgart 1924, S. 361–533. – Politisch: ca. 1920 bis Mai 1932: DVP; VDA; Dt. Kolonialgesellschaft, Freundeskreis der Dt. Akademie. – oo I. 1906 Helene Rathkamp, Tochter eines Göttin­ ger Architekten, 2 T, 2 S (1907–1911), II. nach 1945 Käthe Sobolewski (1899–), 1 T. BABL, R 4901, 13258/120; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 21, Bd. XXVII; ebd., Sek. 12, Tit. IV, Nr. 3, Bd. III, 99–101 (Habil.); Prosch 1964; APB 855; BEN 2003, 16. Appel, Carl, Romanische Philologie * 17. 5. 1857 Berlin † 13. 2. 1934 Breslau V.: Friedrich A. (gest. 1886), Kaufmann, M.: Bertha Rohrmoser, ev. – Prom. FWU 1882: Das Leben und die Lieder des Trobadors Peire Rogier. 25. 11. 1886 Habil f. romanische Sprachen AUK: Die Berliner Handschriften de Rime Petrarca’s, AV: Ueber den Ein­ fluß der provenzalischen Litteratur auf die italienische.

1890: Provencalische Inedita, WS. 1890/91 Lehrstuhl­ vertretung Breslau, SS. 1891 ord. Prof. f. romanische Philologie ebd. Übersetzer von Montelius, Die Cultur Schwedens in vorchristlicher Zeit, Berlin 1885. „In erster Linie Textkritiker“ (NDB), Editionen der Trou­ badours Peire Rogier (1882), Bernart de Ventadorn (1915) sowie des Trouvères Guy de Cambrai (1907), erfolgreich mit seiner ‚Provenzalischen Chrestomathie‘, sechs Aufl. bis 1932. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 196 f.; Weisfert, 3; FS Zs. f. Rom. Phil. 47, 1927 (P); NDB I, 329. Arndt, Adolf, Staats­, Verwaltungs­, Kirchen­ und Völ­ kerrecht * 21. 10. 1849 Freienwalde † 22. 4. 1926 Marburg V.: Jakob A., M.: Rosalia Levi (so in vita zur Diss.; nach Wer ist’s? 1922: geb. v. Franscky), jüd., Konversion: ev. – KöllnG Berlin, jur. Stud. Heidelberg (1), FWU (Gneist, Beseler, Heffter), StE 1870, Referendar im KG­Bezirk, Prom. FWU 24. 6. 1872: De obligationi­ bus individuis et maxime de correalibus quae vocantur. Justizdienst, Kreisrichter, 1877 Justitiar in der Bergver­ waltung, stellv. Chef des Oberbergamts Halle, 11/1879 Habil. f. Bergrecht Halle, 1882 venia erw. auf Staats­ u. Verwaltungsrecht, 1883 auf Straf­ u. Strafprozeßrecht, 24. 8. 1893 nb. ao. Prof. Halle. WS. 1900/01 ord. Prof. f. Staats­, Verwaltungs­, Kirchen­ u. Völkerrecht AUK (Nf. Zorn), 1904/05 Rektor ebd. – Bekannt geworden durch erläuternde Taschenausgaben der preuß. Verfas­ sung, Kommentator des Berggesetzes für die Preuß. Staaten, 2. Aufl. 1888; Verfechter einer restriktiven Auslegung der Parlamentsrechte in der konstitutio­ nellen Monarchie. – 1893: RA IV, nach 1900 RA III, KrO II, EK II. – oo Louise Zabler, mindestens 1 S, Adolf A. (1904–1974), Jurist, 1949–1961 parl. Ge­ schäftsführer der SPD­Fraktion im Bonner Bundestag. GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 36, Bd. II, 258 (Habil.), 257 f., 274; ebd., Rep. 89, Nr. 21662, 124; vita Diss.; Zeitgenossenlexikon 1905, 23 f.; Wer ist’s? 1922, 30; Sigilla I, 264; NDB I, 358; Auerbach, 78; APB 1311 f. Arnold, Carl Franklin, Theologie, Kirchengeschichte * 10. 3. 1853 Williamsfield/Ohio † 1920 Breslau Seit 1862 aufgewachsen in der Familie von Carl Her­ mann Gildemeister (1801–1875), 1872 G Bremen, theol. Stud. Erlangen, Leipzig, AUK, Prom. Dr. phil. ebd.: Quaestionum de fontibus Appiani specimen, Schuldienst in Königsberg, 11. 6. 1886 Lic. u. Habil. AUK: Quaestionum de compositione et fontibus Bar­ nabae epistolae capita non nulla, 21. 10. 1886 AV: Mo­

Catalogus Professorum res et sententias Atheniensium in cap. XVII actorum traditas comperatione eiusdem fere temporis scripto­ rum illustrabit, 1878–1888 Oberlehrer (Religion, Deutsch, Geschichte) WilhelmsG, 1888 b. ao., 1895 oö. Prof. Breslau, 1903 Mit­Direktor Theol. Seminar ebd. – In der Königsberger Zeit fast ausschließlich For­ schungen zur Geschichte des Frühchristentums, insbes. Christenverfolgung, daneben hat A. wie → Grau einen Anteil an der auflebenden Hamann­Rezeption, 1888 Hg. einer einbändigen Edition: Briefe und Schriften des Magus. In den ersten Breslauer Jahren auf Archiv­ studien gestützte Monographie über: Caesarius von Arelate und die gallische Kirche seiner Zeit (1894); ostpreußische Bezüge weisen auf seine Arbeiten zur „Vertreibung der Salzburger“ und deren Aufnahme durch Friedrich Wilhelm I. auf (1900/01, darunter ein → Friedrich Zimmer gewidmeter Band), 1919: Die Geschichte der alten Kirche (dem Andenken seines Pflegevaters gewidmet), Universitätsreden über Calvin (1909), Schleiermacher (1913), Luther (1917). – 1911 GKR. – oo Elisabeth Voigt, Tochter von → Heinrich Voigt, mindestens 1 S, Eberhard (1883–1935), Mitbe­ gründer der „Neuwerkbewegung“ sowie Gründer des „Rhönbruderhofes“ (1926), dort eine für „urchristlich“ ausgegebene Arbeits­ und Gütergemeinschaft pflegend. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 22, 159 f.; ebd.; VI. HA, Nl. Althoff, B 3 II (13 Br. an Althoff, 1887–1897); Weisfert 5; BBKL I, 236–238 (Arnold jr.). Arnoldt, Emil, Philosophie * 6. 2. 1828 Plibischken b. Insterburg † 31. 5. 1905 Königsberg V.: Pastor, M.: geb. Romansky, ev. – 1845 G Gum­ binnen, ab WS. 1845/46 hist.­philos. Stud. AUK, 1852 Ausweisung aus Königsberg, Hauslehrer im Kreis Pr. Eylau, 23. 7. 1853 Prom. AUK: De via rationeque et principiis, quae Herderius secutus de philosophia histo­ riae quaesierit. Privatschul­ und Privatlehrer in Königs­ berg. „Auf Zureden des ihm nahestehenden Professors Ludwig Friedländer“ am 13. 3. 1874 Habil. f. Philo­ sophie AUK, AV: De ratione qua summum bonum explicuit Kantius et quid ex definitione sua collegerit, 1876 und Juli 1878 Antrag der Fakultät abgelehnt, A. zum ao. Prof. zu ernennen, 1879 ausgeschieden. – Fast ausschließlich Kant­Forscher, zs. mit → R. Reicke Be­ gründer der Königsberger „Lokaltradition“ der Kant­ philologie. Ein Fortsetzer dieser Tradition, der Gym­ nasiallehrer Otto Schöndörffer (1860–1926), gab im Verlag Bruno Cassirer eine zehnbändige Werkausgabe A.s heraus (1907–1911). – Politisch: Mitglied der student. Landsmannschaft Lithuania, 1849 Verfahren wg. Beleidigung von Militärpersonen, 1850 Veröffent­ lichung eines Artikels im Volksboten, dem Organ der

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„Freien Gemeinde“ des entlassenen Militärpredigers Julius Rupp, deswegen 1851 Anklage wg. „Aufreizung zur Übertretung der Staatsgesetze“, vier Wochen Ge­ fängnis. Leidenschaftlicher Gegner Bismarcks und sei­ ner Politik, Anhänger der Fortschrittspartei, im Alter Annäherung an SPD. – oo1859 Ernestine von Keudell (Schwester Robert v. K.s, 1824–1903, Freund Bis­ marcks, Diplomat, 1873–1887 Gesandter des Reiches in Rom), kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XI, 125–130, Nr. 25, Bd. III, 122–124; Weisfert 4; Ar­ noldt, GS X, 1911 (P); Schöndörffer 1911; APB 19. Askanazy, Max, Medizin, Pathologie * 24. 2. 1863 Stallupönen † 23. 10. 1940 Genf V.: Israel S. A., Kaufmann, M.: geb. Aschkanasy, jüd.. – 1884 KneipG, med. Stud. AUK, 1890 StE u. Prom.: Zur Regeneration quergestreifter Muskelfasern. 1890– 1893 Assist. Pathol. Institut AUK, 16. 3. 1894 Habil. f. path. Anatomie u. allg. Anatomie, 1. 10. 1893 II. As­ sist. Med. Klinik (Lichtheim), 1. 10. 1894–31. 3. 1899 I. Assist. ebd., 10. 3. 1902 Med. Fak. Antrag Prof. Ti­ tel aufgrund wichtiger Untersuchungen über Darm­ parasiten, die bes. in Ostpreußen dort vorkommend, wo Verzehr roher Fische üblich (vgl. Zbl. f. Bakt. 28, 1900), 1903 LA f. Allgemeine Pathologie, patholo­ gische Mykologie, pathol. Anatomie, 1905 Berufung auf Lehrstuhl für Allg. Pathologie u. Pathol. Anatomie Univ. Genf. – Forschungsschwerpunkte: Geschwulst­ lehre, Blutkrankheiten, menschl. Parasiten. – RA IV, KrO III. – Militär: Wehrdienst FAR 16, Oberarzt d. Landwehr. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 273 f.; DBE I, 205; Kreuter 1996, 52; Kabus 96 (P). Askanazy, Selly, Innere Medizin * 8. 9. 1866 Stallupönen † 1934 Königsberg V.: David A., Kaufmann, jüd., Sohn nach 1902 ev. – 1886 KneipG, med. Stud. AUK, kein Militärdienst. Prom. 1891: Zur Regeneration glatter Muskelfasern (R.: Neumann), 22. 1. 1892 StE, 30. 7. 1897 Habil. f. Innere Medizin: 1. Über tumorartiges Auftreten der Tuberculose, 2. Über den Wassergehalt des Blutes und Blutserums bei Kreislaufstörungen usw., AV: Ueber die Differentialdiagnose der Anaemieen, 15. 9. 1907 Titel Prof., Verdienste um Unfallheilkunde, Blutpathologie; 3. 1. 1907 General Colmar v. d. Goltz – PrMK: Für­ sprache zugunsten A’s.: „großer Patienten­ u. Freundes­ kreis“, lt. Antrag MedFak „einer der beliebtesten und angesehensten Ärzte unserer Stadt“. – Politisch: Lt. Fragebogen 1933 seit 1919 sich „stets der DVP zu­ gerechnet und in diesem Sinne gewählt“, kam dem

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Entzug der venia gem. § 3 BBG im Juli 1933 durch Verzichtserklärung zuvor. – Militär: Freiwillige Mel­ dung zum Dienst im Sanitätsdienst Königsberg August 1914, bis 1918 Lt. Arzt Festungs­Hilfslazarett II/Abt. Börsengarten mit Seuchenlaz., Verzicht auf Gehalt, das er vier Jahre lang zur Verwendung für die Kranken des Lazaretts spendete. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 320; Bd. II, 16–20, 219–226, 229 f.; Nr. 37, 22–28; Weisfert 5. Backhaus, Alexander, Agrarwissenschaften, Betriebs­ lehre, Tierzucht * 28. 7. 1865 Freiensteinau/Oberhessen † 15. 6. 1927 Rostock V.: Hermann B, Landwirt, Ökonomierat, M.: Marie Berck, ev. – RS Alsfeld, lw. Lehre Waldeck, „Beam­ tentätigkeit“ auf Rittergütern in Hessen u. Saarland; 1884 lw. Stud. Halle, Leipzig, ebd. 1888 Prom.: Die Entwicklung der Landwirtschaft auf den Gräflich­ Stollberg­Wernigerode’schen Domänen (R.: Roscher), Assist. Lw. Institut Halle (J. Kühn), 1888–1891 Be­ wirtschaftung des Gutes Rutlos/Oberhessen, Einrich­ tung einer Schule für Landwirte ebd., 1. 4. 1891 b. ao. Prof. f. spez. Tierzucht, Molkereiwesen, lw. Taxa­ tions­ u. Buchführungslehre Göttingen, WS. 1896/97 b. ao. Prof. AUK (Vertretung Fleischmann), Direktor Lw. Institut ebd., Erwerb des Versuchsguts Quednau, ab 1900 umfangreiche Anbau­, Düngungs­ u. Fütte­ rungsversuche, nie zum Ordinarius und definitiven Nf. Fleischmanns ernannt, da seit 1898 im Konflikt mit der Landwirtschaftskammer wg. agrarpolitischer Bewertung der ostpr. Getreidewirtschaft, zudem 1903 disziplinarrechtlich mit einem Verweis wegen der Ver­ mengung privater und geschäftlicher Interessen mit dienstlichen Obliegenheiten sowie wg. „versuchter Täuschung eines Vorgesetzten“ bedacht. 1904 auf eigenen Antrag entpflichtet, da gegen seine agrarrefor­ merischen Ideen starke Widerstände der ostpr. Agrar­ lobby. 1. 4. 1904–31. 3. 1906 Ltr. städt. Rieselfelder Berlin, 1. 8. 1906–1. 6. 1910 Aufbau einer lw. Lehr­ u. Forschungsanstalt in Montevideo/Uruguay, 1910/11 Rückkehr und weitere Beurlaubung, 1. 5. 1911– 1. 11. 1912 Regierungsbeauftragter für den Aufbau lw. Versuchsstationen in Uruguay, 1. 5. 1912 wegen „Ob­ struktion“ amtsenthoben, 1. 9. 1912 nach Untersu­ chungsverfahren rehabilitiert, WS. 1913/14 Rückkehr auf das Extraordinariat am Lw. Inst. AUK, Vorlesungen bis WS. 1914/15, 1915–1918 im Preuß. Kriegsmini­ sterium (Fettbeschaffung, Gewinnung eiweißreicher Nährmittel), 31. 12. 1918 Entlassung aus dem Hoch­ schuldienst auf eigenen Antrag, 1919 Ltr. eines Lehr­ gutes in Berlin. – 20. 12. 1917 GRR. – Politisch: Kan­ didat der Nationalliberalen Partei zur Reichstagswahl

1893, nach 1918 DVP, agrarpolitisch engagiert (s. Backhaus 1919). – Militär: Wehrdienst FAR 25 Darm­ stadt, Res.­Offizier, 1905 nach Ehrengerichtsverfahren mit einfachem Abschied entlassen, 1911 Rehabilitie­ rung, 1915/16 nach frw. Meldung zur Hilfsleistung ins preuß. Kriegsministerium kommandiert, 11/1916 Militärverhältnis aufgehoben, doch weiterhin als Leiter der Sektion Getreideentkeimung in der Kriegsernäh­ rungswirtschaft tätig. – oo 1895 Lizzie Schwendler, Tochter eines dt. Kaufmanns in New York, 1 S, 1 T. GStA, Rep. 76Vf, Litt. B, Nr. 61, Bd I–III (Perso­ nalakte); NDB 1, 505 (mit falschem Geburtsort); Ebel 1962, 126; Gerber 2004, 32 f. (falsche Angaben zur Königsberger Zeit). Baesecke, Georg, Deutsche Philologie * 13. 1. 1876 Braunschweig † 1. 5. 1951 Halle V.: Hermann B., Dr. phil., Apotheker, M.: Henriette Fromme, ev. – 1894 G Braunschweig, altphilol., germ. Stud. Heidelberg, FWU, Göttingen, Prom. 8. 5. 1899 ebd.: Die Sprache der Opitzischen Gedichtsamm­ lungen von 1624 und 1625. Laute, Flexionen, Be­ tonung (R.: Roethe, Heyne), 1899 StE, 1902–1904 Mitarbeiter an der Weimarer Luther­Ausgabe (Bd. 27–29), Habil. f. Deutsche Philologie FWU 5. 8. 1905: 1. Das große Gedicht vom heiligen Oswald, 2. sechs Drucksachen: Aufsätze u. Rezensionen; die Arbeit an dem zuvor von seinem Lehrer Roethe gestellten Thema „Das Partizipium“ mußte abgebrochen werden, da sie sich als zu umfangreich erwies. 1905–1911 PD FWU, 1911–1913 Tit.Prof. f. Dt. Philologie ebd., 1913 b. ao. Prof. f. Dt. Sprache u. Literatur AUK (Nf. Meissner), SS. 1921–1948 ord. Prof. f. Dt. Sprache u. Literatur, Ältere Abt., Halle (Nf. Ph. Strauch). – Während der Königsberger Zeit Konzentration auf Geschichte der althochdeutschen Sprache, 1918: ,Einführung in das Althochdeutsche‘, Studienführer: ,Deutsche Philolo­ gie‘, 1919. – Politisch: DVP bis 1932, VDA, Fichte­ bund, Unterzeichner eines Wahlrufes für die Papen­ Regierung 30. 10. 1932, 1. 5. 1933 NSDAP. – Militär: Wegen Körperschwäche ausgemustert. – oo I. Ma­ rianne Eißfeld (1877–1904), 1 T, 2 S, II. Wally Bene­ cke (1883–), Offizierstochter, kinderlos. BABL, R 4901, 13258/251; GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. XIII, 171 f. (Habil.), ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI; vita Diss.; W. Schrö­ der, Nachwort zu Baesecke 1966 (P); IGL I, 73–75. Balcke, Kurt, Bibliothekar, UBK * 5. 7. 1886 Königsberg † 28. 10. 1944 V.: Kaufmann, ev. – 1905 FC, alt­ u. neuphil. Stud. Paris (1907/08), AUK, Prom. ebd. 21. 7. 1911: Der

Catalogus Professorum anorganische Nasallaut im Französischen vom lautphy­ siologischen Standpunkt betrachtet (R.: Schultz­Gora), 1912 StE (Englisch, Französisch), 18. 12. 1912 Volon­ tär UBK, 1. 10. 1913 KBB, 1914 Assist. ebd., HilfsB 1916, Bibliothekar 1919, 1923–1925 UB­FWU, 1925 SBB. 1925: Bibliographie zur Geschichte der Preu­ ßischen Staatsbibliothek. Habermann 10 f. Balzer, Ferdinand, Bibliothekar, UBK * geb. ca. 1865 † nach 1947 Bibliotheksdiener, 1901 auf neuer Stelle des 2. Expe­ dienten, 1. 4. 1925 Ruhestand. 1914 für kurz zum Roten Kreuz. – oo N. N., 1 T. Berichte UBK 1901–1925. Bartels, Paul, Medizin, Anatomie * 7. 12. 1874 Berlin † 23. 1. 1914 Königsberg V.: Dr. med. Max B., Sanitätsrat, M.: Anna Hertzog, ev. – 1893 AskanG Berlin, med. Stud. Heidelberg (1), FWU, 30. 7. 1897 Prom. ebd.: Über Geschlechtsunter­ schiede am Schädel, 1902–1911 Anat. Inst. FWU (R.: Waldeyer, W. Krause), 1908 Habil. f. Anatomie FWU, 1912 Umhabil. AUK, AV 15. 11. 1912: Anatomie und Anthropologie, I. Assist. Anat. Inst. AUK, galt der Fa­ kultät als führender dt. Vertreter der somat. Anthropo­ logie u. Ethnologie. GStA, Rep. 76Va, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 144, 185.; vita Diss.; PM 61/1, 1914, u. 61/2, Tafel 1 (P). Bastier, Paul, Lektor für Französisch * 22. 7. 1874 Paris † nicht ermittelt 1892 Lycée Louis le Grand, alt­ u. neuphil., hist. Stud. Paris, 1897 Lic., 1899–1901 Sprachstud. Mün­ chen, 1. 10. 1901 Lektor f. Frz. Jena, 1. 4. 1902 AUK, 1. 10. 1903 Dozent f. neuere Sprache KW Akademie Posen. – oo 1901 Louise Schmülling (1876 Palembang/ Sumatra), T eines preuß. Offiziers. GStA, Rep. 76Va, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 156 f., 176. Batocki-Friebe, Adolf Tortilowicz von, Nationalöko­ nomie, Oberpräsident, Kurator * 31. 7. 1868 Bledau bei Cranz/Kr. Fischhausen † 22. 5. 1944 ebd. V.: Karl Otto Friedrich v. B., Gutsbesitzer, M.: Emmy Luise Annette Bertha Gräfin von Keyserlingk (gest. 1919), ev. – 1886 FC, jur. Stud. Bonn, Straßburg, Regierungsassessor, 1895 Bewirtschaftung Bledaus, 1900 Landrat Kr. Königsberg, 1907 Vorsitzender LWK Ostpreußen, 9/1914 Oberpräsident der Provinz Ost­ preußen, Mai 1916–August 1917 Präsident Kriegser­

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nährungsamt (Reichsernährungskommissar; Berlin), Februar 1918–30. 6. 1919 Oberpräsident Provinz Ost­ preußen. 1920–1933 Honorarprof. AUK, Verwaltung der ihm 1890 zugefallenen Bledauschen Besitzungen im Samland. – 1916 Dr. jur. h. c. AUK. – Vor 1914 engagiert in der Vereinigung für exakte Wirtschafts­ forschung (R. Ehrenberg), dort sein ‚Bericht über die Ergebnisse der Studienkommission für die Erhaltung des Bauernstandes, für Kleinsiedlung und Landarbeit‘ (1914), Mitbegründer des Instituts für ostdeutsche Wirtschaft (1916). – Politisch: Geschäftsführender Vorsitzender des Ostpr. Conservativen Vereins, 1918– 1931: DNVP, seitdem parteilos. – Militär: Rittmstr. d. R., Kürassier Reg. 3, Kriegsteilnahme 1914, EK I. – oo Gräfin Paula von Kalnein, 5 K 1899–1907, ein S gefallen 1918. BABL, R 21, 10020/9748; NDB I, 627 f.; APB 858; v. d. Groeben 1993, 160–165; v. Batocki/v. d. Groeben 1998 (P); Gerber 2004, 40. Battermann, Hans, Astronomie * 20. 6. 1860 Bückeburg † 15. 6. 1922 Blankenburg/Harz V: Adolf B. (1824–), Prof. am Fürstl Gymn., M.: Ma­ rie v. Michalkowski (1829–); ev. – G Bückeburg 1877, 1877–1881 Stud. Astronomie, Physik, Mathematik FWU (Kummer, Weierstrass, Helmholtz, Kirchhoff, Foerster, Tietjen), 30. 7. 1881 Prom. ebd.: Beiträge zur astronomischen Aberrationslehre, 4/1882–10/1883 Assist. Chronometr. Inst. Dt. Sternwarte Hamburg; 11/1883–3/1888 Reichskommission für die Beobach­ tung des Venusdurchgangs; bis Ende 1888 komm. Ob­ servator Sternwarte Göttingen, 1889/91 Sternwarte Berlin, Oktober 1891 2. Obeservator ebd., zuständig für Beobachtungen des Meridiankreises, Zeitdienst und Verwaltung der Bibliothek, Publikationen in Astron. Nachrichten u. a., Beobachtungsreihen Meri­ diankreise, Sternkataloge, Arbeit zur Ausmessung der Plejadengruppe, Untersuchungen über Mondbewe­ gungen, genaue Bestimmung der Sonnenentfernung. Bei der Berufung nach Königsberg als unermüdlicher Beobachter und gründlicher Forscher empfohlen. 20. 5. 1896 Habil. f. Astronomie FWU: Ableitung der Aberrationsconstante, der mittleren Polhöhe und eines periodischen, von der Rectascension abhängigen Gliedes in den Declinationen des Berliner Meridi­ ankreises aus den 1891/92 in der Kgl. Sternwarte zu Berlin ausgeführten Polhöhenbestimmungen (= Resul­ tate aus den Polhöhenbestimmungen an der Berliner Sternwarte 1891/92, Berlin 1899); 1899 Titel Prof., oö. Prof. f. Astronomie u. Direktor der Sternwarte AUK WS. 1904/05 (Nf. H. Struve), 1918 krank­ heitsbedingt in den Ruhestand. – Schwerpunkte: Be­ obachtung und Bearbeitung von Sternbedeckungen,

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verfertigte „Sternenkataloge von großer Genauigkeit“ (NDB). – oo vor 1896 mit Cousine Anna v. Michal­ kowski, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. X, 200 f. (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIII, 2–6; DBJ 4, 1922, 348; NDB I, 629; DBE I, 318. Bauer, Johannes, Praktische Theologie * 12. 9. 1860 Wiesloch/Baden † 10. 1. 1933 Heidelberg V: Friedrich Karl B. (1832–1920), Pfarrer, Kirchenrat, M: Wilhelmine Pampel (1835–1889). – 1879 G Heil­ bronn, theol. Stud. Erlangen, Leipzig, Basel (bei Jacob Burckhardt), 1882 Theol. Ex., bis 1890 Vikar u. Pfr. im Bad. Kirchendienst, 1885 Stadtvikar Freiburg, 1888 Gefängnispfarrer ebd., 1884 Stipendium zum Studium der Inneren Mission in Norddeutschland und Däne­ mark, August 1892 Habil. f. prakt. Theologie in Mar­ burg aufgrund der Diss.: Die Trostreden des Gregorios von Nyssa in ihrem Verhältnis zur antiken Rhetorik, ebd. 1902 ao. Prof. Geschichte u. Theorie der christl. Kultur und der Predigt, Juli 1906 b. ao. Prof. ebd., WS. 1907/08–WS. 1909/10 AUK (Ersatzordinariat Jacoby), in Königsberg veröffentlicht: Schleiermacher als patriotischer Prediger (1908), SS. 1910 ord. Prof. u. Direktor Theol.­prakt. Seminar Heidelberg (Nf. H. Bassermann), 1915/16 Prorektor, 1914–1918 Mitglied Bad. Generalsynoden.1920–1932 Synodalmitglied. ev. Kirchenregierung in Baden, 1929 em. – 1912 GKR, 1920 ao. Mitglied Heidelberger AkW. – oo1884 Minna Ringwald (1862–1928), 2 T, 2 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI; ebd., Sek. 12, Tit. IV, Nr. 14, Bd. I, 10 f. (Habil.); Drüll, 12 f. Bauer, Max, Mineralogie * 13. 9. 1844 Gnadenthal, Kr. Schwäb. Hall † 4. 11. 1917 Marburg V.: Pastor. – 1859 Polytechn. Stuttgart, 1863 mathem.­ naturw. Stud. Tübingen, 1865 Lehramtsprüf., 1865– 1867 Realschullehrer, 1867 Prom. Tübingen: Die Brauneisensteingänge in Neuenbürg. 1871 Habil. f. Mineralogie u. Geologie Göttingen; 15. 1. 1873 Umhabil. f. Mineralogie FWU, Assist. Mineral. Inst. (Gustav Rose), SS. 1875 oö. Prof. Mineralogie, Geo­ logie AUK (Nf. Franz Neumann), 1882/83 Prorektor, WS. 1884/85–WS. 1914/15 oö. Prof. Mineralogie, Pe­ trographie Marburg, Dekan 1889, 1903, Rektor 1893, 31. 3. 1915 em. – Hauptwerke: Lehrbuch der Minera­ logie (1886; 2., völlig neubearb. Aufl. 1904); Edelstein­ kunde. Eine allgemeinverständliche Darstellung […] (2. Aufl. 1909). – FS zum 70. Geb. (P) = Neues Jb. f. Mineralogie […], Beilageband 39, 1914. – 1896 GRR. – Hg. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und

Paläontologie (1885–1917) u. Zentralblatt für Mineralo­ gie, Geologie und Paläontologie (1900–1917) – Militär: Kriegsfreiwilliger 1870/71. – oo 1874 Julie Schnurrer, 1 T, 2 S., darunter Walter (1877–1960), Prof. f. neu­ testamentl. Exegese in Breslau u. Göttingen. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 6 III (19 Br. an Althoff, 1882–1895); Weisfert 10; Gundlach 454 f.; NDB I 1953, 642 f.; Schmitz 1978, 440–447; Auer­ bach 1979, 770 f.; ABP 1751. Baumgart, Hermann, Neuere Literaturgeschichte * 24. 5. 1843 Elbing † 8. 6. 1926 Königsberg V.: Karl B. (1801–1874), Kaufmann, Stadtrat, M.: Amalie Speickert (1808–1890), ev. – RS Elbing, Alt­ städtG 1861, Stud. Kl. Phil. bei Lehrs, Friedländer, Geschichte bei Nitzsch, dann „deutsche Literatur“ bei Schade, 1871 StE, 1872–1879 Gymnasiallehrer FC, Prom. Leipzig 2. 3. 1874 in absentia: Pathos und Pa­ thema im Aristotelischen Sprachgebrauch. Zur Erläu­ terung von Aristoteles’ Definition der Tragödie (Lehrs gewidmet), 5. 5. 1877 Habil. f. neuere deutsche Litera­ tur AUK: Aristoteles, Lessing und Goethe. Ueber das ethische und aesthetische Princip der Tragödie, AV: Lessing und Hamann, 9/1880 nb. ao. Prof., SS. 1888 b. ao. Prof. f. neuere deutsche, insbes. klassische Li­ teratur AUK (neues Extraordinariat), WS. 1890/91 ord. Prof. (pers. Ord.) ebd., 1897/98 Rektor, 1912 oö. Prof. (neues Ordinariat), 1919 em. – Forschungen zur Literaturgeschichte des 18. Jhs., 1887: Handbuch der Poetik, 1893–1902: Goethes Faust als einheitliche Dichtung (2 Bde.), aus dem Nachlaß 1931–1939: Goethes lyrische Dichtung in ihrer Entwicklung und Bedeutung, hg. v. Gertrud B. – GRR 1904. – Politisch: 1917 Unterzeichner des Gründungsaufrufs der Deut­ schen Vaterlandspartei. – oo1875 Anna Müller (1850– 1921), mindestens 2 T, Hedwig (1878–; 1935 noch in Königsberg ), Gertrud (1880 –; 1935 in Heidelberg), 1 S Erich (1886–), Jurist. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 138; Nr. 21, Bd. XV, XVI; ebd., Rep. 89, Nr. 21661, 27–29; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 6 III (14 Br. an Althoff, 1885–1904); ebd., Nl. Brackmann, Brw. 1920–1923; DLA A: Cotta (Brw. mit Verlag Cotta 1885–1926); Weisfert 10; Zeitgenossenlexikon, 61 f.; APB 34; Ranke 1926; IGL I, 99 f. Baumgarten, Paul von, Medizin, Pathologie * 28. 8. 1848 Dresden † 10. 7. 1928 ebd. V.: Arzt, ev. – Med. Stud. AUK, Leipzig, 1873 StE u. Prom. ebd., 1873/74 Assist. Anatom. Institut Leipzig, 1874–1889 Prosektor Path.­Anat. Inst. AUK, Habil. ebd. 1877: Die sogenannte Organisation des Throm­

Catalogus Professorum bus, 1880 nb. ao. Prof., zum SS. 1889 b. ao. Prof. f. Pathologie Tübingen, 1919 em. – Entdecker des spe­ zifischen Tuberkelbazillus gleichzeitig und unabhängig von Robert Koch (1882). In der Königsberger Zeit fast ausschließlich mit Aetiologie und Histologie der Tuberkulose beschäftigt. 1888–1890: Lehrbuch der pathologischen Mykologie. 1885–1917 Hg. Jahres­ berichte über die Fortschritte in der Lehre von den pa­ thogenen Mikroorganismen. – U. a. Ehrenmitglied der Universität Dorpat, Societé anatom. de Paris, Gesell­ schaft der schwedischen Ärzte, k. k. Gesell. d. Ärzte Wien. – oo I. Lisbeth Hay, Tochter des Königsberger prak. Arztes Edwin Adalbert Hay (1821–um 1890), s. → Münster, II. Albertine Smekal. Weisfert 11; Pagel 104–106 (P); Zeitgenossen­ lexikon, 62 f.; Festschrift zum 60. Geb. (P) mit Glück­ wunschadresse → M. Askanazys (V–IX) in Bd. VI/ H. 2, 1908, der von Baumgarten hg. Arbeiten auf dem Gebiete der Pathologischen Anatomie aus dem Patho­ logisch­Anatomischen Institut zu Tübingen; BLÄF I, 83. Beely, Florian, Medizin, Chirurgie * 24. 1. 1846 Köln † 30. 4. 1902 Berlin 1866 G Krotoschin/Posen, med. Stud. Tübingen (1), FWU, Prom. 29. 4. 1870 ebd.: Die Veränderungen des Kindes bei der Geburt, dargestellt nach der Cellular­ physiologie; mit seinem Lehrer Schönborn 1872 nach Königsberg, Assist. Chirurg. Univ. Klinik 1872–1880, Habil. f. Chirurgie AUK 25. 10. 1878, 1880 nach Ber­ lin, „wandte sich als einer der ersten chirurgisch gut geschulten Ärzte der Orthopädie zu“ (BLÄ). Hg. Zen­ tralblatt für orthopädische Chirurgie. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 130; BLÄF I, 89. Behm, Johannes, Theologie, Neutestamentliche Wis­ senschaft * 6. 6. 1883 Doberan † 13. 10. 1948 Berlin V.: Heinrich B (–1931), zuletzt Landesbischof Meck­ lenburg­Schwerin, M.: Anna Bachmann, ev. – 1905 erste Theol. Prüfung, 1908–1913 Repetent Erlangen, 25. 2. 1911 Lic. theol. ebd.: Die Handauflegung im Urchristentum nach Verwendung, Herkunft und Be­ deutung, 25. 6. 1912 Habil f. neutestament. Exegese ebd.: Der Begriff „Diatheke“ im Neuen Testament, 10. 12. 1913 Umhabil. Breslau, Inspektor Sedl. Kon­ vikt, SS. 1916 b. ao. Prof. f. nt. Exegese AUK (Nf. R. A. Hoffmann), 1. 10. 1920 oö. Prof. (pers. Ord.) ebd., SS. 1923 Göttingen, 1930/31 Rektor, 1945 entlassen, Privatgelehrter Berlin Zehlendorf, 1948 em. – Ge­ schichtstheologie, Geschichte des Urchristentums,

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Exegese Offenbarung des Johannes, Publizistik zu „Zeitfragen“ der christlichen Religion, so 1920: Urchri­ stentum und Kommunismus, 1927: Altes Testament und deutsches Christentum. – Politisch: 1919–1929 DNVP, März 1925 Stahlhelm, Truppführer, 1. 11. 1933 SA R I. Die „grundehrliche Trausamkeit“ gegenüber der „sozialen Idee“, die sich 1933 mit „dem Vorzeichen ‚national‘ der Öffentlichkeit vorstellte“, habe er (durch Dienstentlassung 1945) „bitter büßen müssen“ (Doeh­ ring). – Militär: 1905/06 Wehrdienst, 1913 Lt. d. R., 2. 8. 1914–6. 8. 1918 Kriegsteilnahme, überwiegend an der Westfront, Kompanieführer in einem bay. IR, Bataillonsadjutant, Ordonnanzoffizier Regimentsstab, 1918 als Oblt. d. R. verabschiedet, EK I, schw. Verw. abzeichen, Bayr. Militärverdienstkreuz m. Schwertern. – oo1911 Antoinette v. Sittmann (1885–), 3 S. BABL, R 4901, 13258/427; Doehring 1949 (Bibl.); BBKL I, 462; DBE I, 397. Below, Georg von, Mittlere und Neuere Geschichte * 29. 1. 1858 Serüenten/Kr. Gumbinnen † 20. 10. 1927 Badenweiler V.: Karl v. B. (1825–1875), Berufsoffizier, M.: Marie von der Goltz (1835–1905), ev. – 1878 G Gumbinnen, hist. Stud. AUK, FWU, Bonn, ebd. 1882 Prom.: Die Entstehung des ausschließlichen Wahlrechts der Dom­ kapitel mit besonderer Berücksichtigung auf Deutsch­ land, 1883–1886 Edition der Landtagsakten von Jülich und Berg, 1886 Habil. f. Geschichte Marburg: Die landständische Verfassung in Jülich und Berg (Das bergische Rechtsbuch und die landständische Verfas­ sung zu Berg zur Zeit der Abfassung desselben), PV: Die Neuorganisation der Verwaltung in den deutschen Territorien des 16. Jahrhunderts. 4. 5. 1888 Umhabil. AUK, AV 20. 4. 1888: Die landständische Verfassung des Mittelalters, SS. 1890 b. ao. Prof. f. mittlere u. neuere Geschichte AUK, SS. 1891 oö. Prof. Münster, 1897 Marburg, 1901 Tübingen, 1906 Freiburg, em. 1924. – Schwerpunkte: Sozial­ u. Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Hauptwerk: Der deutsche Staat des Mittelalters (1914), lehnte die Annahme von „Kausalgesetzen“ und „Entwicklungen“ in der Geschichte ab, „hob dagegen die Bedeutung des Individuums und der individuellen Vorgänge im Geschichtsablauf hervor“ (NDB); Polemiker gegen „materialistische, positivistische oder naturalistische“ Geschichtsdeutungen (Marx, Schmoller, Lamprecht), wissenschaftshistorisch bedeutend: Die deutsche Ge­ schichtsschreibung von den Befreiungskriegen an bis zu unseren Tagen (1916, erw. Aufl. 1924). – Politisch: Konservative Partei, seit 1918 DNVP, während des I. WK einer der akademischen Wortführer alldeutscher Annexionsforderungen und eines „Siegfriedens“, mit H. St. Chamberlain Begründer der alldt. Zs. Deutsch­

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lands Erneuerung (1916 ff.), mit Othmar Spann Hg. der um die Aktualisierung der romantischen Ideenwelt be­ mühten Schriftenreihe „Die Herdflamme“. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 225 f.; ebd., Sek. 12, Tit. IV, Nr. 3, Bd. I, 83 f. (Habil.); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 9 II (35 Br. an Althoff, 1886–1901); v. Below 1925 (P); APB 44; NDB II, 32 f.; Schwabe 1969, 41 ff., 151 ff.; Cymorek 1998. Benecke, Berthold, Anatomie, Zoologie * 27. 2. 1843 Elbing † 27. 2. 1886 Königsberg V.: Adolph B. (1809–1886), 1844–1882 Gymna­ siallehrer u. –direktor StädtG Elbing, M.: Adelheid Abs (gest. nach 1886), ev. – 1861 G Elbing, naturw.­ med. Stud. AUK, Schüler des Anatomen → August Müller, 1865/66 Amanuensis Chir. Klinik (Wagner), 20. 7. 1866 Prom.: De vi acidi picronitrici physiologica (Hirsch u. A. Müller gewidmet), 1867 StE, 1867–1870 Militärarzt, 7. 4. 1871 Habil. f. Anatomie, 1870 Pro­ sektor Anatom. Inst., SS. 1877 b. ao. Prof. (Nf. E. Bur­ dach). Nach 1880 Hinwendung zur Fischereikunde, Hydrobiologie, Verfasser von Standardwerken zur Teichwirtschaft und zur Fischerei und Fischwirtschaft in Ost­ u. Westpreußen. – Militär: Kriegsteilnahme 1870/71, EK II. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VI, unpag.; Bd. VII, 200, 224 f.; Nr. 24, Bd. I, 108; vita Diss.; Weisfert 15; APB 46 f. Beneke, Rudolf, Medizin, Pathologie * 22. 5. 1861 Marburg † 1. 4. 1946 ebd. V.: Friedrich Wilhelm B. (1824–1882), Prof. d. Med., Pathologe, M: Süsette Sengstack, ev. – 1879 G Marburg, med. Stud. Tübingen, Marburg, Leipzig, Straßburg, 1885 StE u. Prom. Straßburg: Zur Lehre von der hyati­ nen (wachsartigen) Degeneration der glatten Muskelfa­ sern, 1. 10. 1885–1. 8. 1886 Assist. Inn. Klinik Leipzig, 1886–1889 Assist. Path. Inst. ebd., 12/1888 Habil. ebd. f. path. Anatomie u. allg. Pathologie. 1. 9. 1890– 1903 Prosektor Hrzg. KHS Braunschweig, 14. 4. 1893 Umhabil. Göttingen, 1897 mit Virchow Gründung der „Deutschen Pathologischen Gesellschaft“, 1900 Beru­ fung an die Universität Kyoto/Japan abgelehnt, WS. 1903/04 oö. Prof. f. Pathol., Direktor Path.­Anatom. Inst. AUK (Nf. E. Neumann), WS. 1906/07 oö. Prof. path. Anatomie, allg. Pathol., Geschichte der Medizin Marburg, Dekan 1909, SS. 1911 Halle, 1927 em. – 1912 GMR. – oo1886 Helene Cichorius, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 11, Bd. I, 26–31 (Umhabil. 1893), 185, 200, 207; Chronik Univ. Göttingen 1893/94, 9; BLÄF I, 95 f.; Kaiser/Piechocki (P); Gundlach 257 f.; Voswinckel 2002, 100 f.

Benrath, Alfred, Chemie * 4. 5. 1878 Düren † 18. 1. 1969 Neuendettelsau/Kr. Ansbach V.: Ernst B., Fabrikant (= Bruder des Kgb. Kirchenhi­ storikers Karl → B.), M.: Mathilde Benecke, ev. – ORS Düren 1897, naturw. Studium Zürich, TH Char­ lottenburg, Heidelberg, dort 1901 Prom.: Ueber die Umsetzung von Metallverbindungen des Dibenzoyl­ hydrazins mit Jod und halogenhaltigen Substanzen. Privatassist. Chem. Inst. Heidelberg (Stollé), 1902/03 Studienreise Südamerika, 1904 Assist. Chem. Labor AUK (Klinger), 1905 Habil. ebd., AV 11. 5. 1905: Die Entwicklung der Molekulartheorie. 1908 Abt.vorsteher Chem. Inst. (Physikal. Chemie) ebd., 27. 8. 1910 nb. ao. Prof., 1913 b. ao. Prof. u. Abt.leiter anorg. u. analyt. Chemie am Chem. Institut Bonn, 1923–1944 oö. Prof. f. Anorganische Chemie TH Aachen. – Hauptwerke: Lehrbuch der Photochemie (1912), Die Nichtmetalle und ihre Verbindungen (2 Bde. 1922), Physikalische Chemie (2 Bde, 1923–25) – Militär: Nicht eingezogen, nur garnisonsverwendungsfähig. – oo 1914 Johanna Zorn (1892–), Tochter des Staatsrechtlers Philipp → Zorn, 1 S, 1 T. BABL, R 4901, 13258/462; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 40 f.; ebd., Nr. 21, Bd. XXV, 293–296; Wenig 18; BEN 2003, 52; APB 1754. Benrath, Karl, Theologie, Kirchengeschichte * 10. 8. 1845 Düren † 21. 7. 1924 Königsberg V.: Schulrektor. – Schulbesuch in Düren, 1863 theol.­ philol. Stud. Bonn, FWU, Heidelberg. 1867–1871 Lehrer Bürgerschule Düren. Prom. Jena 15. 7. 1871: Das pädagogische System Platons. 1871–1875 Stu­ dienaufenthalt Italien, Materialsammlung zur Ge­ schichte der Reformation im Italien des 16. Jhs., 10/1872–10/1875 zweiter Italienaufenthalt als po­ litischer Korrespondent der Kölnischen Zeitung in Rom. Er „hatte dort Gelegenheit, ein hochbegabtes Volk an einem der wichtigsten Wendepunkte seiner äußeren und inneren Geschichte zu beobachten und die Versuche mitzuerleben, welche bei der Lösung des wichtigsten Problems gemacht wurden. Ich gewann Einblick in das Wesen einer großen Staatsverwaltung, lernte das öffentliche und private Leben dort in einem Umfang kennen, wie dies selten einem Fremden ge­ boten ist …“ (Album Prof.) Neben journalistischen Arbeiten weitere hist. Studien, 1875 Untersuchung über Bernadino Ochino abgeschlossen. Mai 1876 Lic. theol. Bonn, Habil. f. Kirchen­ u. Dogmengeschichte 1. 7. 1876 ebd. mit AV: Ueber die Quellen der italie­ nischen Reformationsgeschichte. 1878/79 mit Unter­ stützung PrMK Archivreise nach Italien. 8. 9. 1879 nb. ao. Prof., Ltr. Patrist. Sozietät Bonn, 1881/82 Lehr­

Catalogus Professorum stuhlvertretung Th. Brieger Marburg, SS. 1890 oö. Prof. f. Kirchengeschichte AUK (Nf. Tschackert); em. 1920. – 10. 11. 1883 Dr. theol. h. c. Jena. – oo N. N., mindestens 2 S: Gustav Adolf (1889 Bonn–), Dr. theol. AUK 1917, Walter (1895 Königsberg–), Dr. phil. 1934 mit einer botanischen Arbeit bei → C. Mez promoviert. GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 41, Bd. I, 179 (Meldung Habil.); ebd., Rep. 89, Nr. 21661, 14–16 (Bestallung AUK); Weisfert 16; RGG 2. Aufl. I, 898; Wenig 18; Album Professorum Bonn 1995, 164–170 [vita 1881]. Benthin, Walther, Medizin, Gynäkologie * 18. 12. 1882 Köritz b. Neustadt/Dosse † 3. 12. 1950 Rheydt/Rheinland V.: Carl B., Postsekretär, M.: Martha Kassube, ev. – 1902 G Wittstock, med. Stud. FWU, Freiburg, Kiel, 1907 StE, 1908 Prom. Kiel: Mortalität und Morbidi­ tät nach abdominalen Laparatomien. 1909–1911 Vo­ lont. Path. Inst. VirchowKHS Berlin (v. Hansemann), 1. 4. 1911 Städt. Frauenkl. Frankfurt/M., 1. 4. 1912– 1917 Assist. Univ. Frauenkl. AUK, 21. 7. 1913 Habil. f. Gynäkologie, 1918 nb. ao. Prof., 1919–25 OA Univ. Frauenkl., 1924/25 Lehrstuhlvertretung Winter, 1924 lt. Arzt d. Abt. f. Geburtshilfe am StädtKHS, im März 1945 Flucht aus Königsberg, ab 10/1945 Frauenarzt Rheydt, ord. Honorarprof. Bonn. – Politisch: bis 1930 DVP, 1933 NSLB, NSDD. – Militär: 1914–1918 Oberstabsarzt, Ostfront, Mazedonien, EK II. – oo1909 Gertrud Diezel, 1 T, 2 S. BABL, R 4901, 13258/473; GStA Nr. 24, Bd. III, 164; APB 1319 Berendt, Gottlieb Michael, Geologie * 4. 1. 1836 Berlin † 27. 1. 1920 Schreiberhau/Riesengebirge, Schlesien V.: Michel B., Kaufmann u. Buchhändler, M.: Veronica Rosalie Huhn, jüd., V. seit 1828 ev. getauft. – 1859–1862 Studium des Bergfaches FWU, Prom. ebd. 11. 3. 1863: De formatione diluviana in Marchia provincia ac potis­ simum in vicinitate Postampiae (Diluvialablagerungen in Brandenburg, bes. um Potsdam), 1865 Bergref­ rendar, im selben Jahr von der PhÖG beauftragt mit der geologischen Kartierung Ost­ u. Westpreußens, 6. 11. 1869 Habil. f. Geologie und Mineralogie AUK (mit Kapiteln aus: Geologie des Kurischen Haffes und seiner Umgebung), 1872 ao. Prof. ebd., 1874–1904 Geolog. Landesanstalt Berlin, Ltr. Flachlandesaufnah­ men, 1875 ao. Prof. Bergakademie Berlin. – 1863: Die Diluvialablagerungen der Mark Brandenburg, mit der ersten geognost. Karte der Potsdamer Umge­ bung; kartierte ferner das Harzrandgebiet, 1865–1874 geologische Kartierung Ost­ u. Westpreußens. 1870: Die Theorie Darwins und die Geologie (vs. Darwin);

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nach 1875 zahlreiche Arbeiten zur Geologie Berlins u. Brandenburgs, bes. 1885: Geognostische Beschreibung der Umgegend von Berlin (2. Aufl. 1899). Stiftete die Verbindung zwischen diluvial­geol. u. bodenkundlich­ agronomischen Karten, „die bahnbrechend wurde“. „Grundlegend für die norddeutsche Stratigraphie ist sein Ergebnis, wonach die jüngere Braunkohleforma­ tion miocänen Alters ist. B. regte die ersten Tiefboh­ rungen in Ostpreußen an.“ (NDB). In Ostpreußen vor allem befaßt mit der Entstehung der Kur. Nehrung, der Geschichte des Weichseldeltas, der marinen Dilu­ vialfauna, Bernsteinforschung. – 1896 Geh. Bergrat. – oo 1866 Alwine Necker (gest. 1919, Nachfahrin des frz. Finanzministers N.), 2 S, u. a. Werner (1869–nach 1943), Architekt u. Schriftsteller (unter dem Pseudo­ nym: Werner v. Königsberg), 1 T. GtA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. II, 245; Weisfert 13; Keilhack 1922 (Bibl., P); Wininger I, 324; APB 49; NDB II, 69 f. Berg, Friedrich von, Oberpräsident u. Kurator * 20. 11. 1866 Markienen/Kr. Friedland, Ostpr. † 9. 3. 1939 ebd. V.: Friedrich v. B., Rittergutsbesitzer, M.: Elise v. Pres­ sentin gen. v. Rautter, ev. – WilhelmsG 1884, jur. Stud. Bonn, 1885 Berufsoffizier, 1892 Abschied als Lt., Fortsetzung jur. Stud. Leipzig, Breslau, 1894 Ref. ex., 1896–1900 Gerichtsref. Bartenstein u. Reg.ref. Danzig, 1900–1903 Assessor Landratsamt Niederbar­ nim, 1904 Landrat Goldap, 1906 Vortr. Rat Zivilka­ binett, 1909–1916 Landeshauptmann Ostpreußen, 25. 7. 1916–15. 1. 1918 Oberpräsident von Ostpreu­ ßen, 16. 1. 1918–9. 11. 1918 Chef des Zivilkabinetts Wilhelms II., 1921–1927 Generalbevollmächtigter des preuß. Königshauses. Seit 1919 Bewirtschaftung des Gutes Markienen, etwa gleichzeitig rege politisch in der Provinz engagiert als Vorsitzender des monar­ chistischen „Bunds der Aufrechten“, 1919 Vorsitzender Provinziallandtag, 1920 Präsident Provinzialsynode, 1920–1932 1. Vorsitz. Deutsche Adelsgenossenschaft. – 1926 Dr. theol. h. c. AUK RHB I, 110 (P); APB 861 f.; Potthoff 1971. Berg, Walter, Anatomie, Medizin * 12. 7. 1878 Berlin † nach 1938 vermutl. im Skand. Exil V: Philipp B., Fabrikbesitzer, jüd. – FriedrichsG Berlin 1898, med. Stud. Freiburg, Bonn, StE, Approb. Frei­ burg 1902, Prom. FWU 1903: Beiträge zur Theorie der Fixation [mbB] des Zellkerns und seiner Eiweißkörper, Assist. FWU 1904–1906, Assist. Anat. Inst. Straßburg 1906–1914, 8. 1. 1908 Habil. ebd: Die Fehlergröße bei den histologischen Methoden, 1913 Titel Prof., 1914 Anat. Inst. AUK, Umhabil. 13. 5. 1914, Prosektor

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ebd. 1915, Abt. Vorstand 1919, nb. ao. 1921, b. ao. Prof./pers. Ord. 11. 1. 1923. 1933 nach § 4 BBG ent­ lassen. – Grenzgebiete von mikroskop. Anatomie u. physiol. Chemie, Studien zur Eiweißspeicherung in Leberzellen u. zur Zellstruktur der Leber. – Militär: Landsturm, EK II, Assist. Arzt im Felde 10. 10. 1918. – ooMagdalena Du Bois­Reymond, Enkelin des Berliner Physiologen Emil Du B.­R. (1818–1896). BABL, R 4901, 10001/487 (Vermerk „nicht­ arisch“); GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 187; BLÄF I, 100; Voswinckel 2002, 107. Bergeat, Alfred, Mineralogie, Geologie * 17. 7. 1866 Passau † 30. 7. 1924 Kiel V.: Christoph B., Prof. f. Mathematik u. Physik Kreis­ realschule Passau, später Glanzgold­Fabrikant, Familie aus Thonon am Genfer See, M.: N. N. (aus Bozen, gest. 1870), ev. – 1886 G Wiesbaden, naturwiss. Stu­ dium München 1886–1892, vornehmlich bei Zittel, 1890 geol. Studien auf Zypern, 1891 StE, 10/1892 Prom.: Zur Geologie der massigen Gesteine der Insel Cypern (R.: Weinschenk; Widmung: „Meiner lieben Mutter“), 1892–1895 Assistent Bergakademie Frei­ berg (A. W. Stelzner), 9. 12. 1896 Habil. f. Geologie u. Mineralogie München: Der Stromboli [Vulkanismus auf den äolischen Inseln], SS. 1899 Prof. f. Mineralo­ gie u. Geologie Bergakademie Clausthal (Nf. Stelzner), WS. 1908/09 oö. Prof. f. Mineralogie u. Geologie AUK (Nf. Rinne, zum SS. 1909), 1917/18 Dekan, SS. 1921 Kiel (Nf. → Johnsen), Februar 1922 Lehrtätigkeit ein­ gestellt infolge Alzheimerscher Krankheit. „Nach seiner Arbeitsrichtung stand er weder in Kiel noch in Königs­ berg an der richtigen Stelle“, in Königsberg über „Man­ gel an Zuhörern, namentlich Praktikanten“ geklagt (Brauns). – Schwerpunkte: a. Vulkanologie (Entste­ hungsgeschichte u. Eruptionsfolge der verschiedenen Magmen), Feldforschung auf den aeolischen Inseln und in Mexiko, 1924: Plutonismus und Vulkanismus, in: Wilhelm Salomon (Hg.), Grundzüge der Geologie; von Karl Sapper mit biographischer Einleitung aus dem Nachlaß hg.: Die Vulkane, Breslau 1925, b. Lagerstät­ tenbildung, ausgedehnte Studienreisen zu Erzgruben im Ural, Österreich­Ungarn, Siebenbürgen, 1913: Abriß der Lagerstättenkunde, in: Handbuch der Natur­ wissenschaften (auch separat: Jena 1913), Hauptwerk: Die Erzlagerstätten. Unter Zugrundelegung der von Alfred Wilhelm Stelzner hinterlassenen Vorlesungs­ manuskripte und Aufzeichnungen bearbeitet, 2 Bde. 1904–1906. – Dr. jur. Universität Montreal 1913. – Politisch: Sein Nachrufer erwähnt, „die Ereignisse 1918/19“, das Ende der Monarchie, die Entstehung der Weimarer Republik, hätten B. „furchtbar getrof­ fen“, so sehr, „daß sich der Keim seiner Krankheit um

diese Zeit entwickelt haben“ könnte. – Militär: August 1914 als fast 50jähriger sich „zur Verfügung“ gestellt, Dienst als Reserveoffizier/Kompanieführer im Bayr. Leib­Infanterieregiment (Ers. Bat.), zum SS. 1917 ent­ lassen. – oo1897 Sophie Heisterbergk, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, 288–290, 321 f. (Nf. Rinne); R. Brauns, 1924, 705–711 (Bibl., P); Volbehr/Weyl 161; BEN 2003, 54. – Nl. Bergeat (17 Kartons) in SBB. Bergmann, Julius, Philosophie * 1. 4. 1840 Opherdike/Kr. Dortmund † 24. 8. 1904 Marburg 7. 8. 1862 Prom. Halle: Ueber den Werth und die Möglichkeit einer reinen Vernunftwissenschaft. 1864 StE Mathematik, Physik, philos. Propädeutik, Habil. 18. 1. 1872 FWU: Grundlinien einer Theorie des Be­ wußtseins, 20. 3. 1872(!) Ernennung zum ord. Prof. f. Philosophie AUK (Nf. Ueberweg), 1. 4. 1875 Marburg, Dekan ebd. 1877, Rektor 1884, Entlassungsgesuch 15. 9. 1891 nicht genehmigt, zum 1. 10. 1893 gegen Gehaltsverzicht von amtl. Verpflichtungen entbun­ den. – Begründete 1868 Philosophische Monatshefte, Schriftleitung bis 1877. „Bedeutenster Vertreter einer ausgesprochen idealistischen Erkenntnistheorie und Metaphysik“ (Weisfert). – 1891 GRR. Weisfert 17; Gundlach 298 f.; Sieg 1994, 174–193. Bernecker, Constanz, Lehrer für Orgelspiel, Choral­ u. liturgischen Gesang * 31. 10. 1844 Darkehmen † 9. 6. 1906 Königsberg V.: Lehrer, Organist, seit 1845 Organist der Stadtkirche Gumbinnen. – 1863 FriedrichsG Gumbinnen, 1864 Kgl. Institut für Kirchenmusik Berlin, Akademie der Künste/Musiksektion, 1868 Leitung der neuen Akade­ mie für Männergesang und Direktion der vereinigten Chöre des märkischen Sängerbundes. 1872 Königs­ berg, Dirigent des Gesangvereins (spätere Singakade­ mie), 1875 Domorganist, 1886 Kgl. Musikdirektor ebd., 1886–1896 Konzert­ u. Opernkritiker KHZ (Nf. Louis Köhler), 1894 Lehrer für Orgelspiel usw. AUK, daneben Kompositionslehrer am Konservatorium. Vertonte u. a. Lieder Felix Dahns (Tannhäuserlieder u. Weltuntergangserwartung), schrieb Chor­ u. Instru­ mentalwerke, Quartette, geistl. Chorwerke (die Ora­ torien Judith, Christi Himmelfahrt, Christus, der ist mein Leben; Krönungskantate), Schöpfer einer „neuen und modernen Richtung des Oratoriums“. Weisfert 17; Chronik AUK 1906/07, 14–16; Bur­ dach 1907; APB 52.

Catalogus Professorum Berthold, Emil, Medizin, HNO * 1. 12. 1836 Wehlau † 1. 4. 1922 Schleswig V.: Christelmann B. (gest. vor 1862), M.: Emilia Nord­ thoff, ev. – 1858 AltstädtG, med. Stud. AUK, 1862 ophthalmolog. Prom.: De Iridectomia (J. Jacobson ge­ widmet:: „praeceptori dilectissimo“), 1863 prakt. Arzt Königsberg, 7. 4. 1866 Habil. f. Augenheilkunde: Quid Ophthalmologia adhuc praestiterit historice enarrator; in die Zwistigkeiten zwischen Jacobson und Wagner hineingeraten, Bruch mit J., daher Ende der 1860er Jahre Hinwendung zur Ohrenheilkunde, 1875 nb. ao. Prof., 1888 um Nf. Bohn bemüht, von v. Mikulicz mit einem negativen Votum verhindert („alle Kollegen ur­ teilen abfällig über seine ärztliche Tätigkeit“), 1873 pri­ vate Poliklinik für Augen­, Hals­ u. Ohrenkrankheiten, 1874 staatl. anerkannt u. mit 1.200 M. jährlich unter­ stützt, 1891 b. ao. Prof. u. Ltr. seiner privaten HNO Poliklinik als Universitätsklinik, 1905 em. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VIII, 191; Nr. 24, Bd. I, 86; vita Diss.; Stenger 1922; BLÄ I, 502 f. Bestaux, Eugène, Lektor für Französisch * 1. 9. 1878 Nimes † nicht ermittelt 1896 BA Montpellier, 1896–1899 kath. Theol. Ecole St. Sulpice Paris, 1899–1902 Lehrer Berlitz School in Dänemark, Deutschland, Ostern 1903 Privatlehrer Kö­ nigsberg, von Koschwitz herangezogen zu Ferienkursen für Oberlehrer, WS. 1903/04 Lektor f. Französisch AUK. Rep. 76Va, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 178–180. Bezzenberger, Adalbert, Vergleichende Sprachwissen­ schaft und Sanskrit * 14. 4. 1851 Kassel † 31. 10. 1922 Königsberg V.: Heinrich Ernst B. (1814–1892), Germanist, Geh. Schulrat, Leiter des hess. Schulwesens, M.: Amalie Wiederhold (1815–1897), ev. – G Kassel 1868, philol. Stud. München, Göttingen, Prom. 26. 7. 1872: Unter­ suchungen über die gotischen Adverbien und Partikeln, Habil. Juni 1874 ebd.: Über die A­Reihe der gotischen Sprache, 1879 nb. ao. Prof. ebd., SS. 1880 ord. Prof. f. vgl. Sprachwissenschaft u. Sanskrit AUK (Nf. Nes­ selmann), Rektor 1890/91 und 1918/20, nach dem Kapp­Putsch im März 1920 auch komm. Kurator, Berufungen nach Halle (1893) und Breslau (1896) nicht zustande gekommen. – „Eigentlicher Begründer“ der Baltischen Philologie, Vertreter der linguistischen „Sprach­ und Sachforschung im Sinne Jacob Grimms“ (Trautmann), Begründer u. Hg. der Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen (1877–1922), Mitarbei­

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ter an Ficks ‚Vgl. Wörterbuch der indogermanischen Sprachen‘ (2. Tl. 1894: Stokes, Der urkeltische Sprach­ schatz …, übersetzt u. überarbeitet von Bezz.), vgl. Grammatik der indogermanischen Sprachen, Laut­ lehre, Mitbegründer des Königsberger Freilichtmuse­ ums, Beteiligung an prähist. Forschung in Ostpreußen, als Landeshistoriker mit Quellenedition zur Geschichte Preußens im frühen 19. Jh. bekannt, als Sprachforscher Baltist, noch in Göttingen: Litauische und lettische Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts, sowie: Beiträge zur Geschichte der litauischen Sprache, 1882: Litau­ ische Forschungen; 1888 als Resultat jahrelanger dia­ lektologischer und volkskundlicher Feldstudien: Die Kurische Nehrung und ihre Bewohner. Als Prähistori­ ker Hauptinteresse an der Bronzezeit Ostpreußens, als Landeshistoriker: Vorgeschichte und Geschichte des Befreiungskrieges 1813/15. – 1894 KrO III anläßlich 50. Jub. Altertumsgesellschaft Prussia, deren Vorsitzen­ der 1891–1916. – Politisch: Freund und Gönner der Turnerschaft Frisia (1897), maßgeblich beteiligt an Pla­ nung und Bau des vom Mäzen Friedrich Lange als Ge­ gengewicht zum stud. Verbindungswesen konzipierten Studentenheims Palaestra Albertina (1898); von Ku­ rator v. Schlieckmann 1891 unter die Konservativen der Fakultät gerechnet, 1915 Kritiker des alldt. Anne­ xionismus, 1917/18 auf Distanz zur Vaterlandspartei, daher nach dem 9. 11. 1918 als „unbelastet“ zum Rek­ tor gewählt, Januar 1919 Organisator des freiwilligen Grenzschutzes unter der Studentenschaft. – oo Helene Schultze, Tochter eines GRR in Merseburg, 3 K, da­ runter Reinhard (1888–1963), Jurist, 1921 Landesrat, 1929 1. Landesrat bei der Provinzialverwaltung der Provinz Ostpreußen, ständiger Vertreter des Landes­ hauptmanns, 1941–1945 de facto Landeshauptmann, und Ernst (1881–), Dr. med. AUK 1904. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 145; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 11 (37 Br. an Althoff, 1884–1901); Kukula; Weisfert 20; Trautmann 1922; Trautmann/Ebert 1923; Gerullis 1923; Gerullis 1939; APB 55 f.; NDB I, 213 f.; Schmid 1995; Balder 2010, 241. Bieberbach, Ludwig, Mathematik * 4. 12. 1886 Goddelau bei Darmstadt † 1. 4. 1982 Oberaudorf (Oberbayern) V.: Eberhard B., Psychiater, Direktor Irrenanstalt Hep­ penheim, M.: Lina Ludwig, ev. – G Frankfurt 1904, math. Stud. Heidelberg, Göttingen, ebd. Schüler von Klein u. Hilbert, ebd. Prom. 1910: Zur Theorie der automorphen Funktionen, Habil. f. Mathematik Zürich 5. 7. 1910: Über die Bewegungsgruppen des n­dimensionalen euklidischen Raumes mit einem end­ lichen Fundamentalbereich; Umhabil. AUK, LA f. an­ gewandte Mathematik WS. 1910/11, AV 29. 10. 1910: Die historische Entwicklung der Variantenrechnung,

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SS. 1913 ord. Prof. f. Mathematik Basel, SS. 1915 oö. Prof. Frankfurt, 1921–1945 FWU, 1935/36 Dekan PhilFak, ab SS. 1936 Dekan der neuen Math.­Natur­ wiss. Fak. – Schwerpunkte: Funktionentheorie, Ana­ lysis, Theorie der Differentialgleichungen, Konforme Abbildungen, Geschichte der Naturwissenschaften u. Mathematik (1938: Galilei und die Inquisition, 2. Aufl. 1942; 1938: Carl Friedrich Gauß. Ein deut­ sches Gelehrtenleben), mehrere Lehrbücher und Ein­ führungen, u. a. zur analytischen Geometrie, Lehrbuch der Funktionentheorie, Bd. I 1930 in 3. Aufl. – 1910– 1913 Mitglied PhÖG Königsberg, 1924–1945 PrAkW, 1939–1945 Sekr. d. Math.­Phys. Klasse, 1920–1934 Schriftführer Dt. Mathematiker Vereinigung. – Po­ litisch: 1933 SA, 1. 5. 1937 NSDAP, Exponent der „Deutschen Mathemtik“ (1936–1942 Hg. der Zs. Deutsche Mathematik), hochschulpolitisch engagiert bei der Entlassung jüdischer Kollegen, 1934 dies be­ gründend mit der ethnischen Determinierung math. Denkstile, 1945 Internierung, Entfernung aus dem Hochschuldienst, 1952 em. – Militärisch: Vor 1914 als untauglich ausgemustert. – oo 1914 Hanna Stoermer, 5 S. (1916–1922). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 144–146; RHB I, 132; H. Grunsky 1986; Mehrtens 1987; Grüttner 2004, 24. Birch-Hirschfeld, Arthur, Medizin, Augenheilkunde, * 10. 9. 1871 Dresden † 31. 1. 1945 Danzig V: Felix Victor B. (1842–1899), Prof. f. Pathologie, M.: Clara Baron, ev. – 1891 NikolaiG Leipzig, med. Stud Leipzig, München, Appr. u. Prom. Leipzig 1896: Zur Beurteilung des Bakterium coli commune ‹Escherich› als Krankheitserreger und über sein postmortales Ein­ dringen in das Gewebe, 1898–1914 Ass. Univ Augen­ klinik ebd., Habil. f. Augenheilkunde ebd. 16. 5. 1900, nb. ao. Prof 1906, im gleichen Jahr v. Graefe­Preis für: Die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf das Auge, 1. 12. 1914 oö. Prof. Augenheilkunde AUK, 1932/33 Rektor, 1936 em., bis 1944 weiter als Augenarzt in Kö­ nigsberg tätig, Herbst 1944 Umzug nach Frauenburg, Jan. 1945 in Danzig an Herzversagen gest. – Schwer­ punkte: Granulose, Augenschädigungen durch Gifte, Erkrankungen der Augenhöhle (dazu das jeweilige Kapitel ‚Krankheiten der Orbita‘ im ‚Handbuch‘ von Graefe/Saemisch 1930 und im ‚Lehrbuch‘ von Axen­ feld/Hertel 1934), 1913 neue Methode zur Therapie der Netzhautablösung, Sehnervenveränderungen, Pa­ thogenese des Altersstars, Bekämpfung des Trachoms in Ostpreußen, Lichtbehandlung in der Augenheilkunde (bes. bei Hornhauterkrankungen), publizistischer Kampf gegen die „Augendiagnose“ von Kurpfuschern. – Dr. h.c. Universität Riga. Mitglied der Gesellschaft

der Freunde Kants („Bohnengesellschaft“). – Poli­ tisch: FM SS, BDO, NSV, Fachschaft AUK 1. 1. 1934, NSLB. – Militär: 4. 8. 1914 Stabsarzt Reservelazarett Leipzig, 1915–1918 Beirat f Augenkrankeheiten stellv. Generalkommando I. AK, EK II. – oo 1899 Anna Hoeller (1875–), 1 T, Anneliese (1903–1989), Histo­ rikerin, Prom. AUK bei H. Rothfels/F. Baethgen zur Geschichte des Kollegiatsstifts Guttstadt (1931), oo mit dem Slavisten Alfons Triller; 2 S, darunter Adolf (1907–1982), med.­pharmakol. Prom. AUK 1934, Arzt in Königsberg bis 1945. BABL, 4901, 13258/660; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. XII, 287 f. (Berufung 1914); NDB II, 252 (B. H. sen.); Scholz/Schroeder 1970, 105 f. (P); APB 864 f.; R. Franz 1981, 159–162. Bismarck-Schönhausen, Wilhelm von, Oberpräsi­ dent, Kurator * 1. 8. 1852 Frankfurt/M. † 30. 5. 1901 Varzin/Hinterpommern V.: Otto v. B., preuß. Ministerpräsident u. Reichskanz­ ler (1815–1898), M.: Johanna v. Puttkamer. – Jur. Stud. AUK, Bonn, Teilnahme am Krieg 1870/71, 1878 As­ sessor, 1878–81 MdR, 1878/79 Hilfsarbeiter Reichs­ kanzlei, 1881–1884 Reichskanzlei u. Vortr. Rat im Staatsministerium, 1882–1885 MdPrAH, 1885–1889 Landrat Hanau, 1889–1895 Regierungspräsident Han­ nover, 1895 Oberpräsident der Provinz Ostpreußen, 14. 5. 1895 zugleich Kurator AUK. Weisfert 21; Penzler 1902; APB 59; Hauf 1980; 26 f. (P). Blaschke, Wilhelm, Mathematik * 13. 9. 1885 Graz † 17. 3. 1962 Hamburg V.: Josef B., Prof. Landesoberrealschule Graz, M.: Ma­ ria Edle von Mor zu Morberg und Sunnegg, kath. – Mathem. Studium TH Graz, TH u. Univ. Wien, Pisa, Göttingen, Bonn, StE Bauingenieurschule Graz, Prom. Wien 26. 3. 1908: Über eine besondere Art von Kur­ ven vierter Klasse (R.: Wilhelm Wirtinger), StE ebd. 1908 (Mathematik, darstellende Geometrie), 1908/09 Studien in Bonn, Pisa u. Göttingen bei D. Hilbert, Habil. f. Mathematik 31. 10. 1910 bei Study in Bonn: Zur Geometrie der Speere im Euklidischen Raume (in: Monatshefte für Mathematik u. Physik 21, 1910), PV: Die Uniformierung algebraischer Kurven, AV: Die Be­ deutung des Imaginären für die Geometrie (so Bericht PhilFak, AV­Protokoll dagegen unter dem Titel: Die Verwendung komplexer Größen in der Geometrie), 1. 5. 1911 Umhabil. Greifswald, LA für reine u. ange­ wandte Mathematik, SS. 1913 b. ao. Prof. TH Prag, SS. 1915 b. ao. Prof. Leipzig, SS. 1917 oö. Prof. f. Ma­ thematik AUK (Nf. Böhm), SS. 1919 Tübingen (Nf.

Catalogus Professorum Alexander Brill), WS. 1919/20 auf den neugegrün­ deten Lehrstuhl f. Mathematik Hamburg, 1927/28 Rektor, 1926/27 und 1943/45 Dekan Math.­Naturw. Fak., zwischen 1920 und 1930 Rufe nach Heidelberg, Stuttgart, Graz, Leipzig abgelehnt, em. 1953. 1931/32 Gastprof. USA, 1953/55 Istanbul. – Schwerpunkte: Spezielle Differentialgeometrie, Konvexe Körper, allg. Geometrie, Hauptwerke: Kreis und Kugel (1916), Differentialgeometrie und geometrische Grundlagen von Einsteins Relativitätstheorie (1921), Vorlesungen über Differenzialgeometrie (3 Bde. 1921–1929); Ges. Werke I–IV, Essen 1982–1986. – Mitglied KGG 1929, der Akademien Leipzig, Mainz, Padua, Bukarest, Wien Venedig, Barcelona, Madrid u. a. Ehrendoktorate Pa­ dua, Bukarest, Barcelona u. a., Nationalpreis der DDR 1954. – Politisch: Mitunterzeichner eines Gründungs­ aufrufs der DVP in Königsberg, Sommer 1945 durch die britische Besatzungsmacht amtsenthoben, Oktober 1946 Wiedereinsetzung. – Militär: Als untauglich aus­ gemustert. GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 45, Bd. XI, 61–65 (Habil. Bonn); Hans R. Müller 1962 (P); Sperner 1963 (Bibl.); Wenig 25 f.; LGH 2004, 22 f. Blass, Friedrich Wilhelm, Klassische Philologie * 22. 1. 1843 Osnabrück † 5. 3. 1907 Halle V.: Friedrich Wilhelm B. (ca. 1790–1870), Kauf­ mann, Teilnehmer an Napoleons Feldzug gegen Ruß­ land 1812/13 und an den Befreiungskriegen, seit 1842 Rentier, ev. – 1860 RatsG Osnabrück, klass. philol. Stud. Göttingen (Curtius, Ritter, Sauppe), Bonn (Ritschl, Gildemeister, Diez, Simrock), Prom. ebd. 5. 8. 1863: De Dionysii Halicarnassensis scriptis rhetoricis, 25. 11. 1863 StE, Lehrberechtigung f. alte Sprachen, Deutsch, Geschichte. 1864/65 Probejahr G Bielefeld, 1866 DomG Naumburg, 1870 Pädagogium Magdeburg, 1874 Oberlehrer WilhelmsG Königsberg, 19. 12. 1874 Habil. f. Klass. Philologie AUK: Die at­ tische Beredsamkeit. 2. Abt.: Isokrates und Isaios, AV: De ratione qua Graecorum sermo podestes tertio a. Chr. n. saeculo a pristina praestantia degenravit; Tit. Prof., WS. 1876/77 b. ao. Prof. Kiel (Nf. Rohde), 1881 ord. Prof. Klass. Philologie u. Beredsamkeit ebd., WS. 1893/94 Halle (Nf. Eduard Hiller). 1891 Ruf in die USA (Chicago) abgelehnt. – 1885 Ehrenmitglied Hellenisch­Philol. Gesellschaft Konstantinopel, 1894 Dr. h. c. Philos. Fakultät Universität Moskau, Dr. theol. h. c. Greifswald 1896, 1900 Ehrenmitglied Society for the promotion of hellenic studies, korresp. Mitglied PrAkW. – Forschungsschwerpunkte: Griechische Pro­ saschriftsteller, Geschichte der Rhetorik, der „attischen Beredsamkeit“ (von Gorgias bis Demosthenes, 4 Bde., 1868–1880). – Politisch: Sympathisant der Konserva­

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tiven Partei, religiös orthodox lutherisch, vgl. Kieler Rede ‚Über die ideale und materielle Lebensanschau­ ung‘ (1889), sein Nachrufer Crönert verweist ferner auf die „Kampfrede“ 1903: Wissenschaft und Sophistik und 1905: Monarchie und Anarchie in der Kirche. – oo 1872 N. N. Weisfert 21; Crönert 1909; Volbehr/Weyl 148 f. Blochmann, Reinhard, Chemie * 12. 4. 1848 Berlin † 29. 2. 1920 Königsberg V.: N. N., M.: geb. Böttcher; jüd., ev. getauft. – Hl­ KreuzG Dresden, Militärzeit ebd., TH Dresden, 1869/70 naturw.­chem. Stud. Gießen, 1870–1872 Heidelberg, AUK, 1. 4. 1872 Privatassistent Graebes, ebd. Prom. 1873: Ueber die Vorgänge im Innern der nichtleuchtenden Flamme des Bunsen’schen Bren­ ners (seinem Lehrer Bunsen gewid.), 7. 5. 1878 Habil. AUK, AV: Die Entstehung der Chemie an den preu­ ßischen Hochschulen, Assistent Chem. Laboratorium, 1889 nb. ao. Prof., 1898 Abt.vorsteher Chem. Labor (Lossen). – Schwerpunkt: Angewandte u. chem. Tech­ nologie, Mit­Vf. eines erfolgreichen Leitfadens für den chem. Unterricht (1899 in 6. Aufl.) sowie eines zwei­ bänd. Lehrbuchs der Chemie unter bes. Berücksichti­ gung der chem. Technologie in populärer Darstellung (1895/98). – Politisch: Nach Weisfert „langjähriger Stadtverordneter“ (ohne Angabe der Partei). – 1866/67 Frw. Leibgrend. Reg. 100 Dresden, mit diesem Reg. Teilnahme am Krieg gegen Frankreich 1870/71, EK II. Vita Diss.; Weisfert 21; Sigilla I, 669; APB 1325. Blümner, Hugo, Klassische Archäologie * 9. 8. 1844 Berlin † 1. 1. 1919 Zürich V.: Rudolf B. (1812–?), Polizeisekretär, M.: Ottilie Poser (gest. 1846), ev. – Aufgewachsen seit 1846 im Haus des Großvaters Poser in Breslau, FriedrichsG ebd. 1862, altphilol. (A. Rossbach, Fr. Haase, M. Hertz), philos. (Braniß) Stud. ebd., FWU (Boeckh, Haupt, Droysen, Mommsen), altphil.­archäol. Stud. Bonn (Ritschl, Jahn), Studienfreundschaft mit dem Neu­ philologen A. → Kissner, Prom. FWU 15. 2. 1866: De locis Luciani ad artem spectantibus, 1867 StE (Klass. Phil., Deutsch für obere, Geschichte/Geographie f. mittlere Klassen), 1867–1875 Gymn.lehrer Breslau, ebd. 1870 Habil.: De Vulcani in veteribus artium monumentis figura. SS. 1875 b. ao. Prof. f. klass. Ar­ chäologie AUK, WS. 1877/78 ord. Prof. f. Archäo­ logie u. klass. Philologie Zürich (AV: Über den Ent­ wicklungsgang und die gegenwärtigen Aufgaben der Kunstgeschichte), Dekan 1880/82, Rektor 1888/90. – 1869 Preisschrift: Die gewerbliche Tätigkeit der Völ­ ker des classischen Alterthums. Schloß in Königsberg

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den I. Band seines Hauptwerkes ab: Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern (4 Bde. 1874–1887), 1882: Griechische Privatalterthümer (= Neubearb. des Werkes v. Karl Fr. Hermann), 1887: Leben und Sitten der Griechen (3 Bde.), 1911: Die römischen Privataltertümer; „das gewerbliche und private Leben der Alten“, die grie­ chisch­römische „Kulturkunde“ stand im Mittelpunkt seiner Forschungen (Waser). 1876: Lessings Laokoon, hg. u. erläutert. 1888 „Hellasfahrt“. – Politisch: Wäh­ rend der Studienzeit „gut demokratische Gesinnung“, den Krieg 1866 „ohne patriotische Begeisterung“ auf­ genommen, nach 1871 Bismarckianer, mehrere Veröff. über den Reichskanzler als Redner u. a. (Waser). – Mi­ litär: 1866 gemustert, untauglich wg. Kurzsichtigkeit u. allg. Körperschwäche. – oo 1871 Marie Würzburger (gest. 1918) aus Wels/Öst., 3 S, 1 T, Ottilie ooProf. Dr. Alwin Nachtweh, TH Hannover. Weisfert 22; Festgabe 1914 (P); Waser 1921 (unter Benutzung von Blümners hs. Autobiographie; Bibl.); NDB II, 320. Blume, Wilhelm von, Rechtswissenschaft, Bürg. u. Röm. Recht, Staatsrecht * 9. 5. 1867 Berlin † 2. 10. 1927 Tübingen V.: Wilhelm (1888: v.) B. (1835–1919), 1893 General d. Inf., Militärschriftsteller u. –theoretiker, „Arbeitsge­ hilfe Roons, Schüler und Handlanger Moltkes“, M.: Caroline Suffrian (gest. 1917), ev. – Erzogen im Ka­ dettenkorps, 1885 Maturitätsex. Hauptkadettenanstalt Gr. Lichterfelde, Militärdienst, Abschied als Fähnrich nach Sturz vom Pferde, 1887 Abitur KöllnG Berlin, rechts­ u. staatsw. Stud. Marburg, FWU, Göttingen, 28. 6. 1890 StE, Ref. OLG Celle, 26. 4. 1892 Prom. Göttingen: Der Erbschaftskauf des Preuß. Landrechtes. 26. 6. 1894 Habil. ebd.: Novation, Delegation und Schuldübertragung: Abhandlungen aus dem römischen Rechte, WS. 1895/96 mit Vorlesungen in Marburg beauftragt, SS. 1896 b. ao. Prof. f. Röm. Recht ebd., WS. 1898/99 ord. Prof. f. Bürgerliches Recht Rostock, SS. 1900 ord. Prof. f. Bürg. u. Röm. Recht AUK (Nf. Salkowski), 1901 auf Lehrstuhl Schirmer, SS. 1904 ord. Prof. Halle, SS. 1912 Tübingen, 1916/17 Rektor. – Romanist aus Iheringscher Schule, Augenmerk auf die „realen Lebensverhältnisse und Interessenwertungen“, nach Einführung des BGB „in erster Lnie Dogmatiker des geltenden Rechts“. Von früher Zeit an daneben, „im Zusammenhang mit der politischen Einstellung, ein lebhaftes Interesse für das öffentliche Recht und dessen Eingreifen in die privatwirtschaftlichen Ver­ hältnisse“, dabei „weit entfernt von einer einseitigen individualistischen Anschauungsweise“ (Tübinger Ge­ dächtnisrede). – Politisch: Stadtverordneter in Halle,

Nationalliberale Partei, 1919 maßgebender Einfluß auf die württ. Verfassung, deren Entwurf er im Mai 1919 ausarbeitete, 1922–1924 Abgeordneter des württ. LT (DDP). – oo Elisabeth Freiin v. Seebach, Tochter des Göttinger Geologen/Vulkanologen Karl von Seebach (1839–1878). GStA, Rep. 89, Nr. 21662, 102 f.; Chronik Univ. Göttingen 1894/95, 9; Gedächtnis v. Blume 1927; Gundlach 1927, 152; de la Chevallerie 1939 (zu Blume sen.), NDB II, 327 (Blume sen.). Böhm, Karl, Mathematik * 29. 4. 1873 Mannheim † 7. 3. 1958 Friedrichshafen/Bodensee V.: Joseph Anton B. (1824–), Kaufmann, M.: Julia Henriette Kley (1837–), kath. – Mathem. Studium Heidelberg, Prom. 1. 8. 1896: Allgemeine Untersu­ chungen über die Reduction partieller Differential­ gleichungen auf gewöhnliche Differentialgleichungen mit einer Anwendung auf die Theorie der Potential­ gleichung (R.: Leo Königsberger, ihm auch gewid­ met, der ihm die „Schönheiten der mathematischen Wissenschaften erschlossen“ und damit „das Glück [s] eines Lebens begründet“ habe), 1897 StE, 1897–1900 privatisierend in Mannheim, Habil. f. Mathematik Heidelberg 1900, nb. ao. Prof. ebd. 1904, oö. Prof. f. Mathematik AUK (Nf. Faber) WS. 1913/14, SS. 1917 TH Karlsruhe, dort 1936 em. – Mitglied Leopoldina, Heidelberger AkW, 1953 Ehrenbürger TH Karlsruhe. – Hauptwerke: Elliptische Funktionen, 2 Bde. 1908/10, sowie, „Dem Meister David Hilbert“ gewidmet, das Bändchen: Begriffsbildung, Karlsruhe 1922 (= Wissen u. Wirken; 2). – oo Elly Meyer­Ellès (1865–1939), Übersetzerin. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI; vita Diss.; Drüll 24. Boeke, Hendrik Enno, Mineralogie, Petrographie * 12. 9. 1881 Wormervar bei Amsterdam † 6. 12. 1918 Frankfurt/M. (Freitod) V.: Pastor Isaac Hermann B., M.: Sara Maria van Gelder. – 1900 ORS Amsterdam, chem. Stud. ebd., 1905 Prom., 1905/06 Göttingen (Inst. Prof. Tam­ mann), 24. 4. 1906 Dr. Titel u. Prom.: Über die Mischkrystalle bei Natrium­Sulfat […], 1. 10. 1906– 1. 5. 1908 Assist. Mineralog.­Geolog. Institut TH Hannover (Rinne), mit F. Rinne an AUK, 15. 7. 1908 ebd. Habil. f. Mineralogie: Über das Kristallisations­ schema der Chloride, Bromide, Jodide von Natrium, Kalium und Magnesium, sowie über: Das Vorkommen des Broms und das Fehlen des Jods in den Kalisalzla­ gerstätten, PV: Über den mineralogischen Aufbau der Stassfurter Kalisalzlagerstätten, AV: Über die Entste­ hung der Mineralien. WS. 1908/09 Vertretung Rin­

Catalogus Professorum nes, WS. 1909/10 Studienaufenthalt Mineralogisches Institut Leipzig, SS. 1910 b. ao. Prof. f. physikal.­chem. Mineralogie u. Petrographie Leipzig (erster Lehrstuhl dieser Fachrichtung in Deutschland, AV: Physikalisch­ chemische Grundlagen der Mineralogie), SS. 1911 Halle, 1. 10. 1914 oö. Prof. f. Mineralogie, Petrogra­ phie u. Krystallographie Frankfurt, 1915 ff. abgeordnet an die Universität Gent. – Hauptwerk: Die Grundla­ gen der physikalisch­chemischen Petrographie (Berlin 1915; von Wilhelm Eitel neu bearb. Aufl. Berlin 1923), Verfechter „betont mathematischer und physikalischer Denkweisen und Arbeitsmethoden gegenüber den bis dahin üblichen beschreibenden in [der] Petrographie“, Anwendung vorwiegend bei der Untersuchung von Salzlagerstätten (NDB). – oo10. 12. 1908 Leonore Mi­ randolle, Tochter eines Kaufmanns aus s’Gravenhage, 2 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 5, Tit. IV, Nr. 5, Bd. I, un­ pag. (Berufung Frankfurt 1914); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 93–95; DBJ II, 1918, 682; NDB II, 397; DBE I, 625. Böttner, Arthur, Innere Medizin * 28. 1. 1887 Walschleben/Anhalt † 12. 10. 1947 Königsberg V: Ernst B. Landwirt, M.: geb. Heinrich, ev. – 1907 HG Erfurt, 1907–1912 med. Stud. Marburg, Mün­ chen, 1912 StE, 1913 Approb., 10. 12. 1913 Prom. Marburg: Über die interne Therapie der tuberkulösen Peritonitis mit bes. Berücksichtigung des Marmorek­ Antituberkuloseserums, 1914–1916 Assist. Med. Klinik Marburg (Matthes), 1. 9. 1916–15. 11. 1923, I. Assist., stellv. OA Med. Kinik AUK (Matthes), 28. 7. 1917 Habil. f. Innere Medizin: Über Kollargo­ lanaphleglaxie und ihre Bedeutung für die menschliche Anaphylaxie, 24. 4. 1922 nb. ao Prof.: „Arbeiten über Polyhythämie u. Colargol haben ihn über Deutschland hinaus bekannt gemacht“ (MedFak), 15. 11. 1923 Lt. Arzt Innere Abt. Städt KHS, 1. 4. 1927 Direktor ebd. 1945 während der Belagerung in Königsberg geblie­ ben, unter sowj. Besatzung Ltr. „GebietsKHS“ (ehe­ mals KHSBarmherzigkeit), kurz vor der Ausweisung nach Deutschland einem Herzschlag erlegen und mit militär. Ehren bestattet. – Militär: 1915 Res. Lazarett Erfurt, bis 1918 nur garnisionsverwendungsfähig, Etappenarzt. – oo 1919 Marianne Borchardt (1888–), 2 T (1922, 1925). BABL, R 4901, 13259/818, 819; GStA, Rep 76Va …, Nr. 24, Bd. III, 279; Bd. IV, 133–138; APB 869. Bohn, Heinrich, Medizin, Kinderheilkunde * 8. 1. 1832 Memel † 3. 2. 1888 Königsberg

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Med. Stud. AUK, Prag, Wien, 11. 11. 1854 Prom. AUK, 1860 Habil. ebd. f. Kinder­ u. Hautkrankheiten, Habilschrift: Die Croup­Epidemie von 1856/57 zu Königsberg, PV 14. 5. 1860: Pneumonia infantium, AV 31. 7. 1860: Die Temperatur des menschlichen Körpers im gesunden und kranken Zustande, 1866: ,Mund­ krankheiten der Kinder‘, Juni 1868 b. ao. Prof., 1875: ,Handbuch der Vaccination‘ [Schutzimpfung], Mitbe­ gründer u. Hg. Jahrbuch für Kinderheilkunde seit 1867. – ooPauline Schwinck (1834–23. 2. 1926 Königsberg), Nichte Theodor von Schöns, 1901 Mitbegründerin des Goethe­Bundes, 1914 dessen Ehrenmitglied. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 46 f.; Chronik AUK 1887/88, 6; Weisfert 24 f.; Pagel 206 f.; Krause 1905; BLÄ I, 607 f.; Schwonder 1931, 3, 47, 86. Boit, Hans, Medizin, Chirurgie * 6. 1876 Werneuchen † 19. 6. 1934 Königsberg V.: Pfarrer – 1896 G Berlin, 1896–1900 militärärzt. Stud. KWA, 1901 StE, 1901–1909 Stabsarzt in einem Inf. Reg. Wiesbaden, 1905 Prom. Göttingen: Einfache und sichere Identifizierung des Typhusbacillus (R.: v. Esmarch). 1905–1907 zur Weiterbildung komman­ diert ans Senckenberg. Pathol. Inst. Frankfurt/M., 1908 an die Chir. Univ. Kl. Marburg (Friedrich), 1909 Versetzung nach Allenstein, Abschied als Militärarzt, 1909–1911 Assist. Chir. Klinik Marburg, 1. 12. 1911 III. Assist. Chir. Kl. AUK (Friedrich), 27. 3. 1912 Ha­ bil. f. Chirurgie AUK, AV: Über die Behandlung des Pleuraempems, OA bei Kirschner, mehrere Publika­ tionen über Schädelschüsse u. ä.; 1. 9. 1927 Lehrbe­ rechtigung erneuert nach Rückkehr aus Kowno, dort 1922–1926 Ordinarius, seit 1926 lt. Arzt Chirur. Abt. StädtKHS Königsberg (Nf. O. Samter). – Militär: 1914–1918 Chefarzt eines Feldlazaretts. GStA …, Nr. 24, Bd. III, 119 f., 246 f.; Bd. IV, 408. Bonhoeffer, Karl, Psychiatrie, Neurologie * 31. 3. 1868 Neresheim/Württ. † 4. 12. 1948 Berlin V: Friedrich B. (1828–1907), Jurist, zuletzt LG Prä­ sident, M.: Eugenie Tafel (1842–), ev. – G Tübingen 1886, med. Stud. ebd., FWU, 1892 StE u. Prom. Tübingen: Über einige physiologische Eigenschaften dünner und dicker faseriger Muskeln bei Amphibien (R.: Paul Grützner), 1. 1. 1893 Assist.arzt Nervenklinik Breslau (Carl Wernicke), 1897 Habil. f. Neurologie u. Psychiatrie ebd.: Der Geisteszustand der Alkoholdeli­ ranten, AV: Die pathologische Anatomie der Geistes­ krankheiten, Assist. ebd. u. Ltr. Psychiatr. Abt. im Breslauer Gefängnis, 1902 nb. ao. Prof., WS. 1903/04 AUK, b. ao. Prof. Psychiatrie und Ltr. Psych. Abt.

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StädtKHS (Nf. Meschede), SS. 1904 Heidelberg (Nf. Kraepelin), WS. 1904/05 oö. Prof. Breslau (Nf. Wer­ nicke), SS. 1912 FWU (Nf. Th. Ziehen), Direktor Psych. u. Nervenklinik Charité. 1937 em. – In der Breslauer und den wenigen Monaten der Königsber­ ger Zeit konzentriert auf Sozialpsychiatrie (Alkoholi­ ker, „großstädtisches Bettel­ und Vagabundentum“). Hauptwerk: Die symptomatischen Psychosen im Gefolge von akuten Infektionen und inneren Erkran­ kungen (1910). – Politisch: Während der 1920er Jahre Beiträge zum rassenhygienischen Diskurs, 1923 als Gutachter des Preuß. Landesgesundheitsamtes gegen die Zwangssterilisation von „erblich Belasteten“ votie­ rend, da aufgrund der schwachen wissenschaftlichen Basis der Vererbungslehre zu schwer in die verfassungs­ rechtlich verbürgten Persönlichkeitsrechte eingegriffen werde. Nach 1933 bemüht, die Umsetzung des nati­ onalsozialistischen „Erbgesundheitsgesetzes“ zu verhin­ dern, trotzdem als Mitglied des Erbgesundheitsgerichts gutachtlich an Zwangssterilisationsverfahren betei­ ligt, bei „grundsätzlicher Gegnerschaft zum Regime“ (Nottmeier). In der neueren psychiatriehistorischen Forschung gleichwohl als „ein Mittäter und ein Wegbe­ reiter“ der „NS­Medizinverbrechen“ stigmatisiert (zu­ letzt Beddies 2009). – Militär: Wehrdienst 1888 Stutt­ gart, Stabsarzt Lwr., 1914 Fachärzt. Berater Gardes du Corps, EK II am weiß. Band. – oo1898 Paula von Hase (1876 Königsberg–nach 1948), Tochter des Theologie­ Prof. Karl August v. Hase, 4 S, darunter Dietrich B. (1906–1945), Theologe, Klaus B. (1901–1945), Jurist. BABL, R 4901, 13259/857; Bonhoeffer 1969 Stertz 1970; Drüll 25; Neumärker 1990; Kreuter 1996, 160–164; Moskopp/Jäkel (Hg.) 2009. Borchardt, Leo, Innere Medizin * 26. 8. 1879 Dresden † 2. 6. 1961 Villach/Kärnten V.: Simon B., Kaufmann, M.: Auguste Fuchs (1848–), jüd., (B. nach 1900 Dissident). – 1898 HlKreuzG Dresden, 1903 StE Breslau, Prom. ebd. 1903: Ueber das zuckerbildende Ferment der Leber. Assistent in Leipzig, Köln (O. Minkowski), Wiesbaden (Wein­ traud), Heidelberg (Kossel), 1907/08 Assist. Pharmk. Inst. AUK (Jaffé), 1. 10. 1908–8/1914 Assist. Med. Klinik, Habil.: 2. 7. 1910, Tit. Prof. 2. 7. 1917, nb. ao. Prof. 31. 8. 1921, prakt. Arzt (Internist) in Königsberg. 1938 politisch bedingter Fortzug zu seinem landwirt­ schaftlich tätigen Sohn nach Kärnten, 1949–1952 prakt. Arzt in der Praxis seiner Tochter in Peine, 1952 erblindet. Forschung: Konstitution u. Vererbung, in­ nere Sekretion, Familienforschung. – Politisch: lt. Aus­ kunft seiner Tochter: nach 1918 DVP­Wähler. – Mili­ tär: 1. 8. 1914, 1. 8.–27. 12. 1918 San. Off., Oberarzt d. Lwr., EK II. – oo1906 Annina Strittmatter (kath.), 2 T,

1 S (1907–1912), darunter Annina (1909–) oomit dem Königsberger Musikpädagogen Hugo Hartung. BABL, R 4901, 13259/867; GStA …, Nr. 24, Bd. III, 14, 260–262 (Antrag Tit. Prof. 22. 12. 1916 mit Bibl.); Gespräch mit seiner Tochter Annina Har­ tung, Herbst 1999; APB 1328 f. Bosse, Friedrich, Theologie, Kirchengeschichte * 23. 7. 1864 Roßla/Sa. † 1931 Berlin V.: Robert B. (1832–1901), Jurist, 1892–1897 preuß. Kultusminister, M.: Alwine Lindenbaum (1835–1909), ev. – Prom. Phil. Fak. FWU 11. 8. 1887: Zur diplo­ matischen Vorgeschichte des Königsberger Vertrages auf Grund einer kritischen Vergleichung von Samuel Pufendorfs schwedischem und brandenburgischem Be­ richte untereinander und mit den Acten. Theol. Diss. Greifswald 23. 4. 1891: Der präexistente Christus des Justinus Martyr, eine Episode aus der Geschichte des christologischen Dogmas (zugleich Grundlage der Habil. f. Kirchengeschichte). 1. 10. 1892–31. 3. 1894 Vertretung eines plm. Extraordinariats an der Theol. Fak. AUK (Kirchengeschichte). WS. 1894/95 plm. Extraord. KG Kiel (Nf. Otto Ritschl), 1903 von Lehr­ tätigkeit beurlaubt zwecks Studien auf dem Gebiet der praktischen Pädagogik und Sozialfürsorge, dann aber ab Sommer 1903 mehrmonatiger Aufenthalt in Ner­ venheilanstalt Zehlendorf/Berlin. Im Juni 1904 unter Gewährung des Gehalts auf eigenen Antrag hin entlas­ sen. Bibliotheksdienst an der Akademie in Posen, 1919 von den Polen vertrieben, bis 1923 Hilfsarbeiter Staats­ bibliothek Berlin. – oo vor 1898 N. N., mindestens 1 T. Ein Bruder Christoph B. (1863–1950), Kunsthistori­ ker, Kurator Univ. Greifswald. GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 41 f. (Habil.), 63, 66; ebd., Nr. 19, Bd. VII, unpag.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 16 (43 Br. an Althoff, 1892–1905); Wer ist’s 1928; KGK 1926; NDB II, 484 (Bosse sen.). Boysen, Karl, Bibliothekar, UBK * 14. 2. 1852 Wittstock † 1920 Leipzig Philol.­hist. Stud. Kiel 1870, 1871–1876, Prom. ebd. 1876: De harpocrationis fontibus, 11/1876 StE, 1. 9. 1876 Hilfsarbeiter UB Göttingen, 1. 10. 1877 Ku­ stos ebd., 1. 4. 1885 Unterbibliothekar UB Marburg, 1. 10. 1891 KBB, März 1893 Oberbibl. ebd., 1. 5. 1899 Direktor UBK (Nf. Schwenke), 1. 11. 1906 Direktor UB Leipzig. Januar/Februar 1904 beurlaubt „in Folge einer Allerhöchsten Einladung S. Majestät des Kaisers zur Teilnahme an der 4. Mittelmeerfahrt des Dampfers ‚Meteor‘“. – ooN. N., 1 T.

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Braatz, Egbert, Medizin, Chirurgie * 6. 5. 1849 Schirwindt † 16. 8. 1942 Königsberg V.: Wilhelm B. (gest. 1896), Tierarzt, nach Kurland ausgewandert, M.: Elisabeth Peschel (1826–1875), ev. – Schulbesuch in Mitau, 1871 Abitur ebd., med. Stud. AUK (Schönborn), 1878 StE, 1878/79 Assist. Chirurg. Abt. StädtKHS Riga, 1880 russ. StE Dorpat, Prom. Leipzig 1880, 1880–1889 prakt. Arzt in Libau, 1889/90 Assist. Hyg. Inst. FWU, 1890–1893 Assist. Chirurg. Klinik Heidelberg (Czerny), 1893 Nieder­ lassung als Spezialarzt für Chirurgie in Königsberg, 1896 Habil. f. Chirurgie AUK, AV 17. 6. 1896: Allge­ meinanästhesie und Localanästhesie. 14. 7. 1904 Med. Fak. Antrag ao. Prof., 1906 nur Tit. Prof., nb. ao. Prof. erst am 12. 11. 1920, Vorlesungen bis SS. 1929, 1937 entpflichtet. – Zahlreiche Arbeiten zur aseptischen Wundbehandlung, Erfinder u. Konstrukteur chirurg. Apparate u. Instrumente, Verbesserung von Desinfek­ tionsmethoden, Geschichte der Medizin. – 1916 Geh. Sanitätsrat. – Politisch: Lt. eigener Angabe in HLK nie einer politischen Partei angehört, gewählt aber: Freisin­ nige Volkspartei, nach 1933 Gesinnungswechsel: „ohne zur SA zu gehören, fördere ich ihr Werk nach Kräften und erwarte von der Führung Hitlers den größten Segen für Deutschland! Heil Hitler!“ (15. 1. 1935). – Militär: 1915–1919 dienstverpflichteter Zivilarzt Fe­ stungslazarett Königsberg. – oo 1882 Adelheid Gross­ mann (1849–1927), kinderlos. BABL, R 4901, 13259/917; GStA …, Nr. 24, Bd. II, 102–104, 167–173 [vita, Bibl. bis 1906: 104 Titel]; Weisfert 28; Geheimrat Braatz 50 Jahre Dr. med. Ein goldenes Doktorjubiläum – Vor 50 Jahren in Leip­ zig promoviert (P), in: KAZ Nr. 495/96, 22. 10. 1930; Scholtz 1970, 197; APB 1329.

Empfänger bis 1198 im Rahmen von Kehrs Regesta Pontificum Romanorum), 1901/02 Schuldienst Ber­ lin, 1902–1905 Oberlehrer RG Hannover, SS. 1905 – 1. 10. 1912 dgl. G Marburg, seit 1907 beurlaubt, ohne Habil. 9. 6. 1905 nb. ao. Prof. hist. Hilfswissen­ schaften u. hist. Geographie Marburg, 1. 4. 1912 b. ao. Prof. ebd., WS. 1913/14 oö. Prof. f. mittlere u. neu­ ere Geschichte u. hist. Hilfswissenschaften AUK (Nf. Werminghoff ), SS. 1920 Marburg (Nf. v. d. Ropp), 1922 FWU (Nf. Dietrich Schäfer), 1929 GD Preuß. Staatsarchive (Nf. Kehr) u. 1. Direktor GStA, Ausschei­ den aus dem Ordinariat FWU, 1929–1945 Honorar­ prof. ebd. – Schwerpunkte: Beziehungen Kaisertum – Papsttum im MA (Vorgeschichte u. Geschichte des Investiturstreits), Untersuchungen der päpstlichen Privilegien für das Erzbistum Magdeburg, Geschichte der dt. Ostkolonisation, Ostpolitik seit den Karolin­ gern, Geschichte des deutschen Ostens im Rahmen der Kaisergeschichte, mit Übernahme des Amtes als Ge­ neraldirektor der preuß. Staatsarchive zentrale Gestalt in der Organisation der deutschen „Ostforschung“, Hg. bzw. Mit­Hg. Jahresberichte für deutsche Geschichte (seit 1925), HZ (1928–1935), Jomsburg (1937–1943), Dt. Archiv für Landes­ u. Volksforschung (1937–1943), kleinere Arbeiten in 2. erw. Aufl. der zuerst 1941 als FS erschienenen ‚Gesammelten Aufsätze‘, Darmstadt 1967 (S. 555–565 Bibl.). – Mitglied der Akademien Berlin, Göttingen, München, Wien. – Politisch: DVP 1918–1925, Mitbgeründer des ostpr. Landesverbandes, Leitartikler des DVP­Organs KAZ. – Militär: Dienst­ untauglich, 1914–1918 div. Kriegshilfsaktivitäten in Königsberg, u. a. Anlage eines kriegshistorischen Archivs i. A. des Oberpräsidenten, Hg. Ostpreußische Kriegshefte (1916/17). – oo 1908 Irmgard Jaehnigen, Tochter des Präsidenten der Oberzolldirektion Hanno­ ver, 1 S, 1 T. BABL, R 4901, 13260/922; Gundlach 503 f.; FL 69 f. (P); Ohnsorge 1952; Santifaller 1953; NDB II, 504 f.; Burleigh 1988.

Brackmann, Albert, Mittelalterliche Geschichte * 24. 6. 1871 Hannover † 17. 3. 1952 Berlin Dahlem V.: Albert B. (1835–1878), Dr. phil., Oberlehrer, M.: Wilhelmine Mirow (1848–1933), ev. – 1889 G Han­ nover, theol. Stud. Tübingen, Leipzig, Göttingen, 1893 erstes theol. Ex., Hauslehrer, nach 2. theol. Ex. 1895 hist. Stud., Schüler von P. F. Kehr, 9. 5. 1896 StE (Re­ ligion, Hebräisch, Deutsch, Geschichte), 1896–1898 Seminar­ u. Probejahr Göttingen, 2. 12. 1898 Prom. Göttingen: Zur Geschichte des Halberstädter Dom­ kapitels (R.: Kehr), 1. 10. 1898–1. 10. 1900 MGH (Ausgabe der Liber Pontificalis, Papstviten 8. u. 9. Jh., 1901 kritische Regestierung der Papsturkunden für dt.

Branca, Wilhelm von, Geologie, Paläontologie, Mine­ ralogie * 9. 9. 1844 Potsdam † 12. 3. 1928 München V.: Friedrich Wilhelm Branco (1797–1870), Regi­ mentsarzt Gardes du corps, M.: Dilia Roedlich (1816–1894), Schriftstellerin, ev., „entstammt einem lombardischen Patriziergeschlecht“, seit 1907: Branca. – Schulbesuch Gnadenberg (Herrenhuter Erziehung), MagdalenenG Breslau bis Obersekunda, Offiziers­ laufbahn, 1863 Fähnrichsexamen, nach Invalidität Abschied, 1864–1873 Landwirt, Gutsbesitzer, 1866 naturw.­lw. Studium Greifswald/Lw. Akademie Eldena, nach ökon. Unabhängigkeit durch Tod des Vaters er­

GStA, Rep. 89, 21668, 55 f.; ebd., VI. HA, Nl. Alt­ hoff, B 16 (32 Br. an Althoff, 1884–1906); SBB, Nl. Erman.

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neut 1873 naturw. Studium Halle, Heidelberg (dort Assistent des Mineralogen Blum), FWU, Straßburg, München, Rom, 1876 Prom. Heidelberg, 11. 4. 1881 Habil. f. Geologie u. Paläontologie FWU, Berufung TH Aachen, Dozent für Geologie und Paläontologie, 1882 Geol. Landesanstalt Berlin, SS. 1887 oö. Prof. f. Mineralogie, Geologie, Paläontologie AUK (Nf. Lie­ bisch), WS. 1890/91 Tübingen, 1895 wg. Krankheit Lehramt niedergelegt, im Herbst Lw. Hochschule Ho­ henheim, 1899 oö. Prof. FWU, 1917 em. – Schwer­ punkte: Paläontologisch­stratigraphisch: grundlegende Bearbeitung der Cephalopodenontogenie (1879/80), 1883: Über eine fossile Säugethier­Fauna von Punin bis Riobamba in Ecuador, in Tübingen: schwäbische Vulkanologie, B.’s bahnbrechendes Werk machte Schwaben zum klassischen Land der Geologie: Nörd­ linger Ries, „das größte geologische Rätsel im deut­ schen Boden“ (NDB), Hauptwerke hier: Schwabens 125 Vulkan­Embryonen und deren tufferfüllte Aus­ bruchsröhren, das größte Gebiet ehemaliger Maare auf der Erde (816 S., Stuttgart 1894) und: Das vul­ canische Ries bei Nördlingen in seiner Bedeutung für Fragen der allgemeinen Geologie (1901); in Berlin dann Übervater der „größten jemals ausgeführten Ex­ pedition zur Ausgrabung fossiler Wirbeltiere“ in Dt.­ Ostafrika (1909–1912), daneben populärwis. Veröff. u. Vorträge zur Vorgeschichte des Menschen, 1910: Der Stand unserer Kenntnisse vom fossilen Menschen – Dr. rer. nat. h. c. Tübingen 1894, persön. württ. Adel 1895, Dr. phil h. c. Heidelberg 1927, 1899 PrAkW. – Militär: 1864 Teilnahme am Feldzug gegen Dänemark. – oo I. Käthe Helmholtz (1850–1878), Tochter von Hermann v. H. (1821–1894), 1 T, oo II. Paula Kirch­ hoff, Tochter des Physikers Gustav K. (1824–1887), 1 S. Wilhelm v. Br. (1885–), Politiker, Schriftsteller. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. VII, 55–58 (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIV, 233–235; ebd., Rep. 89, 21660, 151–153; Deutsch­ lands Gelehrte 1910, 90 f.; Pompecki 1928; NDB II, 514 f.; BEN 2003, 94 f. Brandt, Karl, Zoologie * 23. 5. 1854 Schönebeck bei Magdeburg † 7. 1. 1931 Kiel V.: N. N., Apotheker, Hausbesitzer in Berlin. – Prom. Halle 1877: Ueber Actinosphaerium Eichhornii, 1878– 1882 Assist. Physiol. Inst. FWU, 1882–1885 Zool. Station Neapel, 1. 4. 1885 Assist. Zool. Museum AUK, ebd. 10. 7. 1885 Habil.: Die koloniebildenden Ra­ diolarien des Golfs von Neapel; SS. 1887 Lehrstuhl­ vertretung Kiel, SS. 1888 oö. Prof. ebd., 30. 9. 1922 entpflichtet; nebenamtlich 1887–1913 Dozent Ma­ rineakademie Kiel. – GRR 1909, seit 1888 Mitglied Kommission zur Untersuchung der dt. Meere, 1901

Mitglied der Dt. wiss. Kommission für internationale Meeresforschung. – 1889 u. 1898 Teilnehmer an dt. Nordatlantik­Expeditionen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 175; Weisfert 29; Volbehr/Weyl 150 f. Braun, Heinrich, Medizin, Chirurgie * 18. 2. 1847 Beerfelden/Hessen † 10. 5. 1911 Göttingen V.: N. N.; med. Stud. Gießen, FWU, 6. 2. 1872 Prom. Gießen, 1. 10. 1871–1. 4. 1874 Prosektor am anato­ mischen Inst. u. Assist. am Physiolog. Institut ebd., 6. 2. 1872 Prom., 3. 5. 1873 Habil. ebd. f. Anatomie., 1. 10. 1874–1. 10. 1879 Assist. arzt Chirg. Klinik Hei­ delberg, 1875 Umhabil. f. Chirurgie ebd., 28. 12. 1878 nb. ao. Prof., 1. 5.–1. 10. 1884 Ltr. Chirurg. Abt. StädtKHS Mannheim, 1. 10. 1884 oö. Prof. Chirurgie Jena, 1. 4. 1888–30. 9. 1890 Marburg, 1. 10. 1890 (Nf. Mikulicz)–30. 11. 1895 AUK, Rektor 1895, 1. 12. 1895 Göttingen (Nf. Franz König). – Schwerpunkt: Krank­ heiten und Verletzungen des Nervensystems. – 1891 MR, 1894 GMR. – Militär: 1870/71 Unterarzt wäh­ rend des Krieges gegen Frankreich. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 116–120; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 17 I (20 Br. an Althoff, 1887–1897); Weisfert 30; Chronik Göttingen 1894/95, 6; Pagel 232–234; BLÄF I, 164 f.; Gundlach 195 f.; Braun, Maximilian, Zoologie * 30. 9. 1850 Myslowitz/O. S. † 19. 2. 1930 Königsberg V.: Gustav Br., Hütten­Rendant, M.: Marie Böhm, kath. – 1870 G Brieg, med.­naturw. Stud. Greifswald, Würzburg (v. Koelliker, Semper), ebd. 18. 7. 1874 med. Prom.: Über die histologischen Vorgänge bei der Häutung von astacus fluviatilis [Flußkrebs], Ende 1875 med. StE. Ebd. 21. 6. 1877 Dr. phil. bei Semper: Lacerta lilfordi und Lacerta muralis (Beobachtungen an Eidechsen, die Br. während einer Studienreise im Sommer 1876 auf den Balearen machte), 31. 7. 1878 Habil. f. Zoologie u. vgl. Anatomie: Ueber die Ent­ wicklung des Urogenitalsystems der einheimischen Reptilien, 1880 Prosektor Anatom. Inst. Dorpat, 1883 ao., 1884 oö. Prof. ebd., WS. 1886/87 Rostock (Nf. Goette), SS. 1891 oö. Prof. f. Zoologie u. vgl. Ana­ tomie AUK (Nf. Chun), 1897/98 Dekan, 1901/02 Rektor, 31. 3. 1921 em., Selbstvertretung bis WS. 1921/22. – Haupttätigkeitsgebiete: Parasitologie, bes. Helminthologie, seit 1887 Verfasser der parasitol. Sam­ melberichte im Zentralblatt f. Bakteriologie u. Parasiten­ kunde, 1899–1930 Mit­Hg., Hauptwerk seine „Parasi­ tenbibel“: Die tierischen Parasiten des Menschen nebst einer Anleitung zur praktischen Beschäftigung mit der Helminthologie, für Studierende und Aerzte (1883, in

Catalogus Professorum weiteren fünf Aufl. 1895–1925 ständig überarb. u. er­ weitert). Weitere Schwerpunkte: Geschichte der Zoolo­ gie (1904–1917 Hg. der ausschließlich histor. Arbeiten offenen Zoologischen Annalen), Meeresforschung: 1885 Sekretär der Biolog. Abt. der Russ. Gesell. f. Fischzucht und Fischfang, Einsatz für ökologisch kontrollierte Fi­ scherei in Dorpat u. Rostock, 1891–1904 im Vorstand des ostpr. Fischereivereins, 1904 u. 1906 i. A. PrAkW Reisen nach Island und zu den Faröern zum Studium der Wale, Eintreten für den internationalen Fang­ schutz. Verdienste um den Ausbau des Zoologischen Museums und Aufbau von Schausammlungen zur Fauna Ostpreußens. Mitbegründer des Königsberger Tierparks und der Vogelwarte Rossitten. Als Präsident der PhÖG (1905) Förderer lokalfaunistischer Studien, des heimatkundlich biologischen Unterrichts und der Einbeziehung „breitester Kreise“ der Provinz in die Sammeltätigkeit des Zool. Museums. 1905 Gründer des Vereins zum Schutz der Naturdenkmäler in Ost­ preußen. – Politisch: 1915–1918 Mitglied des Preuß. Herrenhauses als Vertreter der AUK. – Militär: Teil­ nahme am Krieg 1870/71, März 1871 Einzug mit sei­ nem schles. Regiment in Paris. – oo1880 Toni Leisterer (gest. 1929) aus Brieg, 2 S, Gustav (1881–), Dr. phil. AUK 1903, Habil. Greifswald, Prof. d. Geographie in Basel (1912–1933) u. Otto (1885–1922 Freitod), Eucken­Schüler, 1911 Habil. f. Philosophie Münster, 1920 oö. Prof. Basel. Köhler 1930 (Bibl., P); APB 80; BEN 2003, 98. Brinkmann, August, Klassische Philologie * 29. 8. 1863 Braunschweig † 28. 7. 1923 Bonn V.: Wilhelm B., Inhaber einer Lohgerberei, M.: Anna Salle (gest. 1884), ev. – G Braunschweig 1881, altphil. Stud. 1882–1888 Leipzig, Heidelberg (v. Duhn, Wachs­ muth, K. Fischer), Bonn (Usener, Bücheler, Kekulé, Nissen), ebd. 15. 8. 1888 Prom.: Quaestionum de dia­ logis Platoni falso addictis specimen, 1887 Assist. Phil. Sem. ebd., Habilpläne mit einer Untersuchung über die Fragmente Heraklits nicht ausgeführt, stattdessen religionshist. Arbeit auf dem Gebiet der manichäischen Häresie: Habil. f. Klass. Philologie 30. 5. 1893: Ale­ xandri Lycopolitani adversus manichaei opiniones dis­ putatio (text­, u. literarhist. Untersuchung u. Edition); von den Referenten Usener/Bücheler gewürdigt wegen ihrer „gelehrten Umsicht“ und ihres „eigenen Blickes“, der Sprachkenntnis und der „kritischen Fähigkeit“ des Kandidaten. Das Colloquium und die PV: Sozon – ein Gott und ein Heiliger, löste bei Usener indes Bedenken aus, ging es doch Br. darum, einen Inschriftentext über den kleinasiatischen Märtyrer Sozon in (nach Usener) fragwürdiger Weise so zu deuten, daß die Verehrung des Sozon die des Hermes verdrängt habe. Außer die­

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sen Bedenken stellt Usener dem Kandidaten Fragen zur Geschichte des Manichäismus und der älteren Gnosis; AV: Eine literarische Renaissance in Byzanz. SS. 1896 b. ao. Prof. AUK (Nf. Rossbach), oö. Prof. ebd. 25. 6. 1900, oö. Prof. Bonn WS. 1902/03 (Nf. Usener), 1907/08 Dekan, 1913–1923 stellv. Vorsitzender wiss. Prüfungskommission. – Der Lehrstuhlnachfolger und „direkte Erbe Hermann Useners“ hinterließ „keine großen, umfassenden Werke“, trotzdem geltend als „der vielleicht beste Kenner der griechischen Sprache in seiner Generation“, „Typ des rein historisch­analy­ tisch arbeitenden Gelehrten“ (Oppermann), daher die „mangelnde Produktivität“, das Fehlen „synthetischer“ Werke. Vornehmlich im Kolleg: Sokrates, Platon, grie­ chische Philosophiegeschichte, „besonders Interesse“ an der Zeit des „Übergangs vom Heidentum zum Christentum“, antike Medizingeschichte, Buchwesen u. bes. Religion, deren Erforschung nicht an den Gren­ zen der griechisch­römischen Welt Halt gemacht habe: „die Volkskunde im weitesten Sinne trat in den Kreis seiner Betrachtungen“ (Oppermann); in Königsberg Vorstandsmitglied der Altertumsgesellschaft Prussia, beteiligt an der Freilegung prähistorischer Grabhü­ gel in Ostpreußen. 1905 Mit­Hg., 1908–1923 Hg. Rheinisches Museum. – GRR 1914. – Politisch: „Sein Vaterland liebte er über alles“, als Leiter des Wehr­ bundes und Mitglied des Universitätsamtes für Leibes­ übungen „förderte er die für das Vaterland so wichtige körperliche Ertüchtigung der Jugend“. „Die Niederlage Deutschlands [1918] traf ihn hart“ (Oppermann). – Militär: 1888/89 Wehrdienst IR 92 Braunschweig, „mit Begeisterung“. – oo N. N., mindestens 2 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 45, Bd. VII, 102–105 (Habil.), 159 f. (Bestallung AUK); vita Diss.; Weisfert 32; Oppermann 1924 (Bibl. u. Verzeichnis des wiss. Nl.); Wenig 36; Herter 1968 (P). Brockelmann, Carl, Semitische Philologie * 17. 11. 1868 Rostock † 6. 5. 1956 Halle V.: Carl Br., Kaufmann, M: Frieda Schäfer, ev. – G Ro­ stock 1887, orientalist.­philol. Stud. Rostock (Körte, Leo, Philippi), Breslau (Hillebrand, Fraenkel, Präto­ rius), Straßburg (Noeldeke, Michaelis, Euting), ebd. 9. 4. 1890 Prom.: Das Verhältnis von Ibn­el­atirs Kamil Fit­Tarih zu Tabarin Ahbar Errusul Wal Maluk. Juli 1890 StE, Probejahr Straßburg, 1891/92 Hilfslehrer RG ebd., Habil. f. orientalische, hauptsächlich semi­ tische Sprachen Breslau 1. 2. 1893: Abderrahman Abul­ farag Ibn Al­Gauzi’s Talkih Fuhum ahl alatar fi muhta­ sar assijar walahbar, 1900 nb. ao. Prof. ebd., 1900–1903 Lehrer am Orient. Seminar Berlin, SS. 1903 oö. Prof. f. semitische Philologie AUK (Nf. Jahn), SS. 1910 Halle, 1922/23 FWU, WS. 1923/24 Breslau, 1937 em.,

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nach 1945 in Halle reaktiviert. – Hauptwerke: Ge­ schichte der arabischen Literatur, 2 Bde. 1898–1902 (2. Aufl. 1949, lt. Gottschalk „das meistzitierte und meistbenutzte Werk der Arabistik“), sowie: Grundriß der vergleichenden Grammatik der semitischen Spra­ chen, 2 Bde. 1908–1912, Syrische Grammatik, 4. Aufl. 1925, Lexikon Syriacum (1898, stark erw. Aufl. 1926), Geschichte der islamischen Völker und Staaten, 1939 (2. Aufl. 1943, in mehrere Sprachen übersetzt). – 1916 GRR, RA IV, schwed. Nordstern­Ritter. Politisch: 1933 NSLB. – Militär: Ungedient, Landsturm II. – oo1909 Clara Gaefert (1872–), 1 S, 1 T. BABL, R 4901, 13260/1057; GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 41, Bd. IV, 104 f. (Habil.); ebd., Rep. 89, Nr. 21662, 171; Gottschalk 1957 (P); Bro­ ckelmann 1982 (Bibl., P); APB 1762.

ärzte, Mit­Hg. Kurzes Handbuch der Ophthalmologie 4: 1930. – oo 1901 Hertha Teichmüller, Tochter des Dorpater Philosophie­Prof. Gustav T. (1832–1888), 4 S (1904–1919). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 208 f.; Bd. III, 26; BLÄF I, 182; Rintelen 1957; DBBL 109; Voswinckel 2002, 187.

Brode, Max, Lektor für Musiktheorie * 25. 2. 1850 Berlin † 12. 1917 Königsberg Ausbildung zum Geigen­Virtuosen Leipziger Konser­ vatorium, Musikhochschule Berlin bei Josef Joachim, 1876 Königsberg, Konzertmeister am Stadttheater, dann Dirigent in verschiedenen Königsberger Vereini­ gungen (Singakademie, Philharmonischer u. Orche­ ster­Verein, Akad. Gesang­Verein), Organisator der Königsberger Symphoniekonzerte, Lektor für Musik­ theorie und Musikgeschichte AUK 1894–1917, Tit. Prof. 1897. – 1 S Franz, Dr. med. AUK. Nachruf u. Porträt von Heinrich Wolff in: KW 10, 1917/18, 167; APB 875; Kabus 97 (P).

Bülow, Friedrich von, Kuratorialrat * 23. 1. 1868 Hannover † 11. 6. 1936 Gut Omechau/Kr. Kreuzburg, O. S. V.: Albert v. B., Offizier. – rechts­ u. staatsw. Studium Göttingen, Freiburg, FWU, 1891 Ger. Ref. OLG Celle, 1896 Assessor, 1901 Landrat Herzogtum Lauen­ burg, Verdienste um das ländliche und gewerbliche Fortbildungswesen, 1907 Oberpräsidialrat Schleswig, 1915 Oberpräsidial­ u. Kuratorialrat Königsberg, 1917 Reg. Präs. Bromberg, 1918/19 zugleich komm. Ober­ u. Regierungspräsident von Posen, 25. 11. 1919 Reichs­ u. Staatskommissar für alle an Polen abzutre­ tenden Gebiete der Provinz Posen, 1922–31. 3. 1933 Oberpräsident Grenzmark Posen­Westpreußen. – Po­ litisch: Bis 1918 Konservative Partei, November 1918 im Gegensatz zu vielen hohen Beamten Ostelbiens sich der republikanischen Regierung „loyal zur Verfügung gestellt“. – Militär: Wehrdienst, Oblt. d. R. Garde Reg. 1. – oo I. 1898 Irmgard Freiin v. Hammerstein­ Loxten, Tochter von Ernst v. H.­L. (1827–1914), preuß. Landwirtschaftsminister (1894–1898), II. N. N. Baronin von Prittwitz. Gey 1976, 41 ff.; Acta Borussica 12/II, 538.

Brückner, Arthur, Medizin, Augenheilkunde * 24. 8. 1877 Dorpat † 29. 3. 1975 Basel V: Alexander Br. (1834–1896), Prof. d. Geschichte, M.: Lucie Schiele, ev. – Unter dem Druck der Rus­ sifizierungspolitik gab Brückner sen. sein Lehramt in Dorpat auf, die Familie siedelte nach Jena um. 1896 G Jena, med. Stud. Heidelberg, Jena, München, Würz­ burg, 1901 Prom. Würzburg: Die Raumschwelle bei Simultanreizung, 1901–1903 physiol.­opt. Studien in Leipzig (E. Hering), 1903–1907 Assist. arzt Univ. Augenkl. Würzburg (C. v. Hess), 17. 12. 1906 Habil. f. Augenheilkunde ebd., 26. 7. 1907 Umhabil. AUK, OA Univ. Augenklinik (Krückmann), 15. 11. 1910 nb. ao. Prof., 1912 mit Krückmann nach Berlin, OA Univ.­ Augenklinik FWU, 1921 oö. Prof. Jena, 1923–1948 Basel. – Arbeiten zur physiol. Optik, klin. Ophthal­ mologie, Grenzgebiete der Rhinologie, Sinnesphysi­ ologie, Hämatologie, 1911: Nase und Auge in ihren wechselseitigen pathologischen Beziehungen, 1920 mit → W. Meisner: Zytologische Studien am menschlichen Auge, 1924: Grundzüge der Brillenlehre für Augen­

Bürgers, Joseph, Medizin, Hygiene, Bakteriologie * 27. 8. 1881 Plittersdorf/Kr. Bonn † 26. 8. 1954 Helmstedt V.: Victor Ignaz B., Kaufmann (verst. 1907), M.: Anny Minderop (verst. vor 1907), kath. – 1901 G Bonn, med. Stud. bis 1905 Straßburg, Bonn, München, 1907 StE Bonn, 1906/07 KHS Moabit, Prom. 14. 2. 1907 Bonn: Über spontane Lactosurie in der Gravidität und im Puerperium (R.: Fritsch). 15. 11. 1907 Assist. Hyg. Inst. Bonn, 15. 4. 1909–31. 12. 1911 Assist. Hyg. Inst. AUK (Kruse), 15. 6. 1910 Habil. f. Bakteriologie ebd., 1912/13 Teilnahme an Expedition nach Neu­Guinea als Arzt und Zoologe, anschließend Studienreisen nach Manila, Korea, Japan, China, Niederländisch­ Indien, Indien, 1. 5. 1914 Privatassistent Kruse, Hyg. Institut Leipzig, 1. 8. 1919 nb. apl. Prof. Leipzig, zum WS. 1919/20 Prof. Med. Akademie Düsseldorf, ebd. 29. 3. 1923 oö. Prof., 1921/22 Stadtmedizinalrat im Nebenamt, Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Düs­ seldorf, 1920 Direktor Hyg. Inst. ebd., WS. 1926/27 oö. Prof. u. Direktor Hyg. Inst. AUK (Nf. Selter), WS. 1945/46 oö. Prof. Göttingen, 1947/48 Dekan,

Catalogus Professorum em. 30. 9. 1949, 1950 Mitglied Landesgesundheitsrat Niedersachsen. – Epidemiologie, Ätiologie des Schar­ lachs, Tuberkuloseforschung, Sozialhygiene, öff. Ge­ sundheitswesen, 1947 Hg. Zentralblatt f. Bakteriologie u. Hygiene, galt als „führender Hygieniker des Ostens mit Resonanz bis in die baltischen Länder“ (Voswin­ ckel). Nach 1945 erster Präsident der neubelebten „Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiolo­ gie“. – Politisch: nach 1919 DVP, 1926–1933 führend in der Ausgestaltung kultur­ u. wissenschaftspolitischer Beziehungen der Albertina ins Baltikum und zur So­ wjetunion (dazu und über seine demographsichen In­ teressen s. Bd. II). – Militär: 1914–18 Oberstabsarzt Westfront, Korpshygieniker Ostfront, EK I, Kaiser Franz Joseph Medaille II. Kl.; 1939/45 berat. Hyg. Stellvertr. Generalkdo. Königsberg, Oberstarzt. – oo 1921 Clara Bolm (1885–), 1 T, 2 Adoptiv S. BABL, R 4901, 13260/1216; ebd. Nr. 1879; GStA …, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 18; Nr. 20, Bd. XIV, 58–61, 63 ff.; BLÄF I, 194; Jötten 1951; Voswinckel 2002, 202. Buhlert, Hans, Agrarwissenschaften, Pflanzenzucht * 8. 11. 1872 Dahlenburg/Kr. Bleckede † gefallen 7. 8. 1915 an der Vogesenfront V.: Ernst B. (gest. 1897), Gutsbesitzer, Posthalter, M.: Wilhelmine Gehrke, ev.; vier Brüder in jugend­ lichem Alter gest., einziges überlebendes Kind seiner Eltern. – 1891 G Lüneburg, Landwirtschaftslehre in Sachsen, zuletzt Verwalter auf einem Rittergut bei Wurzen, 1896 Beginn des agrar­, naturwissenschaft­ lichen und nat.ökon. Studiums in Halle, 14. 6. 1900 Prom. ebd.: Untersuchungen über den Werth von Wald­ und Heidestreu im Landwirthschaftsbetriebe. 1. 11. 1899 Assist. Lw. Institut Halle, 1. 5. 1900 ebd. Assist. am Lw.­physiol. Labor, 1900/01 Stipendium der Dt. Landwirtschaftsgesellschaft zum Studium der Bakteriologie (bei → C. Fraenkel Halle), 1. 11. 1901 wieder Assist. Lw. Inst., Mai 1902 Habil. f. Landwirt­ schaftslehre ebd.: Untersuchungen über die Arteinheit der Legumimchen­Knöllchenbakterien und über die landwirthschaftliche Bedeutung dieser Frage. SS. 1904 ao. Prof. AUK (Remuneration), da ihm plm. Extraord. verweigert wurde, Ende WS. 1905/06 oldenburgischer Staatsdienst, Vortr.Rat im Minist. d. Innern, betraut mit Ausbau des lw. Unterrichtswesens und mit staat­ licher Ansiedlungspolitik. – Militär: 1892/93 Wehr­ dienst Füs. Reg. 75 Hannover, Res. Offiz. IR 77 Celle, im August 1914 mit diesem Regiment an die West­ front. GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. IX, 65–67 (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIII, passim; Friedl, 101; BEN 2003, 118.

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Bunge, Richard, Medizin, Chirurgie * 15. 6. 1870 Zeitz † 8. 8. 1938 Bonn V.: Julius B., Fabrikbesitzer, M.: Julie Haeuber, ev. – 1888 G Zeitz, med. Stud. Halle, 1. 8. 1892 ebd. Prom.: Die Nervenendigungen der Froschhaut, 1892– 1895 Assist. Path. Institut Halle (Eberth), StE 1893, 1. 7. 1895 Assist.arzt StädtKHS Stettin, 1. 1. 1897 Assist. u. OA Chir. Univ. Klinik AUK, Habil. f. Chi­ rurgie 12. 12. 1900 ebd., AV: Fortschritte und Wand­ lungen in der Technik der Amputationen, 1905 Tit.­ Prof., 4. 12. 1906 Beurlaubung für WS. 1906/07 und SS. 1907, 1907 dirig. Chirurg Friedrich­Wilhelm­Stift Bonn, 1921 ao. Prof. Univ. Bonn, Chirurgie, spez. Urologie, Aufsätze über Amputationsmethoden, Schä­ deldefekte, Bruchoperationen, Pankreasblutungen. – Politisch: Nach 1918 DNVP, Stahlhelm. – Militär: Lwr. I, 1914–1918 Kriegsassistenzarzt Bonn, EK II am weißen Band. – oo 1902 Irmgard N. N. (1881–), 3 T, 2 S (1903–1920). BABL, R 4901, 13260/1246; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 386; Bd. II, 139, 181; BLÄF I, 201; Wenig 41. Burdach, Ernst, Medizin, Anatomie * 25. 2. 1801 Leipzig † 10. 10. 1876 Königsberg V.: Karl Friedrich B. (1776–1847), Prof. d. Med., seit 1815 AUK, M.: N. N., (gest. 1838), ev.­Med. Stud. AUK, Prom. 1825: Observationes nonnullae microscopicae inflammationem spectantes, 1829 Ha­ bil. ebd.: Observationes de morbosa cordis structura. 1834–1861 Prosektor, 1839 ao. Prof., 1844 b. ao. Prof. f. Anatomie ebd., 1875 wg. eines Asthmaleidens be­ urlaubt. 1848 Hg. der Autobiographie seines Vaters. Arbeiten zur Anatomie der Nerven. – Politisch: 1852– 1855 Abgeord. Preuß. LT, nach 1861 Stadtverordneter (Freisinnige Volkspartei). Benecke 1876; Weisfert 35; Pagel 283 f.; APB 94 f.; Rosenberg 1979, 139. Burow, Ernst, Medizin, Chirurgie * 24. 6. 1838 Königsberg † 20. 11. 1885 ebd. V.: → August B., Prof. f. Chirurgie, ev. – Med. Stud. FWU, AUK 1857–1860, Prom. ebd. 21. 12. 1860, seit Juni 1861 prak. Arzt in Königsberg, Habil. f. Chirurgie 15. 4. 1871, 1878 ao. Prof. AUK u. Leiter der chirg. Pri­ vatklinik seines Vaters, Hauptwerk: Laryngologischer Atlas (1877), Korreferent auf dem Intern. Med. Kongr. London 1881: Indicationen für extra­ u. intralarynge­ ale Behandlung gutartiger Kehlkopfgeschwülste. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 109; Weisfert 35; Pagel 287; BLÄ I, 779.

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Burow, Karl August, Medizin, Chirurgie, Augenheil­ kunde * 10. 11. 1809 Elbing † 15. 4. 1874 Königsberg Med. Stud. AUK (Baer, Burdach sen., Sachs), Prom. ebd.: De vasibus sanguiferis ranarum, 1836 Approb., 1836 Assistent von Sachs, 1839 Habil. f. Chirurgie ebd., 1844 Extraordinarius ebd., 1859 Dozentur nie­ dergelegt, Ltr. einer eigenen, 1846 gegr. chirurg. Privat­ klinik in Königsberg, die „Kranke von Nah und Fern und vorwiegend aus Rußland und Polen herbeizog“ (BLÄ). 1842: Physiologie und Physik des mensch­ lichen Auges. – Militär: 1866 berat. Generalarzt Armee v. Manteuffel im preuß.­österr. Krieg, 1870 in gleicher Funktion am Krieg gegen Frankreich teilgenommen (Armee Prinz Friedrich Karl), kam krank nach Königs­ berg zurück und erholte sich nicht wieder. Weisfert 35; Pagel 286 f.; BLÄ I, 778 f.; Schmidtke 1997, 188 (P). Busolt, Georg, Alte Geschichte * 13. 11. 1850 Mühlengut Keppurren bei Insterburg † 1. 9. 1920 Göttingen V.: Julius Adolf B. (1818–1900), Mühlenbesitzer, M.: Ida Drosz (1825–1859), aus Schweizer Familie, Bru­ der Numa Dr., Bundespräsident der Eidgenossenschaft 1881, 1887, ev. – 1869 G Insterburg, philosoph.­hist. Stud. AUK 1869–1874, 13. 2. 1875 Prom.: Spinozas Lehre von den Ideen (= Kap. 1–4 aus: Grundzüge der Erkenntnistheorie und Metaphysik Spinozas, ausge­ zeichnet mit dem Kant­Preis der Schreiberschen Stif­ tung, angeregt von J. Bergmann und ihm gewidmet), fast gleichzeitig eine erste althist., bei Nitzsch entstan­ dene Arbeit über ‚Der zweite athenische Bund …‘ (1874), 1875/76 PrMK­Stipendium für Studienreise nach Italien u. Griechenland, in Rom Freundschaft mit Victor Hehn, 1877 erstmals auf einer Berufungs­ liste (Nf. Nissen, Marburg), 10. 5. 1878 Habil. AUK: Die Lakedaimonier und ihre Bundesgenossen (Bd. I ‹mehr nicht erschienen›, dediziert → von Gutschmid u. Hehn), AV: Ueber die spartanische Politik während der Perserkriege, 1879 auf einer Berufungsliste für Zürich (dort sich für ihn einsetzend → H. Blümner), WS. 1879/80 b. ao. Prof. f. Alte Geschichte Kiel (Nf. Volquardsen), 13. 4. 1881 ord. Prof. ebd., SS. 1897 Göttingen (im Tausch mit Volquardsen), 1920 ent­ pflichtet. – Hauptwerke: Forschungen zur griechischen Geschichte I, 1880 (→ Rühl gewidmet), als Hand­ und „Lehrbuch“: Griechische Geschichte bis zur Schlacht von Chaeroneia, 2. Aufl. Gotha 1893. – GRR 1911. – Politisch: Anhänger und Wähler der Konservativen Partei, „Busolt was all times a convinced German pa­ triot and a true son of Prussia“ (Chambers). – Militär: Infolge einer aus Athen 1876 mitgebrachten Leberer­

krankung „definitiv vom Militärdienst freigekommen“ (Busolt an Hehn, 2. 11. 1876) – oo1880 in Insterburg, Ida Busolt (1858–1944, Cousine), 2 S, 1 T. Weisfert 36; Volbehr/Weyl 149; Bleicken 1989; Chambers 1990 (Bibl., P). Busse, Ludwig, Philosophie * 27. 9. 1862 Braunschweig † 12. 9. 1907 Halle V.: Ernst Heinrich Ludwig B. (1827–1905), Kauf­ mann, M.: Rosalia Droste (1827–1880), ev. – G Braun­ schweig 1880, hist.­philos. Stud. Leipzig, Innsbruck, FWU, 14. 8. 1885 Prom. ebd.: Beiträge zur Entwick­ lungsgeschichte Spinoza’s. 1887 Prof. d. Philosophie Reichs­Universität Tokio, 9. 5. 1894 Habil. f. Philo­ sophie Marburg: Philosophie und Erkenntnistheorie (gegen „Skeptiker und Transzendentalisten, für die Möglichkeit der Metaphysik“ in die Schranken tre­ tend, Falckenberg), WS. 1896/97 oö. Prof. Rostock, WS. 1898/99 AUK (Nf. Thiele), WS. 1904/05 Mün­ ster, SS. 1907 Halle. – Während der Tokioter Zeit eng­ lische Manuskriptdrucke, u. a. Introduction to philoso­ phy (1892, der Widerlegung von „Materialismus und Kritizismus“ gewidmet), History of philosophy (1892), 1902 – 1907 Hg. Zeitschrift für Philosophie und philo­ sophische Kritik, stark unter dem Einfluß der Wertphi­ losophie Lotzes, Hauptwerk: Geist und Körper. Seele und Leib (1903, 2. Aufl. 1913), um den Nachweis der Möglichkeit von Metaphysik und um Widerlegung des Materialismus bemüht, im Gefolge Lotzes und seines Lehrers → J. Bergmann Vertreter einer „spiritualistisch­ idealistischen Metaphysik“, die auf der Spekulation be­ ruht, daß alles Wirkliche geistig, alle Einzelwesen Modi der göttlichen Substanz seien. Aus Königsberger „volks­ tümlichen“ Vorträgen („Fortbildungskurse“ für Volks­ schullehrer u. ­lehrerinnen) entstand das mehrfach aufgelegte Teubner­Bändchen: Die Weltanschauungen der großen Philosophen der Neuzeit. Ab Bd. 111, 1898 Jahresberichte über angelsächs. Philosophie in Zs. f. Philosophie … – oo1887 Katharina Halwas. Falckenberg 1907; Walter 1907; Gundlach 305; NDB III, 75 f.; Sieg 1994, 189–194, 197–199. Carl, Walther, Medizin, Chirurgie * 15. 7. 1881 Charlottenburg † 8. 1. 1931 Königsberg V.: Franz C. (gest. vor 1914), Möbelfabrikant, M.: Anna Konus, ev. – Verließ 1900 wg. „persönlicher Dif­ ferenzen“ die Oberprima eines Berliner RG um Tier­ medizin zu studieren, 1901 Abitur nachgeholt, med. Stud. FWU, 1907 StE, 1. 3. 1908 II. Assist. Pathol. Inst. AUK, physiol. Prom. AUK 2. 11. 1908: Experi­ mente über die Biersche Stauung bei Streptokokken­ infektion im Kaninchenohr (R.: Henke), Habil. f.

Catalogus Professorum Chirurgie ebd. 15. 1. 1914, Assistent Friedrichs, 1919 Lt. Arzt Chirurg. Abt. Katharinen KHS Königsberg (kath.), auf Betreiben Kirschners 1920 die venia entzo­ gen, da hauptamtlich am KHS tätig, seitdem bis 1924 fortgesetzter Konflikt zwischen Carl und Kirschner, vor allem nachdem PrMK entschieden hatte, Fakultätsbe­ schluß betr. Venia­Entzug wieder aufzuheben. Wäh­ rend des Konflikts von Fakultät eingeholte Gutachten fielen negativ aus: Carl habe fast nichts publiziert, das Wenige sei nicht orginell, wissenschaftlich bedeutungs­ los. – oo N. N., 1928 verwitwet. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 182; Bd. IV, 37–39, 77–82, 91–94, 172 ff; KT Nr. 10 v. 10. 1. 1931 (Nachruf; P). Caspary, Julius, Medizin, Dermatologie * 1. 12. 1836 Pr. Holland † 19. 10. 1911 Königsberg V.: N. N., jüd. – Schulbesuch in Königsberg, med. Stud. AUK, 1859 ebd. Prom., Assistent Wagners, 18. 1. 1868 Habil. f. Chirurgie ebd., AV: Ueber die Py­ ämie; dermat. Studien in Wien bei Ferdinand Hebra, als PD Vorlesungen über Hautkrankheiten u. Syphi­ lis, 1878 nb. ao. Prof. f. Syphilis u. Hautkrankheiten, aus eigenen Mitteln Gründung einer Poliklinik für Hautkranke, seit 1892 staatlich bezuschusst. 1898 LA f. Dermatologie u. Syphilis. 1904 von Lehrverpflich­ tungen entbunden. Mitredakteur Wiener Viertelsjahres­ schrift für Syphilis und Dermatologie. 1894 RA IV, 1904 GMR. – Politisch: ab SS. 1855 Burschenschaft Ger­ mania. – oo Maria Hecker, mindestens 1 S, Heinrich (1879), Dr. med. AUK 1903. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 100; Weisfert 37; BLÄ I, 848; Pagel 310 f. (P), Chronik AUK 1911/12, 8–10; Roß 1913, 51; Sigilla I, 957. Caspary, Robert, Botanik * 29. 1. 1818 Königsberg † 18. 9. 1887 Illowo/Kr. Flatow, Westpr. V.: Franz Xaver C., Kaufmann, Makler, M.: Justine Wartmann, ev.; 1837 KneipG, theol. Stud. AUK, 2. theol. Examen 1841. Pfarrer­Laufbahn war C. schon durch „homiletische Übungen“, die er als Anleitung zur Heuchelei ablehnte, verleidet worden. 1841–1843 Lehrer Mädchenschule Königsberg. 1843–1846 Stud. Zoologie u. Botanik Bonn (Argelander, Goldfuß, Trevi­ ranus, Seubert, Noeggerath, Heine, Arndt, Dahlmann), Prom. ebd. 29. 3. 1848: De Nectariis, Habil. f. Botanik u. Zoologie ebd., 1848–1850 Erzieher in England u. Südfrankreich, Juni 1851 Umhabil. FWU, Freund­ schaft mit dem Botaniker Alexander Braun, 1856 Lehr­ stuhlvertretung Bonn (Treviranus), SS. 1859 ord. Prof. f. Botanik AUK, 1870/71 Prorektor. Große Verdienste um naturw. Erforschung der Provinzen Ost­ u. Westpr,

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1862 Gründer des Preuß. Botan. Vereins mit dem Ziel der systemat. Erforschung der Flora Preußens; während einer Exkursion in Westpreußen tödlich verunglückt. – oo 1859 Marie Emilia Dorothea Braun (gest. 1877), Tochter seines Lehrers und Freundes Al. Braun, 3 K. Abromeit 1887; Chronik AUK 1887/88, 5; Pfitzer 1888; Weisfert 37; BEN 2003, 129. Castellain, George P., Lektor für Englisch * 16. 1. 1877 Aigburth/Liverpool † nicht ermittelt 1891–1894 Harrow, 1895–1899 New College Oxford, 1899 BA, Vorbereitung auf den diplomatischen Dienst, dt. u. frz. Sprachstudien London, Heidelberg (Hoops), 1. 4. 1902 Lektor f. Englisch AUK, SS. 1903, zum 30. 9. 1903 ausgeschieden. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 148 f., 170 f. Chun, Carl, Zoologie * 1. 10. 1852 Höchst bei Frankfurt/M. † 11. 4. 1914 Leipzig V.: Gustav Ch. (1827–1907), Rektor, M.: geb. Urich, ev. – G Frankfurt 1871, naturw.­math. Stud. 1872– 1875 Göttingen, Leipzig (Leuckart), Prom. ebd. 1874: Ueber den Bau, die Entwickelung und physiologische Bedeutung der Rectaldrüsen bei Insekten. 1875 StE Göttingen, 1876 Zool. Stat. Neapel, Herbst 1877/78 Assist. Zool. Inst. Marburg, Habil. f. Zoologie Leipzig Ostern 1878: Die Muskulatur und das Nervensystem der Rippenquallen. PD u. Assistent Rudolf Leuck­ arts, „wetteifernd mit Haeckel in der Erforschung der Siphonophoren“ (Partsch). WS. 1883/84 oö. Prof. f. Zoologie AUK, SS. 1891 Breslau, 1898 Leipzig (Nf. Leuckart), 1907 Rektor, 1909 Dekan. Schon in der Königsberger Zeit Konzentration auf Erforschung der Tiefsee­Tierwelt. 1898 Leiter der deutschen Tiefsee­ Expedition auf der „Valdivia“, Atlantischer u. Indischer Ozean bis Sumatra, daraus 1900 eine populäre Darstel­ lung: Aus den Tiefen des Weltmeeres (2. Aufl. 1902). – Militär: 1875/76 Militärdienst IR 81, Res. Offizier, Sec.­Lt. – GHR. – oo Lily Vogt (1860–1940), Tochter des Zoologen, atheistischen Publizisten u. „radikalde­ mokratischen“ Politikers Carl Vogt (1817–1895), 2 T, die jüngere Lily (1887–1954) oo Ernst Pringsheim (1884–1970), Prof. f. Pflanzenphysiologie Prag, Göt­ tingen, Vetter von Katia Mann. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 81–83; VI. HA, Nl. Althoff, B 20 (12 Br. an Althoff, 1883–1905); Weisfert 38 f.; Brandenburg 1909 (P); [Chun] 1912 (Bibl., P), Partsch 1914; M. Braun 1914; NDB III, 252 f.; BEN 2003, 133.

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Clausen, Wilhelm, Medizin, Augenheilkunde * 23. 12. 1878 Wahnebergen, Kr. Verden/Aller † 28. 4. 1961 Halle V.: Heinrich Cl., Landwirt, M.: Adelheid Harms, ev. – 1889 DomG Verden, med. Stud. Greifswald, Jena, FWU, 28. 5. 1903 Prom. Jena: Ein Beitrag zur Kennt­ nis der Explosionsverletzungen des Auges durch Dy­ namit und Pulver (R.: Wagenmann), 1906 Volont. Augenklinik Charité, 1912 I. Assist. ebd., 10. 4. 1912 OA Univ. Augenkl. AUK (Schieck), 23. 7. 1912 Ha­ bil. f. Augenheilkunde ebd.: Untersuchungen über die Keratitis interstitialis syphilitica, 1915 Umhabil. nach Halle (Schieck folgend), AV 9. 12. 1915: Kriegsverlet­ zungen des Auges, OA Univ. Augenklinik, 1916 Tit. Prof., 31. 8. 1921 nb. ao. Prof., 1924/25 kommiss. Lehrstuhlvertretung Würzburg, SS. 1925 oö. Prof. f. Augenheilkunde Halle (Nf. Schieck), 1927/28 Dekan, 1933/34 Prorektor, 1934 nach seinen Vorstellungen eingerichteter Neubau der Augenklinik, „eine der mo­ dernsten Deutschlands“ (Voswinckel), 1937 Ruf nach Bonn abgelehnt, 1945 vorgesehene Emeritierung bis 1953 hinausgeschoben, bis 1955 eigene Lehrstuhl­ vertr. – Schwerpunkte: Pathologie der Bindehaut u. Hornhaut, Augenverletzungen, plastische Chirurgie (Keratoplastik), Vererbungslehre (des Begleitschielens, der Myopie), 1940 Beiträger zu H. Eckhardt/B. Os­ tertag (Hg.), Körperliche Erbkrankheiten, ihre Patho­ logie und ihre Differentialdiagnose; plädierte für die Sterilisation von Patienten mit erblichen Formen von Augenkrankheiten (Irisatrophie mit Glaukom, myo­ toner Katarakt u. a.). – Mitglied der Leopoldina seit 1926, 1953 Nationalpreisträger II. Kl. der DDR. – Po­ litisch: NSDAP 1. 5. 1933, 19. 7. 1933 NSLB. – Mili­ tär: Wehrdienst 1898 IR 42, 1914–1918 Oberstabsarzt d. R., Westfront, EK II. – oo 1914 Margarethe­Luise Kaethner (gest. vor 1939), 1 Pflege­T. BABL, R 49.01,13260/1377; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 126–130, 219; Eul­ ner/Sachsenweger 1957, 409 f. (P); Badtke 1962 (P); R. Franz 1981, 223–226; Voswinckel 2002, 260 f. Cohn, Fritz, Astronomie * 12. 5. 1866 Königsberg † 14. 12. 1921 Berlin V.: Kaufmann, jüd.. – 1884 AltstädtG, naturw. Stud. AUK, FWU, Prom. 1888: Über Lame’sche Funktio­ nen mit komplexen Parametern. Lehrer am KneipG u. RGBurg seit 1888. 1891–1900 Rechner Sternwarte AUK, 24. 1. 1893 Habil. f. Astronomie u. Mathematik: Die klimatischen Verhältnisse von Königsberg nach 45jährigen meteorologischen Beobachtungen darge­ stellt. 1894/95 an Sternwarte Leipzig beurlaubt, 1900 Oberservator Sternwarte AUK, WS. 1909/10 oö. Prof. FWU u. Direktor des Recheninstituts. Bekannt gewor­

den durch große Genauigkeit seiner Königsberger Me­ ridianberechnungen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 303; Bd. IV; Weisfert 39; APB 882; BEN 2003, 139. Cohn, Rudolf, Medizin, Pharmakologie * 23. 4. 1862 Schneidemühl † 1938 in Palästina V.: Hermann C., Cantor u. Lehrer, M.: Henriette Bleichrode; jüd.. – KneipG 1882, med. Stud. AUK. 1886 Prom.: Ueber die Bedeutung des negativen Tho­ raxdruckes, 1886–1890 Assistent Jaffés, Niederlassung als Arzt in Königsberg, 23. 7. 1892 Habil. f. Pharma­ kologie, 1897 Antrag, C. zum ao. Prof. zu ernennen (erfolgte 1898), Mitarbeit an Hermanns Jahresberich­ ten der Physiologie, zusammenfassende Darstellung der Beziehung zw. chemischer Konstitution und physiolo­ gischer Wirkung, forschte erfolgreich zu Synthesepro­ zessen im tierischen Organismus, hielt gut besuchte Veranstaltungen über Bäder­ u. Arzneiverordnungs­ lehre, Verdienst um Unterweisung der Praktikanten im toxikologischen Unterricht. – Politisch: 15. 9. 1933 gem. § 3 BBG Entzug der Lehrberechtigung wg. „voll­ jüdischer“ Herkunft. Ende 1933 Emigration nach Pa­ lästina. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 232, 327 f.; Nr. 37, 16–20; Weisfert 39 f.; Wininger I, 583 f.; Sigilla I, 957; Ostpr. Arztfamilie 2/1994, 25; Kabus 136 (P). Cohn, Theodor, Innere Medizin, Urologie * 9. 4. 1867 Krzyzanowitz/Kr. Rosenberg, O. S. † 13. 1. 1935 Königsberg V.: Leonhard C. (1840 Rosenberg–1920 Beuthen/ O. S.), Kaufmann, M.: Bertha Watzdorff (1839–1889), jüd., zu den Vorfahren zählend ein Sanitätsrat Max C., später Conrady, Ehrenbürger Elbings. – 1886 G Beuthen, med. Stud. Breslau, AUK 1886–1891, Juli 1891 Prom.: 31 Fälle von Myomektomie aus der gynä­ kologischen Klinik zu Königsberg in der Zeit von 1887 bis April 1891 (R.: Dohrn). 27. 6. 1905 Habil. f. Innere Medizin, spez. Nieren­ u. Blasenleiden, AV: Begriff und Wesen der Uraemie; Niederlassung als Facharzt in Kö­ nigsberg, 21. 7. 1913 Antrag Ernennung zum ao. Prof., von Schittenhelm mit positivem Gutachten unterstützt, doch erst 1921 erfolgt. – Mit­Hg. Zeitschrift für urolo­ gische Chirurgie nach 1918, Mitarbeit am Handbuch der Urologie, Bd. 3: Klinik der Störungen der Harn­ entleerung, 1928; Arbeiten über Prostata­ u. Harnlei­ ter­, Nierenerkrankungen. – Politisch: 12. 10. 1927: G. Grzimek als Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhauses und ostpr. DDP­Vorsitzender unterstützt LA für Th. Cohn, der ein „Begründer der Urologie in Deutsch­ land“ sei; vom PrMK abgelehnt. Öffentl. exponiert als

Catalogus Professorum Vorsitzender der Landesgruppe Ost­ u. Westpreußen und der Ortsgruppe Königsberg des Verbandes der heimattreuen Oberschlesier, Organisator von Kundge­ bungen gegen das „Schandwerk“ von Versailles und die darin diktierte „Zerreißung Oberschlesiens“. Mitglied Staatspartei 1930–1933, 1930–1932 Mitgliedschaft im Reichsbanner (SPD), 1933 Entzug venia. – Militär: 1891/92 einjähr. frw. Arzt Westpr. FAR Nr. 16, August 1914–April 1915 Oberstabsarzt, Regimentsarzt GR 1 (Königsberg), Teilnahme an den Schlachten von Gum­ binnen u. Tannenberg, Mai–Sept. 1915 mit der Land­ wehr­Sanitätskompanie 32 in Kurland, verabschiedet als Generalarzt d. R., EK II, Verwundetenabzeichen, Landwehrdienstauszeichnung I. Kl. – oo1894 Johanna Magnus, 2 T, 2 S (1895–1906). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 123; Bd. III, 176 f.; Bd. IV, 431; ebd., Nr. 37, Bd. I, 74–78, 107–113 (BBG­Verfahren); v. Gottberg 1927, 31; BLÄF I, 258; APB 1341. Cornill, Carl, Theologie, Altetstamentliche Exegese * 26. 4. 1854 Heidelberg † 20. 6. 1920 Halle V.: ?, reform. – 1872–1876 theol. Stud. Leipzig, Bonn, Marburg, 11. 10. 1875 Prom. Dr. phil. Leipzig: Mas­ hafa falasfa tabiban. Das Buch der weisen Philosophen. Nach dem Äthiopischen untersucht, 1. 10. 1877– 30. 9. 1886 Repetent Stipendienanstalt Marburg, 15. 12. 1877 Lic. theol. ebd., 26. 10. 1878 Habil. f. at. Exegese: De psalmi sexagesimi octavi indole atque ori­ gine, 11. 2. 1886 nb. ao. Prof., 1. 10. 1886 b. ao. Prof. f. hebräische Sprache u. Literatur AUK, 14. 10. 1888 oö. Prof. ebd., 1. 10. 1898 Breslau, 1. 10. 1910 Halle. – Hauptwerke: Das Buch des Propheten Ezechiel (1886); Einleitung in das Alte Testament (1891); Geschichte des Volkes Israel von den ältesten Zeiten bis zur Zer­ störung Jerusalems geschildert (1898); für „gebildete Laien“, mehrfach aufgelegt: Der israelitische Pro­ phetismus (1894). – 1886 Dr. theol. h. c. Heidelberg, 1909 GKR. Mit → Arnold, → Klöpper, → Zimmer Hg. Theologische Studien und Skizzen aus Ostpreußen 1887/88. – oo N. N., mindestens 1 S Otto (1881). GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 192 f.; Weisfert 40 f.; Gundlach 60 f. Cruse, Karl Friedrich Wilhelm, Medizin, Pharmako­ logie * 13. 5. 1803 Mitau † 3. 2. 1873 Königsberg V.: Karl Wilhelm C. (1765–1834), Prediger, Histori­ ker, Lehrer G Mitau, M.: Luise Gertrude Kupffer, ev. – 1818 G Mitau, 1820 med.­naturw. Stud. AUK, FWU, Prom. ebd. 1825 mit einer heilpflanzenkundlichen Arbeit: De rubiaceis [Krappgewächse] capensibus prae­

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cipue de genere Anthospermo, 1826 prakt. Arzt in Königsberg, Habil. f. Pharmakologie AUK 17. 3. 1828: De Asparagi officinalis L. germinatione […]; 1839 ao., 1844 ord. Prof. f. Pharmakologie AUK, Inaugurations­ habil.: De hepatonensis periodicae notione et natura: Commentatio Pathologica […]; seit 1870 erkrankt, vertreten durch → M. Jaffé. Vita Diss.; Weisfert 41, BLÄ I, 149; APB 118; DBBL 153. Czaplewski, Eugen, Medizin, Bakteriologie, Hygiene * 17. 11. 1865 Königsberg † 15. 11. 1945 Köln V.: Carl C., Rechnungsrat im PSK, M.: Clara Seydler, ev. – 1883 FC, med. Stud. München, AUK (Schüler Baumgartens), ebd. 29. 3. 1889 StE u. Prom.: Über die Immunität der Tauben gegen Milzbrand. 1889/91 Bak. Lab. Heilanstalt Görbersdorf/Schlesien, Assistent Bakter. Institut Tübingen 1891/93 (Baumgarten), 1893/94 Staatl. Hyg. Inst. Hamburg (Dunbar, z. Zt. der Cholera­Epidemie), 16. 3. 1894 Habil. f. Hygiene u. Bakteriologie AUK, 1896 Volontärassist. Hyg. Inst. ebd. (v. Esmarch), 1. 10. 1897 Direktor bakt. Labo­ ratorium Augusta­Hospital Köln, 1903 Ltr. Amtl. Desinfektionsschule für den Reg. Bezirk Köln, 1904 Mitglied der Akademie f. prakt. Medizin Köln, 1908 Tit.­Prof., 1919 PD Köln, 1921 nb. ao. Prof., Direktor des Bakt. Labors der Stadt Köln, 1914 nebenamtlich auch Direktor des von ihm gegr. Museums für Volkshy­ giene sowie Ltr. des öff. Desinfektionswesens der Stadt. 1908: Kurzes Lehrbuch der Desinfektion. – Militär: Wegen Kurzsichtigkeit dem Landsturm zugewiesen, 1914–1918 als Ltr. Desinfektionsschule der Garnison Köln unterstellt. – oo1897 Elise Berling (1878–), 2 T. BABL, R 4901, 13260/1464; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 276 f.; Weisfert 42; Pagel 364 f.; BLÄF I, 285; RHB 290 f. (P); APB 884. Dahn, Felix, Rechtswissenschaft, Deutsches Recht, Handelsrecht, Rechtsgeschichte * 9. 2. 1834 Hamburg † 3. 1. 1912 Breslau V.: Friedrich D. (1810–1889), M.: Constanze Le Gaye (1812–1894), beide Schauspieler, ev. – Aufgewachsen seit 1834 in München, 1850 G München, jur. u. phi­ los. (bei Prantl) Studium, 10/1854 jur. StE, Pläne, sich bei Prantl zu habilitieren aufgegeben, da dessen akade­ mischer Ruf durch „ultramontane Angriffe“ so gelitten, daß Dahn nicht einmal Zulassung zur Habilitation bei diesem Dozenten erhalten hätte. 1855 jur. Prom. München: Über die Wirkung der Klagverjährung bei Obligationen (scl.). 12/1856 Assessorex. als „Erster in Oberbayern“. Angebotene Ministeriallaufbahn ausge­ schlagen, um bei Bluntschli, Brinz und mehr noch als

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Schüler Konrad Maurers deutsche Rechtsgeschichte, „germanische Altertümer“, zu erforschen: „das allein schien mir ein Lebensinhalt, wert der Lebenskämpfe“. Bedeutete, da römisch­rechtlich geprägt, Übergang vom Privatrecht zum öffentlichen Recht. Habil. 1857: Studien zur Geschichte der germanischen Gottes­Ur­ teile. PV: Über das Verhältnis der Rechtsphilosophie zur Philosophie und zur Rechtswissenschaft. Venia legendi für Deutsches Recht, Rechtsphilosophie, Han­ dels­ und Wechselrecht und allgemeines Staatsrecht. (8. 10. 1857). Beginn des wissenschaftlichen Lebens­ werkes: ‚Die Könige der Germanen‘ (12 in 20 Bänden bis 1909). Zugleich setzt umfangreiche dichterische Produktion ein, die mit dem vierbändigen ‚Ein Kampf um Rom‘ (1876) eins der erfolgreichsten Bücher des 19. Jhs. zeitigt (Auflage bis 1930: 1 Million). Stoff für diesen historischen Roman sowie für zahlreiche Epen liefert die rechtshistorische Befassung mit der Geschichte zunächst der Goten. 1863 b. ao. Prof. Würzburg, 10. 10. 1865 oö. Prof. ebd. „Völlig neue“ Bearb. der 3. Aufl. v. Bluntschlis Deutschem Privat­ recht, mit Dahns Abriß des Handels­ u. Wechselrechts (1864). Forschungen zum Westgoten­Recht (1874: Westgothische Studien). WS. 1872/73 ord. Prof. AUK. 1877/78 Rektor. Eifrige Roman­ u. Dramen­ Produktion, darunter ,König Roderich‘, mit nicht nur „zufälliger Berührung seines Inhalts mit Problemen des Kulturkampfs“ (H. Meyer). Im eigenen Rückblick, von 1872 bis 1888 geholfen, „auf Vorposten in der deutschen Ostmark“ die „Wacht am Pregel“ zu hal­ ten. 1874: Vorschläge zur Reform des Rechtsstudiums (für Vertiefung der „allgemeinen Bildung“ der Juristen und daher Verlängerung der Studienzeit), 1875: Han­ delsrechtliche Vorträge, 1877: Deutsches Rechtsbuch 1879, gegen R. Ihering: Die Vernunft im Recht, 1879– 1884: Herausgabe seiner acht Bände umfassenden Reden und Vorträge (,Bausteine‘, darunter Bd. V zu staats­ u. völkerrechtlichen Fragen, die von Krieg und Reichsgründung inspiriert). Obwohl Bd. VII 1–3: ,Die Franken unter den Merovingern‘ seiner ‚Könige der Germanen‘ (1894/95) erst nach der Berufung nach Breslau (1888) erschien, blieb rechtsgeschichtliche Er­ forschung des 5. bis 8. Jhs. n. Chr. auch in Königs­ berg Dahns „Hauptarbeit“. 1880–1889: Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker (4 Bde.); 1883–1888: Deutsche Geschichte [bis 814] (2 Bde.); 1880/1: Neubearbeitung von Ed. v. Wietersheims Ge­ schichte der Völkerwanderung (2 Bde.). – Politisch: Bis 1866 „Großdeutscher“, danach „Versöhnung mit der kleindeutschen Politik Preußens“, da „nationale Einheit“ auch in bescheideneren Grenzen den Preis des Bruderkriegs wert. Stellte seine Feder in den „Dienst der großen deutschen Sache, wenn nationale Fragen von allgemeiner Bedeutung ihn innerlich ergriffen“

(Meyer). So Bismarck verherrlichend nach dessen Ent­ lassung (1890), ‚Moltke als Erzieher‘ preisend (1892) oder gegen das „Volksschulgesetz für Preußen“ (1892) polemisierend. 1890–1895: ‚Erinnerungen‘ (5 Bde.) – Militär: 1870/71 Kriegsfreiwilliger, zunächst als Krankenpfleger, bei Sedan als Infanterist in einem bayr. Jäger­Bataillon. Leicht verwundet; Ritterkreuz des ba­ yerischen Militärverdienstordens. – 1877 RA IV, 1885 GJR für seine mit „warmem Patriotismus“ erfüllten Arbeiten zur deutschen Geschichte. – oo I. 1858 So­ phie Fries (1835–1898), 1 S, 1 T; II. 1873 Therese von Droste zu Hülshoff (1845–1929), Schriftstellerin. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 106; ebd., GStA, Rep. 21660, 106 f.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 25 (15 Br. an Althoff, 1883–1906); Weisfert 42–44; Chro­ nik FWU Breslau 1911/12; H. Meyer 1912; Wohl­ haupter 1957; NDB III, 482 ff.; DSL II/1, 160–182; Kipper 2002; Wahl 2002; Gehrke 2007 (Bibl., P); Viel 2009. Dalmer, Johannes, Theologie, Neutestamentliche Exegese * 20. 10. 1861 Brandshagen/Pommern † um 1903 Gudersleben/Harz V.: August D., Superintendent zu Gingst auf Rügen, Konsistorialrat, M.: Ida Behm, ev. – 1879 G Stral­ sund, hist.­geogr. Studium Leipzig, Tübingen, ab WS. 1880/81 Theologie Göttingen, Erlangen, Greifs­ wald, ebd. 5. 5. 1886 Lic. Diss.: Die Heilsbedeutung des Todes Christi nach der Darstellung des Apostels Paulus, vor 1890 Habil. f. neutestament. Exegese ebd., 25. 5. 1895 Tit. Prof. aufgrund von: ,Die Erwählung Is­ raels nach der Heilsverkündigung des Apostels Paulus‘ (1894); SS 1899 Vertretung des plm. Extraord. f. neu­ testament. Exegese (Link) AUK, von der Verpflichtung entbunden im Oktober 1900, Wechsel ins Pfarramt. GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 122, 152, 163; ebd. Nr. 19, Bd. VI, unpag; Vita Diss. Dampf, Alfons, Zoologie * 20. 11. 1884 Kertell auf Dagö † 1949 Mexiko V.: Kapitän der russ. Handelsmarine, ev. – Petri­ORS Reval 1904, naturwiss. Stud. AUK, Prom. 1910 ebd.: Zur Kenntnis gehäusetragender Lepidopterenlarven (R.: M. Braun; scl.), 6/1907 apl. II. Assist. Zool Mu­ seum, 1909 plm. II. Assist., 1913 plm. I. Assist. ebd. Herbst 1913 Gouvernement Darassalem, Entomologe, Ltr. Baumwollstation Mpanganya am Rufiyi, 1916 kriegsfreiwillig bei der dt. Schutztruppe (v. Lettow­ Vorbeck), am 18. 11. 1917 als chronisch malariakrank an ein Lazarett der Engländer abgegeben, Kriegsgef. in Kairo bis Ende 1919, 15. 11. 1919 Rückkehr, 1/1920 Wiedereinstellung I. Assist Zool. Museum; Arbeitsge­

Catalogus Professorum biete: Systematik, Morphologie und Biologie der In­ sekten, bes. der schädlichen; 25. 6. 1921 Kustodenstelle bewilligt, von Brauns Nachfolger Harms als Assistent wg. zu spezialistischer Orientierung abgelehnt, 1924 Auswanderung nach Mexiko, Organisation des Pflan­ zenschutzes im Auftrag des mex. Landwirtschaftsmi­ nist. GStA, Rep 76Va, Sek 11, Tit. X, Nr. 14, Bd. IV; Vita Diss. Dehio, Georg, Kunstgeschichte * 22. 11. 1850 Reval † 19. 3. 1932 Tübingen V.: Julius Woldemar D. (1817–1893), Arzt, M: Do­ rothea Eggers (1831–1908), Tochter eines Revaler Fabrikbesitzers, ev. – 1868 G Reval, hist. Stud. Dor­ pat, Göttingen, Bonn, Prom. 1872: Hartwich von Stade, Erzbischof von Hamburg, Habil. München 1877: Geschichte des Erzbisthums Hamburg­Bremen im Zeitalter der Mission, WS. 1878/79 Habil. f. Ge­ schichte München, 1880 kunsthist. Studienreise Nord­ frankreich, „Geburtsjahr“ des Projekts und späteren Hauptwerkes ‚Die kirchliche Baukunst des Abend­ landes‘ („hist­syst. Codex zur Sakralarchitektur des 4. bis 15. Jahrhunderts“, zs. m. Gustav v. Bezold, 1884– 1901), Herbst 1881 erste „Codex­Reise“ zwischen Quedlinburg u. Hannover, Frühjahr/Sommer 1882 Italienreise, SS. 1883 b. ao. Prof. f. Kunstgeschichte AUK, SS. 1884 ord. Prof., SS. 1892 Straßburg, dort von 1899–1912 mit dem ‚Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler‘ beschäftigt (5 Bde.), 1914 em.; Tü­ binger Alterswerk: ‚Geschichte der deutschen Kunst‘ (3 Bde., 1919–1925, dessen „wahrer Held“, wie es im Vorwort heißt, „das deutsche Volk“ sei). – oo Charlotte Friedländer, Tochter v. → L. Friedländer, 2 S, darunter Ludwig (1888–1960), Historiker. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 97 f.; Weisfert 45.; Pin­ der 1931/32; NDB III, 563 f.; Betthausen 2004. Delmer, Frederick Sefton, Lektor für Englisch * 24. 10. 1864 Hobart, Tasmanien/Australien † nach 1928. Altphil., hist., anglist. Stud. 1887–1893 Trinity Col­ lege Melbourne, 1892 BA, Ende 1893–1896 Studien­ aufenthalt Italien, Berlin, 1895 vergebliche Bewer­ bung um Königsberger Lektorat, 1896–1900 Lehrer Sidney Grammar School, 1900 natök. Studien Mün­ chen (Brentano), 1. 10. 1900 Lektor f. Englisch AUK, 1. 10. 1901 Lektor f. Engl. FWU, bei Kriegsausbruch 1914 interniert, 1917 Ausreise nach GB, Journalist Daily Mail, 1919 Mitglied der Interalliierten Kon­ trollkommission zur Überwachung der dt. Abrüstung, Rückkehr nach Berlin, 1926 Ruhestand Italien. – oo N. N., mind. 1 S Denis (1904–) Publizist, Geheim­

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agent, Leiter der brit. „Schwarzen Propaganda“ gg. Deutschland (1939–1945). GStA, Rep. 76Va, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 3 f., 112, 120–122, 127, 146; Delmer 1963. Deubner, Ludwig, Klassische Philologie * 3. 2. 1877 Riga † 25. 3. 1946 Berlin V.: Alexander D. (1850–1910), Ratsbeamter, Sekr. des Stadtwaisengerichts zu Riga, M.: Ella Kerkovius (1857–1923), ev.­luth. – StadtG Riga 1894, G Mar­ burg 1895, philol. Stud. Marburg, München, FWU, Bonn, 1899 Prom. Gießen: De incubatione capitula duo (R.: A. Dieterich), erweitert 1900: De incubatione capitula quattuor, 1900 StE Bonn, 1900/01 Studien­ reise Italien, Griechenland, 2. 11. 1903 Habil. Bonn: Cosmae et Daminia (Druck 1907: Kosmas und Da­ mian. Texte und Einleitung), 24. 9. 1906 b. ao. Prof. AUK, 26. 2. 1912 oö. Prof. ebd., zum SS. 1917 Frei­ burg, zum WS. 1926/27 FWU. – Antike Religionsge­ schichte seit der Diss. über den Tempelschlaf und sein Fortleben im christl. Heiligenkult, Mit­Hg. Archiv für Religionswissenschaft, Hauptwerk 1932: Attische Feste; Sammlung seiner kleineren Schriften veranstaltet von seinem Sohn, 1982. – Militärisch: Oberkommando Ost August 1914–1917 als Dolmetscher im Rang eines Intendanturrats, Entzifferer, nach der Berliner Kolle­ genfama rühmte Deubner sich gern seines Anteils am Sieg von Tannenberg, da ihm die Dechiffierung russ. Funksprüche gelungen sei. Otto von Below, Befehlsha­ ber der 8. Armee, bescheinigte D. 1933, „durch geniale Entzifferungskunst“ so große Dienste geleistet zu ha­ ben, „daß weitreichendster Dank des Vaterlandes ihm kaum gerecht werden kann“. Habe jeden russischen Funkspruch in kurzer Zeit entschlüsselt und so zu den Erfolgen in der Masurischen Winterschlacht und allen weiteren großen Schlachten an der Ostfront bis 1916 beigetragen, auch Hindenburg und Ludendorff hätten die „Dienste des wackeren Mannes in Anspruch genommen und nie ohne Erfolg“. Diese Belobigung führte dazu, daß die Ausnahmeregelung von § 3 BBG auf seine „vierteljüdischen“ Kinder, vor allem auf seinen Sohn Alexander privilegierend angewandt wurde, der als plm. Assistent am Physikalischen Institut FWU von der Entlassung bedroht war. – oo I. Ottiliana C. Lind­ ley (1881–1925), 1 T, 5 S (1905–1916), II. Luise Bü­ sching (gest. 1948). BABL, R 4901, 13261/1594; GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 45, Bd. IX, 189 f. (Habil.); ebd., Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. XXIV, 456 f. (betr. § 3 BBG); NDB III, 621; DBBL 1970, 166; APB 1769 f.; O. Deubner, in: L. Deubner 1982 (Bibl.; P).

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Diehl, Karl, Nationalökonomie * 27. 3. 1864 Frankfurt/M. † 12. 5. 1943 Freiburg V.: Carl D. (1833–1904), Jurist, zuletzt Senatspräsident OLG Frankfurt, M: Maria Söldner (1842–1919), ev. – RG Frankfurt 1882 (Lehrer in Geschichte/Geographie: Karl Bücher), natök. Stud. FWU (Schmoller, Wagner, Lazarus, Treitschke, Droysen, Brunner, Goldschmidt), Jena (Eucken, Liebmann), Halle, 1888 Prom. ebd.: P. J. Proudhon. Seine Lehre und sein Leben. I. Abt.: Die Eigentums­ u. Wertlehre (R.: Conrad), 1889 humanist. Abitur nachgeholt, 1889/90 Studien in Wien (K. + A. Menger), 20. 6. 1890 Habil. f. Nationalökonomie Halle: Proudhon’s praktische Vorschläge zur Lösung der sozialen Frage, AV: Aeltere praktische Versuche zur Erfüllung moderner sozialistischer Forderungen; ebd. 1893 nb. ao. Prof. u. LA, „enge Zusammenarbeit mit R. Stammler“, SS. 1898 oö. Prof. Rostock (Nf. W. Stieda), SS. 1899–1908 AUK (Ersatz­Ordinariat Um­ pfenbach), 1905, 1907 Rufe nach Marburg und Kiel, 1913 Ruf nach Breslau abgelehnt. 1905 Begründer der Handelshochschulkurse, aus denen 1916 HHK her­ vorging. WS. 1908/09 Freiburg, 1920 Rektor ebd., 1933 em. – Geschichte des ökonomischen Denkens, bes. Sozialismus, Kommunismus, sozialrechtliche Kor­ rektur des Kapitalismus. Grundlegend: Theoretische Nationalökonomie, 4 Bde. 1916–1933. Begründer der „sozialrechtlichen“ Richtung der Nationalökonomie. – Mitglied des Bezirksausschusses [Kommunalverwal­ tung?] (dort befasst u. a. mit „Armen­, Steuer­ u. Wege­ wesen“) Königsberg (als Nf. Zorns). – 1913 Geh. Hof­ rat, Dr. jur. h. c. Rostock 1919, Dr. oec. HHK 1930. – Militär: 1882/83 Dienstjahr 2. Garde­Reg. Berlin. – oo1894 Anna Berger, 2 T, 2 S, darunter Karl Ludwig D. (1896–1958), Schauspieler. GStA …, Nr. 21, Bd. XX, 112–130; Chronik Halle 1890/91, 13; Zeitgenossenlexikon 1905, 262; Diehl 1924; Diehl 1941; NDB III, 644 f.; APB 1770 f.; Brit­ zinger 1996, 26 f.. Dohna-Schlodien, Alexander Burggraf und Graf zu, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Rechtsphilosophie * 29. 6. 1876 Potsdam † 25. 12. 1944 Bad Godesberg V.: Hannibal Graf zu D. (1828–1914), Generallt., M.: Helene Prinzessin Maurokordatos (1846–1924), ev. – 1895–1898 jur. Stud. Rom, Lausanne, Freiburg, FWU, ebd. Prom. 1902: Die Stellung der Buße im reichs­ rechtlichen System des Immaterialgüterschutzes, Ha­ bil. f. Strafrecht u. Strafprozeßrecht Halle 24. 10. 1904: Die Rechtswidrigkeit als allgemeingültiges Merkmal im Tatbestande strafbarer Handlungen, AV: Die Elemente des Schuldbegriffs, WS. 1906/07 b. ao. Prof. f. Straf­ recht AUK (Nf. Kohlrausch) unter gleichzeitiger Beur­

laubung als Erzieher des Hohenzollernprinzen August Wilhelm, 1909 Rückkehr, SS. 1913 ebd. oö. Prof. (Nf. Kohlrausch), abgeordnet als ord. Prof. an die wiederer­ öff. Universität Dorpat Herbst 1918, Ende Dez. 1918 Rückkehr AUK, SS 1920 Heidelberg; WS. 1926/27 Bonn, 1939 em. – Politisch: Mitglied der Nationalver­ sammlung 1919/20, Mitbegründer DVP in Ostpreu­ ßen, dieser Partei angehörend bis Mai 1932. – Militär: Wehrdienst Dragoner Reg. Schwedt 1899/1900, Lt. d. R., 1914 mit dem Dragoner Reg. Westfront, Ritt­ meister d. R., 1915/16 Kriegsgerichtsrat 1. Kav. Div., 1916–1918 Militärverw. Litauen Süd, EK II. – oo Eli­ sabeth v. Pommer­Esche (1882–1969; lt. HLK „viertel­ jüdisch“), Tochter des Oberpräsidenten Albert v. P.­E. (1836–1903), 1 S, 5 T, darunter Dagmar (1907–1995), Bildhauerin, ooWolf Graf Baudissin (1907–1993), Be­ rufssoldat, Generallt. der Bundeswehr, Militärreformer, Friedensforscher. BABL, R 4901, 13261/1754; GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 36, Bd. II, 350–352 (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VI, 96–99; Drüll 50 f.; Escher 1994; Baudissin 2001; Morell 2004. Dohrn, Rudolf, Medizin, Gynäkologie, Geburtshilfe * 24. 8. 1836 Heide/Holstein † 2. 12. 1915 Dresden V.: Arzt, ev. – Med. Stud. Leipzig, Kiel, Prom. ebd. 18. 7. 1859, 1860 Habil. ebd. 1. 4. 1863 oö. Prof. Gynäkologie Marburg, 1. 4. 1883 AUK (Nf. Hilde­ brandt), 1896 krankheitsbedingte Aufgabe des Lehr­ amts, 1897 emeritiert. – Therapie des verengten Be­ ckens; „ein streng konservativer Geburtshelfer und ist durch Wort und Schrift gegen die immer mehr über­ handnehmende Operationslust der Aerzte mit Erfolg aufgetreten“. Fortführung von Siebolds Geschichte der Geburtshilfe und insoweit Historiker des neuen Auf­ schwungs der Geburtshilfe, an der er selbst einen An­ teil hat, während ihn die Gynäkologie wissenschaftlich und praktisch weniger interessierte. Lehrer und Leiter der Königsberger Hebammenlehranstalt, Verdienste um Verbesserung der Hebammenverhältnisse Ostpreu­ ßens, „unvergängliche Verdienste um die weibliche Provinzbevölkerung“ durch seine „Bekämpfung des Pfuscherinnentums“ (Winter). – 1888–1896 Vorsitz Verein f. wiss. Heilkunde, Mitglied der Ärztekammer Königsberg, Mitbegründer des Standesvereins. Aus­ übendes u. führendes Mitglied des Königsberger Bach­ Brahms­Vereins. – 1879 RA IV, GMR 1883, 1894 RA III. – „Burschenschafter, 2­Bändermann, an den hiesigen Festkommersen alter Burschenschafter nahm er regelmäßig teil“ (Rosinski). – ooN. N., mehrere T u. S, darunter Karl (1874–), Dr. med. AUK 1898, 1 S nach Südamerika ausgewandert, Farmer, 1 T Bertha (1871; 1935 in Dresden wohnhaft).

Catalogus Professorum Weisfert 49; Pagel 405–407 (P); Chronik AUK 1915/16, 8 f. (Nachruf Winter); Rosinski 1916; Ahl­ feld 1916; BLÄ II, 289; Volbehr/Weyl 111. Dorner, August, Systematische Theologie, Religions­ philosophie * 13. 5. 1846 Schiltach/Baden † 17. 4. 1920 Hannover V.: August Isaac D. (1809–1884), Theologe, Univ. Prof. FWU. – Klosterschule Schönthal, JoachimsthG Berlin, theol.­philos. Stud. FWU, Göttingen, Tü­ bingen, 1867 Prom. FWU: De Baconis, baronis de verulassio philosophia. Seelsorgerisch in deutschen Gemeinden in Lyon u. Marseille, Orientreise, 1870 Re­ petent in Göttingen, 1872 USA­Reise, 1882 Direktor Predigerseminar Wittenberg, 1889 b. ao. Prof. f. Syst. Theologie AUK, 1890 oö. Prof. ebd. (Nf. Voigt), Rek­ tor 1908/09, 1916 em. – Vertreter einer „spekulativen kritischen Theologie“ (Pott). – oo Mathilde Armbru­ ster (gest. 1890), 2 S, Georg (1881), Dr. med. AUK 1905, Otto (1884), Dr. phil. ebd. 1908, 1 T, Katharina (1879; 1935 in Heidenheim). GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 30 I (19 Br. an Althoff, 1883–1891); Weisfert 50; KUK 1908 (P); Deutsch­ lands Gelehrte 1910, 158 f.; Rust 1916; Th. Krüger 1920; Pott 1920; Rust 1920; R. A. Hoffmann 1920; APB 148 f.; Herms 1984. Draudt, Max, Medizin, Chirurgie * 11. 3. 1875 Darmstadt † nicht ermittelt V.: Generalleutnant August D., M.: Emma Müller­Sar­ torius, ev. – , 1894 G Hagenau/E., med. u. nw. Stud. FWU, Heidelberg, AUK, 1901 StE, 1904 Prom. AUK: Beiträge zur Exstirpation des Ganglion semilunare Gasseri (R.: Garré), 1901–1903 Volont. Chir. Kl. AUK (Garré), 1903–1909 Assist. Chir. Kl. ebd.; 30. 6. 1907 Habil. f. Chirurgie, 1. 10. 1910 OA, 1911 Tit.­Prof. beantragt – Militär: Nicht gedienter Ersatzreservist. – Bruder Paul Dr. (1877–), 1919 Vorsitz. Kriegsgefange­ nen­Ausschusses Dt. Friedensdelegation in Versailles, in den 1920ern Vizepräs. d. Dt. Roten Kreuzes. GStA …, Nr. 24, Bd. II, 200 f.; Bd. III, 63, 68. Dunstan, Arthur Cyril, Lektor für Englisch * 17. 1. 1878 Liskeard/Cornwall † nicht ermittelt 1888–1897 Grammar School Stamford/Linc., 1899– 1902 Kings College London, 1902–1904 Lehrer Grammar School Densbury, WS. 1904/05 neuphil. Stud. AUK, 1. 10. 1905 Lektor f. Englisch ebd., Prom. 1908: Examination of two English Dramas: ,The Tra­ gedy of Mariam‘ by Elizabeth Carew […] [1613] (R.: Kaluza). August 1914 kriegsbedingte Ausreise und Aus­ scheiden aus dem Lektorat.

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GStA, Rep. 76Va, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 214 f., 245. Eberhard, Victor, Mathematik * 17. 1. 1861 Pless/O. S. † 28. 4. 1927 Halle V.: Richard E., OLG­Rat, M.: Lucia Kahl, kath. – 1879 G Pless, als Kind erblindet, math.­phys. Stud. FWU, Breslau, 21. 2. 1885 Prom. ebd.: Ueber eine räum­ lich involutorische Verwandtschaft 7. Grades und ihre Kernfläche 4. Ordnung, 12. 7. 1888 Habil. f. Mathe­ matik AUK: Die Raumkurven vierter Ordnung erster und zweiter Spezies in ihrem Zusammenhang mit den Steinerschen Schließungsproblemen bei den ebenen Kurven dritter Ordnung, 7. 1. 1895 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1895/96 b. ao. Prof Halle. Hauptwerke: Zur Mor­ phologie der Polyeder, 1891; Die Grundgebilde der ebenen Geometrie, 1895; Ueber die Grundlagen und Ziele der Raumlehre, 1895. GStA …, Nr. 25, Bd. IV; Weisfert 53; Vademecum 243; Chronik Halle 1926/27, 5. Ecke, Gustav, Systematische Theologie * 8. 1. 1855 Erfurt † 9. 11. 1920 Bonn V.: Lehrer, ev. – G Erfurt 1873, theol. Stud. Halle (Kähler), Tübingen, 1880 theol. Ex., 1880–1883 Hilfs­ prediger Halle, 1883–1893 Suhl, 1893 Ltr. Diakonis­ sen­Mutterhaus Bremen, SS. 1900 b. ao., WS. 1900/01 oö. Prof. f. System. Theol. AUK, SS. 1903 oö. Prof. f. System. u. praktische Theol. Bonn, 30. 9. 1920 em. – Mitglied der Landeskirchl. Vereinigung der Freunde der Positiven Union, positiv­lutherisch, kirchlich­kon­ servativ, Kritiker der Ritschl­Tradition (1897/1900) und, im Disput mit Martin Rade, des liberalen Pro­ testantismus nach 1900. Seine gg. den kirchl. Libera­ lismus gerichtete Streitschrift ‚Unverrückbare Grenz­ steine‘ (1905, 5. Aufl. 1911) die „gewichtigste kritische Äußerung von kirchlich­konservativer Seite gegen den Rade­Kreis“ (Wolfes). – 6. 5. 1899 Lic. theol. h. c. Halle, 21. 12. 1900 Dr. theol. Tübingen, 26. 3. 1915 GKR. – oo N. N., 3 S, 2 T (darunter Rosa Ecke oo Emanuel Hirsch, Theologe). NDB IV, 286; Wenig 61; Wolfes 2000. Ehrenberg, Hermann, Kunstgeschichte * 7. 3. 1858 Halle † 28. 4. 1920 Münster V.: Otto E. (gest. 1867), Jurist, Stadtrat, M.: Luise Nehmiz, jüd., ev. getauft – G Pforta 1877, hist.­kunst­ hist. Stud. Halle, Leipzig, FWU, Prom. Leipzig 1883: Der Deutsche Reichstag in den Jahren 1273–1278. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte (R.: W. Arndt); 1883–1889 Staatsarchiv Posen, 1889 Staatsarchiv Königsberg, 1889/90 Studienreise Italien,

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Vatikanisches Archiv, 1894 Habil. f. Kunstgeschichte: Italienische Beiträge zur Geschichte der Provinz Ost­ preußen, 1900 nb. ao. Prof. AUK, 1904 oö. Prof. f. Kunstgeschichte Münster. Während der Königsberger Zeit Schwerpunkt auf Kunstgeschichte Ostpreußens im 16. Jh., außer Habilschrift bes.: Die Kunst am Hofe der Herzöge von Preußen (1899), „vorbildlich für die Erforschung der Königsberger Hofkultur“ (Thielen). – oo Mary Meyer, 3 S. Weisfert 54; Deutschlands Gelehrte 1910, 176; Wi­ ninger II, 101 f.; Thielen 1953, 40, 209; APB 158 f., Walk 74; DBE III, 38. Ehrhardt, Oskar, Medizin, Chirurgie * 23. 3. 1873 Strausberg bei Berlin † 27. 1. 1950 Göttingen V.: Traugott E., Bahnbeamter, M.: Emilie Rutkow­ ski (1849–), ev. – 1892 G Thorn, med. Stud. AUK, WS. 1896/97 StE, Prom. 20. 3. 1897: Erfolgreiche Transplantation der Milz (R.: Neumann, Nauwerck), 1898–1900 Privatassist. v. Eiselsberg, Chir. Univ. Kli­ nik, 1. 4. 1900 Assistenzarzt ebd. unter Garré, Habil. f. Chirurgie 13. 2. 1902, AV: Ueber die chirurgische Behandlung der Nierentuberculose, 1911 Antrag nb. ao. Prof., mit Garré Verfasser eines Lehrbuchs über Nierenerkrankungen, stand 1907 auf der Liste Chir. Lehrstuhl in Marburg. 1917 Ltr. Chirurg. Abt. St. ElisabethKHS, 1945 in Königsberg geblieben, unter sowjetischer Besatzung am „GebietsKHS“ (= KHS­ Barmherzigkeit) bis 1947 tätig, Ausweisung; bis da­ hin, der russischen Sprache mächtig, „um die Rettung mancher Kostbarkeit aus den Ruinen bemüht“, so einer Ausgabe von Spinozas Tractatus mit eigenhän­ diger Widmung und der Kantbüste von Hagemann­ Schadow. – Politisch: Wg. „jüd. Versippung“ nach 1933 keiner NS­Organisation angehörig. – Militär: 1jähr. Frw. GR Kronprinz Königsberg, Pionierbat. Nr. 18, OA d. Res., 1914/15 Feldlazarett, schwer er­ krankt, Stabsarzt am Standort Königsberg. – oo 1900 Martha Rosenhain (1871–), V.: Gutsbesitzer, jüd.; 1 T Ilse, Juristin, oo → H. J. Iwand (Bd. II), 2 S, darunter Arnold (1903–1965), Dr. jur. AUK 1928 bei E. Genz­ mer: Traditio ex justa causa. BABL, R 4901, 13261/1946; GStA …, Nr. 24, Bd. II, 12–14; Bd. III, 65–67; APB 896 f. Ehrlich, Hugo, Indogermanistik * 30. 10. 1878 Hannover † gefallen 10. 9. 1914 in Masuren V.: Kaufmann, ev. – G Hannover 1897, philol. Stud. Jena, Leipzig, ebd. 10/1901 Prom.: Die Nomina auf ­εύc, 1903 StE, 1905/06 Seminarkandidat Berlin, 1907/08 Probejahr RG ebd., 1909 wiss. Hilfslehrer G Friedeberg/Nm., 15. 4. 1909 Oberlehrer AltstädtG

Königsberg, Juli 1912 Habil. f. vgl. indogerm. Sprachw. AUK: Untersuchungen über die Natur der griechischen Betonung; AV 3. 7. 1912: Rhythmischer Lautwandel; neben Schuldienst PD 1912–1914. – „Beschlagenheit in den religiösen Sitten und Gebräuchen der Italiker“, „treffliche mythologische Kenntnisse“, „vollkommen zu Hause in den Realien der Altertumswissenschaft, namentlich auf dem Gebiete der Mythologie“, wäh­ rend seine „linguistischen Kombinationen“ starken Widerspruch hervorrriefen und „oft vor der Kritik nicht bestehen“ können (Fraenkel). – Militär: 1903/04 Wehrdienst, August 1914 Kriegsteilnahme, während der Schlacht an den masurischen Seen vermißt. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 167; Fraenkel 1918. Eiselsberg, Anton von, Medizin, Chirurgie * 31. 7. 1860 Schloß Steinhaus/Oberöst. † 25. 10. 1939 bei St. Valentin/Niederöst. V.: Guido (1824–1887), Gutsbesitzer, M.: Marie Freiin Pirquet v. Cesenatico (1828–1904), kath. – 1878 med. Stud. Wien, Würzburg, Zürich, Paris, 1884 Prom. Wien, Billroth­Schüler, 1884 Operationszögling, 1887 Assistent, 1889 Habil. f. Chirurgie: Ueber Tetanie im Anschluß an Kropfoperationen, 1893 b. ao. Prof. Ut­ recht, SS. 1896 oö. Prof. f. Chirurgie AUK (Nf. H. Braun), 1901 Wien, I. Chir. Klinik, 1931 em. – „Aus­ gezeichneter Operateur, hingebungsvoller Arzt und unermüdlicher Lehrer, bildete eine große, angesehene Schule hervorragender Chirurgen heran“ (BLÄF), Arbeiten vor allem über bakteriol. Themen (Tetanus, Impftuberkulose usw.), Ausbau der modernen Magen­ u. Darmchirurgie, Gehirn­ u. Rückenmarkoperati­ onen, 1912: Aus der Werkstatt des Chirurgen, 1913: Die Chirurgie der Schilddrüse (in: Hdb. der prakt. Chirurgie II), mit F. Müller Hg. Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. – Ehrendok­ tor der Universitäten Leiden, Athen, Genf, Edinburgh. Hofrat. – oo1895 Agnes Freiin v. Pirquet v. Cesenatico (1875–1948, Cousine), 7 T, 1 S (1896–1917). Pagel 452 f.; BLÄF I, 358; Eiselsberg 1938; NÖB IX, 107–112 (P); NDB V, 410 f. Eisenlohr, Friedrich (Fritz), Chemie * 26. 8. 1881 Heidelberg † 30. 1. 1957 Jena V.: August E. (1832–1902), Prof. f. Ägyptologie, M.: Sophie F. Schreiber (1847–1935), ev. – HG Heidelberg 1900, ursprünglich Laufbahn als Seeoffizier in der Kais. Marine beabsichtigt, aber als „nicht kräftig genug“ aus­ gemustert, naturw. Stud. Kiel, Heidelberg, Prom. ebd. April 1906: Über Alkyliden­Malonestersäuren; Fort­ setzung des Studiums in München, physikal.­chem. Laborarbeiten (veröff. in Zs. f. anorg. Chemie), Mai

Catalogus Professorum 1907 nach Greifswald zu Karl Friedrich von Auwers (1863–1939), März 1908 ebd. zweiter Assist. Chem. Inst., beteiligt an Auwers’ Untersuchungen zur Struk­ turaufklärung organischer Verbindungen, Habil. f. Chemie 11. 6. 1910 ebd., nach Auwers’ Marburger Berufung (1913) Wechsel nach Königsberg, 1. 4. 1913 Abt. vorsteher Chem. Inst. AUK, b. ao. Prof. 1. 8. 1913, oö. Prof. 18. 1. 1921 ebd., bis 1944 an AUK, zuletzt 1942/44 im Auftrag RFR u. a. zur Stabilisierung von Vitamin C in Trockennahrung. – Schwerpunkte: Spek­ trochemie organischer Verbindungen (dazu Lehrbuch, Stuttgart 1912), nach 1918 Studien über den moleku­ laren Brechungskoeffizienten, Arbeiten zur physika­ lischen Chemie, 1937 Trennung optischer Antipoden über Molekülverbindungen. – Politisch: 1911–1913 Freisinnige Vereinigung Greifswald, 1930–1933 DNVP. – Militär: August 1914 eingezogen zur Lwr. Pillau, Ende 1917 als Vizefeldwebel entlassen, Jan.–Juli 1919 Ostpr. Freiw. Korps (Grenzschutz). – oo 1910 Fanny Johanna Wachendorff (1881–), 1 T, Veronika oo v. Knobloch, Dr. med.; 2 S; Bruder: Ernst E. (1882– 1958), Diplomat, Dt. Gesandter Athen 1931–1935, Prag 1936–1938. BABL, R 4901, 13261/1993, R 2 Pers., BDC­ HLK; BAK R 73/13085; GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 26, Bd. IV, 14–17 (Habil. Greifswald), 58; ebd., VI. HA, Nl. Becker, Briefwechsel mit C. H. Becker; APB 897; Hubatsch/Gundermann 1966, 140; (P); LGH 2004, 51 f. Ellinger, Alexander, Medizin, Pharmakologie * 17. 4. 1870 Frankfurt/M. † 26. 7. 1923 ebd. V.: Philipp E. (1898 verst.), Metallwaren­Kaufmann, M.: Mathilde Rubin, jüd. – 1887 G Frankfurt, natur­ wiss. Stud. Bonn, FWU (v. Hofmann, Kekulé, Lan­ doldt, A. Kundt), Prom. ebd. 1. 7. 1892: Über einige Condensionsproducte aus Amidoacetal, ein Beitrag zur Kenntnis des Glyoxalins und der Aldine. Med. Stud. München, 1895 Pharmakol. Inst. Straßburg (Schmie­ deberg), 1897 Assist. Jaffés am Laboratorium f. mediz. Chemie AUK, ebd. 1898 Prom. Dr. med.: Ueber das Vorkommen des Bence­Jonesschen Körpers im Harn bei Tumoren des Knochenmarks und seine diagnos­ tische Bedeutung. Habil. ebd. 30. 6. 1899: Bildung von Putrescin aus Ornithin; AV: Die chemischen Mittel des Organismus zur Entgiftung. 1904 durch Kurator Er­ nennung zum nb. ao. Prof. abgelehnt, um das „jüdische Element“ in der Fakultät nicht zu stärken. 1908 nb. ao. Prof.; SS. 1912 oö. Prof. f. Pharmakologie u. me­ diz. Chemie (Nf. Jaffé), WS. 1914/15 Berufung nach Frankfurt. – Forschungen zur physiologischen u. phar­ makologischen Chemie, entdeckte 1907 die Konsti­ tution des Eiweißspaltungsprodukts Tryptophan; Im­

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munitätsforschung, während des I. WK Therapie von Kampfgasvergiftungen. – Militär: 1892/93 Wehrdienst bayr. FAR, Res.­Offizier, Assistenzarzt d. Res. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 362; Bd. II, 72 f., 74–82; vita Diss; Ph. Ellinger 1924 (Bibl.); APB 897; BEN 2003, 194. Elster, Ludwig, Nationalökonomie * 26. 3. 1856 Frankfurt/M. † 20. 12. 1935 Jena V.: Karl E., hannov. Gesandtschaftsekretär am Bundes­ tag, nach 1866 Direktor einer Lebensversicherungs­ bank in Leipzig, M.: Amalie Nolte, ev. – ThomasG Leipzig 1875, german.­jur.­nat. ök. Stud. Göttingen, Leipzig, Jena, Prom. Dr. phil. ebd. 1878: Johann Cal­ vin als Staatsmann, Gesetzgeber und Nationalökonom. 1879 Sekret. Statist. Büro der Stadt Berlin, 24. 4. 1880 Habil. f. Nationalökonomie Halle bei J. Conrad: Die Lebensversicherung in Deutschland. Ihre volkswirt­ schaftliche Bedeutung und die Notwendigkeit ihrer ge­ setzlichen Regelung, AV: Die neuesten Modifikationen des Sparkassenwesens, SS. 1883 Dozentur TH Aachen, WS. 1883/84 b. ao. Prof. AUK (neues Extraord.), ob­ wohl nur tertio loco vorgeschlagen im WS. 1887/88 oö. Prof. Breslau (Nf. Wilhelm Lexis), 1897 PrMK (Vortr. Rat, Referent Hochschulabt., Nf. Althoff, aber erst nach dessen Ausscheiden 1908 wirklich selbständig in den Personalangelegenheiten der preuß. Universi­ täten entscheidend), einer der Initiatoren und Förderer des 1913 gegr. Kieler Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr, 1902–1914 in der Geschäftsführung der Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung, 1915 Initiator der Neueröffnung der Univ. u. TH War­ schau (mit poln. Personal u. in poln. Unterrichtsspra­ che), 31. 12. 1915 aus PrMK ausgeschieden, Hon. Prof. Jena. – Mit­Hg. Handwörterbuch der Staatswissen­ schaften (zuletzt in 4. Aufl. 1923–1929) und des Wör­ terbuchs der Volkswirtschaft (4. Aufl. 1931–1933); 1891–1897 Mit­Hg., 1915–1933 alleiniger Hg. der von seinem Lehrer Hildebrand 1863 begründeten, von Conrad ab 1878 fortgeführten Jahrbücher für National­ ökonomie u. Statistik; noch in Königsberg begründet, die „Staatswissenschaftlichen Studien“ (bis 1900 von ihm hg., 38 Hefte); als besonderes Arbeitsgebiet in Breslau und noch im PrMK trat „immer mehr das Be­ völkerungsproblem“ hervor (Albrecht). – 1897 GRR, RA II m. Eichenlaub, KrO II, Sächs. Albrechtsorden, Dr. theol. h. c. Münster, Dr. med. h. c. Breslau, Dr. sc. pol. h. c. Kiel. – Politisch: Konservative Partei, nach 1918 DNVP, 1933 FMSS. – Militär: Lwr. – oo 1881 Helene Thöle (1859–), 3 T, 2 S (1882–1895); ein Bru­ der Ernst E. (1860–1940), Prof. f. Dt. Philologie Mar­ burg (1901–1928).

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BABL, R 4901, 13261/2021; GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. VI, 212 (Habil.); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 35 (335 Br. an Althoff, 1883– 1908); Weisfert 56; Albrecht 1936 (Bibl.). Endemann, Friedrich, Rechtswissenschaft, Bürger­ liches und Römisches Recht * 24. 5. 1857 Fulda † 31. 10. 1936 Heidelberg V.: Wilhelm Samuel E. (1825–1899), Prof. f. Zivilrecht Bonn, nationalliberaler Abgeordneter im Norddt. u. Dt. Reichstag 1867–1874, M.: Kathinka Pult (1834– 1909), Sohn ev.­ref. getauft. – 1877 G Bonn, jur. Stud. Jena, Bonn, FWU, 23. 5. 1880 StE OLG Köln, Referendar 1880/86, Prom. Bonn 1. 4. 1882: Beiträge zur Geschichte der Lotterie und zum heutigen Lotte­ rierechte. 1886 Gerichtsassess., 17. 10. 1886 Habil. f. Röm. u. Dt. Bürgerliches Recht FWU (gefördert durch Ernst Wilhelm Eck): Die Lehre von der emp­ tio rei speratae und emptio spei, PV: Über den Begriff des alcutorischen Vertrages, insbes. der civilrechtlichen Unterscheidung von Spiel und Wette, AV: Die Fortbil­ dung römischrechtlicher Grundsätze im französischen Civilrechte. WS. 1888/89 b. ao. Prof. AUK, 1892 oö. Prof. ebd., WS. 1895/96 Halle, SS. 1904 Heidelberg, 1917/18 Rektor, 1924 em. – Mit → Gareis 1895: Einführung in das Studium des Bürgerlichen Gesetz­ buchs für das Deutsche Reich, Tl. 1 von E.: Einfüh­ rung – Allg. Teil. – Recht der Schuldverhältnisse; aus diesem kurzgefassten Lehrbuch, wesentlich erweitert in 3. Aufl. und von E. allein geschrieben 1898/99 das ‚Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts‘ (3 Bde., bis 1923 neun Aufl.). E.s Familienrecht orientiere sich am Ideal des „einheitlichen, kraftvollen, an Leib und Seele ge­ sunden, in Familie und Heimat gebundenen Volkes“ – das sei der „Leitstern, unter dem sein rechtliches Schaf­ fen an den Ordnungen des Volkes“ gestanden habe. Daher auch Anteilnahme an ärztlichen­psychiatrischen Fragen (1904: Entmündigung wegen Trunksucht) und frühe Ansätze zu einer erst ab 1933 realisierten Ehe­ gesundheitsgesetzgebung (Ulmer). Umfangreiche Gut­ achtertätigkeit (Erbrecht, Recht des ländlichen Grund­ besitzes, ab 1924 auch gewerblicher Rechtsschutz). Maßgeblich bei der Errichtung der Stiftung Heinrich Lanz beteiligt, die finanzielle Grundlage der 1909 ge­ gründ. Heidelberger Akademie der Wissenschaften. – Politisch: Bis 1918 Sympathisant der Freikonservativen Partei, Frühjahr 1919 öffentliche Stellungnahme gegen die Annahme der Versailler Vertragsbedingungen, seit­ dem „Kampf um die Wiedererhebung“ Deutschlands, redete häufig vor allen Heidelberger Korporationen mit dem Ziel, „das Studententum in einer einheitlichen na­ tionalen Front zusammenzufassen“. „Früh schon tritt er in Fühlung mit führenden Männern der national­

sozialistischen Bewegung“. „Keine Stunde des Kollegs läßt er […] vorüber, ohne auf die nationalen Notwen­ digkeiten zu verweisen […]. In der römischen Rechts­ geschichte selbst zieht er die Parallele zu den Epochen des Verfalls und des Wiederaufstiegs.“ „Verbindungs­ linie“ erkennbar zwischen E.s rechtsdogmatischen Positionen im Familien­ u. Erbrecht und „wichtigen Grundforderungen nationalsozialistischer Rechtser­ neuerung“ (Ulmer). – Militär: Wehrdienst 1880/81 Hess. FAR Kassel, freiwillige Meldung 1914, als Lt. d. R. Kompanieführer in einem Landsturmbat., 1914/15 Westfront, 1915/18 Vortragsredner in Lazaretten. – oo 1888 Emilie Caspersen (1864–1918), Tochter eines Generalkonsuls in Oslo, 2 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 49, Bd. II, 139 f. (Habil.); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 36 I (29 Br. an Althoff, 1887–1904); Ulmer 1938 (Bibl., P); NDB IV, 491 f.; Drüll 59 f.; Hofer 1993; APB 1775 f.; Schroeder 2010, 310–315 (P). Erbkam, Wilhelm Heinrich, Theologie, Dogmen­ u. Kirchengeschichte * 8. 7. 1810 Glogau/Schlesien † 9. 1. 1884 Königsberg V.: Geh. Regierungsrat, M.: Tochter des Bischofs Fried­ rich S. G. Sack (1738–1817), Schwester des Oberkon­ sistorialrats Karl Heinrich Sack (1789–1875), Schleier­ macher­Schüler und Vorkämpfer der Preuß. Union, Schwägerin des preuß. Kultusministers (1840–1848) Friedrich von Eichhorn (1779–1856), ev.­reform. – 1828 G Bonn, wo er sich bei seinem Onkel K. H. Sack auf das theol. Stud. vorbereitete, das er in Bonn bei Nitzsch u. Bleek begann, 1829/30 FWU bei Schleiermacher, Marheineke, Neander, 1834/36 Pre­ digerseminar Wittenberg, unter Einfluß des Direktors Rothe Beschäftigung mit protestantischer Mystik und Sektenwesen, 1837 Lic. theol. FWU, 1838 mit einer Arbeit über ‚Leben und Lehre des Kaspar Schwenck­ feld‘ Habil. FWU, PD u. Prediger an der Werderschen Kirche, Engagement gegen die rel. Sekte der „Licht­ freunde“ an der Seite Hengstenbergs, WS. 1847/48 b. ao. Prof. AUK, WS. 1855/56 ord. Prof. ebd. (Nf. Jacobi). – Hauptwerk: Die Geschichte der protestan­ tischen Sekten im Zeitalter der Reformation (1848), AV 1856: Der Wert kirchengeschichtlicher Arbeiten für die theologische Wissenschaft und das kirchliche Leben; Akad. Rede zum 300. Todestag Melanchthons: Melanchthons Verhältnis zu Herzog Albrecht von Preu­ ßen und zur Königsberger Universität (1860) sowie: Zu Schleiermachers 100jähriger Geburtstagsfeier am 21. November 1868; Artikel zu Herzogs Theol. RE, Ebel­Diestelsche Bewegung („Muckertum“, bes. in Kö­ nigsberg). – 2/1857 KR, Vertreter der TheolFak in der ao. Generalsynode 1875 und in der ersten ord. Gene­

Catalogus Professorum ralsyn. 1879. – oo 1849 Klara von Harlessem, Tochter eines Hildesheimer Arztes aus „althannöverscher Adels­ familie“. RE3 V, 448–450; Weisfert 57; APB 166. Erdmann, Oscar, Deutsche Philologie * 14. 2. 1846 Thorn † 13. 6. 1895 Kiel V.: Hans Hermann E. (1815–1882), Pastor, Superin­ tendent, M. Rosa Hoppe, ev. – 1863 G Thorn, klass. u. germ. philol. Stud. Leipzig, FWU, AUK, 1867 StE Latein, Griechisch, Deutsch, 1867 Prom. AUK: De Pindari usu syntactico, cap. quinque (R.: Schade), 1867 Probekandidat FC, 1868–1874 Gymn.lehrer Graudenz, 1874 –1885 Oberlehrer WilhelmsG Königsberg, Habil. f. deutsche Sprache u. Literatur AUK 1883, ohne Arbeit, Vortrag 13. 6. 1883: Über die Textkritik und die litte­ rarische Würdigung von Otfrieds Evangelienbuch, PV 20. 6. 1883: Über die geschichtliche Entwickelung der deutschen Syntax, 1885 b. ao. Prof. Breslau, 1885–1889 Schriftleiter der nationallib. Zs. Nord und Süd, 1889 oö. Prof. Kiel (Nf. Friedrich Vogt). – Ließ sich vom Otfried­ Enthusiasmus seines Lehrers Schade anstecken und wid­ mete dem althd. Geistlichen und Dichter Otfried von Weißenburg (9 Jh. n. Chr.) sein Hauptwerk: Untersu­ chungen über die Syntax der Sprache Otfrids, 2 Bde., Halle 1874/76 (ND 1973), 1886: Grundzüge der deut­ schen Syntax nach ihrer geschichtlichen Entwicklung dargestellt. – Militär: Kriegsdienst 1870/71. – oo 1871 Martha Höltzel, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 140 f.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 37 II (9 Br. an Alt­ hoff, 1883–1889); Ludwich 1896; Gering 1896; Weis­ fert 57 f.; APB 167; Volbehr/Weyl 151; IGL I, 444 f. Erler, Georg, Mittlere und neuere Geschichte * 1. 1. 1850 Krögis bei Meißen † 30. 6. 1913 Münster V.: Heinrich E. (1818–1888), Tierarzt, Dozent Tier­ arzneischule Dresden, M: Clementine Schmieder (gest. 1890), ev. – G Kreuzschule Dresden 1868, hist.­alt­ philol. Stud. Leipzig (Voigt, Wuttke, Ritschl, Lipsius), 24. 10. 1874 Prom.: Quaestiones de Xenophontes libro de republica Lacedaemonorium, 1874–1884 Oberleh­ rer NikolaiG Leipzig, 1884–1886 archival. Studien Pa­ ris, Brüssel, Wien zur Geschichte der Konzilszeit, 1886 Habil. Leipzig: Die historischen Schriften Dietrichs von Nieheim (Druck 1887, ND 1977), AV 19. 2. 1887: Die Entwicklung der Konzilsidee im Mittelalter, 4. 7. 1890 nb. ao. Prof. ebd.; WS. 1892/93 ord. Prof. f. Geschichte AUK (Nf. v. Below), WS. 1902/03 oö. Prof. Münster, 1907/08 Rektor. – Frühneuzeithistoriker, Hg. der Uni­ versitätsmatrikel der Universitäten Königsberg (3 Bde., 1910–1917) u. Leipzig (1908 ff.), Plan zur einer Ge­

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schichte der Universität Leipzig blieb unausgeführt. Vorsitzender der Hist. Kommission Westfalens, 1907 ff. Hg. Beiträge für die Geschichte Niedersachsens und Westfalens. – 1907 GRR. – Politisch: Nationalliberal, in Münster nachhaltiger Einsatz für „unbemittelte Stu­ dierende“, 1911 Gründung einer Mensa academica. – Militär: Kriegsfreiwilliger 1870/71. – oo I. 1878 Mat­ hilde Daenicker, geb. Gontard (1842–1895), II. 1902 Anna Lehmann (1877–1965), 2 S, darunter Georg Heinrich Joh. (1905–1981), Prof. Dr. iur., Rechtshi­ storiker, 1 T. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 56; Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVI, 156–172; Bd. XVII, 77–79; Weisfert 58; APB 167; DBE III, 153; Blecher 2000. Esmarch, Erwin von, Medizin, Hygiene * 12. 3. 1855 Kiel † 4. 2. 1915 Göttingen V.: Johann Friedrich v. E. (1823–1908), Prof. d. Med. Kiel, M.: Anna Stromeyer, ev. – G Hannover 1876, med. Stud. Heidelberg, Kiel, Straßburg, ebd. Prom. 1881: Das binokulare Sehen bei Anisometropie; 1882 Assist. Univ.­Augenklinik FWU (Schweigger); 1885– 1889 Assist. R. Koch, 1889 Kustos Hyg. Museum Berlin; Febr. 1890 Habil. f. öffentl. Gesundheitspflege FWU, AV: Ueber den gegenwärtigen Stand der Desin­ fektionsfrage; WS. 1891/82 b. ao. Prof. f. Hygiene u. Bakteriologie AUK (Nf. Fraenkel), 1897 oö. Prof. ebd., 1899 Göttingen. – Bes. Verdienste um die Desinfek­ tionslehre, vor allem Wohnungshygiene, Diphteriedia­ gnose, 1896: Hygienisches Taschenbuch. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 50, Bd. IV, 86 f.; ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. IX, 127–129; Pagel 474 (P); BLÄF I, 376. Ettlinger, Emil, Bibliothekar, UBK * 19. 12. 1872 Karlsruhe † 1944 England Hist.­germ. Stud. Straßburg, Prom. ebd. 1896: Der sog. Anonymus Mellicensis de scriptoribus ecclesi­ asticis, 1899 Volontär LB Karlsruhe, 1899 Hilfsarb. ebd., freiw. Hilfsarb. SBB 1901, 1905 ebd. Hilfsbibl. u. 15. 5. 1905 Bibliothekar UBK (Nf. Kuhnert), 1908 Bibl. Göttingen, 1909 Bibl. UBK, 1. 4. 1915 nach Greifswald versetzt, 1920 Halle, aufgrund § 4 BBG 1936 pensioniert, 1939 Emigration. GStA, Rep. 76Vd, Nr. 2, Bd. VIII; Chronik AUK; Habermann 73. Faber, Georg, Mathematik * 5. 4. 1877 Kaiserslautern † 7. 3. 1966 München V.: Max F., Kaufmann, M.: Marie Hamm, ev. – 1896 HG Birkenfeld, mathem. Stud. TH München, Göttin­

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gen 1896–1901, Prom. München 1902: Über Reihen­ entwicklungen analytischer Funktionen, 1901/02 Assist. TH München, 1902–1905 Gymnasiallehrer Traunstein, Würzburg, 10/1905 Habil. f. Mathematik TH Karlsruhe: Über die zusammengehörigen Konver­ genzradien von Potenzreihen mehrerer Veränderlicher, WS. 1909/10 b. ao. Prof. Tübingen, WS. 1910/11 oö. Prof. TH Stutgart, SS. 1912 AUK (Nf. Schoenflies), WS. 1913/14 Straßburg, SS. 1916–1946 TH Mün­ chen. – Militär: Dienstuntauglich ausgemustert. – oo1913 Gertrud Klinger, 2 T, 1 S. (1915–1923). BABL, R 4901, 13262/2176; BEN 2003, 211. Falkenheim, Hugo, Medizin, Kinderheilkunde * 4. 9. 1856 Pr. Eylau † 22. 9. 1945 Rochester/USA V.: Albert F., Arzt, Sanitätsrat, M.: Rosa Lehmann, jüd.. – 1874 KneipG, med. Stud. Straßburg, AUK, Prom. ebd. 29. 1. 1881: Zur Lehre von der Nervennaht und der Prisma intentio nervorum. 1. 1. 1882 Assist. Med. Poliklinik (Bohn), 1885 Habil. f. Innere Medi­ zin ebd:, seit 1888 Hinwendung zur Pädiatrie, 1896 nb. ao. Prof., 1921–1924 oö. Prof. ebd., 1895–1935 Lt. Arzt Innere Abt. St. Elisabeth KHS. – Politisch: ab WS. 1874/75 Burschenschaft Germania (das Band 1933 zurückgegeben), nach 1918 Vorsitz des Cen­ tralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens in Königsberg, bis Oktober 1941, dann mit seiner Frau Auswanderung über Barcelona u. Kuba in die USA. – Militär: 1877/78, 1880 Wehrdienst, Unterarzt d. R. im ostpr. FAR Nr. 1, 1884 Assistenzarzt I. Kl. d. Res., 1914–1915 Oberstabsarzt d. R., 1915 Chefarzt Festungshilfslazarett VI Königsberg bis 31. 12. 1918. – ooMargarethe Caro, 1 S, → Curt F. (Bd. II), 1 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 133; Pagel 484 f.; Roß 1913, 59; Scholz/Schroeder 1970, 95–97 (P); APB 901. Falkson, Robert, Medizin, Chirurgie * 11. 1. 1855 Königsberg † 25. 5. 1886 ebd. Altstädt. G 1873, med. Stud. AUK, 1878 StE u. Prom: Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Zahn­ anlage an der Kiefercyste. 1878/79 Assistent Privatkli­ nik Schneller Danzig. 1879–1885 Assistent Chirurg. Klinik AUK, 1881 Habil. ebd., AV: Das Vorkommen accidentieller Wundkrankheiten bei der modernen Wundbehandlung. Gestorben an Kehlkopf­ u. Lun­ genschwindsucht. Chronik 1886/87, 5; Weisfert 62. Favre, Jules, Lektor f. Französisch * 1843 † 1. 9. 1896 Königsberg

1879–1896 Lektor f. Französisch AUK. – oo N. N., 2 K., 1 S. Hermann (1882–), Dr. med. AUK 1907. GStA, Rep. 76Va, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 33–37, 56. Fetzer, Max, Medizin, Gynäkologie * 26. 3. 1878 Stuttgart † nicht ermittelt V.: Arzt. 1895 G Stuttgart, med. Stud. Tübingen, FWU, 1902 StE, 1903 Prom. Tübingen: Ueber die Widerstandsfähigkeit von Klängen, insonderheit von Vocalklängen gegenüber schädigenden Einflüssen, 1903–1906 Assist. Univ. Frauenklinik Straßburg, 1907–1912 Univ. Frauenkl. Tübingen, 1. 12. 1912 Assist. Univ. Frauenkl. AUK, Habil f. Gynäkologie 23. 7. 1913. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 161. Feustell, Wilhelm, Bibliothekar, UBK * 25. 8. 1872 Braunschweig † 25. 12. 1938 Königsberg Neuphil. Stud., Prom. Greifswald 1898: Beiträge zur Textkritik des ‚Gui de Bourgogne‘. 1904 LB Wolfen­ büttel, 1906 UB Greifswald, 1907 Breslau, 1909 UB FWU, 1913 Greifswald, als Nf. Ettlingers zum 1. 4. 1915 an UBK versetzt, 1915/16 wg. Krankheit beurlaubt, bis zum Ruhestand 1937 an UBK. Berichte UBK 1915–1929; Habermann 76. Fiebach, Otto, Akad. Musiklehrer * 9. 11. 1851 Ohlau/Schlesien † 10. 9. 1937 Berlin V.: Militärmusiker. – Volksschullehrerausbildung, Mu­ siklehrer Präparandenanstalt Stargard/Pomm., 1885 Königsberg, Organist Altroßstädter Kirche, akade­ mischer Musikdirektor AUK 1911; 1912 Leitung des neugebildeten städt. Orchesters, Musikkritiker. „Als Meister des strengen Kontrapunktes (Palaestrina­Stils) hat er auf die jüngere ostpr. Komponistengeneration lehrhaft eingewirkt […]“. Die neuromantische Ent­ wicklung in der Tonkunst (Wagner, Liszt, Bruckner, Pfitzner, Strauß) lehnte er ab. 1901: Physiologie der Tonkunst, 1921: Die Lehre vom strengen Satz; kompo­ nierte Dutzende von Opern und Oratorien. Bis 1936 in Königsberg, im letzten Lebensjahr bei seinem Sohn in Berlin. – oo N. N., mindestens 1 T Martina (1886), Dr. med. AUK 1911, 1 S Rainer (1888). Weisfert 63; KW 1917/18, 72 (P); APB 182. Flamand, Claude, Lektor für Französisch * 31. 5. 1861 Paris † nicht ermittelt V.: Claude Fl., M.: Claudia Lattaud, kath. – Jugend und Studienzeit Fontainbleu, Paris, Tours, Schuldienst,

Catalogus Professorum mediz. Stud. England, Deutschland, med. Prom. FWU 8. 8. 1899: Ueber den Wert der Ehrlich’schen Diazore­ aktion und ihre Verwendung am Krankenbett für Dia­ gnose und Prognose der verschiedenen Krankheiten, nach 1898 Sprachlehrer FWU (Konversationskurse Schultz­Gora), 1. 10. 1905 Lektor Französisch AUK, kriegsbedingt im August 1914 aus Königsberg ausge­ wiesen und als Lektor ausgeschieden. GStA, Rep. 76Va, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 204, 245; vita Diss. Fleischmann, Max, Rechtswissenschaft, Staats­, Ver­ waltungs­ und Völkerrecht * 5. 10. 1872 Breslau † 14. 1. 1943 Berlin V.: Paul F., Kaufmann (lt. vita zur Habil.: Bürovorste­ her; lt. HLK ca. 1935: „jetzt ohne Beruf (86 Jahre)“), M.: Mathilde Schönlanck, jüd. (ev. getauft). – Schul­ besuch in Breslau, Magdeburg, Abitur HG Kroto­ schin/Posen 1891, 1891–1895 nationalök., jurist., hist. Studium Breslau, vor allem bei S. Brie, → Dahn, Som­ bart, → Elster, → Gerlach, Wlassak, OLG­Rat Fischer. Referendariat an schles. Gerichten im OLG Bezirk Breslau (Brieg, Hirschberg, Breslau), 5. 12. 1895 StE, 15. 6. 1896 jur. Prom.: Vom Pignus in causa judicati captum (angeregt von M. Wlassak, gewidmet seinen „teuren Eltern“). 1899 Gerichtsassessor, 1900 Hilfsrich­ ter LG Halle, 22. 4. 1905 Amtsrichter. 1. 5. 1902 Habil. f. Staats­ u. Verwaltungsrecht Halle, kumul. aufgrund veröffentl. Arbeit, insbes. Der Gang der Gesetzgebung in Preußen (1898), AV: Friderizianischer Sozialismus, 20. 6. 1908 Tit. Prof., WS. 1910/11 Vertretung AUK, SS. 1911 b. ao. Prof. f. Staats­ u. Verwaltungsrecht ebd. (Nf. Lukas), SS. 1917 oö. Prof. ebd. (Nf. Kaufmann), 1921 Halle, 1925/26 Rektor, 1935 zwangsemeritiert, seit 1940 Beziehungen zu militär. Widerstandskreisen, Freitod 1943 aus Angst vor Deportation. – Hg. Wör­ terbuch des deutschen Staats­ und Verwaltungsrechts, 2. Aufl. 1911–1914. Bearb. von Liszts Lehrbuch ‚Völ­ kerrecht‘ (12. Aufl. 1925), kurz vor Beginn des I. Welt­ krieges stärkere Hinwendung zum Völkerrecht; 1914: Der Maskat­Fall, 1918: Die Alandfrage, 1925 Rekto­ ratsrede: Einwirkungen auswärtiger Gewalten auf die deutsche Reichsverfassung, 1930 Bevollmächtigter des Dt. Reiches bei der Staatenkonferenz zur Koordina­ tion des Völkerrechts im Haag. – Politisch: Mitglied (1904) und Hauptvorstandsmitglied der Dt. Kolonial­ Gesellschaft, Vorsitz OG Königsberg, in Ostpreußen 1919/20 öff. Agitation für die Rückgabe der aufgrund des Versailler Diktats an die Entente­Mächte abgetre­ tenen dt. Kolonialgebiete, überdies (lt. HLK): „nach dem Krieg in Schrift und Wort, im Hörsaal und in der öffentlichen Versammlung im Kampf gegen Versailler Kriegsschuldlüge, Gebietsverstümmelung, Ausliefe­

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rung der sog. Kriegsverbrecher, Reparationen“, „konnte durch Gutachten auch zu einer fühlbaren Entlastung von Ersatzansprüchen […] beitragen“. – Militär: Wehr­ dienst 1892/93 GR (2. Schles.) Nr. 11, 1914 einge­ zogen zum Artilleriedepot Königsberg, 1915–1917 Militärrichter Gouvernementsgericht Königsberg, EK II. – oo Anna Josefine Guglielmini (1874–; kath.) aus Bologna. BABL, R 49.01, 13262/2421; GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 36, Bd. II, 337–339; ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19; Vademecum 55 f.; RHB I, 453f.; Kisch 1975; Walk 93; Göppinger 1990, 231; Pauly 1996. Fleischmann, Wilhelm, Agrarwissenschaften, Milch­ wirtschaft * 31. 12. 1837 Erlangen † 13. 1. 1920 Göttingen V.: Friedrich Ludwig Fl. (1806–1886), habil. Arzt, Medizinalrat, M.: Caroline Wagner (1811–1887), ev. – 1856 G Nürnberg, naturw. Stud. Würzburg, Erlan­ gen, München 1856–1860, Lehramt Staatsprüfungen, 16. 5. 1861 Prom. Tübingen: Methoden der Bestim­ mung des Maßes und der Schwerkraft der Erde, 1861– 1863 Arbeit am Münchner Labor Justus v. Liebigs. 1863 Lehrer Naturw. RG Memmingen u. Vorstand der dortigen lw. Versuchsstation. 1867 Rektor Realschule Lindau/Bodensee, lw. Wanderlehrer für Vorarlberg, Leiter Allgäuer Alpen­Versuchsstation. 1876 Raden/Kr. Güstrow, Meckl., Gründung einer privaten milchwirt­ schaftl. Versuchsstation. 1882 Prof. (Tit.), SS. 1886 oö. Prof. AUK (Nf. v. d. Goltz), Gründer eines Labors für Chemie u. Bakteriologie der Milch (Kleinhof, Tapiau), WS. 1896/97 Göttingen. – Begründer der Milchwis­ senschaft, Hauptwerke: Das Molkereiwesen, ein Buch für Praxis und Wissenschaft (1879), Lehrbuch der Milchwirtschaft (1893, bis 1932 sieben Aufl.). In Göt­ tingen Arbeiten zur Geschichte der Agrarwissenschaft bzw. zur Agrargeschichte, u. a. 1911: Caesar, Tacitus, Karl der Große und die deutsche Landwirtschaft. – 1888 RA IV, 1894 GRR. – oo1866 Anna Harleß, 4 T: Betty oo 1890 Pfr. Hermann Glüer aus Gergehnen/Kr. Osterode, Maria oo 1889 → P. Volkmann, Milla (gest. nach 1941), Helene (gest. 1896), 1 S Adolph (1866), Dr. med. AUK 1894. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 195–197, Nr. 21661, 116–120; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 41 (44 Br. an Althoff, 1885–1901); Chronik Univ. Göttingen 1894/95, 6; Weisfert 64 f.; Schuler 1942; Müller/ Klemm 1988, 160–168 (P); Böhm 1997, 66; BEN 2003, 231; Gerber 2004, 190 f.

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Fraenkel, Carl, Medizin, Hygiene, Bakteriologie * 2. 5. 1861 Charlottenburg † 29. 12. 1915 Hamburg V.: Max Fr., Fabrikbesitzer, M.: Mary Nolte, jüd., ev. konv. – 1879 SophienG Berlin, med. Stud. FWU, Heidelberg, Freiburg, Leipzig (Cohnheim), Prom. ebd. 19. 3. 1884, 1885 Assist. Hyg. Institut FWU, Habil. f. Hygiene ebd. 6. 11. 1888: Der Einfluß der Kohlensäure auf die Lebensthätigkeit der Mikroorganismen, b. ao. Prof. AUK WS. 1889/90 (auf das pädiatr. Extraordi­ nariat H. Bohn), WS. 1891/92 oö. Prof. Marburg, SS. 1895–1915 Halle. – Grundriß der Bakterien­ kunde, 4. Aufl. 1892, mit → R. Pfeiffer, Mikrosko­ pischer Atlas der Bacterienkunde (2. Aufl. 1893/95), mit → Esmarch Hg. Hygienische Rundschau (1891 ff.). – 1901 Med.assessor im Medizinalkollegium der Prov. Sachsen, 1903 GMR, RA IV, Landwehrdienstauszeich­ nung, Ritter I. Kl. Anhalt. Hausorden. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 50, Bd. IV, 64–67; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 43 II (63 Br. an Althoff, 1887–1907); Weisfert 65; Pagel 537 f. (P); Vademecum 90–94; Wininger II, 289; Gundlach 271; BLÄF I, 434. Frangenheim, Paul, Medizin, Chirurgie * 4. 7. 1876 Bochum † 28. 10. 1930 Köln V.: Johann F., Direktor Baugewerkschule Erfurt, M.: Anna Maria Wallè, kath. – G Aachen, med. Stud. Bonn, FWU, 1903 StE u. 29. 5. 1903 Prom. FWU: Über stieltorquierte Ovarialtumoren, 1. 8. 1906 As­ sist. Chirurg. Univ. Klinik AUK, 23. 7. 1908 Habil. f. Chirurgie ebd., Mai 1911 Förderung von 600 M. für Forschungen zur „Veränderung am erkrankten Kno­ chen“. 1911 Wechsel mit Payr nach Leipzig, 1913 Prof. f. Chirurgie Akademie f. praktische Medizin Köln, 1919 oö. Prof. Univ. Köln, Direktor Chirg. Univ.kli­ nik (Augustahospital), 1920/21 Dekan. – Hauptwerk: Die Krankenheiten des Knochensystems im Kindes­ alter (1913), ferner zu Erkrankungen und Chirurgie der Brustdrüse, Chirurgie der Niere. – Militärisch: 1914–1918 berat. Chirurg, EK II. – oo1917 Margare­ the Steinmetz, 5 S, 3 T. GStA …, Nr. 24, Bd. II, 250 f., Bd. III, 58, 109; RHB I, 602 (P), BLÄF I, 598. Franke, Rudolf Otto, Sanskrit, Indologie * 24. 7. 1862 Wickerode/Harz † 5. 2. 1928 Königsberg V.: Alexander Fr., M.: Clara Osterloh, ev. – Latina der Frank. Stiftungen Halle 1881, altphil., german.­hist. Stud. Bonn (Usener, Kekulé), Göttingen (Wilamowitz­ Moellendorff, Sauppe), durch Kielhorn zur Indologie, 3. 11. 1885 Prom.: Hemacandra’s Lingânuçâsana mit

Kommentar und Übersetzung [Edition eines gram­ matischen Lehrgedichts des jainistischen Grammati­ kers Hemacandra], Habil. f. Arisch­Indische Sprachen FWU 5. 12. 1890: Die indischen Genuslehren mit dem Text der Lingânuçâsana des Câkatâyana, Harshavard­ hana, Vararuci, nebst Auszügen aus den Kommentaren des Yakshavarman und des Cabarasvâmin und mit einem Anhang über die indischen Namen, sowie: Die Casus­Lehre des Pânini. SS. 1896 b. ao. Prof./pers. Ord. f. Sanskritwissenschaft AUK (Nf. Garbe). – Seit 1892 intensive Studien zur Pali Grammatik, 1902: Geschichte und Kritik der einheimischen Pali Gram­ matik und Lexikographie, sprachhist. Verhältnis zwi­ schen Sanskrit und Pali, Quellen des Pali­Buddhismus, Erforschung der Entstehungsgeschichte des Buddhis­ mus, „Haltung der radikalen Kritik“, da weder etwas über Buddha noch die Genese seiner Lehre gesichert ausgesagt werden könne, daher von v. Glasenapp ge­ schätzt bei der Abwehr des Dilettantismus, mit dem „verführte“ Europäer sich auf die buddhistische Heils­ lehre gestürzt hätten. 1913 Hg. des wichtigsten buddh. Lehrtextes (Dighanikaya), 1923 Übersetz. u. Kom­ ment. eines buddh. Spruchbuches (Dhammapada). 1978: Kleine Schriften, 2 Tle.. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. VIII, 284–287 (Habil.); Glasenapp/Schaeder 1929 (Bibl.); APB 192; Franke 1978, VII–XVI (Bibl.); Stache­Rosen 1990, 147–149 (P). Franz, Julius, Astronomie * 28. 6. 1847 Rummelsburg/Pommern † 28. 1. 1913 Breslau V.: Arzt u. Kreisphysikus, ev. – 1867 G Köslin, naturw.­ mathem. Stud. Greifswald, Halle, Breslau, FWU (bei Kummer u. Weierstraß „reine Mathematik“), Prom. Halle 1872: Ueber das Foucualt’sche Pendel; ab 1873 astronomische Studien (Tietjen, Foerster). 1874 Assist. Sternwarte Neuchâtel (Zeitdienst), 1876 Observator Sternwarte AUK, 1882 Ltr. Expedition nach South Ca­ rolina (Beobachtung des Venusdurchganges). 1/1889 Habil. AUK: Die Constanten der physischen Libra­ tion des Mondes, AV: Ueber den Einfluß Bessels auf die Entwicklung der Astronomie, 1892 nb. ao. Prof. ebd., 1897 oö. Prof. Astronomie Breslau. – Seit der Königsberger Zeit konzentriert auf die Erforschung des Mondes, „Hauptergebnisse der Forschung“ für ein breites Publikum zusammenfassend: Der Mond, 1912, 1913: Die Randlandschaften des Mondes. – oo Marga­ rethe Succo, mindestens 1 S, Viktor Fr. (1883–1950), Prof. Zoologie Jena 1919–1945. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 235; Weisfert 65 f.; Rechenberg 1913/14; APB 193.

Catalogus Professorum Frey, Walther, Innere Medizin * 10. 1. 1884 Bern † 1. 9. 1972 Oberhofen am Thuner See Med. Stud. Würzburg, München, Bern, ebd. Prom. 1908. Mit Schittenhelm an AUK, ebd. 22. 7. 1912 Habil. f. Innere Medizin: Zur Diagnostik der Leber­ krankheiten, 1916 nb. ao. Prof., 1929 ord. Prof. Bern, Rektor 1940, em. 1954. – Schwerpunkte: Herz­, Milz­, Nierenpathologie, wichtigste seiner Innovationen war die Einführung des Chinidins in die Behandlung von Herzrhythmusstörungen (1918, kurz nachdem er die AUK verlassen hatte, div. Posten als KHS­Arzt in West­ deutschland bekleidend). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 123, 233, 244 (Antrag Ernennung zum ao. Prof. 29. 11. 1915 mit Bibl.); BLÄF 448 f.; Voswinckel 2002, 455. Friedberger, Ernst, Medizin, Hygiene * 17. 5. 1875 Gießen † 25. 1. 1932 Berlin V.: Max F., Kaufmann, M: geb. Meyerfeld, jüd. – 1894 G Gießen, med. Stud. FWU, Gießen, München, Würz­ burg, StE u. Prom. 1899: Über den Säuregrad und Pep­ singehalt des Harns bei Erkrankungen des Magens (R.: Riegel), prakt. Jahr Gießen, Berlin, 1. 7. 1900 Assist. Bakt. Abt. Inst. f. med. Diagnostik FWU, 1. 4. 1902 III. Assist. Hyg. Inst. AUK (Pfeiffer); 1. 10 1902: II. Assist., 4. 3. 1903 Habil. f. Hygiene u. Bakteriolo­ gie, AV: Die theoretische Grundlage der Immunitäts­ lehre, 14. 2. 1908 Antrag nb. ao. Prof., Verdienste um Forschungen zur Typhusschutzimpfung des Menschen, 29. 2. 1908 Tit.­Prof., 1. 7. 1908 Leiter Abt. Immuni­ tätsforschung u. Exper. Therapie Pharmakol. Institut FWU, 1913 Abteilungsvorsteher ebd., WS. 1915/16 oö. Prof. Greifswald (Nf. Paul H. Römer), 1919/20 Dekan, 1923 Disziplinarunteruchung gegen Fr. wg. sexueller Übergriffe, 1924 kurzzeitig amtsenthoben, nach Verweis Wiedereinsetzung, 1925 Beurlaubung, 1. 4. 1926 Direktor Preuß. Forschungsinstitut f. Hy­ giene u. Immunitätslehre Berlin Dahlem. – Die Me­ thoden der Schutzimpfung gegen Typhus, Darstellung der Impfstoffe usw., in: R. Kraus (Hg.), Handbuch der Immunitätsforschung, Bd. I, 1908; 1918: Fleckfiebere­ pidemien in Pommern, 1919 mit Pfeiffer: Lehrbuch für Mikrobiologie, 1919: Zur Entwicklung der Hygiene im Weltkrieg, 1923: Untersuchungen über Wohnungs­ verhältnisse, insbesondere über Kleinwohnungen und deren Mieter in Greifswald, 1931 Diphterieepidemien der letzten Jahre, das Heilserum und die Schutzimp­ fung, 1933: Immunitätsforschung, in: Hdb. d. biolog. Arbeitsmethoden Bd. XII/2,2. – Militär: Okt. 1914 bis Okt. 1915 berat. Hygieniker an der Westfront, EK II.

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GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 41, 174–178 [Bibl.], 235–237 [Bibl.]; ebd., Sek. 7, Tit. IV, Nr. 21, Adhib. 1, Bd. I (Disziplinarsache Fried­ berger, Greifswald); BLÄF I, 449 f.; LGH 2004, 62 f. Friederichsen, Max, Geographie * 21. 6. 1874 Hamburg † 22. 8. 1941 ebd. V.: Ludwig F. (1841–1915), Kartograph, Verleger, „er­ ster Vertreter des Kolonialgedankens in Hamburg“, M.: Elisabeth Kauffmann (Enkelin des Hamburger Land­ schaftsmalers Hermann K., verwandt mit der Familie Goethes), ev. – 1893 Johanneum Hamburg, geogr.­ naturw. Stud. Marburg, München, 1896/97 Famu­ lus bei v. Richthofen, FWU. Prom. ebd. 7. 12. 1898: Morphologie des Tien­Schan, I. Tl. (R.: v. Richthofen). 1897 erste Studienreise nach Zentral­Russisch­Asien, Ural, Kaukasus, Armenien; Sommer 1900: Bretagne u. zentrales Frankreich. 1. 8. 1903 Habil. f. Geographie Göttingen mit den Resultaten seiner zweiten ‚For­ schungsreise in den zentralen Tien­Schan und Dsun­ garischen Ala­tau (Russisch­Zentralasien) im Jahre 1902‘ im Rahmen einer russ. Expedition, PV: Über den Ural. Seit 1898 neben dem Studium wiss. Assistent der Hamburger Geographischen Gesellschaft, Mitre­ dakteur ihrer Mitteilungen. „Auch war er in dieser Zeit [1898–1903] mit dem Halten geographischer Vorträge im Auftrage der Hamburger Oberschulbehörde betraut gewesen.“ (Chronik). WS. 1906/07 b. ao. Prof. f. Geo­ graphie Rostock, SS. 1907 oö. Prof. Bern, SS. 1909 oö. Prof. Greifswald, SS. 1917 AUK (Nf. Hahn), SS. 1923 Breslau, 1. 10. 1937 em. – Schon in der Greifswalder Zeit Anknüpfung an akademische Anfänge in der Erforschung der Geographie Rußlands, insbes. der europäische Teil des Zarenreiches, später die daraus hervorgegangenen „Randstaaten“ und Polen. Von der naturw.­physischen Geographie zur politischen und Anthropogeographie übergehend, gerade in den Kö­ nigsberger Jahren. – Politisch: 1918 Mitbegründer DVP Ostpreußen, Werber für den Frw. Grenzschutz 1919, Rednereinsatz Heimatbund Ostpreußen zur Volksab­ stimmung 1920, 1918–1931: DVP, 1933 NSLB, 1937 wg. „jüdischer Versippung“ vorzeitig emeritiert. – Mi­ litär: Als ungedienter Landsturmmann im Sommer 1915 in einem Lwr­Regiment ausgebildet, 17. 10. 1915 Geologenstab II. AK. v. Strantz, 24. 11. 1915 wiss. Ltr. Landeskundl. Kommission beim General­Gouverneur Warschau, 1. 8. 1917 Kriegsgeologe, EK II am weiß­ schw. Bande. – oo 1907 Marianne Martius (1883–), Tochter des Rostocker Prof. f. Innere Medizin Friedrich M. (1850–1923) und Nichte des Kieler Prof. f. Psycho­ logie Götz M. (1853–1927), 1 T, 2 S. BABL, R 4901, 13263/2578; GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. IV, 117 f. (Habil.); GStA,

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VI. HA, Nl. Brackmann Nr. 8, 161 ff.; Chronik Univ. Göttingen 1903, 13; APB 911; L. Friederichsen 1941 (Autobiographie des Vaters); Czajka 1963; Schwarz 1955; BEN 2003, 249; LGH 2004, 63 f. Friedländer, Ludwig, Klassische Philologie * 16. 7. 1824 Königsberg † 16. 12. 1909 Straßburg/E. V.: Hirsch F. (1791–1871), Kaufmann, M.: Emma Levia Perlbach (1801–1863), jüd., ev. getauft. – 1841 FC, altphil. Stud. Leipzig (G. Hermann), AUK (Lo­ beck, Lehrs), Lehrer FC, 1847 Habil. AUK: De ope­ ribus anaglyphis in monumentis sepulcralibus Graecis, 1853/54 Studienreise Italien, 1856 ao. Prof., 1858 ord. Prof. ebd. (Nf. Lobeck), bis 1880 zugleich Prof. d. Eloquenz, 1892 em., mit Tochter und seinem Schwiegersohn, dem Kunsthistoriker Georg → Dehio nach Straßburg verzogen, ebd. HonProf. – 1882 GRR. – Hauptwerk: 1862–1871: Darstellungen aus der Sit­ tengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis zum Ausgang der Antonine (achte Auflage in vier Bänden von G. Wissowa hg., 1921–1923, zahlreiche Überset­ zungen und Neudrucke), 1869 die ersten beiden Teile bereits in dritter verm. Aufl.; für die Königsberger Uni­ versitäts­ und Geistesgeschichte wichtig: Erinnerungen, Reden und Studien (1905), ferner Ed. u. Kommentar zu Martial (2 Bde., 1886), mehrere Publikationen zur Homer­Kritik, alljährlich bis 1880 Programmschriften zum Lektionskatalog, überwiegend zur römischen Ge­ schichte u. Literaturgeschichte. – Politisch: 1875–1892 Vertreter der AUK im preuß. Herrenhaus, Anhänger des ostpreuß. „Fortschritts“­Liberalismus. – oo 1856 Laura Gutzeit, Tochter eines ostpr. Gutsbesitzers, mindestens 1 T Charlotte oo → G. Dehio, 1 S, Paul (1857–1923), Teerfarbstoffchemiker. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 43 f.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 46 (11 Br. an Althoff, 1887–1892); Weisfert 66 f.; Ludwich 1911; Wininger II, 337; NDB V, 453 f.; APB 909 f.; Lossau 1995; Ders. 1996 + 2001. Friedrich, Ernst Ferdinand, Philosophie, Pädagogik * 1831 Königsberg † nicht ermittelt 27. 7. 1859 Habil. f. Logik mit einer Abhandlung: Ueber die zeitgemäße Reform der Logik, PV: Die veränderte Stellung und Bedeutung, welche die Logik innerhalb der systematischen Philosophie erfahren hat, 1864: Beiträge zur Förderung der Logik, Noetik und Wissenschaftslehre (Rosenkranz, Trendelenburg u. Prantl gewidmet), PD bis 1874, unterbrochen 1865– 1871 durch Tätigkeit als Hauslehrer und Lehrer an Schulen in Königsberg u. bei Danzig; lebte von einem „kleinen väterlichen Vermögen“, das nach eigenen Angaben 1873 „immer mehr zusammengeschrumpft“

sei, kam beim PrMK deswegen um Unterstützung ein, nachdem PhFak ihm eine Remuneration von 100 Tl. versagt hatte, Januar 1874 Ablehnung einer Besol­ dung durch PrMK nach Votum der PhFak, da F. we­ der wissenschaftlich bedeutend sei noch Lehrerfolge erziele, seine Veranstaltungen wiesen 1–2 Hörer auf, Studentenschaft habe „keine Achtung vor ihm als wis­ senschaftlicher Persönlichkeit“ . Deswegen von PhFak auch 1871 F.s Selbstbewerbung um Nf. Ueberweg ab­ gelehnt. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. II, 187 f., 228, 255–261; Bd. III, 90–97. Friedrich, Paul, Medizin, Chirurgie * 26. 1. 1864 Roda/Sachsen­Altenburg † 15. 1. 1916 Königsberg 12. 1./3. 3. 1888 Approb., Prom. Leipzig, militärärzt. Laufbahn in der sächsischen Armee, 1889–1892 ab­ geordnet ans Kaiserl. Gesundheitsamt, path.­bakt. Abt. (Robert Koch), 1892 Assist. Chirurg. Univ. Klinik Leipzig (Thiersch), 28. 11. 1894 Habil. ebd., Assistenzarzt Chir. Klinik (Thiersch, Trendelenburg), 1. 10. 1896 nb. ao. Prof u. Leiter der Chir. Univ.­ Poliklinik, 1897 b. ao. Prof. ebd., AV: Das Verhält­ nis der experimentellen Bakteriologie zur Chirurgie, 1. 4. 1903 oö. Prof. f. Chirurgie Greifswald, 1. 10. 1907 Marburg, Dekan 1911, WS. 1911/12 AUK. Drei­ jährige bakteriologische Arbeit hat den Chirurgen Friedrich lebenslang geprägt. Erfinder der Operations­ handschuhe aus Gummi. Studien zur Wundheilung, Asepsis, in der Greifswalder Zeit, in Zusammenarbeit mit Sauerbruch, chirurg. Bekämpfung der Lungentu­ berkulose. „Kühner Operateur“ (Kirschner). Beitrag zum Handbuch der praktischen Chirurgie von v. Berg­ mann/v.Bruns (Verletzungen und Erkrankungen des Handgelenkes und der Hand). Während des 2. Balkan­ krieges 1913 kriegschir. Erfahrungen in den Lazaretten von Athen u. Saloniki. – GMR, Generaloberarzt à la suite. Teilnahme an den Schlachten von Gumbinnen und Tannenberg im August 1914 als beratender Chirurg des I. AK. Ausgeschieden 1915 aufgrund von Herzschwäche, deren Ursache in „chronischen Schrumpfnieren“ lag, Kuraufenthalte in Baden­Baden u. München, im Oktober 1915 zurück nach Königs­ berg. – Nach Kirschners Zeugnis hatte F. im Klinischen Hörsaal der Chir. Klinik die Kant­Worte anbringen lassen: „Außerhalb der Erfahrung wird kein Dokument der Wahrheit irgendwo angetroffen.“ – 1907 GMR. – oo 1900 Charlotte von Bülow (1878–1973), Tochter des Senatspräsidenten beim Reichsgericht Karl v. B. (1834–1908), 1 T Charlotte (1903–1945), Ärztin, 3 S: a. Carl Joachim (1901–1984), Prof. f. Staatslehre u. Po­ litik Harvard, Begründer der „Totalitarismustheorie“, b. Otto (1902–1975), Manager, 1969–1973 Präsident

Catalogus Professorum des Bundesverbands der Deutschen Industrie, c. Hans Eberhard (1907–1980), Publizist, Vorstandsvorsitzen­ der der Axel­Springer­Stiftung. Pagel 553 f.; Kirschner 1916a+b (P); Gundlach 197 f.; Worm 1976 (P); Tilitzki 2008. Fühner, Hermann, Medizin, Pharmakologie * 10. 4. 1871 Pforzheim † 11. 1. 1944 Bonn V.: Hermann F., Goldwarenfabrikant, M.: Julie Arm­ bruster, ev. – HG Pforzheim 1889, Apothekerlehre u. Gehilfe in Stuttgart, Genf, 1892–1895 Stud. Chemie, Pharmazie Genf 1892–1895, Prom. Dr. phil. ebd. mit einer Arbeit über organische Farbstoffe (R.: → K. Gra­ ebe) 1895, pharmazeut.­med. Stud. FWU, Straßburg, 1895–1902, Approb. 3. 11. 1902, med. Prom. ebd. 1903 bei Oswald Schmiedeberg: Lithotherapie. Histo­ rische Studien über die medizinische Verwendung der Edelsteine [zur Behandlung von Steinleiden], 1902– 1915 Assist. Pharmak. Institute Würzburg u. Freiburg, 1907 Habil. f. Pharmakologie u. Toxikologie Freiburg bei Walther Straub mit ‚Curarestudien‘. 1911 Lehr­ buch zu ‚Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege‘, nb. ao. Prof. Freiburg 30. 1. 1913, b. ao. Prof. ebd. 5. 8. 1914, SS. 1915 oö. Prof. f. Phar­ makologie AUK (Nf. Ellinger), WS. 1921/22 Leip­ zig, WS. 1924/25 Bonn, 1937 em. – Schwerpunkte: Schöpfer quantitativer Auswertungsmethoden von Substanzen/Drogen als Grundlage für die biologische Testung von Wirkstoffen, legte ferner Fundamente der modernen Toxikologie (Teervergiftungen, Giftigkeit von Paraffinen und Oelen, Temperatur und Giftemp­ findlichkeit), Toxikologie der Alkohole und Kohlen­ wasserstoffe, „bahnbrechende“ Arbeiten zur Wirkung der Alkohole und Narkotika (W. Schulemann in: Mani 1992, 165), Wertbestimmung der Arzneimittel (bes. Abführmittel), Arzneimittelfälschungen. – Politisch: Unterstützung der neugegründeten DVP­OG Königs­ berg 1918/19. – Militär: 1899/00 Dienst im Laborato­ rium KWA, entlassen als Unterapotheker d. R., in Kö­ nigsberg seit 1915 Zuarbeit zur Kampfstoff­Forschung. – oo1912 Isa Keipert (1893–), 3 T, 1 S. BABL, R 4901, Nr. 13263/2654; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23; BLÄF I, 462; RHB I, 432 (P); NDB V, 687; Wenig 83; Mani 1992, 163–167; Fors­ bach 2006, 98 ff. Garbe, Richard von, Sanskrit, Indologie * 9. 3. 1857 Bredow bei Stettin † 20. 9. 1927 Tübingen V.: Karl G., Chemiker, Besitzer einer chem. Fabrik, M.: Rosalie Konopka, ev. – MarienstiftsG Stettin 1874, Sanskrit­Studium Tübingen (Roth), Prom. 1876 ebd.: Das Accentuationssystem des altindischen No­

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minalkompositums. 1877 Studienaufenthalt England, 2. 8. 1878 Habil. f. altind. u. altpers. Sprache AUK (nachdem Bitte, sich „vorzeitig“, mit 21 Jahren!, ha­ bilitieren zu dürfen, genehmigt) mit einer Edition u. Übers.: Vaitana Shrautasutra, AV 31. 7. 1878: Ueber die Entstehung und das ursprüngliche Wesen der Lehre Zarathustras, 1880 b. ao. Prof. ebd., 1885–1887 mit Unterstützung der preuß. Staates zum Studium der in­ dischen Philosophie in Benares, 1894 oö. Prof. ebd., SS. 1896 ord. Prof. f. indische Philologie u. allg. Reli­ gionsgeschichte Tübingen (Nf. R. Roth), 1909 Rektor. – Schwerpunkte: Indische Philosophie, wechselseitiger Einfluß antiker/europäisch­christlicher und indischer Weltanschauungen (1914: Indien und das Christen­ tum), Bhagavadgita­Forschung, dazu auch Editionstä­ tigkeit, u. a. 1895: Die Bhagavadgita aus dem Sanskrit übersetzt. Mit einer Einleitung über ihre ursprüngliche Gestalt, ihre Lehre und ihr Alter. – Pers. Adel 1909. – oo1887 Anna Wichert, Tochter des Richters u. Schrift­ stellers Ernst W. (1831–1902), 1 S. (gef. 1914), 2 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 133–136; ebd., Nr. 27, Bd. I, 154–220 (Schriftwechsel und Gutachten betr. Studienreise nach Indien); ebd., Rep. 89, Nr. 21660, 113–119; ebd., VI. HA, Nl. Alt­ hoff, B 51 II (25 Br. an Althoff, 1883–1903); Weisfert 69 f.; APB 204 f.; NDB VI, 69; Stache­Rosen 1990, 133–135 (P); Junginger 1997; Malina 2003. Gareis, Carl, Rechtswissenschaft, Deutsches Privat­ recht, Handels­ u. Wechselrecht * 24. 4. 1844 Bamberg † 18. 1. 1923 München V.: Wilhelm v. G. (1806–1887), Jurist, zuletzt Senats­ präsident OLG Bamberg, M.: Katinka Freiin von Bi­ bra­Adelsdorf (1824–1889), kath. – G Amberg 1862, ab 1863/64 jur. Stud. München, Heidelberg, Würz­ burg, ebd. 1868 Prom.: Die Kreationstheorie. Eine wechselrechtliche Kritik. 1869 StE Bayreuth, 1870 Ha­ bil. Würzburg: Das Stellen zur Disposition nach Han­ delsrecht. 1873 oö. Prof. Dt. Recht, Kirchenrecht Bern, 1875–1888 Gießen, WS. 1888/89 AUK (Nf. Dahn), 1893/94 Rektor, SS. 1902 München, 1912/13 Rek­ tor, 1917 em. – Schwerpunkte: Handelsrecht (1880: Deutsches Handelsrecht. Lehrbuch […], 8., erw. Aufl. 1909; 1891: Kommentar Allg. Dt. HGB), Wechselrecht (1891: Kommentar zur Wechselordnung, 13. veränd. Aufl. 1926), Kolonialrecht (1884: Deutsches Kolo­ nialrecht, 2. Aufl. 1902), Völkerrecht (1888: Institu­ tionen des Völkerrechts), seit 1882 auch staatsrechtl. Vorlesungen. – Politisch: 1878–1881 MdR f. III. Hess. Wahlkreis (Nationalliberale Fraktion), „stärkeren An­ teil“ an (milderer) Fassung des Sozialistengesetzes v. 21. 10. 1878, Initiator eines Gesetzes zur strafrechtl. Verfolgung des Sklavenhandels, Gesetzentwurf über die

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Unfallversicherung, regelmäßige journalistische Mitar­ beit an der Nationalzeitung, 1883 Kanzler Univ. Gie­ ßen (Ltr. der Finanzverwaltung der Hochschule), 1884 Mitglied der Ersten Kammer der Hessischen Land­ stände. – Teilnahme am Krieg 1870/71 als Freiw. in Sanitätskolonne. – 1893 RA IV, 1894 GJR nach Ableh­ nung eines Rufes aus Erlangen, 1917 GRR. – oo 1873 Clementine Rothmaier (gest. 1913), Tochter eines Münchener Notars, 2 T, 1 S Hermann (1875–1911), Dr. med. AUK 1902. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 84 f.; VI. HA, Nl. Alt­ hoff, B 51 II (47 Br. an Althoff, 1885–1902); Weisfert 70 f.; A. Schmidt 1930; Schwab 1995; APB 1789 f. – Hssch. Autobiographie UB München. Garré, Karl, Medizin, Chirurgie * 12. 12. 1857 St. Gallen † 6. 3. 1928 Puerto de la Cruz V.: Karl G. (1821–1893), Bauingenieur, M.: Anna Barbara (1834–1913), kath.? – Med. Stud. Zürich (bei → L. Hermann), Leipzig, 25. 7. 1883 Prom. Bern, 1884–1888 Privatassist. Socins u. Ltr. Chirurg. Poli­ klinik Basel, 1886 Habil. ebd., 1888–1894 Assist.arzt Chir. Klinik Tübingen (P. v. Bruns), 1889 nb. ao. Prof., WS. 1894/95 oö. Prof. f. Chirurgie Rostock (Nf. Ma­ delung), SS. 1901 AUK (Nf. v. Eiselsberg), SS. 1905 Breslau (Nf. → Mikulicz), SS. 1907 Bonn (Nf. A. Bier), 1926 em. – Seit 1895 Referent Allg. Chirurgie u. Chirurgie d. Gefässe u. Nerven in Virchows Jahres­ bericht d. gesamten Medizin, 1903: Grundriß der Lun­ genchirurgie, 1907 mit → O. Ehrhardt, Grundriß der Nierenchirurgie, 1910 mit A. Borchard: Lehrbuch der Chirurgie, 6. Aufl. 1928, 1911 mit P. Krause, Lehrbuch der Therapie innerer Krankheiten, Mit­Hg. 4. Aufl. Handbuch der praktischen Chirurgie 1913/14, Mit­ Hg. Bruns’ Beiträge zur klinischen Chirurgie. Spezialist für Kropf­, Kehlkopf­ u. Speiseröhrenchirurgie, „hat eine große Schule gemacht“, in Europa, Amerika und Asien wurden viele Garré­Schüler auf leitende Kran­ kenhausstellen berufen (Erich v. Redwitz in: Mani). – 1899 Obermedizinalrat, Mitglied Großherz. Meckl. Medizinal­Kommission, GMR, Dr. phil. h. c. Bonn. – Militär: 1914–1918 berat. Chirurg einer Armee, Ge­ neralarzt. – oo 1891 Else Troeltsch (1868), Schwester von Walter Troeltsch, Prof. f. Staatsw. Marburg (1866– 1933), Nichte von → K. Zöppritz. Pagel 583 f.; Eschweiler 1927; Rehn 1927 (P); BLÄF I, 479 f.; Naegeli 1957; Wenig 84 f.; NDB VI, 73 f.; DBE III, 575; Mani 1992, 202–207 (P). Gaupp, Ernst, Medizin, Anatomie * 13. 7. 1865 Beuthen/O.S. † 23. 11. 1916 Breslau

V.: N. N., Justizrat, RA u. Notar, ev. – Aufgewach­ sen in Beuthen u. Elbing, 1884 G Elbing, naturwiss. Stud. Jena, „hier fesselte ihn die große Persönlichkeit Haeckels, dem er zeitlebens Verehrung bewahrte“, ab WS. 1884/85 med. Stud. Breslau (bes. bei den Ana­ tomen Hasse u. Born), AUK (1), 1889 StE u. Prom. Breslau: Über Maß­ und Gewichtsdifferenzen zwischen den Knochen der rechten und linken Extremitäten des Menschen (R.: Hasse). Seit WS. 1889/90 Lehrer der Anatomie an der Kunst­ u. Gewerbeschule Breslau, Assist. am Anat. Inst. d. Universität. In den 90er Jah­ ren Forschungen zur Anatomie des Schädels. Kranio­ logische Habilschrift: Das Primordialcranium und der Kieferbogen der Rana fusca (Breslau 1893), 1895 Pro­ sektor Anat. Inst. Freiburg (Wiederheim). 1897 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1912/13 oö. Prof. f. Anatomie AUK (Nf. Stieda), WS. 1916/17 oö. Prof. Breslau, kurz nach dem Wechsel von Königsberg an Herzlähmung gestor­ ben. – Etwa dreißig kraniologische Publikationen, u. a.: Zur Entwicklungsgeschichte und vergleichenden Mor­ phologie des Schädels von Echidna aculeata [austral. Kurzschnabel­Igel] […], Jena 1908; posthum: Darstel­ lung des Werkes von August Weismann, als Beitrag zur Geschichte der Biologie des 19. Jhs. – oo 1896 Doro­ thea Richter, Tochter eines Breslauer Chirurgen, 5 K. Pagel 585 f.; E. Fischer 1917 (P); BLÄF I, 484; DBE III, 586. Gayl, Wilhelm von, Agrarwissenschaft * 4. 2. 1879 Königsberg † 5. 11. 1945 Potsdam V.: Franz v. G. (gest. 1921), Generalmajor, M.: Sophie v. Saint­Paul, ev. – Schulbesuch in Memel, Königsberg, Bromberg u. a., jur.­nationalök. Stud. FWU, Göttin­ gen, Bonn, 1904 StE, 1908 Regierungsassessor, 1910 Direktor Ostpr. Landgesellschaft, 1912–1916 LA f. Innere Kolonisation AUK. 1919 stellv. Begutachter der Prov. Ostpreußen f. die Versailler Friedensver­ handlungen, 1920 Reichs­ u. Staatskommissar für das Abstimmungsgebiet Ermland, Masuren in Allenstein, 10/1920 Wiederaufnahme des Amtes in der Landge­ sellschaft, 1921–1933 Bevollmächtigter Provinz Ostpr. im Reichsrat, 1930/31 nochmals LA Innere Koloni­ sation AUK, Mitglied des Preuß. Staatsrats. DNVP, Herrenclub, Reichslandbund, 1932 Reichsminister des Innern im Kabinett v. Papen, nach dem 20. 7. 1932 auch preuß. Innenminister, 2. 12. 1932 zurückgetreten, 4. 7. 1933 Rücktritt Direktor Landgesellschaft. – Mili­ tär: 1914–1916 Ost­ u. Westfront, 1916–1918 Chef Abt. Politik u. Verwaltung Oberbefehlshaber Ost, 1918 Landeshauptmann Militärverwaltung Litauen, EK I. – oo Marie v. Windheim, Tochter des ostpr. Oberpräsi­ denten → Ludwig v. W., 5 T.

Catalogus Professorum BAK Nl. Gayl; RHB I, 798 (P); Gayl 1940; APB 916 f. Gennrich, Paul, Praktische Theologie, Hymnologie * 15. 12. 1865 Zachan/Kr. Saatzig, Pommern † 1. 2. 1946 Wernigerode V.: Lehrer, Küster. – 1883 G Stolp, theol. Stud. FWU, 1888 ordiniert, 1887–1896 Erzieher u. Prediger Her­ zog Elimars von Oldenburg auf Schloß Erlaa bei Wien, 1893 Lic. theol. FWU: Die Staats­ und Kirchenlehre Johanns von Salisbury, nach den Quellen dargestellt und auf ihre geschichtliche Bedeutung untersucht (R.: Harnack), 22. 10. 1896 Habil. f. Homiletik FWU auf­ grund der hs. Abhandlung: Läßt sich Römer 8,30 für eine dogmatische Lehre von der Heilsordnung verwen­ den?, PV: Der Begriff der Wiedergeburt in der neueren Theologie, AV: Richard Rothes Lehre von der Heili­ gen Schrift; bis 1899 PD ebd., 1899–1906 Ltr. Pre­ digerseminar Dembowalonka (Wittenburg)/Westpr., 1906/07 Konsistorialrat Berlin, 1907–1911 Prof. f. prakt. Theologie Breslau (Nf. Kawerau), 23. 10. 1911 Generalsuperintendent Kirchenprovinz Sachsen (Halle, Eisleben, Wittenberg), 11. 7. 1917 Generalsuperin­ tendent Kirchenprovinz Ostpreußen u. Hofprediger Schloßkirche Königsberg, Honorarprof. f. Hymnologie AUK 1917–1933, Vors. Ev. Konsistorium Ostpreußen, des Ostpr. Hauptvereins der Gustav­Adolf­Stiftung, des Provinzialvereins f. Innere Mission, des Verwal­ tungsrats des Lutherheims f. ev. Studierende der The­ ologie in Königsberg. – RA IV, KrO III, EK II, Rote Kreuzmedaille. – Politisch: ca. 1896–1903 National­ sozialer Verein, seit 1932 interne Konflikte mit „Deut­ schen Christen“, nach Stellungnahme für Friedrich von Bodelschwingh als Reichsbischof vom Staatskommissar für die preußischen Landeskirchen verfügte Zwangs­ pensionierung zum 1. 7. 1933. Kirchenpolitisch auf­ schlußreich: Gennrich 1931. – Militär: Von Kriegsbe­ ginn 1914 an in der Militärseelsorge tätig. – oo Flora Moeller, verw. Freifrau v. d. Recke, mindestens 2 S. (einer gef. Westfront 1914), 2 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 48, Bd. I, 245 f. (Habil.); RHB I, 801; Gennrich 1938 (Auto­ biogr.; P); APB 919; Wolfes 1999. Gerber, Paul Henry, Medizin, HNO * 14. 5. 1862 Königsberg † 13. 10. 1919 ebd. V.: Siegfried G., Kaufmann, M.: Cäcilie Boinron, jüd. – 1881 AltstädtG, 1881/82 philol. Stud. AUK, ab SS. 1882 Med. ebd., 1888 StE, 20. 3. 1888 Rig., Prom.: Beiträge zur Lehre von der elektrischen Reizung des Großhirns (R.: Hermann, Langendorff ), Habil. f. Rhino­Laryngologie ebd. 1895, AV 16. 7. 1895: Über die Beziehungen der Nase zum übrigen Organismus.

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Seit 1892 HNO­Facharzt in Königsberg. 10. 3. 1902 Med. Fak beantragt Prof. Titel, eigene Poliklinik seit 1892, wo er seitdem fast 30.000 Patienten behandelt habe; Antrag von Kurator nicht befürwortet, 1903 trotzdem verliehen, 1906 nb. ao. Prof.; 1895: Die Syphilis der Nase, des Halses und des Ohres (2. Aufl. 1910, ins Russ. übersetzt), 1901: Atlas der Krankheiten der Nase, 1905: Das Sklerom in den russischen und deutschen Grenzgebieten, 1913: Die Untersuchung der Luftwege, 1914: Die Syphilis der Unschuldigen. Litera­ rische Arbeiten, 1891 publiz. Beitrag zum Streit um die Unterrichtsreform, Gegner des Hum. Gymn. – oo1902 Frieda Oettinger, Kaufmannstochter, 2 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 287; Bd. II, 16–20. Weisfert 71 f.; Pagel 593; Gerber 1919 a + b; BLÄF I, 492 f.; Sigilla II, 675; DBE III, 636; APB 1356 f. Gercke, Alfred, Klassische Philologie * 20. 3. 1860 Hannover † 26. 1. 1922 Breslau V.: Otto G. (1825–1887), Geh. Ober­Baurat im Mi­ nist. f. öff. Arbeiten Berlin, M.: Charlotte Wilmanns (1834–1929), Schwester von → August W., ev. – Auf­ gewachsen „in den ersten Beamtenkreisen der Berli­ ner Gesellschaft“, 1879 WilhelmsG Berlin, altphilol. Studium Bonn (Usener, Bücheler, Kekulé), FWU (H. Diels), Prom. März 1885 bei Usener („Urfreund“ von G.s Onkel A. Wilmanns, daher „Haussohn“ bei Usener): Chrysippea (über zwei Fragmente Chrysipps), 1885 Hauslehrer bei der Familie Borsig, Nov. 1885 StE, 1886–1888 Lehrer LuisenG Berlin, 1888/89 DAI­Reisestipendium Italien, Griechenland, 1890 Ha­ bil. f. Klass. Philologie in Göttingen bei Wilamowitz­ Moellendorff aufgrund gedruckter Miszellen sowie eines Manuskripts ‚Prolegomena Theophrastea‘, AV: Über den Ursprung der aristotelischen Kategorien. Stellvertretung des Lehrstuhls Friedländer/J.Schmidt AUK im WS. 1893/94–WS. 1894/95, SS. 1895 b. ao. (Nf. E. Maaß), 1896 oö. Prof. Greifswald, 1904/05 Dekan, 1908/09 Rektor, WS. 1909/10 Breslau (Nf. P. Wendland), 1920/21 Rektor. – Schwerpunkt: Griech. Philosophie­ u. Literaturgeschichte, 1895: Seneca­Stu­ dien; 1898: Griechische Literaturgeschichte (31910), 1910/12 mit Eduard Norden: Einleitung in die Al­ tertumswissenschaft, 3 Bde., in Bd. II G.s Darstellung der antiken Philosophiegeschichte. Aufsätze zu Platon, Sokrates, Aristoteles, 1913: Die Entstehung der Aen­ eis, Beiträge zur neutestamentlichen Forschung und zur „homerischen Frage“. – GRR. – Politisch: Grün­ der eines Nationalliberalen Wahlvereins in Greifswald, lokale Wahlagitation für die Nationalliberale Partei, im Parteiorgan Nationalzeitung div. Artikel vor allem zur Hochschulpolitik, 1919 DVP. In Breslau aktiv im

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Verein der Freunde des Hum. Gymnasiums, in der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, Mitbegründer des Universitätsbundes Breslau 1920. 1914–1918 Artikel zu „brennenden politische Tages­ fragen“ (Prehn) in Schlesische Zeitung, Weserzeitung. – Militär: 1879/80 Wehrdienst Garde GR, um 1895 Oblt. der Gardelandwehr, 1914 frw. Meldung, 1915 Kommandant von Kriegsgefangenenlagern in der Lü­ neburger Heide u. im Emsland, Hauptmann d. R., 1916/17 Kontrolloffizier einer größeren Zahl von Gefangenenlagern, 1917/18 Unterrichtsoffizier im Stabsquartier einer Reservedivision an der Westfront (hierzu: Wissenschaftlicher Unterricht an der Front, in: IMWKT 13, 1918/19, 81–96). – oo 1896 Anna Alb­ recht (1871–1954), Vater Jurist, Stadtsyndikus Hanno­ ver, MdR, 4 S. (2 gef. im I. + II. Weltkrieg). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVIII, 5 f.; Prehn 1924; NDB VI, 258. Gerhard, Carl, Bibliothekar, UBK * 27. 12. 1847 Sulzbach b. Saarbrücken † 10. 3. 1921 Halle Theol.­philos. Stud. Bonn, Halle, FWU, 1870 theol. Ex., Hauslehrer, 1874 Assistent UB­FWU, 1. 5. 1876 Kustos Universitätsbibliothek Bonn, 1885 Prom. Halle, 1888 Direktor Paulinische Bibliothek Münster, 1. 1. 1891 Direktor UBK (Nf. Prinz), 1. 5. 1893 Abt. Direktor Kgl. Bibliothek Berlin, 1899–1920 Direktor UB Halle. GStA, Rep. 89, Nr. 21668, 40 f.; Lohse 1988, 84. Gerlach, Otto, Staatswissenschaften * 1. 11. 1862 Angerburg † 13. 5. 1923 Königsberg V.: Adolf G., Kaufmann (gest. 1896), M.: Ida Mück, ev. – RG Wehlau 1878, math.­naturwiss., nat.ök. Stud. Jena, FWU, Bonn, Halle, AUK, Leipzig, ebd. 26. 1. 1886 Prom.: Der Fleischkonsum Leipzigs nach amtlichen Quellen zusammengestellt, 31. 10. 1890 Habil. f. Statswissenschaften Breslau: Werthlehren von Marx, Knies, Schäffle, Wieser; SS. 1894 b. ao. Prof. f. Staatswissenschaften AUK (Nf. Hasbach), 1900 oö. Prof. (pers. Ord.) ebd.; WS. 1908/09 Nf. Ord. Diehl. – Neben finanzpolitischen Arbeiten vor allem Forschungen zur Landarbeiterfrage, inneren Kolonisa­ tion, Landwirtschaft in Ost­ u. Westpreußen, motiviert vom Bestrebungen, die Abwanderung von Teilen der Landbevölkerung nach Berlin und in die westdeut­ schen Industrieregionen mit siedlungspolitischen In­ strumenten zumindestens einzudämmen. – Politisch: Nationalliberal, „kathedersozialistische“ Positionen in der Agrarpolitik vertretend. – Militär: 1886/87 Wehr­ dienst, 1914/15 Landwehr, Bahnshofskommandant in Russ.­Polen.

GStA, Rep. 76Va, Sek. 4., Tit. IV, Nr. 41, Bd. IV, 53 (Habil. Breslau, ohne vita, ohne Angabe zu PV/AV); ebd., Rep. 89, Nr. 21662, 158; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 54 (11 Br. an Althoff, 1891–1906); ebd., XX. HA, 99c/Ord. 44; Weisfert 72; HWS 1909; APB 210; DBE III, 649. Gierke, Julius von, Zivilrecht, Dt. Rechtsgeschichte, Handelsrecht * 5. 3. 1875 Breslau † 2. 8. 1960 Göttingen V.: Otto (1910: v.) Gierke (1848–1921), M.: Lili Loe­ ning, Schwester des Staats­ u. Völkerrechtlers Edgar Loening (jüd.), ev. – 1894 Ritterakademie Branden­ burg, jur. Studium Heidelberg, FWU bei Brunner, Eck, Hinschius, 1897 StE KG Berlin „mit Auszeichnung“, Referendar im KG­Bezirk, Juli 1898 Prom. FWU: Die Versicherungsforderung bei Veräußerung der versicher­ ten Sache nebst Anhang. 1899/1900 Beurlaubung zu wiss. Studien, 1. 1. 1900 aus Justizdienst ausgeschieden. 13. 2. 1901 Habil. f. Deutsches Recht unter Einschluß des Handelsrechts Göttingen: Die Geschichte des deutschen Deichrechts (I), SS. 1903 ebd. LA f. Dt. Rechtsgeschichte usw., Mitglied lw. Prüfungskommis­ sion, WS. 1904/05 LA f. Dt. u. Bürgerl. Recht AUK, SS. 1905 b. ao. Prof. ebd. (neues Extraord.), 1. 7. 1908 oö. Prof. ebd. (Nf. His), SS. 1919 Halle (Nf. Paul Rehme), WS. 1925/26 oö. Prof. u. Direktor Seminar f. Versicherungswissenschaft Göttingen, 1938 Entpflich­ tung, 1945 Wiedereinsetzung, Lehrtätigkeit bis 1960. – Schwerpunkte: In der Königsberger Zeit Deutsche Rechtsgeschichte, Abschluß des zweiten Bandes seiner Geschichte des deutschen Deichrechts (1917), Han­ delsrecht, Versicherungsrecht (zweibändiges Kompen­ dium 1937/47), seit 1907 Mit­Hg. Zs. f. Handelsrecht, 1921 Lehrbuch des Handels­ und Schiffahrtsrechts (bis 1958 sechs Aufl.), 1925 ein Lehrbuch des Sachen­ rechts, während der Zwangspensionierung, die kein Publikationsverbot implizierte, veröffentlicht 1942/43: Studien zum Versicherungsrecht. – Politisch: Mitglied DNVP bei ihrer Gründung in Königsberg, später DVP, 1938 wg. „halbjüdischer“ Herkunft zwangspensioniert. – Militär: 1894 wg. Schwerhörigkeit der Ersatzreserve überwiesen, 1908 Landsturm I. Aufgebot, 1914/15 frw. Krankenwärter Königsberg, 1915/16 eingezo­ gen zum Bürodienst stellv. Generalkommando ebd. („wissenschaftl. Aktenbearbeitung“), Verdienstkreuz f. Kriegshilfe. – oo 1903 Eva Runge (1884–), Tochter des Göttinger Prof. f. Gynäkologie Max Heinrich R. (1849–1909), 4 T, 6 S (1906–1922). BABL, R 4901, 13263/2901; Chronik Göttingen 1902, 16 f. ; FS v. Gierke 1948 (P, Bibliogr.); NDB VI, 373 f.; Müller­Laube 1987 (P) u. 1995.

Catalogus Professorum Gieseberecht, Friedrich, Theologie, Alttestamentliche Exegese * 30. 7. 1852 Kontopp bei Grünberg, Schlesien † 21. 8. 1910 Stettin V.: N. N. (gest. vor 1865), ev. – Pädagogicum Frank. Stiftung, theol. Stud. Erlangen (K. v. Hofmann), Halle (M. Kähler), Prom. Dr. phil. Halle 1876: Die hebräische Präposition Lamed (Th. 1), 1876 Adjunkt Domkandidatenstift Berlin, Prom. u. Habil. theol. Greifswald 1879: Der Wendepunkt des Buches Hiob: Cap. 27 und 28; 1883 nb. ao. Prof. ebd., 1895 Hon­ Prof. ebd., WS. 1898/99 oö. Prof. f. alttestamentliche Exegese AUK (Nf. Cornill), 1908 krankheitsbedingt beurlaubt. – Wichtigste Veröffentlichungen in seiner Greifswalder Zeit 1890: Beiträge zur Jesaiakritik und 1897: Die Berufsbegabung der alttestamentlichen Pro­ pheten, eine Max Webers religionssoziologische Stu­ dien stark beeinflussende Arbeit. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. V, 219–232; Chronik AUK 1910/11, 15 f.; RE3 XXIII, 1918, 557 ff.; APB 214; BBKL II, 242. Gildemeister, Martin, Medizin, Physiologie * 21. 2. 1876 Gut Wangerin/Westpr. † 13. 10. 1943 Leipzig V.: Eduard G., Gutsbesitzer, zuletzt Rentier in Zop­ pot, M.: Marie Borchmann, ev. – 1894 G Thorn, med., chem., math. Stud. Würzburg, München, FWU, 4. 3. 1898 Prom. ebd.: Über Reposition der vorgefallenen Nabelschnur bei Kopflagen. 16. 1. 1899 StE München, 1. 10. 1899 Volontärassist. Phys. Inst. AUK (Hermann), 1. 4. 1900 II. Assist. ebd., 1901/02 beurlaubt, Schiffsarzt (US­Westküste), 4. 3. 1904 Ha­ bil. f. Physiologie AUK, AV: Ueber die verdauende Tätigkeit des Magens, 1. 4. 1906 Umhabil. Straßburg, Assist. Physiol. Inst. (Richard Ewald), 1910 Tit. Prof., WS. 1910/11 ao. Prof. ebd., SS. 1917 b. ao. Prof. FWU, Ltr. der physikalischen u. sinnesphysiologischen Abt. des Physiol. Instituts, SS. 1924 oö. Prof. Leipzig, 1941 em. – Reiz­Erregungsproblem, Funktion und Er­ regbarkeit von Nerven u. Muskeln, Sinnesphysiologie (Hörgrenzen und deren Altersabhängigkeit), Hautsen­ sibilität. In der Königsberger Zeit überwiegend kleinere Arbeiten zur Nerven­ und Muskelreizung, Erfinder eines transportablen Elektrokardiographen. 1908 Be­ gründer Zeitschrift für biologische Technik und Mathe­ matik, 1922 Redaktion Zeitschrift für Sinnesphysiologie. – Politisch: 1933 NSLB. – Militär: 1896 u. 1899 FAR München, Assist.arzt, 1914–1918 Heeresdienst, Stabs­ arzt d. Lw., Feld­ u. Etappendienst, EK II. – oo 1908 Marie Bauck (1877–), Tochter eines Admiralitäts­Rats, 1 S, 2 T (1910–1919). BABL, R 4901, 13263/2925; GStA …, Nr. 24, Bd. II, 66 f.; BLÄF I, 502; Monjé 1950 (Bibl., P).

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Gisevius, Paul, Agrarwissenschaft, Pflanzenbau * 28. 9. 1858 Wartenburg/Ostpr. † 26. 11. 1935 Gießen V.: Gutsbesitzer, Landrat Otto G. (1821–1871), M.: Charlotte Gisevius (1824–1884, Verwandtschaftsehe), ev.. – Prakt. Ausbildung auf väterlichem Gut, G Arns­ berg 1877, natur­ u. agrarwiss. Stud. AUK, Bonn, Lw. Akad. Poppelsdorf 1879–1883, 1882 Lw. Diplom, Prom. Bonn 1883: Beiträge zur Methode der Bestim­ mung des specifischen Gewichts von Mineralien und der mechanischen Trennung von Mineral­Gemengen. 1884 Lw.lehrer­Ex. in Königsberg, lw. Praxis in War­ tenburg, 1886 Wanderlehrer im Dienst des Lw. Cen­ tralvereins der Provinz Ostpreußen, Einrichtung einer Winterschule in Braunsberg, 1888 Lehrer Lw.schule Dahme/Mark, 1896 dort Direktor. WS. 1898/99 b. ao. Prof. AUK f. Allg. u. spez. Pflanzenproduktions­ lehre (Nf. Rörig). Beansprucht vor allem durch Sor­ tenanbau­Versuche. 1903 – 1. 10. 1925 oö. Prof. Gie­ ßen (Nf. F. Albert), Auf­ u. Ausbau des dortigen Lw. Instituts. 1917/18 Rektor, 1926 em. – Verfaßte 1893 das Lehrbuch: Ackerbau, einschließlich Gerätelehre, das bis 1921 zehn Aufl. erlebte. Eduard Birnbaums Lehrbuch: Pflanzenbau (2. Aufl. 1894) bis 1920 in acht weiteren Aufl. bearbeitet, 1907 in der populären Teubner­Reihe ,Aus Natur und Geisteswelt‘: Das Wer­ den und Vergehen der Pflanzen. Dazu praxisorientierte Publikationen wie 1907: Bodenverbesserung und Bo­ denbearbeitung. Organisierte 1903 die ersten Saat­ bauvereine in Ost­ u. Westpreußen. Einrichtung des Versuchsgutes Waldgarten bei Königsberg. – Politisch: Nach 1918 Vorstandsmitglied DNVP Gießen. – Mili­ tär: Einj.­Frw. ca. 1884, 1907 Hpt. d. R., Herbst 1914 eingezogen, 1915 Munitionsdepotverwalter in Ungarn, 1916 Etappenkommandant Brest­Litowsk, EK II, Öst. Militärverdienstkreuz, Kriegsehrenzeichen. – 1917 Geh. Hofrat. – oo I. Marie Stolzmann (1860–1920), Tochter des Breslauer Konsistorial­Präsid., 3 T, darun­ ter Marie (1893–1948) oo Paul Kahle, Prof. f. Semiti­ stik, 1 S, Mediziner (1897–1973); II. Adele v. Detme­ ring (1868–1942). Zeitgenossenlexikon 1905, 450; APB 215; Stählin 1982 (P); DBE IV, 17; Böhm 1997, 83 f.; BEN 2003, 83 f.; Gerber 2004, 229 f. Goedeckemeyer, Albert, Philosophie * 2. 2. 1873 Springe † 7. 8. 1945 Potsdam V: Otto G., Kaufmann, M.: Charlotte Hemme, ev. – 1892 Lyceum I Hannover, Stud. Philosophie, Phy­ sik, Nat.ök. Lausanne, Tübingen, FWU, Straßburg, 1896/97 Assist. Marburg, 1897 Prom. Straßburg: Epikurs Verhältnis zu Demokrit in der Naturphilo­ sophie (R.: Windelband). 1897–1900 studienhalber

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in Göttingen, 2. 8. 1900 ebd. Habil. f. Philosophie: Über den Existenzialsatz. Eine logische Untersuchung, PV: Über den Begriff der Wahrheit. Als Privatdozent zum WS. 1908/09 Berufung zum oö. Prof. AUK, dort am 31. 3. 1938 Emeritierung. – Hauptarbeit vor 1914: ‚Die Geschichte des Griechischen Skeptizismus‘ (1905), Platon und Aristoteles; dazu 1922 zwei populär gehaltene Arbeiten über ‚Aristoteles‘ und ‚Platon‘ sowie 1921: Aristoteles‘ praktische Philosophie. Nach 1918 Hinwendung zu Kant und zur Aktualisierung seines Denkens, um gg. verschiedene Spielarten des „Irrati­ onalismus“ (Lebensphilosophie, R. Steiner, Schule der Weisheit usw.) zu Felde zu ziehen, Hg. der AUK­FS zum 200. Geburtstag Kants 1924, zeitweise Vorsit­ zender der OG Königsberg der Kantgesellschaft; 1924 Neuausgabe von Windelbands Geschichte der abend­ ländischen Philosophie im Altertum. – Politisch: nach 1918 DDP, 1930 Staatspartei. – oo 1906 Charlotte Waitz, 1 T Ursula (1907). BABL, R 4901, 13264/2993; ebd., Nr. 10043; GStA, XX. HA, Rep. 99c/Ord. 44; ebd., Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. IV, 25–27 (Meldung Ha­ bil., vita); vita Diss.; Chronik Univ. Göttingen 1900, 18; RHB I, 902; APB 924; PhilLex I, 394; Auskunft UAGö. Goldstein, Kurt, Medizin, Neurologie, Psychiatrie * 6. 11. 1878 Kattowitz/O. S. † 19. 9. 1965 New York V.: Abraham G., Kaufmann, M.: Rosalie Cassirer (Tante Ernst Cassirers), jüd. – 1898 G Breslau, med. Stud. Heidelberg (1), Breslau, 1901/02 Abt. Entwick­ lungsgeschichte Anat. Institut (Alfred Schaper, → Stie­ das ehem. Assistenten, seit 1900 Prosektor in Breslau, „dem ich außerordentliches verdanke“), 1902/03 Ana­ tom. Lab. Psychiatr. Klinik ebd. (Wernicke), 1903 StE u Prom.: Die Zusammensetzung der Hinterstränge, 10/1903 Assist. Senckenberg. Inst. Frankfurt (L. Edin­ ger) bis 10/1904, 1904/05 Assistent Psychiatr. Klinik Freiburg (A. Hoche), 10/1905 Neurol. Poliklinik Op­ penheim/Berlin, 1. 4. 1906 Volont. Assist. Nerven­ klinik AUK (Ernst Meyer), 1. 4. 1907 I. Assist. ebd., 9. 8. 1907 Habil. f. Psychiatrie u. Neurologie AUK, 1911 nb. ao. Prof. ebd., 1914/15 Frankfurt, Aufbau (mit Adhémar Gelb) des Instituts für die Erforschung der Folgeerscheinungen von Hirnverletzungen, 1919 oö. Prof. ebd. (Nf. Edinger), 1930 Ltr. neurolog. Abt. KHS Moabit, 1933 nach kurzer Haft Emigration, als Rockefeller­Stip. in Amsterdam, dort Abfassung seines Hauptwerkes: Der Aufbau des Organismus (1934), 1935 USA, 1936 Prof. Columbia Univ. New York u. Direktor Labor f. Neurophysiologie Montefiore Hos­ pital, 1938/39 William James Lectures Harvard Univ., 1940–1945 Prof. f. Neurologie Tufts Medical College,

nach 1945 neurolog. Privatpraxis u. Gastprof. f. Psy­ chopathologie City College New York. – Begann mit Arbeiten zur Anatomie u. Entwicklungsgeschichte des Nervensystems, früher Kritiker starr topographischer Lehren über die Lokalisation von Hirnfunktionen (z. B. „Sprachzentrum“), Kritik der Aphasie­Theorie von Wernicke u. → Lichtheim, mit → N. Ach im Austausch über Methoden der Denkpsychologie, Suche nach einem „ganzheitlichen“ Ansatz der Neurophysiologie, Gehirnkrankheiten und ihre Bedeutung für das nor­ male Seelenleben, 1913 kritisch zur „Rassenhygiene“, seit 1914 primär klinische Arbeiten, Kriegsneurosen, Behandlung u. Rehabilitation von Hirnverletzten, nach 1918 bes. über kortikale sensible u. motorische Defizite, Kleinhirnfunktionen, Tonusveränderungen. – ooEva Rothmann (Freitod 1960). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 211 f.; Bd. III, 60 (Antrag ao. Prof., 23. 7. 1911, mit Bibl. 1903–1911); Wininger II, 475; BLÄF I, 514; RHB, I, 502 (P); APB 1218; Walk 121; DBE IV, 88; Kabus 96 (P); Noppeney 2000; Harrington 2002, 259–317. Goltz, Theodor von der, Agrarwissenschaften, Lw. Betriebslehre * 10. 7. 1836 Koblenz † 6. 11. 1905 Bonn V.: Alexander v. d. G., Offizier, M.: Marie Goebel, ev. – Jur. Stud. Erlangen, lw. Lehre, agrarwiss. Stud. Bonn­Poppelsdorf, 1860 Lw.lehrer Ackerbauschule Riesenrodt/Westf., 1862 Prom. Leipzig: Über die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit landwirtschaftlicher Vereinigungen nebst Vorschlägen zu deren Organi­ sierung. 1862 Lehrer u. Administrator Lw. Akademie Waldau bei Königsberg. SS. 1869 ord. Prof. AUK, nachgelieferte Habil. u. AV 12. 2. 1870: De lupini apud Romanos colendis atque utendi ratione, 1876 Direktor des von ihm dort aufgebauten Lw. Instituts. WS. 1885/86 Jena, 1895 Lw. Akademie Poppelsdorf. Forschungsschwerpunkt: Lw. Betriebslehre, Landar­ beiterfrage, Agrargeschichte (1902/03: Geschichte der deutschen Landwirtschaft). Gehörte zu den „bedeu­ tendsten Agrarwissenschaftlern des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts […], hinsichtlich der öffentlichen Popularität und Wirksamkeit stand er sogar an erster Stelle“ (Gerber). Sein Engagement für Landarbeiter brachte ihm gerade während der Königsberger Zeit viele Angriffe von Seiten der Großgrundbesitzer ein, stieß aber wegen des „reformistischen“ Ansatzes auch auf sozialdemokratische Ablehnung. Verhalf den be­ triebsökonomischen Disziplinen innerhalb seiner Wis­ senschaft zur Anerkennung. 1882: Landwirtschaftliche Taxationslehre, 1886 Handbuch der Betriebslehre. – 1885/86 Prorektor AUK, 1880 RA IV. – Politisch: Na­

Catalogus Professorum tionalliberal bis freikonservativ, kirchenpolitisch iSd. des „positiven Christentums“ als Synodaler engagiert. – oo1865 Bertha v. d. Goltz (Cousine). GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 25 II (23 Br. an Alt­ hoff, 1879–1905); Goltz 1875c; Weisfert 74 f.; Munier 1921 (Bibl., P); Kühner/Morgen 1934 (P); APB 223; NDB VI, 635 f.; v. Nerée 1995; Gerber 2004, 237 f. Goy, Samuel, Agrarwissenschaft, Agrikultur­ u. Nah­ rungsmittelchemie * 20. 5. 1879 Pitschen/Kr. Kreuzburg, O. S. † 18. 5. 1949 Leipzig V.: Samuel G., Kaufmann, M.: Caroline Jonius (1853–), ev. – G Pless 1901, 1901–1907 Stud. TH Berlin, Marburg (Chemie), dort 1908 Prom.: Über das Quecksilberoxycyanid und andere Quecksilber­ cyanverbindungen. Assistent an Landw. Versuchs­ station Köslin (1908), Hygiene Inst. Posen u. Nah­ rungsmitteluntersuchungsamt Bromberg (1908–11), 1. 4. 1911–31. 3. 1919 I. Assist. Agrikulturchem. Inst. AUK (Stutzer, Zielstorff ), dort 2. 11. 1912 Habil. f. Agrikulturchemie: Untersuchungen über die Verdau­ lichkeit der einzelnen Bestandteile von Sphagnum­ torf, Torfmelasse und von Ablaugen der Sulfit­Cel­ lulosefabrikation. 2. 11. 1912 AV: Ältere und neuere Forschungen über Chlorophyll. 1. 4. 1919–1937 Di­ rektor Landw. Versuchsstation u. Nahrungsmittel­Un­ tersuchungsamt LWK Ostpreußen, LA f. Agrikultur­ u. Nahrungsmittelchemie, 19. 7. 1922 nb. ao. Prof AUK, LA für landw. Nebengewerbe (Fabrikation von Zucker, Spiritus u. a. Lebensmitteln) 1927–1934, 1937 gem. § 6 BBG in den Ruhestand versetzt, gehörte aber Lehr­ körper weiter an, nach 1945 Hon. Prof. Leipzig und Leiter der Landw. Versuchs­ u. Kontrollstation Mö­ ckern. – 300 wiss. u. a. Veröffentlichungen, 5 Bücher, u. a. 1923: Die Kalkdüngungsfrage in Ostpreußen. Bodenkunde, Düngeranwendung. – 1923 Goldene Medaille der Ostmesse. – Politisch: 1904 Burschen­ schaft, 1922–? Mitglied einer Königsberger Loge, 1932 Stahlhelm, 1933 NSDAP, NS­Frontkämpferbund, NSKOpfer., auch Funktionär, trotzdem 1937 gem. § 6 BBG in den Ruhestand versetzt; nach eigenen Anga­ ben (1948): „legte (ich) Lehrauftrag 1935 nieder, weil mir die Verhältnisse unter den Nazis nicht gefielen“. Landesverwaltung Sachsen VoBi 24. 7. 1946 an Dekan Phil Fak. Univ. Leipzig: G. möchte in Lehrkörper auf­ genommen werden, war Direktor der landw. Versuchs­ u Forschungsanstalt in Königsberg und des dortigen Nahrungsmitteluntersuchungsamtes, nach eigener Aussage „nie Parteimitglied gewesen, durch Zwangs­ pensionierung gemaßregelt“. – Militär: Wehrpflicht 1904/05, 1907 Lt. d.R., 1914–1919 Landwehr, zuletzt Hpt. d. L. 1919 Februar–Juni Heimatschutz Ost; EK I, II. – oo 1917 Monika Wrobel (1882–), 3 T, 1 S.

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BABL, R 4901, 13264/3092; GStA, XX.HA, Rep. 99c, Ord. 45; UAL PA 37, 58–60 (vita 1948); RHB I, 576; Gerber 2004, 28 f.; APB 1795. Gradenwitz, Otto, Rechtswissenschaft, Zivilrecht, Rö­ misches Recht * 16. 5. 1860 Breslau † 7. 7. 1935 Berlin V.: Moritz Gr. (1828–1888), Bankier, M.: Luise Berlé, jüd., um 1900 getauft. – G Breslau 1876, jur. Stud. Breslau, FWU, Heidelberg, StE 17. 5. 1879 KG, Prom. FWU 31. 7. 1880: Ueber den Begriff der Voraussetzung. 1881/82 Referendariat Berlin. Habil. FWU 30. 10. 1885: Interpolationen in den Pandek­ ten. Kritische Studien (1887). Durch Th. Mommsen aufgefordert zur Mitarbeit am Vocabolarium Jurispru­ dentiae Romanae (1885–1896), 1890 nb. ao. Prof., WS. 1895/96 b. ao. Prof. AUK (Nf. Endemann), 1896 oö. Prof. ebd., WS. 1907/08 Straßburg, SS. 1909 Heidelberg, 1928 em. – Juristische Papyrologie, Lexi­ kographie röm. Rechtsquellen, 1900: Einführung in die Papyruskunde, 1902: Wort­Verzeichniß zum bür­ gerlichen Gesetzbuche, 1904 zs. mit dem ehem. Kö­ nigsberger Kollegen A. Brinkmann: Laterculi vocum Latinarum. Latinas et a fronte et a tergo ordinandas. – Politisch: Bismarckverehrer, publizistischer Apologet des Reichsgründers; nach Einschätzung des Kollegen Zorn militanter Judengegner. – Militär: 1880/81 Mi­ litärdienst FAR, Straßburg. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 49, Bd. II, 97 (Habil.); Weisfert 78; Gradenwitz 1929; Kießling 1936; NDB VI, 702 f.; Drüll 90; Walk 124; APB 1795 ff.; Schroeder 2010, 315–322 (P). Graebe, Carl, Chemie * 24. 2. 1841 Frankfurt/M. † 19. 1. 1927 ebd. V.: Carl G. (1797–1879), Kaufmann, Konsul der USA f. Hessen u. Hannover, M.: Emmeline Boeddinghaus (1815–1870), Schriftstellerin, ev. – Höhere Gewerbe­ schule, 1858 Polytechnikum Karlsruhe, 1860–1862 chem. Stud. bei Bunsen in Heidelberg, 1862 Prom. ebd., 1864 Farbwerk Höchst, 1865 chem. Studien Heidelberg, 1865 Assistent A. v. Baeyers in Berlin (Gewerbeschule), 1868 Anwendung der Zinkstaub­ methode v. Baeyers auf das Alizarin und Entdeckung der Grundsubstanz Anthracen, zs. mit C. Liebermann erstmals einen Naturfarbstoff synthetisiert, 1869 pa­ tentierte Farbstoffsynthese, deren techn. Auswertung durch BASF erfolgte. 1868 Habil. f. Chemie Marburg (Kolbe), 1869 Umhabil. Leipzig, 1870 ord. Prof. AUK (Nf. Werther), 1876/77 beurlaubt, aus gesundheitl. (psych.) Gründen Demission 1877, 1878 ord. Prof.

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Genf , 1906 em., Ruhestand in Frankfurt/M., arbeitete dort an einer Geschichte der organischen Chemie. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, 196–198, 280; Decker 1928 (P); Duden 1928; NDB VI, 705 f. Gramsch, Friedrich, Oberpräsidial­ u. Kuratorialrat * 2. 5. 1860 Züllichau † 5. 2. 1923 Königsberg V.: Gustav Gr., Kaufmann, ev. – 1883 Ger. Ref, 1885 Reg. Ref., 1888 Reg. Assessor, 1891 OPräs Posen, 1892 komm. Vertreter LR Kr. Braunsberg, 1893 LR ebd., 15. 5. 1900 ORR Königsberg, 23. 3. 1903 Oberpräs. rat Königsberg, 24. 6. 1908 Präsident Ansiedlungs­ kommission Posen, 1. 7. 1913 Reg. Präs. Gumbinnen, 1. 7. 1915 Reg. Präs. Königsberg, 1917 Stellvertr. des Staatskommissars f. Volksernährung, 1919 Landwirt Rodelshöfen/Kr. Braunsberg. – RA II m. Eichenlaub, KronOrd II mit Stern, u. a., 1910 Dr. iur. h. c. Frei­ burg. – Militär: Sec. Lt. d. R., Rittm. d. L. – oo Char­ lotte, Tochter des Rittergutsbesitzers u. Oberst z. D. v. Stosch­Rodelshöfen, 3 S, darunter Friedrich (1894– 1955), Jurist, 1938 Ministerialdirektor beim Beauftr. f. d. Vierjahresplan, 1 T. GStA, I. HA, Rep. 77, PA Nr. 860; APB 929; Stütt­ gen 1980, 59 f. Grau, Rudolph, Theologie, Neutestamentliche Exegese * 20. 4. 1835 Heeringen/Hessen­Nassau † 5. 8. 1893 Königsberg V.: Georg Wilhelm G., Pastor, M.: Margarete Elise Fi­ scher, ev. – G Hersfeld, 1854–1857 theol. Stud. Mar­ burg, Leipzig, Erlangen, entscheidend geprägt durch Liebner, Vilmar, v. Hofmann. 12/1859 Lic. theol. Mar­ burg: De Andreae Osiandri doctrina commentatio cui dogmatum, quae Osiander tractavit, auctoris propria expositio est annexa, 1860 zweiter Stipendiatenrepetent Seminarium Philippinum, 1861–1866 Kustos Univer­ sitätsbibliothek Marburg, 12. 1. 1861 Habil. ebd. mit der um einen Zusatz erw. Osiander­Diss., 6. 12. 1865 ao. Prof., 1866 erster Repetent, 15. 9. 1866 ord. Prof. f. nt. exeget. u. systemat. Wissenschaften AUK. 1889/90 Rektor, an Darmkrebs verstorben. – Übte „eine über die Grenzen Deutschlands hinausgehende Wirksam­ keit“ aus (Chronik), „strenger Lutheraner, Anhänger Vilmars“ (Gundlach). Mit O. Zöckler (Gießen) 1865 begründet u. bis 1893 hg. Der Beweis des Glaubens, Hauptorgan für Graus Veröff., s. ebd. Bd. 26, 1890, S. 241: 39 Aufsätze.– 1870 Dr. phil. h. c. Rostock, 1875 D. theol. h. c. Leipzig. – oo 1870 Marthe von Behr (gest. 1902), 2 S, darunter Wilhelm (1887–), Dr. med. AUK 1912.

Chronik AUK 1893/94, 6 f.; v. Kügelgen 1894; Weisfert 78 f.; ADB 49, 513–515; APB 228 f.; Gund­ lach 59; BBKL II, 291. Graz, Friedrich, Lektor für Englisch, Dänisch * 8. 3. 1872 Osterode/Ostpr. † nach 1941 V.: Karl Adolf G., M.: Ida Kauitzsch, ev. – 1891 G Os­ terode, philol.­philos. Stud. AUK, Schüler von Kissner u. Schade, Prom. 6. 10. 1894: Die Metrik der sog. Cae­ dmonschen Dichtungen mit Berücksichtigung der Ver­ fasserfrage. I. Die Metrik des Exodus (R.: Schade, Kiss­ ner), 1915/16 Lektor Englisch, nach 1918 bis 1937 Lektor Dänisch; 1912–1924 OStDir. Burg­Schule. Vita Diss.; VV­AUK; EB 1941, 82; Gause II, 718. Grimmer, Walter, Agrarwissenschaft, Milchwirtschaft * 28. 6. 1878 Böhlen b. Rötha/Sachsen † 14. 9. 1944 Königsberg V.: Bernhard G., Kaufmann, M.: Anna Benthien (1844–), ev.­luth. – RG Dresden 1899, chem. Stud. TH Dresden u. Göttingen, Mai 1904 Prom.: Zur Kenntnis des Cyclohexanons (R.: O. Wallach). 1904 Physiol.­Chem. Versuchsstation Tierärzt. Hochschule Dresden, 1907 Milchwirt. Inst. Univ. Greifswald, 8. 8. 1913 Habil. f. physiol. Chemie der Milchwirt­ schaft Tierärztl. Hochschule Dresden: Beiträge zur Kenntnis der Fermente der Milchdrüse und der Milch. 14. 10. 1916–31. 3. 1923 Ltr. Versuchsanstalt u. Lehr­ anstalt Molkereiwesen ostpr. LWK (Nf. Hittcher). 4. 11. 1916 Umhabil. AUK, WS. 1917/18 plm. ao. Prof., 1924 b. ao. Prof./persönl. Ord. ebd. In den 20er Jahren vor allem Mykologie des Käses u. Käserei­ fung. „Seine Forschungen waren für die damals in der Volksernährung zentrale Milchwirtschaft grundlegend“ (BEN). 1910: Chemie und Physiologie der Milch. Kurzes Lehrbuch …, 1913: Rationelle Milchwirtschaft. Leitfaden zum Gebrauch in landwirtschaftlichen Schu­ len, 1922: Leitfaden der Milchhygiene, 1926: Milch­ wirtschaftliches Praktikum, 1926: Lehrbuch der Che­ mie und Physiologie der Milch; Mit­Hg. 1930–1936: Handbuch der Milchwirtschaft, begründete: Milch­ wirtschaftliche Forschungen. – Politisch: 1933 Stahl­ helm, NS­Frontkämpferbund. – Militär: Wehrdienst 1904/05 Posen, Hpt. d. Lwr., 1914–1918 Batteriefüh­ rer, Kolonnenkommandant, 1915 schwerverwundet, EK I, schw. Verw.abz., öst. Militärverdienstkreuz, 1919 Grenzschutz Ost (Ostpreußen). – oo 1917 Martha Weise (1890–1945), 1 T Ilse (1921–1945; unter sowj. Besatzung mit ihrer Mutter zusammen in Mecklenburg Selbstmord, nach Vergewaltigung), 2 S (geb. 1918, 1919), beide im II. Weltkrieg gefallen.

Catalogus Professorum BABL, R 4901, 1878/1, Landw. Institute; ebd., 13264/3201; NDB VII, 92 f.; BEN 2003, 309; APB 1800 f. Grüneklee, Friedrich, Fechtlehrer * 1856 † 22. 9. 1936 Königsberg 1888 Fechtlehrer AUK als Nf. des seit 1866 tätigen Dr. Keppner. VV­AUK; Popp 1955, 31. Gruenhagen, Alfred, Medizin, Physiologie * 28. 2. 1842 Königsberg † 8. 2. 1912 ebd. V.: N. N., Kaufmann, ev. – 1860 FC, med. Stud. AUK, 9. 12. 1863 ebd. Prom. AUK: De novo schemate flu­ minis nervorum et musculorum galvanici. 11. 12. 1867 Habil. f. Physiologie u. Histologie, AV: Ueber die Function der Nerven; 11. 10. 1872 nb. ao. Prof., LA f. med. Physik, Physiologie, Histologie, Direktion des Med.­Physikal. Kabinetts. Ende der 80er Jahre Einzie­ hung des Kabinetts aus finanziellen Gründen, da wegen Krankheit an der Aufrechterhaltung des Forschungsbe­ triebs gehindert. 1894 krankheitsbedingte Entbindung von den Lehrverpflichtungen. 1883 nicht zum Nach­ folger v. Wittichs ernannt, obwohl diesen seit ca. 1880 vertretend, so daß ohnehin vorhandene „krankhafte Erregbarkeit“ sich steigerte und ihn in ein „schiefes Verhältnis zur Fakultät“ (PrMK) brachte. Die Mini­ sterialakten sind gespickt mit Gr.’s Beschwerden und Eingaben. Da er mit Beginn von Ludimar Hermanns Lehrtätigkeit stetig Hörer verlor, verweigerte er zuletzt, um 1890, dem Quästor jede Auskunft, um nicht ein­ gestehen zu müssen, daß die meisten seiner Veranstal­ tungen mangels Studenten gar nicht mehr zustande kamen. – Lehrbuch der Physiologie (begr. v. A. Wag­ ner), 2 Bde., 7. Aufl. 1884/85, 1897: Physiologie der Zeugung. – Forschungen zu den elektromotorischen Wirkungen lebender Gewebe. – 1894 GMR. – Militär: Teilnahme am Krieg gg. Frankreich 1870/71, Kriegsge­ denkmünze am Kombattantenband. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 99; Rep. 89, Nr. 21661, 81–83; Weisfert 80 f.; Pagel 643 f.; Chronik AUK 1911/12, 11 f. (Nachruf Hermann), BLÄF I, 544; APB 1362. Grzybowski, August, Theologie, Lektor für Polnisch * 21. 7. 1842 Tuchlinnen/Kr. Johannisburg † nach 1905 G. Rastenburg, theol. Stud. AUK 1864–1868, 1869 Rektor Mirunsken/Kr. Oletzko, 1872 Prediger Rhein, Kr. Lötzen, 1874 Pfarrer Steindammer Kirche Kö­ nigsberg, Lektor Polnisch, Ltr. des Poln. Seminars seit WS. 1900/01 (Nf. Pelka).

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Weisfert 81; APB 934 f. Güterbock, Carl Eduard, Rechtswissenschaft, Zivil­ recht, Strafrecht, Strafprozeßrecht * 18. 4. 1830 Königsberg † 6. 6. 1914 ebd. V.: Eduard G., Posthalter, M.: Johanna Hirsch, jüd., 1851 ev. getauft. – FC 1847, jur. Stud. FWU, Bonn, München, AUK, 1851 Auskultator beim Kammer­ gericht, Gerichtsassessor, 15. 4. 1858 Stadtrichter in Königsberg, 31. 7. 1860 Prom. AUK: Henricus de Bracton, quo tempore et qua ratione librum de iure anglicano composuerit. 8. 3. 1861 Habil. Strafrecht, Zivil­ u. Strafprozeß sowie preuß. Recht, 31. 7. 1862 ao. Prof., August 1863 Ausscheiden aus dem Justiz­ dienst als Stadtgerichtsrat, 16. 9. 1865 ord. Prof. AUK, 31. 5. 1866 Habil./AV: De jure maritimo quod in pru­ ssia saeculo XVI. et ortum est et in usu fuit; 1873/74 Prorektor, em. 1905. – Studien zur englischen Rechts­ geschichte, engl. Handelsrecht, Rechtsgeschichte, Ent­ stehungsgeschichte der Carolina. – 1884 GJR, da lange dem Kurator „mit Rat und Tat“ geholfen; als Nf. von L. Friedländer Mitglied des Herrenhauses März 1893– 1914, 1885–? Mitglied Generalsynode, 1875–1905 Stipendien­Kurator, Mitglied des Engeren Senats AUK. 1878 RA IV, 1894 RA III. – Politisch: Nationalliberal, seit SS. 1848 Burschenschaft Germania. – oo I. Fanny Reinke (1832–1911), 1 S Johannes (1853–vor 1910), Kriegsgerichtsrat, 1 T Anna Pauline Friederike (1858– 1895) oo Alexander Honrichs, Großkaufmann in Kö­ nigsberg. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XII, Nr. 75 (Gü­ terbock­Stiftung); Rep. 89, Nr. 21660, 102 f.; ebd., Nr. 21661, 67; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 59 (10 Br. an Althoff, 1883–1900); Weisfert 81 f.; Roß 1913, 49; DJZ 1914, 973 f.; Chronik AUK 1914/15, 9 f.; NDB VIII, 290; APB 936; DBE IV, 247. Gutschmid, Alfred von, Alte Geschichte * 1. 7. 1831 Loschwitz † 2. 3. 1887 Tübingen V.: Hermann Otto Th. v. G. (1800–1836), Hof­ u. Justizrat in der sächs. Landesregierung, M.: Lou­ ise Wilhelmine, geb. v. Gutschmidt (1797–1848), ev. – KreuzG Dresden, philol.­hist. Stud. Bonn, Leipzig, Prom. ebd. 1854: De rerum Aegyptiaca­ rum scriptoribus Graecis ante Alexandrum Ma­ gnum. Privatgelehrter in Leipzig, Freundschaften mit G. Freytag, H. v. Treitschke, M. Busch, C. Bursian u. a. (Grenzboten­Kreis); ohne Habil., auf Empfehlung Ritschls, WS. 1863 b. ao. f. Klass. Philologie u. Alte Geschichte Kiel, 1866 ord. Prof. ebd., WS. 1873/74 AUK, SS. 1876 Jena als ord. Prof. f. Klass. Philologie, SS. 1877 Tübingen, Prof. f. Alte Geschichte. Schön die

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Charakterisierung seines Kieler Schülers Erwin Rohde an Nietzsche v. 19. 2. 1868: „… kleiner blasser Mann mit einem gewaltigen Schnauzbart. Persönlich, wie alle Sachsen sehr zuvorkommend, innerlich wie mir scheint, fein organisiert und ich traue ihm zu dass er in vielen wichtigen Dingen im Stillen den Muth hat eigener Meinung zu sein. Eine ähnliche Gelehrsamkeit wie bei dem kleinen Kerl habe ich mein Lebtag nicht gesehen.“ – 1858: Beiträge zur Geschichte des alten Orients (z.T. polemisch zu Bunsens Werk über Ägyp­ tens Stellung in der Weltgeschichte), in Königsberg abgeschlossen: Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients (1876, Auseinandersetzung mit den Anfängen assyriologischer Forschung in Deutschland). Quellen­ kritische u. chronologische Studien in der Grenzzone orient. und okzident. Geschichte, aber mehr Philologe als Historiker (auf diesem Feld monographisch nur die posthum von Th. Noeldeke hg. ‚Geschichte des Irans und seiner Nachbarländer von Alexander dem Großen bis zum Untergang der Arsaciden‘, 1888). Die ver­ streuten Rezensionen und Aufsätze in fünf Bänden aus dem Nl. hg. v. F. Rühl, 1888–1894. – Politisch: 1848 „zugleich königlich und konstitutionell“ (Rühl), in Kiel gegen die „Augustenburgerei“, für den Anschluß Schleswig­Holsteins an Preußen, Mitarbeit PrJb, darin „Invective gegen das Manteuffelsche Regiment“, poli­ tische Tätigkeit in den 60er Jahren „keine ganz geringe, auch wenn er in der Öffentlichkeit wenig hervortrat“, in den Grenzboten gegen den Augustenburger Kieler Prof. P. Forchhammer, in Tübingen Abkehr von Na­ tionalliberaler Partei, 1876 gegen Bismarcks Außen­ u. Wirtschaftspolitik, Furcht vor den „staatssocialistischen Plänen des Reichskanzlers“ (Rühl). – oo Constanze Be­ cker, Tochter des Archäologen u. Topographen des anti­ ken Rom, W. A. Becker (1796–1846), 5 T, 1 S. v. Gutschmid, Schriften I (P); Niese 1892; Rühl 1894 (Bibl.); Weisfert 82 f.; ADB 49, 646–652; APB 243; Volbehr/Weyl 143; NDB VII, 348 f.; DBE IV, 272. Gutzeit, Ernst, Agrarwissenschaften, Pflanzenzüch­ tung * 5. 7. 1863 Königsberg † 21. 3. 1927 Halle V: Friedrich August G., Kaufmann, M: Wilhelmine Müller, ev. – 1883 FC, zool., botan., chem., physik. Studium AUK, 1885 FWU, 1889 Prom. AUK: Die Hornzähne der Batrachierlarven (R.: Chun), 1891 StE f. Naturwissenschaften, 1892 Assist. Kleinhof­Tapiau (Milchwirtschaftliche Versuchsstation); Herbst 1893 Skandinavien, Hoverbecksches Reisestipendium zur Lösung einer milchchemischen Preisfrage und zum Stud. der landw. Verhältnisse Skandinaviens, 1894– 1896 Assistent Bot. Garten u. Lw.­physiol. Labor, Ha­

bil. f. Agrarwissenschaft mit seiner „milchwirtschaft­ lichen Preisarbeit“ (Gutzeit 1921), AV 24. 4. 1896: Natur und Nutzung der Moore, 1896 Dipl. Nahrungs­ mittelchemiker, SS. 1899 b. ao. Prof. f. Pflanzenbau, lw. Bakteriologie u. Pflanzenkrankheiten (neues Extra­ ord.), 1901 auch Ltr. Abt. Pflanzenkrankheiten des Lw. Instituts AUK, 1906–1908 beurlaubt zu Forschungen an Biol. Reichsanstalt Berlin Dahlem unter gleichzei­ tiger Abordnung nach Halle, 1910 mit Vorlesungen über Milchwirtschaft an Univ. Halle beauftr. und Rückkehr zu seinem ursprünglichen Forschungsgebiet, 1915 in Halle auch Ltr. des Molkereilabors, Unter­ suchungen zu chemisch­physikalischen Konstanten der Milch sowie bakteriologisch­enzymologische Studien. 1923 pers. Ord. – oo Hedwig Wegener, Tochter eines Gutsbesitzers aus Bischdorf/Kr. Rössel/Ostpr. GStA, Rep. 76, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, un­ pag.; ebd., Nr. 21, Bd. XXX, 180–192 (G. über seinen akad. Werdegang, 1921); Wer ist’s 1928, 555; Chronik Halle 1926/27, 5–7. Haase, Erich, Zoologie * 19. 1. 1857 Köslin/Pommern † 24. 4. 1894 Bangkok V.: Kreistierarzt (gest. 1877 Ohlau), M: Maria Kaupke, ev. – G Köslin 1876, naturw. Stud. Breslau (Grube, F. Cohn, Römer), 1879/80 Bibliothekar Zool. Mus. ebd., Prom. ebd. 1880: Schlesiens Chilopoden. I. Chilopoda anamorpha (dem Andenken Grubes gewidmet). 1889 Assist. Zool. Mus. AUK, 11. 6. 1889 Habil. ebd., AV: Ueber den Instinct der Thiere, 1890 Direktor des sia­ mesischen Naturhist. Museums in Bangkok. GStA Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 238; vita Diss.; Weisfert 83. Habrucker, Paul, Bibliothekar, UBK * 4. 9. 1851 Gumbinnen † April 1891 Marburg V.: Friedrich Wilhelm H., Pastor, Superintendent, Kreisschulinspektor, M.: Johanna Düring. – G Memel 1869, altphil.­germ. Stud. FWU (Mommsen, Haupt, Curtius), Leipzig (Ritschl), AUK (Lehrs, Jordan, Schade), März 1873 ebd. Prom.: Quaestionum Anna­ eanarum capita IV; Schuldienst, Probejahr FC, 1874 Assistent UB Freiburg/Br., 1. 7. 1876 IV. Kustos UBK (Nf. Redslob), 1. 10. 1876 III. Kustos ebd. (Nf. Perl­ bach), 1. 5. 1888 Kustos Marburg. – oo N. N., minde­ stens 1 S, Walther (1878), Dr. iur. Halle 1906. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV; vita Diss. Haecker, Rudolf, Medizin, Chirurgie * 3. 3. 1878 Cannstatt † 3. 8. 1957 Augsburg

Catalogus Professorum V.: Christian H., Finanzrat, Kameralverwalter in Waiblingen, M.: Ida Waigle, ev. – 1896 Eberhard­ LudwG Stuttgart, med. Studium Tübingen, FWU, 1899 Assist. Anatom. Anstalt Tübingen, 1902 StE, Prom. ebd.: Katalog der anthropologischen Samm­ lung in der anatomischen Anstalt zu Tübingen nebst einer Abhandlung: Über die Größenentwicklung der Hinterhauptschuppe und deren Beziehungen zu der Gesamtform des Schädels (R.: Froriep). 1906 Assist. Chir. Univ. Klinik Greifswald, 14. 8. 1907 Habil. f. Chirurgie (bei → P. Friedrich) ebd., Umhabil. Mar­ burg 14. 10. 1907, zugleich I. Assistenzarzt Chirg. Klinik (Friedrich), 1910 OA Marburg, mit Friedrich 1911 an AUK, 2. 12. 1911 Umhabil. f. Chirurgie, 1913 Ltr. Chirurg. Abt. StädtKHS Essen, 12/1918–5/1922 OA Chir. Univ. Klinik München, 15. 5. 1922 Direktor Chirg. Abt. StädtKHS Augsburg, zugleich nb. ao. Prof. München. – Politisch: Vor 1933 DNVP, Stahlhelm, 1934 SAR I, 1. 5. 1937 NSDAP. – Militär: 1898/9, 1902 Wehrdienst, 1914–1918 Chirurg, Stabsarzt d. R. in Feldlazaretten, Westfront, Balkan, EK I, Bulgar. Alexanderorden. – oo 1934 Anneliese Holzhey (1911, kath.). BABL, R 4901, 13265/3461; GStA …, Nr. 24, Bd. III, 84 f.; KGK 1931, 991 f.; MG II, 251. Haendcke, Berthold, Kunstgeschichte * 2. 7. 1862 Altona † 11. 4. 1951 Meiningen V.: Heinrich H., Verlagsbuchhändler, M.: geb. Lehmkuhl, ev. – G Stuttgart, kunsthist. Stud. FWU (H. Grimm), Basel (J. Burckhardt), München, Prom. 14. 11. 1885 ebd.: Berthold Furtmeyr, sein Leben und seine Werke. Studienreisen Niederlande, England, Frankreich, 16. 8. 1888 Habil. Bern: Nikolaus Ma­ nuel Deutsch als Künstler, 1889 Hilfsarbeiter Kunst­ gewerbe­Museum Berlin, Ende 1889 Rückkehr nach Bern, 1894 b. ao. Prof. Jena, 30. 1. 1895 Verwaltung Extraordinariat Lange AUK, SS. 1896 ebd. ord. Prof. f. Kunstgeschichte, 1909/10 Prorektor, 1927 em., 1935 nach Hannover verzogen, dann Berlin­Grunewald und kriegsbedingt nach Meiningen. – GRR. – Schwer­ punkt: Deutsche Kunstgeschichte 15./17. Jh., 1894: Die Schweizerische Malerei im XVI. Jahrhundert dies­ seits der Alpen unter Berücksichtigung der Glasmalerei und des Formenschnittes und des Kupferstiches; in der ersten Königsberger Zeit Forschungen zur Geschichte der Skulptur. Alle Arbeiten prätendieren, den Zu­ sammenhang von Geschichte, Kulturgeschichte und Kunst aufzuzeigen, grundierend dabei der Glaube an das „germanische Wesen“ deutscher Kunst. 1925: Lovis Corinth dem Ostpreußen, 1942: Germanien und das Morgenland. – oo N. N. (gest. nach 1951), 1 S. (gest. 1950).

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GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 178–180; XX.HA/99c, 46; Weisfert 84; KUK 1909/10 (P); Engelhardt 1954 (Bibl.); APB 938. Hagelweide, Max Hugo, Agrarwissenschaft, Kultur­ technik * 13. 3. 1869 Angerburg † nach März 1944 Bis 1911 Meliorationsamt Bonn, b. ao. Prof. f. [lw.] Kulturtechnik WS. 1911/12–SS. 1917 AUK, 1917 vom Kurator Disziplinarverfahren gegen H. beantragt wegen fehlender Promotion bei Ernennung zum Profes­ sor, überdies wegen Vernachlässsing seiner Dienst­ und Präsenzpflicht; H. kam im Mai 1917 um Entpflichtung ein. Im VV. bis 1944 aufgeführt als in Berlin­Friedenau resp. in Teupitz/Brandenburg (seit 1939) wohnhaft. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, XXVII, 282, 312–314. Hagen, Ernst August, Kunstgeschichte * 12. 4. 1797 Königsberg † 15. 2. 1880 ebd. V.: Karl Gottfried H. (1749–1829), Hofapotheker, Prof. f. Physik, Chemie, Mineralogie AUK, M.: Jo­ hanna Maria Rabe, ev. – 1816 AltstädtG, 1816–1820 med.­naturw., philol.­kunsthist. Stud. AUK, Prom. AUK 1820 (ohne Dissertation!), 1821–1823 Studien­ reise durch Deutschland und Italien, Besuch Goethes, 13. 12. 1823 Habil. AUK (per Dekret v. Altensteins!), 1825 ao. Prof. f. Theorie und Kritik der schönen Künste und Wissenschaften (Kunstgeschichte), ebd. 1831 ord. Prof. f. Kunst­ u. Literaturgeschichte. Verfas­ ser von Erzählungen, Dramen, Gedichten, viel davon ungedruckt. Wissenschaftlich nicht übermäßig pro­ duktiv, Arbeiten zur Geschichte des Theaters in Preu­ ßen (1854), eher literarisch 1833–1840: vier Bändchen ‚Künstler­Geschichten‘ (Nacherzählung der Chronik von Florenz v. L. Ghiberti, Quellenkompilationen zu Leonardo da Vinci u. Katharina v. Siena), 1857: Die deutsche Kunst in unserm Jahrhundert (enthält eine Reihe Königsberger Vorlesungen über Carstens, Gilly, Goethe, Schadow, Thorvaldsen, Rauch u. a.), 1863: Max von Schenkendorf ’s Leben, Denken und Dichten; ein Jahr zuvor Hg. von Schenkendorfs Gedichten. Vor allem als „Kulturmanager“ seiner Heimatstadt von gro­ ßer Wirksamkeit, Initiator der städt. Kunstsammlung, Begründer der Altertumsgesellschaft Prussia 1844, Hg. Neue preußische Provinzialblätter (1846–1857); rief 1845 die Kunstakademie ins Leben. Erhalten hat sich ein Verzeichnis seiner 1880 vom Auktionshaus Star­ gardt versteigerten Bibliothek zur Geschichte Ost­ u. Westpreußens wie zur Theatergeschichte (SBB). – Po­ litisch: Royalist, von „unverwüstlicher Königstreue“, als Burschenschafter früh entflammt für die „Einheit

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Deutschlands“, 1871 entsprechend „begeistert“ über den Reichseiniger Bismarck (Hagen 1897). – Militär: 1817 freiw. Wehrdienst im Königsberger IR 1. – 1871 RA II m. Eichenlaub; Mitglied der KglDG, der Kgl. Gesellschaft für nordische Altertumskunde Kopenha­ gen, Ehrenmitglied Deutsche Gesellschaft Leipzig. – oo 1825 Emilie Cäcilie Oestreich (1804–1876), Kauf­ mannstochter aus Braunsberg, kath., 3 T, 2 S. – Hagens Bruder Karl (1785–1856) war seit 1811 ord. Prof. f. Staatswissenschaften an der Albertina, der Physiker → Franz Neumann und der Astronom Bessel (1784– 1846) waren seine Schwäger. Weisfert 85; Hagen 1897; APB 244. Hahn, Friedrich, Geographie * 3. 3. 1852 Glauzig/Kr. Köthen † 5. 2. 1917 Königsberg V.: Gustav H. (gest. 1859), Oberamtmann, M.: Emilie Schnupphase (gest. 1904), ev. – 1859–1869 Pädago­ gicum Frank. Stiftung Halle, 1871 ThomasG Leipzig, naturwiss.­geogr. Stud. Leipzig, Prom. ebd. 1877: Die Beziehungen der Sonnenfleckenperiode zu meteorolo­ gischen Erscheinungen (R.: O. Peschel), Habil. ebd. 1879: Über das Aufsteigen und Sinken der Küsten, ein Beitrag zur Allgemeinen Erdkunde, 1883: Inselstudien, 1884 nb. ao. Prof., WS. 1885/86 b. ao. Prof. f. Ge­ ographie AUK (Nf. Zoeppritz), 1885: Die Städte der norddeutschen Tiefebene in ihrer Beziehung zur Bo­ dengestaltung, 1886 ord. Prof. ebd., 1899/1900 Rek­ tor. Werke bieten keine aus Feldforschung gewonnenen Erkenntnisse. Nach der naturwissenschaftlichen Leip­ ziger Zeit unter Peschel und v. Richthofen in Königs­ berg Hinwendung zur Landeskunde, Anthropogeogra­ phie, Verkehrsgeographie (1905: Die Eisenbahnen), Demographie; selbst als Forscher seit etwa 1890 nicht mehr sehr produktiv, aber Anreger zahlreicher Doktor­ arbeiten zur Verkehrs­ u. Siedlungsgeographie Ost­ u. Westpreußens. 1895: Topographischer Führer durch das nordwestliche Deutschland („ein Wanderbuch, wesentlich im Studierzimmer erwachsen!“, Partsch). 1905 Vorsitz. Zentralkommission f. wiss. Landeskunde von Deutschland, 1907 Redaktion „Forschungen zur Deutschen Landeskunde“, 1891–1909 Berichterstatter über die Forschung zu Afrika und Australien im Geogr. Jahrbuch, 1901 Neubearbeitung des Bandes ‚Afrika‘ in der von W. Sievers hg. „Länderkunde“. – 1906 GRR, 1902–1917 Vorsitz Geographische Gesellschaft Kö­ nigsberg. – Militärisch: Ungedient. – Unverheiratet. Weisfert 86; Partsch 1917; G. Braun 1917; Opper­ mann 1917; APB 246 f.; Engelmann 1983, 111 f. Hahn, Martin, Medizin, Bakteriologie, Hygiene * 17. 4. 1865 Berlin † 4. 11. 1934 ebd.

V.: Albert H., Fabrikbesitzer, Geh. Kommerzienrat, jüd., ev. getauft. – 1884 G Berlin, med. Studium Hei­ delberg, Freiburg, FWU, München, StE 1889, Prom. München 1889: Zur Aetiologie und Pathogenese der Arteriosclerose; Assistenzen u. a. Hygienisches Institut FWU (Robert Koch) u. ebd. Path. Inst. (Virchow), Bern, St. Petersburg (v. Nencki), 1892 ärztl. Beirat des Cholera­Kommissars an der Oder, 1892/93 Studium der Choleraepidemie in Südrußland, 1893/94 Assist. Path. Inst. Halle, 1894 I. Assist. Hyg. Inst. München, ebd. 1895 Habil. f. Hygiene u. Bakteriologie: Bezie­ hungen der Leucocysten zur bactericiden Wirkung des Blutes, PV 6. 7. 1895: Milch und Milchkontrolle, 1897 Habil. f. Hygiene u. Bakteriologie TH München, 1901 nb. ao., 1902 apl. Prof. ebd., 1905 HonProf. ebd., LA f. Gewerbe­ u. Bauhygiene. 1901 zu Pest­Studien nach Indien, 1904 Transkaukasien, 1908 Cholera­Studien in Hospitälern St. Petersburgs, 1910 Untersuchung der Schlafkrankheit in Dt. u. Brit.­Ostafrika. WS. 1911/12 oö. Prof. f. Hygiene u. Bakteriologie AUK (Nf. Kruse), SS. 1912 Freiburg, 1922–1933 oö. Prof. f. Bakteriolo­ gie u. Hygiene, Direktor des Hygiene­Instituts FWU; zu seinen letzten Assistenten dort (1930–1933) gehörte der Biochemiker und Kulturkritiker Erwin Chargaff. – Veröffentlichungen über seine Studienreisen in Epide­ miegebiete, Beiträge zum Handbuch für Serumtherapie (1910), Handwörterbuch der sozialen Hygiene (1911), über Berufswahl und körperliche Anlagen (1902), Al­ koholmißbrauch in den Süddt. Monatsheften 1904, Volksbildung als Grundlage moderner hygienischer Bestrebungen (1905), monographisch über Enzyme (1909). – Politisch: Keine Mitgliedschaft in Parteien, 1933 wg. jüd. Herkunft gem. § 3 BBG entlassen. –– Militär: Kriegsfreiwilliger, Korps­ u. Armeehygieniker, u. a. Ostfront in Polen u. Rumänien, verabschiedet Nov. 1918 als Generaloberarzt, Verdienste bei „Durch­ impfung“ der Truppe gegen Infektionskrankheiten, EK I. – Ledig. – Nachlaß: Wellcome Unit for the Hi­ story of Medicine/Oxford. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. XII, 6–25 (Liste Nf. Kruse 1911, ebd. Bibl. Hahn 14 f.); BLÄF I, 565 f.; Weindling 1985 (Bibl., P); E. Schulz 1986 (Bibl., P); Voswinckel 2002, 576. Hallervorden, Eugen, Medizin, Psychiatrie * 17. 7. 1853 Schmalleningken/Kr. Ragnit † 18. 9. 1914 Königsberg V.: N. N. – G Gumbinnen 1871, med. Stud. Straßburg, AUK, StE 1878, Prom. AUK 16. 12. 1878: Ueber das Verhalten des Ammoniaks im Organismus und seine Beziehung zur Harnstoffbildung (gewidmet „seinen verehrten Lehrern“ Naunyn u. Schmiedeberg). 1877– 1880 Assistenzarzt Med. Klinik (Naunyn), 1880–1886 Secundärarzt Ostpr. Provinzialirrenanstalt Allenberg,

Catalogus Professorum 1886–1891 Direktor Prov. Irrenanstalt Kortau bei Allenstein, ausgeschieden wegen „Überbürdung“ der ärztlichen Verantwortung durch Verwaltungsaufga­ ben, Nervenleiden und „schwere Gemütsdepression“ davongetragen, 1891/92 Arzt in Görlitz, 1892/93 „gesundheitshalber auf See“ (Weisfert), 1893 Arzt in Königsberg, Habil. f. Psychiatrie AUK 8. 7. 1896, AV: Ueber seelische Einwirkung. – oo N. N., mindestens 1 S, Julius (1882–1965), Psychiater, Neurologe, Dr. med. AUK 1909, seit 1938 Abt.leiter Neuropathologie KWI Berlin­Buch. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 307–309; Bd. III, 203: Kurat.­PrMK v. 23. 9. 1914: H. am 18. 9. verstorben (lt. Chronik AUK 1914/15, 11 f. am 18. 11. 1914). – Vita Diss.; Weisfert 87; zu Ju­ lius H.: APB 940; Klee 2003, 221. Hammerschlag, Sigfrid, Medizin, Gynäkologie * 16. 1. 1871 Magdeburg † 16. 5. 1948 Mesched/Iran V.: N. N. (gest. vor 1900), Kaufmann, ev. (jüd.). – 1889 DomG Magdeburg, med. Stud. Würzburg, Leipzig, Kiel, FWU, 1893 Prom. ebd.: Trional als Schlafmit­ tel. Anatom.­gynäkol. Fachstudium FWU (Waldeyer) 1893–1894, 1. 3. 1898 Assist. Univ. Frauenkl. AUK, 1901 I. Assist. ebd., Vorstand des Laboratoriums, Arzt der septischen, gynäkol. u. geburtshilfl. Station, 1. 4. 1902 OA, selbständige Leitung der Klinik (jähr­ lich vier Monate während Winters Abwesenheit), Ltr. gynäkol. u. geburtshilf. Poliklinik, Ausbildung der As­ sistenzärzte, Verwaltung der Frauenklinik, Hebammen­ lehrer, 2. 7. 1904 Habil. f. Geburtshilfe u. Gynäkol., AV: Ueber Uterusruptur, 19. 3. 1908 Tit.Prof., 1909 auf eigenen Wunsch, offenbar in gutem Einvernehmen mit Winter, ausgeschieden. Niederlassung als Frauen­ arzt in Berlin, zugleich Ltr. Frauenklinik der Heilsar­ mee im Wedding, Oktober 1913 Direktor Provinzial­ Hebammen­Lehranstalt (mit Frauenklinik) der Provinz Brandenburg Neukölln, 1934 Emigration, 10. 10. 1934 Ltr. KHS Mesched, 1943 Pensionierung wegen Krank­ heit. – Veröff. üb. Eklampsie in Ostpreußen, Mit­Hg. Der Frauenarzt u. Sexualprobleme. – 1915 Sanitätsrat. – Politisch: nach 1918 Liga für Menschenrechte, zum 1. 11. 1933 um Entlassung eingekommen, da wg. jü­ discher Herkunft von § 3 BBG betroffen. – Militär: Wehrdienst ca. 1894, Gardedragoner Berlin, 1907 Stabsarzt d. R., Kriegsteilnahme v. 2. 8. 1914 an, Chef­ arzt in verschied. Feld­Lazaretten, Teilnahme an der Belagerung Antwerpens, EK II, Nov. 1915 Chef Res. Lazarett Strausberg/Brandenburg. – oo 1906 Helene Deutsch. GStA Nr. 24, Bd. II, 89, 242, 246; Stürzbecher (P).

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Hansen, Johannes, Agrarwissenschaften, Tierzucht, Betriebslehre * 9. 3. 1863 Nadelhöft/Kr. Flensburg † 3. 1. 1938 Berlin V.: Nicolai H. (1832–1915), Landwirt, M.: Maria Dorothea Thomsen, ev. – Prakt. lw. Ausbildung im väterlichen Betrieb, Besuch der Lw.schule Kappeln 1880–1883, ab 1883 lw. Stud. Kiel, Jena, 4. 1. 1887 ebd. Prom.: Untersuchungen über den Preis des Ge­ treides mit besonderer Rücksicht auf den Nährstoff­ gehalt desselben (R.: v. d. Goltz). Lw.lehrer in Schle­ sien u. Mecklenburg, 1889 Direktor Ackerbauschule Zwätzen/Jena, 1896 Habil. Jena. 1897 Betriebsleiter einer gräfl. Güterherrschaft in Oberschlesien, SS. 1901 Prof. Lw. Akademie Bonn­Poppelsdorf, WS. 1910/11 oö. Prof. f. Landwirtschaft, Direktor Lw. Institut AUK (Nf. Albert), 1911 Einrichtung des Versuchs­ guts Gutenfeld, 1917/18 Rektor, 1919/20 Dekan, SS. 1922–WS. 1928/29 FWU. – Forschungsschwer­ punkt: Tierzucht, insbes. Rinderzucht (‚Lehrbuch der Rinderzucht‘, 1921, 4. Aufl. 1927). „H. war eine der markantesten Persönlichkeiten der Landwirtschaft, ein talentierter Lehrer, vielseitiger Forscher und glänzender Organisator“, 1.700 Schüler, an 233 Promotionen mitgewirkt, 74 Dissertationen betreut, selbst 449 Auf­ sätze und 54 selbständige Arbeiten verfasst (lt. Gerber), wichtiger Beitrag für die Denkschrift zum Wiederauf­ bau der Provinz war 1916 seine Bestandsaufnahme der Landwirtschaft in Ostpreußen. – 1910 GRR, RA IV. – Politisch: Mitbegründer der Deutschen Vaterlands­ partei im September 1917, 1918–1922 DNVP, seit­ dem keiner Partei angehörend, „aber der deutschnati­ onalen nahestehend“ (HLK). – Militär: Ersatzreserve, nicht übungspflichtig, 1914–1918 Kriegshilfsdienste EK II am weißen Band. – oo Marie Helene Schenck (1871–1911), 2 T, darunter Ilse (1904–) oo Hans von Falk (1888–1966), Enkel des preuß. Kultusministers A. v. Falk. BABL, R 4901,13265/3603; Deutschlands Ge­ lehrte 1910, 298 (P); APB 250; Momsen 1965; NDB VII, 633 f.; SHLB IV, 81 f.; DBE IV, 375; BEN 2003, 342 f.; Gerber 2004, 265 f.; Hamer 2007, 286–289 (P). Ms. einer Autobiographie im Nachlaß (Familienbesitz). Hasbach, Wilhelm, Staatswissenschaften, National­ ökonomie * 25. 8. 1849 Venauen b. Mülheim/Rhein † 30. 4. 1920 Karlsruhe V.: Wilhelm H. (1820–1884), Obersteiger, Katharina Schumacher (1810–1869), kath. – 1868 philol.­hist. Stud. Akademie Münster, Bonn, Tübingen, Genf, 1875 StE Bonn u. Prom. Tübingen: Die platonische Idee in Schopenhauers Ästhetik, Schuldienst, 1879/80 beurlaubt zu staatsw. Studien FWU, Volontär im

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Preuß. Statist. Büro, 1882/83 Studienaufenthalt Eng­ land, 1884 Habil. f. Staatswissenschaften Greifswald mit einer Arbeit über das engl. Arbeiterversicherungs­ wesen, 1887 ao. Prof. ebd., SS. 1888 b. ao. Prof. AUK (Nf. Elster), oö. Prof. f. wirtschaftl. Staatswiss. Kiel WS. 1893/94, 1894–1897 zugleich Dozent Kaiserl. Marineakademie, auf eigenen Wunsch 1906 entpflich­ tet. – Schwerpunkte: Sozial­ u. Wirtschaftsgeschichte Großbritanniens, Geschichte u. Systematik der Na­ tionalökonomie, Kritik des „klassischen“ Liberalismus (A. Smith) und Demokratismus. – Militär: Kriegsteil­ nahme 1870/71. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, 66–68; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 63 I (26 Br. an Althoff, 1884–1906); Weisfert 88 f.; NDB VIII, 17 f. Hassell, Karl von, Oberpräsidial­ u. Kuratorialrat * 29. 2. 1872 Lehe/Hannover † 7. 7. 1932 Königsberg V.: Friedrich v. H., Jurist, OLG­Präsident, M.: Helene Reinicke, ev. – G Nordhausen 1890, jur. Stud. Tübin­ gen, FWU, Göttingen, Reg. Assessor 1899. Um 1900 Dezernent für Erhaltung und Stärkung des Deutsch­ tums im Oberpräsidum Posen. 1905–1917 Landrat Mansfeld, für die Konserv. Partei im Preuß. Abge­ ordnetenhaus. 1917 Oberprässidialrat Königsberg, 27. 3. 1920 suspendiert aufgrund seines Engagements für den Kapp­Putsch, 1. 9. 1920 Pensionierung. Vorsitz des Heimatbundes Ostpreußen, „jenes Bundes, in dem sich die vaterländisch­bewußten, tatbereiten Ostpreu­ ßen zusammengefunden hatten“ (APB). APB 255. Hassenstein, Walter, Astronomie * 13. 11. 1883 Königsberg † 6. 1. 1961 Potsdam V.: Dr. Georg H. (1848–1888), Oberlehrer, M.: Elise Chales de Beaulieu (1850–1922), ev. – WilhelmsG 1901, mathem.­astron. Stud. AUK, Prom. 13. 4. 1905: Neue Bearbeitung von William Herschels Beobach­ tungen der inneren Saturnmonde (1789) (R.: Struve), 1905–1909 Assistent Sternwarte AUK, 1909–1919 Straßburg, 1919 Astrophysik. Observatorium Potsdam, 1927 Hauptobservator u. Prof. ebd., 1949 Ruhestand. – oo 1921 Anna Wanach, 2 S, darunter Bernhard H., 1922–, Prof. f. Zoologie. APB 943. Hecht, Benno, Mineralogie, Geologie * 12. 4. 1860 Pr. Eylau † nach 1925 V.: Friedrich H., Kaufmann, M.: Johanna Klein, ev. – 1878 FC, naturw.­mathem. Stud. AUK 1878– 1883, 1883 OberlehrerEx., 1883/84 Probejahr G Til­

sit, mathem. Prom. AUK 1885: Ueber die Form der Lösungen algebraisch auflösbarer Gleichungen von Primzahlgeraden, insbes. vom 5. und 7. Grade aus, 27. 4. 1887 Habil. f. Krystallographie u. Mineralogie: Beiträge zur Krystallberechnung; PV: Die Theorie der Cirkularpolarisation in Krystallen; AV: Über die Aus­ dehnung der Krystalle durch die Wärme. 1. 11. 1885 Assist. Mineralog. Inst. ebd. (Liebisch), bis 1894 PD, seitdem Schuldienst, Oberlehrer StädtRG München­ hofe. Als Beiträge zum Schulprogramm 1903: Zusam­ menstellung des mathematischen Lehrstoffes für die untere und die mittlere Stufe des Realgymnasiums, und 1912: Über rationale Dreiecke; pensioniert 1925 als Studienrat am LöbenichtG. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 207, 213 f.; Weisfert 90 f., Rottleuthner 1978, 98. Heine, Bernhard, Medizin, HNO * 15. 3. 1864 Berlin † 19. 2. 1928 München V.: Bernhard H., Kaufmann, M: Auguste Semmler, ev. – G Görlitz 1883, med. Stud. KWA 1883–1885, 1885–1888 FWU, München, Prom. ebd. 17. 5. 1888: Antipyrin und Antifebrin als schmerzstillende Heilmit­ tel, 25. 3. 1889 StE u. Approbat., 1891 Volontär Chir. Poliklinik FWU, 1892–1894 prakt. Arzt, 1895–1906 Assist. bzw. OA Univ.­Ohrenklinik FWU (Lucae), März 1903 Habil. f. Ohrenheilkunde FWU: Über die operative Behandlung der otitischen Thrombose des Sinus transversus, 1906 ao. Prof. ebd., im gleichen Jahr b. ao. Prof. f. Ohrenheilkunde AUK, 1909 Mün­ chen, 1922 oö. Prof. ebd., dort Begründer einer großen HNO­Schule. – Schwerpunkte: Otochirurgie, Behand­ lung der Mittelohreiterungen und ihrer endokraniellen Komplikationen, 1904: Operationen am Ohr. Die Operationen bei Mittelohreiterungen und ihren intra­ kraniellen Komplikationen. Für Ärzte und Studierende (3. neubearb. Aufl. 1913). – 1922 Vorstandsmitglied Gesellschaft Dt. HNO­Ärzte, 1925 Vorsitzender. – Mi­ litär: 1889/90 Wehrdienst. – ooN. N. (gest. vor 1924), mindestens 1 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 50, Bd. VII, 74 f. (Habil.); Politzer 1913, 273; Voss 1928; BLÄF I 601. Heinrich, Theodor, Lektor Stenographie * 19. 5. 1839 Brandenburg/Ostpr. † 9. 6. 1898 Königsberg V.: Ernst Christoph H., Postexpedient, M.: Caroline Charlotte Schulz, ev. – Ausbildung zum Volksschul­ lehrer, seit 1864 in Königsberg, ausgeschieden wg. Krankheit, 1876–1893 Generallandschaftssekretär, 1867–1898 Lektor für Stenographie AUK, Grün­ der u. Redakteur der Preußischen Stenographenzeitung

Catalogus Professorum (1872–1882), Vors. d. Gabelsberger Stenographenver­ eins f. Ost­ u. Westpreußen, 1876: Lehrbuch für den Elementar­Unterricht der deutschen Stenographie. Weisfert 91 f.; APB 262. Heinze, Max, Philosophie * 13. 12. 1835 Prießnitz/Sachs.­Meiningen † 17. 9. 1909 Leipzig V.: Carl H. (1797–1872), Dr. theol. et phil., Pfarrer, Kirchenrat, M.: Henriette Heumann (1802–1872), ev. – G Naumburg 1853, theol. Stud. Leipzig, Halle (Tholuck), Erlangen, Tübingen (Baur), Übergang zur Altphilologie u. Philosophie in Berlin unter Tren­ delenburg, ebd. 1860 Prom: Stoicorum de affectibus doctrina. Adjunkt u. Lehrer Fürstenschule Pforta, unter seinen Schülern Nietzsche u. v. Wilamowitz­ Moellendorff, 1863 auf Vermittlung Trendelenburgs Erzieher am oldenburgischen Hof, 1872 Habil. f. Philosophie (ohne Habilschrift), AV: Die Sittenlehre des Descartes, 1874 ord. Prof. Basel (Nf. Eucken), AV: Mechanische und teleologische Weltanschauung, SS. 1875 AUK (Nf. J. Bergmann), WS. 1875/76 Leip­ zig (Nf. Ahrens). – Schwerpunkt: Geschichte der an­ tiken Philosophie, Hauptwerk: Geschichte des Logos in der griechischen Philosophie (1872), Hg. u. Bear­ beiter von Ueberwegs ‚Grundriß der Geschichte der Philosophie‘ (5.–10. Aufl., 1876–1907), Aufsätze Im Neuen Reich, in der von ihm mitbegründeten Viertel­ jahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie (1877 ff.), Beiträge zur ADB (M. W. Drobisch, J. Frohschammer, J. Frauenstaedt, G. Hartenstein, W. Vatke, Joh. Jac. Wagner, C. H. Weiße), zur 3. Aufl. der Realenzyklo­ pädie für protestantische Theologie u. Kirche (u. a. Artikel: Evolutionismus, Materialismus, Neoplatonis­ mus, Pantheismus, Religionsphilosophie), Mitarbeit an der Akademie­Ausgabe der Werke Kants (1894 ff.), Hg. von Kants Vorlesungen üb. Metaphysik, seit 1873 regelmäßiger Rezensent Literarisches Centralblatt und Bursians Jahresbericht (Sammelreferate zur Geschichte der nach­aristotelischen Philosophie, 1873–1886). – GHR, FS 1906 mit Beiträgen u. a. von P. Barth, K. Joël, O. Külpe, F. Medicus, E. Meumann, R. Rich­ ter, H. Schwarz. – oo1864 Klara Lepsius (1845–1933), 2 S, → Richard und Rudolf (1865–1928), 1907–1912 MdR (Nationallib. Partei), 1918 sächs. Justizminister, Mitbegründer der DVP, MdR 1920–1924, Reichsju­ stizminister, Vizekanzler 1920/21, 1922/23, Oktober 1923 Reichskommissar f. die Reichsexekution gg. die USPD/ KPD­Regierung in Sachsen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. IX, 193–196; ebd., Bd. X, 56 ; Heinrici 1909; Eleuthero­ pulos 1909; Vaihinger 1909; Barth 1911; Ziegenfuß 496 f.; NDB VIII, 447; Jahn 167.

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Heinze, Richard, Klassische Philologie * 11. 8. 1867 Naumburg/Saale † 22. 8. 1929 Bad Wiessee V.: → Max H. – 1885 NikolaiG Leipzig, klass. phil. Stud. Leipzig (O. Ribbeck), Bonn (Usener, Bücheler), 1889 Prom. ebd.: De Horatio Bionis imitatore, 1890 StE, 1890/91 FWU (Mommsen), 1892 Studienaufent­ halt Italien, 1893 Habil. f. Klass. Philol. Straßburg: Xenokrates. Darstellung der Lehre und Sammlung der Fragmente, 1896/97 Griechenlandreise, 1900 b. ao. Prof. FWU, SS. 1903 AUK (Nf. Brinkmann), WS. 1906/07 Leipzig. – Präzeptor der kulturwissen­ schaftlich orientierten Latinistik, Hauptwerke: Vergils epische Technik (1903), seit 1898 Übernahme von A. Kießlings Edition der ‚Oden und Epoden‘ (7. Aufl. 1930), der ‚Satiren‘ (5. Aufl. 1921) sowie der ‚Briefe‘ des Horaz (4. Aufl. 1914), aus dem Nachlaß 1930: Die Augusteische Kultur; einen Teil seiner Aufsätze gab Erich Burck zuerst 1938 heraus (3. Aufl. 1960). – oo 1899 Johanna Gröber (1877–1951), Tochter des Straßburger Romanisten Gustav G. (1844–1911), 2 S. GStA, Rep. 89, Nr. 21662, 162 f.; Heinze 1960 (Bibl., P); Kößling 1965 (P); NDB VIII, 447 f. Heisrath, Friedrich, Medizin, Augenheilkunde * 12. 10. 1859 Mazutkehmen/Kr. Gumbinnen † 9. 7. 1904 Seebad Cranz V.: Christian H., Gutsbesitzer, M.: Katharina Strunk, ev. – 1871 FriedrichsG Gumbinnen, med. Stud. AUK, StE 1875, militärärztl. Laufbahn, Mai 1879–1881 Assist. Univ. Augenklinik (Jacobson), 25. 4. 1881 Prom.: Über die Abflußwege des Humor aqueus, mit bes. Berücksichtigung des sog. Fontana’schen und Schlemmschen Kanals. 1882 Begründer u. Leiter einer augenärztl. Privatklinik sowie Ltr. Augenstation KHS Barmherzigkeit, 1885 Stabs­ u. Bataillonsarzt GR 1, 1895 IR 43; 24. 12. 1898 Habil. f. Augenheilkunde AUK: Zur Behandlung der granulösen Augenentzün­ dung mit bes. Berücksichtigung des Operationsverfah­ rens, AV: Ueber Simulation und Aggravation von Seh­ schwäche. Hauptverdienste in der „Vervollkommnung der Granulosebehandlung“ und Bekämpfung der Gra­ nulose im Bereich des I. AK, „einer der erfahrendsten Granulosekenner, erwarb sich durch die Ausbildung eines Operationsverfahrens bei Trachom (Tarsalexzi­ sion [zuerst 1882]) große Verdienste“ (BLÄF), 1898 Oberstabsarzt, 12. 5. 1898 Tit.­Prof. – Unverheiratet. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 352 f.; Bd. II, 94; Chronik AUK 1904/05, 9 f.; BLÄF I, 603; APB 262 f.

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Heller, Ernst, Medizin, Chirurgie * 6. 11. 1877 Eichenwalde/Kr. Naugard, Pommern † 2. 11. 1964 Leipzig V.: Ernst H., Gutsbesitzer, M.: Emma Fiering, ev.­ reform. – 1895 HG Pyritz, med. Stud. FWU, Mün­ chen, Leipzig (→ Friedrich), 1902/03 Assistent Chir. Poliklinik Leipzig (Friedrich), Prom. ebd. 11. 5. 1902: Zur Kenntnis der Fibrome und Sarkome an Hand und Fingern, 1. 4. 1903 Assist. Chir. Klinik Greifswald, 1908 Habil. f. Chirurgie u. Orthopädie bei → Payr ebd.: Experimentelle Untersuchungen über die Rolle des Bakteriums coli commune bei der entzündlichen Venenthrombose, 20. 1. 1911 Umhabil. f. Chirurgie AUK, AV 23. 12. 1910, Friedrich­ und Payr­Schüler, zum SS. 1912 zu Payr nach Leipzig, ebd. 1914 nb. ao. Prof., Ltr. Arzt Chir. Abt. St. GeorgKHS Leipzig, 1947 komm. Ltr. Chirurg. Klinik u. Poliklinik Leipzig, ord. Prof. ebd. SS. 1949, 1950 em. – Arbeiten zur Kardio­ plastik, Geschwulstlehre, Thorakoplastik, 1948: Das Handwerk des chirurgischen Stationsdienstes. – Poli­ tisch: 1933 FMSS. – Militär: Wehrdienst, 1914 Stabs­ arzt, Chirurg u. Chefarzt in Feld­ u. Kriegslazaretten, EK I. – oo1928 Carmen Scheuch (1899–). BABL, R 4901, 13266/3921; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 37, 109; RHB I, 706 (P); LGH 2004, 83 f. Henke, Friedrich, Medizin, Pathologie * 5. 7. 1868 Rostock † 2. 11. 1943 Breslau V.: Wilhelm H. (1834–1896), Prof. f. Anatomie Ro­ stock, Prag, Tübingen, M.: Amalie Lambert, ev. – HG Tübingen 1886, med. Stud. Tübingen, Leipzig, 1892 StE, 1893 Prom. Tübingen: Ueber die Desinfection inficirter Hände und die Nothwendigkeit der geburts­ hilflichen Abstinenz, 1893–1898 Assist. Path. Inst. Tübingen, 1897 Habil. f. path. Anatomie ebd.: Die experimentelle Erzeugung von Diphtherie bei Thieren durch die Löffler’schen Diphtheriebacillen, 12. 5. 1898 Umhabil. Breslau, dort I. Assist. Path. Institut, 1903 Tit. Prof., 1904 Direktor Path. Institut KHS Westend Berlin, WS. 1906/07 oö. Prof. f. Pathologie AUK (Nf. Beneke), SS. 1913–1935 Breslau (Nf. Ponfick). – 1906 Hauptwerk: Mikroskopische Geschwulstdiagnostik, Mit­Hg.: Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie und Histologie (1924 ff.; darin von ihm in Bd. III/2, 1930: Lungentuberkulose), Krebsforschung – RA IV. – Politisch: Nationalliberal, nach 1918 einige Jahre DVP, 1933 NSLB. – Militär: 1886 Wehrdienst, 1914–1916 als Stabsarzt d. R. Kriegslazarett II. AK., 1916 Berat. path. Anatomie VI. AK, ausgeschieden als Generaloberarzt. – oo 1903 Helene Kosub (1870–), Vortragskünstlerin, Lehrerin der Redekunst, Schrift­ stellerin, Vortragsabende in Königsberg, Breslau, 1 T.

BABL, R 4901, 13266/3974; RHB I, 712 (P), BLÄF I, 609; DBE IV, 584; Voswinckel 2002, 619. Henke, Fritz, Medizin, HNO * 16. 9. 1880 Breslau † 16. 6. 1944 Königsberg V: Fritz H., Büro­Direktor der Provinzialverwaltung, M.: Auguste Geflitter, kath. – 1901 MatthiasG Bres­ lau, med. Stud. ebd., 1906 StE u. Approb. ebd., div. Assistenzen in Breslauer Kliniken, 1906–08 Assist. Inn. Abt. ElisabethKHS Breslau, 1908–10 Chir. Abt. JosephsKHS ebd.; 1. 5. 1910–31. 3. 1920 II. (1910) bzw. I. (1911) Assist. und OA Univ. Poliklinik f. HNO AUK, 1913 Habil. f. Hals­ u. Ohrenheilkunde: Expe­ rimentelle Beiträge über die physiologische Bedeutung der Tonsillen, 1. 7. 1919 nb. ao. Prof., 1. 7. 1920 Chef­ arzt Abt. HNO KatharinenKHS Königsberg, 1921 Auseinandersetzung mit Fakultät wg. Entzug der venia aufgrund der „Haupttätigkeit“ am KatharinenKHS. Beurteilungen für wiss. Qualifikation von auswärtigen Gutachtern: Hinsberg (Breslau): fleißig und brauchbar, aber Durchschnitt, Passow (FWU): nicht bedeutend, trotzdem 1922 venia zurückerlangt. Publikationen u. a.: Praktische Winke zur Einrichtung von Spezi­ alabteilungen für HNO­Kranke in Kriegs­ u. Feld­ lazaretten, in: Beiträge zur Anatomie […] des Ohres, 1919. – Politisch: NSDAP 1. 5. 1933 (1932 bereits mtl. Beiträge gezahlt). – Militär: 1903 u. 1907 Wehrdienst, 1909 OA d. R., 1916 Stabsarzt d R., 1914–1918 im Feld, EK I, bulg. Alexanderorden; ab 1917 Ltr. einer Spezialstation HNO in Mazedonien, beratender Laryn. der bulgarischen Armee. – oo 1914 Eva Koch (1892–), 2 T, 2 S (1915–1922). BABL, R 4901, 13266/3976; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 146 f.; Bd. IV, 3 f., 43–46, 91–96; KGK 1931, 1114; Ostpr. Arztfamilie 1/1995, 16 –23. Hermann, Ludimar, Medizin, Physiologie * 21. 10. 1838 Berlin † 5. 6. 1914 Königsberg V.: Samuel H. (1810–1889), bis 1837 Rabbiner, danach Buchdruckereibesitzer, M.: Jeanette Freund (1806–), jüd. – 1855 G GrKloster Berlin, med. Stud. FWU (Joh. Müller, Langenbeck, Virchow, Traube, Tren­ delenburg, Michelet, Rose), 13. 7. 1859 Prom. ebd.: Über den Verkürzungsrückstand schwach belasteter Muskeln (R.: Du Bois Reymond), StE 1860, Nieder­ lassung als Arzt in Berlin, kumult. Habil. f. Physiologie FWU 1864, Vorlesungen in der militärärzt. Akademie, 19. 10. 1869 ord. Prof. f. Physiologie Zürich, nach „Selbstbewerbung“, dort 1874/76 Dekan, 1878/80 Rektor, im freundschaftlichen Verkehr mit G. Keller, G. Semper, C. F. Meyer, G. Kinkel; 1880 wg. „anti­

Catalogus Professorum semitischer Umtriebe“ Berufung nach Freiburg/Br. zerschlagen, WS. 1884/85 ord. Prof. f. Physiologie AUK (Nf. v. Wittich), 1892/93 Rektor, 1913 em., starb an Dickdarmkrebs, beigesetzt in Tilsit. Wichtigste Schüler: → Langendorff, → O. Weiß, → Gildemeister. – 1863: Lehrbuch der Physiologie (bis 1899 zwölf Auf­ lagen, in alle Kultursprachen übersetzt), 1867/68: Un­ tersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Ner­ ven, 1874: Lehrbuch der experimentellen Toxikologie, 1876: Die Vivisektionsfrage für das größere Publikum beleuchtet, Hg., Handbuch der Physiologie, 1879– 1882 (6 Bde.), zs. m. v. Recklinghausen u. a. Begründer Centralblatt für die med. Wissenschaften, Redakteur dort bis 1868, seit 1886 Hg. des physiol. Teils der Jahresbe­ richte über die Fortschritte der Anatomie und Physiologie, seit 1892 separat, 1898: Leitfaden für das physiolo­ gische Praktikum. In Zürich exp. Untersuchungen zur Elektrophysiologie, zu Erregungsvorgängen an Nerven, Muskeln u. Drüsen, zu Stoffwechselvorgängen, wäh­ rend der Königsberger Zeit Hinwendung zur physiol. Optik u. Akustik, bes. stimm­ u. sprachphysiol. For­ schung („Natur der Vokale“, phono­photographische Registrierung der Sprachlaute). – 1886 GMR, 1894 Dr. iur h. c. Oxford, Dr. phil. h. c. Dublin. – Militär: 1859/60 Einberufung infolge des frz.­österr. Krieges, Teilnehmer am Schl.­Holst. Krieg 1864, Assistenz­ arzt der Landwehr, Düppelkreuz, Alsenkreuz, wegen Kurzsichtigkeit „invalidisiert“, 1866 Ltr. eines Laza­ rett­Transports nach Mähren. – oo 1870 Fanny Cohn (1848–1888) aus Schlesien, 4 K, ev. getauft. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 99–101, 141–143; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 67 II (22 Br. an Althoff, 1884–1907); Weisfert 94; Pagel 724–726 (P); Hof­ mann 1914 (Bibl.); Boruttau 1914 (P); Hermann 1915 (P); BLÄF III, 185; APB 949; NDB VIII, 662 ff.; Scha­ walder 1990; DBE IV, 630; Kabus 55, 91 (P). Herrmann, Georg, Bibliothekar, UBK * 3. 9. 1853 Freienwalde † 9. 11. 1925 ebd. Germ.­altphil., jur. Stud., Prom. Halle 1875: Quae­ stiones criticae de Plutarchi Moralibus, StE 1876, Schulamtskandidat Berlin 1876–1878, 1879–1883 Lehrer Johanneum Hamburg, 1884–1886 G Inster­ burg, 1886–1896 Hilfsarbeiter u. Bibliothekar Berlin, Bonn, UBK, Münster, 1. 4. 1896 Bibliothekar UBK (neue Stelle), 1921 Ruhestand. Habermann 123. Herrmann, Johannes, Theologie, Alttestamentliche Exegese * 7. 12. 1880 Nossen/Sa. † 6. 2. 1960 Münster

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V: Richard H., Seminaroberlehrer, M.: Berta Lindner, ev. – 1898 Lehrerseminar Nossen, 1901 G Freiberg, theol. Stud. Leipzig (Kirn, Kittel), Preisarbeit 1904: Die Idee der Sühne im AT, 1905 erstes TheolEx, Zu­ gehörigkeit zum von Kirn/Kittel geführten Theol. Studenten­Verein Leipzig, WS. 1905/06 Inspektor ev. Theologenheim Wien, 1907 Lic. Leipzig: Zur Analyse des Buches Ezechiel (R.: Kittel), 1907 zweites ThEx, 13. 12. 1907 Habil. f. alttestamentl. Wissenschaft Wien: Ezechielstudien. 1908/09 Lehrstuhlvertretung AT Wien, SS. 1909 Umhabil. AUK, Umhabil Breslau SS. 1910, im gleichen Jahr dort Tit. Prof., Inspektor am Graf v. Sedlnitzkyschen theol. Stift Johanneum, 1913 oö. Prof. f. AT Rostock, WS. 1922/23 Münster. – 1913 Dr. theol. h. c. Breslau. – oo1920 Gertrud Lü­ beck (1895–), 3 S. BABL, R 4901, 13266/4064; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 22, Bd. I, 210 f.; vita Diss.; KGK 1931 ff. Hertwig, Richard von, Zoologie * 23. 9. 1850 Friedberg/Hessen † 3. 10. 1937 Schlederlohe/Isartal V.: Carl H. (1820–1896), Chemiker, Zigarrenfab­ rikant, M.: Elise Trapp (1829–1882), ev. – 1868 G Mühlhausen/Th., naturw.­med. Stud. Jena, Zürich, Bonn, med. Prom. ebd. 22. 7. 1872: Die lympho­ iden Drüsen auf der Oberfläche des Störherzens (R.: M. Schultze), 1872–1873 Assist. Anatom. Inst. Bonn, Dr. phil. Jena 14. 12. 1874 (aufgrund eines Colloqui­ ums), 13. 2. 1875 ebd., betreut von Haeckel, Habil. f. Zoologie: Beiträge zur Kenntnis der Acineten, 1878 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1881/82 ord. Prof. f. Zoologie u. vgl. Anatomie AUK (Nf. Zaddach), WS. 1883/84 Bonn, SS. 1885 München (Nf. v. Siebold), em. 1921. – Frühwerk unter der Leitidee Darwins, der stammes­ geschichtlichen Entwicklung der Organe nachzuspü­ ren (NDB), Entdeckung des einfachsten Nervensy­ stems bei Quallen und Seerosen, damit Verständnis für höhere Nervensysteme angebahnt und Grundlage für vgl. Histologie geschaffen, gemeinsam mit Bruder Oscar Einstieg in die experimentelle Zoologie, Zell­ forschung, Identifizierung des Zellkerns als Träger der Erbmasse, in München Protozoenkunde („ein al­ les Leben umspannende, einheitliche Auffassung vom Zellkern“ kam durch H’s. Arbeiten an einzelligen Tieren zum Durchbruch; v. Frisch), Vererbungslehre, Geschlechtsbestimmung („Kernplasmarelation“), Aus­ bau des Zool. Instituts zum „größten internationalen Zentrum der biologischen Wissenschaft“ (v. Frisch), unter den Schülern „weit über hundert selbst wieder Professoren der Zoologie oder verwandter Fächer“ (v. Frisch), sein ‚Lehrbuch der Zoologie‘ zwischen 1891 und 1931 in 15 Auflagen, seit 1890 Werbung für den

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biologischen Unterricht an höheren Schulen. – GHR 1907, 1909 bayer. Personenadel, Maximiliansorden, Mitglied des Ordens Pour le Mérite, GRR 1911, Eh­ rendoktor Cambridge, 1917 Ehrenmitglied Wiener AkW, Dr. med. h. c. Bonn 1922, korr. Mitglied der Akademien Berlin, München, Göttingen, Leningrad, Rom, Helsingfors, Upsala, Kopenhagen, Washington, Philadelphia. – Politisch: Nationalliberale Partei, VDA, Kolonialgesellschaft, 1917 Vaterlandspartei, Vorsitz des Münchner Ortsvereins, rege Agitation in München und Oberbayern 1917/18, im „umfangreichen Brief­ wechsel mit ausländischen Fachgenossen“ bemüht, die Behauptung von Deutschlands Kriegsschuld sowie „weit verbreitete Greuelmeldungen“ zu widerlegen (v. Frisch), Werbevorträge für Kriegsanleihen. – Militä­ risch: Als militäruntauglich ausgemustert, frw. Kran­ kenpfleger im Dt.­Frz. Krieg 1870/71. – oo 1887 Julie Braun (1866 –1942, kathol.), Tochter eines Münchner PD, 2 T, 2 S. BABL, R 4901, 13266/4090; Weisfert 95; Braun­ Artaria 1919, 205; RHB 731 f. (P); v. Frisch 1938; V. Franz 1943 (P); Wenig 116 f.; NDB VIII, 707 f. Hesse, Albert, Nationalökonomie * 4. 10. 1876 Bleicherode/Kr. Nordhausen † 31. 7. 1965 Freiburg V.: Hermann H., Justizbeamter, M.: Anna Körber, ev. – Latein. Hauptschule G Halle 1896, jur.­nationalök.­ philos. Stud. Halle, 23. 12. 1899 StE, 20. 6. 1900 Prom. Dr. jur. Halle: Der Schutz des Mieters gegen Dritte nach deutschem Recht (scl.), 1901/02 sächs. Regierungsstipendium zum natök. Studium FWU (Schmoller, Wagner), Prom. Dr. phil. 2. 8. 1901 Halle: Der Begriff der Gesellschaft in Spencer’s Soziologie (aufgrund einer Preisaufgabe: Was lernen wir aus den Prinzipien der Deszendenztheorie in Beziehung auf die innenpolitische Entwicklung und Gesetzgebung des Staates?), 23. 10. 1903 Habil. f. Nationalökonomie u. Statistik ebd.: Natur und Gesellschaft. Einführung in eine kritische Untersuchung der Bedeutung der Deszendenztheorie für das soziale Leben, PV: Sozi­ ale Gesetze, AV: Freie Konkurrenz und Kampf ums Dasein. 1906–1908 Gründung und Leitung des Sta­ tistischen Amtes der Stadt Halle, 8. 4. 1908 nb. ao. Prof., WS. 1908/09 b. ao. Prof. f. wirtschaftl. Staatswis­ senschaften AUK (Nf. Gerlach), 1910 oö. Prof. ebd., 1916 Mitbegründer IOW, Hg. der dem Wiederaufbau der kriegszerstörten Provinz dienenden Schriftenreihe: Grundlagen des Wirtschaftslebens in Ostpreußen, zu der er selbst 1916 beisteuert: Der Grundbesitz in Ost­ preußen u. Die Bevölkerung in Ostpreußen. SS. 1921 Breslau, oö. Prof. u. Direktor OEI (bis 1933), 1945 Flucht nach Halle, 12/1945 ebd. Ltr. Stat. Landesamt, 1947–1951 Lehrstuhl VWL Staatl. Akademie Speyer.

– Hauptarbeitsfelder: Wirtschaft Ostdeutschlands, Statistik, Geschichte des ökonomischen Denkens. Hg. J. Conrads ‚Grundriß zum Studium der politischen Ökonomie‘ u. dessen ‚Leitfaden zum Studium der po­ litischen Ökonomie‘. – Deutsche Akademie München, Schles.Gesellschaft für Vaterländische Cultur, Dr. rer. pol. h. c. Münster, Großes Verdienstkreuz BRD 1951. – Politisch: 1919 Sachverständiger in der deutschen Delegation zu den Versailler Friedensverhandlungen, VDA, Stahlhelm SA R I, NSLB, BNSDJ; nach eigener Aussage gegenüber dem REM: „wegen des politischen Charakters meiner Wissenschaft habe ich mich grund­ sätzlich von jeder parteipolitischen Tätigkeit fern gehal­ ten.“ – Militär: 1902/03 Wehrdienst Füs. Reg. Halle, August 1914 als Res. Offiz. eingerückt, an der Ostfront am 18. 11. 1914 schwer verwundet, EK I, Verw. abzei­ chen, Hpt. d. R., 1915–1917 Wirtschaftsreferent stellv. Generalkommando I. AK Königsberg. – oo1907 Dora Deuticke (1885–), 2 T, 1 S., Konrad (1919–), Jurist, Prof. f. Staatsrecht, Bundesverfassungsrichter. BABL, R 4901, 13266/4122; GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. IX, 120–122 (Habil.); v. Lucadou 1952; Hesse 1955; APB 1819 f. Hesse, Otto Ernst, Lehrer für Vortrags­ und Redekunst * 20. 1. 1891 Jessnitz/Anhalt † vor 1957 V.: Otto H. Lehrer, ev. – G Dessau 1910, philos., germ., hist. Stud. Freiburg, München, Leipzig, Prom. ebd. 16. 7. 1914: Jens Baggesen und die deutsche Phi­ losophie (R.: J. Volkelt, A. Köster). 21. 9. 1914 Zulas­ sung zum Lehrer für Vortrags­ u. Redekunst AUK, aus­ geschieden 1917, freier Schriftsteller in Berlin, seiner Königsberger Wirkungsstätte noch einmal Referenz erweisend mit einer sehr erfolgreichen „Kantnovelle“, die 1928 erstmals bei Gräfe & Unzer erschien: Sympho­ nie des Greisenalters. Ebenfalls nach Ostpreußen ver­ weist sein Drehbuch zu dem Film „Heimat“ mit Zarah Leander und Heinrich George, nach einem Stück von Hermann Sudermann (1938). Vita Diss.; KLK 1930 ff. Heymann, Ernst, Rechtswissenschaften, Zivilrecht, Dt. Rechtsgeschichte * 6. 4. 1870 Breslau † 2. 5. 1946 Tübingen V.: Theodor H. (1842–1913), Postrat, M.: Marie Otto (1841–1888), Tochter eines Dresdener Historienma­ lers, kath. (ev. Konversion). – 1889 MagdalenenG Breslau, jur. Studium ebd., 14. 12. 1892 StE, Refe­ rendar an schlesischen Gerichten, 3. 11. 1894 Prom. Breslau: Wird nach römischem Recht die Verjährung von Amtswegen berücksichtigt?, April 1896 Habil. f. Dt. Privatrecht: Die Grundzüge des gesetzlichen Ver­

Catalogus Professorum wandtenerbrechts nach dem BGB für das Deutsche Reich („zeigt, wie die Parentelenordnung auch im BGB herrscht“, NDB), 1898 b. ao. Prof. FWU, SS. 1902 oö. Prof. f. Dt. bürg. Recht, Dt. Rechtsgeschichte u. Han­ delsrecht AUK (Nf. Gareis), SS. 1904 Marburg (Nf. K. Lehmann), 1914 FWU, oö. Prof. u. Direktor KWI f. ausländisches u. internationales Privatrecht (1943 nach Tübingen verlegt). – Schwerpunkte: Wirtschafts­, Handels­, Wertpapier und Urheberrecht, Rechtsver­ gleichung, ältere dt. Rechtsgeschichte. – 1926–1938 Sekretar PrAkW, 1938–1942 deren Vizepräsident. Mit­ glied Zentraldirektion MGH, Ltr. Abt. Leges. Mitglied der AkW Göttingen, München, Wien, Den Haag. Dr. phil h. c. Erlangen, Dr. oec. h. c. – Politisch: 1904– 1914 Nationalliberale Partei, Obmann des Wahlkreises Marburg, Reichsverband gegen die Sozialdemokratie (General Liebert) bis 1919, 1919 Werbung für DVP bei der Wahl zur Nationalversammlung, inaktives DVP­Mitglied bis 1930, 1933 als neu gewählter De­ kan beteiligt an „Gleichschaltung“ der Jur. Fak. FWU.– Militär: Dienstuntauglich, 1915 in einer Wiss. Komm. des Preuß. Kriegsministeriums tätig. – oo1899 Gertrud Hahn (1874–1954), Tochter eines Gutsbesitzers im Kr. Breslau, 3 T, 1 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 39, Bd. II, 1 f. (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, 143–148; Mitteis 1947 (Bibl., P); NDB IX, 88 f.; v. Loesch 1999, 157–161. Hieronymi, Erich, Agrarwissenschaften, Tierheil­ kunde * 4. 8. 1884 Berlin † 9. 4. 1960 Hannover V: Carl H., Lehrer, M.: Emma Freidank (1858–), ev. – 1902 LessingHG Berlin, vet. med. Studium Tierärztl. Hochschule Berlin, 1906 Tierärzt Appr., 4. 5. 1910 Dr. med. vet. Bern, Juni Prüfung Amtstierarzt, 1907 apl., 1. 5. 1908–31. 3. 1919 plm. Assistent Vet.med. Inst. Breslau, Bestallung 13. 10. 1918 b. ao. Prof. f. Tierheilkunde u. Direktor Tierärztl. Institut AUK zum 1. 4. 1919, 18. 1. 1921 pers. Ord. ebd., in diesem Amt in Königsberg bis 1945, 1946 oö. Prof. Tierärztl. Hoch­ schule Hannover. – Politisch: 1. 7. 1933 NSLB. – Mi­ litär: 1916 Unter­, 1917/18 Oberveterinär im Felde, 1918 Ersatzpferdedepot Breslau, EK II. – oo 1912 Charlotte Goerke (1891–; mennonitisch), 1 T, 2 S. BABL, R 4901, 13266/4200; KGK 1931 ff. Hilbert, David, Mathematik * 23. 1. 1862 Königsberg † 14. 2. 1943 Göttingen V.: Otto H. (1826–1907), Amtsrichter, M.: Marie The­ rese Erdtmann (1830–1905), ev. – 1880 WilhelmsG, WS. 1880/81 mathe.­phys. Stud. AUK, Heidelberg,

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2/1885 Prom. AUK: Über die invarianten Eigenschaf­ ten specieller binärer Formen, insbesondere der Kugel­ funktionen (R.: Lindemann), 1885 StE Mathematik u. Physik, Studienreise Leipzig, Paris, 6/1886 Habil. f. Mathematik AUK: Über einen allgemeinen Gesichts­ punkt für invariantentheoretische Untersuchungen im binären Formengebiete, WS. 1892/93 b. ao. Prof. (Nf. Hurwitz), WS. 1893/94 oö. Prof. Mathematik (Nf. Lindemann) ebd., SS. 1895 oö. Prof. f. Mathe­ matik Göttingen (Nf. H. Weber), 1930 em. – 1899: Grundlagen der Geometrie. – oo 1892 Käthe Jerosch (1864–1945), 1 S. Chronik Univ. Göttingen 1894/95, 8; NDB IX, 115–117; Reid 1970; Peckhaus 1992; Rowe 1995. Hilbert, Paul, Innere Medizin * 19. 3. 1865 Königsberg † 15. 7. 1938 Königsberg V.: Dr. Anton Hilbert (1827–1888), prakt. Arzt, M.: Marie Meitzen (1827–1897), ev. – 1882 KneipG, med. Stud. AUK, Prom. 18. 2. 1888: Über das physiologische und chemische Verhalten des Acetanilids und einiger verwandter Substanzen im Tierkörper (R.: Jaffé), Habil. Mai 1892, 16. 2. 1900 MedFak Antrag nb. ao. Prof., 10. 3. 1902 wiederholt; Verdienste um bakteriolog. Forschung zur Entstehung der Diphterie; von Kurator wie 1900 befürwortet, trotzdem erst 1921 nb. ao Prof., 1. 4. 1903–31. 3. 1923 Direktor Innere Abt. StädtKHS, bis 1930 weiter als Arzt in städt. Diensten aufgrund Privatdienstvertrag. – 1926 Ehrenmitglied Verein f. wiss. Heilkunde Königsberg. – Politisch: 1917/18 Dt. Vaterlandspartei. – Militär: Ungedient, 1914 frw. Arzt im Füs. Reg. Graf Roon, Verdienstkreuz Kriegshilfe. – oo 1891 Margaretha Hoffmann (1867–23. 5. 1945 in Rauschen, Hungertyphus), Tochter des Königsberger Kaufmanns Adolf Hein H., Mitglied des Vorsteheramts der Kaufmannschaft; Hilbert damit Schwager des Neu­ testamentlers → R. A. Hoffmann, 2 T, 2 S. BABL, R 4901, 13266/4202; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 16–19, 217 (vita 3. 5. 1892); Weisfert 97; KGK 1931, 1173 f.; Ostpr. Arztfamilie 2/1993, 21; Arnoldt Cudell 2001, 217 ff. Hildebrandt, N. N. , Universitätsrichter * nicht ermittelt † 5. 4. 1886 Königsberg OLG­Rat Königsberg, Januar 1884 –April 1886 im Nebenamt Universitätsrichter GStA Rep. 76, Sek. 11, Tit. 2, Nr. 2, Bd. V, unpag.

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Hildebrandt, Hugo, Medizin, Gynäkologie, Geburts­ hilfe * 6. 10. 1833 Königsberg † 3. 7. 1882 ebd. V.: Gottfried H., M.: Ernestina Dorn, ev. – 1852 FC, med. Stud. AUK (Helmholtz, v. Wittich, Cruse, Hirsch, Werther, Rathke, Seerig, Hayn, Möller, Bu­ row), Prom. 8. 10. 1856: De Enchondromate quodam in pelvi observatu (v. Wittich gewidmet), 1857 Assist. Hayns Univ. Frauenklinik, Habil. 15. 5. 1862, AV: Die bedingenden Ursachen des Geschlechts der Kinder; 1863/65 interim. Leitung Univ. Frauenklinik, 1866 ord. Prof. f. Gynäkologie u. Geburtshilfe AUK (Nf. Spiegelberg), 13. 3. 1866 AV: De Mechanismo partus capite praevio normali et enormi; Reorganisator des Unterrichts, Aufnahme gynäkol. Vorlesungen und Vorstellungen, vornehmlich Praktiker, vielbeschäftigter Konsulent, 1873 Einrichtung eines neuen Klinikge­ bäudes, 1876/77 Prorektor. 1879 an einem „Nerven­ leiden“ erkrankt, starb an Apoplexie. – Mitglied Medi­ zinalkollegium für Ost­ u. Westpreußen, Präsident des Ärztevereins, Mitglied der Staatskommission für das Hebammen­Lehrbuch. – 1882 GMR. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 55; Rep. 89, Nr. 21660, 43 f.; vita Diss.; Weisfert 97 f.; BLÄ III, 220 f. Hinsberg, Victor, Medizin, HNO * 4. 12. 1870 Barmen † 14. 8. 1933 Breslau V.: Bankdirektor, M.: Wilhelmine Voelcker, ev. – 1889 G Barmen, 1889/90 Praktikum Hauptstahlwerk Witten, Vorbereitung auf tech. Stud., TH München, WS. 1891/92 med. Studium Bonn, München, 1896 Prom. ebd.: 30 Untersuchungen über den Bakterien­ gehalt der Vaginalsekrete bei Schwangeren, 1/1897 Approb., prakt. Jahr in Zürich, Straßburg, 1899–1902 HNO­Klinik Breslau, 9. 11. 1901 Habil. ebd.: Über Labyrintheiterungen, 7. 5. 1902 Umhabil. f. Hals­, Nasen­ u. Kehlkopfkrankheiten AUK, AV: Ueber oto­ gene Meningitis, WS. 1902/03 b. ao. Prof., Direktor der Poliklinik für Ohren­, Nasen­ u. Halskrankheiten Breslau. – Otochirurgie, Labyrintheiterungen, Ozaena. – Militär: 1jähr. Frw. FAR München, OA d. Res. – oo 1899 Emma Heusner, Tochter eines Geh. San. Rats u. OA KHS Barmen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 28; Politzer 1913, 262; BLÄF I, 631 f.; Voswinckel 2002, 645 f. Hippel, Arthur von, Medizin, Augenheilkunde * 24. 10. 1841 Domäne Fischhausen/Samland † 26. 10. 1916 Göttingen

V.: Wilhelm v. H. (1812–1860), Justizrat, Rechtsan­ walt, M.: Ida Gerlach (1816–1861), ev. – Med. Stud. AUK, FWU, Würzburg, Wien, Prom. 1864, 1864/65 zu Studienzwecken Prag, Paris, Wien, Habil. f. Augen­ heilkunde 22. 2. 1868 AUK, AV: Ueber die Hemeralo­ pie; 1874 nb. ao. Prof. ebd., 1879 ord. Prof. Gießen, SS. 1890 AUK (Nf. Jacobson), WS. 1892/93 Halle (Nf. Graefe), SS. 1901 oö. Prof. für Augenheilkunde u. Direktor Ophthalmologische Klinik Univ. Göttin­ gen (dorthin „auf eigenen Antrag“ versetzt). – 1873: Ueber die Wirkung des Strychnins auf das normale und kranke Auge, gewidmet „Seinem Lehrer und Freunde Prof. Dr. Julius Jacobson“, im Vorwort: es „giebt Nie­ mand, dem ich mich zu grösserem Danke verpflichtet fühle als Ihnen“. Schwerpunkte: Tuberkulintherapie, Myopieoperation, Hornhauttransplantation, Farben­ blindheit, Kurzsichtigkeit. – 1890 GMR. – Politisch: Nach Einschätzung des Kurators v. Schlieckmann (1891) „freisinnig“, linksliberal, im SS. 1861 während des Studiums an AUK Aufnahme in die Burschenschaft Germania. – Militär: 1870/71 stellv. Assistenzarzt Ers. Bat. GR Kronprinz, Kriegsgedenkmünze am Kombat­ tantenband. – oo 1865 Olga Magnus (1846–1900), Tochter von Ferdinand M., des Besitzers von Schloß Gr. Holstein am Pregel, 3 S, darunter Robert v. H. (1866–1951), Prof. f. Strafrecht Göttingen, und Eugen v. H. (1867–1939), Prof. f. Augenheilkunde Halle, 1914–1939 Göttingen (dort Rektor 1922/23). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 101; Rep. 89, Nr. 21661, 11–13; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 73 (14 Br. an Althoff, 1889–1900); Weis­ fert 98; Pagel 739 f.; Chronik Göttingen 1900, 12; Roß 1913, 54; Hirschberg 1918, 128–130 (Bibl., P); BLÄF I 632; APB 277; NDB IX, 200; R. Franz 1981, 34 ff. Hirsch, Paul, Bibliothekar * 15. 2. 1860 Waldenburg/Schlesien † 3. 10. 1929 Bonn V.: Adolf H., M.: Maria Negendank. – Aufgewachsen in Königsberg, 1879 KneipG, altphilol.­archäol. Stud. AUK, Prom. 5. 11. 1884: Phrygiae de nomibus oppi­ dorum (R.: Bezzenberger, Hirschfeld, denen die Arbeit auch gewidmet ist), StE 1885, 1885/86 Probejahr im Schuldienst, 1889–91 Volontär UBK, 1891 KBB, 1895 UBK, 1894 ff. mit Bibliographie zum Dt.­Frz. Krieg beschäftigt, Herbst 1897 deswegen nach Paris be­ urlaubt (Arbeit nicht abgeschlossen), 1. 7. 1899 Paulin. Bibl. Münster, 1901 UB­FWU, 1911 UB Bonn, 1924 Ruhestand. 1905: Bibliographie der deutschen Regi­ ments­ und Bataillonsgeschichte, 1903: Die Kriegs­ sammlung der Königlichen Bibliothek zu Berlin, 1906: Bibliographie der französischen Truppengeschichten. Habermann, 128.

Catalogus Professorum Hirschfeld, Gustav, Klassische Archäologie * 4. 11. 1847 Pyritz/Pommern † 20. 4. 1895 Wiesbaden V.: Hirsch H., Kaufmann, M.: Henriette Stargardt, jüd., 1877 konvertiert (ev.). – Bis 1859 G Pyritz, 1865 G Zinzowio, altphilol.­archäol. Stud. Leipzig (Ritschl, G. Curtius, Overbeck), Tübingen (Vischer, Michaelis), FWU (E. Curtius, H. Kiepert), Prom. ebd. 20. 5. 1870: De titulis statuariorum sculptorum­ que Graecorum capita duo priora. Schüler von Ernst Curtius, 1871–1873 erste Forschungsreise nach Italien, Griechenland, Kleinasien, topographische Studien, Herbst 1875–Frühjahr 1877 Leitung der dt. Ausgra­ bungen zu Olympia, glücklicher Fund des Hermes von Praxiteles. 1876–1881 mit Curtius u. Adler: Die Ausgrabungen in Olympia, 5 Bde.; 1877/78 London (British Museum, Studium der Inschriften Klein­ asiens), 1878 Plan, in Leipzig mit topographischen Studien über die Peiraieusstadt zu habilitieren, zuvor Berufung zum WS. 1878/79 an AUK, b. ao. Prof. f. Klass. Archäologie (Nf. Blümner), 8. 3. 1880 ord. Prof. ebd. – Studienreisen nach Kleinasien in den 1880ern, Forschungsschwerpunkte: Geographie des Altertums, Didaktik der Geographie (für die Gleichberechtigung der histor. mit der naturwiss. Geographie eintretend, insoweit „Jünger Karl Ritters“), griechische Epigra­ phik, Kulturgeschichte des antiken Kleinasien. Wußte „nicht nur bei seinen akademischen Zuhörern lebhafte Begisterung für seine Wissenschaft zu erzeugen, son­ dern auch das Interesse daran in weitere Kreise des gebildeten Publicums zu tragen“ (Chronik), u. a. mit Reiseschilderungen in „Familien“­Zss. wie Universum. 1885–1894 Vorsitz Geogr. Gesellschaft Königsberg. Veröffentlichte u. a. in Nord und Süd, Deutsche Rund­ schau, PrJb, Hg. Moltke, Briefe aus der Türkei 1893. – oo 1876 Margarete Bredschneider, Tochter eines Re­ gierungsbaumeisters aus Berlin, 1 S Werner, gefallen im I. Weltkrieg. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 73 (23 Br. an Alt­ hoff, 1882–1893); Prutz 1895 (Bibl.); Chronik AUK 1895/96, 6–8; Weisfert 99; Lehnerdt 1898 (Bibl.); Tes­ dorpf 1898 (P); ADB 50, 367–372 (Rühl); NDB IX, 225; APB 1378; Sösemann 2002. His, Rudolf, Rechtswissenschaft, Bürgerliches Recht, Deutsche Rechtsgeschichte * 15. 7. 1870 Basel † 22. 1. 1938 Münster V.: Wilhelm H. (1831–1904), Prof. f. Anatomie, M.: Elisabeth Vischer (1836–1924), ev. – 1888 NicolaiG Leipzig, hist.­jur. Stud. Genf, Leipzig, FWU, Basel (Heusler), ebd. 1892 Prom.: Über Graf und Schult­ heiß in Friesland. 1892/93 Attaché der Schweizer Ge­ sandtschaft in Paris, Vorbereitung auf Habil. in Leipzig

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1894/95, 27. 11. 1896 Habil. f. Dt. Recht Heidelberg (bei Richard Schröder): Die Domänen der römischen Kaiserzeit, PV: Die Entwicklung der Bürgschaft im deutschen Recht; nb. ao. Prof. ebd. 21. 12. 1901, As­ sist. am Wörterbuch der Dt. Rechtssprache Heidelberg 1898–1901, 1902/03 LA f. Dt. Privatrecht, SS. 1904 oö. Prof. f. Dt. u. Bürgerliches Recht, Dt. Rechtsge­ schichte AUK (Nf. Heymann), SS. 1908 Münster (Nf. H. Schreuer), 1928/29 Rektor, em. 1. 10. 1937. – Hauptarbeitsgebiet: Strafrechtsgeschichte des Mittelal­ ters: 1901: Das Strafrecht der Friesen im MA; Das Straf­ recht des deutschen Mittelalters, 2 Tle. 1920/1935, Die Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Ka­ rolina, 1928. – Politisch: 1919 DVP, nach HLK (um 1935) ausgetreten „wegen Stresemanns Außenpolitik“; „… fühlte als Reichdeutscher“. „Als nach dem Kriege die schwarz­weiß­rote Flagge niedergeholt wurde, zeigte er Trauer und Empörung. Er wurde ein grim­ miger Feind der schwarz­rot­goldenen Internationale.“ „Seine politische Sympathie gehörte den Deutschnati­ onalen. Bei ihnen glaubte er auch seine konfessionellen Interessen als gläubiger Reformierter und langjähriges Mitglied des größten Gemeinderates am besten aufge­ hoben. Für den Nationalsozialismus konnte er nicht mehr das rechte Verständnis gewinnen. Trotzdem gab es z. Z. der Machtübernahme wohl kaum einen Hoch­ schullehrer, der in seiner ganzen Lebenshaltung […] die Ideale des Nationalsozialismus […] so vollkommen erfüllt hätte, als Rudolf His.“ (Naendrup 7). – Militär: Wehrdienst Schweizer Armee 1893/94, Oblt., 1915 vom Schweizer Heer übernommen, Oblt. d. Lwr., bis März 1918 Ltr. Postprüfstelle Rennbahn bei Münster, ausgeschieden als Hpt. d. Lwr. – oo 1898 Hedwig Pfit­ zer (1876–1953), Tochter des Heidelberger Prof. f. Bo­ tanik Ernst Pf. (1846–1906), 1 T. BABL, R 4901, 13266/4280; Naendrup 1941; NDB IX, 248 f. Hittcher, Karl, Agrarwissenschaften, Milchwirtschaft * 8. 10. 1865 Wehlau † Juni 1917 Königsberg V.: Karl Julius Hittcher, M.: Lina Heft, ev. – 1883 na­ turw. Stud. AUK, 1888 ebd. Prom: Untersuchungen von Schädeln der Gattung bos unter besonderer Be­ rücksichtigung einiger in ostpreußischen Torfmooren gefundenen Rinderschädel, Habil. f. Milchwirtschaft 26. 7. 1900: Gesamtbericht über die Untersuchung der Milch von 63 Kühen des in Ostpreußen rein ge­ züchteten holländischen Schlages während der Dauer einer oder mehrerer Laktationen, Berlin 1899, PV: Die Entrahmung der Milch durch die Centrifugal­ kraft, AV: Über die Beziehung der Bakteriologie zur Milchwirtschaft. Bis 1917 Ltr. der Versuchsanstalt für Molkereiwesen der ostpr. LWK in Kleinhof­Tapiau,

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1899: Milchviehzucht auf Leistung, 1909: Kälberfütte­ rungsversuche, 1914: Versuche über Rahmlieferungen an Molkereien. – Politisch: ab WS. 1883/84 Burschen­ schaft Germania. GStA , Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25; Roß 1913, 62; Trauerfeier für Universitäts­Professor Dr. Hittcher. Trauerrede Hansen, in: KT Nr. 136, 14. 6. 1917. Hölder, Otto, Mathematik * 22. 12. 1859 Stuttgart † 29. 8. 1937 Leipzig V.: Otto H. (1811–1890), Prof. Polytech. Stuttgart, M.: Pauline Ströbel (1821–1894), ev. – 1877 RG Stutt­ gart, ingenieurwiss. Stud. TH Stuttgart, Wechsel zur Mathematik nach Berlin (Weierstraß, Kronecker) u. Tübingen, ebd. 3. 8. 1882 Dr. rer. nat.: Beiträge zur Po­ tentialtheorie (R.: Du Bois­Reymond), Fortsetzung des mathem. Studiums Leipzig, FWU, 27. 7. 1884 Habil. f. Mathematik Göttingen, kumul. aufgrund der veröff. Schriften in den Mathematischen Annalen: Beweis des Satzes, daß eine eindeutige analytische Function in unendlicher Höhe einer wesentlich singulären Stelle je­ dem Werth beliebig nahe kommt, sowie: Grenzwerthe von Reihen an der Convergenzgrenze und des Ms.: Zur Theorie der trigonometrischen Reihen, PV: Ueber die Methode, gewisse Grenzübergänge nach einer allgemei­ nen Regel elementargeometrisch zu behandeln; 1889 b. ao. Prof. Tübingen, WS. 1896/97 ord. Prof. f. Mathe­ matik AUK (Nf. Minkowski), SS. 1899 Leipzig (Nf. Sophus Lie), em. 1926. – Bis in die Königsberger Zeit vornehmlich Arbeiten zur Algebra, Gruppentheorie, in Leipzig fast ausschließlich Forschungen zur Geometrie, nach 1918 auch zu den logischen Grundlagen der Ma­ thematik. – oo Helene Lautenschläger (1871–1927), 2 T, 2 S, darunter Ernst (1901–1990), Habil. f. Ma­ thematik Leipzig 1929, Prof. in Leipzig 1948 u. Mainz 1958. GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. II, 100–102 (Habil., vita, Bibl.); v. d. Waerden 1938 (Bibl.); NDB IX, 321 f.; BEN 2003, 400. Hofbauer, Isidor Isfried, Medizin, Gynäkologie * 11. 9. 1871 Wien † 13. 3. 1961 Cinciannati/USA V.: N. N., jüd. – 1894 Prom. Wien, 1895–1898 „Ope­ rateur“ Univ. Frauenklinik (Schauta), anschließend „mehrere Stellungen in Wiener Instituten“ u. a. Hospi­ tant I. Med. Klinik (Nothnagel), 1902–1905 Assist.arzt Gynäk. Abt. Bettina­Stiftung ebd., 3. 7. 1907 Habil. f. Geburtshilfe u. Gynäkologie AUK, 8. 1. 1908 Beurlau­ bung, Carcinomstudien in Berlin, Chir. Univ. Klinik (Bier), 1911 nb. ao. Prof., Juli 1913 venia nach Dis­ ziplinarverfahren niedergelegt, schwere Vergehen gg.

Standesehre vorgeworfen wegen „Zahlungen an Heb­ ammen und Schwestern“, Verfahren eingestellt, 1924 Assoc. Prof. Johns Hopkins Univ. Boston, 1931 Jewish Hospital Cinciannati. Veröffentl. zu Eklampsie, foetale Herztöne (mit O. Weiss), Schwangerschaft u. Tbc, zur frühesten Eientwicklung, Hauptwerk 1905: Grund­ züge einer Biologie der menschlichen Plazenta, 1907: Die menschliche Plazenta als Assimilationsorgan. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 184 f., 197 f., 273; Bd. III, 88–91, 154 ff., 173; BLÄF I, 645. Hoffmann, Albert, Bibliothekar, UBK * 17. 7. 1825 Königsberg † 9. 10. 1870 ebd. KneipG, philol.­naturw. Stud. AUK, Mai 1850 Ama­ nuensis UBK, 1859 Bibliothekar. Wermke 1929, 367. Hoffmann, Gerhard, Physik * 4. 8. 1880 Lübeck † 18. 6. 1945 Halle V.: Maximilian H. (1844–1910), Gymn. Prof., M.: Luise Bender (1849–1902), ev. – G Katharineum Lü­ beck 1899, naturwiss.­mathem. Stud. Leipzig, FWU (Nernst, Wallach), Göttingen (Hilbert, Klein), Bonn, Prom. ebd. 25. 7. 1906: Diffusion von Thorium X (R.: H. Kayser, angeregt von → W. Kaufmann), 13. 5. 1911 Habil. f. reine u. angewandte Physik AUK: Elektri­ zitätsübergang durch sehr kurze Trennungsstrecken, AV: Neuere Bestimmungen atomistischer Konstanten, 1916 Tit. Prof., 1921 nb. ao. Prof., 1928 oö. Prof. f. Experimentalphysik u. Direktor Physik. Institut Halle (Nf. G. Hertz), 1937 Leipzig (Nf. P. Debye). – Schwerpunkte: Präzisionsmessungen auf dem Gebiet der Radioaktivität, dafür eingesetzt ein von ihm ent­ wickelter Vakuum­Duantenelektrometer, der auch die schwachen Aktivitäten von Kalium, Rubidium, Sama­ rium und Blei bestimmte. 1932 Zs. f. Physik: Methodik der Atomzertrümmerungsmessungen. Seit 1925 sy­ stematische Untersuchung der kosmischen Strahlung, entdeckte dabei die Abscheidung großer Ionenmengen, nach ihm benannte „Hoffmann’schen Stöße“, 1942 Zs. f. Physik: Nachweis von Kernzertrümmerung der kos­ mischen Strahlung mit der Ionisationskammer. – Po­ litisch: DNVP, Stahlhelm, 1933–1935 SA. – Militär: Nicht frontdiensttauglich, Landsturm, frw. Kranken­ pfleger., Ltr. einer Röntgenstation. – oo 1917 Edith Stoessel v. d. Heyde (1890), Tochter eines Ritterguts­ besitzers aus Kr. Goldap, 2 T. BABL, R 4901, 13266/4345; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd.V, 153 f.; NDB IX, 418.

Catalogus Professorum Hoffmann, Otto, Vgl. Sprachwissenschaft * 9. 2. 1865 Hannover † 6. 6. 1940 Münster V.: Otto H. (1837–1879), Regierungssekretär, M.: Luise Schnelle, ev. – 1883 HG Hannover, von dessen Direktor H. L. Ahrens, dem Begründer der griechi­ schen Dialektforschung, zum Stud. klass. Philologie in Göttingen angeregt, dort 9. 1. 1888 Prom.: De mix­ tis Graecae linguae dialectis (R.: A. Fick), 16. 2. 1889 StE, 29. 6. 1889 Habil. f. vgl. Sprachwissenschaft AUK (bei Bezzenberger): Das Präsens der indogermanischen Grundsprache in seiner Flexion und Stammbildung; nb. ao. Prof. ebd. 28. 1. 1896, WS. 1896/97 b. ao. Prof. Breslau, SS. 1907 oö. Prof. Münster, 1933 em. – Hauptwerk: Die griechischen Dialekte in ihrem hi­ storischen Zusammenhang, 3 Bde. 1891–1898. – 1908 Ehrenmitglied Gesellschaft der Wissenschaften Athen, 1930 Dr. med. h. c., 1935 Dr. jur. h.c. Münster. – Po­ litisch: 1918/19 Mitbegründer der DNVP, 1918–1933 Vorsitz DNVP Landesverband Westfalen Nord, MdL Preuß. Landtag 1921–1933, Mitglied des Westfäl. Pro­ vinziallandtages u. Stadtverordneten­Kollegiums Mün­ ster. – Militär: Ungedient, 1914/18 frw. Kranken­ pflege, Verdienstkreuz f. Kriegshilfe. – oo 1896 Anna Bertheau (1866–1931), 1 T, 1 S (gef. im I. WK). BABL, R 4901, 13266/4350; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 244; Weisfert 101; Schwentner 1936; K. H. Meyer 1941; Schwentner 1942; NDB IX, 436; DBE V, 122; APB 1820 f. Hoffmann, Richard Adolf, Theologie, Neutestament­ liche Exegese * 22. 6. 1872 Königsberg † 28. 4. 1948 Wien V.: Heinrich H., Klempnerobermeister, M.: Bertha Kleinfeld, ev. – 1889 FC, theol. Stud. Halle, AUK, Prom. ebd. 1896: Die Abendmahlsgedanken Jesu Christi. Ein biblisch­theologischer Versuch. Habil. für nt. Exegese 8. 11. 1897: Über die Bedeutung der Leiden für die Christen nach dem Apostel Paulus, AV 25. 10. 1897: Über die historisch­kritische Methode der biblischen Forschung, insbesondere der neutesta­ mentlichen. Hauptwerk 1904: Das Marcusevangelium und seine Quellen. Ein Beitrag zur Lösung der Urmar­ cusfrage, WS. 1906/07 b. ao. Prof. f. neutestamentliche Exegese AUK (Nf. Klöpper), 1915 oö. Prof. f. Exegese des Neuen Testament Ev.­Theol. Fakultät Wien. – H. galt als „moderner Theologe gemäßigter Richtung“ (NDB), bezog dann aber, infolge seiner Hinwendung zum Spiritismus, „eine singuläre Stellung innerhalb der deutschen neutestamentlichen Wissenschaft“ (NDB). Zuerst öffentlich gemacht in einem Königsberger Vor­ trag über Kant und Swedenborg (1909). – Politisch:

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Vor 1933 Großdt. Partei, 1938 NSDAP, BK­Gegner.– Maria Kennemann. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. I, 169–171, 197–208; NDB IX, 436 f.; APB 1381; Graf­ Stuhlhofer 2001, 205 f. oo1919

Hofmann, Franz Bruno, Medizin, Physiologie * 29. 11. 1869 Skalka b. Braunau/Nordböhmen † 6. 6. 1926 Marburg V.: N. N., Landwirt, kath. – 1887 StiftsG Braunau, med. Stud. Prag 1888–1893, 13. 8. 1894 Prom. ebd. über Zuckerbeschaffenheit des entnervten Kaltblü­ termuskels; Assistent Ewald Herings, ihm 1896 nach Leipzig folgend, dort naturwiss. Stud. bei Ostwald, ebd. 1898 Habil. f. Physiologie, 1896–1905 Assist. Physiol. Inst. Leipzig, 12. 1. 1903 nb. ao. Prof., AV: Über die Theorie der myogenen Begründung der Herzrhythmik, SS. 1905 oö. Prof. Innsbruck, SS. 1911 Prag, SS. 1913 AUK (Nf. Hermann), SS. 1916 Marburg, Dekan 1917/18, Rektor 1920/21, WS. 1922/23 Bonn, 1924 FWU (Nf. M. Rubner). – GMR, Mitglied PreußAkW. – Physiologie des Herzens, der Nerven u. Muskeln, Bau und Funktion des Herznervensystems, u. a. Studien über Vorhofflimmern und Therapie durch Chinidin, Ionenwirkungen am Herzen, allg. Physiologie des Her­ zens, Physiologie des Tetantus, exper.­klinische Analyse der Myasthenia gravis (1910–1913), Sinnesphysiologie (phys. Optik, auf diesem Gebiet „ein Apostel Herings, dessen Lehre er auf das getreueste bewahrte“, Tscher­ mak), Lehre v. optischen Raumsinn, Gestaltauffassung und Eidetik, Hauptwerk 1920–1925: Die Lehre vom Raumsinn des Auges. – ooN. N., mindestens 1 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. XII, 226–228; Tschermak 1928; BLÄF I 649 f.; ÖBL II, 381; Wenig 124; MG II, 269. Holldack, Felix, Internationales Privatrecht, Rechts­ vergleichung, Rechtsphilosophie * 10. 10. 1880 Königsberg † 29. 5. 1944 Garmisch­Partenkirchen V.: Georgh H. (1845–1914), Großkaufmann, Mil­ lionär, Stadtrat, M.: Johanna Arendt (Tante der po­ litischen Philosophin Hannah Arendt 1906–1975), ev. – 1899 AltstädtG, jur. Stud. München, Heidel­ berg, FWU, AUK 1899–1902, StE OLG Königsberg 8. 7. 1902, Prom. Leipzig 1902: Die kanonisch­recht­ lichen Einflüsse im Eherecht des Bürgerlichen Gesetz­ buches, 1. 10. 1903 Ref. KG­Bezirk, Studien FWU u. Seminar f. oriental. Sprachen. 1906 Dr. phil. Heidel­ berg: Von der Sage und dem Reich der Grusinischen Königin Tamara (Verwaltungsgeschichtliches und Rechtsphilosophisches), AUK Mai 1909 Habil. für vgl. Rechtswissenschaft, PV: Die heutigen Methoden der Rechtsvergleichung unter bes. Berücksichtigung der

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kritischen Philosophie Kants, AV: Das geltende kauka­ sische Provinzialrecht in Theorie und Rechtsprechung, 1911 Umhabil. f. Rechtsphilosophie u. vgl. Rechtswis­ senschaft Leipzig, 1916 nb. ao. Prof., 1920 ord. Prof. f. Rechtswissenschaft TH Dresden, 1920–1929 zugleich Prof. f. Rechtskunde Forstakademie Tharandt, 1934 als „Halbjude“ entlassen, seit 1938 in Oberbayern. 1906– 1909 Hg. der Zeitschrift für Völkerrecht und Bundes­ staatsrecht, 1914–1930 Zeitschrift für Rechtsphilosophie in Lehre und Praxis. – Militär: Wehrdienst 1902/03, Lt. d. R. im 2. ostpr. FAR 52, 1914 Kriegsteilnahme, Hauptmann d. R. – oo I. vor 1909 Anna Glaser, II. 1919 Maria von Boeckmann (1890–), 2 T, 3 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 162–166; Petschel 2003, 383; Bleckmann 2004; APB 959, 1822. Hopf, Carl, Mittlere Geschichte, Bibliothekar, UBK * 19. 2. 1832 Hamm † 3. 8. 1873 Wiesbaden V.: Jakob H., Gymnasiallehrer, M.: Friederike Op­ derbeck, ev. – Hist.­philol.­naturw. Stud. Bonn 1849–1852, Prom. ebd. 20. 3. 1852, Habil. ebd. 6. 7. 1855, 1854/55 Studienreise Österreich, Oberita­ lien, WS. 1858/59 b. ao. Prof. Greifswald, 1861–1863 Archivreise Italien, Malta, Griechenland, SS. 1864 ord. Prof. f. Geschichte u. hist. Hilfswissenschaften AUK (Nf. J. Voigt) u. Oberbibliothekar UBK, AV/Habil: Leonardi Chiensis de Lesbo a Turcis capta epistola Pio papae II. missa ex cod. ms. Ticinensi primus edidit. Hauptwerk erschien 1867/68 in Ersch­Grubers En­ zyklopädie, I. Sek., Bd. 85/86: Geschichte Griechen­ lands vom Beginn des Mittelalters bis auf unsere Zeit. Dieses Werk bestätigt das Urteil: „eher ein Sammler als ein Schreiber“ (APB). Auf der 2. Archivreise 1861–63 erstellte er eine umfangreiche Regestensammlung, 10.000 Zettel zur Geschichte des griechisch­byzanti­ nischen Raums im 12.–16. Jahrhundert, ohne daß aus diesem Grundstock je eine Publikation wurde, auch ein geplantes größeres Werk über den ersten lateinischen Kaiser von Konstantinopel (Balduin I.) blieb unvoll­ endet u. ungedruckt. 1871–1873 mit O. Schade Hg. WMB. – oo1861 Amalie Gerhard aus Bonn (1834). Schade 1873b; Weisfert 102; ADB XIII, 102–104; Gerland 1899; Wenig 126; APB 1604. Horn, Carl Wilhelm von, Oberpräsident, Kurator * 26. 10. 1807 Berlin † 13. 5. 1889 ebd. V.: Ernst Anton Ludwig H., Prof. f. Med. (gest. 1848), M.: Dorothea Martens, ev. – G Graues Kloster Berlin, jur. Stud. FWU, Heidelberg, 1829 Auskultator, 1835 KG Assessor, 1839 Justitiar Berliner Polizeipräsidium, Wechsel in den Verwaltungsdienst, 1841 RR, 1843 im

PrMdI, 1844–1862 im PrMdF, 1849 Direktor der Abt. f. Etats­ u. Kassenwesen, 1853 Mitglied des Staatsrates, 1854 Geh. Oberfinanzrat, 1862–1869 Oberpräsident von Posen, 5. 3. 1869 Oberpräs. von Preußen (Ost­ und Westpreußen), 1878 Oberpräs. von Ostpreußen, 1. 4. 1882 Ruhestand, 5. 3. 1869–17. 3. 1882 zugleich Kurator AUK. Gegner der Schutzzollpolitik Bismarcks, der Reichskanzler drang deswegen auf seine Ablösung. – 1865 geadelt, 1879 Ehrenbürger von Königsberg. – oo1846 Doris Martens, 1 T (oo1882 mit dem späteren GFM August von Mackensen [1847–1945]). Weisfert 103; v. Selchow 1923 (für die Posener Zeit); APB 290; Hauf 1980, 23 f. Hosemann, Günther, Agrarwissenschaften, Lektor für Lw. Baukunde * 4. 10. 1880 Gr. Rambin/Pommern † gefallen 22. 8. 1914 an der Front in Belgien V.: Rittergutsbesitzer, ev. – 1899 JoachimthG Berlin, Hochbau­Studium an den Tech. Hochschulen Charlot­ tenburg, München, Karlsruhe, Dipl. Ing. TH Ch’burg 1905, bis 1908 Ausbildung zum Regierungsbauführer, Eisenbahn­Direktion Saarbrücken, 1910 Reg. Bau­ meister, 1. 10. 1910 Hilfslehrer Baugewerkschule Kö­ nigsberg, 1. 4. 1911 Lektor für Lw. Baukunde AUK, 1912 wg. Duellaffaire (unblutiges Pistolenduell mit einem stud. pharm.) zu drei Monaten Festungshaft ver­ urteilt. – Militär: Lt. d. R. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; Chronik AUK 1914/15, 10. Hubrich, Eduard, Rechtswissenschaften, Staats­, Ver­ waltungs­, Kirchenrecht * 7. 1. 1864 Allenstein † 6. 3. 1921 Greifswald V.: Gottlieb Eduard H. (gest. 1879), Rechtsanwalt, M.: Albertine Zobel, ev. – G Allenstein 1883, jur. Stud. AUK, StE 31. 1. 1887, Rechtsreferendar, Prom. ebd. 11. 3. 1889: Fränkisches Wahl­Erbkönigthum zur Me­ rowingerzeit (R.: Gareis, Zorn, von F. Dahn angeregt), 24. 10. 1891 Assessorex., 1892–1894 RA+Notar See­ burg/Ostpr., Habil. f. Kirchenrecht, wohl mit der 1891 publizierten Monographie über ‚Das Recht der Ehe­ scheidung im Deutschen Reich‘, AUK 16. 10. 1894, PV: Der gegenwärtige Stand der pseudoisidorischen Frage, AV: Die kirchliche Baulast nach preußischem und gemeinem Recht; b. ao. Prof. f. Staatsrecht ebd. SS. 1901, WS. 1908/09 ord. Prof. f. Staats­, Verwal­ tungs­ u. Völkerrecht Greifswald (Nf. C. F. Sartorius). 1911/12, 1916/17, 1918/19 Dekan, 30. 9. 1920 em. – Hauptwerke: Konfessioneller Eid oder religions­ lose Beteuerung? Rechtshistorisch und rechtsdogma­ tisch beleuchtet (1899), Das Reichsgericht über den Gesetzes­ und Verordnungsbegriff nach Reichsrecht

Catalogus Professorum (1905), Deutsches Verfassungsrecht in geschichtlicher Entwicklung (2. Aufl. 1913), Das demokratisches Verfassungsrecht des Deutsches Reiches (1920). – Po­ litisch: um 1900 Wahlredner und Agitator der Konser­ vativen Partei in Ostpreußen, nach 1918 DVP. – oo 1903 Käte Hoffmann (1877–), 2 S, Paul (1905), 1931 Assessor iur. in Königsberg, Wolfgang (1909). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd I, 127 ff.; ebd., Nr. 19, Bd. V–VI und ebd. Adhib. Bd. 1–2 zu Bd. VI; vita Diss.; Weisfert 104; LGH 2004, 97 f.; Lege/Rusche 2009; Gelinek 2009. Hurwitz, Adolf, Mathematik * 26. 3. 1859 Hildesheim † 18. 11. 1919 Zürich V.: Salomon H. (1813–1885), Fabrikant, M.: Elise Wertheimer (1822–1862), jüd. – G Hildesheim 1877, mathem. Stud. München, Leipzig, FWU, 1881 Prom. Leipzig: Grundlagen einer interpedenten Theorie der elliptischen Modulfunktionen und Theorie der Multi­ plicator­Gleichungen erster Stufe (wieder in: Werke I, 1–66), Habil. Göttingen 14. 5. 1882: Über die Perio­ den solcher eindeutigen, 2n­fach periodischer Func­ tionen, welche im Endlichen überall den Character rationaler Funktionen besitzen und reell sind für reelle Werthe ihrer n Argumente (= Crelles Journal 94, 1883, wieder in: Werke I, 99–118), PV: Ueber die Methoden der neueren Geometrie; ao. Prof. AUK SS. 1884 (Ver­ tretung Rosenhain), etatisiert WS. 1884/85, ord. Prof. WS. 1892/93 Polytech. Zürich (Nf. Frobenius). – „H. war einer der führenden Mathematiker seiner Zeit, er gehörte zugleich zu den hervorragendsten und erfolg­ reichsten Universitätsdozenten seines Faches.“ Über hundert Veröffentlichungen zur Funktionentheorie, Zahlentheorie, Algebra, Geometrie. gesammelt in: ‚Ma­ thematische Werke‘, 2 Bde., 1932, ND Basel/Stuttgart 1962. – ooIda Samuel, 3 K. GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. II, 62 ff. (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIII, 147, 171; Weisfert 105; Meissner 1919 (wieder in: Mathe­ matische Werke I, S. XXI–XXIV); Hilbert 1920 (wie­ der in: Werke I, S. XIII–XX), NDB X, 80; APB 1386. Ilse, Leopold, Staatswissenschaften * 25. 7. 1814 Lutter am Barenberge † 29. 4. 1891 Kassel 1841 Privatgelehrter in Berlin, 1844 Prom. Gießen (Briefdoktor, ohne Rig.), 30. 4. 1846: Habil. f. Staats­ wissenschaften Heidelberg, 9. 9. 1850 ord. Prof. f. Staatswiss., Verwaltungsrecht, Politik Marburg, 1852 Mitglied Staatswirt. Inst., 1862–1866 Vorsteher, 1. 4. 1868 ord. Prof. f. Staatswissenschaften AUK (Nf. Glaser), während der 1870er Jahre selten anwesend, als Journalist in Düsseldorf tätig, März 1880 wegen

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Vernachlässigung seiner Dienstpflichten infolge Ver­ schuldung und Trunksucht suspendiert, nach Diszi­ plinarverfahren August 1882 entlassen. – Hauptwerk: Geschichte der deutschen Bundesversammlung, 3 Bde. Marburg 1861/62. – Politisch: Während der Marbur­ ger Zeit publizistisch für Bismarcks Politik, 1866/67 für den Anschluß Kurhessens an Preußen werbend. GStA, Rep. 76Vf., Litt. I, Nr. 14 (Disziplinarver­ fahren Ilse); ebd., Rep. 89, Nr. 21660, 60–64; Gund­ lach 440. Immich, Max, Mittlere u. Neuere Geschichte * 30. 11. 1867 Berlin † 19. 1. 1904 ebd. V.: ? (gest. vor 1906), Kaufmann, M.: Anna Schöpff, ev. – G Gr. Kloster Berlin, germ.­hist. Stud. Bonn, FWU, ebd. 4. 8. 1892 Prom.: Die Schlacht bei Zorndorf am 25. August 1758. Mit seinem Lehrer Albert Naudé 1893 nach Marburg, assistiert bei Hg. der Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 1895–1897 Karlsruhe, Badische Hist. Kommission: Edition der Nuntiaturberichte zur Vorgeschichte des Orlean’schen Krieges (1685–1688). 22. 6. 1898 Ha­ bil. f. mittlere u. neuere Geschichte AUK: Politik und Persönlichkeit des Papstes Innozenz IX., AV: Ueber die Politik der römischen Kurie unter Papst Innocenz IX. (1676 –1689). – Aufsätze zur preußischen Militär­ geschichte des 18. Jhs., Rezensionen in HZ, FBPrG, DLZ, posthumes Hauptwerk: Geschichte des europä­ ischen Staatensystems von 1660 bis 1789. – Bis zum Tod infolge einer Rippenfellentzündung PD AUK, 1906 durch Mutter und Geschwister begründet: Max­ Immich­Stiftung, zur Förderung bes. der neueren Ge­ schichte an der AUK. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. XI, Nr. 73; Chronik AUK 1903/04, 13 f.; v. Below/Meinecke 1905; Wer­ minghoff 1904. Immisch, Otto, Klassische Philologie * 18. 6. 1862 Wartha/Hoyerswerda † 29. 10. 1936 Freiburg V.: Otto I. (1833–1899), Lehrer, M.: Pauline Wiede­ mann (1834–1876), ev. – KreuzG Dresden 1882, alt­ philol. Stud. Leipzig (O. Ribbeck, G. Curtius, Wachs­ muth), ebd. Prom. 1885: De glossis lexici Hesychiani Italicis (R.: G. Curtius), Schuldienst, 1889 Habil. f. Klass. Philologie Leipzig: Klaros. Forschungen über griechische Stiftungssagen, 1896 Tit. Prof., 1900 b. ao. Prof., aber weiter im Schuldienst, SS. 1907 oö. Prof. Gießen (Nf. Wünsch), WS. 1913/14–SS. 1914 AUK (Nf. Wünsch), August–September 1914 Aushilfslehrer HufenG, WS. 1914/15 Freiburg (Nf. Reitzenstein, AV: Neue Wege der Platonforschung), 1924/25 Rek­ tor, 31. 3. 1931 em. – Viele pädagogisch­didaktische

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Aufsätze zum Problem der Vermittlung des „antiken Erbes“ in Ilbergs Neuen Jahrbüchern, 1909: Wie stu­ diert man klassische Philologie, Editor der ‚Politik‘ Aristoteles‘ (1909), Theophrast, ‚Charaktere‘ (1923), ferner: Die innere Entwicklung des griechischen Epos (Leipziger AV, 1904, Hermann Lipsius in dankbarer Verehrung zugeeignet) und eine Erläuterung zu Horaz, ‚Ars poetica‘ (1932), Platonforschung, seit 1890 meh­ rere Aufsätze zur Nietzsche­Kritik. – Geh. Hofrat 1917, Mitglied HeidelbergerAkW, 1926–1930. – Politisch: Turnerschaft Fridericiana, 1915–1927 Vorsitzender des Dt. Gymnasialvereins, Streiter für das Humanistische Gymnasium, glaubte nach 1918, „in den schweren Jahren des Niedergangs“, die humanistische Bildung sei ein Mittel, um „die sittliche Wiedergeburt Deutsch­ lands“ vorzubereiten (Klotz), Mitglied der badischen Landessynode. – Militär: Untauglich wg. Kurzsichtig­ keit. – oo 1891 Elisabeth Zenker (1867–1932), Toch­ ter eines höheren Dresdner Zollbeamten, 1 S Heinrich (1895, Fliegeroffizier, 1917 verunglückt an der Balkan­ front), 1 T Clara (1892–), 1925 Oberin Ev. Kinder­ heim Bethlehem Freiburg/Br. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI; Körte 1937; Hausrath 1937 (P); Klotz 1939 (Bibl.); NDB X, 164 f. Jacobson, Heinrich, Innere Medizin * 27. 10. 1826 Königsberg † 10. 12. 1892 Berlin V.: s. Julius J. – Med. Stud. Halle, Heidelberg, FWU, Prag, Prom. Halle 1847: Quaestiones de vi nervorum vagorum in cordis motus, Schüler von Helmholtz, F. Neumann, Hesse, prakt. Arzt in Königsberg, Habil. ebd. November 1867 (kumul., da erst Kabinettsordre v. 14. 10. 1867 Habil. jüd. Mediziner erlaubte), 1868 nb. ao. Prof., 1873 ao. Prof. f. experimentelle Pathologie FWU u. 1876 dirig. Arzt Innere Station des Jüd. KHS. In der Königsberger Zeit konzentriert auf Forschung zur Hämodynamik (1866: Über Blutbewegung in den Venen, 1873 zs. mit Adamkiewicz: Über den Druck im Herzbeutel), Anwendung der thermoelektrischen Methode zur Untersuchung normaler u. pathol. Tem­ peraturverhältnisse, Arbeiten z.T. in Gemeinschaft mit Leyden u. a., physikalische Diagnostik (1871/72: Über Herzgeräusche). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. IV, 61–63; Jaffé 1891 (Bibl.); BLÄF III, 397 f. Jacobson, Julius, Medizin, Augenheilkunde * 18. 8. 1828 Königsberg † 14. 9. 1889 Seebad Cranz V.: Ludwig J. (1795–1841) Arzt, Orthopäde (s. BLÄ III, 397), jüd. (ev. getauft). – AltstädtG 1844, med. Stud. Prag, FWU, AUK 1844–1852, Prom. AUK

1853 mit einer Arbeit über das Glaukom, 1854 StE, 1854 Arzt in Königsberg, 1854 zu Studienzwecken FWU, Schüler u. Freund Albrecht v. Graefes, 1856– 1858 Assist. Chir. Klinik AUK, 7. 12. 1858 Habil. f. Chirurgie u. Augenheilkunde ebd.: Ueber Retinitis sy­ philitica, PV 10. 11.: Das Ectropium, AV 7. 12. 1858: Die Exstirpation des Augapfels; Niederlassung als Augenarzt, 2. 1. 1861 ao. Prof. mit 300 Thl. Gehalt, 1871 nach seinen Vorschlägen eingerichtete Uni. Po­ liklinik für Augenkrankheiten, 9. 4. 1873 ord. Prof. f. Augenheilkunde, Direktor der Univ­Augenklinik (neu eröffnet 1878). – „Trotz großer Schwierigkeiten und kollegialischer Anfeindungen der gesuchteste Konsu­ lent des Ostens“. Seit 1861 „schwerer, unermüdlicher, trotz aller Hindernisse siegreich vollendeter Kampf um die Selbständigkeit der Ophthalmologie an den Uni­ versitäten des Königreichs Preussen. Dieser Kampf und seine siegreiche Vollendung kann wohl als sein Haupt­Lebenswerk bezeichnet werden“. 1868–1872 in drei Broschüren für die stärkere Einbeziehung der Augenheilkunde in die med. Ausbildung streitend, auf die volksgesundheitlichen Gefahren dieser langen Ver­ nachlässigung hinweisend, da durch ärztl. Unkenntnis Behandlung oft mit Erblindung der Patienten ende. 1863 „epochemachende Monographie“: Ein neues und gefahrloses Operationsverfahren zur Heilung des grauen Staares (Pagel). 1867 Ruf nach Bern abgelehnt. – 1885 GMR, 1867 KrO III, 1882 RA IV, 1888 RA III m. Schl. – Politisch: Exponent des Linksliberalismus in der Med. Fak., erklärter Gegner der Politik Bismarcks. – ooHermine Haller, unter den Kindern 1 T Margarete ooLudwig Quidde (1858–1941). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. IV, 40 f., 49; Nr. 24, Bd. I, 42 f., 50; ebd., Rep. 89, Nr. 21660, 108, 185–186; ebd., VI. HA, Nl. Alt­ hoff, B 82 II (28 Br. an Althoff, 1883–1889); Chro­ nik 1889/90, 5; Vossius 1889a+b; Weisfert 107; Pagel 810 f. (P); BLÄ III, 398; Holl 2007, 46–54 (P). Jacoby, Hermann, Praktische Theologie * 30. 12. 1836 Berlin † 18. 5. 1917 Königsberg V.: Johannes J. (1806 Alt­Schottland bei Danzig – 1862 Salzungen), Oberlehrer f. naturw. Fächer, jü­ discher Herkunft, 1827 getauft. – Theol. Stud. FWU 1854–1857, 1858/59 Predigerseminar Wittenberg, 1859 Gymn.lehrer Landsberg/W., 1863/64 Stendal, 1866 Diakon Schloß Heldrungen, 1868 ord. Prof. f. prakt. Theologie AUK (Nf. Cosak), 1871 zugleich Universitätsprediger, 1896/97 Rektor, 1912 Vorle­ sungen eingestellt. Mit­Hg. der homiletischen Zs. Dienet einander, Hauptwerk: Neutestamentliche Ethik 1899, politisch­publizistisch gegen Sozialdemokratie u. Frauenbewegung. – 1881 RA IV, 1894 RA III, nach

Catalogus Professorum 1894 GKR. – ooN. N. Goltz, mindestens 1 S, Günther J. (1881–1969), theol. Prom. AUK 1903, Prof. d. Phi­ losophie Greifswald 1919–1937, 1945 ff.. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 93 ff.; Weisfert 108 f.; Zeitgenossen; BBKL II, 1417 f. Jäger, Heinrich, Medizin, Hygiene u. Bakteriologie * 21. 9. 1856 Ludwigsburg/Württ. † 21. 9. 1930 Cannstatt V.: Heinrich J. (gest. 1889), Prof. Dr., Gymnasiallehrer, M.: Mathilde Klett, ev. – 1874 G Stuttgart, med. Stud. Leipzig, Tübingen, 1880 Approb., Prom. 1881 Tübin­ gen: Über die Körperwärme des gesunden Menschen, 1880 Eintritt in militärärztl. Laufbahn, 1885 Militär­ arzt IR Ulm, 1887–1889 abkommandiert ans Kaiserl. Gesundheitsamt Berlin, Forschung über Wirksam­ keit chem. Desinfektionsmittel, 1891 nach Stuttgart versetzt, Aufbau u. bis 1897 Leitung der Hyg.­bakt. Unterschungsstation des Armeekorps, 1892 Habil. TH Stuttgart: Die Aetiologie des fieberhaften Ikterus. Wechsel in den preußischen Dienst, da mit Beförde­ rung zum Oberstabsarzt Versetzung von Stuttgart weg verbunden gewesen wäre. Ab April 1897 in Königsberg, Ltr. Hyg.­bakt. Labor des I. AK u. Serumkommissar für die Garnisonen der Provinz Ostpreußen, Umhabil., AV 2. 11. 1897: Der Kampf gegen die Infektionskrank­ heiten – eine Aufgabe der menschlichen Gesellschaft. 1901 Tit. Prof., Dez. 1902 nach Straßburg versetzt, 1906 General­Oberarzt Koblenz, 1914–1919 Direktor eines Reservelazaretts in Aachen, 1920 verabschiedet als Generalarzt. 1901: Die Cerebrospinalmeningitis als Heeresseuche, 1909: Die Bakteriologie des täglichen Lebens, 1909: Die Hygiene der Kleidung. – RA III, KrO III, EK II. – oo1881 Anna Zeller, Arzttochter aus Reutlingen, 1 S (als Kriegsfrw. gef. im I. WK), 1 T . GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 331–337; Bd. II, 1, 33; BLÄ I, 696. Jaffé, Max, Medizin, Phamakologie * 12. 8. 1841 Grünberg/Schlesien † 26. 10. 1911 Berlin V.: Simon Abraham J. (gest. vor 1862), Kaufmann, M.: Johanna Cohn, jüd. – Bürgerschule Grünberg, 1858 ElisabethG Breslau, „legte in jener Zeit durch rastlose Lektüre den Grund zu seiner umfassenden humanistischen Bildung“ (Ellinger), med. Studium FWU (Virchow, Langenbeck, Frerichs, Traube, Mar­ tin, Kühne), Prom. 10. 5. 1862: De bilis pigmentorum genesi (Wilhelm Kühne, dem Ltr. der Chem. Abt. in Virchows Institut gewidmet). Unter Kühne Untersu­ chung zuckerspaltender Substanzen im Gehirn nor­ maler und diabetischer Menschen. 1864 Studienreise nach Wien, Prag, Paris. 1865 Assistent an der Med. Klinik AUK (v. Leyden). Habil. ebd. 1867: Ueber die

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Identität des Haematoidins und Bilifulvins [Bezie­ hung zwischen Blut­ u. Gallenfarbstoffen], AV: Ueber Oxydationen im Blute. 1872 ao. Prof., 1873 LA für med. Chemie, 1873 ord. Prof. f. Arzneimittellehre (Nf. Cruse), 1885 Ruf nach Breslau abgelehnt. 1892 neues Laboratorium für medizinische Chemie u. exper. Pa­ thologie, trotzdem an AUK nur mit „bescheidensten experimentellen Hilfsmitteln“ geforscht (Ellinger). Neben Lehr­ u. Forschertätigkeit ausgedehnte ärztliche Praxis in Königsberg, Konsiliarius in der Provinz u. im benachbarten Rußland. – Entdecker des Urobilins und des Urobilinogens (Ermittlung der Herkunft dieser Stoffe aus der Galle), Erforschung des intermediären Stoffwechsels, grundlegende Entdeckungen chemischer Vorgänge im Organismus: Erste gepaarte Glykuron­ säure beschrieben, Bildung von Mercaptursäure nach Fütterung von Chlorbenzol, Paarung der Benzoesäure mit Ornithin im Organismus der Vögel, Vorkommen von Urocaninsäure im Hundeharn, Arbeiten über Entstehung und Nachweis der Kynuronsäure und des Kreatinins, über Stoffwechselprodukte nach Einver­ leibung der Arzneimittel Antifebrin, Pyramidon, San­ tonin; dadurch „Tatsachenmaterial der Biochemie in glücklichster Weise bereichert“ (Ellinger). Begründung der Lehre von der Entstehung und pathogonomischen Bedeutung des Harn­Indicans. – Ao. Mitglied des Kai­ serl. Reichsgesundheitsrates, 1887 RA IV, 1892 GMR. – Politisch: Im Vorstand des Studienfördervereins der Königsberger Synagogengemeinde, dem Königsberger „Fortschritt“ zugerechnet, wegen sozialer Haltung Ruf als „Armenarzt“ unter den Ordinarien. – Militär: Feld­ arzt im Krieg gg. Frankreich 1870/71, EK II, Kriegsge­ denkmünze. – Ledig. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. V; ebd., Rep. 89, Nr. 21661, 65–67; vita Diss.; Weisfert 109 (falsches Geb.dat., seitdem tradiert); Pagel 814 (P); 1911; Chronik AUK 1911/12, 10 f.; Ellinger 1912; R. Cohn 1912; BLÄF I, 696 f.; Lieben 1935, passim; NDB X, 225 f. (Habil. als Diss. angegeben!); Kabus 92 (P); BEN 2003, S. 430 f. Jahn, Gustav, Semitische Philologie * 11. 6. 1837 Drossen † 15. 9. 1917 Berlin V.: N. N. – G Frankfurt/O., 1861 erstes theol. Ex., 1863 StE (Religion, alte Sprachen, Hebräisch), Ostern 1865 KöllnG Berlin, 1872 Prom. in absentia Leip­ zig, 25. 4. 1879 Habil. f. arabische Sprache u. Litera­ tur FWU, bis 1889 weiter Oberlehrer KöllnG Berlin, Studienreisen 1875 Konstantinopel, 1880 Kairo, 1887 im Auftrag PrMK Konstantinopel, um Lehrkräfte für das neugegr. Seminar für Oriental. Sprachen anzuwer­ ben. WS. 1890/91 ord. Prof. f. orientalische Sprachen AUK (Nf. A. Müller), 1891/92 Studienaufenthalt

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Kairo, 1895/96 Konstantinopel, Ende WS. 1902/03 aus gesundheitlichen Gründen (Herzleiden) auf eige­ nen Wunsch vorzeitig em., energische Versuche, 1905 als Emeritus in Berlin wieder eine Venia zu bekom­ men, von Fakultät und PrMK abgelehnt. – Haupt­ werke: Commentar zu Zamachsarî’s Mufassal/Ibn Ja‘ îś, 2 Bde. Leipzig 1882–1886 (= 1.499 Seiten; ND Hildesheim 2004); Sibawaihi’s Buch über die Gramma­ tik, übersetzt und erklärt, Bd. I+II, Berlin 1895–1900 (=2.137 Seiten). GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. VII, 5, 15 (Habil.); ebd., Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. XIII, 111, 188–193 (Ablehnung, J. venia zu erteilen, 1903/05); ebd., Rep. 89, Nr. 21661, 25 f. (Bestallung); Weisfert 110; DBJ 1917, 660. Jastram, Martin, Medizin, Chirurgie * 18. 10. 1880 Semmerin/Grabow † 3. 4. 1931 Danzig V.: Heinrich J., Volksschullehrer, M.: Lieselotte Mahn, ev. – G. Parchim 1898, med. Stud. Kiel, Breslau, ebd. Prom. 1905: Über die Einwirkung der Röntgenstrah­ len auf das Wachstum (R.: v. Strümpell), 1911 mit Paul Friedrich aus Marburg an AUK, Habil. f. Chirurgie ebd. 12. 5. 1915, 1918–1925 Privatpraxis als Chirurg u. Frauenarzt Königsberg, 14. 12. 1921 von Kirschner mit absprechender Beurteilung (wenig publiziert, ge­ ringer Lehrerfolg) zum nb. ao. Prof. eingegeben und von PrMK abgelehnt, erst 1923 Ernennung, 1925 Ltr. Chirg. Abt. DiakonissenKHS Danzig, dort an den Fol­ gen einer OP­Infektion gestorben; zuletzt arbeitend an einer ‚Frakturlehre‘. – Politisch: Mitglied der Königs­ berger Freimaurer­Loge Zu den 3 Kronen. – Militär: 1914–1918 Kriegsteilnahme, Stabsarzt, zuletzt, Ltr. eines Feldlazaretts, EK I. – oo Hedwig Stoeckel, 1 T, 1 S, Jürgen (1913–1986), Arzt. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 216; Bd. IV, 110; RHB I, 845 (P); BLÄF I, 704; Ostpr. Arztfamilie Advent 1989, 15 f.; ebd. Ostern 1994, 3 f.; Voswinckel 2002, 732. Jeep, Ludwig, Klassische Philologie * 12. 8. 1846 Wolfenbüttel † 4. 1. 1911 Königsberg Aus Braunschweiger Gelehrten­ u. Beamtenfamilie, V.: Julius J., Direktor G Wolfenbüttel, Klass. Phil., Cicero­Forscher, M.: Emilie Kloz, ev.­luth. – 1864 G Wolfenbüttel, 1865 altphil. Stud. Göttingen (E. Cur­ tius, Sauppe), 1867 zu Friedrich Ritschl und Georg Curtius nach Leipzig, dort Senior von Ritschls societas Latina. Anregung zum Studium des Claudius Claudia­ nus, Prom. Leipzig 3. 10. 1869: Quaestiones criticae ad emendationem Claudiani panegyricorum spectantes. 22. 1. 1870 StE. 1870/71 Bibliotheksreise nach Ita­

lien zur Erschließung von Handschriftenmaterial zu Claudius, 1871 Schuldienst ThomasG Leipzig, 1874 Oberlehrer ebd., kritische Claudius­Ausgabe: Claudii Claudiani carmina, 2 Bde. 1876/79. Da bei Besetzung des Rektorats am ThomasG übergangen, 1880 Wech­ sel nach Königsberg, Oberlehrer FC. 27. 10. 1883 Habil. AUK (kum.), AV: Das römische Epos als Ge­ schichtsquelle, 1884: Quellenuntersuchungen zu den griechischen Kirchenhistorikern, bis 1887 wei­ tere Studienreisen nach Italien und Paris, 31. 7. 1887 b. ao. Prof., Entlassung aus dem Schuldienst. Bis 1890 in Vorlesungen Schwerpunkt auf Literatur­ und Kul­ turgeschichte des spätrömischen Kaiserreichs, dann Hinwendung zu den lateinischen Grammatikern. 7. 10. 1893 ord. Prof. AUK f. Klass. Philologie (Nf. Schoene). „Die Hauptbedeutung Jeeps liegt in seiner Tätigkeit als akademischer Lehrer. […] große Anzahl tüchtiger Dissertationen [bei ihm] entstanden, welche sich zuerst auf Ovid, den älteren Plinius u. a. lateinische Schriftsteller, später mehr auf Cicero und die Grammti­ ker bezogen.“ (Rossbach). – 1901/02 Dekan, 1903/04 Rektor AUK. – 1904 RA IV für Verdienste bei Orga­ nisation der Feier zu Kants 100. Todestag, 1910 GRR. – oo1874 Ida Warburg (Hamburg). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVII, 163 f., 236 f.; Rep. 89, Nr. 21662, 207; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 83 I (16 Br. an Althoff, 1884–1904); Weisfert 111; Zeitgenossenlexikon 1905, 675; Chro­ nik AUK 1910/11, 18–21 (Rossbach); Tolkiehn 1913 (Bibl.); APB 301. Jensen, Christian, Klassische Philologie * 20. 7. 1883 Archsum/Sylt † 18. 9. 1940 Berlin V.: Christian J. (1857–nach 1935), Lehrer, M.: Laura Lornsen, ev. – 1902 G Schleswig, altphilol. Stud. Marburg, Kiel (wichtigster Lehrer der aus der Bon­ ner Usener/Bücheler­Schule stammende Siegfried Sudhaus, Papyrusforschung), Jan.–März 1906 Stu­ dienreise Neapel, Stipend. Univ. Kiel, 22. 10. 1906 Prom. Kiel: Philodemi peri oikonomias qui dicitur libellus (R.: Sudhaus; Paul Wendland gewidmet, scl.), 17. 11. 1906 StE Latein, Griech., philos. Propädeutik ebd., 1907 Schuldienst Kiel, 10/1907–9/1908 beur­ laubt Studienreise Italien, Griechenland, 1908/09 G Wandsbek, 1. 10. 1909 Oberlehrer, 1909/10 Studi­ enreise Italien, Ägypten. 1. 10. 1910 plm. Assist. Phil. Seminar Marburg, 22. 10. 1910 Habil. f. klass. Philolo­ gie ebd.: Philodemi Peri kakion liber decimus, Herbst 1911 Studienreise Paris, Frühjahr 1912 England, SS. 1912 b. ao. Prof. f. klass. Phil. AUK (Nf. Deubner), Frühjahr 1913 Studienreise Ägypten, WS. 1913/14 oö. Prof. Jena, WS. 1917/18 oö. Prof. AUK (Nf. Deub­ ner), WS. 1921/22 Kiel, SS. 1926 Bonn, WS. 1937/38

Catalogus Professorum FWU. – Philodem­ und Menander­Forschung, Editor der Reden des Hypereides (1917). – Militär: als un­ tauglich ausgemustert. – oo 1915 Anna Kroll (1883–) aus Schleswig, 1 S. BABL, R 4901, 13267/4668; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, Bd. XXVII; ebd., Sek. 12, Tit. IV, Nr. 3, Bd. III, 118 f. (Habil.); vita Diss.; Gundlach 344 f.; Volbehr/Weyl 163; Herter 1968 (P); NDB X, 408 f. Jentzsch, Alfred, Geologie * 29. 3. 1850 Dresden † 8. 1. 1925 Gießen V.: Hermann Julius J., Rendant, M.: Clara Henriette Gräfe, ev. – 1866 AnnenRS Dresden, Ausbildung zum Gewerbelehrer, Stud. TH Dresden, Leipzig, Prom. Leipzig 1872: Das Quartär der Gegend um Dresden und über die Bildung des Löss im Allgemeinen. 1875 Geologe der PhÖG Königsberg zwecks geolog. Kar­ tierung Ost­ u. Westpreußens, 25. 10. 1875 Habil. f. Geologie u. Paläontologie, AV: Ueber das Schwanken des festen Landes. 1876: Höhenschichtenkarte der Pro­ vinz Preußen, seit 1877 regelmäßige Berichte über die geognostische Durchforschunng der Provinz in AprM, 1899 Wechsel an die Geol. Landesanstalt in Berlin, wei­ tere Beschäftigung mit der Geologie Ostdeutschlands, 1913: Die Geologie der Braunkohlenablagerungen im östlichen Deutschland, zuletzt 1919: Ein geologischer Führer durch die Umgebung Thorns. – oo N. N., 1 S Felix (1882–1946), Physiker. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 111–118; Weisfert 111 f.; APB 302. Joachim, Gerhard, Innere Medizin * 11. 6. 1880 Ludwigswalde/Kr. Königsberg † Mai 1945 Georgenburg (Selbstmord) V.: Gustav J., Pfarrer, M: Maria Sondermann, ev. – 1898 FC, 1898–1903 med. Stud. AUK, 2/1903 StE, Prom.: Beiträge zur Behandlung von Hautkrankheiten mit concentriertem Licht (R.: Garré), 1903 Volontäras­ sist. Med. Klinik (Lichtheim), 1. 5. 1905 I. Assist. ebd., 7. 3. 1906 Habil. f. Innere Medizin, AV: Ueber die Entstehung der acuten Miliartuberculose. Arbeiten zur Physiologie des Herzens, 10. 12. 1909 Tit. Prof., 1932 Ltr. Innere Abt. KHS Barmherzigkeit. Nach Eroberung der Stadt durch die Sowjetarmee nach Insterburg ver­ trieben, dort im Lager Georgenburg „erhängte er sich, weil er am Leben verzweifelte“. GStA …, Nr. 24, Bd. II, 147, 278, 282 f.; ebd., XX. HA, Rep. 99c, Ord. 48.; EB 1941; APB 969.

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Johnsen, Arrien, Mineralogie, Kristallographie, Geo­ logie * 8. 12. 1877 Munkbrarup/Kr. Flensburg † 22. 3. 1934 Berlin V.: Wilhelm J. (1849–1915), Pastor, Superintend., M.: Rosalie Mathilde Preuß (1849–1886), ev. – 1897 G Coburg, mineralog.­geol., chem. Studium Jena, Göttingen, AUK, dort 1901 Prom.: Petrographische Untersuchung der Harzer Porphyroide (R.: Mügge), 3. 8. 1904 Habil. f. Mineralogie u. Geologie ebd., AV: Die Entwicklung der Petrographie. Assistent Otto Mügges, dem er 1908 nach Göttingen folgte, WS. 1909/10 oö. Prof. f. Mineralogie u. allg. Geolo­ gie Kiel, WS. 1920/21 Frankfurt, WS. 1921/22 FWU, Prof. u. Direktor des Mineralogisch­Petrographischen Instituts. 1922 Mitglied PrAkW. 1927–1930 Vorsitz Dt. Mineralog. Gesellschaft. – oo I. Pauline Auguste Wandschneider, Tochter eines Rentiers in Kiel, 1933 geschieden, II. 1934 Luise Goebel, Offizierstochter. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 27 f. (Habil.); RHB I, 852; Volbehr/Weyl 158; SHBL I, 169 f.; NDB X, 583 f.; BEN 2003, 435. Jordan, Henri, Klassische Philologie * 30. 9. 1833 Berlin † 10. 11. 1886 Königsberg V.: Albert J., M.: Henriette Falkmann, väterl. aus hu­ genott. Familie. – 1852 JochimthalG, philol. Stud. Bonn (Ritschl, Dahlmann), FWU (A. Meineke, Tren­ delenburg, M. Haupt, Boeckh, Curtius), 1856 Prom. FWU: Quaestionum Catonianarum capita duo („Mau­ ricio Hauptio praeceptori – carissimo sacrum“). 1858 Staatsprüfung. 1861 Habil. FWU: M. Catonis praeter librum de re rustica quae extant („Mauricio Hauptio Theodoro Mommensio Henricus Iordan venerabundus obtulit“). Italienaufenthalt 1862–1864, 1862 Mitglied DAI Rom, PD FWU, SS. 1867 ord. Prof. Klass. Philo­ logie AUK, 19. 5. 1868 Habil./AV: De sua soriis quae ad caesarem senem de re publica inscribuntur, 1869 Mitdirektor Phil. Seminar, 1873/74 Dekan, 1875/76 Prorektor, ab 1879 alljährlich zwei Monate zu Studien­ zwecken (Ausgrabungen) in Rom, 1886 an den Folgen einer Operation gest. – Cato und Sallust­Forschung, Sprachgeschichte des Lateinischen (Kritische Beiträge zur Geschichte der lateinische Sprache, 1879), rö­ mische Religionsgeschichte, Hg. von Prellers ‚Römische Mythologie‘ (1881/82), dazu auch 1886: Der Tempel der Vesta und das Haus der Vestalinnen; Hauptwerk: Topographie der Stadt Rom im Altertum 1871–1885, kultur­ und religionshistorisch zentriert. Das Frühwerk zu Cato „kein zufälliges Zugreifen“, sondern es bestand eine „sympathische Congenialität für das römische We­ sen auf Jordans Seite, und ganz besonders zog ihn das Bild des Urtypus des Römers Cato sympathisch an“, da

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selbst abgeneigt „ideologischem Grübeln, ganz erfüllt von gesundem Realismus“. Er suchte „die Ideale nicht in einer transcendentalen Welt, sondern im Leben; das durch und durch Praktische zog ihn an Cato an.“ (Lüb­ bert). – ooAnna Droysen, Tochter J. G. Droysens. Worte der Erinnerung an Prof. Dr. Henri Jordan, 18862 Jordan 1886); Lübbert 1886 (Bibl.); Chronik 1886/87, 5 f.; Hübner 1887; Weisfert 114. Jost, Ernst, Astronomie * 10. 4. 1877 Hamburg † nach 1944 V.: Christoph J., Kaufmann, ev. – Dreijährige Kauf­ mannslehre in Hamburg, 1896 naturw. Stud. TH Darmstadt, Göttingen, Straßburg, Heidelberg (Böhm, Königsberger, Quincke, Valentiner, Wolf, Ladenburg), 1899 Assist. astrometr. Abt. badische Landessternwarte, Prom. Heidelberg 1903: Parallaxenbestimmungen aus Durchgangbeobachtungen im Meridian, 1906: Unter­ suchungen über die Parallaxen von 29 Fixsternen. 1909 Observator Sternwarte AUK, 1918 Tit. Prof., noch im VV 1944. GStA, XX. HA 99c, Ord. 48. Juncker, Alfred, Theologie, Neutestamentliche Wis­ senschaft * 4. 7. 1865 Ida­ u. Marienhütte/Schlesien † 21. 2. 1945 Danzig (auf der Flucht) V.: N. N., Fabrikdirektor, Stadtrat, ev. – G Schweidnitz 1883, theol. Stud. FWU, Leipzig, Breslau, Halle, ebd. Prom. 1891: Das Ich und die Motivation des Willens im Christentum. Ein Beitrag zur Lösung des eudämo­ nistischen Problems, 1892–1895 Pastor Bunzlau, 1895 Inspektor Sedlnitzkysches Konvikt Breslau, 1. 3. 1896 Habil. ebd., 1904 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1910/11 oö. Prof. AUK (Nf. Kühl), 1929/30 Rektor, 1933 em. – Paulus­Forschung, dazu: ‚Die Ethik des Apostels Paulus‘, 2 Bde. 1904–1919. – Politisch: Als Emeritus Unterzeichner von BK­Aufrufen. – oo1892 Magdalene Anderson, 2 T, 2 S (einer gefallen Ostfront 1917). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI; Koschorke 173 f.; Heiduk 1993, 13 f.; APB 1831. Kafemann, Rudolf, Medizin, HNO * 1859 Danzig † nach 1941 vermutlich in Königsberg V.: Verleger, Zeitungsbesitzer. – Med. Stud. Leipzig, Würzburg, AUK, laryng. Ausbildung in München, Wien, ab 1887 Facharzt in Königsberg, 1891 Assist. an der Klinik Bertholds, 1892 Habil. f. Kehlkopf­ u. Nasenkrankheiten AUK, 1901/02 Weiterbildung Psy­ chiatr. Klinik Heidelberg (Kraepelin), 1901: Rhino­ pharyngologische Operationslehre mit Einschluß der Elektrolyse für Ärzte und Studierende (2. verm. u.

neubearb. Aufl. 1903). 1890 Schuluntersuchungen zur Klärung der Korrelation zwischen Nasen­ u. Rachen­ raum, Beziehungen zwischen Rachen­ u. Nasenleiden, dem Stottern und Lernschwächen, 30. 7. 1903 Erwei­ terung der venia auf Ohrenheilkunde. Nov. 1903 Tit. Prof.; die von MedFak beantragte ao. Prof. abgelehnt, 26. 10. 1903 anonyme Denunziation: K. sei bekannt für seine „jüdische Reklame“, werbe sogar per Aus­ hang in der Synagoge in „jüdischer Sprache“ für seine Sprechstunde, 28. 3. 1904 PrMK­Ablehnung des An­ trags, K. z. nb. ao. Prof. zu ernennen. Bis in die frühen 1930er Jahre rührig als mediz. Popularschriftsteller, u. a. zum „Sexualproblem“, „Syphilis­Vorbeugung“, Nikotinmißbrauch, „Verjüngungsfrage“. Als Dozent nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ausgeschieden. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 225 f.; Bd. II, 54 f., 64, 71, 101; EB 1941, 117. Kaiserling, Carl, Medizin, Pathologie * 3. 2. 1869 Wehlheiden b. Kassel † 20. 6. 1942 Berlin V.: Gustav K., Bauunternehmer, M.: Marie Naake (1849–), ev. – 1889 G Kassel, med. Stud. München, Kiel, FWU, Prom. ebd. 21. 3. 1893: Die Mikrometrie und ihre Anwendung auf die Bestimmung der Größen­ veränderung der roten Blutkörperchen einiger Verte­ braten durch verschiedene Zusatzflüssigkeiten, 1895 Assist. Path. Inst. FWU (Virchow), ebd. 3. 2. 1902 Ha­ bil. f. Pathologie u. path. Anatomie: Über das Auftreten von Myelin in Zellen und seine Beziehung zur Fettme­ tamorphose, 1904 Kustos Path. Museum, 1905 Tit. Prof., 1912 ao. Prof., SS. 1913 oö. Prof. f. Pathologie u. path. Anatomie AUK (Nf. Henke), 1927/28 Rektor, 1935 em. – Makro­ u. Mikrofotografie, Mikrospektro­ skopie (1903: Lehrbuch der Mikrophotographie), Er­ finder von Konservierungsmethoden für anatomische Präparate, Entdecker der Doppelbrechung der Lipoide in der Nierennebenrinde, damit neue Wege der Un­ tersuchung des Fettstoffwechsels angebahnt, Beiträge zum Handbuch der mikroskopischen Technik (1918), Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden (1924), Enzyklopädie der mikroskopischen Technik (2. Aufl. 1910, 3. Aufl. 1926), im Unterricht stets bemüht, „die Zusammenhänge zwischen Pathologie, Biologie, Na­ turwissenschaft und allgemeiner Wissenschaftsbetrach­ tung klarzustellen“ (Krauspe 1942). – Politisch: Nach 1918 DNVP, „auch in schwerster Zeit national einge­ stellter Lehrer“ (Krauspe 1942), mit → Kirschner und → Matthes 1921 Initiator der Ehrenpromotion Gene­ ral Ludendorffs zum Königsberger Dr. med. – Mili­ tär: 1915–1918 Beratender Pathologe einer Armee. – oo 1905 Else Klebs (1885–), Tochter des Königsberger Landesgeologen u. Bernsteinforschers Richard Klebs

Catalogus Professorum (1850–1911), 1 S Helmut (1906), Dr. med. habil. Münster 1940. BABL, R 4901, 13267/4816; GStA, XX. HA, Rep. 99c, Ord. 49; RHB 874; BLÄF I, 733; Krauspe 1942; Ders. 1954 (Bibl.); Ders. 1964 (P); DBE V, 409; APB 1831 f. Kalkstein, Carl Fedor von, Geschichte * 16. 5. 1845 Berlin † 1891 Absturz am Pilatus/Schweiz V.: Moritz v. K., M.: Eugenia de L’Egret, ev. – KöllnG Berlin 1864, hist.­philos. Stud. FWU (Ranke, Droy­ sen, Müllenhoff ), Heidelberg (Wattenbach, Bluntschli, Zeller), 1867 AUK (Schubert, Nitzsch), ebd. Prom. 31. 3. 1868: De Roberto Forti (gewidmet Schubert u. Nitzsch). Habil. AUK 1871: Robert der Tapfere, Mark­ graf von Anjou: der Stammvater des kapetingischen Hauses, fortgesetzt in der Monographie: Geschichte der französischen Königthums unter den ersten Ca­ petingern (1877), 1879 nach Berlin, um leichter Er­ werbsquellen außerhalb des uneinträglichen Lehramts aufzutun. Entzug der venia im WS. 1884/85. – Poli­ tisch: Fortschrittspartei, in Königsberg 1878 „unbeson­ nenens Vorgehen“ im Wahlkampf gegen einen Land­ rat, dessen Verhalten „mich als Alten Herrn derselben Burschenschaft in tiefster Seele verletzt hatte“, seit 1880 Redakteur der Liberalen Korrespondenz (Berlin), sehr aktiver Versammlungsredner. Kurator AUK rügt 1884, daß PD v. K. als „z. Zt. in Berlin“ im VV geführt werde; habe sich zudem als politischer Agitator iSd der „Sezessionisten“ [Abspaltung von der Nationalliberalen Partei] „nicht ganz unbedenkliche Auffassungen über soziale und amtliche Beziehungen“ geleistet; dozierte seitdem an Humboldt­Akademie Berlin und war publi­ zistisch tätig. – oo Marie von Mirbach (1842 Cramnit­ ten/Kr. Rastenburg–). GStA …, Nr. 25, Bd. III, 153; Weisfert 116 f. Kaluza, Max, Englische Philologie * 22. 9. 1856 Ratibor † 1. 12. 1921 Königsberg V.: Franz K., Schneider, Schloßverwalter M.: Maria Winkler, kath. – 1874 MatthiasG Breslau, 1873–1877 kath.­theol., dann neuphilol. Stud. ebd. (Gustav Grö­ ber, Eugen Kölbing), Prom. 12. 1. 1881: Ueber das Ver­ hältnis des mittelenglischen alliterierenden Gedichtes ‚William of Palerne‘ zu seiner französischen Vorlage, 2. 12. 1881 StE, 1882–1884 Probekandidat u. Hilfs­ lehrer G Ratibor, 1884–1887 G Oppeln, Habil. f. eng­ lische Sprache und Literatur AUK 17. 5. 1887: Über die Handschriftenverhältnisse des mittelenglischen Gedichts Libeaus Desconus, PV: Über die englische alliterierende Dichtung des 14./15. Jhs. unter be­ sond. Berücksichtigung des Sir Gawayn and the greene

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knight und der alliterative poems, AV: Über die Sage von der schönen Unbekannten in den mittelalterlichen Literaturen, 8. 7. 1894 b. ao. Prof. u. Direktor des Engl. Seminars, 3. 6. 1902 oö. Prof. ebd., 1921 em. – 1890: Hg. Libeaus Desconus, die mittelenglische Romanze vom schönen Unbekannten, 1891: Hg. The Romaunt of the Rose from the Unique Glasgow Ms. parallel with its Original Le Roman de la Rose, Bd. I; 1893: Chaucer und der Rosenroman, 1894: Der altenglische Vers, 1900/01: Historische Grammatik der englischen Sprache (2. Aufl. 1906), 1909: Englische Metrik in historischer Entwicklung, 1919: Chaucer­Handbuch für Studierende; 1895 Mitbegründer u. Dozent der Königsberger Oberlehrerinnenkurse, 1902 Begründer u. bis 1921 Mit­Hg. Zeitschrift für französischen und englischen Unterricht, 1909–1913 Hg. (mit →Thurau) der Schriftenreihe Normannia (13 Bde.) – Politisch: Im März 1921 in Ratibor Teilnahme an Volksabstim­ mung in Oberschlesien. – 1910 GRR, korr. Mitglied Kisfaludy­Gesellschaft (Budapest), 1893 Ruf nach Gie­ ßen abgelehnt, 1904 Ruf nach Münster angenommen, vom PrMK zurückgezogen. – oo 1885 Amalie Zaruba (1850–1934), Tochter eines vermögenden Ziegelei­ besitzers, 1 S →Theodor K. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 209; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 84 II (28 Br. an Alt­ hoff, 1889–1908); Weisfert 117; Th. Kaluza/Jantzen 1922 (P, Bibliogr.); APB 320; Haenicke 1981, 93–95; Haenicke/Finkenstaedt 1992, 156 f.; Heiduk 1993, 20 f.; Wuensch 2007, 36 ff. Kaluza, Thedor, Mathematik * 9. 11. 1885 Wilhelmsthal, Oppeln/O. S. † 19. 1. 1954 Göttingen V.: → Max K., kath. – FC 1903, mathem. Stud. AUK, Göttingen, Prom. AUK 1907: Die Tschirnhaus­ transformation algebraischer Gleichungen mit einer Unbekannten (R.: F. Meyer). Habil. f. Mathematik 13. 11. 1909 AUK: Studien zur Relativitätstheorie, PV: Logarithmen – Interpolation bei weitläufigem Argu­ ment, AV: Neuere Untersuchungen über Serienspectra, nb. ao. Prof. 1922, oö. Prof. Kiel 1929, 1935 Göttin­ gen. – Bekannt geworden durch seine von Einstein 1921 in der PrAkW präsentierte Abhandlung ‚Über das Unitätsproblem der Physik‘, die die „vierdimensionale Raum­Zeit­Welt der Relativitätstheorie um eine fünfte Dimension“ erweitert, „um die elektromagnetischen Effekte zu erklären“; dies war ein „neuartiger Ansatz zur Schaffung einer einheitlichen Feldtheorie, der auch noch heute nachwirkt“ (GG). – Militär: 1915– 1918 eingesetzt in einem Schallmesstrupp an Ost­ u. Westfront, Lt. d. Lwr, EK II. – oo 1909 Anna Beyer (1885–1974), Tochter des Landwirts Joseph B., Peters­ wald/Westpr., 1 S, 1 T.

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BABL, R 4901, 13267/4828; NDB XI, 76; BEN 2003, 444; GG 484 (P.); Wuensch 2007 (Bibl., P); Nl. im Privatbesitz. Kastan, Max, Medizin, Psychiatrie, Neurologie * 23. 12. 1884 Berlin † nach 1931 V.: N. N., Kaufmann, jüd. – 1910/12 Assist. Univ. Nervenklinik Rostock, 1912 Assist. Univ. Nervenkli­ nik AUK, 16. 2. 1916 Habil. Psychiatrie u. Neurologie, AV: Die organischen Nervenerkrankungen bei Kriegs­ teilnehmern, soweit sie durch Verletzungen entstan­ den sind. 5. 12. 1922 Antrag MedFak, K. zum nb. ao. Prof. zu ernennen, 1926 „beurlaubt“, Niederlassung als Facharzt für Psychiatrie in Hamburg. GStA …, Nr. 24, Bd. IV, Bl. 169 f.; KW 8, 1915/16, 377; KGK 1931. Kaufmann, Erich, Rechtswissenschaften, Staats­, Völ­ ker und Kolonialrecht * 21. 9. 1880 Demmin/Vorpommern † 5. 11. 1972 Karlsruhe V.: Felix K. (1846–1908), RA u. Notar, Justizrat, geb. als Sohn des Kaufmanns Jacob Cohen, Namensände­ rung u. Konversion, M.: Julie Heimann (1857–1940), ev. – 1898 FranzG Berlin, jur.­philos. Stud. FWU (Gierke, v. Liszt, Seckel, Dilthey, Simmel, Harnack, Wilamowitz, Erich Schmidt), Freiburg (Cohn, Rickert, Rümelin, Rosin) Heidelberg (K. Fischer, Hatschek, Hensel, Jellinek), Erlangen (während der Militärzeit, wohnte und studierte bei Paul Hensel, dem die Kieler PV gewidmet ist), 14. 11. 1902 StE, Justizdienst in Brandenburg, 1903 beurlaubt zum Studium in Halle (Endemann, Fleischmann, Loening, Stammler, Stein, Riehl), 5. 6. 1905 Rig. ebd. mit der 1906 gedruckten Diss.: Studien zur Staatslehre des monarchischen Prin­ zips, Justizdienst Landgericht Berlin, 1905/06 erneu­ ter Studienaufenthalt, Vorlesungen und Seminare bei Simmel, Wilamowitz, Wölfflin. Besonderer Dank des Doktoranden gilt Otto Gierke, „dessen Vorlesungen und Werken ich nicht nur die Erweckung des ersten Interesses für juristische Fragen, sondern auch die fruchtbarsten Anregungen für mein weiteres Studium verdanke“. „Richtunggebende Bedeutung“ erkennt er ebenso Heinrich Rickert zu, ferner Stammler und Ge­ org Jellinek. 1. 8. 1908 Habil. f. Staats­ u. Verwaltungs­ recht Kiel: Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt in den Vereinigten Staaten von Amerika, PV: Über den Begriff des Organismus in der Staatslehre des 19. Jahr­ hunderts, SS. 1912 b. ao. Prof. f. öffentl. Recht insbes. Staats­ u. Verwaltungsrecht ebd., SS. 1913 oö. Prof. f. Staats­, Verwaltungs­, Völker­ u. Kolonialrecht AUK (Nf. Arndt), SS. 1917 FWU, WS. 1920/21 Bonn, 1927 ord. Hon. Prof. FWU, 1934 oö. Prof. ebd.,

gleichzeitig aus rassenideologischen Gründen ent­ pflichtet, 1939–1945 Emigration in Holland, 1946 oö. Prof. München, 1950 em., Hon. Prof. Bonn. – 1918 GJR, Dr. h. c. Kiel, München, 1952 Friedensklasse Or­ den Pour le Mérite (Kanzler 1959–1963), ord. Mitgl. BayrAkW. – Politisch: 1911–1913 Nationalliberaler Verein Kiel, 1917–1933 und nach 1949 völkerrechtl. Berater AA. – Militär: 1903/04 Wehrdienst 10. FAR Erlangen, 1906 Lt. d. R., 17. 12. 1913 Oberlt. d. R., Juni 1916 Hauptmann d. R., Teilnahme an Somme­ Schlacht, EK I, schwer verwundet, September 1917 aus dem Heer entlassen. – oo 1917 Hedwig Pankok (1892–1973), Tochter eines Arztes in Mülheim/Ruhr, Schwester des Malers Otto P. (1893–1966). BABL, R 4901, 13267/4876; GStA, Rep. 76Va, Sek. 9, Tit. IV, Nr. 11, Bd. I, 102–104, 108 f. (Habil.); ebd., Nr. 4, Bd. III, 227, 234; vita Diss.; Volbehr/Weyl 51, NDB XI, 349 f.; Biewer 1989 (P); Zelger 1996; Degenhardt 2008. Kaufmann, Walter, Physik * 5. 6. 1871 Elberfeld † 1. 1. 1947 Freiburg V: Albert K. (gest. 1899), Bankier, M.: Bertha Samuel (gest. 1900), jüd., (K. Dissident). – G Berlin 1890, Stud. Maschinenbaukunde u. Elektrotechnik TH Ber­ lin, München, ab 5. Sem. Physik FWU, Prom. 1894 München: Über die Bewegung geschlagener Saiten (angeregt von A. Kundt), 1896 Assist. Physik. Institut FWU (E. Warburg), 1. 7. 1899 Assist. Phys. Inst. Göt­ tingen, 12. 8. 1899 Habil. f. Physik: Die diffuse Streu­ ung der Kathodenstrahlen in verschiedenen Basen. 1902 b. ao. Prof. f. Physik Bonn, SS. 1908 oö. Prof. f. experimentelle Physik u. Direktor des Physik. Inst. AUK (Nf. G. Schmidt). 1922/23 Rektor, 30. 9. 1935 em. – Nach Auffassung der Göttinger Fakultät an den fundamentalen Problemen der Elektrizitätslehre arbei­ tend, entdeckte 1901 die Massenzunahme der Elek­ tronen bei hohen Geschwindigkeiten, trug zur Vor­ bereitung von Einsteins Relativitätstheorie bei, seine Experimente lieferten „ersten realen Beweis für die Lorentz­Einsteinsche Relativitätstheorie“ (NDB). In Königsberg Forschungen zu Röntgen­ u. Höhenstrah­ lungen. – Politisch: Aufgrund jüd. Herkunft 30. 9. 1935 entlassen, nach Freiburg verzogen. – Militärdienst 1904/05, August/Sep. 1914 Armierungskompanie Kö­ nigsberg, 27. 1. 1919–10. 4. 1919 Ostpr. Freiw.korps, Nachrichtenabt. Cranz, Uffz.. – oo I. 1900 Frieda Kuttner (1879–1928), 3 S, 2 T, II. 1932 Else Bath, 1 S. Einer seiner Söhne aus erster Ehe, promoviert, sei in Litauen 1941 von der SS erschlagen worden, ein zwei­ ter Sohn in Theresienstadt verhungert (Kaufmann an Kurator Hoffmann v. 8. 1. 1947).

Catalogus Professorum BABL, R 4901, 10009/4879; GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. IV, 9–11 (Habil.); ebd., XX. HA., Rep. 99c, Ord. 49; Chronik Univ. Göttingen 1899/1900, 12 f. ; NDB XI, 352 f.; Walk 190; DBE V, 473; BEN 2003, 449; APB 1834 f. Kayma, Albert, Agrarwissenschaften * nicht ermittelt † nicht ermittelt Direktor der Hauptwohlfahrtsstelle Ostpreußen, seit 1917 Hg. Die Wohlfahrt. Halbmsch. f. Wohlfahrts­ pflege und für Jugendpflege in Stadt und Land, begrün­ det Königsberg 1907. – LA Ländliche Wohlfahrts­ u. Heimatpflege 1917–ca. 1932. VV­AUK. Keyserlingk, Robert Graf, Kuratorialrat * 10. 3. 1866 München † 15. 10. 1959 Baden­Baden V.: Eugen Graf K., Naturforscher, M.: Margarete von Doenniges, Schriftstellerin, ev. – 1885 HG Glogau, rechts­ u. staatsw. Studium Leipzig, Breslau, Prom. ebd., 1889 Ger. Ref., 1891 Reg. Ref., 1894 Reg. As­ sessor u. Landrat Naugard/Pommern, 1895/96 Beur­ laubung zur Forschungsreise nach Sibirien, 1896 RR Reg. Präs. Königsberg, 1898 im Oberpräsidium ebd., 1898–1906 Landrat Fischhausen/Ostpr., 1906 Hilfs­ arb. PrMLw, 1907 GRR u. Vortr. Rat ebd., 1908–1910 Oberpräsidial­ u. Kuratorialrat Königsberg, 1910– 30. 6. 1915 Reg. Präsident Königsberg, 1. 7. 1915 Ministerialdirektor PrMLw, 1916/17 im Kriegser­ nährungsamt, März–Mai 1918 Reichskommissar für Litauen u. Kurland, 1921–1933 Mitglied des Preuß. Staatsrats. Nach 1918 Verwaltung seines lw. Besitzes, Schloß Cammerau bei Schweidnitz/Schlesien, bis zur Vertreibung 1945. – Politisch: 1900–1906 Mitglied im ostpr. Provinziallandtag (Kons. Partei). – oo Margarete Hort, 1 T. Königsberger Woche 10, 1917/18, Nr. 24 v. 14. 3. 1918 (Titelfoto); RHB 916 (P); Hauf 1980, 49–53. Kippenberger, Carl, Chemie, Nahrungsmittelchemie, Toxikologie * 23. 6. 1868 Siegen † 31. 3. 1937 Bonn V.: Peter K., Kaufmann, M.: Sophie Vigelius, kath. – RG Siegen 1884, pharmaz. Lehre u. Apotheker­Ge­ hilfe, 1889 pharm.­chem. Studium Gießen, Erlangen, 1891 Apothekerprüfung, 1. 1. 1892 Untersuchungsan­ stalt f. Nahrungs­ u. Genußmittel Erlangen, 1895 gepr. Nahrungsmittelchemiker, WS. 1892/93 mit seinem Chef A. Hilger nach München, ebd. I. Assist. Pharmaz. Institut und Labor f. angew. Chemie, zuständig für ex­

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perim. Schulung von Pharmazeuten u. Lebensmittel­ technikern, Prom. Erlangen Juli 1894: Kritische Stu­ dien über die Methoden der Kohlensäurebestimmung in Trink­ und Mineralwässern …, WS. 1894/95 zur Habil. ans Tech.­chem. Labor Polytech. Zürich, ebd. 8. 3. 1895 Habil. f. chemische Fächer, 14. 7. 1895 ve­ nia f. angew. Chemie Univ. Zürich: Beiträge zur Rein­ isolierung, quantitativen Trennung und chemischen Charakteristik von Alkaloiden und glycosidartigen Körpern in forensen Fällen, mit bes. Berücksichtigung auf den Nachweis in verwesenden Cadavern. Umhabil. Jena WS. 1896/97 mit der Aussicht auf b. ao. Prof.; auf Bitten des AA Übernahme einer Professur an der Med. Hochschule Kairo bis Ende SS. 1898, dort neben der Lehre vor allem beschäftigt mit der „Erledigung der von ägyptischen Gerichtshöfen in unglaublich hoher Anzahl einlaufenden chemisch­toxikologischen Auf­ träge“. Aus diesen Erfahrungen sein Lehrbuch: ‚Grund­ lagen für den Nachweis von Giftstoffen bei gerichtlich­ chemischen Untersuchungen‘ (1897). Ende 1898 Umhabil. Breslau, 7. 11. 1898 Tit. Prof.. Nochmalige Umhabil. 29. 6. 1900 AUK, WS. 1903/04 Bonn, dort LA f. Nahrungsmittelchemie, 19. 9. 1908 ao. Prof. ebd., persönl. Ord. 27. 4. 1924 ebd., em. 1. 10. 1935. GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 41, Bd. IV, 286–291 (Umhabil. Breslau, vita, Bibliogr.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 7–17 (Brw. m. Althoff 1903); Wenig 147. Kirschner, Martin, Medizin, Chirurgie * 28. 10. 1879 Breslau † 30. 8. 1942 Heidelberg V: Martin K. (1842–1912), Jurist, Oberbürgermeister von Berlin, M.: Margarete Kalbeck (1853–1923), ev. – LuisenHG Berlin 1899, med. Stud. Freiburg, Straß­ burg, Zürich, 1904 Prom. Straßburg: Syringomyelie und Tabes dorsalis. 1904–08 Assist. KHS Moabit. 1906 Indienreise, ärztl. Begleiter des Großherzogs von Sachsen. 1908 Assist. Chirurg. Univ. Klinik Greifswald (E. Payr), 1910 Wechsel mit Payr an AUK (Okt. 1910: 3. Assist.), 7. 3. 1911 ebd. Habil. mit einer Untersu­ chung über Sehnen­ und Faszientransplantation, 1913 OA, nb. ao. Prof. ebd., 1912/13 ärztl. Ltr. DRK­Expe­ dition im türk.­bulgar. Krieg, WS. 1916/17 oö. Prof. f. Chirurgie AUK (Nf. P. Friedrich). WS. 1927/28 Tübingen (Nf. Georg Cl. Perthes), 1931 Rektor, 1934 Heidelberg (Nf. Eugen Enderlen), einem Magenkrebs­ leiden erlegen. – Unfallchirurgie, Thoraxchirurgie, Neurochirurgie (u. a. 1917 neue OP­Methode zur Behandlung der Rindenepilepsie nach Schußverlet­ zungen), Eingeweide­ u. Skelettchirurgie, Operations­ lehre, in die Medizingeschichte eingegangen mit der im März 1924 erstmals gelungenen Trendelenburg­ schen OP bei Lungenembolie (Embolektomie aus der

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A. pulmonalis); Begründer Der Chirurg (1928). – Po­ litisch: Dez. 1918 Mitunterzeichner Gründungsaufruf der ostpr. DNVP, Stahlhelm, FM NSDAP. – Militär: 1901/02 Militärdienst FAR u. Reiter­Reg. München, 1914 Stabsarzt d. R.; berat. Chirurg II. (bayr.) AK, bis 1915 Westfront, EK II, Bayer. Verdienstord. IV, Türk. Medschidie­Ord. 3. Kl. – oo 9. 6. 1916 Eva Kapp (1889–1977), Tochter des Generallandschaftsdirek­ tors Wolfgang Kapp (1858–1922), 2 T, 1 S (Hartwig, 1922–1995), Prof. f. Chirurgie. BABL, R 4901, 13268/5007; GStA …, Nr. 24, Bd. III, 46–48; Nr. 20, Bd. XII, 370 ff. (Kontroverse um Berufung 1916); ebd., VI. HA, Nl. Kapp; FL 230 (P); Usadel 1942 (P); Zenker 1942 (P); Kramer 1970; W. Schmitt 1979 (P); Hörmann 2000 (Bibl., P); NDB XI, 675 f.; APB 1836 f. Kißkalt, Karl, Medizin, Hygiene, Bakteriologie * 30. 12. 1875 Würzburg † 2. 3. 1962 München V.: Michael (1839–1910), Hotelbesitzer, M.: Elisabeth Meuschel (1851–1934), ev. – Med. Stud. München, Berlin, Würzburg, 1899 Prom. ebd.: Beiträge zur Kenntnis der Ursachen des Rothwerdens des Fleisches beim Kochen, 1899–1901 Assist. Hyg. Inst. Würzburg, 1901 Assist. Hyg. Institut Gießen (Gaffky), ebd. 1903 Habil. f. Hygiene/Bakteriologie: Beiträge zur Lehre von der natürlichen Immunität, 1903–1906 Assist. Hyg. Inst. ebd. (Kossel), 1907–1912 Hyg. Inst. FWU (Rubner, Flügge), ord. Prof. u. Direktor Hyg. Inst. AUK SS. 1912 (Nf. Hahn), SS. 1917 Kiel, Bonn SS. 1924, WS. 1925/26–1947 München, 1929 Hg. Archiv für Hygiene und Bakteriologie (Bd. 101 ff.). – Während der Königsberger Zeit Forschungsschwerpunkte Sozial­ hygiene, Medizinalstatistik, Demographie. – Politisch: 1919–1923 DVP, als Student Kösener Corps, 1923 Entschluß, aus nationalen Gründen Berufung ins fran­ zös. besetzte Rheinland (Bonn) zu folgen. – Militär: 1914–1916 hygien. Berater I. AK (Ostpreußen), EK II. – oo1917 Agnes Weylandt (1882–), Kaufmannstochter aus Stettin, 1 T. BABL, R 4901, 13268/5014; Jötten u. a. 1936 (Bibl., P); Jötten u. a. 1950 (Bibl., P); Volbehr/Weyl 84; Wenig 148; NDB XI, 687; J. H. Wolf 1988, 76 f.; DBE V, 559; APB 1837. Kissner, Alfons, Romanische u. Englische Philologie * 3. 3. 1844 Hamburg † 29. oder 30. 8. 1928 Naumburg V.: Karl K., Musikdirektor in Meiningen u. Würzburg, M.: Babette Scheurich, ev. – G Meiningen 1863, neu­ philol. Stud. Würzburg, Bonn, Marburg, Prom. ebd. 21. 3. 1867: Chaucer in seinen Beziehungen zur italie­ nischen Litteratur, 1870–1874 Privatsekr. der Großfür­

stin Helene Paulowna von Rußland in St. Petersburg, Oranienbaum und auf Reisen nach Italien, 1873/74 Studienaufenthalt in London, zusammen mit seinem Vater Sammlung schottischer u. irischer Volkslieder, 1874 provencal. Studien Paris, Edition der Hs. Ille et Gateron des Gautier d’Arras (7.000 Verse), SS. 1875 Prof. f. neuere Sprachen. Erlangen, 1. 4. 1877 AUK (Nf. Schipper), Gesamtleitung 1877–1894, dann Di­ rektor der roman. Abt. des roman.­engl. Seminars, WS. 1901/02 Marburg (Nf. Koschwitz), 6. 12. 1904 beurlaubt, seitdem nicht mehr gelesen, 20. 11. 1905 auf Antrag von amtl. Pflichten entbunden. Ariost­Überset­ zer. – 1909 GRR. – oo1877 Regina Filehne (jüd.), 2 S (1879, 1882) 2 T (1886, 1887). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VII, 60 f.; Bd. VIII, 39f., Bd. X, 219–223; ebd., Rep. 89, Nr. 21569, 176 f.; Weisfert 120; Gundlach 407; MG II, 1979, 541; Haenicke 1981, 101 f.; Haenicke/ Finkenstaedt 1992, 168. Klebe, Charlotte, Bibliothekarin, UBK * nicht ermittelt † nicht ermittelt 1. 1. 1913 nach halbjähriger Probedienstzeit Bibl.­ Sekretärin (neue Stelle), 1913/14 wg. Krankheit beur­ laubt, 1930 Ruhestand. Klein, Peter, Rechtswissenschaft, Zivilrecht, Internati­ onales Privatrecht * 10. 2. 1879 Bonn † 30. 12. 1925 Königsberg V: Mathias K. (gest. 1909), RA u. Justizrat, M.: Chri­ stine Eller, kath. – G Bonn 1898, jur. Stud. München, FWU, Bonn, 1901 1. StE, 28. 2. 1903 Prom. Bonn: Die Natur der causa solvendi. Zitelmann­Schüler, kein Vorbereitungsdienst, da akademische Laufbahn ange­ strebt, November 1911 Habil. f. Röm. u. Dt. Bürgerl. Recht AUK: Die Rechtshandlungen im engeren Sinne. Eine Untersuchung auf dem Gebiete des deutschen bürgerlichen Rechts (gedruckt 1912), AV: Die Rück­ u. Weiterverweisung im internationalen Privatrecht, 1913: Die Möglichkeit eines Weltprivatrechts, 1916 ao. Prof., 1919 b. ao. Prof. ebd.; Mit­Hg. Archiv f. Rechts­ u. Sozialphilosophie, Schwerpunkt nach 1914: Internat. Privatrecht. 1919 Mitglied des engeren Vorstandes der Internationalen Vereinigung für Rechts­ und Wirt­ schaftsphilosophie, zs. mit v. Wieser u. L. Wenger. Bearbeiter des Intern. Privatrechts in Staudingers BGB­ Kommentar. – Militär: Frw. Wehrdienst 1903/04 im Dragoner­Reg. Hofgeismar, nach einem Unfall aus­ gemustert, keine Kriegsteilnahme. – oo N. N., 6 K, darunter Erich­Georg (1906–?), 1932 Gutsverwalter Preuß. Arnau, das seine Mutter 1930 erwarb, um den „Rest des großen Vermögens“ ihres Mannes zu retten.

Catalogus Professorum 1 S Ulrich (1912), 1 S Hans­Dietrich (1914), 1 T Eli­ sabeth (1908). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 169–171 (Habil.); vita Diss.; Sauer 1926 (P). Klieneberger, Carl, Innere Medizin * 25. 4. 1876 Frankfurt/M. † 1938 Freitod Zittau V.: Adolf K., Kaufmann, M.: Sophie Hamburger, jüd. – 1894 G Frankfurt, med. Stud. FWU, Straßburg, Kiel, ebd. 1899 StE u. Prom.: Ueber eine Anomalie des äußeren Ohres, 1902–1904 Assist. Hl. Geist Hos­ pital Frankfurt/M., 1. 1. 1905 Assist. Institut f. expe­ riment. Therapie ebd., 1906 II. Assist. Med. Kl. AUK (Lichtheim), ebd. 7. 3. 1906 Habil. f. Innere Medizin, AV: Ueber die Behandlung des Abdominaltyphus. 1. 12. 1909 Kurator v. Windheim – PrMK: Entgegen des Vorschlags der Fak. sollte mit Ernennung Kliene­ bergers zum Tit. Prof. noch gewartet werden, während gegen die Anträge für gleichzeitig habilit. Privatdo­ zenten Joachim u. Rautenberg keine Bedenken bestün­ den. 1912 Chefarzt Innere Abt. u. Direktor StädtKHS Zittau. Blutkrankheiten, Bakteriologie der inneren Me­ dizin, Röntgendiagnostik, Unfallkrankheiten. – Mi­ litär: 1900/01 Assistenzarzt IR 130, 1903 OA d. R., abkommandiert zur Bekämpfung der Typhusepidemie in Metz, für bes. Verdienste Ritterkreuz des bayr. Mili­ tärverdienstordens. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 144, 278, 284–287; Bd. III, 31; ebd. 51 (1910 An­ trag ao. Prof.); BLÄF I, 774; Kreuter 723; Heuer/Wolf 1997, 219. Klieneberger, Otto, Medizin, Psychiatrie * 6. 3. 1879 Frankfurt/M. † 1954 Bolivien V. s. Carl Kl.; jüd. (O. Kl. ev. getauft nach Promotion). – 1897 G Frankfurt, med. Stud. Marburg, FWU, Straßburg, München, Prom. ebd. 1. 7. 1904: Der Mur­ phyknopf mit Berücksichtigung seiner Brauchbarkeit, div. Assistenzen, u. a. 1905–1907 Univ. Nerven­Klinik Greifswald (E. Schultze), 1. 5. 1907 Assist. Univ.­ Nerven­Klinik Breslau (Bonhoeffer), 1. 2. 1912 Assist. Univ. Nervenklinik AUK (E. Meyer), 21. 3. 1912 Ha­ bil. f. Psychiatrie und Neurologie ebd. aufgrund der Studie: Zur differentialdiagnostischen Bedeutung der Lumbalpunktion und der Serodiagnostik, 1. 5. 1913 Umhabil. Göttingen, Assist. u. OA Nervenklinik (Ernst Schultze), 1. 5. 1915 Rückkehr als OA an die Königsberger Nervenklinik (Meyer), 1921 nb. ao. Prof. ebd., 1921 unbesold. LA f. Kriminalpsychopathologie, 31. 3. 1926 ausgeschieden, 1. 8. 1927 Mitglied gericht­ särzt. Ausschuß f. die Provinz Ostpreußen, Nieder­ lassung als Nervenarzt in Königsberg. – Bis 1914 fast

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ausschließlich Arbeiten zu organisch bedingten Gei­ stestesstörungen (1914: Über Pubertät und Psychopa­ thie, 1927: Psyche und innere Sekretion), nach 1918 kritische Auseinandersetzung mit Christian Science, Okkultismus, Homosexualität als „Krankheit“ sowie gutachterlich zur „Rentenpsychose“. – Politisch: Lt. eigner Angabe (HLK um 1935) nie einer Partei, Loge, Sekte angehört, aber „immer im vaterländischen Sinne betätigt, von allen Parteien, nachweislich bereits im Jahre 1925, die NSDAP unterstützt“; nach 1933 RLB, mit Genehmigung Präsidum RLB wg. bes. „Verdienste um die vaterländische Gesinnung“, nach eigener Aus­ kunft bei Bewerbungen vor 1933 (1924 bei der Wahl des ärztl. Direktors Bürgerhospital Stuttgart, 1926 an 2. Stelle Liste f. ord. Prof. Halle) „durch Linke benach­ teiligt“, 30. 9. 1935 aufgrund jüdischer Herkunft venia entzogen, 1938 Emigration. – Militär: Wehrdienst 1899, 1903/04, 1907 OA d. R., 1914/15 Stabsarzt d. R. in einem bayr. Feldlazarett, Westfront (Lothringen, Ypern, frz. Flandern), 1915/16 Bataillonsarzt im bayr. IR 5, 15. 9. 1916–9. 1. 1918 Kriegsgef., Jan.–Nov. 1918 Res. Lazarett Würzburg; während der Sommeschlacht im Sept. 1916 verwundet in Gefangenschaft geraten; EK I, schw. Verw.abzeichen, will während der brit. Ge­ fangenschaft Marineoffizieren „durch Belehrung betr. Simulation geistiger Störungen“ vorzeitigen Austausch und Wiederverwendung an der Front ermöglicht ha­ ben. – oo 1922 Else Odebrecht (1889–, „arisch“), 2 S, 1 T (1923–1927). BABL, R 4901, 13268/5085; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III; Kreuter 724; Heuer/ Wolf 1997, 219. Klinger, Heinrich, Chemie * 26. 10. 1853 Leipzig † 1. 3. 1945 Gr. Steegen b. Pr. Eylau (auf der Flucht) V.: Louis K. (1818–1896), Seifensieder, M.: Auguste Richter (1820–1904), ev., Bruder: Max Klinger (1857– 1920), Graphiker, Bildhauer. – Naturw. Stud. Leip­ zig, Bonn 1870–1875, Prom. Göttingen 13. 1. 1875: Ueber die Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Phenyloxaminsäureäthyläther und Paratolyloxamin­ säureäthyläther (R.: O. Wallach), 1876–1889 Assist. Chem. Inst. Bonn (Kekulé), Habil. f. Chemie ebd. 19. 11. 1878, 1889–1895 ebd. Ltr. Pharmazeut. Appa­ rates, WS. 1895/96–1902 b. ao. Prof. f. Pharmazie u. Direktor Pharm.­chem. Institut AUK (Ersatz Spirga­ tis), 1903–1922 ebd. oö. Prof. f. Chemie (Nf. Lossen). – Bearbeiter des Lehrbuchs von v. Richter ‚Organische Chemie‘ (7.–13. Aufl. 1893–1912), und ‚Anorga­ nische Chemie‘ (10.–13. Aufl. 1899–1921). „Sein ver­ gleichsweise kleines wissenschaftliche Oeuvre umfaßt 35 Publikationen über organische Thioverbindungen,

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Pharmazeutika und ihre Vorstufen sowie chemische Re­ aktionen im Sonnenlicht.“ (APB) – GRR. GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 45, Bd. VII, 57 (Habil.); ebd., XX. HA, Rep. 99c, Ord. 50; Wenig 151; APB 1617. Klöpper, Albert, Theologie, Neutestamentliche Exegese * 20. 3. 1828 Weitenhagen bei Greifswald † 27. 11. 1905 Königsberg V.: Friedrich Wilhelm K. (1802–1862), Pastor, M.: geb. Parow, ev. – Theol. u. philol. Stud. Greifswald, FWU, 29. 10. 1853 Lic. Prom. Greifswald: De origine epistolarum ad Ephesios et Colossenses. 24. 10. 1855 Habil. für neutestamentliche Wissenschaft und Exe­ gese ebd., PD ebd. bis 1858, Umhabil. zur FWU, 1866 nach Königsberg zunächst als Kustos UBK, 28. 4. 1875 b. ao. Prof. AUK, 1882 Dr. h. c. TheolFak ebd., um 1883 beginnende Erblindung. Wissenschaftlich fast ausschließlich als Kommentator der Briefe des Apostels Paulus hervorgetreten. Mit­Hg. Theologische Skizzen und Studien aus Ostpreußen (1887–1889). GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 4–21; Weisfert 123; Chronik AUK 1905/06, 9; APB 1617. Knoke, Paul, Bürgerliches und Römisches Recht * 27. 8. 1874 Wunstorf † nicht ermittelt V.: Karl K. (1841–1920), ab 1882 Prof. f. prak. Theo­ logie Göttingen, 1904 zugleich Abt von Bursfelde, M.: Paula Brackebusch, ev. – 1894 G Göttingen, rechtsw. Studium Heidelberg, Göttingen, Prom. ebd. 1895: Hi­ storisch­dogmatische Untersuchung der Verwendung weltlicher Strafen gegen Leben, Leib, Vermögen, Frei­ heit und bürgerliche Ehre im kirchlichen Strafrecht der katholischen Kirche während der vorgratianischen Zeit. 1899 Gerichtsassessor, Habil. f. Bürgerliches u. Röm. Recht Göttingen 1901: Das Recht der Gesellschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902–1904 Prinzenerzieher von Georg Wil­ helm von Braunschweig­Lüneburg, SS. 1904 nb. ao. Prof. f. Bürg. Recht AUK (auf Remunerationsbasis, in­ terim. Vertretung v. Blume), 1905 b. ao. Prof. ebd. (Nf. Manigk), 4. 8. 1913 ord. Hon. Prof. ebd., 2. 11. 1914 pers. Ord. f. Röm. u. Bürg. Recht ebd., SS. 1915 be­ urlaubt für juristische Vorträge für den Herzog von Braunschweig (Schwiegersohn Kaiser Wilhelms II.), 1916 Chef der obersten Verwaltung des Herzogs von Braunschweig, nach 1918 Chef der Verwaltung des Gesamthauses Braunschweig­Lüneburg. – Bis 1909 absorpiert durch das Register für Iherings Jahrbuch, seit 1910 Mitarbeiter des Planck’schen Kommentars zum BGB. – ooElisabeth, geb. Knoke, 4 K.

GStA, Rep. 76Va, Sek. 11. Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, 233, 269; Bd. VI, 390 ; Bd. VII, 12–14; ebd. Rep. 89, Nr. 21664, 10; RHB I, 958 (P); Ebel 1962, 69. Kochendörffer, Karl, Bibliothekar, UBK * 16. 5. 1857 Kassel † 14. 8. 1910 Marburg V.: N. N., Jurist, Konsistorialassessor, M.: geb. Dap­ ping, ev. – 1875 G Kassel, germ. Stud. FWU, Straß­ burg, 1880 Prom. ebd. mit der Edition: Die Kindheit Jesu von Konrad von Fussesbrunnen, 15. 3. 1881 Hilfs­ arbeiter LB Kassel, 1882 Assistent ebd., 1. 1. 1886 ao. Hilfsarbeiter Paul. Bibl. Münster, 1. 7. 1886 Kustos ebd., 1. 11. 1887 III. Kustos UB Kiel, 1. 8. 1891 Mar­ burg, 1. 10. 1899 Oberbibliothekar UBK (Nf. Rauten­ berg), 1905 sechsmonatige Kur infolge „Nervenerkran­ kung“, 1. 10. 1906 UB Marburg, 1. 10. 1907 beurlaubt, 31. 3. 1909 i. R., 30. 3. 1909 Tit. Prof. In Königsberg Studium von Handschriften zur Deutschordenslitera­ tur, daraus die Edition von ‚Tilos von Kulm Gedicht Von siben Ingesigeln‘ (1910), zum Bibliothekswesen 1901: Buchhandel und Pflichtexemplare, sowie Auf­ sätze zur Organisation und Verwaltung von Bibliothe­ ken in den Grenzboten, PrJb, Zbl. f. Bibliothekswesen. Volbehr/Weyl 263; E. Schröder 1939. Kohlrausch, Eduard, Rechtswissenschaften, Straf­ u. Strafprozeßrecht * 4. 2. 1874 Darmstadt † 22. 1. 1948 Berlin V.: Friedrich K. (1840–1910), Prof. d. Physik, Präsident der Physik.­Techn. Reichsanstalt, M.: Hermine Schil­ ling, ev. – Jur. Stud. Straßburg, Leipzig, FWU, 1897 StE, 1898 Prom. Greifswald: Zur prozessualen Behand­ lung der Idealkonkurrenz, 1899–1902 Assist. F. v. Liszt in Halle u. Berlin, 1902 Habil. Heidelberg: Irrtum und Schuldbegriff im Strafrecht (R.: v. Lilienthal), SS. 1903 b. ao. Prof. AUK (Nf. Rosenfeld), WS. 1906/07 oö. Prof. ebd. (Nf. Güterbock), SS. 1913 Straßburg, 1919 FWU (Nf. v. Liszt), Rektor 1932/33, Mai 1933 Rück­ tritt. – 1905 Mit­Hg. ZStW, 1922 geschäftsführ. Hg., nach 1918 Schriftführer Dt. Landesgruppe Internat. Kriminalistische Vereinigung, 1931 Vorsitzender, kri­ minalpolit. Engagement während der Weimarer Zeit, bes. Reform des Jugendstrafrechts, Verfechter eines am Gedanken der Resozialisierung des Täters orien­ tierten Strafbegriffs, dogmatisch und methodisch dem südwestdt. Neukantianismus verpflichtet. – Politisch: 1933 SAR (Stahlhelm), April 1933 Rücktritt vom Rek­ toramt der FWU, da ihm „Vertrauen“ der NS­Studen­ tenschaft fehlte, gleichwohl wird K. ein Anteil an der „Nazifizierung“ der Berliner Universität angelastet (v. Loesch). – Militär: 1914/15 Hpt. d. Lwr. II, 1917/18 Generalstab Feldheer, EK II. – oo 1902 Helene Carl

Catalogus Professorum (1877–1971), Tochter des ORR Theodor Ernst C., Di­ rektor Verkehrssteuern in der Verwaltung des Reichs­ landes Elsaß­Lothringen (gest. 1905), 3 T, 1 S. BABL, R 4901, 13268/5299; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V+VI; RHBI, 981 (P); FL 248; NDB XII, 429 f.; v. Loesch 1999, 161–167; Karitzky 2003. Koken, Ernst von, Geologie, Paläontologie * 29. 5. 1860 Braunschweig † 21. 11. 1912 Tübingen V.: Hermann K. (1819–1908), Kreisdirektor, M.: Anna Steinacker (1829–1889), ev. – Bis 1879 G Holzmin­ den, 1879/80 chem.­phys. Stud. Göttingen, Abitur G Göttingen 1880, Fortsetzung des naturw. Studiums ebd., Mineralogie u. Geologie bei v. Seebach, 1882 Zürich (bei dem „Alpengeologen“ Albert Heim), ab WS. 1882/83 FWU (Beyrich, Dames), umfassende Untersuchungen an rezenten Fischen, 1884 Prom. ebd.: Die Fischotolithen der norddeutschen Oligocän­ ablagerungen nebst Bemerkungen über Otolithen im allgemeinen, Assist. Geol. Inst. (Beyrich), 1884–1887 aushilfsweise Betreuung Geol.­min. Sammlung Natur­ kunde­Museum Berlin, Habil. f. Geologie u. Paläonto­ logie FWU 1888: Die Dinosaurier, Krokodiliden und Sauropterygier des norddeutschen Wealden, 1. 4. 1888 Assistent Geol. Slg. Museum Berlin, Schwerpunkt Paläontologie, Entwicklungsgeschichte der Säugetier­ fauna, Systematik der Gastropoden, SS. 1891 ord. Prof. AUK (Nf. Branco), Betreuung des Neubaus und Neueinrichtung des Instituts, SS. 1895 Tübingen (Nf. Branco), AV: Die Eiszeit, 1907/08 Rektor. – Paläonto­ logische u. geologische Forschungen, im Mittelpunkt Fischotolithen Norddeutschlands, Saurier der norddt. Kreideformation, Säugetiere Chinas, Gastropoden des Paläozoikums und des Trias, permische Eiszeit, Dilu­ vialgeologie. In Tübingen häufig über „Urgeschichte des Menschen“ gelesen. 1902/03 mit → F. Noetling Expedition ins Salt­Range­Gebirge (nördl. Vorderin­ dien). Skeptische Reserve gegenüber Darwin und der „Deszendenzlehre“. Beide Hauptwerke in Königsberg entstanden: Die Vorwelt und ihre Entwicklungsge­ schichte (1893), Die Leitfossilien (1896). – 1906 Ruf nach Straßburg abgelehnt, 1907 pers. Adel. – oo 1891 Agnes Schroeder aus Holzminden (in NDB fälschlich: „ledig“). GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 30–32; Weisfert 126; v. Huene 1912 (Bibl., P); NDB XII, 438; Jarck/Scheel 1996, 337 f. Koschwitz, Eduard, Romanische Philologie * 7. 10. 1851 Breslau † 14. 5. 1904 Königsberg

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V.: Otto K., M.: Bertha Springer, kath. – 1871 Mat­ thiasG Breslau, 1871–1875 klass. u. neuere Philol. Breslau, Prom. ebd. 7. 4. 1875: Über die Chanson du Voyage de Charlemagne à Jerusalem et à Constanti­ nople; StE 7. 7. 1876, Hilfslehrer an Gymnasien in Breslau, Görlitz, Straßburg. Habil. f. roman. Philologie 9. 6. 1877 Straßburg, PD u. 1879/80 auch Hilfslehrer am Kais. Lyzeum ebd., Ende 1880 Umhabil. Akademie Münster, 2–5/1881 Lehrstuhlvertretung Stimming in Kiel, SS. 1881 ord. Prof. Greifswald, dort 1894/95 Rektor, 1. 4. 1896 Marburg, SS. 1901 zur Studienreise nach Frankreich beurlaubt, zum WS. 1902/03 oö. Prof. für romanische Philologie AUK (Nf. Kissner). Arbeiten zur Spiegelung des Krieges von 1870/71 in der frz. Literatur bzw. über ‚Französische Volksstim­ mungen während des Krieges 1870/71‘ (1893), wäh­ rend der Marburger Zeit Hinwendung zur neuproven­ zalischen Dichtung der „Feliber“, deren Vereinigung, befreundet mit F. Mistral, K. selbst angehörte. 1879 Begründer der Zeitschrift für neufranzösische Sprache und Literatur sowie mit Kaluza u. Thurau 1902 der Zeitschrift für französischen und englischen Unterricht. Schon in Greifswald Organisator von Ferienkursen, in Königsberg ab 1903 Fortbildungskurse für Oberlehrer u. Volksschullehrer/­innen in Ostpreußen. – Politisch: August 1889–März 1890 Mitglied des bürgerschaft­ lichen Kollegiums der Stadt Greifswald (Konservative Partei). Aktive Teilnahme am kommunalen Leben, in Königsberg Gründung eines Fremdenverkehrsvereins. Langjährige verbissene Polemik gg. die „Sprachmei­ ster“, d. h. Reduktion der Romanistik auf Spracherwerb zu praktischen Zwecken, Verteidigung der kulturwis­ senschaftlichen Fundierung des Faches. – 1903 GRR, 1893 Sòci dou Félibrige. – oo 1883 Minna Thiemann (1865–?) aus Görlitz. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 72 (72 Br. an Althoff, 1883–1904); Kaluza/Thurau 1904 (P, Bibl.); Chro­ nik AUK 1904/05, 8 f.; APB 357; Gundlach 406 f.; KBB 67, 2006, 8–13; NDB XII, 611. Kowalewski, Arnold, Philosophie * 27. 11. 1873 Sallewen/Kr. Osterode † 16. 11. 1945 Kirchhain Doberlug V.: Leonhard Julius K. (1848–1929), Seminarlehrer, Maria Pommerening (1837–1926), ev. – G Graudenz 1891, 1892–1897 philol.­nw.­math. Stud. Jena, FWU, Greifswald AUK, 30. 3. 1897 Prom. Greifswald: Kri­ tische Analyse von Arthur Colliers Clavis universalis, 1897 psychol. Studien Leipzig (W. Wundt), 6. 3. 1899 Habil. f. Philosophie AUK: Prodromos einer Kritik der erkenntnistheoretischen Vernunft und: Über das Kausalitätsproblem, AV: Begriff und Bedeutung der immanenten Philosophie; Lehrstuhlvertretung Bres­ lau 1906/07, AUK 1907/08, Tit. Prof. 9. 4. 1908,

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LA f. Religionsphilosophie 11. 10. 1920, nb. ao. Prof. 31. 8. 1921, 2. 2. 1934 LA f. ostpr. Geistesgeschichte zusätzl. zu LA Religionsphilosophie. Lt. Vermerk Kurator Hoffmann v. 24. 6. 1946 legte K. als vermö­ gender PD keinen Wert auf Anstellung oder Berufung. Nach erheblichen Finanzverlusten nach 1918 jedoch 1933 Antrag auf beamtetes Extraord. gestellt, von REM abgelehnt, da 1938/39 bereits 65. Lebensjahr erreicht. Verstorben an Unterernährung, nach dem kriegsbedingten Umzug in die Lausitz im Herbst 1944. – Arbeiten zu Kant, Schopenhauer, ‚Moltke als Philo­ soph‘ (1905), Hauptwerk 1930: ‚Die Harmonie der sittlichen Werte‘. Bemüht um Synthese naturwissen­ schaftlichen und christlich­religiösen Orientierungs­ wissens. 1944/45 im Auftrag der Stadt Königsberg an einer „Volksausgabe“ der Werke Kants arbeitend, nach­ dem es ihm gelungen war, bis zum Januar 1945 noch 1.000 Bände seiner Kantiana­Bibliothek aus Königs­ berg herauszuschaffen und ab Mai 1945 im Pfarrhaus Friedersdorf bei Doberlug, bei einem Enkel des Ober­ hofpredigers R. Kögel unterzubringen, von wo sie 1949 nach Bonn gelangten. – 1900 Mitglied KglDG, kor­ resp. Mitglied Danziger Philos. Gesellschaft, Mitglied wiss. Beirat Schopenhauer­Gesellschaft, Mitgründer OG Kant­Gesellschaft Königsberg, 1924 Verleihung Kant­Gedenkmünze vom Magistrat. – Politisch: Vor 1918 Mitglied des Ostmarkenvereins, bis Dez. 1918 Freikonservative Partei, dann keiner Partei angeschlos­ sen, weil keine von ihnen „echte Volksverbundenheit“ zeigte, unterzeichnete das vom „Rektor der Jenaer Uni­ versität vor der entscheidenden Märzwahl aufgesetzte Bekenntnis zur Hitler­Regierung“, seit 1933 BDO, 1. 8. 1933 NSLB. – Militär: Juni/Juli Landsturm 1917, 1. 8. 1918. – 5. 1. 1919 Rekrutendepot, Armee Ers. Bat. I. AK, Armierungs­Batterie Königsberg. – oo1924 Eli­ sabeth Mäetzke (1899–1986), Jugendleiterin, Leiterin der Frauenberufsschule Königsberg, 1 T Sabina Laetitia (1928–), Prof. f. Kinderheilkunde Bonn, 1 S Guntram (1932–1988). BABL, R 4901, 13269/5381; GStA, XX. HA, Rep. 99c, Ord. 51; Wilck 1899; Deutschlands Gelehrte 1910, 422 (P); APB 1622 f. Krauske, Otto, Mittlere u. Neuere Geschichte * 16. 10. 1859 Potsdam † 8. 8. 1930 Königsberg. V.: Friedrich K. (gest. vor 1870), Apotheker, M.: Ottilie Dippold, ev. – 1879 G Potsdam, jur. Studium Heidel­ berg, dort „wirksamster Einfluß auf meine innere Ent­ wicklung“ durch den Philosophen Kuno Fischer, 1880 mit dem Wechsel der Universität auch Übergang zur Geschichte: FWU (im Seminar Mommsens, bei Droy­ sen, „als Lehrer noch weit eindrucksvoller wie als Schriftsteller“, Schmoller, bei dem ihm die „Bedeutung

des inneren Staatslebens recht aufgegangen“ sei, und Koser; nach APB auch „tief beeindruckt“ vom greisen Ranke, den er in seiner Habil.­Vita mit keinem Wort erwähnt, ebensowenig wie seinen Doktorvater v. Treitschke!), 25. 7. 1884 Prom. ebd.: Die Entwick­ lung der ständigen Diplomatie vom fünfzehnten Jahr­ hundert bis zu den Beschlüssen von 1815 und 1818 (R.: v. Treitschke, dies der Titel der Druckfassung). 1885 Mitarbeiter PrAkW, Herausgabe der von Koser begonnenen monumentalen Edition der Preuß. Staats­ schriften aus der Zeit Friedrich des Großen (Bd. III 1891; danach wurde das Mammutprojekt beerdigt), gleichzeitig von der Akademie abgeordnet, Albert Naudé zu unterstützen bei der Edition der ‚Politischen Korrespondenz‘ Friedrichs des Großen (Bd. 13 u. 14), 1888 Mitarbeit Acta Borussica, Abt. I Behördenorgani­ sation …, 1701–1714 (2 Bde. mit Schmoller, 1894, 1901); neben der Aktenfron bemüht, eigene For­ schungsschwerpunkte auszubilden: a) Einfluß Fried­ rich des Großen auf die deutsche Literatur, b) Die reli­ giöse Politik der Hohenzollern seit 1640. 30. 7. 1894 Habil. f. mittlere u. neuere Geschichte FWU: vermut­ lich aufgrund seiner Edition der preuß. Staatsschriften (1891), PV: Friedrich Wilhelm I. und Leopold von Anhalt­Dessau, AV: Karl XII. von Schweden. WS. 1895/96 b. ao. Prof. Göttingen, WS. 1902/03 oö. Prof. AUK (Nf. Prutz), Rektor 1911/12, 31. 3. 1925 em. – K. veröffentlichte wenig, blieb die von ihm er­ wartete Biographie Friedrich Wilhelms I. schuldig, Aufsätze vornehmlich zu preußischer Geschichte zwi­ schen 1640 und 1815. Ab 1902 Mitglied des Vereins für die Geschichte Ost­ u. Westpreußens, 1923 Mit­ initiator und erster Vorsitzender der Historischen Kommission für ost­ und westpr. Landesforschung. – Politisch: Nach Aussage von Max Friederichsen an Ta­ gespolitik nicht interessiert. Trotzdem: „Schwer litt K. unter dem unglücklichen Ausgange des Weltkrieges und seinen Folgen.“ Während des I. Weltkrieges viele Vorträge zur „geistigen Mobilmachung“. – Militärisch: 1914 für den Kriegsdienst zu alt, freiwillige Meldung für den Dienst in der Flüchtlingsauskunftsstelle des Vaterländischen Frauenvereins in Königsberg (Sept.– Dez. 1914). GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. X, 1–7 (Habil. 1893); ebd., VI. HA, Nl. Brackmann, Brw. 1913–1925; Chronik Univ. Göttingen 1894/95, 7; Zeitgenossenlexikon 1905, 800; KUK 1911/12 (P); Krauske 1919a+b; Schumacher 1930; Krollmann 1930; APB 363; Meinecke 1969. Kriegsmann, Hermann, Rechtswissenschaften, Straf­ recht, Strafprozeßrecht * 13. 6. 1882 Wandsbeck † 6. 9. 1914 Esternay, Westfront östl. Paris

Catalogus Professorum V.: Dr. Georg K. (gest. 1900), Gymn.prof., M.: Mar­ garete Beckmann, ev. – G Wandsbeck 1900, jur. Studium Bonn, Marburg, FWU, Kiel, Prom. ebd. 13. 10. 1903 ebd.: Wahnverbrechen und untauglicher Versuch. Ueber die Begriffe und deren Unterscheidung (R.: Liepmann), 7/1903 StE, 1904–1906 Referen­ dar, 12/1906 Habil. f. Strafrecht­ u. Strafprozeßrecht Kiel: Mittäterschaft und Raufhandel seit Feuerbach, venia 1912 auf Zivilprozeßrecht erweitert, SS. 1913 b. ao. Prof. f. Strafrecht u. Strafprozeßrecht AUK (Nf. Dohna), SS. 1914 oö. Prof. Tübingen. – Noch vor der Königsberger Berufung sich auf Gefängniskunde und die damit zs.hängenden kriminalpolitischen Fra­ gen konzentrierend. – Politisch: Als Student Deutsche Burschenschaft. – Militär: Wehrdienst Füsilier Reg. Sonderburg/Alsen 1903/04, 2. 8. 1914 an die West­ front als Lt. d. Res. im IR 76 (Hamburg), zum EK II vorgeschlagen. Vita Diss.; Goldschmidt 1914; Liepmann 1915; Volbehr/Weyl 63. Krollmann, Christian, Mittlere und Neuere Ge­ schichte * 11. 2. 1866 Bremen † 19. 7. 1944 Königsberg V.: Bodo K. (gest. 1891), Musiklehrer, M.: Wilhel­ mine Ebhardt, ev. – AltesG Bremen 1885, philos.­ philol. Stud. Marburg, München, Halle, nach dem Tod des Vaters freier Schriftsteller u. Erzieher in Berlin u. Bremen, 1894–1906 Gründer u. Schriftleiter Der Burgwart, Arbeiten zur Burgenkunde, Denkmalpflege, Lokalgeschichte, im Herbst 1902 Bibliothekar u. Ar­ chivar des Fürsten Dohna in Schlobitten, 11. 5. 1904 Prom. AUK: Die Begründung des Defensionswerks im Herzogtum Preußen unter dem Markgrafen Ge­ org Friedrich und dem Kurfürsten Joachim Friedrich, 27. 10. 1909 Habil. f. mittlere u. neuere Geschichte, PV: Die Politik des Hochmeisters Heinrich von Plauen gegen die preußischen Städte, AV: Die Entwicklung der preußischen Landeskunde im 16. Jahrhundert. 1909 Neubearbeitung von Karl Lohmeyers ‚Geschichte von Ost­ und Westpreußen‘, im SS. 1913 Rückgabe der venia. 1917 Stadtbibliothekar, 1924 Ltr. Stadtbi­ bliothek u. Stadtarchiv Königsberg, 1932 Ruhestand. Vorsitzender des Vereins für die Geschichte von West­ u. Ostpreußen 1926–1944, Mitbegründer der Histo­ rischen Kommission für ost­ u. westpreußische Lan­ desforschung (1923), 1922: Grundzüge der politischen Geschichte Altpreußens, Hauptwerk 1932: Politische Geschichte de Deutschen Ordens, ab 1935 Hg. der APB (Bd. I, 1941 abgeschlossen, 2. Lief. Bd. II 1943). – Politisch: vor 1914 Vorsitz. Wehrverein OG Königs­ berg, Mitglied Alldt. Verband, Vorsitzender der OG

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Königsberg ca. 1920–1930, Stadtverordneter DNVP. – oo Elisabeth von Waldow, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, 122–125; KHZ Nr. 146, 29. 3. 1932 (P); APB 984 f. Krückmann, Emil, Medizin, Augenheilkunde * 14. 5. 1865 Neukloster/Meckl. † 23. 6. 1944 Berlin V.: Dr. med., Sanitätsrat, M.: Anna Duge, ev. – Dom­ schule Güstrow 1883, med. Stud. München, FWU, Rostock, Göttingen, Approbation 1889 Rostock, Prom. 25. 11. 1890 Leipzig, 1890/91 prakt. Arzt, 1891–1894 Assist. Univ. Augenklinik Rostock (Rudolf Berlin), 1895–1897 Assist. Univ. Augenklinik Leipzig (H. Sattler), Mai 1896 ebd. Habil. f. Augenheilkunde: Experimentelle Untersuchungen über die Heilungsvor­ gänge von Lederhautwunden nebst einem Anhang über die infolge perforierender Verletzungen auftretende Netzhautdegeneration sowie über Netzhautpigmentie­ rung, PV: Zur Pathologie und Pathogenese der Stau­ ungspapille, 22. 3. 1901 nb. ao. Prof., SS. 1907 ord. Prof. f. Augenheilkunde u. Direktor Univ.­Augenlinik AUK (Nf. Kuhnt), hier vor allem „Lehrer und Arzt“, und wie Kuhnt immer noch in Anspruch genommen von der Bekämpfung der Granulose als „Volksseuche“ Ostpreußens, SS. 1912–1934 oö. Prof. f. Augenheil­ kunde u. Direktor Univ. Augen­ und Augenpoliklinik FWU (Nf. Julius v. Michel). – Forschungen über Ur­ sachen, Verhütung und Vererbung der Blindheit. Bei­ träge zum Hdb. d. ges. Augenheilkunde, 2. Aufl. 1908: Erkrankungen des Uveal­Traktus und des Glaskörpers u. zu Th. Axenfelds ‚Lehrbuch der Augenheilkunde‘ (1915: Erkrankungen der Uvea [Aderhaut des Auges]). – Militär: 1914–1918 „im Dienst von Volk und Heer“, Bemühungen um die Kriegsblindenfürsorge mit dem Ziel, die Berufs­ und Erwerbsmöglichkeiten der Kran­ ken zu erhalten. Berater des 1915 gegr. Vereins der blin­ den Akademiker Deutschlands, 11/1916 im Vorstand, Mit­Initiator der Marburger Blindenstudienanstalt. – oo1901 Gertrud Koehler, Leipzig, 2 T, 1 S Oluf (1904 –1984), 1933 Habil. f. Assyriologie Jena, b. ao. Prof. Freiburg 1949, ebd. oö. Prof. 1965. BABL, R 4901, 13269/5564; BLÄF II, 828; Strehl 1936 (P); Löhlein 1944 (P); R. Franz 1981, 122–127; Fahrenbach/Wiedemann 1996, S. 93 f. (P). Krüger, Paul, Rechtswissenschaft, Römisches Recht * 20. 3. 1840 Berlin † 11. 5. 1926 Bonn V.: August Kr., Tanzlehrer, ev.. – G Berlin 1858, jur. Stud. FWU Heydemann, Keller, Stahl, Gneist, 9. 3. 1861 Prom. ebd.: De temporum computatione Romanorum, StE u. prakt. Ausbildung, aus Justiz­ dienst 1866 ausgeschieden, 27. 7. 1864 Habil. Bonn:

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Prozessualische Konsumption und Rechtskraft des Erkenntnisses. 1867–1870 Studienreisen nach Ita­ lien, Frankreich, England, finanziert durch Savigny­ Stipendium, Vorbereitung der Ausgabe des Codex Justinianus und Codex Theodosianus (von Kr. nur dilatorisch behandelt, 1898 von Mommsen übernom­ men). WS. 1870/71 b. ao. Prof. Marburg, 1871 ord. Prof. ebd., WS. 1872/73 Innsbruck, SS. 1874 AUK, 1883/84 Prorektor, WS. 1888/89 Bonn, em. 1919. – Durch Th. Mommsen angeregt zu Vorarbeiten für krit. Ed. Codex Iustinianus u. Iust. Institutionen (zuerst 1867), 1869 mit Mommsen: Ed. Corpus Iuris Civi­ lis (13. Aufl. 1920), 1873–1877 Ed. Codex Iustinia­ nus, 5 Bde. „Hauptschaffensperiode 1860 bis 1880“, 1888 noch: Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts (2. Aufl. 1912; Schulz: „unentbehr­ liches Handwerkszeug für jede romanistische Arbeit“, aber abgehandelt mit einer „eigentümlich trockenen Nüchternheit“, „literaturgeschichtliche Einzelfragen stehen im Vordergrunde“). – 1890 GJR, Dr. phil. h. c. AUK 1910. – oo 1881 Helene Marquardt aus Stettin, 4 S (drei im I. WK gefallen). GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 103 I (48 Br. an Althoff, 1880–1905); Weisfert 130; Krüger 1925 (P); Fr. Schulz 1927 (Bibl.); Wenig 164; APB 1843 f. Kruse, Walther, Medizin, Hygiene, Bakteriologie * 8. 9. 1864 Berlin † 1. 9. 1943 Leipzig V.: Friedrich Kr., Dr. phil., Gymn.Prof., M.: Emme­ line Noelte, ev. – 1882 WilhelmsG Berlin, 1882–1887 med. Stud. FWU, Freiburg, Schüler Virchows, 1885– 1888 dessen Famulus, Prom. FWU 28. 3. 1888: Über Stäbchensäume an Epithelzellen, 1889–1892 Ltr. Bak­ teriol. Labor Zool. Station Neapel, Herbst 1892 Dy­ senterieexpedition Ägypten, 1893 Assist. Hyg. Inst. Breslau (Flügge), 1. 1. 1894 Vorstand Bakt. Abt. Hyg. Inst. Bonn, Habil. f. Bakteriologie Bonn 2. 3. 1894, Tit. Prof. 1897, 1898 ao. Prof., SS. 1909 oö. Prof. f. Hygi­ ene u. Bakteriologie AUK (Nf. Pfeiffer), WS. 1911/12 Bonn, SS. 1913 Leipzig, 31. 3. 1934 em. – Protozoen­ studien, Bakteriologie der Darmaffektionen, entdeckte 1900 den Ruhrbazillus, nach 1918 Sozial­ u. Rassenhy­ giene, med. Hauptwerk 1910: Allgemeine Mikrobiolo­ gie; als sein „rassenhygienisches“ opus magnum muß gelten das 600 Seiten aufbietende: ‚Die Deutschen und ihre Nachbarvölker‘, 1929. – RA IV 1912, GMR 1918. – Politisch: Bis 1914 Nationalliberale Partei, 1917/18 Dt. Vaterlandspartei, ab Ende 1918 DVP, „wählte dann immer rechts und kämpfte gegen Schwarz, Rot u. Gold“; „war in meiner Fakultät bekannt als strammer Antisemit, gab dem deutschen Rassenstandpunkt auch Ausdruck auf den Versammlungen des Deutschen Ver­ eins für öffentliche Gesundheitspflege und in meinem

Buch ‚Die Deutschen und ihre Nachbarvölker‘“(HLK, dort unter „Bemerkungen“ die s. E. zu vorzeitige Eme­ ritierung beklagend: „Ich verstehe nicht, daß ein Mann mit meinen Leistungen und mit meiner Gesinnung von der Mitarbeit am neuen Reich ausgeschlossen wird.“). Sympathisant der „rassenhygienischen“ Bewe­ gung, aus Sicht der Leipziger SPD­Presse Exponent der „Völkischen“ in der MedFak. Nach eigenen Angaben (HLK, um 1935) Schwerpunkte: „Anthropologie u. Rassenkunde, Rassenhygiene u. Bevölkerungspolitik“. – Militär: Dienstuntauglich, 1914–1918 Berat. Hygi­ eniker des Leipziger A. K., „stellte für das Heer riesige Mengen von Impfstoffen gegen Typhus und Cholera usw.“ her, dafür 1916 Sächs. KVK, 1917 Ritter I. Kl. Sächs. Verdienstord. – oo I. 1909 Emmi Laege, 1 T, II. 1913 Elisabeth Rickert (1881–; kath.), 1 S, 1 T. BABL, R 4901, 13269/5589; BLÄF II, 829 f.; We­ nig 164 f.; Kästner/Thom 1990, 147 ff. (P). Krzywicki, Casimir von, Medizin, Hals­ u. Ohren­ heilkunde * 10. 5. 1860 St. Petersburg † 23. 7. 1901 Lankwitz/Berlin V.: Dr. iur. et phil. Casimir v. K. (gest. 1888), Kaiserl. russ. Generaldirektor der Regierungskommission für Kultus und öff. Unterricht im Königreich Polen, M.: Antonie Wilder, kath. – 1879 G Dresden (dort seit 1864), med. Stud. Leipzig, Heidelberg, Prom. Leip­ zig 1884: Über luetische Gelenkentzündungen, 1884 StE, 1884/85 Schiffsarzt Hamburg­Südamerika­Linie, 1885/89 Assist. StädtKHS Dresden, 1890 Studien bei Pasteur in Paris u. Koch in Berlin, 1890/91 Assist. Path. Inst. Breslau, 1891/92 Laryng. Klinik Fraenkel Berlin, 1. 4. 1892 Assist. HNO­Klinik AUK (Ber­ thold), 11. 7. 1892 Habil. f. Hals­ u. Ohrenheilkunde. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 228 f.; Weisfert 131. Kühl, Ernst, Theologie, Neutestamentliche Exegese * 1861 Wisbuhr/Köslin (Pommern) † 9. 6. 1918 Arosa V.: Karl K., Landschullehrer, M.: Therese Barz, ev. – G Köslin 1878, theol. Stud. FWU, 2. 8. 1882 Prom. Dr. phil. Halle: Ueber das Verhältniß der Septuaginta zum massoretischen Text im Jeremia. 1882/83 archäol. Stu­ dienreise Rom, 23. 7. 1885 Lic. Breslau: Die Gemein­ deordnung in den Pastoralbriefen. Habil. 30. 10. 1885 ebd., 16. 4. 1887 nb. ao. Prof., 1. 10. 1884–1893 In­ spektor des Studentenkonvikts Johanneum Breslau, seit 1891 auch Musiklehrer Inst. f. Kirchenmusik, 1. 4. 1893 ord. Prof. Marburg (Nf. Heinrici), 1. 4. 1895 AUK (Nf. Grau), 1. 10. 1900–1910 Ltr. Kypkeaneum Königsberg. – Hauptwerke: Die Heilsbedeutung des Todes Christi (1890); Die Briefe Petri und Judae, krit.­

Catalogus Professorum exeg. Kommentar (1897); Das Selbstbewußtsein Jesu (1907); Der Brief des Paulus an die Römer (1913). – 1895 Dr. theol. h. c. Breslau. – 1913 GKR. – oo 1887 Dorothea Erdmann, Tochter des schles. Generalsuper­ int. David Erdmann, 1860–1863 Prof. f. Theologie AUK, 1 S. Weisfert 131; Chronik Univ. Göttingen 1910, 16; Gundlach 53 f.; APB 1422. Kuhnert, Ernst, Bibliothekar, UBK * 23. 8. 1862 Rosenberg/Westpr. † 23. 11. 1952 Göttingen V.: Rudolf K., Apotheker, M.: Ida Lange, ev. – FC 1871–1880, hist.­philol.­archäol. Stud. AUK, 1883 Prom. ebd.: De cura statuarum apud Graecos (sei­ nem Lehrer G. Hirschfeld gewidmet), 1883/84 FWU, 1884 StE, 1. 9. 1885 Volontär Altes Museum Ber­ lin, 1. 4. 1886/87 Schuldienst, Hilfslehrer KneipG, 15. 4. 1887 Volontär UBK, 1. 10. 1890 Assistent UB Marburg, 1. 4. 1895 Bibliotheksassist. UBK (Nf. Reicke jr.), 1. 4. 1905 stellv. Direktor UB Greifswald, 1906 ebd. Oberbibliothekar und 1908 Direktor, 1. 4. 1921 Erster Direktor Preuß. Staatsbibliothek Berlin (Nf. Schwenke), 31. 3. 1929 Ruhestand. Historiker der UBK, erster und einziger Band: ‚Geschichte der Staats­ u. Universitätsbibliothek zu Königsberg. Von ihrer Be­ gründung bis zum Jahre 1810‘ (1926), dafür 1929 mit der Kant­Plakette der Stadt Königsberg ausgezeichnet. – 1917 GRR, 1942 Goethe­Medaille für Kunst und Wissenschaft. – oo1895 Else Sommer, Tochter des Prof. f. AT J. G. → S., mindestens 1 S, Hellmut, Kurator der Univ. Greifswald. Weisfert 131 f.; APB 985 f. ; Tautz 1953, 125–130; Habermann, 177 f.; DBE VI, 162. Kuhnt, Hermann, Medizin, Augenheilkunde * 14. 4. 1850 Senftenberg † 31. 10. 1925 Bonn G Cottbus 1870, med. Stud. Bonn (Max Schultze), FWU, Würzburg, Prom. ebd. 1874, Prosektor Rostock (→ F. Merkel), Assistent Univ.­Augenklinik Heidelberg (Otto Becker), 1879 Habil. f. Augenheilkunde ebd.: Zur Kenntnis des Sehnerven und der Netzhaut (Becker gewidmet), 1880 Umhabil. Jena, Studienaufenthalt in Prag (Ewald Hering), 1881 b. ao. Prof., 1883 oö. Prof. ebd., WS. 1892/93 oö. Prof. f. Augenheilkunde AUK (Nf. v. Hippel), für 1907/08 zum Rektor gewählt, SS. 1907–1921 oö. Prof. Bonn (Nf. Th. Saemisch). – 1883: Beiträge zur operativen Augenheilkunde, 1898 Erfahrungsbericht über die operative Behandlung der Körnerkrankheit in Ostpreußen, einer „Volksseuche“, 1899 mit Julius v. Michel Gründer u. Hg. Zeitschrift für Augenheilkunde, dort von K. zahlreiche Arbeiten, fast ausschließlich zu operativen Themen, ersann ein

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Verfahren zur Radikaloperation der Stirnhöhle, galt als „Operateur von Weltruf“ (Reis). – Ritterkreuz I. Großhrzg. Sächs. Hausorden, 1894 RA IV, 1896 GMR. – Politisch: „ein glühender Patriot und Roya­ list durch und durch“, 1918 tief getroffen vom Aus­ gang des Krieges und vom „Umsturz“ (Reis). – Militär: Kriegsfreiwilliger 1870, Garde­Füs.­Reg., Teilnahme an Belagerung von Paris, 1914–1918 Leiter seiner zum Lazarett umgewandelten Bonner Klinik, 1923 im ,Handbuch über ärztliche Erfahrungen des Welt­ krieges‘ ein Beitrag über plastische Operationen bei Augen­Verwundeten. – oo 1883 Therese v. Stichling, Tochter eines sächs. Staatsministers, Urenkelin Her­ ders, 2 S, darunter Joachim (1889–1928), Germanist, Bibliothekar UB Bonn. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 58 f., 93 ff.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 106 (14 Br. an Althoff, 1890– 1902); Weisfert 132; Pagel 928 f.; Reis 1925 (P); Wenig 167; R. Franz 1981, S. 62–64. Kupffer, Karl Wilhelm von, Medizin, Anatomie * 14. 11. 1829 Lesten/Kurland † 16. 12. 1902 München V.: Karl Hermann K. (1797–1860), Pastor, M.: Hen­ riette Andreä (gest. 1895), ev. – 1848 G Dorpat, med. Stud. ebd. (Fr. v. Bidder), 1854 Prom. ebd.: De me­ dullae spinalis textura in ranis ratione imprimis habita indolis substantiae cinereae [Über den Bau des Rücken­ markes beim Frosch]. 1854/55 Landarzt in Kurland, 1856/57 Studienreise, physiologische Studien in Wien (Brücke, Ludwig), Berlin (Du Bois­Reymond, J. Mül­ ler), Göttingen (Wagner), 1858–1866 Prosektor u. nb. ao. Prof. Dorpat, 1866 Habil. f. Histologie Kiel: Ueber das Faltenblatt an den Embryonen der Gattung Chironomus, WS. 1867/68 ord. Prof. f. Anatomie ebd., 1872–74 Rektor, SS. 1876 AUK (Nf. A. Müller), WS. 1880/81 München, 1901 em. – 1896 GR, pers. bayer. Adel. – Vgl. embryologische Studien schon in der Dorpater Zeit, Begründer der vgl. Entwicklungs­ geschichte (Untersuchungen über Knochenfische), erste Beschreibung des Feinbaus der Zelle mit der Strukturierung des Protoplasmas, Nachweis, daß Ner­ venfibrillen in Drüsenzellen endigen, Untersuchungen über den Feinbau der Leber. – Politisch: In Kiel 1866 pro­preußisch, deswegen wohl auch (vermutlich auf In­ tervention Bismarcks) berufen, da sein Amtsvorgänger Behn den Huldigungseid auf den preußischen König nicht leisten wollte und ein zusammen mit Kupffer vorgeschlagener Anatom ebenfalls anti­preußischer Gesinnung verdächtig war. „Der deutsche Kolonial­ verein verdankt ihm vieles“, Mitbegründer und lang­ jähriger Vorsitzender seines Münchener Zweigvereins. – oo 1869 Ida, verwitw. Goldmann (1831–1913), geb.

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Völkers (Schwester des Kieler Prof. f. Augenheilkunde Karl V., 1838–1914) , 1 S, 1 T. Pagel 930 f.; [Kupffer] 1903 (Bibl., P); Volbehr/Weyl 79 f.; NDB XIII, 319 f.; Kreuter 807 f. Kurschat, Friedrich, Lektor der litauischen Sprache * 24. 4. 1806 Noragehlen/Kr. Heinrichswalde † 23. 8. 1884 Seebad Cranz V.: Michael K., Kollaborator, M.: Busze Brukimin, ev. – Seit 1824 Volksschullehrer, 1834–1836 G Elbing, philol. Stud. AUK 1836–1840, 1841 Direktor des Li­ tauischen Seminars TheolFak AUK, 1844 hauptamtl. lit. Militärprediger in Königsberg, 1871 nb. ao. Prof., 1875 Dr. phil. h. c. – „Als preußischer Patriot hat sich K. der Kulturnotwendigkeit ergeben u. sein Leben der sittlichen u. religiösen Förderung seines dem Unter­ gang entgegengedrängten Volkes u. der Sicherung sei­ nes sprachlichen Erbes gewidmet“, „geistlicher Vater“ der ostpr. Litauer, bildete ihre Prediger aus, Seelsorger aller in Königsberg weilenden Volksgenossen, lit. Neu­ bearb. des NT 1865, 1870–1883 Lit. Wörterbuch, 1876 Lit. Grammatik (APB, Text um 1935). – ooLaura v. Hahnenfeldt, kinderlos. Weisfert 133; APB 376. Laband, Paul, Bürgerliches u. Deutsches Recht, Staats­ recht * 24. 5. 1838 Breslau † 23. 3. 1918 Straßburg V.: Ludwig L., Arzt, M.: Johanna Schnitzler, jüd. – Jur. Stud. Breslau, Heidelberg, Berlin, 1858 Prom. Bres­ lau, Habil. Heidelberg 1861 mit einer Arbeit über den Schwabenspiegel. 1864 b. ao. Prof. AUK (Nf. Hänel), 1866 ord. Prof. ebd. 21. 7. 1866 AV/Habil.: Jura Pru­ tenorum saeculo XIV condita, nunc primum e libris manuscriptis ed.; SS. 1872 ord. Prof. Straßburg. In Königsberg Übergang vom Zivil­ und Handelsrecht, Rechtsgeschichte zum Staatsrecht, 1870: Das Budget­ recht nach den Bestimmungen der preußischen Ver­ fassungsurkunde unter Berücksichtigung der Verfas­ sung des Norddeutschen Bundes: „klare politische Stellungnahme gegen das Budgetbewilligungsrecht der Volksvertretung“ (NDB). 1876–1882: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches (3 Bde.), „erste anerkannte wissenschaftliche Gesamtdarstellung des neuen Reichs­ staatsrechts“ (NDB), bis 1911 fünf Auflagen. Begrün­ der und Führer einer nach 1880 sich etablierenden neuen Staatsrechtswissenschaft, die den Grundsatz der juristischen „Methodenreinheit“ vertrat, d. h. das Staatsrecht unter Ausklammerung von politischen u. historischen Aspekten „rein juristisch“ interpretierte (NDB). – Mitglied des Staatsrats für Elsaß­Lothringen 1880–1911, 1911–1918 Mitglied der I. Kammer des

Landtags, rege Mitarbeit „an der politischen Entwick­ lung der Reichslande“ (NDB). Laband 1918; NDB XIII, 362 f. Lackner, Matthias, Theologie, Lektor der Litauischen Sprache * 24. 12. 1835 Nassawen/Kr. Stallupönen † 15. 3. 1926 Königsberg V.: (1801–1856), Schmiedemeister, M.: Marie Brand­ städter (1813–), beide Eltern Nachfahren Salzburger Emigranten, ev. – 1858 G Gumbinnen, theol. Stud. AUK 1858–1861 (Erdmann, Sommer, Sieffert, Co­ sack, Giesebrecht, Rosenkranz, Lehrs), finanziert durch das litauische Stipendium Friedrich Wilhelms IV. u. der Lit. Friedensgesellschaft Gumbinnen, StE 1862/63, 1863 Lehrer f. Religion FC, 1864 zweiter Prediger Neuroßgärter Kirche Königsberg, 1. 4. 1865– 1885 dritter, 1885–1890 zweiter, 1890–1. 4. 1915 er­ ster Pfarrer Altstädt. Kirche, 1885 Archediakon ebd., 1874–1894 Kreisschulinspektor Landkrs. Königsberg I (südl. Teil), 1890 Superintendent Diözese Schaaken, ca. 1896–1905 im Landkrs. Königsberg, 1883 Lektor und Direktor des Litauischen Seminars TheolFak. (Nf. Kurschat), 1915 em. – 1915 RA II. mit Eichenlaub. – Politisch: Aufgewachsen in einem Haus von „unbe­ dingter Königstreue“, Anhänger Bismarcks, empfin­ det seine Politik seit dem Krieg gg. Dänemark 1864 als „unsere politische Morgenröte“, 1870 „patriotische Hochgefühl“ und nach der Schlacht von Sedan „nie ge­ kanntes Wonnegefühl“, kirchenpolitisch mit → Pelka, → v. d. Goltz Mitbegründer der Vereinigung der posi­ tiven Union zur Provinzialsynode 1873, 1896 auf der Synode gg. einen Antrag der „jüngeren Gruppe“ der positiven Union, der Oberkirchenrat möge sich bei der Regierung stärker für die Berufung „gläubiger Profes­ soren“ der Theologie einsetzen; Gegner der „litauischen Agitation“ im östl. Ostpreußen. – oo I. 1863 Ida De­ genhardt (gest. 1866), 1 T, II. 1868 Hedwig Wagner (1849–1918), Tochter des FC­Direktors Gustav Hein­ rich W. (1820–1878), 7 S, darunter Herbert, gef. Ost­ front nach 1914, Otto, Pfr. in Königsberg, 2 T. Weisfert 133; Lackner 1921; APB 988 f. Lange, Konrad von, Kunstgeschichte * 15. 3. 1855 Göttingen † 28. 7. 1921 Tübingen V.: Ludwig L. (1825–1885), Prof. d. Philologie, M.: Adelheid Blume (1829–1905), ev. – G Leipzig, 1873 Architekturstud. TH Hannover, in einem Architek­ turbüro „in der Bauführung unterwiesen“, 1875 TH Berlin, Übergang zum Studium Klass. Archäologie FWU, Leipzig, München, ausgedehnte Kunstreise Niederlande, Frankreich, England, 1880 Stipendiat DAI, Studienreisen Italien, Griechenland, Kleinasien

Catalogus Professorum 1880–1883, Prom. zum Motiv des aufgestützten Fusses in der antiken Kunst, Habil. für Archäologie u. Kunstgeschichte Jena 1884: Haus und Halle, 1885 b. ao. Prof. Göttingen, zugleich Dozent für allg. Kunst­ geschichte TH Hannover, WS. 1892/93 mit der Ver­ waltung des Ordinariats Dehio an der AUK beauftragt, 1. 10. 1893 Bestallung zum Ordinarius, WS. 1894/95 ord. Prof. Tübingen (Nf. Karl Köstlin), AV: Die be­ wußte Selbsttäuschung als Kern des künstlerischen Genusses, Hauptwerke: Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend (1893), Das Wesen der Kunst (1901); bemüht, Gesetze der Ästhetik aus kunstge­ schichtlichen Tatsachen zu gewinnen, die als psycholo­ gisch determiniert aufgefaßt werden; Werk von Kritik einhellig abgelehnt. „Ohne Frage ist die mangelnde psychologische Durchbildung der größte Passivposten des Ästhetikers Konrad Lange“ (Kjerbüll­Petersen). 1912: Über den Zweck der Kunst (Tübinger Kaiserge­ burtstagsrede). Weniger als Kunsttheoretiker denn als Organisator und Promotor der Heimatpflegebewegung bedeutend, „mutiger Rufer im Streit um städtebau­ liche Fragen“ (Fischer), 1901–1907 nebenamtl. Ver­ waltung der Stuttgarter Galerie, seit 1890 maßgeblich an Kunsterziehungsbewegung beteiligt, früher Kritiker der Filmkunst (1912: Der Kinomatograph als Volksun­ terhaltungsmittel; 1920: Kino in Gegenwart und Zu­ kunft; um den „Kinokapitalismus“ zu steuern, schlug L. Verstaatlichung der Filmindusrtie und Kommuna­ lisierung des Vorführbetriebs vor). – 1903 pers. Adel. – oo 1888 Luise Schenck (1868–1937), Tochter eines Oberforstmeisters aus Darmstadt, 4 S (zwei im I. WK gefallen), 1 T. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 71–73; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 108 II (15 Br. an Althoff, 1885–1895); Weisfert 134; Fischer 1921; Kjerbüll­Petersen 1922; NDB XIII, 550 f. Lange, Max, Medizin, Gynäkologie und Geburtshilfe * 22. 11. 1859 Oletzko † nicht ermittelt V.: Ferdinand L., Postsekr., M.: geb. Meyer, ev. – 1877 G Gumbinnen, wo sein Vormund Julius Arnoldt Di­ rektor war, med. Stud. AUK, 1882 Prom. u. StE, 1882–1884 Assist. Univ. Frauenklinik (Hildebrandt), Niederlassung als Frauenarzt in Königsberg, 1886– 1889 II. Assist. Univ.Frauenklinik (Dohrn), seitdem wieder prakt. Arzt, 26. 6. 1893 Habil. f. Gynäk. AUK, Monographie zur Physiologie, Pathologie u. Pflege der Neugeborenen: Vademecum der Geburtshilfe, 2. Aufl. 1893, 12. 12. 1902 Med. Fak. beantragt Prof. Tit., 1903 Tit. Prof., 1906 nach Posen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 267–271; Bd. II, 50 f., 60, 141.

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Langendorff, Oskar, Medizin, Physiologie * 1. 2. 1853 Breslau † 10. 5. 1908 Rostock V.: ?, jüd. – Med. Stud. Breslau, FWU, Freiburg, AUK, ebd. Prom 1875, 1875–1878 Assist. Physiol. Inst. ebd. (v. Wittich), 3. 3. 1879 Habil. f. Physiologie, AV: Ueber Hemmung der Reflexbewegungen, 1884 nb. ao. Prof., 1888 Besoldung aus dem Extraord. Bohn, SS. 1892 ord. Prof. f. Physiologie Rostock. – Arbeiten zur Phy­ siol. der Atmungsinnervation, des Herzens, der Ver­ dauung, des Nervensystems sowie der Lehre von den Reflexen. 1891: Physiologische Graphik; Mitarbeit am Nagelschen Handbuch der Physiologie, Bd. 4, 1909: Physiologie des Rücken­ und Kopfmarks. Weisfert 135; Tigerstedt 1908 (Bibl.); BLÄF II, 862. Laqueur, Ernst, Medizin, Physiologie, Pharmakologie * 7. 8. 1880 Obernigk/Kr. Trebnitz, Schles. † 19. 8. 1947 Oberwald­Gletsch/CH V.: Siegfried L., Kaufmann, Versicherungsdirektor, M.: Anna Levy, jüd. – 1898 G Breslau, med. Stud. Heidel­ berg, Breslau, 1904 StE, 1905 Prom., 1. 4. 1906 II. As­ sist. Physiol. Inst. AUK (Hermann), 1907 Oberassist. Anat. Inst. Halle (Roux), im gleichen Jahr Rückkehr auf die alte Stelle an AUK, ebd. 9. 8. 1907 Habil. f. Physiologie, 1910 Umhabil. Halle (J. Bernstein), 1912 Lektor/Dozent Physiologie Groningen, 1917 ord. Prof. Pharmakologie u. Physiologie Gent (unter dt. Verwal­ tung), 1920 ord. Prof. f. Pharmakologie Amsterdam, 1936/37 Rektor, 1941 von dt. Besatzungsverwaltung entlassen, 1945 Rückkehr ins Amt. Arbeit zur phy­ siol. Chemie (Eiweißkörper, Fermente, Magenlipase), Entwicklungsmechanik (Postgeneration), seit 1920 Hormonforscher, wiss. Berater einer Schweineschläch­ terei bei der Gewinnung des 1921 entdeckten Insulins aus tier. Pankreasdrüsen, Erschließung von Insulin und Sexualhormonen mit Steroidstruktur zum Zweck therapeutischer Nutzanwendung, von der Isolierung über die physiologische Aufklärung bis zur großtech­ nischen Hormonsynthese, 1923 Gewinnung des ersten ärztlich brauchbaren Insulins, „eigentliche Großtat“ die Auffindung weiblicher u. männlicher Sexualhor­ mone, 1925/26 Gewinnung eines östrogen wirksamen weiblichen Sexualhormons, 1935 Isolierung des Te­ stosteron. 1920–1941: 700 wiss. Veröffentlichungen. – Militär: Wehrdienst GR 11 Breslau 1905/06, 1914 frw. Meldung, 1914–1917 Arzt u. Ausbilder Heeres­ gasschule Berlin, Untersuchungen zum Schutz gegen chem. Kampfstoffe. – 1905 Margarethe Loewenthal aus Breslau, 2 S, 3 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 215 f.; BLÄF II, 867; NDB XIII, 633 f.

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Lassar Cohn, Ernst, Chemie * 6. 9. 1858 Hamburg † 9. 10. 1922 Königsberg V.: Jacob Marcus C. (1821–1897), Lotteriekollekteur, M.: Johanna Hewe (1822–1895), jüd., Onkel: Isaac Bamberger, seit 1865 Rabbiner in Königsberg. – 1876 AltstädtG, naturw. Stud. Heidelberg, Bonn, AUK, Schüler Bunsens, Prom. 12. 6. 1880 AUK: Ueber einige phtalylhaltige Derivate des Hydroxylamins und die Ueberführung der Phtalsäure in Salicylsäure (R.: Lossen). 1881 Stud. tech. Chemie Paris, 1881–1883 Ltr. Laugensalzfabrik Brünn, 1883–1886 Betriebschef Chemiefabrik Karlsruhe, 1886 Rückkehr nach Königs­ berg, experim. Arbeiten in Lossens Institut, Habil. ebd. Juni 1888, AV: Ueber Zuckerarten und ihre künstliche Darstellung, 1894 Tit. Prof., 1899–1902 VHS Mün­ chen, 1902 Rückehr nach Königsberg und erneute Verleihung der venia, seit 1909 nicht mehr lesend. Verfasser populärer Werke: Die Chemie im täglichen Leben 1896 (bis 1930: zwölf Aufl.); Einführung in die Chemie in leichtfaßlicher Form 1899 (7. Aufl. 1927), ebenso erfolgreich: Arbeitsmethoden für organisch­ chemische Laboratorien 1891 (5. Aufl. 1923); Praxis der chemischen und mikroskopischen Harnanlyse für Mediziner, Apotheker und Chemiker (1897, bis 1951 neun Aufl.). Über sein Fachgebiet hinausgreifend: Die Sicherstellung der Ernährung der Menschheit durch dauernde Erhaltung der Fruchtbarkeit von Äckern und Wiesen mittels künstlicher Mittel (1910); Der Export nach wiederhergestelltem Frieden (Vortrag im Gewerbl. Zentralverein, 1919); Gold und Papier­ geld (1922). – Politisch: 1905 ehrenamtl. Stadtrat, Stadtältester (Fortschrittspartei), Engagement in der Jüdischen Gemeinde (Vorstandsmitglied), ehrenamtl. Synagogenvorsteher, Präsident der Kant­Loge im Or­ den B’nai Brith. – ooMartha Samuel, Tochter des Prof. f. Pathologie Simon → S., 1 S, 1 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 228, 312–314; ebd., Nr. 21, Bd. XXV, 241–245; Weis­ fert 39; NDB III, 316 f.; APB 1192 f.; BEN 2003, 139. Lecke, Johannes, Bibliothekar, UBK * 18. 3. 1864 Norden/Ostfr. † 18. 4. 1941 Med. Stud. Göttingen, Prom. 1889: Zur Casuistik der Diplegria facialis. Prakt. Arzt 1889–1898, Vo­ lontär Universitätsbibliothek Göttingen 1898, Assist. ebd. 1900, 1901 Kiel (Ordnung der Bibliothek der Sternwarte), 1902 Hilfsbibl. KBB, 1906 Hilfsbiblio­ thekar UBK unter gleichzeitiger Beurlaubung an das Auskunftsbureau der Deutschen Bücherei, Oberbibl. 1919, 1922 Universitätsbibliothek Göttingen. Chronik AUK; Volbehr/Weyl 268; Habermann 187.

Lehrs, Karl, Klassische Philologie * 14. 1. 1802 Königsberg † 9. 6. 1878 ebd. V.: Pinkus Kaufmann L. (1760–1833), Kaufmann, M.: Fanny Jacob (1779–1839), jüd., 1822 ev. getauft (Schade 1878: „anzunehmen, daß der Übertritt aus Überzeugung stattgefunden hat“ und „nicht mit Rück­ sicht auf seine Anstellung und sein Fortkommen im Staate“). – FC 1818 (Lachmann­Schüler), philol. Stud. AUK, 7. 3. 1823 Prom. AUK (ungedr., Preisarbeit über die Deklination im epischen Dialekt), 1823 Gymn. lehrer Danzig, 1824 Marienwerder, 1825 Königsberg, Lehrer FC, 15. 10. 1831 Habil. AUK: Quaestionum Aristarchearum specimen, daraus 1833: De Aristarchi studiis Homericis (2. Aufl. 1865; Darlegung, Verteidi­ gung, Korrektur der Homer­Kritik Aristarchs, „grund­ legendes Werk homerischer Textkritik und Interpreta­ tion“, Schade 1873). 16. 12. 1835 nb. ao. Prof., 1845 oö. Prof. (Antrittsschrift: De Asclepiade Myrleano, einen griechischen Grammatiker um 50 v. Chr. behan­ delnd, im Anhang gedruckt zu: Herodiani scripta tria emendatoria, accedunt analecta) und Ausscheiden aus dem Schuldienst; bis Mai 1878 Vorlesungen gehalten. 1856: Populäre Aufsatze aus dem Alterthum (2. verm. Aufl. 1875), darin Kritik der symbolisch­allegorischen Auffassung der griechischen Götterwelt, der Reduktion der griechischen Religion auf eine „Naturreligion“, stattdessen an seinen Lehrer Lobeck anknüpfend, rati­ onalistisch ihren „sittlichen Gehalt“ herauskehrend. In den 1830ern: „der Christ gewordene Jude ward Hellene in des Wortes reinster und idealster Bedeutung“, habe in der griechischen Antike das „ideale Menschenthum“ gefunden (Schade 1878). „Textphilologie“ kennzeich­ nend für die von Lobeck und L. etablierte „Königsber­ ger Schule“, aber trotz „Ablehnung einer Ausweitung der klassischen Philologie zu einer Altertumswissen­ schaft im Sinne August Boeckhs“ nicht „Selbstzweck“, sondern „Mittel zum Eindringen in die geistige Welt des Altertums, mit einer Begeisterung, die ihre Wur­ zeln im deutschen Klassizismus und Idealismus hatte“ (NDB), heftige Abneigung gegen die romantische An­ tikensicht Friedrich Creuzers, gegen vergleichende My­ thologie und historische Mythendeutung, stattdessen „Erleben des Göttlichen aus der Anschauung der Natur und der Herausbildung der Göttergestalten aus der Er­ fahrung einer ethischen Idee“ (NDB). Schade 1873a; Ders. 1878; Sigilla III, 1004f.; NDB XIV, 113f.; Lossau 1995; Ders. 1996 + 2001 (P); APB 997. Lentzner, Karl, Lektor für Englische Sprache * 25. 5. 1842 Frankfurt/M. † 13. 5. 1905 Berlin V.: Johannes Andreas Benjamin L. (gest. vor 1886), Kaufmann, M.: Auguste Charlotte Becker, ev. – „Mu­

Catalogus Professorum sterschule“ Frankfurt bis 1857, Privatunterricht, 1867 Hauslehrer Montevideo, 1874 Französisch­Lehrer Grammar School Sidney, 1879–1881 Assistant Master Oxford u. London, 1883/84 neuphil. Stud. Leipzig, Lektor f. engl. Sprache AUK SS. 1884–WS. 1884/85, 11/1884 StE, ab SS. 1885 beurlaubt zum Stud. nach Leipzig, ebd. Prom. 25. 7. 1886: Über das Sonett und seine Gestaltung in der englischen Dichtung bis Mil­ ton (R.: Wülker), WS. 1885/86 Lektor f. Englisch Münster, WS. 1886/87–1989 Lektor Breslau. 1890 Dozent für Englisch am Orientalischen Seminar Ber­ lin, „Vorkämpfer für moderne Methode des neusprach­ lichen Unterrichts“ (DBJ). Veröffentlichungen u. a.: Zur Shakespeare­Bacon­Theorie (1890), Three Essays (1890), Wörterbuch der englischen Sprache in Austra­ lien und einiger englischer Mischsprachen (1891), Der Berlinische Dialekt (1893), Das Englische als Sprache des Weltverkehrs (1905). Vita Diss. 1886; Chronik AUK 1885/86–1887/88; Weisfert, 138; DBJ 1905, 206*; G. Kaufmann 1911, Tl. 2, S. 411. Leo, Friedrich, Römisches Recht * 15. 12. 1862 Königsberg † nicht ermittelt V.: Ludwig L., Stadtrat, M.: Henriette N. N., ev. – KneipG 1881, jur. Stud. München, AUK, 1886 StE, 22. 11. 1890 Assessorex.; Justizdienst bei der Kammer für Handelssachen LG Königsberg; RA im OLG Bez. Königsberg 1892–1894, danach Gerichtsassessor im Königsberger Justizdienst, Prom. 13. 3. 1899: Erklä­ rung des cap. 12 im VIte de appellationibus 2.15.: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des canonischen Civilprozesses; 27. 10. 1899 Habil. f. Röm. Recht: Die cupitatio plebeia und die capitalinis humana im röm.­ byzan. Steuerrecht, AV: Decurionatus quomodo perie­ rit sub imperio principum Romanorum (Über den Ver­ fall des decurionatus in der röm. Kaiserzeit), PD AUK 1899–1902, ausgeschieden, um die Fabrik seines im März 1902 verst. Bruders zu übernehmen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 147 (Habil.); vita Diss. Leutert, Ernst, Medizin, Ohrenheilkunde * 24. 11. 1862 Giebichenstein/Halle † 16. 11. 1928 Gießen V.: Ernst Traugott L., Fabrikbesitzer, M.: Auguste Pielenz, ev. – 1883 StädtG Halle, 1883–1889 med. Stud. Freiburg, Straßburg, Halle, StE 1889, 1890 Prom. Leipzig: Ein Fall von Hydramnion bei eineiigen Zwillingen. 1891/92 II. Assist. Path. Inst. Rostock, 1893/94 Gießen, 1. 4. 1894 Assist. Ohrenklinik Halle (Schwartze), Habil. AUK 29. 7. 1896, AV: Der gegen­

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wärtige Stand der Diagnose und einer operativen Be­ handlung intracranieller Complicationen der Otitis. 30. 11. 1901 oö. Prof. Gießen, „schied 1908 von seiner Lehrkanzel und entsagte jeder weiteren wissenschaft­ lichen Tätigkeit“ (BLÄF), da ihm das Hess. Ministe­ rium einen Klinikneubau verweigert hatte. Verdienste um die Bakteriologie des Ohres, otit. Pyämie, intrakra­ nielle Komplikationen, Mittelohrkrankheiten. – Mili­ tär: Wehrdienst 1886 u. 1890/91, Assistenzarzt I. Kl. d. Res. – oo Elsbeth Rohland, Tochter eines Richters aus Liegnitz. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 267–271; ebd., Nr. 24, Bd. II, 6; Politzer 1913, 265; BLÄF II, 900. Lexer, Erich, Medizin, Chirurgie * 22. 5. 1867 Freiburg/Br. † 12. 4. 1937 Solln V.: Matthias v. L. ( 1830–1892), Prof. f. Dt. Philologie, M.: Auguste Hackmann (1845–1919), ev. – 1885 HG Würzburg, med. Stud. ebd. 1885–1889, 1889 Prom. Würzburg, Assist. Anat. Inst. Göttingen (Merkel), 1. 4. 1892 Assist. Chirurg. Univ. Klinik FWU (v. Berg­ mann), Juli 1898 Habil f. Chirurgie ebd., 1902 nb. ao. Prof., 1904 Ltr. Chir. Poliklinik ebd., WS. 1904/05 oö. Prof. AUK (Nf. Garré), WS. 1909/10 Jena, 1919 Frei­ burg, SS. 1928 München, 31. 3. 1935 em. – „Haupt­ vertreter der plastischen und Wiederherstellungschi­ rurgie“, 1903: Lehrbuch der allgemeinen Chirurgie (19. Aufl. 1931), 1919: Wiederherstellungschirurgie (2. verm. Aufl. 1931: Die gesamte Wiederherstellungs­ chirurgie). – GMR 1910. – Politisch: 1920–1927 DVP. – Militär: 1905 Stabsarzt d. R., 1914 Oberstabs­ arzt Kais. Marine, 1916 Marine­Generaloberarzt (u. a. Flandern), EK II. – oo 1899 Rosel von Leiden­Treberg (1880), 2 T, 2 S (1900–1910). BABL, R 4901, 13270/5953; FL 277; APB 394; BLÄF 907 f.; DBE VI, 367; Dittmann 2007. Leyden, Ernst von, Innere Medizin * 20. 4. 1832 Danzig † 5. 10. 1910 Berlin V: Ferdinand L. (1781–1844), Steuerbeamter der westpr. Regierung, M.: Mathilde Hein (1801–1884), Tochter eines Danziger Reeders, ev. – G Marienwer­ der 1849, militärärztl. Laufbahn, Friedrich­Wilhelms­ Institut Berlin (Pepinière), 1853 Prom. FWU über akuten Rheumatismus, 1853 Militärarzt Charité, As­ sistenzarzt Düsseldorf, Königsberg, Gumbinnen, 1859 Oberarzt, 1859 Rückkommandierung an die Pepinière u. propädeut. Klinik (Traube), 1864 Habil. f. Innere Medizin FWU über Rückenmarkskrankheiten, WS. 1865/66 ord. Prof. u. Direktor Med. Univ. Klinik AUK (AV/Habil.: De paraplegiis urinariis), WS. 1872/73

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Straßburg, 1876 FWU, 1885 ebd. Ltr. I. Med. Klinik. – Schwerpunkte: Pathologie des Herzens, der Lungen u. Nieren, vor allem aber Krankheiten des Nervensy­ stems, Krankheiten des Rückenmarks (Tabes dorsalis), wesentliche Förderung der Kenntnis der progress. Bul­ bärparalyse, Myelitis, spastische Spinalparalyse, Poly­ neuritis. 1893: Die graue Degeneration der hinteren Rückenmarkstränge, 1874–76: Klinik der Rücken­ marks­Krankheiten (Bd. I–II/1–2), 1897–1899 Hg. Handbuch für Ernährungstherapie, Mit­Hg. Zeitschrift für Tuberkulose, der Zeitschrift für diätetische und physi­ kalische Therapie. Galt als „der bedeutendste Internist seiner Epoche“ (NDB), Förderer der Volksheilstät­ tenbewegung für Lungenkranke. – 1896 geadelt, Arzt Bismarcks, Kaiser Friedrichs III. u. Zar Alexanders III. von Rußland. – Militär: Teilnahme am Krieg gegen Dänemark 1864, 1870/71 in Frankreich Führer eines Sanitätszugs des Johanniterordens. – oo I. 1863 Jenny Schröder, II. 1868 Marie Oppenheim, Tochter eines Kaufmanns in Königsberg. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 116 (94 Br. an Alt­ hoff, 1884–1908); Weisfert 139; Pagel 1002 f. (P); Leyden 1910 (P); APB 394 f.; BLÄF II, 908 f. (P); NDB XIV, 428 f. Leyh, Georg, Bibliothekar, UBK * 6. 6. 1877 Ansbach † 19. 6. 1968 Tübingen V.: Johann L., Kaufmann, M.: Babette Lotter, ev. – 1896 G Ansbach, germ.­hist. Stud. München, Straßburg, Tübingen, 1901 StE, Prom. ebd. 1903: Studien zur Technik der Erzählung in den Novellen Gottfried Kellers. 1903/04 Hauslehrer Hamburg u. Berlin, 1904 Hilfsarb. Kaiser­Wilhelm­Bibliothek Po­ sen, 1905 zweites StE, 1906 Volontär UB Göttingen, 1. 5.–31. 10. 1907 Assistent UBK (Vertretung des be­ urlaubten Konrad Müller), 1. 11. 1907 Hilfsbibl. Uni­ versitätsbibliothek FWU, 1908–1910 komm. Verw. Bibliothek Preuß. Hist. Institut Rom, 1909 Göttin­ gen, 1913 KBB, 1915 Oberbibliothekar Breslau, 1920 Direktor UB Halle (Nf. → Gerhard), 1921 Direktor Universitätsbibliothek Tübingen, 1926 Hon. Prof. Phil. Fak. ebd., 1947 Ruhestand. – Politisch: 1933 NSV, RLB. – Militär: 1896/97 Wehrdienst München, Kriegsteilnahme 1914–1919, Lt. d. Lwr., Ost­ u. West­ front, Balkan, EK II, schw. Verwundetenabz. – oo1915 Adelheid Kühlenbeck (1888–), 3 T. BABL, R 4901, 13270/5958; AUK Chronik; Ko­ wark 1981; Habermann 193 f. Lezius, Friedrich, Theologie, Kirchengeschichte * 18. 9. 1859 Pernau/Livland † 5. 6. 1936 Königsberg

V.: Andreas Friedrich L. (gest. 1865), Pastor, M.: Ma­ rie Ernestine Bidder, Tochter des Prof. [med.] Fried­ rich Bidder in Dorpat. – Mutter ließ sich 1865 in Dorpat nieder, wo ihr Sohn ab 1870 das dt. Gymna­ sium besuchte, Abitur ebd. 1877. 1877–1882 theol. Stud. Dorpat (Oettingen, Bonwetsch, v. Engelhardt, Muehlau, Hoerschelmann, Volck); 1882 cand. theol. bei Bonwetsch: ‚Der Traditionsbegriff des Irenaeus‘. Herbst 1882 theol. Examen vor dem Konsistorium in Riga, Probejahr, Weihnachten 1883 ordiniert, 1887 Adjunkt des Stadtpredigers im livländischen Walk. Da L. der estnischen Sprache mächtig war, geistliche Betreuung der dort starken Gemeinde estnischer Lu­ theraner. Luther­ und Zwingli­Studium. Veröffentli­ chungen in der Baltischen Monatsschrift über ‚Luthers Anschauungen vom politischen Genius‘, ‚Luthers Stel­ lung zur türkischen Weltmacht‘ und ‚Luthers Stellung zu den Juden‘. In Walk, wo L. auch Geschichtsunter­ richt am Gymnasium und an der Höheren Töchter­ schule erteilte, sei ihm aber rasch klar geworden, daß nicht die praktische Seelsorge, sondern die Wissen­ schaft seine Bestimmung sei. Etwa zeitgleich begann auch die Russifizierung des Schulwesens, und er sei nicht bereit gewesen, seinen Unterricht in russischer Sprache zu erteilen. Daher nahm er im Sommer 1890 seinen Abschied, um sich in Dorpat auf eine wissen­ schaftliche Laufbahn vorzubereiten. Bei Bonwetsch im Mai 1891 Magisterexamen: ‚Luthers Stellung zur An­ betung Jesu‘. (= Die Anbetung Jesu neben dem Vater. Ein Beitrag zu Luther’s Gebetslehre). AV verweigert, da in Walk ein Paar getraut, das nach orthodoxem Ritus getauft worden war. Nach dem russ. Strafgesetzbuch war das ein Verbrechen. Vom Bezirksgericht in Riga verurteilt, Verlust der geistlichen Würde, zwei Mo­ nate Gefängnis. April 1893 entlassen, Auswanderung nach Deutschland. Sommer 1893 Erlangen, wo der Jugendfreund Reinhold Seeberg Ordinarius. Erasmus­ Studien, 28. 7. 1894 Habil. Greifswald, AV: Zur Cha­ rakteristik des religiösen Standpunktes des Erasmus. Bis 1901 als PD ebd., vom PrMK Remunerationen, SS. 1901 b. ao. Prof. f. Kirchengeschichte, insbeson­ dere Geschichte der inneren und äußeren Mission und Geschichte der Predigt AUK, em. 31. 3. 1925. „Nach langem Leiden“ 1936 gestorben. – 1906 Dr. theol. h. c. Greifswald. – Politisch: 1891 Konflikt mit den russ. Be­ hörden in Dorpat, Verurteilung zum Verlust des geistl. Amtes und Gefängnis (s. o.). Alldeutsche Agitation um 1900 in Greifswald, Referent auf der Tagung 1898 des Evangelisch­Sozialen Kongresses, wohl Mitgliedschaft in der Konservativen Partei, ab 1912 führend in der OG des Alldeutschen Verbandes in Königsberg, 1916 Verfahren wg. Majestätsbeleidigung, Verurteilung zu Festungsstrafe, im November 1918 amnestiert.

Catalogus Professorum GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 71– 84 (vita 1893), 103, 104, 111, 152, 172. Ebd., Nr. 19, Bd. VII, unpag.; VI. HA, Nl. Brackmann Nr. 19: Brw. 1915–1918. – BAK, Nl. Reinhold und Erich Seeberg, umfangreiche Korrespondenz vor allem mit Reinhold S.; APB 395 (falsches Todesdatum: 1939, bis heute durchgehend kolportiert). Lichtheim, Ludwig, Innere Medizin * 7. 12. 1845 Breslau † 14. 1. 1928 Bern V.: Julius L., Kaufmann, M.: Henriette Levysohn, jüd. (nach 1870 ev. getauft). – 1863 MagdalG Breslau, im ersten Semester jur., dann med. Studium Breslau, Zürich, FWU, Prom. ebd. 28. 6. 1867: Ueber den Einfluß der Rückenmarksreizung auf die Gallensecre­ tion (Heidenhain gew.), 1868 StE, Assistenzarzt Med. Klinik Breslau (Lebert), Chirurg. Klinik Halle (Volk­ mann) 1872/73, 1873–1877 Med. Poliklinik Breslau (Lebert, Biermer), 6. 7. 1876 Habil. f. Innere Medizin ebd. mit einer Studie über Störungen des Lungenkreis­ laufs und deren Einfluß auf den Blutdruck, 1877 b. ao. Prof. Jena, Ltr. Poliklinik, WS. 1878/79 ord. Prof. f. spez. Pathologie u. Therapie Bern (Nf. H. Quincke), SS. 1888 ord. Prof. f. Innere Medizin u. Direktor Med. Klinik AUK (Nf. Naunyn), 1912 em. – Während der Breslauer u. Berner Zeit path.­anat. Arbeiten, über Hydrämie, hydrämisches Ödem, Lungenatelektase, Rückenmarksveränderungen bei perniziöser Anämie, Kreislauf­ u. Atmungsstörungen, einer der ersten Kli­ niker, der aus der Entdeckung der Tuberkelbazillen des mit ihm befreundeten Robert Koch praktische Folgen zog, ließ sich von Koch in die Grundlagen der Bakteriologie und der bakteriologischen Technik einweisen. Arbeiten über pathogene Schimmelpilze, zählte zu den ersten Internisten, die Quinckes Lum­ balpunktion wagten, neue Wege der Behandlung der chronischen Herzmuskelschwäche beschritten. In Kö­ nigsberg stärker neurologische Orientierung (Hirn­ u. Rückenmarkstumore, Ausbau der Aphasielehre von Carl Wernicke, Hirnpunktion, Behandlung von Vier­ hügeltumoren, progressiven Muskelatrophien, nukleäre Augenmuskellähmungen), zuletzt intensive Befassung mit der Analyse von Herzarhythmien. Mit Strümpell, Erb, F. Schultze Gründer u. Hg. Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde ab 1891. – 1888 MR u. Mitgl. Med. kollegium Prov. Ostpr., 1894 RA IV, 1896 GMR. – Militär: 1866 Kriegsteilnahme als Unterarzt, 1868/69 einjährig freiw. Arzt Kaiser Franz Garde­Reg. Nr. 2, 1870/71 Kriegsteilnahme als Assistenzarzt. – oo Clara Boas, Tochter des Breslauer Buchhändlers Heinrich B. und der Emma Heymann, 3 T, darunter Antonie Henriette (1876–), oo → Otto Weiß und Katharina ooLG­Direktor Hirschberg in Tilsit.

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GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 175–177, Nr. 21661, 181–183; vita Diss.; Weisfert 139 f.; Pagel 1004 f. (P); Sahli 1915 (P); Matthes 1928; BLÄF II, 911 (P), APB 1003; Kabus 95 (P). Liebenberg von Zittin, Adolf Ritter, Agrarwissen­ schaft, Pflanzenbau * 5. 9. 1851 Como/Lombardei † 6. 5. 1922 Wien V.: N. N., Offizier, kath. – 1869 SchottenG Wien, natur­ u. agrarw. Studium TH Wien, Halle, 1873 Prom. ebd.: Über das Verhalten des Wassers im Boden (R.: Julius Kühn), 1874 Zuckerfabrik Dux/Böhmen, Habil. f. Landwirtschaftlehre Halle 31. 5. 1875: Un­ tersuchungen über die Bodenwärme, AV: Ueber die Bedeutung des Mikroskopes für die Landwirthschaft, WS. 1876/77 ao., SS. 1877 b. ao. Prof. f. Landwirt­ schaft AUK, WS. 1878/79 b. ao. Prof. f. allg. u. land­ wirtsch. Pflanzenbau Hochschule f. Bodenkultur Wien (Nf. Fr. Haberlandt), 1884 ord. Prof. ebd., 1888/89, 1897/98, 1911/12 Rektor. – 1898 Hofrat, 1900 Kom­ turkreuz des Franz­Joseph­Ordens. – Gründete 1881 und leitete bis 1886 Samenkontrollstation der Land­ wirtschaftsgesellschaft, Vorläuferin der Bundesanstalt f. Pflanzenbau u. Samenprüfung, große Verdienste um den Ausbau des landw. Versuchswesen in Öster­ reich, 1892–1905 Zentralgüterinspektor des k. u. k. Familienfonds. Forschung vor allem zu Samenbau u. Samenkontrolle, Bodenbearbeitung, Düngung, Bewäs­ serung, Fruchtfolgen. – ooN. N. Dümmler, Tochter des Hallenser Historikers Ernst Dümmler (1830–1902). GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. V, 368 f., 386 (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, 191; Bd. XI, 113 f.; Tschermak­Seysenegg 1958, 88–91 (P); ÖBL V, 193 f. Liebisch, Theodor, Mineralogie, Geologie * 29. 4. 1852 Breslau † 9. 2. 1922 Berlin G Breslau 1870, naturwiss.­mathem. Studium Bres­ lau (Websky, Ferd. Römer, H. Schröter), Prom. ebd. 1. 7. 1874: Ueber die in Form von Diluvialgeschieben in Schlesien vorkommenden massiven nordischen Gesteine [Magmatite], 1. 10. 1875 2. Kustos am Mi­ neral. Museum FWU, 1. 4. 1876 ebd. 1. Kustos, Neu­ einrichtung und Ausbau der dortigen Sammlungen, 23. 3. 1878 Habil. FWU kumul., AV: Über die Ent­ wicklung der kristallographischen Anschauungen. WS. 1880/81 b. ao. Prof. Breslau, SS. 1883 ord. Prof. f. Mineralogie u. Geologie Greifswald, WS. 1884/85 AUK (Nf. M. Bauer), WS. 1887/88 Göttingen (Nf. C. Klein), SS. 1908 FWU, oö. Prof. u. Direktor des Mineralogisch­petrographischen Instituts und der minerol. Abt. des Museums für Naturkunde. Aufbau

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einer Unterrichtssammlung für geometrische, physika­ lische und chemische Kristallographie, sowie weitere Sammlungen zur Bildung der Mineralsysteme und der Minerale. – 1896/97 Dekan PhilFak. Göttingen, 1900/01 Prorektor. – 1887 Gött. Gesell. d. Wiss., 1902 Geh. Bergrat. – Schwerpunkt: Physikalische Kri­ stallographie, Kristalloptik, zahlreiche Untersuchungen zur Lichtbrechung an Kristallen. 1885–1920 Mit­Hg. Neues Jahrbuch für Mineralogie. – Militär: Kriegsteil­ nahme 1870/71. – oo N. N. Weisfert 140; Schulz 1922; GG I, 250 (P); BEN 2003, 532. Lindemann, Ferdinand, Mathematik * 12. 4. 1852 Hannover † 9. 3. 1939 München V.: Gymn.Lehrer, 1854 Leiter der Gasanstalt Schwerin, M: geb. Crusius, Cousine des Altphilologen Otto Cru­ sius (1857–1918), ev. – G Schwerin 1870, mathem. Stud. Göttingen, Erlangen, Polytechn. München, Schüler von Felix Klein, 1873 Prom. Erlangen: Über unendlich kleine Bewegungen und über Kraftsysteme bei allgemeiner projectivischer Maßbestimmung. Studienreise 1876/77 London, Paris. 2. 5. 1877 Ha­ bil. Würzburg mit der Edition der Vorlesungen zur Geometrie seines Göttinger Lehrers Alfred Clebsch. WS. 1877/78 b. ao. Prof. Freiburg, ord. Prof. ebd. 1879, 1882 das Problem der „Quadratur des Kreises“ klärend, WS. 1883/84 ord. Prof. f. Mathematik AUK (Nf. H. Weber), „würdiger Nachfolger der großen Ma­ thematiker, welche einst[!] Königsberg zur Zierde gerei­ cht haben“ (v. Goßler 1883, Rep. 89), Lehrer → David Hilberts, → Hermann Minkowskis u. Arnold Som­ merfelds, 1892/93 Rektor. WS. 1893/94 München (Nf. v. Seidel), 1904/05 Rektor, 1923 em. – Übers. v. Henri Poincaré, Wissenschaft und Hypothese (1904), Wissenschaft und Methode (1913). – Präsident PhÖG 1890–1893, 1895 ord. Mitglied BayAkW. – 1907 Geh. Hofrat, 1916 GR, 1918 pers. Adel: Ritter von L., 1922 Dr. rer. pol. h. c. München. – oo1887 Lisbeth Küssner, Münchener Schauspielerin, 1 T, 1 S. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 67–69; Weisfert, 140 f.; NDB XIV, 584 f.; Wußing 1995; APB 1860 ff. Linck, Alfred, Medizin, HNO * 29. 8. 1875 Guttstadt/Kr. Heilsberg † 6. 5. 1939 Greifswald V.: Hugo L. (gest. 1891), Apotheker, M.: Marie Wegel, kath. (A. L., ev.) – Seit 1885 aufgewachsen in Königs­ berg, 1889 Elbing, 1895 G Elbing, 1895–1899 med. Stud. Bonn, AUK, 1900 StE u. Prom. (E. Neumann): Ein Fall von Endothelioma lymphaticum kystomato­ sum beider Ovarien. 1. 7. 1901 Assist. Path.­Anat. Abt. Hyg. Inst. Posen (Lubarsch), 1902/03 Urban KHS Ber­

lin (Fränkel), 1. 4. 1903 Chirurg. Stadtlazarett Danzig, 1905 Assist. private Ohrenklinik Stenger, Königsberg, Niederlassung als Facharzt, 1. 10. 1910 Assist. Univ. Ohrenkl. AUK, 20. 8. 1910 Habil. f. Ohrenheilkunde, 1916 Tit. Prof., 1921 nb. ao. Prof., 1927/28 Lehrstuhl­ vertretung Köln, WS. 1928/29 b. ao. Prof. Greifswald (Nf. Alfred Güttich). – Schwerpunkte: Otochirurgie, bakterielle Tonsilitis, Geschwülste von der Corda dor­ salis ausgehend, Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. – Politisch: 1. 5. 1933 NSDAP, NSV, NS­Ärzteverein. – Militär: 1895/96 Wehrdienst GR 3 Königsberg, 1905 OA d. R., als Stabsarzt d. R. Teilnahme an den Schlach­ ten von Gumbinnen und Tannenberg August 1914, bis Nov. 1918 bei der Truppe, 1922 Oberstabsarzt, EK I. – oo 1905 Meta Schultz (1880–), 1 T, 1 S Konrad (1908–), Dr. med. Greifswald 1933, Assist. Path. Inst. ebd., stellv. Kreisleiter NSDAP Greifswald 1931/32. BABL, R 4901, 13270/5996 (Konrad L.); GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 21, 243 (ao. Antrag 1916); KGK 1931, 1746; LGH 2004, 143 f. Link, Adolf, Theologie, Neutestamentliche Exegese * 20. 4. 1860 Kolberg † 21. 7. 1899 Marburg Theol. Stud. Bonn, Göttingen, Marburg, 12. 8. 1886 Prom. Marburg: Christi Person und Werke im Hirten des Hermas; auf der Grundlage dieser Arbeit Licentiat u. venia für neutestamentliche Exegese, 1890 b. ao. Prof. NT AUK (Nf. Dorner), 1894 Dr. theol. h. c. AUK, krankheitsbedingt seit 1897 beurlaubt. GStA, Rep. 76Va, Sek. 12, Tit. IV, Nr. 14, Bd. I, 4 (Habil.); Weisfert 141; Chronik AUK 1899/1900, 7 f. Lippmann, Heinrich, Innere Medizin * 3. 6. 1881 Berlin † nicht ermittelt V.: N. N., Sanitätsrat, M.: geb. Gerschel, jüd., ev. ge­ tauft. – 1899 LuisenstädtG Berlin, 1899–1906 med. Stud. FWU (v. Bergmann, A. v. Wassermann), Mün­ chen, 1907 Prom. Halle: Das Carzinoma sarcoma­ todes (R.: Eberth), 1. 5. 1906 Assist. Med. Klinik AUK (Lichtheim), 1. 12. 1907–31. 3. 1908 Institut Pasteur Paris, 1908/09 Serol. Abt. Institut f. Infektionskrank­ heiten Berlin (Wassermann), 1. 4. 1909 Assist. Med. Klinik AUK, 1910 ebd. Habil. Innere Medizin. 1915 Umhabil. FWU, Ltr. Innere Abt. KHS Friedrichshain. – Schwerpunkt: Klinische Immunitätsforschung. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 11. Lissauer, Max, Medizin, Pathologie * 11. 2. 1877 Berlin † nicht ermittelt

Catalogus Professorum V.: Eduard L., Rentier, verst., jüd. – Med. Stud. Mün­ chen, FWU, 1902 StE, Prom. Leipzig 12. 12. 1902: Ueber das Rhinosklerom in Deutschland, 1903 Volon. assist. Path. Inst. StädtKHS Friedrichshain (Hanse­ mann), 1905 Hyg. Inst. FWU (Rubner), 1907 I. Assist. Path. Inst. Virchow KHS, 1. 12. 1908 I. Assist. Path. Inst. AUK, 17. 8. 1909 Habil. f. Pathologie ebd., 30. 5. 1914 Antrag Kaiserling, L. zum nb. ao. Prof. zu ernennen. Verbleib nach 1918 unbekannt. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 270 f.; Bd. III, 206. Litten, Fritz, Rechtswissenschaft, Zivilrecht, Römi­ sches Recht * 23. 1. 1875 Elbing † 1940 England V.: Joseph L., Kaufmann, Konsul, aktives Mitglied der jüd. Gemeinde Königsberg, ab 1899 Vorsitzender der Repräsentantenversammlung, M.: Marie Licht­ heim (Schwester von → Ludwig L., jüd.), nach 1890 ev. getauft. – 1891 G Hohenstein, jur. Stud. Leipzig, Freiburg, AUK, 5. 11. 1894 StE Königsberg, Prom. Halle 6. 7. 1895: Der Dissens über die Person des Empfängers beim Traditions­Erwerb durch Stellvertre­ ter. Eine Studie im Gebiete des gemeinen Civilrechts (R.: Rümelin), Gerichtsreferendar im OLG­Bezirk Königsberg, 27. 6. 1900 zweites StE, Gerichtsassessor, 1901 Zivilrichter, Justizdienst, 24. 6. 1903 Habil. f. Röm. Recht u. Bürg. Recht Halle: Die Wahlschuld im deutschen bürgerlichen Rechte, 1906 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1908/09 oö. Prof. f. Röm. Recht, Dt. Bürg. Recht AUK (Nf. Sokolowski), 1926/27 Rektor, 1930 HonorarProf. HHK. 1932 demissioniert nach Eröff­ nung eines Verfahrens wg. Steuerhinterziehung (bei Strauss­Röder u. Göppinger fälschlich unter die 1933 gem. BBG entlassenen Dozenten gezählt). – Politisch: 1919 DVP. – Militär: 1895/96 Wehrdienst, Res. Offi­ zier, im I. WK zuletzt Hpt. d. Lwr., Ostfront, EK I, 1917/18 Stabsdienst Ober Ost in Wilna. – oo Irm­ gard Wüst (1879–1953), 3 S, darunter Hans Achim (1903–1938), Strafverteidiger, KPD, ferner Heinz W. (1905–1955), Dr. iur. AUK 1927, Schauspieler, Inten­ dant, DDR, sowie Rainer (1909–1972), Schauspieler, Journalist. BABL, R 4901, PA Bestand, L 289; GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 36, Bd. II, 342 f. (Habil.); ebd., VI. HA, Nl. Brackmann, Brw. 1920 wg. Littens Kandidatur für den Pr. Landtag (auf DVP­Liste); ebd., Nl. Althoff, B 122 I (10 Br. an Althoff, 1896–1908); vita Diss.; APB 1128, Walk 240, Strauss­Röder II/2, 737 (hier Todesdatum: 1939); Göppinger 1990, 210, 299; DBE VI, 428; Bergbauer 2008, 18–30, 179 f.

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Loeffel, Albert, Universitätsrichter * 28. 12. 1855 Mainz † nach 1928 V.: N. N., Lt. a. D., Zahlmeister, ev. – 1873 G Posen, jur. Stud. FWU, Heidelberg, Breslau, StE 1881, Ger­ Ref. 1881 – 1885 AG Hohensalza, LG Bromberg, StA Posen, 1886 Gerichtsassessor, bis 1895 div. Richter­ stellen in der Provinz Posen, 1895 Wechsel in Verwal­ tungslaufbahn, 1897 Justitiar RegPräs. Oppeln, 1904 ORR u. Ltr. Kirchen­ u. Schulabt. RegPräs. Koblenz, 1. 1. 1914 Dirigent Abt. Kirchen­ u. Schulwesen Reg­ Präs. Königsberg, 1. 4. 1921 Ruhestand. 13. 12. 1913 Universitätsrichter AUK, auch nach Ausscheiden aus Hauptamt noch bis 11. 9. 1923 Univ.richter. – RA IV 1905, KrO III 1913, Verdienstkreuz für Kriegshilfe 1917. – Militär: 1878/79 einjähr. frw. Wehrdienst, Sec. Lt. Lwr. II. Aufgebot. – oo Gertrud Hausleutner, Toch­ ter des LGPräs. in Thorn, 1 T, 1 S (1894). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. II, Nr. 2, Bd. VI, unpag.; ebd., Rep. 77, PA Nr. 1673. Löhr, Max, Theologie, Alttestamentliche Wissenschaft * 30. 4. 1864 Stettin † 21. 10. 1931 Königsberg V.: Albert L., Kaufmann, 1871 Direktor einer Mine­ ralwasseranstalt in Berlin, ab 1883 Leiter von deren Königsberger Filiale, M.: Johanna Hühne, ev. – 1876– 1883 AskanG, 1884 WilhelmG Königsberg, theol. phi­ losoph., philol. Studien AUK bis 1886, im SS. 1886 zu Ritschl und Lagarde nach Göttingen, WS. 1887/88 AUK, alttest. Studien bei Cornill und Orientalia bei A. Müller. 1888 I. theol. Ex. u. Dr. phil. in Göttin­ gen: Gregorii Abulfaragii Bar Ebhraya in epistulas Paulinas adnotationes syriace. 1889 Domkandidaten­ stift Berlin, II. theol. Ex., Angebot einer Pfarrerei in Bethlehem/Palästina abgelehnt, um der akademischen Laufbahn willen. 1890 Adjunkt im Domkandidaten­ stift, Leiter der textexeget. Übungen zu AT u. NT, im März 1890 zum Hilfsdomprediger ordiniert, Juli 1890 in Königsberg Lic. theol.: Introductionis ad commen­ taricum de threnis Jeremiae cap. nonnulla (Die Kla­ gelieder des Jeremias), 1. 11. 1890 AV: Die Theodicee der Psalmen 37, 49 und 73. Ende 1890 städt. Hilfs­ prediger Königsberg. WS. 1892/93 Berufung auf ein alttest. Extraord. in Breslau, dort erfolglos von Fakultät für Nachfolge Rudolf Kittel vorgeschlagen. SS. 1909 beamt. ao. Prof. AUK (Nf. Giesebrecht), 1910 Ordina­ rius, 1929 em. 1903/04, 1908/09 Studienreisen nach Palästina, Mitarbeit am Institut für Alterstumskunde des Hl. Landes (Dalman). – RA IV. – Politisch: En­ gagierter Philosemit, 1915 Initiator einer Eingabe ans PrMK zur Errichtung von Lehrstühlen zur Erforschung des nachbiblischen Judentums, insbes. Unterstützung der Ambitionen seines Freundes Felix Perles (s. Bd. II).

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Noch 1930 Vorsitzender der Königsberger Ortsgruppe der linksliberalen Vereinigung freiheitlicher Akademi­ ker, Der Bund (EB 1930). – Militär: 1889 Landsturm I. Aufgebot, ohne Waffe. – oo. 1890 Anna Berger, Toch­ ter eines Vize­Admirals. GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 32, Bd. V, 39– 41, 58–60 (vita u. Bestallungsvorschlag Breslau 1892); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 122 II (10 Br. an Althoff, 1891–1904); Perles 1931; NDB XV, 46 f. (fehlerhaft); APB 1432. Löwenherz, Richard, Physikalische Chemie * 16. 5. 1867 Berlin † 1929 ebd. V.: Hermann L., M.: Caroline Raphael, jüd. – FrzG Berlin 1887, naturw.­chem. Stud. FWU, Heidel­ berg, Leipzig, Forschungsarbeiten in den Laboren von van’t Hoff (Amsterdam) und Nernst (Göttingen), Prom. FWU 7. 3. 1892: Über Derivate des Dimetadito­ lys (Aufgabe: Kenntnis des „technisch sehr wichtigen“ Ortho­Tolidin zu erweitern), Habil. f. physik. Chemie AUK 29. 7. 1897, AV: Die neueren Methoden der Molekulargewichtsbestimmungen; seit 1905 Berlin, Dozent an Humboldt­Akademie, 1913 auf Druck von Med. Fak. und PrMK Verzicht auf Königsberger venia. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. IV, V, 170 f. Lohmeyer, Karl, Geschichte, Landesgeschichte Ost­ u. Westpreußens * 24. 9. 1832 Gumbinnen † 15. 5. 1909 Königsberg V.: Gustav L., Justizbeamter, M.: Mathilde Blaß, ev. – 1852 FriedrichsG Gumbinnen, hist. Stud. AUK, Prom. 1857: De Richardo I. Angliae rege cum in Sicilia com­ morante, tum in Germania detento. 4. 6. 1866 Habil. f. Geschichte, AV: Über den heutigen Stand der For­ schung auf dem Gebiet unserer Provinzialgeschichte; programmatisch: Abkehr von der romantischen Ge­ schichtsschreibung seines Lehrers J. Voigt, Übergang zur quellenkritischen Schule nach dem Muster Max Toeppens u. a., 1858–1870 umfangreiche Quellenstu­ dien für eine nie veröffentlichte Biographie Herzog Albrechts, 1872 Mitbegründer des Vereins für die Ge­ schichte der Provinz Preußen, SS. 1873 b. ao. Prof. f. preuß. Landesgeschichte u. hist. Hilfswissenschaften, 1880: Geschichte von Ost­ u. Westpreußen, I. Teil [bis 1407] (mehr nicht erschienen, 2. Aufl. 1882, 3. verb. Aufl. unter Mitarbeit Chr. Krollmanns 1908), Aufsätze und Vorträge gesammelt in: Zur Altpreußischen Ge­ schichte, 1907. GStA, Rep. 76Vf, Litt L 26 (Personalakte); Weisfert 142; APB 405.

Lossen, Wilhelm, Chemie * 8. 5. 1838 Kreuznach † 29. 10. 1906 Aachen V.: N. N., kath. – G Kreuznach 1859, naturw. Stud. Göttingen (bei Kopp, Wöhler), 8/1862 Prom. ebd.: Über die Struktur des Cocain. 1862–1864 TH Karls­ ruhe, Chem. Laboratorium (K. Weltzien), 1864 As­ sistent Chem. Lab. Halle (W. Heintz), Habil. dort aus konfessionellen Gründen nicht möglich, 1866 deswegen Wechsel nach Heidelberg, Habil. und Ein­ richtung eines Privatlabors, 1/1870 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1877/78 ord. Prof. u. Direktor Chem. Labor AUK (Nf. Graebe). Nach seinen Plänen 1888 Neubau des Instituts errichtet, Ende SS. 1903 von Amtspflichten entbunden, Übersiedlung nach Heidelberg. Veröffent­ lichungen eignet „Zug ins allgemeine“, u. a. ‚Über den Anteil der Katholiken am akademischen Lehramt in Preußen‘ (1903), ‚Meminisse juvat: ein Rückblick auf den Fall Spahn‘ (1901), ‚Über die Ausbildung und Exa­ mina der Chemiker‘ (1897), „glänzender Experimenta­ tor, dem zahlreiche wichtige Befunde über den Bau und das Verhalten bisher unbekannter chemischer Verbin­ dungen zu verdanken sind“, 1865 Entdeckung des Hy­ droxylamins, „die Untersuchung dieses Grundkörpers und seiner organischen Derivate machen einen wesent­ lichen Teil von L’s. Lebenswerk aus“ (NDB). – RA IV, 1895 GRR. – oo 1868 Marie Pelzer (1837–1908), 1 S Josef (1876–1950), Dr. med. AUK 1900, 1911 Chef­ arzt St. Josefs­Spital Bochum. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 170 f.; ebd., Nr. 21662, 164; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 123 II (16 Br. an Althoff 1883–1901); Weisfert 143; Chronik AUK 1906/07, 11 f.; NDB XV, 202 (fehlerhaft). Lote, Ernest, Lektor für Französisch * 19. 5. 1880 Lorient † nicht ermittelt 1896 Lycée Brest, 1896–1903 jur., neuphil. Stud. Paris, 1898 Lic., 1899 Bacheliér en droit, 1903 Agrégré de grammaire, 1. 4. 1904–30. 9. 1905 Lektor f. Franzö­ sisch AUK, Rückkehr zu Studienzwecken an die Sor­ bonne. GStA, Rep. 76Va, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 178–180, 200. Ludloff, Carl, Medizin, Chirurgie * 7. 6. 1864 Rittergut Gandesleben/Thüringen † 1945 Frankfurt/M. V.: Friedrich L., Amtmann, M.: Julie Klöppel, ev. – 1886 RG Berlin, hist. Stud. Jena 1886/87, ab SS. 1887 Medizin, Jena, Würzburg, München, Straßburg, StE 1892, 1894 (physiolog.) Prom. Jena: Untersuchungen über den Galvanotropismus, 1. 10. 1894 Assist. Phy­ siol. Inst. AUK (Hermann), 1. 10. 1896 Chirurg.

Catalogus Professorum Univ. Klinik ebd. (v. Eiselsberg), Habil. f. Chirurgie 13. 12. 1900: Pathogenese und Therapie der angebo­ renen Hüftluxation, AV: Ziele und Wege der moder­ nen Orthopädie, 28. 11. 1902 Wechsel nach Breslau als Ltr. Orthopäd. Anstalt der Chirurg. Univ. Klinik., 1906 Tit. Prof., 1913 Hon. Prof., 1914 Direktor Univ. Klinik f. orthop. Chirurgie Frankfurt, 1919 oö. Prof. ebd., 1930 em., 1933 wg. „jüdischer Versippung“ aus der Fakultät ausgeschieden. – 1900 mit v. Eiselsberg: Atlas klinisch wichtiger Röntgenphotogramme, Beitrag über chronische Entzündungen der Knochen usw. in Fr. Lange, Lehrbuch der Orthopädie, 1913 (3. Aufl. 1928). – Präsident der Dt. Orthopäd. Gesell. 1914– 1918. – Militär: Assistenzarzt d. Res. – oo1898 Marga­ rete Litten (Schwester von → Fritz L.) aus Königsberg, mindestens 2 S, darunter Johann Friedrich (Hanfried) (1899 Königsberg–nach 1980), Habil. f. Theoret. Phy­ sik Breslau 1931, PD ebd. bis 1935 (KGK 1935, 840), Emigration USA 1939, Prof. f. Aeronautik, Zuarbeiter der US­Rüstungsindustrie (Raketentechnik). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 389; Bd. II, 35; BLÄF 948, Strauss/Röder II/2, 755 (Ludloff jr.); Hammerstein 1989; Bergbauer 2008, 30. Ludwich, Arthur, Klassische Philologie * 18. 5. 1840 Lyck † 12. 11. 1920 Königsberg V.: Hermann L., Kreiskassenrendant, M.: Amalie Schütz, ev. – Elementarschule Sensburg, ab 1851 G Gumbinnen, 1861 Abitur ebd., 1861–1866 phil. Stud. FWU, AUK, 27. 4. 1866 Prom. ebd.: Quaestionis de hexametris poetarum graecorum spondiacis cap. duo (seinen Lehrern Lehrs, Friedländer, Schade gewid.), 1867 Lehrer FC, 1874/75 beurlaubt, Italienaufent­ halt zum Studium von Homer­Handschriften, 1876 b. ao. Prof. Breslau, WS. 1878/79 ord. Prof. AUK (Nf. Lehrs), 1911 em. – Hauptwerke 1884: Aristarchs ho­ merische Textkritik nach den Fragmenten des Didy­ mus, 2 Bde.; 1902/07: Ilias; Hg. 1894: Ausgewählte Briefe an und von Chr. A. Lobeck und Karl Lehrs, 2 Bde. – 1894 RA IV, 1904 GRR. – ooEmma Emke aus Sensburg (Cousine), 2 S, 4 T, eine T oo→ J. Tolkiehn. GStA, Rep. 89, Nr. 21662, 191 f.; Weisfert 144; Tolkiehn 1922 (Bibl.); ders. 1924; APB 410 f. Lühe, Max, Zoologie * 3. 4. 1870 Augustenburg/Insel Alsen † 3. 5. 1916 Feldlazarett an der Ostfront V: Ludwig L., Oberstabsarzt, M: Adolfine Richthofen, ev. – Gymn. Demmin 1888, med.­naturw. Stud. Frei­ burg, FWU, AUK, 1893 Approb., 24. 12. 1894 Prom. Dr. phil.: Zur Morphologie des Taenienscole (R.: M. Braun), Assist. Zool. Museum (Braun), 11. 1. 1897 Ha­ bil. f. Zoologie u. vgl. Anatomie, AV: Was ist ein Thier

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und wodurch unterscheidet es sich von den Pflanzen?, 1909 Tit. Prof., 1911 LA f. vgl. Anatomie, 1909: Leit­ faden zur Untersuchung der tierischen Parasiten des Menschen und der Haustiere. – Militär: 1914 Stabs­ arzt, während des Dienstes durch Infektion erkrankt und verstorben. – ooVeronika N. N., 1933 in „elenden Verhältnissen“ mit ihrer Schwester in Jena lebend. GStA, Rep. 76Va, Nr. 10334; vita Diss.; BLÄF II, 949. Luerssen, Christian, Botanik * 6. 5. 1843 Bremen † 30. 6. 1916 Berlin V.: Johann Gerhard L., Zigarrenfabrikant, M.: Marie Luise Wellhausen, ev. – 1858 Lehrerseminar Bremen, 1862 Lehrer Vorschule RS Bremen, 1864 höh. Töch­ terschule, mit Senatsstip. 1866–1868 naturw. Stud. Jena, 1869 Prom. ebd., 1869/69 RS­Lehrer Bremen, 1869 Assist. Bot. Inst. Leipzig, Ostern 1872 Habil. f. Botanik ebd., 1881 Kustos Herbarium ebd., 1884 ord. Prof. Forstakademie Eberswalde, SS. 1888 ord. Prof. f. Botanik und Direktor des Botan. Gartens AUK (Nf. Caspary), 1910 em. – Hauptwerke: 1879: Handbuch der systematischen Botanik mit besonderer Berück­ sichtigung der Arzneipflanzen, Bd. I: Kryptogamen, 1882: Handbuch der systematischen Botanik mit be­ sonderer Berücksichtigung der Arzneipflanzen, Bd. II: Phanerogamen, 1885: Grundsätze der Botanik. Reper­ titorium für Studirende der Naturwissenschaften und Medicin und Lehrbuch für polytechnische, land­ und forstwirthschaftliche Lehranstalten, 4., verm. u. verb. Aufl.; 1894: Beiträge zur Kenntnis der Flora Ost­ und Westpreußens. – oo N. N., 1 T Ingeburg (1874; 1935 in Dresden), 1 S Arthur, Dr. med. AUK 1903. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 161–163; Weisfert 145; DBJ 1916; APB 411 f. Lukas, Josef, Rechtswissenschaft, Staats­, Verwaltungs­ u.Völkerrecht * 3. 3. 1875 Graz † 23. 11. 1929 Münster V.: Josef L., Dr. phil., Schulrat, M.: Ernestine Köhler, kath. – StaatsG Wiener Neustadt, jur. Stud. 1893– 1898 ebd., Prom. ebd. 28. 1. 1899, Habil. f. allg. u. österr. Staatsrecht Graz 1902: Die rechtliche Stellung des Parlaments in der Gesetzgebung Österreichs und in der konstitutionellen Monarchie des Deutschen Rei­ ches, b. ao. Prof. Czernowitz WS. 1904/05, b. ao. Prof. AUK SS. 1909 (Nf. Hubrich), WS. 1910/11 oö. Prof. f. Staats­ , Verwaltungs­ u. Völkerrecht, Rechtsphiloso­ phie u. Rechtsentwicklung in Preußen, Münster (Nf. Leo v. Savigny). – Politisch: Ausweislich seiner nach 1918 veröff. Schriften zur Reichsverfassung und zur Frage des deutschen Völkerbundbeitritts „Vernunftre­

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publikaner“, nach eigener Angabe in: Wer ist’s 1928, 988: „national­freiheitliche Gesinnung ohne bestimmte Partei“. – Militär: 1895/96 Wehrdienst Feldjägerbat. Graz, Lt. d. R., 1897 degradiert nach Teilnahme an einer „deutschnationalen Demonstration“, 1915 reha­ bilitiert, 1915/16 Lt. d. R. Ersatzbat. IR 13 Münster, daneben begrenzte Lehrtätigkeit. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VI, 213–215; Steveling 1999, 136–139, 161–163. Luther, Eduard, Astronomie * 24. 2. 1816 Hamburg † 17. 10. 1887 Königsberg V.: Friedrich L., Lehrer am Waisenhaus Hamburg, M.: Anna Katharina Fr. Rüther, ev.. – Math.­naturw. Stud. Kiel, AUK, Schüler Bessels, Neumanns u. Jacobis, 1846 Prom., 1847 Habil. Mathematik u. Astronomie AUK; 1854 ao., 1859 ord. Prof. u. Direktor der Stern­ warte AUK, 1868/69 Prorektor, Hg. v. Bessels nach­ gelassenen Beobachtungen u. Edition der wichtigsten Manuskripte aus Bessels Nachlaß (1882). Chronik 1887/88, 5 f. ; Franz 1887; Weisfert 146; APB 413. Lutz, Emil, Bibliothekar, UBK * 30. 9. 1849 Gumbinnen † 1934 Göttingen Dr. iur., Volontär UBK 1. 8. 1877–1. 1. 1879, dann UB Göttingen, 1883 Kustos, 1897 Oberbibl., zuletzt Oberbibliothekar und Vertreter des Direktors, 1920 Ruhestand. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV; Haber­ mann 206. Mac Lean, Hugo, Universitätsrichter * 1838 † nach 1913 Jur. Studium AUK seit SS. 1857; OLG­Rat Königs­ berg, Januar–April 1893 für den ins PrMJ einberu­ fenen v. d. Trenck mit der Stellvertretung im Amt des Universitätsrichters beauftragt, zuletzt Senatspräsident KG Berlin. – Politisch: ab SS. 1857 Burschenschaft Germania. GStA Rep. 76, Sek. 11, Tit. 2, Nr. 2, Bd. V, unpag.; Roß 1913, 52. Mallin, Ernest, Lektor für Englisch * 6. 3. 1874 London † nicht ermittelt Neuphil. Stud. London, 1901 BA, 1902 Leipzig, FWU, SS 1903 Ltr. Konversationskurse Engl. Seminar FWU (Brandl), 1. 10. 1903 Lektor f. Englisch AUK, 30. 9. 1904 ausgeschieden, zu weiteren Studien nach England zurückgekehrt.

GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 170 f., 188. Manigk, Alfred, Rechtswissenschaft, Römisches Recht, Zivilrecht * 10. 9. 1873 Angerburg/Ostpr. † 31. 8. 1942 Ückeritz/Usedom V: Otto, M., Jurist, zuletzt OLG Rat, M: Elise Schulze, ev.. – Schulbesuch in Lyck, Posen, ebd. 1893 Abitur. Jur. Stud. Tübingen, Breslau., ebd. 1. StE 2. 2. 1897 u. 15. 2. 1897 Prom.: Hat der nachstehende Pfandgläubi­ ger das Recht des Verkaufs der Pfandsache?, 2. 11. 1900 ebd. Habil. f. röm. u. bürgerl. Recht: Das Anwen­ dungsgebiet der Vorschriften über die Rechtsgeschäfte, SS. 1902 LA zur Vertretung Röm. u. bürgerl. Recht AUK, WS. 1902/03 Berufung auf ein neues Extraord. f. Röm. Recht u. Dt. Bürg. Recht, 1904 oö. Prof. ebd. (Nf. v. Blume), 1909/10 Prorektor, 1913 Ruf nach To­ kio abgelehnt, SS. 1921 Breslau (Nf. seines Lehrers Ru­ dolf Leonhard), 1927 Marburg, 1934 aus politischen Gründen vorzeitig em. – Dogmatiker des Allg. Teil des BGB: Rechtsgeschäft, Willenserklärung, gestützt auf Savigny Kritiker der Freirechtslehre, als Romanist bes. Historiker des graeko­ägypt. Pfand­ u. röm Hypothe­ kenrechts, 1904: Geschichte der römischen Hypothek. – ooFrida Seidelmann, Tochter eines Leipziger Sanitäts­ rats, 2 T, 2 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, 255; Felgentraeger 1943; APB 1012 (falsches Sterbeda­ tum); Bleckmann 2004. Marek, Gustav, Agrarwissenschaft, Pflanzenbau * 13. 7. 1840 Kaschau/Ungarn † 13. 5. 1896 Heilanstalt Kortau/Kr. Allenstein V.: Beamter. – Landw. Stud. in Wien u. Lw. Akade­ mie Tetschen­Liebwerd/Böhmen, dort 1866–1872 auch Assistent. 1872–1874 lw. Studium Leipzig, Halle, 1874 Prom. ebd.: Keimphysiologie landwirtschaft­ lichen Saatgutes (R.: Julius Kühn), 1875 Habil. Hoch­ schule für Bodenkultur Wien: Das Saatgut und dessen Einfluß auf Menge und Güte der Ernte (erw. Fassung der Diss.). 23. 6. 1877 Umhabil. Halle für das gesamte Gebiet der Landwirthschaftslehre: Über den physio­ logischen Werth der Reservestoffe in den Samen von Phaseolus vulgaris, AV: Über die geschichtliche Ent­ wicklung der Pflanzenernährungslehre, WS. 1878/79 b. ao. Prof. f. Landwirtschaft AUK (Nf. Liebenberg). Errichtet Lw.­physiologisches Laboratorium u. Lw.­ botanischen Garten nach Kühns Hallenser Vorbild, 1880 Leiter beider Institute. Forschungsschwerpunkt: Physiologie der Pflanzensamen. Bemühungen um He­ bung des Zuckerrübenanbaus in Ostpreußen und För­ derung des Pflanzenschutzes. Umfangreiche Versuche über die Wirksamkeit von Phosphatdüngemitteln.

Catalogus Professorum 1894 krankheitsbedingt (Paralyse) Einstellung der Vor­ lesungen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. VI, 26 ff. (Habil.); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 126 I (28 Br. an Althoff, 1883–1892); Chronik AUK 1896/97, 7 f.; Weisfert 148; Böhm 1997, 204; Gerber 2004, 470. Martitz, Ferdinand von, Deutsches Recht, Staats­ u. Völkerrecht * 27. 4. 1839 Insterburg † 28. 7. 1921 Berlin V.: Ferdinand v. M., Oberst, M.: Elisbaeth v. Rechen­ berg, ev. – 1857 HG Elbing, jur.­hist. Stud. AUK 1857–1861, StE 1861, jur. Prom. ebd. 24. 7. 1861: Qui sint ingenuitate sibi compares jure speculi Saxo­ nici?, 1861/62 Auskultator Königsberg (Stadtgericht, Obertribunal), ca. 1863 jur.­nationalök. Stud. Leipzig (Waechter, Roscher), 19. 4. 1864 Habil. AUK, AV: De ratione methodoque juris Germanici privati, 1868 nb. ao. Prof., ab 1870 besoldet, SS. 1872 ord. Prof. f. Kirchen­, Völkerrecht u. jur. Enzyklopädie Freiburg (Nf. R. Sohm), WS. 1875/76–SS. 1898 ord. Prof. des allg. u. dt. Staatsrechts, Völkerrechts, Polizeirechts u. d. Enzyklopädie der Staatswissenschaften Tübingen, AV: Die moderne Gestaltung des internationalen Straf­ rechts, 1883/84 u. 1890/91 Dekan, 1895/96 Rektor, 1898–1903 Mitgl. des I. Senats Preuß. OVG Berlin (Nf. v. Gneist), nebenamtlich WS. 1898/99 ord. Prof. FWU, 1903 Aufgabe des Richteramts, hauptamt. ord. Prof. FWU, 1908/09 Dekan, em. SS. 1920. – 1867: Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels; 1868: Betrachtungen über die Verfassung des Norddeut­ schen Bundes; 1875: Das Recht der Staatsangehörig­ keit im internationalen Verkehr; 1886: Das interna­ tionale System zur Unterdrückung des afrikanischen Sklavenhandels in seinem heutigen Bestande (AöR 1, 3–107); Hauptwerk in zwei Bänden von 1.500 Sei­ ten: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Beiträge zur Theorie des positiven Völkerrechts der Gegenwart (1888/97); 1903: Die Monarchie als Staatsform, 1906: Über die Verwendung von Minen im Seekrieg (Berlin Conference International Law Assoc.); Völkerrecht, in: Kultur der Gegenwart II/8, 1906, 427– 494, verb. in 2. Aufl. 1913, 470–550. – Politisch: Mitwirkung an der städtischen Armenpflege in Königsberg 1865, 1869 Mitglied ao. Provinzialsynode der Prov. Preußen, Rom 1898: Delegierter der Konferenz zur Bekämpfung des Anarchismus, 1900 auf der Liste der Reichsregierung für die dt. Mitglieder des Ständigen Schiedshof im Haag, ohne Berufung. 20. 6. 1915 Mitunterzeichner der „Intellektuelleneingabe“ für einen „Siegfrieden“, 1917 Mitbegründer der Dt. Gesellschaft f. Völker­ recht, 1919 Mitunterzeichner der „Erklärung deut­ scher Hochschullehrer zur Auslieferungsfrage“ (gg.

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die Auslieferung Wilhelms II. an die Entente), 1920 Austritt aus dem Institut de Droit Internationale Paris aus Protest gegen eine im Mai 1919 beschlossene an­ tideutsche Resolution. – Militär: Teilnahme am Krieg 1870/71 als frw. Krankenpfleger. – 1895 Ehrenritter des Ordens d. Württ. Krone, 1903 GehORR, 1905 Rechtsritter des Johanniterordens, 1911 KrO II, 1911 FS der Berliner Jur. Fakultät. – oo I. 1866 Erminia v. Batocki (gest. 1904), II. 1908 Olga v. Gottberg (gest. 1958), 4 T aus I. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. III; Triepel 1922; APB 1014; NDB XVI, 309; DBE VI, 641 f.; Marcon/Strecker 2004, 287–290 (Bibl., P). Matthes, Max, Innere Medizin * 7. 2. 1865 Gr. Sulze bei Magdeburg † 26. 3. 1930 Meran V.: Apotheker, ev. – 1884 G Unser Lieben Frauen Mag­ deburg, med. Stud. FWU, Tübingen, Jena, München, Prom. ebd. 1889: Über Sulfonal (R.: v. Ziemssen), 1889/90 Asssistent Privatanstalt für Gemütskranke Pirna, bei Roderich Stintzing Habil. f. Innere Medi­ zin Jena 1893: Untersuchungen über die Pathogenese des Ulcus rotundum ventriculi und: Über den Einfluß von Verdauungsenzymen auf lebendes und todtes Ge­ webe, 1897 nb. ao. Prof., ebd. b. ao. Prof. u. Ltr. Med.­ Poliklinik (Nf. Ludolf Krehl), 1905 Direktor Innere Abt. KHS Köln­Lindenburg, 1911 oö. Prof. f. Innere Med. Marburg, SS. 1917 AUK (Nf. Schittenhelm), 1920/21 Rektor. – In den 1890ern kleinere Beiträge zur Psychiatrie, 1900: Lehrbuch der klinischen Hy­ drotherapie (2. Aufl. 1903), Hauptwerk 1919: Lehr­ buch der Differentialdiagnose innerer Kranheiten, bis 1929 sechs Aufl. – Politisch: Dez. 1918 Unterzeichner eines Aufrufes zur Gründung der ostpr. Landesgruppe der DNVP, der Partei bis zum Tode angehörend. Mit → Kirschner und → Kaiserling Initiator der Ehrenpro­ motion Ludendorffs zum Dr. med. h. c. 1921. – Mi­ litär: Generalarzt, berat. Internist einer Armee an der Ostfront. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. X; Giese/Hagen 1958, 571 f.; Kreuter 925 f. Maubach, Eduard, Kuratorialrat * 9. 12. 1838 Königswinter † 1925 1865 Ref., 1873 Reg.Assessor u. Landrat im Kr. Johan­ nisburg (Masuren), 1888 ORR Reg. Präs. Königsberg, 1890 Präsidialrat im ostpr. Oberpräsidium und stellv. Kurator AUK, 1897 GRR, Versetzung ins PrMdI. – Po­ litisch: 10/1884 – 11/1888 MdR (Konservative Partei). Acta Borussica 8/II, 2003, 591.

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Mauer, Rudolph, Kupferstecher * ca. 1840 † gest. nach 1897 Seit 1870 Assistent der Kunsthistoriker Hagen, De­ hio, Lange, Haendcke, zuständig für Kupferstich­ u. Photosammlung sowie Bibliothek. Hauptamtlich Zei­ chenlehrer KneipG. Auch als privater Zeichenlehrer in Königsberg tätig. 1. 4. 1894 Inspektor an der Kunsta­ kademie, nebenamtlich weiterhin Assistent Haendckes. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 30, Bd. I, passim. Maurenbrecher, Wilhelm, Mittelalterliche und Neu­ ere Geschichte * 21. 12. 1838 Bonn † 6. 11. 1892 Leipzig V.: Romeo M. (1803–1843), Prof. f. Staatsrecht, M.: Marie Joh. Alwine Rittershausen, ev. – Hist. Stud. Bonn, FWU (Ranke), München (Sybel) 1857–1861, Prom. Bonn 1861 über die Kaiserpolitik Ottos I., Habil. ebd. 19. 3. 1862: Maximilian II. und die deut­ sche Reformation. 1863 Archivstudien in Spanien zur Geschichte der Gegenreformation (1865: Karl V. und die deutschen Protestanten), b. ao. Prof. Dorpat 1867, 1868 ord. Prof. ebd., AV: Über die Methode und Auf­ gabe der historischen Forschung, SS. 1869 AUK (Nf. Schubert), SS. 1877 Bonn, WS. 1884/85 Leipzig, AV: Geschichte und Politik. – Begann mit Forschungen zur Geschichte des Ottonen­Reiches, Mitte der 1860er Jahre Hinwendung zur Geschichte von Reformation und Gegenreformation (in Königsberg zusammenge­ stellt: Studien und Skizzen zur Geschichte der Refor­ mationszeit, 1874), rege publizistische Kommentierung der Zeitgeschichte, mündend 1892 in: Gründung des Deutschen Reiches 1859–1871, unvollendetes Haupt­ werk: Geschichte der katholischen Reformation (Bd. I, 1880). – Politisch: Nationalliberale Partei. – oo Mary Maurenbrecher (Cousine), 1 S, Max M. (1876–1930), Theologe, sozialdemokratischer, seit 1913 alldeutsch­ völkischer Publizist. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VII, 94 f.; Wolf 1893; ADB LII, 244–248; APB 427; Wenig 190; Hubatsch 1968b. Meisner, Wilhelm, Medizin, Augenheilkunde * 5. 10. 1881 Wanne/Westf. † 2. 1. 1956 München V.: Paul M. (gest. 1895), Arzt, M.: Martha Haenisch, ev. – 1901 G Berlin, med. Stud. FWU, Straßburg, Marburg, Kiel, 13. 4. 1906 Prom. Straßburg: Über En­ docarditis im Kindesalter (R.: Krehl), 1. 11. 1907 Hilfs­ arzt Univ. Augenklinik AUK (Krückmann), 1909/10 Volontärassist. Hyg. Inst. (Kruse) ebd., 1910 Assist. Univ. Augenklinik ebd., 17. 1. 1912 Habil. f. Augen­

heilkunde, mit Krückmann nach Berlin, 22. 5. 1912 Umhabil. FWU, 1912–1921 Assistent, 1921–1924 Oberarzt Augenklinik FWU, 1917 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1924/25 oö. Prof. f. Augenheilkunde Greifswald (Nf. W. Löhlein), 1928/29 Dekan, 1933–1935 Rek­ tor, SS. 1935 Köln (Nf. E. Engelking), WS. 1937/38 München (Nf. K. Wessely), 1948 em. – Schwerpunkte: Tuberkulose des Sehorgans, Erkrankungen der Bin­ dehaut, Hornhaut­Bindehautentzündungen, Erkran­ kungen der Tränenorgane, chronische Myositis der äußeren Augenmuskeln. Mit seinem zeitweiligen Kö­ nigsberger Kollegen A. Brückner 1920: Grundriß der Augenheilkunde für Studierende und praktische Ärzte; unfreiwillig ironisch der Titel seiner Rede bei Über­ nahme des Greifswalder Rektorats im Mai 1933: ‚Die Blindheit‘. – Politisch: Vor 1918 Alldeutscher Verband, VDA, 1933 „Führer“­Rektor während der NS­Hoch­ schulrevolution in Greifswald, 1933: SA, 1. 5. 1937 NSDAP, Ende 1945 in München Amtsenthebung durch US­Militärregierung. – Militär: Als Augenarzt in Lazaretten an West­ u. Ostfront, 1. 8. 1914 als Oberarzt eingerückt, 1918 als Stabsarzt entlassen, Oktober 1918: EK I. – oo1909 Ella Langebeckmann (1884–) 2 T, 2 S (1910–1921). BABL, R 4901, 13271/6433; GStA …, Nr. 24, Bd. III, 110; KGK 1931, 1906; R. Franz 1981, 259– 261; LGH 2004, 158 f. Meissner, Rudolf, Deutsche Philologie * 3. 2. 1862 Glogau/Schlesien † 27. 10. 1948 Bonn V.: Kaufmann u. Fabrikbesitzer (gest. 1889), M: Minna Reusche, ev. – G Glogau 1880, philos.­german. Stu­ dium FWU, Göttingen, Prom. ebd. 10. 3. 1886: Ber­ thold Steinmar von Klingnau und seine Lieder (R.: M. Heyne), 1889 StE, 1889–1902 Assistent beim Deut­ schen Wörterbuch (Redaktion). Habil. f. deutsche Spra­ che u. Literatur Göttingen 9. 3. 1896: Die Strengleikar (bei Roethe), PD ebd. 1896–1906, 21. 4. 1902 Tit. Prof., SS. 1906 oö. Prof. f. Dt. u. Nordische Philo­ logie AUK (Nf. Schade), SS. 1913 Bonn, 1927/28 Rektor, em. 1. 4. 1931. – Vornehmlich Nordist, neben der ,Strengleikar‘­Monographie Hauptwerk: Die Ken­ ningar der Skalden. Ein Beitrag zur skaldischen Poetik, 1921. Übersetzer der im Verlag von Eugen Diederichs mehrfach aufgelegten ,Geschichte von den Leuten aus dem Lachswassertal‘ (1913). – 1913 RA IV, 1915 GRR, 1938 Dr. jur. h. c. Köln, 1942 Goethe­Medaille f. Kunst u. Wiss. – Militär: 1886/87 Wehrdienst Glo­ gau, 1906 Landwehrdienstausz. 1. Kl., Hpt. d. Lwr. – oo 1904 Eleonore Vischer 1880–1948, Tochter des Kunsthistorikers Robert Vischer (1847–1933). BABL, R 4901, 13271/6463; GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. III, 275 f. (Habil. Meissner);

Catalogus Professorum Chronik Göttingen 1902, 21; Wenig 193; Betz 1970 (P; dort erwähnt unveröff. Autobiographie 1862– 1913); Brinkmann 1994; IGL 1195 f. Meister, Karl, Klassische Philologie * 22. 10. 1880 Leipzig † 13. 11. 1962 Heidelberg V.: Richard M. (1848–1912), Philologe, Gymn.Prof., M: Klothilde Eckhardt (1859–1945), ev. – NikolaiG Leipzig 1898, philol. Stud. FWU, Leipzig, ebd. 1905 StE, Prom.: Der syntaktische Gebrauch des Genetivs in den kretischen Dialektinschriften, 1905–1909 Gymn. lehrer Dresden, Leipzig, 1907 auch Assistent Philol. Inst. ebd., Habil. f. Klass. Philologie u. vgl. Sprachwiss. 26. 4. 1909 ebd.: De itinerario Aetheriae abbatissae perperam nomini s. Silviae addicto (wieder in: Meister 1987). WS. 1909/10 Umhabil. FWU, Assist. Inst. f. Altertumskunde, ao. Prof., WS. 1914/15 oö. Prof. f. Klass. Philologie AUK (Nf. Immisch), kriegsbedingter Dienstantritt SS. 1916, WS. 1921/22 Heidelberg, 1930/31 Rektor, 31. 3. 1949 em. – Vor allem Sprach­ historiker, 1916: Lateinisch­griechische Eigennamen, H. 1: Altitalische und lateinische Eigennamen, 1921: Die homerische Kunstsprache. – Mit­Hg. Gnomon 1925–1933, nach eigener Angabe (HLK um 1935) zu den Forschungsschwerpunkten zählend auch der „Va­ terlandsgedanke im Altertum“. – Politisch: 1933 nur NSV. – Militär: Wehrdienst 1899/1900, Aug. 1914– 1916 Kriegsdienst, Offizier der Lwr., EK II, Sächs. Rit­ terkreuz 2. Kl. mit Kriegsdekoration (1915). – oo 1911 Margarete Boyens (1888–1979), 3 T, 1 S. BABL, R 4901, 13271/6446; Meister 1914 (zu R. Meister); Pöschl 1964; Pöschl 1987 u. Ders. (Hg.) 1987 (Bibl., P); NDB XVI, 727 f.; APB 1875. Mendthal, Hans, Bibliothekar, UBK * 15. 11. 1854 Wattlau b. Wehlau/Ostpr. † 21. 1. 1934 Königsberg? V.: Rechtsanwalt, ev. – KneipG, jur.­hist. Stud. Bonn, FWU, AUK, 18. 7. 1879 Prom.: Die Städtebünde und Landfrieden in Westfalen bis zum Jahre 1371 (R.: Prutz, Arbeit aber bei Maurenbrecher entstanden), Volontär UBK 1879–1882, 1882–1885 Assist. UB Breslau, 1885 IV. Kustos UBK (Nf. Molitor), 1900 Tit. Oberbibl., 1906/07 interim. Verw. Wallenrodt. Bibl., Tit. Prof. 1908; Landeshistoriker. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V, unpag; Weisfert 152; Habermann 213. Mentz, Arthur, Lektor Stenographie * 7. 3. 1882 Elbing † 31. 3. 1957 Rinteln V.: Robert M., Oberpostsekr, gest. 1915, M.: Hedwig Zander, ev. – KneipG 1901, theol.­hist.­geogr. Stud.

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AUK, 1906 StE u. Prom.: Beiträge zur Osterfestbe­ rechnung bei den Byzantinern (R.: Rühl), 1909 Ober­ lehrer LöbenRG, 1921 Direktor, 1923–1945 Oberstu­ diendirektor StadtG Altstadt­Kneiphof, daneben seit 1908 Lehrbeauftragter für Stenographie AUK. – 1910: Geschichte der Stenographie (Slg. Göschen, 2. Aufl. 1920), 1920: Geschichte der griechisch­römischen Schrift bis zur Erfindung des Buchdrucks mit beweg­ lichen Lettern, 1925: Lehrbuch der deutschen Ein­ heitskurzschrift, 1944: Die Tironischen Noten. Eine Geschichte der römischen Kurzschrift; international anerkannter Erforscher antiker Inschriften. – Politisch: 1914–1931 Stadtverordneter, nationalliberal, seit 1919 DVP, 1921 Mitglied der verfassungsgebenden Kirchen­ versammlung u. des Provinzialkirchenrats 1925, der Generalsynode 1929. Gründer des ersten Schulland­ heims (Samlandküste), Hg. von heimatkundlichen Landheim­Heften. 1938 Gaugebietsführer der Deut­ schen Stenographenschaft Ostpreußen. Alter Herr der Hist.­staatswiss. Verbindung „Hohenstaufen“, gab in deren Auftrag 1937 heraus: ‚Feldpostbriefe 1914/15‘. – 1929 Dr. theol. h. c. AUK – oo1916 Gertrud Jander, Tochter eines Gymn.Oberlehrers in Königsberg. Vita Diss.; VV­AUK; APB 1018. Merguet, Hugo, Klassische Philologie * 31. 1. 1841 Pillau † 7. 1. 1911 Dresden V.: Adalbert M., Prediger, M.: Amalie v. Schulz, ev.­ref. – G Gumbinnen, phil. Stud. AUK 1858–1863, Prom. ebd. 1863: De usu syntactico infinitivi latini maxime poetico, 1865 Lehrer höhere Bürgerschule Gum­ binnen, 1874 WilhelmsG, Habil. f. Sprachforschung AUK 17. 2. 1875, AV: De ratione qua comparatio lin­ guarum litteris profait, 1883 auf eigenen Wunsch aus Schuldienst entlassen, 1898 venia zurückgegeben, nach Insterburg verzogen, 1903 Gotha. – Hauptwerke: Le­ xikon zu den Reden des Cicero 1873–1884, Lexikon zu den philosophischen Schriften Ciceros und seiner Fortsetzer, 3 Bde. 1887–1894, 1905: Handlexikon zu Cicero. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Bd. III, 106; Weisfert 152; APB 431 f. Merkel, Friedrich, Medizin, Anatomie * 5. 4. 1845 Nürnberg † 28. 5. 1919 Göttingen V.: Apothekenbesitzer, ev. – G Nürnberg, med. Stud. Erlangen, Göttingen, Greifswald, 1869 Prom. Erlan­ gen, SS. 1869 Prosektor Anat. Inst. Göttingen, ebd. Habil. f. Anatomie Herbst 1869, 1872 gleichzeitig Berufungen nach Rostock u. Basel, WS. 1872/73 ord. Prof. f. Anatomie Rostock, WS. 1883/84 AUK (Nf. Schwalbe), WS. 1885/86 Göttingen (Nf. Jakob Henle).

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– Anatomie des Auges, feinere Anatomie der Sinnes­ organe, Struktur des Muskels, Bau und Entwicklung der Spermatozoiden, förderte die photographischen Methoden in der Anatomie; Parteigänger Darwins; 1885–1907 Handbuch der topographischen Anato­ mie, 1913–1918 Die Anatomie des Menschen, mit Bonnet seit 1891 Hg. Anatomische Hefte. – oo Anna (gest. 1923), Tochter seines Göttinger Lehrers Jakob Henle (1809–1885), mindestens 1 S → Paul. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 78 f.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 130 I (24 Br. an Althoff, 1883–1896); Weis­ fert 153; BLÄF 1026; GG I, 244 (P). Merkel, Paul, Rechtswissenschaft, Strafrecht, Strafpro­ zeßrecht * 18. 9. 1872 Rostock † 10. 12. 1943 München V.: → Friedrich M. – 1890 G Göttingen, jur. Stud. ebd., München, 28. 7. 1894 StE München, 1. 10. 1894– 30. 9. 1897 Rechtspraktikant im bay. Justizdienst, 3. 1. 1896 Prom. Göttingen: Begehung durch Unter­ lassung, 12/1897 2. StE, 27. 2. 1900 Habil. Straf­ u. Strafprozeßrecht Marburg: Die Urkunde im deutschen Strafrecht. Eine historische und kritisch­dogmatische Untersuchung (1902), WS. 1906/07 b. ao. Prof. f. Strafrecht AUK (Vertretung zu Dohna), SS. 1909 apl. ao. Prof. f. Strafrecht, Straf­ u. Zivilprozeßrecht Greifs­ wald (Remun.), SS. 1913 b. ao. Prof. ebd., SS. 1916 oö. Prof. ebd., 1920/21 u. 1931/32 Dekan, 1925/26 Rektor. – Politisch: Seit 1911 „Kriegerverein“, „kei­ ner Partei“ angehörend (HLK), Offizier Einwohner­ wehr Greifswald während des Kapp­Putsches, 1933 SAR II, 1935 Entzug der Prüfungserlaubnis wg. jüd. Großeltern (Henle). – Militär: 1891/92 Wehrdienst IR 82 Göttingen, 1896 Lt. d. R., 1912 Hpt. d. Lwr., 2. 8. 1914 Kompanie­, 1. 12. 1915 Bataillonsführer in einem Bayer. Lwr.­IR, u. a. Teilnahme an den Stellungs­ kämpfen bei Verdun, Champagne­Schlacht Herbst 1915, 22. 4. 1918 entlassen, EK I, Bayr. Militär­Ver­ dienstorden IV m. Schw., Meckl.­Schweriner KVK I. – oo 1900 Margarete Dürck (1874–), Enkelin des Ma­ lers Wilhelm von Kaulbach (1805–1874), 1 T, 4 S. (1901–1906). BABL, R 4901, 13271/6488; GStA, Rep. 76Va, Sek. 12, Tit. IV, Nr. 10, Bd. I, 150–152 (Habil.); Gundlach 168; LGH 2004, 159 f. Meschede, Franz, Psychiatrie, Neurologie * 6. 9. 1832 Bulheim/Westfalen † 30. 7. 1909 Münster Med. Stud. Greifswald, Würzburg, Prom. 1856 Greifs­ wald: De electro­punctura ejusque in sanandis cum vasis sanguiferis communicationibus vi et usu, 1857 Approbation, 1857–1873 zweiter Arzt Westpr. Pro­

vinzialirrenanstalt Schwetz, 1873 Direktor StädtKHS Königsberg, 6. 7. 1875 Habil. AUK f. Psychiatrie, AV: Üeber das Wesen und die Elementarstörungen der psy­ chischen Krankheiten. 1889 Tit. Prof., 1892 nb. ao. Prof., AV: Über den Entwicklungsgang der Psychiat­ rie …; 1895 besold. LA, 1903 em. – Ausgedehnte Pu­ blizistik, z.T. in der Tagespresse, auch zu forensischen u. gesundheitspolitischen Themen, Schwerpunkt: Erfor­ schung somatischer Ursachen psychischer Krankheiten, in der Fakultät vor allem wegen seiner Betriebsamkeit als wissenschaftlich wenig bedeutend eingestuft, wäh­ rend ihn ein Nachrufer würdigt, als einer der „Pioniere der wissenschaftlichen Psychiatrie“, als Mitbegründer der „pathologischen Anatomie der Gehirnrinde, spezi­ ell der Ganglienzellen“ (Näcke). – 1903 GMR. – Vetter des Berliner Anatomen Wilhelm von Waldeyer­Hartz (1836–1921). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VIII, 205–221 (Bibl. bis 1888); Bd. IX, 141; Weisfert 153 f.; Pagel 1121 ff.; Näcke 1909; Kreuter, 946–948. Meumann, Ernst, Psychologie, Pädagogik, Philoso­ phie * 29. 8. 1862 Uerdingen † 26. 4. 1915 Hamburg V.: Friedrich Ewald M. (1831–1895), Pastor, M.: Pauline­Henriette Schrader (1832–1912), ev. – 1883 G Elberfeld, theol.­philos. Stud. Tübingen, FWU, Halle, Bonn, theol. Examina 1887, 1889 und im gleichen Jahr Oberlehrerexamen für Religion, Hebrä­ isch, Philos. Propädeutik. Seit 1889/90 „völlig von Glauben und Religion“ abgewendet, in Tübingen Medizinstud. begonnen, Abbruch wegen „Ekel vor der praktischen Anatomie“, Wechsel zur Philosophie, Prom. Tübingen 1891: Ueber das Grundgesetz der Association und Reproduktion von Vorstellungen (R.: Sigwart), 1891 Wechsel nach Leipzig zum Studium der experimentellen Psychologie bei W. Wundt. Ha­ bil. ebd. 30. 4. 1894: Untersuchungen zur Psychologie und Ästhetik des Rhythmus. 1891 II., 1894 I. Assist. Wundts, Gedächtnisforschungen, Studien über den Zeitsinn u. Zeitbewußtsein. WS. 1897/98 b. ao. Prof. Philosophie u. Pädagogik ETH Zürich, SS. 1900 oö. Prof. ebd., AV: Beziehungen zwischen experimentel­ ler Psychologie und Pädagogik. Arbeiten zur Sprache des Kindes, zur Ökonomie und Technik des Lernens, Mit­Hg. Zeitschrift für experimentelle Pädagogik, Hg. Archiv für die gesamte Psychologie. WS. 1905/06 AUK (Nf. Busse), SS. 1907 Münster (Nf. Busse), WS. 1909/10 Halle (Nf. H. Ebbinghaus), WS. 1910/11 Leipzig, WS. 1911/12 Prof. f. Philosophie u. Päda­ gogik Hamburg (Allgemeines Vorlesungswesen). Dort nach Lungen­ u. Rippenfellentzündung 1915 gestor­ ben. – Hauptwerk 1907: Vorlesungen zur Einführung

Catalogus Professorum in die Experimentelle Pädagogik (2 Bde.), hervorge­ gangen aus Vorträgen vor den Lehrervereinen in Kö­ nigsberg, Frankfurt/ M., Bremen; 2., stark. erw. Aufl. 1911–1914 (3 Bde.). Bemüht um erfahrungswissen­ schaftliche Grundlegung der Pädagogik. – Politisch: Als Student Verein Deutscher Studenten, im WS. 1886/87 Vorsitzender des Bonner VDSt, an einer Petition be­ teiligt, die sich gegen [sic]die Befreiung von Theologie­ stud. von der Militärpflicht wandte. 1888 Vorsitzender des neugegr. Bonner Altherrenbundes VDSt. Aufgabe des Berufs als Religionslehrer wegen seiner „Kritik an den kirchlichen Dogmen“ nach einer „Glaubenskrise“ schon während des Studiums. Nach eigenem Bekun­ den „ohne Religion gelebt“. 1900 Ausscheiden aus dem Kyffhäuser­Verband. In Hamburg enge Beziehungen zur „reformorientierten Volksschullehrerschaft“, für akademische Lehrerbildung eintretend, „konfessions­ kritische Züge der Hamburger Lehrerschaft“ hätten M.’s Sympathie verstärkt (Probst). 1908 Mitbegründer des Bundes für Schulreform, 1911 im Vorstand. M. galt als „liberal eingestellt“, seit Kriegsausbruch 1914 „Feindseligkeiten Meumanns gegenüber dem europä­ ischen Ausland“ (sic!, Hopf ), d. h. Beiträge zur Kriegs­ publizistik im Geist der „Ideen von 1914“, Vorschläge zur Intensivierung der Nationalerziehung, der poli­ tischen Bildung der Deutschen, um ihr „Selbstwertge­ fühl“ zu stärken. Vademecum 208–210; NDB XVII, 265 f.; Probst 1991 (P); Hopf 2004; Zirlewagen 2005. Meyer, Ernst, Medizin, Psychiatrie, Neurologie * 10. 5. 1871 Göttingen † 3. 12. 1931 Königsberg V.: Ludwig M. (1827–1900), Prof. f. Psychiatrie Göt­ tingen, ev. – Med. Stud. Marburg, Göttingen, ebd. Prom. 23. 5. 1894: Über Ausscheidungstuberkulose der Niere, Ausbildung Nervenheilanstalt Berlin­Herzberge, 1899 Habil. f. Psychiatrie u. Neurologie Tübingen: Beitrag zur Kenntnis der acut entstandenen Psycho­ sen und der katatonischen Zustände, 1901 Umhabil. nach Kiel, 1. 4. 1901 OA Psychiatr. u. Nervenklinik ebd., SS. 1904 b. ao. Prof. f. Psychiatrie AUK (Nf. Bonhoeffer), 1906 ord. Prof. (pers. Ord.) ebd., 1913 Übernahme der neuen Nervenklinik an der Pillauer Landstr. – Forschungen vor allem zu den organischen Ursachen psych. Erkrankungen, Vf. eines kurzen Lehr­ buchs (Psychiatrie 1917, 2. verb. Aufl. 1923), anson­ sten vornehmlich kasuistische Veröffentlichungen zur Histopathologie des Nervensystems, path.­anat. Untersuchungen bei Psychosen (Korsakoffscher Sym­ ptomenkomplex u. Paralyse), engagiert im Kampf gg. den Alkoholismus, 1913: Religiöse Wahnideen. – 1913 GMR. – Militär: 1914–1918 in der Nerven­ klinik tätig, die militärisch als Festungshilfslazarett in

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Anspruch genommen wurde, berat. Psychiater I. AK, Forschungen über den Einfluß der Kriegsereignisse auf die Entstehung psychischer Störungen. – oo N.N., 2 S, darunter Joachim­Ernst (1917), Prof. f. Psychiatrie Heidelberg u. Göttingen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. XI; BLÄF II, 1033; Kastan 1931; Moser 1931 (P); Ders. 1932; Scholz/Schroeder 1970, 90–92 (P); Hensel 1996, 309 f.; Kreuter 952–957 (Bibl.). Meyer, Franz, Mathematik * 2. 9. 1856 Magdeburg † 16. 4. 1934 Königsberg V.: Friedrich Wilh. Jul. M. (1816–1883), Domänenrat, M.: Amalie Knorr (gest. vor 1888), ev. – 1874 DomG Magdeburg, naturw.­mathem. Stud. Leipzig (Carl Neumann), München (Felix Klein), 15. 3. 1878 Prom. ebd.: Anwendungen der Topologie auf die Gestalten der algebraischen Curven 4. und 5. Ordnung, 1878–1880 mathem. Stud. FWU (Weierstraß, Kummer, Kron­ ecker), 17. 10. 1880 Habil. Tübingen: Apolarität und rationale Kurven, eine systematische Voruntersuchung zu einer allgemeinen Theorie der linearen Räume, 1885 Tit. Prof., 1887 b. ao. Prof. ebd., AV: Zur Lehre vom Unendlichen, WS. 1888/89 ord. Prof. f. Mathema­ tik Bergakademie Clausthal, WS. 1897/98 ord. Prof. f. Mathematik AUK (Nf. Stäckel), 1899 Übernahme des ersten Lehrstuhls (Nf. Hölder), em. 1924. – Be­ gründer der ,Enzyklopädie der Mathematischen Wis­ senschaften‘ (1904–1935, 20 Bde.), Hg. von Bd. I u. Mit­Hg. Bd. III. „Mehr als durch eigene Ergebnisse hat sich M. als Sammler und Ordner mathematischer Er­ kenntnisse um die Entwicklung der Mathematik blei­ bende Verdienste erworben“ (APB), 1901/05 Diffe­ rential­ und Integralrechnung (Lehrbuch), 1901–1920 Mit­Hg. Archiv der Mathematik und Physik. – 1910 GRR. – Politisch: Nationalliberaler, seit Ende 1918 DVP. – oo1888 Marie Stark (geb. 1856), Tochter eines Tübinger Universitätsrats, 1 T, 3 S (1889–1895), da­ runter Herbert (1890–), Dr. phil. AUK 1911 mit einer altphilol. Arbeit bei Wünsch, Helmut (1895–), Dr. iur. AUK 1920 bei Manigk. Arndt 1935 (Bibl., P); BEN 2003, 584; APB 1648 ff. Meyer, Gottfried, Universitätsrichter * 23. 12. 1855 † nicht ermittelt V.: ORR. – 1880 Gerichtsref., 1885 Gerichtsassessor, 1887 Reg. Assess. Stralsund, 1888 Regierungspräs. Merseburg, 1891 RR ebd., 26. 9. 1899 Verwaltungsge­ richtsdirektor Königsberg. 26. 10. 1900 Amtsantritt als Universitätsrichter im Nebenamt (Nf. v. d. Trenck) bis 30. 6. 1903. 1. 7. 1903 Versetzung als ORR ans Regie­

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rungspräsidium Gumbinnen. – oo N. N., Tochter des Oberpräsidenten v. Pommer­Esche. GStA Rep. 76, Sek. 11, Tit. 2, Nr. 2, Bd. V, unpag. Meyer, Walter, Bibliothekar, UBK * 9. 4. 1860 Königsberg † gest. „vermutlich 1945“ ebd. (Habermann) V.: Joh. Hermann M., Kaufmann, M.: Auguste Dultz, ev. – Hist.­geogr. Stud. AUK, Bonn 1879–1881, 1882 AUK, vor dem Oberlehrerexamen krankheitsbedingt Studium unterbrochen, 1887 Fortsetzung Jena, Prom. 9. 4. 1888 ebd.: Das Werk des Kanzlers Gislebert von Mons, besonders als verfassungsgeschichtliche Quelle betrachtet. Volontär UBK 1888, Assist. 1892, 1894 Hilfsbibl. KBB, 1897 Bibl. UBK (Nf. Reicke), 1901/02 beurlaubt wg. Tb­Erkrankung seiner Frau, 1907 Er­ nennung zum Stellvertreter des Direktors, 15. 7. 1908 Tit. Oberbibliothekar, 1909 UB Bonn, 1911 KBB, 1917 UBK, 1920 Direktor ebd. (Nf. Schulze), 1925 Ruhestand. – oo Martha Dultz, Cousine, gest. 1917, 1 T. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V–VI; AUK Chronik 1897–1909; Habermann 218. Meyer-Betz, Friedrich, Innere Medizin * 13. 10. 1881 Heilbronn † gefallen 25. 9. 1914 in Frankreich V.: N. N., Kaufmann. – 1899 G Heilbronn, med. Stud. Straßburg, München, Kiel, ebd. 1906 Prom.: Über ein cystisches Embryom des Testikels (R.: Helferich), Ap­ prob. 1. 8. 1905, 1906/07 KHS Dresden, 1909 Assist. Med. Klinik München, 1. 11. 1912 Assist. Med. Klinik AUK (Schittenhelm), 4. 2. 1913 Habil. f. Innere Medi­ zin, 15. 10. 1913 OA Med. Klinik. – Militär: Oberarzt d. Res. in einem Württ. Füsilier­Regiment, im August 1914 ins Feld. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 148 f.; Neubauer 1914; Chronik AUK 1915, 10 f. Mez, Carl, Botanik * 24. 3. 1866 Freiburg/Br. † 8. 1. 1944 ebd. V: N. N., Nähgarnfabrikant, ev. – G Freiburg 1884, naturw. Stud. Freiburg, München, FWU, Prom. ebd. 10. 3. 1888: Morphologische Studien über die Fami­ lie der Lauraceen (Lauraceae Americanae monogra­ phie descripsit, 556 S.!), Habil. f. system. Botanik, Breslau Mai 1890: Morphologische und anatomische Studien über die Gruppe der Cordieae, 1896 Tit. Prof., WS. 1899/1900 b. ao. Prof. f. Botanik Halle, WS. 1910/11. – WS. 1933/34 oö. Prof. f. Botanik, Direktor des Bot. Gartens AUK (Nf. Luerssen). – Be­ gründer u. Hg. des Botanischen Archivs (1922–1935). In der Königsberger Zeit fast ausschließlich beschäf­

tigt mit der Serologie als Methode botanischer Ver­ wandtschaftsforschung. – Politisch: 1. 2. 1933 NSDAP, NSLB 1. 8. 1933. – ooN. N., 2 T, 1 S. BABL, R 2 Pers.; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXV, 210–217; APB 1443. Michelson, Paul, Medizin, HNO, Dermatologie * 1. 9. 1846 Königsberg † 21. 12. 1891 ebd. V.: Kaufmann, jüd. – KneipG 1864, med. Stud. Tübin­ gen, AUK, 30. 7. 1868 Prom. AUK: Ueber die Histolo­ gie der Vater­Pacini’schen Körperchen, 1869 Approb., 1873–1875 Assistent Med. Poliklinik AUK. 1878 Ha­ bil. f. Haut­ und Nasenkrankheiten, PV 24. 1. 1878: Rhinitis syphilitica ulcerasa, AV 24. 2. 1878: Über Tu­ berculose der Haut und der Nasenschleimhaut. 1875 Niederlassung als Facharzt in Königsberg. – Forschung u. Veröffentlichungen über dermatologische Fragen, u. a. zu Haarschwund und dessen Ursachen, übermäßi­ gen Haarwuchs, Bartflechte, Tuberkulose der Nasen­ u. Mundschleimhaut. Mit Mikulicz Hg. Atlas der Krank­ heiten der Mund­ u. Rachenhöhle (1892). – „Dahin­ gerafft nach kurzem, kaum zwölfstündigem Leiden durch eine heftige Unterleibserkrankung“ (Chronik). – Militär: 1869/70 Wehrdienst, 1870/71 Teilnahme Krieg gg. Frankreich, Schlacht bei Colombey Nouilly, EK II. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 135, 138 f.; Chronik AUK 1891/92, 7 f.; Weisfert 156; Pagel 1135 f. Mikulicz-Radecki, Johannes von, Medizin, Chirurgie * 16. 5. 1850 Czernowitz † 14. 6. 1905 Breslau V.: Andreas M.­R. (1806–1881), Feldmesser, Archi­ tekt (aus litauischem Adelsgeschlecht), M.: Emilia von Dammnitz (aus Sachsen), kath. – Aufgewach­ sen in Prag, Klagenfurt, Wien, 1869 G Czernowitz, 1869–1874 med. Studium Wien, 1875 ebd. StE u. damit verbundene Verleihung des Doktorgrads, 1875 Volontär, 1878 Assist. Chir. Klinik (Th. Billroth) ebd., Febr. 1880 Habil.: Über das Genu varum und valgum. 1882 oö. Prof. der Chirurgie Krakau, SS. 1887 AUK (Nf. Schönborn), WS. 1890/91 Breslau; mehrere Rufe, u. a. nach Wien, abgelehnt. Erste Arbeiten über Genu valgum („X­Bein“) sowie über Wunderkrankungen und ihre Erreger, während der Breslauer Zeit konzen­ triert auf Verbesserung der aseptischen Wundbehand­ lung, entsprechend die Klinik zu einer „Musteranstalt moderner Chirurgie“ gestaltet. Forschungen zur Ver­ besserung der Diagnose von Magenerkrankungen, bes. Magen­ u. Darmkrebs, dem er selbst erlegen ist. „Vor­ kämpfer auf dem Felde der Grenzgebiete der Chirurgie und der inneren Medizin“, Erfinder der Gastrosko­

Catalogus Professorum pie (1881), berühmt als glänzender Operateur (nach Garré). Mit­Hg. Brun’sche Beiträge zur Chirurgie, mit Naunyn begründ.: Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie, mit v. Bergmann/Paul v. Bruns Mit­Hg. Handbuch der praktischen Chirurgie (4 Bde., 1900–1905), 1891/92 mit → Michelson, Atlas der Krankheiten der Mund­ und Rachenhöhle, mit Kümmell 1898: Die Krankheiten des Mundes. – 1887 MR u. Mitglied Med. kollegium Prov. Ost­ preußen, 1891 GMR, 1899 Adel erneuert. – Militär: 1873 Wehrdienst, OA d. R., 1899 Generaloberarzt à la suite, 1905 Generalarzt. – oo 1880 Henriette Pacher (1853–1937), Tochter eines Wiener Beamten, 4 T, 3 S, darunter Felix → (Bd. II) M.­R., Prof. f. Gynäkologie AUK 1932–1945, dessen Pate: Felix → Dahn. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VII, 273–277, 293–313; ebd., Rep. 89, Nr. 21660, 144– 148; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 133 I (21 Br. an Alt­ hoff, 1890–1904); Weisfert 156 f.; Pagel 1140–1142 (P); Garré 1905/06; Kausch 1907 (Bibl., P); Kraft 1926 (P); BLÄF 1043 f. (P); Neugebauer 1965; H. Mikulicz­Radecki 1988; APB 1882. Milkau, Fritz, Bibliothekar, UBK * 4. 10. 1859 Lötzen † 23. 1. 1934 Berlin V.: Friedrich M, M.: Marianne Bleyer, ev. – G Ras­ tenburg 1878, altphil.­german.­sankr. Stud. AUK, StE 1885, 1885/86 Probejahr AltstädtG, Prom. AUK 1888: De Vellei Paterculi genere dicendi quaestiones selectae, 1. 7. 1888 Volontär UBK, 1891 KBB, 1892 Bonn, 1895 Rückkehr nach Berlin, Beauftragung mit Vorarbeiten zur Herstellung des Gesamtkatalogs der Preuß. Bibliotheken, Juli 1897 Leitung des Unter­ nehmens, 1899 ‚Instruktionen für die Alphabetischen Kataloge der Preußischen Bibliotheken‘, 1. 12. 1899 Hilfsarbeiter PrMK, 1. 4. 1902 Direktor UB Greifs­ wald, 8/1903–4/1904 Hilfsarbeit. PrMK, 1. 1. 1908 – 1920 Direktor UB Breslau, 1915/16 Sicherung von Bibliotheken in Belgien u. Nordfrankreich, 1920 i. A. AA nach Brüssel, Wiedergutmachungsverhandlungen, 1. 1. 1921–1925 Generaldirektor Preuß. Staatsbiblio­ thek Berlin. – Politisch: „Korpsstudent, kein leiden­ schaftlicher“ (Seeberg), nach 1918 „Affinität zur po­ litischen Rechten, vor allem den Deutschnationalen“ (Gerguletz). GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 133 I (25 Br. an Althoff, 1891–1908); Kuhnert 1934; Seeberg 1934; APB 437; Gerguletz 1979; Lohse 1988, 227 et passim. Minkowski, Hermann, Mathematik * 22. 6. 1864 Alexoten/Rußland † 12. 1. 1909 Göttingen

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V.: Kaufmann, jüd. – 1872–1880 AltstädtG, Abi­ tur mit 16 Jahren, ab SS. 1880 naturw.­math. Stud. AUK (Weber, Voigt) u. FWU (Weierstraß, Helmholtz, Kirchhoff ), Prom. AUK: Untersuchungen über die quadratischen Formen, 25. 4. 1887 Habil. f. Mathema­ tik Bonn aufgrund von zwei Schriften: Über den arith­ metischen Begriff Äquivalenz und über die endlichen Grenzen linearer ganzzahliger Substitutionen sowie: Zur Theorie der positiven quadratischen Formen, PV: Über Anwendungen der Arithmetik in der Analysis, AV: Über die Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrech­ nung. 1892 ao. Prof. Bonn, SS. 1894 b. ao. Prof. AUK, SS. 1895 oö. Prof. ebd. (Nf. Hilbert), WS. 1896/97 Polytech. Zürich, WS. 1902/03 Göttingen, dort 1909 einer Blinddarmentzündung erlegen. – Während des Studiums bereits auf Zahlentheorie konzentriert, le­ benslange Arbeit an einer „Geometrie der Zahlen“. Diophantische Approximationen = Anwendung seiner geometrisch­anschaulichen Methoden (Theorie der Raumgitter, der konvexen Körper) auf Probleme der Arithmetik (Kettenbruchalgorithmus für algebraische Zahlen beliebigen Grades, Lösung linearer u. höherer arith. Ungleichungen, Theorie der Reduktion der quadr. Formen u. ihre Klassenanzahl). Arbeiten auf dem Gebiet der theoret. Hydrodynamik u. Kapillari­ tät. Studien zu elektrodynamischen Theorien, angeregt von Lorentz u. Einstein. „M. gestaltet die in dem Re­ lativitätsprinzip liegenden Ideen tiefer aus und wendet dann das von ihm so präzisierte ‚Weltpostulat‘ dazu an, um die elektrodynamischen Grundgleichungen für bewegte Materie, deren definitive Form unter den Phy­ sikern außerordentlich strittig war, herzuleiten.“ „Das Minkowskische Gravitationsgesetz verknüpft mit der Minkowskischen Mechanik ist nicht weniger geeignet, die astronomischen Beobachtungen zu erklären, als das Newtonsche Gravitationsgesetz verknüpft mit der Newtonschen Mechanik.“ (Hilbert, in: Chronik). GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 45, Bd. VII, 209–213 (Habil.); Chronik Univ. Göttingen 1908, 4 f. Rüdenberg/Zassenhaus 1973; Schwemmer 1995; APB 1024. Minkowski, Oscar, Innere Medizin * 13. 1. 1858 Kowno † 18. 6. 1931 Sanatorium Fürstenberg V.: Kaufmann, jüd. – 1875 AltstädtG, seit 1872 preuß. Staatsangehöriger, med. Stud. Freiburg, AUK, 19. 2. 1881 StE, 17. 12. 1881 Prom., Habil. f. Innere Medizin 13. 5. 1885, Umhabil. Straßburg 1888, 1891 nb. ao. Prof., 1900 Ltr. Inn. Abt. StädtKHS Köln, 1904 Prof. Akademie f. prakt. Med. ebd., 1905 oö. Prof. Greifswald, 1909 Breslau, 1926 em. – Forschungs­ schwerpunkt in der Königsberger Zeit: Zuckerkrank­ heit, 1890: Diabetes mellitus nach Pankreasexstirpa­

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tion; grundlegende Untersuchungen zur Physiol. u. Path. der Leber, begründete 1900 die Lehre vom hämo­ lytischen Ikterus, ferner Gichtstudien, auch Mitarbeit an v. Leydens Handbuch der Ernährungstherapie, an Mering/Krehl, Lehrbuch der inneren Medizin, sowie 1921 über Krankheiten durch Einwirkungen giftiger Gase in: Handbuch der ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege. „Großvater des Insulins“, die „Bedeutung Minkowskis für die Pankreasforschung [ist] gar nicht zu überschätzen“ (Ewert). – Politisch: ab WS. 1875/76 Burschenschaft Germania. – Militär: Wehrdienst Ostpr. FAR Nr. 1, GR 5 Danzig, Assistenzarzt d. Res. – oo1895 Marie Siegel, 1 T, 1 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 134; BLÄF 1048 (P), APB 1024; Ewert 2006, 69–71 (P). Mitscherlich, Alfred Eilhard, Agrarwissenschaft, Pflanzenbau * 29. 8. 1874 Berlin † 3. 2. 1956 Paulinenaue/Kr. Nauen V.: Gustav Alfred M. (1832–1911), Prof. f. Chirur­ gie, M.: Valeska Ackermann (1851–1909), ev. (später ausgetreten, „Dissident“, wie Ehefrau). – HG Frie­ deberg/Neumark 1895, naturw. Stud. Kiel, 1896 agrarw. Stud. Berlin (Lw. Hochschule), TH Mün­ chen, 11. 3. 1898 Prom. Kiel: Beurteilung der physi­ kalischen Eigenschaften des Ackerbodens mit Hilfe seiner Benetzungswärme (R.: Hermann Rodewald). 1. 7. 1900–30. 3. 1906 plm. Assist. Lw. Institut ebd., von Rodewald gefördert 9. 3. 1901 Habil. f. Land­ wirtschaftslehre: Untersuchungen über die physika­ lischen Bodeneigenschaften (Liebig­Preis BayAkW), PV: Der intensive und extensive Betrieb in der Land­ wirtschaft, SS. 1906 ao. Prof. f. Pflanzenbaulehre u. Bodenkunde AUK, WS. 1906/07 b. ao. Prof. (per­ sön. Ord.) ebd., em. 30. 9. 1941, Rektor 1915/16, 1931/32; 1941–1944 Bewirtschaftung des Familien­ gutes Kutschlau/Kr. Schwiebus, Neumark. 1946 Prof. f. Kulturtechnik HU Berlin, 1949/50 Dekan Lw.­ Gärtn. Fakultät, 1950–1956 Direktor des Instituts zur Steigerung der Pflanzenerträge (1951: Institut für Grünlandforschung) der Dt. AkW in Paulinenaue. – Schwerpunkte: Bestimmung der den Pflanzenertrag beeinflußenden Wachstumsfaktoren. 1905: Boden­ kunde für Landwirte (bis 1954 sieben Aufl.), Gefäß­ versuche, durch sog. „Mitscherlich­Stationen“ auf die ganze Provinz Ostpreußen ausgedehnt. Mathematisch orientiertes Forschungskonzept, um den Zusam­ menhang zwischen Ertragszuwachs und Düngung zu fixieren. 1909: Wirkungsgesetz der Wachstumsfakto­ ren. Im Gegensatz zu Liebigs Minimumsgesetz. Nicht primär von mineralischen Nährstoffen, sondern von sämtlichen Wachstumsfaktoren hänge Ertragshöhe ab.

Gilt jedoch, was Mitscherlich übersah, nur für spezi­ elle Versuchsbedingungen. Bestrebt, seine Gefäß­ in Feldversuche umzusetzen, 1919: Vorschriften zur An­ stellung von Feldversuchen in der landwirtschaftlichen Praxis. Betriebsspezifische Düngungsberatung im Rah­ men der 1923 gegründeten Mitscherlich­Gesellschaft. 1933 Teilnahme Kongreß Bodenkundl. Gesellschaft in Kopenhagen. – Politisch: Nach HLK: „politische Richtung seit vier Jahrzehnten ca. = Berliner Börsen Zei­ tung“ [=deutschnational]. Frühjahr 1932 Leitung des „unparteiischen“ (sic) Hindenburg­Ausschusses bei der Reichspräsidentenwahl. 1931–1933 Gründer u. Leiter Wehrsportlager Worienen f. Studenten d. Albertina. 1915 Ltr. Akademischer Hilfsbund (zur Unterstützung von Kriegsopfern unter den Dozenten u. Studenten d. AUK). Auf Druck des REM Verzicht auf Präsident­ schaft Internat. Kongreß Bodenkundl. Gesellschaft Oxford 1935, 1949 Nationalpreis der DDR. – Mili­ tärisch: Dienstuntauglich. Gründete u. leitete 1914/15 die Auskunft­ u. Nachrichtenstelle f. ostpr. Flüchtlinge in Königsberg. – oo 1908 Luise Clauss (1887–), Toch­ ter eines Großkaufmanns aus Krefeld, Schwägerin des Prof. f. Gerichtsmed. G. → Puppe, 1 T, 3 S, u. a. Eil­ hard (1913), Prof. f. Tiermedizin Göttingen, Gerhard (1911), Prof. f. Forstwissenschaft Freiburg. M. war ein Onkel des Sozialpsychologen Alexander Mitscherlich (1908 – 1982). BABL, R 4901, 13271/6614; Mitscherlich 1935; Mitscherlich 1945 (Autobiogr.; P); Müller/Klemm 1988, 225–236 (P); Böhm 1997, 214–216; APB 1024 f.; NDB XVII, 571 f.; Gerber 2004, 496. Molitor, Karl, Bibliothekar, UBK * 5. 4. 1847 † 7. 9. 1924 Göttingen Prom. 1875 Jena: Der Verrath von Breisach 1639. Ein Beitrag zur Geschichte der Landgrafschaft im Elsaß nebst Breisach und Sundgau an [sic] Frankreich im Dreißigjährigen Kriege; 1876 IV. Kustos UBK (Nf. Habrucker), 1885 I. Kustos UB Göttingen, 1. 2. 1891 Vorsteher Paulinische Bibliothek Münster (1894 Amts­ bezeichnung: Direktor), 31. 12. 1914 Ruhestand als Direktor UB Münster. – GRR. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV., ZfB 41, 1924, 564. Moltke, Friedrich von, Oberpräsident, Kurator * 1. 5. 1852 Rantzau/Holstein † 10. 12. 1927 Kl. Bresa/Kr. Strehlen V.: Adolf v. M. (gest. 1871), dän. Kammerherr, Admi­ nistrator der Grafschaft Rantzau, M.: Auguste v. Krohn (gest. 1902), ev.; Bruder: Helmuth (1848–1916), Generaloberst, Chef des preuß. Generalstabs 1910– 1914; Onkel: Generalfeldmarschall Helmuth v. M.

Catalogus Professorum

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(1800–1891). – Nach jur. Studium 1877 Referendar am KG, 1879 Reg.assessor Oppeln, 1885 Landrat Tost­ Gleiwitz O. S., 1890–1898 PrMK, 1898–1900, 1900– 1903 RegPräs. Oppeln u. Potsdam, 11. 11. 1903– 1. 7. 1907 Oberpräsident Ostpreußen u. Kurator AUK, 1907–1910 Preuß. Innenminister, 1912 erfolgloser Kandidat der Konserv. Partei bei der Reichstagswahl im Memelland. 1914–1918 reaktiviert als Oberpräsi­ dent Schleswig­Holstein, Mitglied des Herrenhauses. Ruhestand auf seinem Rittergut im schles. Kr. Streh­ len. – oo 1883 Julie Zuckschwerdt (geb. 1862) aus Magdeburg, 3 K, darunter Hans Adolf (1884–1943), Diplomat, 1928–1931 Dirigent Ostabt. AA, Gesandter u. Botschafter des Reiches in Warschau (1931–1939) u. Madrid (1939–1943). KUK 1907 (P); APB 445; Hauf 1980, 28 f.

Repräsentantenkollegium Jüdische Gemeinde Berlin, 1908–1920 unbesoldeter Stadtrat Berlin („juristisches Gewissen Berlins“), Vorsitzender des Verkehrsdezer­ nats, 1917 Ehrenbürger Berlins, Vizevorsitz. Verband Dt. Juden, 1914–1924 Vorsitz des Kuratoriums der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. – Mi­ litär: Kriegsfreiwilliger 1870/71, 1914 Organisator ei­ ner Berliner Hilfsaktion für das von russ. Truppen ver­ wüstete Ortelsburg in Masuren, Ehrenbürger der Stadt. – oo1883 Caroline Meyer (1859–1934), 1 T Dorothea (1885–) oo Erwin Panofsky (1892–1968), Kunsthisto­ riker, 1 S Hans (1888), gef. vor Verdun 3. 8. 1916; zwei Brüder von A. M. Eigentümer des Berliner Tageblatts. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, 247 f.; Rep 89, Nr. 21662, 220 f.; A. Mosse 1995 (P); W. E. Mosse 1995; Nl. LBI New York; Kabus 103 (P).

Moser, Ludwig, Experimentelle Physik * 22. 8. 1805 Berlin † 22. 2. 1880 Königsberg Naturwiss. Stud. FWU 1824–1827, 1828 Prom. ebd.: De vitae atque morbie notionibus, 1831 Habil. f. Phy­ sik AUK, 1832 ao., 1839 ord. Prof. AUK, Dirigent des Physikalischen Cabinetts, 1878 entpflichtet, las wg. Krankheit seit ca. 1875 nicht mehr regelmäßig. – Beiträger zu K. Fr. Burdach, Die Physiologie als Er­ fahrungswissenschaft, Bd. III, 1838; im Rahmen der KglDG sympathisierender Vortrag über Goethes Far­ benlehre, populäre Vorträge über Magnetismus in den 1830ern, kleinere Veröffentlichungen bis 1863 über Magnetismus, Licht­ u. Wärmestrahlen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, 210–216; Poggendorff 1863 II, 215 (Bibl.); Weisfert 160.

Mügge, Otto, Mineralogie, Geologie * 4. 3. 1858 Hannover † 9. 6. 1932 Göttingen V.: Ratje M., Lehrer, M.: Marie Temps, ev. – RG Han­ nover 1875, 1875 math.­naturw. Stud. TH Hannover, Göttingen, 1879 Prom. TH Hannover: Krystallogra­ phische Untersuchung einiger organischer Verbin­ dungen (R.: C. Klein), 1880 StE, 1879–1882 Assistent von Harri Rosenbusch (1836–1914) am Min.­Geol. Inst. Heidelberg, 1. 1. 1883 Kustos Mineralog. Samm­ lung Hamburg, mineralog. u. gesteinskundliche Forschungen, Strukturforschung, Zwillingsbildung, geometrische Gesetzmäßigkeiten der Deformation kristallisierter Stoffe, Verhalten von Metallen bei deren Verformung und auf Eis im fließenden Gletscher (GG), 1886 b. ao. Prof. Mineralogie Akademie Münster, SS. 1896 oö. Prof. AUK (Nf. Koken), 1903/04 Dekan, SS. 1908–31. 3. 1928 Göttingen (Nf. → Liebisch). – Geh. Bergrat, 1909 AkW Göttingen. – Schwerpunkt während der Königsberger Zeit: Verwachsungen ver­ schiedenartiger Kristalle, Untersuchung der Struktur­ flächen u. Kohäsionseigenschaften techn. wichtiger Metalle, Struktur des grönländischen Inlandeises und ihre Bedeutung für die Theorie der Gletscherbewegung sowie über Umlagerungen und die Struktur mime­ tischer Kristalle, daneben seit 1900 petrographische Studien. Bahnbrechende Entdeckungen auf dem Weg zur Erkenntnis der radioaktiven Wirkung in Gesteinen, Anstoß zur Altersbestimmung von Gesteinen u. Mine­ ralien aufgrund radioaktiver Messungen. – ooElisabeth Storck aus Münster, 2 S, Wilhelm, gef. als Göttinger Kriegsfreiwilliger 1914 bei Langemarck, und Ratje, Mineraloge. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI; Weisfert 160; Rose 1932 (Bibl.); NDB XVIII, 267 (fehlerhaft); GG I, 318 (P), BEN 2003, S. 606.

Mosse, Albert, Rechtswissenschaft, Handelsrecht, Ver­ waltungsrecht * 1. 10. 1846 Graetz/Posen † 30. 5. 1925 Berlin V.: Marcus M. (1807–1865), Landarzt, M.: Ul­ rike Wolff (1816–1888), jüd. – Jur. Stud. FWU (v. Gneist), Vorbereitungsdienst, 1873 Gerichtsassessor, 1876 Kreisrichter Spandau, 1879 Stadtrichter Berlin, 1885 Landrichter ebd., 1886 nach Japan beurlaubt als Rechtsberater der Meiji­Regierung für administrative und juristische Reformen nach preußisch­dt. Vorbild, Neuorganisation der lokalen Selbstverwaltung, Ent­ wurf eines Pressegesetzes, von Geschäftsordnungsplä­ nen aller Ministerien. Nach Rückkehr 1890 OLG­Rat Königsberg, 1904–1907 ord. Hon. Prof. f. Handels­ u. Wechselrecht AUK, 1907 Ruhestand. – Kommenta­ tor des HGB. – 1901 GJR, Dr. iur. hc. AUK 1903. – Politisch: 1881/82 Beteiligung an Rettungsmission für jüdische Pogromflüchtlinge aus Rußland, Mitglied

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Müller, August, Medizin, Anatomie * 11. 8. 1810 Neu­Haldensleben/Magdeburg † 12. 10. 1875 während des Urlaubs in Tirol V.: Land­ u. Stadtgerichtsrat Joh. Aug. M., ev.. – G Ma­ gedeburg 1829, naturw.­med. Stud. Göttingen, Kiel, FWU, 1836 Prom. ebd.: De bysso acephalorum. Habil 1857 ebd.; 1838–1861 Repetitor Anatomie („Pauk­ Müller“) Berlin, 1856 Lehrer f. Anatomie Akademie der Künste ebd.; SS. 1861 ord. Prof. f. Anatomie AUK (Antrittsarbeit: De fragmento cranii ceti, quod ma­ ris Baltici aestu a. 1860 ejectum est; pro loco in ord. med.). – „Darwinianer“ (Schade), Vorlesungen über Darwins Lehre AUK, 1873 Begründer u. Vorsitzender des Königsberger Vereins gegen Tierquälerei. Hinterließ eine naturhistorische Bibliothek von 20.000 Bänden, darunter auch Werke zu „thierischem Magnetismus, Magie und Hexengeschichten“. – Als „eine durchaus volksmäßige Erscheinung in dieser Stadt, auch zu ihrer demokratischen Richtung stimmend“ (Schade). – Frei­ willigenjahr, Escadron­Chirurg Regiment Garde du Corps ca. 1835. Schade 1876 (Bibl.); Weisfert 161; BLÄ IV, 291. Müller, August, Semitische Philologie * 3. 12. 1848 Stettin † 12. 9. 1892 Halle V.: Direktor einer Zuckersiederei, M.: Rosalia Hell, ev. – MarienstiftG Stettin 1865, Studium klass. Phil. u. semit. Sprachen Halle (R. Gosche), Leipzig (H. L. Flei­ scher). 23. 11. 1868 Prom. Halle: Imru ulkaisi Mu‘ al­ laka ed. A. M. [alt­arabische Poesie], ebd. 16. 2. 1870 Habil. f. semit. Sprachen: Commentationis de Vocali­ bus Hebraeis conscriptae specimen, AV: De Taabbata Saaran poeta arabico. Gymn.lehrer Neuruppin, Kol­ laborator Latein. Hauptschule Frank. Stiftung Halle, SS. 1874 besold. ao. Prof. f. semit. Sprachen Halle, SS. 1882 ord. Prof. f. semitische Sprachen AUK (Nf. Simson), SS. 1890 Halle (Nf. Gosche), dort einer im Juli 1892 ausgebrochenen Gehirnkrankheit erlegen. – Wissenschaftliches Ideal: Anwendung der strengen textkritischen Methode der Klassischen auf die ara­ bische Philologie. Wollte ursprünglich „Geschichte der Aufnahme und Weiterbildung der griechischen Wissenschaft durch die Araber zum Hauptgegenstand seiner Lebensarbeit“ (Chronik) machen, brachte aber in der Königsberger Zeit nur eines der wichtigsten Quellenwerke heraus: ‚Ibn­Abi­Useiba’s Geschichte der Ärzte‘ (3 Bde, im Selbstverlag 1884), während die Edi­ tion von al­Kifti und Sa’id von Toledo nicht mehr zum Abschluß kam. Nicht zuletzt, weil er in Königsberg einige Jahre mit einer populären Darstellung der ‚Ge­ schichte des Islam im Morgen­ und Abendland‘ (1887) zubrachte. 1878: Hebräische Schulgrammatik, seit

1887 Hg. der Orientalischen Bibliographie i. A. DMG, Mitarbeit an Meyers Konversationslexikon. GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. V, 104 f. (Habil.); ebd., Rep. 89, Nr. 21660, 45 f.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 135 I (20 Br. an Althoff, 1883– 1891); Chronik Halle 1892/93, 8–11; Noeldeke 1892; Weisfert 160 f. Müller, Emil, Mathematik * 22. 4. 1861 Landskron/Böhmen † 1. 9. 1927 Wien V.: Hausweber, kath. – 1879 ORS Wien, naturw.­ mathem. Stud. TH u. Univ. Wien 1879–1883, 1885 Lehramtsprüfung f. Mathematik u. darstell. Geo­ metrie, 1885–1889 Assistent am Lehrstuhl Darstell. Geometrie TH Wien, 1889–1892 Lehrer Techn. Ge­ werbemuseum Wien, 1892 Oberlehrer Baugewerk­ schule Königsberg, ca. 1898 Direktor ebd., Prom. 1898 AUK: Die Geometrie orientierter Kugeln nach Grassmann’schen Methoden, ebd. 3. 8. 1899 Habil. f. Mathematik, AV: Die Aufgaben und Methoden der darstellenden Geometrie, 1902 ord. Prof. f. darstell. Geometrie TH Wien, ebd. 1905–07 Dekan der Fakul­ tät für Bauingenieurwesen, 1912/13 Rektor. – Weiter­ bildung und Anwendung der Graßmannschen Lehre, Linien­ u. Kugelgeometrie, Hauptwerke: Lehrbuch der darstellenden Geometrie für technische Hochschulen, 2 Bde., 1908/16; (mit E. Kruppa/J. L. Krames) Vorle­ sungen über darstellende Geomtrie, 3 Bde., 1923/31. „M. wird als Begründer der Wiener Schule angesehen, deren wesentliche Merkmale eine straffere Gliederung des Aufbaues, Klarlegung der den verschiedenen Ab­ bildungsmethoden zugrundeliegenden geometrischen Grundgedanken und die Ausrichtung auf die prak­ tische Anwendung sind“ (ÖBL). Unter seinen Schü­ lern: → Wilhelm Blaschke. „Großen Einfluß nahm M. auf die Verbesserung der Lehrerbildung. Methodik und Didaktik der darstellenden Geometrie wurden durch ihn und seine Mitarbeiter vorbildlich ausgebaut.“ (ÖBL) – 1916 AkW Wien, 1925 Dr. h. c. TH Karls­ ruhe. – Politisch: Deutsche Burschenschaft. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25; vita Diss.; ÖBL 6, 411; Einhorn 1985, Bd. II, 572–583 (P). Müller, Otto, Agrarwissenschaften, Veterinärmedizin * 20. 4. 1872 Glienicke/Potsdam † 21. 4. 1918 Königsberg V.: Friedrich M., Landwirt, M.: Karoline, geb. Müller, ev. – G Berlin 1890, tierärztl. Studium ebd., Mai 1894 StE u. Approb. als Tierarzt, naturwiss. Stud. FWU (O. Hertwig), Jena, 1894 Assist. Univ.­Tierklinik Jena, 1897 bei Haeckel Prom.: Untersuchungen über die Veränderungen, welche die Respirationsorgane der Säugetiere durch die Anpassung an das Leben im Was­

Catalogus Professorum ser erlitten haben. Seit 1900 in Königsberg, Ltr. des Laboratoriums der ostpr. Holländer­Herdbuchgesell­ schaft, 1906 Ltr. Bakteriologisches Institut LWK, ohne Habil. 1909 nb. ao. Prof. f. Tierheilkunde am Lw. In­ stitut AUK, Verdienste um Bekämpfung der Tuberku­ lose, Kälberkrankheiten, Drusebehandlung. – Militär: 1914–1918 Gouvernementsveterinär im Bereich der Festung Königsberg. Vita Diss.; KW 10, 1917/18, 368 (Nachruf; P). Müller-Erzbach, Rudolf, Rechtswissenschaft, Zivil­ recht, Handelsrecht, Bergrecht * 23. 3. 1874 Perleberg/Brandenburg † 4. 9. 1959 München V.: Wilhelm M. (1839–1914; seit 1893: M.­Erzbach), Gymnasiallehrer, M.: Mathilde Hüttenhain (1847– 1912), beide Eltern aus alteingesessenen Familien im Siegerland, ev. – G Bremen 1893, jur. Studium Leipzig, Freiburg, FWU, Bonn, Januar 1897 StE, Prom. Frei­ burg 6. 2. 1898: Das Traditionsprinzip beim Erwerbe des Eigentums, 1897–1901 Referendar im OLG­Be­ zirk Celle, 18. 11. 1901 Assessorex., 27. 5. 1903 Habil. f. Handelsrecht Bonn: Die Versicherung für fremde Rechnung, 1. PV 5. 3. 1903: Der grundlegende Un­ terschied zwischen der Aktiengesellschaft und der Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung, 2. PV 1. 5. 1903: Über die rechtliche Natur des Girovertrages und der Girozahlung, AV: Über den Check und seinen Unter­ schied zum Wechsel. 1905 Erweiterung der venia auf Bürg. Recht nach Veröffentlichung eines Werkes, das Standpunkte der sich formierenden „Interessenjuris­ prudenz“ formuliert: Die Grundsätze der mittelbaren Stellvertretung aus der Interessenlage entwickelt, 1906 nebenamtl. jur. Hilfsarbeiter Oberbergamt Bonn, 19. 8. 1907 nb. ao. Prof., WS. 1910/11 beauftr. Dozent f. Dt. Bürgerl. Recht u. Handelsrecht AUK (Vertre­ tung Rauch), SS. 1911 b. ao. Prof. ebd. (Nf. Rauch), WS. 1918/1919 Göttingen (Nf. Karl Lehmann), SS. 1925 München (Nf. v. Amira), 31. 3. 1939 em. – Exponent der „Interessenjurisprudenz“, vgl. dafür außer der Studie über mittelbare Stellvertretung: Ge­ fährdungshaftung und Gefahrtragung (1912) sowie das in Königsberg entstandene Lehrbuch ‚Deutsches Han­ delsrecht‘ (1919), nach eigenen Angaben: „Bemühung um größere Lebensnähe der Rechtswissenschaft“. – Po­ litisch: Aus nationalliberalem Elternhaus, vor 1918 kei­ ner Partei angehörend, Bismarck­Verehrer, 1919–1931 DNVP, ausgetreten wegen des pro­nationalsozialis­ tischen Hugenberg­Kurses, nach 1933 fakultätsinterne Kritik an M­E.’s Distanz zum NS. – Militärisch: Im Sommer 1916 eingezogen zum Rekruten­Depot II des IR 45 in Insterburg, entlassen nach Ernteeinsatz, fer­ ner frw. Hilfstätigkeiten in Königsberger Lazaretten, Betreuung von Kriegsblinden und Gehörlosen, Ver­

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dienstkreuz für Kriegshilfe. – oo1911 Bertha Wilckens (1884–), Tochter eines Silberwarenfabrikanten aus He­ melingen bei Bremen, 2 T, 1 S. BABL, R 4901, 13272/6793; GStA Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 43, Bd. I, 300–303 (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VI, 184 ff., 246, Bd. VII, 115; Nunn 1998. Münster, Hermann, Medizin, Gynäkologie * 19. 2. 1847 Königsberg † 29. 9. 1905 Berlin V.: N. N., jüd. – Abitur Königsberg 1866, med. Stud. AUK 1866–1870, Prom. 26. 7. 1870: Wendung, Zange und künstliche Frühgeburt bei verengtem Becken mit Rücksicht auf exspectative Behandlung, 1873 Assi­ stenzarzt Univ. Frauenklinik AUK, 9. 11. 1878 Habil. f. Gynäkologie, AV: Ueber den gegenwärtigen Stand der Puerperalfiebertheorie, 1883 Tit. Professor, 8. 4. 1897 nb. ao. Prof.; wenig publiziert, „vorzugsweise der Pra­ xis zugewendet“. Bis 1905 Vorsitzender des Vereins Königsberger Ärzte. – Militär: Truppenarzt im Feld­ zug gg. Frankreich 1870/71, EK II am weißen Band, Landwehrdienstausz. – oo Ellen Hay, Tochter des prak. Arztes Edwin Adalbert Hay (1821–, 1847 habilitiert AUK f. sepz. Pathologie). Damit Schwager des Patho­ logen → Paul Baumgarten); 1 T, 1 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. XI, 191; Nr. 24, Bd. I, 313; Chronik AUK 1905/06, 8 f. Münzer, Friedrich, Alte Geschichte * 22. 4. 1869 Oppeln/O. S. † 20. 10. 1942 KZ Theresienstadt V.: Emanuel M., Zigarrenfabrikant (1840–1904), M.: Olga Unger (1845–1922), jüd., 1892 ev. getauft. – 1886 kathol. G Oppeln, 1887 hist., altphilol. Stu­ dium Leipzig, FWU, Prom. ebd. 26. 6. 1891: De gente Valeria (R.: O. Hirschfeld), 1892 StE Latein, Griechisch, private Studien Rom, Athen 1892–1894, von Georg Wissowa für die Neubearbeitung der Re­ alenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft (RE) mit der Prosopographie für die römische Repu­ blik beauftragt, der M. einen „guten Teil seiner Le­ bensarbeit“ widmen sollte (steuerte etwa 3.000 Artikel zu dem Mammutunternehmen bei). Unter der Ägide Ferdinand Dümmlers 9. 11. 1896 Habil. f. römische Altertumskunde Basel: Beiträge zur Quellenkritik der Naturgeschichte des Plinius (seinen Eltern gewidmet, veröffentlicht in einer auf fast 500 Seiten stark erwei­ terten Fassung Berlin 1897), PV: Das Militär­ und Polizeiwesen der Senatsprovinzen der römischen Kai­ serzeit, April 1902 ao., 25. 10. 1902 oö. Prof. f. Klass. Philologie u. Altertumskunde ebd., 1905–1907 Dekan Philol.­Hist. Abt. der PhilFak, 1907 Dekan der Ge­ samtfakultät. Wohl dank der Initiative des Freundes

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aus römischen Tagen, des Altphilologen → Richard Wünsch (oö. Prof. AUK 1906–1913), zum SS. 1912 oö. Prof. f. Alte Geschichte AUK (Nf. Rühl), WS. 1921/22 Münster, 1935 em. – Hauptwerk, in Königs­ berg entstanden und abgeschlossen: Römische Adels­ parteien und Adelsfamilien, Stuttgart 1920 (X, 437 S.); ansonsten neben den RE­Beiträgen zwischen 1912 und 1921 fast nichts publiziert. Wegen der aktualisierenden Bezüge aufschlußreich: Die politische Vernichtung des Griechentums, 1925, sowie die Reichsgründungsrede: Die Entstehung des römischen Principats, 1927. – Politisch: Bis 1918 Konservative Partei, 1918–1932 Sympathisant u. Wähler DNVP, „Bewunderer“ von Bismarck und Hindenburg, „nationalkonservativ“, „tief im Kaiserreich verwurzelt“ (Kneppe/Wiesehöfer), ab 1935 Opfer der NS­Rassengesetzgebung, Juli 1942 KZ Theresienstadt, dort einer Entiritis­Epidemie erle­ gen. – Militär: Ausgemustert, nach 1914 freiwilliger Lazerettdienst in Königsberg, 1917 Verdienstkreuz für Kriegshilfe. BABL, R 4901, 13272/6810; Kneppe/Wiesehöfer 1983 (P); dies. 1985; NDB XVIII, 556; APB 1892 f. Mutschmann, Hermann, Klassische Philologie * 21. 10. 1882 Essen † gefallen 21. 7. 1918 an der Westfront V.: Ernst August M. (nach 1914), Taubstummenleh­ rer, M.: Appolonia Duell (nach 1914), kath. – 1902 G Essen, altphilol. Studium Bonn (Usener, Büche­ ler), FWU, Kiel, ebd. Prom. 1906: De divisionibus quae vulgo dicuntur Aristoteleis (R.: Sudhaus), 1907 zu Handschriftenstudien (Sextus Empiricus) Natio­ nalbibliothek Paris, 1907/08 Italien mit einem Kieler Stipendium, 1908/09 Hauslehrer in Bonn (Familie v. Schorlemer­Lieser), 2. 3. 1910 Habil. f. Klass. Philolo­ gie FWU, ab 1912 Hg. Sexti Empirici Opera, zuletzt Bd. II, 1914: Adversus dogmaticos libros quinque continens; 1912 an zweiter Stelle vorgeschlagen für das Extraordinariat Deubner an der AUK, ihm wurde aber Chr. Jensen vorgezogen, WS. 1913/14 b. ao. Prof. f. Klass. Philologie AUK (Nf. Jensen), 1913: Tendenz, Aufbau und Quellen der Schrift vom Erhabenen, 1917 tertio loco auf der Liste für das Ordinariat Deubners, aber wiederum gegen Jensen zurückstehend. – Kriegs­ publizistik in der Königsberger Lokalpresse 1915/17. – Militär: 1917 eingezogen, Uffz. im Sanitätsdienst, Westfront. – Bruder: Heinrich M. (1885–1955), Prof. f. engl. Philologie. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. XV, 331–333 (Habil. 1910); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; vita Diss.; Mutschmann 1918a+b.

Naunyn, Bernhard, Innere Medizin * 2. 9. 1839 Berlin † 27. 7. 1925 Baden­Baden V.: Franz Christian N. (1798–1860), 1831–1838 Justi­ tiar Gumbinnen, 1839 Berlin, 1843 ebd. Bürgermei­ ster, M.: Anna Haebler (gest. 1880), Tochter eines Kö­ nigsberger Kaufmanns, deren Bruder Dr. theol. Ludwig Haebler Mitinitiator des Wiederaufbaus der Marien­ burg, Freund des Königsberger Historikers J. Voigt. – 1858 WerderschG Berlin, med. Stud. FWU, Prom. ebd. 1863: De Echinococci evolutione, StE, 1863– 1867 Assistent Charité (Frerichs), 1867 Habil. f. Innere Medizin FWU, 1869 ord. Prof. Dorpat, 1871 Bern, WS. 1872/73 AUK (Nf. Leyden), Prorektor 1885/86, SS. 1888 Straßburg (Nf. Kußmaul), 1904 em. – Beson­ deres Verdienst liegt in Einführung experimentellen Arbeitens in der Inneren Medizin, Schwerpunkte: Pa­ thologie und Diätetik Diabetes mellitus, in Königsberg auch Untersuchungen über den Hirndruck und über syphilitische Erkrankungen des Nervensystems und zur Lokalisation der Aphasie, seit 1890 Forschungen zur Pathologie und konserv. Therapie der Cholelithiasis. Ferner Untersuchungen zu: Leberfunktionen, Ammo­ niak­ u. Säureausscheidungen. Begründer der moder­ nen Diabetestherapie. 1873 mit O. Schmiedeberg begr. u. hg. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharma­ kologie, 1896 mit → Mikulicz Redaktion Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie (NDB), nach der Emeritierung auch Beiträge zur Me­ dizingeschichte (u. a. Naunyn 1922 und die Autobio­ graphie 1925). Schüler in Königsberg: Stadelmann, Falkenheim, Schreiber, O. Minkowski, Hallervorden. Im Nachruf gerühmt als einer jener „wahrhaften großen Männer, welche die deutsche Medizin aus der naturphilosophischen und der naturgeschichtlichen Richtung zu einer experimentellen Naturwissenschaft erhoben haben“ (Müller). Hauptwerke: Klinik der Cholelithiasis, 1892; Die Gallensteine, ihre Entstehung und ihr Bau, Jena 1921; Gesammelte Abhandlungen 1862–1908 (1908). – 1885 MR u. Mitgl. Med.kolle­ gium Prov. Ostpr., 1885 RA IV, 1886 GMR. – oo Anna Haebler (Cousine N’s.), Tochter des Gutsbesitzers Karl H. (Kr. Tilsit), eines Führers der liberalen Partei der Provinz Ostpr., MdAH, Mitbegründer Deutsche Fort­ schrittspartei. GStA, Rep. 89, 21660, 141–143; Weisfert 164; Naunyn 1925 (P); Fr. Müller 1926; Kreuter 1020 f.; NDB XVIII, 774 f. Nauwerck, Cölestin, Medizin, Pathologie * 1853 Zürich † 1938 ? Med. Stud. Zürich, 1877/78 Arzt Spital Winterthur, 1878 Med. Klinik Zürich, Prom. ebd. 1881: Beiträge

Catalogus Professorum zur Pathologie des Gehirns, 1882 Path. Inst. Tübin­ gen, 1885 Habil. f. Pathologie u. path. Anatomie ebd., 1886 Tit. Prof., 1889 ao. Prof. Pathologie, Prosektor (remuneriert) AUK (Nf. Baumgarten), 1898 Chem­ nitz, Aufbau u. Ltr. des Städt. Path. u. Hyg. Instituts. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. X, 307–310; Weisfert 164; Scholz/Schröder, 26; Kreuter, 1021. Negelein, Julius von, Indogermanistik, Indologie * 27. 10. 1872 † 16. 12. 1932 Erlangen V.: Friedrich Leo v. Negelein (1835–nach 1885), RR RegPräs Königsberg (vorzeit. Ruhestand infolge chron. Nervenleidens 1885), M: Emma v. Stabenow, ev., un­ ter den Vorfahren der erste Bürgermeister des 1724 vereinigten Königsberg u. Julius Philipp v. N. (1792– 1873), Landrat in Labiau, 1849/52 Abgeord. Preuß. LT. – 1893 WilhelmsG, Studium in Greifswald, Berlin, Marburg, AUK, 1897 Prom. ebd.: Das Verbalsystem des Atharvaveda (R.: Bezzenberger), Habil. f. indo­ germanische Sprachen Asiens ebd. 8. 7. 1899: Studien zu einer Kulturgeschichte des alten Indiens, PV: Eine ethische Idee im Veda; AV: Das Roßopfer, seine Voll­ ziehung und Bedeutung, 13. 7. 1900 Beurlaubung „auf unbestimmte Zeit“ zur Teilnahme an einer nach China zu entsendenden Expedition als Krankenpfleger („Bo­ xeraufstand“), Privatdozent AUK 1899–1920, 1920 oö. Prof. f. Sanskritwissenschaft Erlangen. – Haupt­ werk: Weltgeschichte des Aberglaubens, Bd. I 1931, Bd. II posthum 1935. GStA …, Nr. 25, Bd. IV, unpag.; Rep. 77/PA Nr. 1873 (F. L. v. Negelein); KGK 1935, 1701; Rosen­ berg 1979, 151; Stache­Rosen 1990, 178 f. (P). Neisser, Ernst, Innere Medizin * 16. 5. 1862 Liegnitz † 4. 10. 1942 Berlin (Freitod) V.: Salomon N., Kaufmann, jüd. – G Liegnitz 1883, med. Stud. Breslau, Heidelberg, FWU, Freiburg, Prom. 1888 FWU: Beiträge zur Kenntnis des Gly­ kogens („Herrn Prof. Dr. Paul Ehrlich in aufrichtiger Hochachtung“), 1889/90 Hyg. Inst. ebd. (Koch, Fraenkel), 1. 4. 1890 Volontärassist. Med. Klinik AUK (Lichtheim), Juli 1892 II. Assist. ebd., 2. 2. 1893 Ha­ bil. f. Innere Medizin, Ende 1894 Direktor Innere Abt. StädtKHS Stettin, 1931 Ruhestand. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 263–265; BLÄF 1105; AGB III, 2511 (dort fälschlich: geb. 16. 5. 1863). Nesselmann, G. H. Ferdinand, Orientalistik, Baltistik * 24. 2. 1811 Fürstenau/Kr. Elbing † 7. 1. 1881 Königsberg

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V.: Georg Ferdinand N., Prediger, M.: Sophie Frie­ derike Gericke, ev. – G Elbing 1831, 1831–1833 mathem. Stud. AUK (Jacobi, Richelot), 1833–1836 philol.­orientalist. Stud. ebd. (v. Bohlen), 25. 2. 1837 Prom., 1838 Habil. f. orientalische Sprachen: De no­ minibus et verbis cum pronomine interogative compo­ sitis in lingua sanscrita usitatis, 1846 ao. Prof., 1859 ord. Prof. f. orientalische Sprachen. Beiträge zur Ge­ schichte der Mathematik: Die Algebra der Griechen (1842), Numismatik: Die orientalischen Münzen des akademischen Münzcabinets in Königsberg beschrie­ ben (1858). Verlagerte den Schwerpunkt seiner Sprach­ forschungen seit 1845 auf den preußisch­litauischen Raum: Die Sprache der alten Preussen an ihren Ueber­ resten erläutert (1845), Wörterbuch der Littauischen Sprache (1851), Littauische Volkslieder, gesammelt, kritisch bearbeitet und metrisch übersetzt (1853), Christian Donalitius Littauische Dichtungen nach den Königsberger Handschriften … (1869), Thesaurus lin­ guae Prussicae. Der preussische Vocabelvorrath, soweit derselbe bis jetzt ermittelt worden ist, nebst Zugabe einer Sammlung urkundlich beglaubigter Localnamen (1873), durch diese Schriften einer der „Mitbegrün­ der der baltischen Philologie“ (APB). – 1880: RA IV. – Politisch: „Sehr thätiges Mitglied der hiesigen Loge zum Todtenkopf und Phönix“ (Nekrolog), bis 1848 im Geist des Königsberger Vormärz­Liberalismus aktiv, 1849: Freimaurer­Reden. – oo 1845 Mathilde Schepke (gest. 4. 12. 1880), Tochter eines Superintendenten aus Wargen/Samland, 3 K. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. VIII, 44, 160; ebd., Bd. XI, 203–207; Rep. 89, Nr. 21660, 20–22; Nesselmann 1881 (Nekrolog u. Bibl.); Weisfert 165; APB 459. Neumann, Ernst, Pathologie, pathologische Anatomie * 30. 1. 1834 Königsberg † 3. 6. 1918 ebd. V.: Prof. d. Physik Franz → N., ev. – 1850 AltstädtG, math., med. Stud., Prom. 24. 9. 1855: Experimente über narkotische Gifte (lat.), 31. 10. 1859 Habil. f. path. Anatomie u. Chemie AUK, 1858–1861 Assist. Med. Klinik (Möller), Juni 1861 Prosektor Path. Ana­ tom. Anstalt, 1863 Physikus­Prüfung, 26. 4. 1866 bes. ao. Prof. u. Dirigent Path.­Anatom. Institut (Nf. v. Recklinghausen), 9. 1. 1869 ord. Prof. ebd., 23. 4. 1869 Habil./AV: Disquisitiones nonnullae de histogenesi carcinomalis institutae, 30. 9. 1903 em. – 1868 Entde­ ckung der Entstehung roter Blutkörperchen im Kno­ chenmark (postfötal), Arbeiten über Leukämie, pathol. Blutpigmente, Begründer der mikroskop. Hämatolo­ gie, Beiträge zur Entzündungslehre, zur Degeneration u. Regeneration von Muskel­ u. Nervengewebe; 1917: Gesammelte Abhandlungen über Blut und Pigmente.

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– 1871 Mitglied des Medizinal­Kollegiums der Provinz Preußen, MR, 1879 RA IV, 1883 GMR, 1898 Dr. rer. nat. h. c. Tübingen, 1914 Dr. med. h. c. Genf. – Mi­ litär: 1857/58 Wehrdienst in Berlin. – oo Anna König (1839–1903), Tochter des Königsberger Gymn. Prof. Friedrich K. (1798–1865), 1 T, 5 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 44; ebd., Rep. 76Vf, Litt. N Nr. 15 (PA); Rep. 89, Nr. 21660, 73 f.; Weisfert 165 f., APB 461 f.; Neu­ mann­Redlin 1987 (Bibl.; P.); Ders. 1995. Neumann, Franz Ernst, Physik, Mineralogie * 11. 9. 1798 Joachimsthal/Kr. Eberswalde † 23. 5. 1895 Königsberg V.: N. N., Amtmann, M.: Gräfin v. Mellin, geb. v. Kahlden (1753–1830), unehelich, ev. – WerderschG Berlin 1817, naturw. Stud. FWU, Jena. 1820 Assist. Mineralog. Inst. FWU (E. Chr. Weiß), 1826 Prom. ebd., 1827 Habil. AUK, 1828 ao. Prof. ebd., 1829 ebd. ord. Prof. f. Physik u. Mineralogie. 1834 mit G. C. Ja­ cobi Begründer des ersten Math.­Physik. Seminars an einer dt. Universität. 1823: Beyträge zur Krystallono­ mie, Hauptwerke zwischen 1830 und 1850 zur Optik, Kristallographie, Elektrizitätslehre. 1850–1870 geringe wiss. Produktion, weitgehend nur noch als Dozent wir­ kend, seit 1870 gesundheitlich angeschlagen, Lehrtä­ tigkeit durch „Badekuren“ häufig unterbrochen, 1876 Einstellung der mineralog, 1877 physik. Vorlesungen. – Korresp. Mitglied der Akademien Berlin, Wien, St. Petersburg, London, Paris, Rom. 1860 Friedensklasse Pour le Mérite, 1894 GRR u. Titel Exzellenz, 1886 Karl Steffecks Neumann­Portrait in der Berliner Nati­ onalgalerie. – Politisch: Burschenschaftler, mußte Jena 1819, nach der Ermordung v. Kotzebues, verlassen. 1848 Exponent der Royalisten an der AUK. – Militär: Teilnehmer an den Turnübungen Jahns auf der Ha­ senheide, Kriegsfreiwilliger bei den Kolberger Jägern, Feldzug gegen Napoleon 1815, bei Ligny schwer ver­ wundet. – oo I. 1830 Florentine Hagen (1800–1838), Tochter Prof. f. Naturwiss. AUK Carl Gottfried H. (1749–1829); II. 1843 Wilhelmine Hagen (gest. 1878); aus I: 1 T Luise (1837–1934), Porträtmalerin, 4 S, darunter → Ernst, → Friedrich Julius sowie der Mathematiker Karl Gottfried Neumann (1832–1925), Prof. in Leipzig 1868–1908. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 113; Weisfert 166; Volkmann 1895; L. Neumann 1907 (P); Wangerin (P); APB 461; BEN 2003, 629. Neumann, Friedrich Julius, Nationalökonomie * 12. 10. 1835 Königsberg † 15 (17?). 8. 1910 Freiburg/Br. V.: Franz → N. – AltstädtG 1854, jur.­staatsw. Stud. Leipzig (Roscher), AUK, 1858/59 jur. StExamina,

1864 Assessor, Ltr. des statist. Dezernats Regierungs­ präsidium Königsberg, Prom. ebd. 26. 4. 1865: De media hominum aetate, quae fuerit in Borussia inde ab anno 1816 usque adhui; auf der Grundlage dieses Werkes (Teil einer größeren Arbeit über ‚Die Gestal­ tung der mittleren Lebensdauer in Preußen seit 1816‘) und einer PV: De tributo in Borussia orientali fundio imposito a. D. 1715–1719: Habil. f. Nationalökonomie 20. 5. 1865. Ab WS. 1865/66 staatsw. Vorlesungen, bis 1868 in Vertretung des beurlaubten Ordinarius Glaser. WS. 1871/72 ord. Prof. Basel, AV: Unsere Kenntnis von den sozialen Zuständen um uns, 1873 Freiburg, 1876–1908 Tübingen, AV: Über die Bedrohung des Eigentums durch die Steuer. – Schwerpunkte: Bevöl­ kerungsgeschichte, Bevölkerungsstatistik, Preisgestal­ tung, Steuerlehre, Finanztheorie, 1874: Die progressive Einkommenssteuer, 1874: Zur Reform der deutschen Fabrikgesetzgebung, 1888: Volk und Nation, 1889: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, Bd. I, 1892: Naturgesetz und Wirtschaftsgesetz. Publizistische Kommentare zu den Steuerreformdebatten des Württ. Landtags zwischen 1890–1910 (Schwäbischer Merkur), Verfechter progressiver Einkommenssteuer, Vermö­ gens­ u. Wertzuwachssteuer, verstand Bevölkerungssta­ tistik als Instrument für aktive staatliche Sozialpolitik. – 1877 Dr. oec. publ. Tübingen, 1896 pers. Adel, 1905 Dr. jur. h. c. Tübingen, Gründungsmitglied des Vereins für Sozialpolitik. – Politisch: Deutsche Partei. – Mili­ tär: Teilnahme am preuß.­öst. Krieg 1866, Secondelt. – oo 1868 Florentine Tamnau (1846–1927), Tochter eines Königsberger Justizrats, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. II, 231; Nr. 21, Bd. VI, unpag.; APB 463; Marcon/Stre­ cker 2004, 290–290 (Bibl., P). Nicholls, Arthur Percy, Lektor für Englisch * 12. 12. 1879 Bishops Stortford † nicht ermittelt Kings College London, BA, 1900 Assist. Master Techn. School Southend on Sea, 1902 Lecturer Kings Col­ lege, 1. 10. 1904 Lektor f. Englisch AUK, 1. 10. 1905 Rückkehr nach England, Chief Assist. Tech. School Southend. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 170 f., 193, 207. Nippe, Martin, Gerichtliche Medizin * 5. 9. 1883 Dresden † 5. 9. 1940 Königsberg V.: Hugo N., Kaufmann, M.: Marie Sommerlatte, ev.­ref. – KreuzG Dresden 1903, med. Stud. Jena, Leipzig, StE 1908, Prom. ebd. 19. 5. 1909: Ein Bei­ trag zur Therapie der Uretervaginalfistel, Assistent in Dresdner Frauenklinik (Georg Leopold), der Heil­ u.

Catalogus Professorum Pflegeanstalt ebd., 1910 wiss. Assist. Anat.­Path. In­ stitut KHS Dresden­Johannesstadt, 15. 3. 1912 sächs. Physikatsexamen, 1. 4. 1912 Assist. Inst. Gerichtl. Me­ dizin AUK (Puppe), Habil. f. Gerichtl. u. Soziale Med. ebd. 21. 7. 1913: 5 Jahre Trinkerfürsorge. Ein Bericht über die ersten 5 Jahre der Königsberger Alkohol­ Wohlfahrtsstelle, WS. 1914/15 b. ao. Prof. f. Gerichtl. Medizin Erlangen (Nf. Hermann Merkel), SS. 1919 b. ao. Prof. Greifswald (Nf. Otto Beumer), zugleich Di­ rektor des Instituts f. Gerichtl. Med. u. Kriminalistik und Kreisarzt Greifswald Stadt und Land, 15. 1. 1921 ord. Prof. ebd., SS. 1922 oö. Prof. f. Gerichtliche und Soziale Medizin AUK (Nf. Puppe), dort auch Gerichts­ arzt. – Schwerpunkte: Forensische Toxikologie, natur­ wissenschaftliche Kriminalistik, 1920: Leitfaden der gerichtlichen und versicherungsrechtlichen Medizin. – Politisch: NS­Ärztebund, NSLB, 1. 5. 1937 NSDAP. – Militär: Feldarzt an Ost­ u. Westfront 1914–1917, 1917/18 Armeepathologe, EK II, Bayr. König­Ludwig­ Kreuz. – oo1919 Anni Gaede, 3 T (1921–1925). BABL R 4901, 13272/6981; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 167; Mueller 1952, 264 f.; Mallach 1996, 311; LGH 2004, 171 f. Nissle, Alfred, Medizin, Hygiene, Bakteriologie * 30. 12. 1874 Cöpenick/Kr. Teltow † 25. 11. 1965 Freiburg V.: Julius N. (gest. vor 1912), Fabrikant, ev. – 1893 G Görlitz, med. Stud. FWU, Freiburg, 1900 FWU Prom.: Die Erkrankungen der Keilbeinhöhle, bis 1906 Assist. Hyg. Inst. FWU (Rubner), 1906 Assist. Hyg. Inst. München (v. Gruber, Hahn), mit Hahn WS. 1911/12 an AUK, Assist. Hyg. Inst., Februar 1912 Habil. f. Hygiene: Zur Behandlung der Trypanosomeninfek­ tion [ein Beitrag zur Kolonial­Medizin, Trypanosoma verursachen u.a. afrikanische Schlafkrankheit], Mai 1912 Umhabil. Freiburg, AV: Über die Bekämpfung des Abdominaltyphus, 1915 Ltr. Medizinisches Unter­ suchungsamt für ansteckende Krankheiten der Univ. Freiburg, 1917 b. ao. Prof. Freiburg, ab 1920 Vorle­ sungen zur Rassenhygiene, 1925–1934 LA f. Rassenhy­ giene, 14. 12. 1934 Honorarprof., 9. 1. 1938 Entpflich­ tung. – Forschungen zur Krebstherapie, Erfinder der Kolitherapie „Mutaflox“ zwecks Behandlung von hy­ pertropher Dickdarmbesiedlung, deswegen nach 1933 in engem Kontakt zu Theo Morell (seit 1936 Leibarzt Adolf Hitlers); Krebsforschung, dank unmittelbarer Unterstützung von Reichskanzlei und Stellvertreter des Führers 1938 Aufbau eines privaten Forschungsinsti­ tuts in Freiburg. – Politisch: Nach 1918 rassenhygie­ nisch motivierte Vorschläge zur Gesellschaftsreform, Muster ist für N. ein wehrkräftiger autarker, ethnisch homogener deutscher Agrarstaat (Nissle 1922); DNVP 1918–1933, 1933 ff. nicht NSDAP, Entzug des LA f.

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Rassenhygiene, gleichwohl, im Briefwechsel mit Mo­ rell, Bekenntnisse zur „Politik des Führers“, überzeugt von einem „jüdischen Krieg“ gegen das Reich, März 1943 bei Morell angeregt, als Vergeltung für den al­ liierten Bombenterror „jüdische Geiseln“ zu töten. – Militär: Wehrdienst in einem Berliner GR, 1899/00, 1915–1918 Res. Lazarett Freiburg, Stabsarzt d. R. – oo 1903 I. Margarethe Giesler (1875–), kinderlos; II. undat. Erna Müller (gest. nach 1969). BABL, R 4901, 13272/6982; KGK 1931, 2094; Ullrich 1990. Nitzsch, Karl Wilhelm, Mittelalterliche und Neuere Geschichte * 22. 12. 1818 Zerbst † 20. 6. 1880 Berlin V.: Gregor Wilhelm N. (1790–1861), Klass. Philologe, Prof. in Kiel, Leipzig, M.: Auguste Vogt (1798–1875), ev. – 1837 G Wittenberg, hist. Stud. FWU (Schüler Rankes), Kiel, 1842 Prom.: Polybius. Zur Geschichte antiker Politik und Historiographie (R.: Droysen), Studienaufenthalt Rom 1843/44, 1844 Habil. f. Ge­ schichte Kiel: Die Gracchen und ihre nächsten Vorgän­ ger, 2. 9. 1848 ao. Prof. ebd. (Nf. G. Waitz), 11. 3. 1858 ord. Prof. ebd., SS. 1862 AUK (Nf. W. Giesebrecht), WS. 1872/73 FWU. – Ausgehend von der griech. u. röm. Geschichte seit 1855 Hinwendung zur Geschichte des Mittelalters, mehrere „Vorarbeiten zur Geschichte der staufischen Periode“, die eine bis zum I. Weltkrieg andauernde Diskussion über die Entstehung der ma. Stadtverfassung auslösen. Die Vorlesungverzeichnisse in Kiel, Königsberg und Berlin weisen ihn als „uni­ versalhistorisch“ ambitioniert aus, doch liegt kein Hauptwerk vor, es sei denn, man will die posthum hg. Vorlesungen zu ‚Geschichte des deutschen Volkes bis zum Augsburger Religionsfrieden‘ (3 Bde., 1883–85, ND 1959) als solches werten. Impulsgebend seine Pro­ filierung der ökonomischen und rechtlichen Faktoren der Politik. – 1850 Sekretär der Gesellschaft für Schl.­ Holst. Geschichte (Nf. Waitz), 1854 Hg. der Jahrbü­ cher für Landeskunde …, 1879 Mitglied PrAkW. – Poli­ tisch: In Kiel für die Lösung der Herzogtümer aus dem dänischen Gesamtstaat („eifrig deutsch Gesinnter“, ADB), in Königsberg Bismarckianer und Anhänger der Konservativen Partei. – oo I. 1849 Sophie Paulsen (1829–1850), Tochter des dänisch gesonnenen Kieler Rechtsprof. Christian P. (1798–1854), 1 T, oo II. 1855 Marie Schlenther, geb. Patzig (1824–?), 1 S, 1 T. Ver­ wandtschaft mit E. M. Arndt, dem Schwiegervater sei­ nes Bruders. Festrede auf diesen „Liebling der Nation“ zu dessen 100. Geburtstag in der KglDG (abgedruckt in: Deutsche Studien, 1879).

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Weisfert 168; v. Below (Hg.) 1910, ders. 1912a+b; ADB XXIII, 730–742; Merzdorf 1913; Volbehr/Weyl 142; SHBL V, 189 f. (P).

GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 220 f.; Politzer 1913, 270; BLÄF II, 1157; MG II, 334 f.

Noetling, Fritz, Geologie, Paläontologie * 17. 7. 1857 Mannheim † nicht ermittelt 1875 RG Mannheim, geol. Stud. Polytech. Karlsruhe, 1876/77 prakt. Ausbildung als „Bergbaubeflissener“, Fortsetzung des Stud. Bonn, Straßburg, FWU, ebd. 1880 Prom.: Die Entwicklung der Trias in Niederschle­ sien, 1881 Habil. f. Geologie AUK, vermutlich mit einer Teilstudie zu ‚Die Fauna des samländischen Ter­ tiärs‘, 1887 venia legendi wg. Anstellung im Ausland entzogen. Seit Ende 1886 in den Diensten des Indian Office, stationiert u. a. in Kalkutta, bis 1920 zahlreiche Veröffentlichungen zur Geologie, Geomorphologie, Prähistorie Mittelasiens. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 202; Chronik 1886/87, 7.

Pape, Carl, Physik * 20. 1. 1836 Hannover † 7. 5. 1906 Steglitz bei Berlin V.: Notar in Celle, ev. – 1855 G Celle, naturw. Stud. Göttingen (1855–57), Heidelberg, dort Prom. 1858, Fortsetzung der Studien an AUK bei Franz Neumann, 1862 Habil. f. mathematische Physik Göttingen: Über die spezifische Wärme wasserfreier und wasserhaltiger Salze. 1866 Lw. Akademie Proskau, SS. 1877 ord. Prof. f. Experimentalphysik (Nf. L. Moser). Wissenschaftlich konzentriert auf Kristallphysik, unter thermischen u. optischen Aspekten, kleinere Arbeiten u. a. über op­ tische Konstanten des Kupfervitriols, Wärmeleitung in Kupfervitriol. Beteiligung an Edition der Schriften Neumanns (1883). Initiator des Neubaus des Physika­ lischen Instituts. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, 286–297; Weisfert 171; Poggendorff 1898 III, 1004 (Bibl.); Chronik AUK 1906/07, 9 f.; Ebel 1962, 140; BEN 2003, 657.

Ohlrich, Hans, Bibliothekar, UBK * 16. 3. 1864 Königsberg † 31. 5. 1916 Würzburg Stud. Klass. Philol. u. Archäologie, Prom. 18. 7. 1888 Jena: Die florentiner Niobegruppe, ein Beitrag zur Geschichte der antike Gruppe; kein StE, 15. 10. 1890 Volontär UBK, Assistent 1894, Hilfsarbeiter 1. 1. 1897, 1. 7. 1899 Hilfsbibl. (Nf. Hirsch), 1900 Bibliothekar, 1903 Studienaufenthalt Athen, 1912 Titel Oberbibl., 1915/16 krankheitsbedingt beurlaubt. KW 8, 1915/16, 668. Ostmann, Paul, Medizin, Ohrenheilkunde * 8. 4. 1859 Potsdam † 15. 3. 1945 Königsberg V.: N. N., Lehrer in Potsdam, Rektor in Wernigerode, M.: Hermine Lange, ev. – 1879 G Wernigerode, mi­ litärärztl. Ausbildung Berlin (Virchow, Helmholtz, Leyden, Trautmann), 12. 2. 1883 Prom. FWU: Neue Beiträge zu den Untersuchungen über die Balgdrüsen der Zungenwurzel, 1884 StE, 1889 Physikatsexamen, 1890 Stabsarzt, 1891 Oberstabsarzt, März 1890 nach Königsberg versetzt, Ltr. Ohrenstation Garnisonsla­ zarett; Habil. f. Ohrenheilkunde AUK 17. 5. 1892, WS. 1895/96 ao. Prof. (Remun.) f. Ohren­, Nasen­ u. Halskrankheiten Marburg, SS. 1898 b. ao. Prof. ebd., 24. 8. 1910 ord. Honorarprof. ebd., em. 31. 3. 1917. – Vornehmlich physiologisch­akustische Arbeiten, 1900: Die Krankheiten des Gehörorgans in der Armee, in: Fr. Aug. Düms (Hg.), Handbuch der Militärkrankheiten, 3; 1909: Lehrbuch der Ohrenkrankheiten für Ärzte und Studierende. – 1916 GMR. – Militär: 1879 Wehr­ dienst GardeGR 1, bis 1895 Militärarzt.

Partheil, Alfred, Pharmakologie * 1. 5. 1861 Zerbst † 22. 4. 1909 Heilanstalt Kortau/Allenstein V.: Gustav P. (1827–), Kaufmann, nach Unterschlagung 1866 in die USA geflohen, M.: Valeska Bienengraeber (1834–1900), ev. – G Zerbst bis 1877, Apotheker­ lehre 1877–1880 Bad Oeynhausen, 1880–1883 Apo­ thekengehilfe in Mehlsack, Braunsberg, Königsberg, 1883–1885 pharm. Stud. AUK, 12. 5. 1885 pharm. Examen, 1886 Reifeprüf. G Köthen, Militärpharma­ zeut Königsberg 1886/87, nebenher Stud. AUK bei Pape, Chun, Caspary, Lossen, 1888 chem. Stud. Mar­ burg (Ernst Schmidt), 1. 10. 1889–1. 10. 1895 Assist. Pharm.­chem. Inst. Marburg, 13. 3. 1890 Prom. ebd.: Über einige Abkömmlinge des Trimethylallylammo­ niumhydroxyds, 7. 11. 1892 Habil. f. pharm. Chemie: Über Cytisin und Ulexin, PV: Über Terpene, AV: Carl Wilhelm Scheele; WS. 1895/96 Direktor Pharm. Ap­ parats Bonn (Nf. Klinger), 16. 4. 1896 b. ao. Prof. f. pharm. u. toxikol. Chemie ebd., WS. 1903/04 b. ao. Prof. u. Direktor pharm. Laboratoriums AUK (Nf. Klinger). 1907/08 Ausbruch einer syphilitischen Krankheit, 1909 Heilanstalt Kortau. – oo 1893 Anna Spehr (1867–?), Tochter eines Apothekers in Königs­ berg, 2 T. Gundlach 484; Wenig 220; Jost 2007 (auf Nachlaß und GStA­Akten gestützt; Bibl.; P).

Catalogus Professorum Payr, Erwin, Medizin, Chirurgie * 17. 2. 1871 Innsbruck † 6. 4. 1946 Leipzig V.: Karl P. (1836–1907), Sekr. d. Handels­ u. Gewer­ bekammer, Prof. f. Staatsrechnungswiss., M.: Anna Sauter, kath. – 1889 HG Innsbruck, med. Stud. Wien (Billroth, v. Eiselsberg), Innsbruck (Roux), Prom. ebd. 1894: Pathologie und Therapie des Hallux valgus (R: Anton Weichselbaum), Assistenzen in Wien, 1899 Ha­ bil. f. Chirurgie Graz bei Nicoladoni, dem Wegbereiter der orthopädisch­plastischen Chirurgie: Beiträge zum feineren Bau und zur Entstehung der carpalen Gan­ glien; 1902 nb. ao. Prof. ebd., bis 1906 Primararzt StädtKHS Graz, aufgrund Empfehlung Ernst v. Berg­ manns WS. 1907/08 oö. Prof. f. Chirurgie Greifswald (Nf. P. Friedrich), AV: Was soll die chirurgische Klinik dem angehenden Arzte auf seinen Lebensweg mitge­ ben?, 1910 Berufungen nach Zürich und Tübingen abgelehnt, WS. 1910/11 AUK (Nf. Lexer), SS. 1911 Leipzig (Nf. F. Trendelenburg), AV: Die physiologisch­ biologische Richtung in der modernen Chirurgie, 1917/18 Dekan, em. 1. 4. 1937. – „Zählte zu den bedeutendsten Chirurgen seiner Zeit“ (NDB), „Be­ gründer der klassischen Orthopädie“ und der Arthro­ plastik (Gaentzsch), während des I. Weltkrieges große Erfolge in der Behebung von Gelenkversteifungen bei Kriegsverwundeten sowie in der Amputationen verhin­ dernden Gelenkchirurgie. Payr­Schüler u. a. → Ernst Heller, → Martin Kirschner, → Paul Frangenheim, → Arthur Läwen (Catalogus, Bd. II). Schwerpunkt in der orthopädisch orientierten Pathologie u. Chirurgie von Gelenkerkrankungen, summa 1934: Gelenkstei­ fen und Gelenkplastik, Tl. 1; zudem Magen­, Schä­ del­/Hirn­Chirurgie, Organtransplantation, Therapie bösartiger Geschwülste in Magen u. Darm (seit 1917 Befassung mit Krebsfrüherkennung), Chirurgie des Harn­ u. Geschlechtsapparats, entwickelte zahlreiche chirurg. Instrumente u. Operationsverfahren, seit 1920 Konstitutionspathologie, 320 Publikationen u. 30 Kongreßbeiträge, Begründer u. Hg. der Ergebnisse der Chirurgie und Orthopädie. – GMR, 1929 Präsident der DtChirG, 1940 Ehrenmitglied, 1924 Dr. med. vet. h. c. Leipzig. – Politisch: 1933 NSLB, NSV, NSDD, NS­Opferring. – Militär: 1914–1916 Generalarzt, be­ rat. Chirurg eines Res. Korps Westfront, 1916–1918 Kriegslazarett Leipzig, EK I, 1939–1941 berat. Chirurg im Heimatgebiet, Generalarzt z. V. in Leipzig und Um­ gebung. – oo1901 Helene Steiner, 1 T, 1 S Bernhard P. (1903–), Romanist, Ltr. des Zentrallektorats der NS­ Reichsstelle zur Förderung des dt. Schrifttums. BABL, R 4901, 13273/7154; Gaentzsch 1970 (Bibl. 194–217, 323 Publikationen; P); Payr 1994 (posth. Autobiographie; P); NDB XX, 148 f.; LGH 2004, 176–178.

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Peiser, Felix, Assyriologie, Vor­ und Frühgeschichte Ostpreußens * 27. 7. 1862 Berlin † 21. 4. 1921 Königsberg V.: Wolff Israel P., Verlagsbuchhändler, M.: Rosalie Gottheil, jüd. – LuisenG Berlin 1882, philol.­philos. Stud. FWU, Leipzig, 1884 Prom. ebd.: Die assyrische Verbtafel (V Rawl. 45) I.: Die assyrische Zeichenord­ nung aufgrund von Sa und V Rawl. 45. 1889/90 Studi­ enaufenthalt London, Brit. Museum, 8. 8. 1890 Habil. f. semitische Philologie Breslau: Jurisprudentiae Baby­ lonicae quae superunt. Commentation assyrologica de nonnullis quae in museis et Britannico et Berlinensi eistant tabulis quam scripsit et amplissimi philoso­ phorum ordinis. 1894 Umhabil. AUK, 1905 nb. ao. Prof., 1919 ord. Honorarprof. ebd. – 1890–1898 Hg. ‚Aus dem babylonischen Rechtsleben‘, 1898 Hg. ‚Zur Geschichte Abesssiniens im 17. Jahrhundert‘, 1904 Hg. ‚Hammurabis Gesetz, Studien zur Textgeschichte AT‘, 1903: ‚Der Prophet Habakuk‘, 1914: ‚Hosea‘. Gründer u. Schriftleiter Orientalische Literaturzeitung 1898–1921. 1902 Vorstand der Altertumsgesellschaft Prussia, 1916–1921 Vorsitzender, 1904–1915 Ausgra­ bungen in Masuren. – Politisch: Vorsitz der Breslauer Ortsgruppe der linksliberalen Gesellschaft für ethische Kultur um 1893/94. – oo1897 Toni Simon. GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 41, Bd. IV, 46 (Habil. Breslau), 124 (Polizeipräsident Breslau wg. Beschwerde Peisers als Vors. d. Gesell. f. eth. Kultur); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, unpag. (vita zur Umhabil.); DBJ 1921, 311; Bergsträsser 1921; Sigilla IV, 1122; Walk 292; APB 1268. Pelka, Hermann, Theologie, Lektor Polnisch * 24. 9. 1831 Kurken/Kr. Osterode, Ostpr. † 25. 5. 1900 Königsberg V.: Gottfried P. (um 1835 gest.), Krüger, M.: Maria Godlewska, ev. – Lehrerseminar Hohenstein, 1851– 1856 Lehrer in Seeburg/Oberland, 1857 G Hohen­ stein, 1858–1861 theol. Stud. AUK, 1862 Gymnasi­ allehrer in Lyck, 1864–1873 Pfr. Steindammer Kirche Königsberg, zugleich Dirigent poln.­homilet. Seminars AUK, 1873 Konsistorialrat, 2. Schloßpfarrer, Hofpre­ diger. „Widmete sich vorzeugsweise der geistlichen Pflege seiner masurischen Stammesgenossen bis nach Westfalen hin“ (Chronik). – 1890 Dr. theol. h. c. AUK, 1894 Oberkonsistorialrat. – oo Agathe Preuschoff (1839–1879), 5 T, 3 S, darunter → Wilhelm. Chronik AUK 1900/01, 6 f.; APB 1667 f.

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Pelka, Wilhelm, Bibliothekar, UBK * 21. 2. 1879 Königsberg † 1916 Kriegstod V.: → Hermann P. – 1898 WilhelmsG, Stud. Ge­ schichte FWU, AUK, Prom. AUK, Rig. 1. 7. 1903: Studien zur Geschichte des Untergangs des alten Thü­ ringischen Königreichs im Jahre 531 n. Chr. (R.: Erler/ Krauske), 21. 2. 1907 Volontär UBK, 1. 3. 1908 UB Göttingen; zuletzt 1913 Stadtbibl. Königsberg. Vita Diss.; Bader 1925, 188. Pelz, Arthur, Medizin, Psychiatrie, Neurologie * 21. 12. 1879 Schubin/Posen † gefallen 15. 7. 1918 V.: Moritz P., Kaufmann, jüd. – Jüdische Volksschule Schubin, 1898 ComeniusG Lissa/Posen, med. Stud. FWU 1898–1901, Breslau 1901/02, Februar 1903 StE, Prom. Breslau März 1903: Über die Beziehung der progressiven Muskelatrophie zur amyotrophischen Lateralsklerose (R.: Wernicke), Assistenzarzt Privatir­ renanstalt in Berlin Lankwitz (Oppenheim), prak. Arzt ca. 1907 Berlin­Niederschönhausen, 1910 Nieder­ lassung als Nervenarzt in Königsberg, 1913 Assistent Univ. Nervenklinik AUK, Habil. f. Psychiatrie u. Neu­ rologie Juli 1916, AV: Persönlichkeit und Neurose. Von → K. Goldstein angeregt zu Aphasie­Studien. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 231; vita Diss.; KW 8, 1915/16, 781; Kreuter, 1081. Perlbach, Max, Bibliothekar, UBK * 4. 11. 1848 Danzig † 18. 2. 1921 Berlin V.: Joseph P., Kaufmann, M.: Caroline Baum, jüd. – FriedrichsG Breslau 1866, hist. Stud. ebd., Heidel­ berg, Göttingen, Prom. ebd. bei Waitz 1871: Die äl­ tere Chronik von Oliva, 1872–1876 IV. Kustos UBK, 1876–1883 UB Greifswald, 1883–1903 UB Halle, dort 1894 Oberbibliothekar, 1903 KBB (Abteilungs­ direktor). Seit der Königsberger Zeit „fest mit der Geschichtsforschung des Preußenlandes verbunden“, „bahnbrechende editorische Leistungen“, „bedeu­ tender Organisator der altpreußischen Geschichtswis­ senschaft“ (APB), 1872 Mitbegründer des Vereins für die Geschichte der Provinz Preußen. Weisfert 173 f.; APB 1037. Perls, Max, Medizin, Pathologie * 5. 7. 1843 Danzig † 15. 5. 1881 Gießen V.: Abraham P., M.: Amalia Frenkel, jüd. – 1860 G Danzig, med.­naturw. Stud. AUK 1860–1864, Prom. 9. 3. 1864 ebd.: Quae via insufficienta renum sympto­ mata uraemica efficiat (exp. Untersuchungen über den Zusammenhang der Nierenkrankheiten mit der Urä­

mie). Assistent am Path.­anat. Inst. AUK unter Reck­ linghausen u. E. Neumann, Habil. f. path. Anatomie u. Physiologie 4. 12. 1867, AV: Ueber die neuren Entzün­ dungstheorien, 1874 ord. Prof. Gießen, Hauptwerk: Lehrbuch der allgemeinen Pathologie (1877–79). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 98; Weisfert 174; BLÄ IV, 560. Peters, Carl Friedrich, Astronomie * 16. 4. 1844 Pulkowa/Rußland † 2. 12. 1894 Königsberg V.: Astronom, Christian Friedrich Aug. P., Prof. AUK 1849–1854, ev. – G Altona, naturw. Stud. Kiel, FWU (Foerster, Weierstraß, Kummer), 1868 Prom. Göttin­ gen, 1868 Assistent, 1872 Observator Sternwarte Al­ tona, 1873–1883 Observator Sternwarte Kiel, 1876 Habil. ebd., 1882 nb. ao. Prof. ebd., 1883 Vorsteher Chronometer­Oberservatorium Kais. Marine ebd., 1876–1888 auch Lehrer an der Marineakademie ebd., SS. 1888 ord. Prof. f. Astronomie u. Direktor Stern­ warte AUK (Nf. Luther). – Kometenbeobachtungen und Observationen zur Bahnbestimmung der ‚Sylvia‘. In Königsberg zum Zweck der Bestimmung der Son­ nenparallaxe Beobachtung von Sternen im Vergleich zum Planetoiden ‚Victoria‘. 1894 ‚Kosmische Physik‘ in: J. Müller (Hg.), Lehrbuch der Physik und Metero­ logie. – oo 1868 Hulda Brinckmann (1846 Hohe­ luft/Hamburg­Eppendorf – 23. 9. 1906 Königsberg), Mitbegründerin des Königsberger Goethe­Bundes 1901, Mitglied im Vorstand, Vorsitzende des Vereins Frauenbildung­Frauenstudium, Kunstweberin, 5 K, da­ runter 1 T Gertrud (1881–; 1935 in Berlin). GStA, Rep. 89, Nr. 21660; 164–166; Chronik AUK 1894/95, 13 f.; Weisfert 174 f.; Schwonder 1931, 3 f., 23; Volbehr/Weyl 181; SHBL IV, 182 f.; Lühning 2007, 233 (P), 245–247, 337–365. Petruschky, Theodor, Medizin, Gerichtsmedizin, Hy­ giene * 9. 4. 1826 Medzibor/Kr. Poln. Wartenberg (Schles.) † 1. 2. 1889 Königsberg V.: N. N. – Militärärztl.­med. Stud. 1846–1850 Berlin, 1851 Prom. FWU: De resectione articolurum extre­ mitatis superios. 1851 Militärarzt im Kaiser Alexander GR, 1855 Garde Art.­Reg., 1861 Oberstabsarzt, 1870 Divisionsarzt, 1886 als Generalarzt verabschiedet. 9. 12. 1865 Habil. f. Chirurgie u. gerichtliche Medizin, AV: De Prophylaei Physica et Psychica Generali, 1870 Remun. 200 Thl. für Kolleg über Gerichtl. Med., 1884 Tit. Prof.. – Im preuß.­österr. Krieg 1866 Chefarzt eines Feldlazaretts, 1870 Divisionsarzt, 8/1870–7/1871 stellv. Generalarzt II. AK, Teilnahme an der Schlacht von Colombey­Nouilly.

Catalogus Professorum GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 82; Chronik AUK 1888/89, 5 f. ; Weisfert 175; Pagel 1282; BLÄ IV, 575. Pfeiffer, Richard, Medizin, Hygiene * 27. 3. 1858 Zduny/Posen † 15. 11. 1945 Bad Landeck/Schlesien V.: Otto P. (geb. 1827), Pastor, M.: Natalie Jüttner (geb. 1826), ev. – Militärärzt. Stud. KWA Berlin, Prom. FWU Juni 1880: Ueber die anatomische Grund­ lage der Elephantiasis arabum, 1880–1889 Militärarzt Wiesbaden u. Berlin, 1887 abgeordnet als I. Assistent Hygien. Institut FWU (R. Koch), 1891 Habil. FWU f. Hygiene u. Bakteriologie, Ltr. wiss. Abt. Institut f. Infektionskrankheiten unter Robert Koch, 1894 Tit. Prof., 1897 Mitglied Ärztekommission zur Untersu­ chung der Pest in Indien, WS. 1899/00 zunächst zum 31. 8. 1899 b. ao., zum 1. 10. oö. Prof. AUK (Nf. v. Es­ march), SS. 1909 Breslau (Nf. Flügge), 31. 3. 1926 em. – Arbeiten zur Immunologie, Bakteriologie, Entdecker des Influenzabazillus, Choleradiagnose, entwickelte Verfahren zur Immunisierung gegen Cholera, Typhus, Pest. 1889 mit → C. Fraenkel: Mikroskopischer At­ las zur Bakterienkunde, 1902–1905 mit Bernhard Proskauer: Enzyklopädie der Hygiene, 1919 Hg. mit → Friedberger: Lehrbuch der Mikrobiologie. – 1908 GMR, RA IV, KrO III, Japan. Orden v. hl. Schatz III f. Kunst u. Wissenschaft, Kussmann­Medaille Univ. Heidelberg für die Erfolge von Schutzimpfungen 1914–1918, ausw. Mitglied Royal Society London, Kgl. Schwed. Akademie. – Militär: 1914–1917 Berat. Hygieniker 2. Armee (Westfront), EK I. – oo I. 1891 Elisabeth Teubner (1861–1934), II. 1934 Elsa Danke­ witz (1879–). BABL, R 4901, 13273/7265; GStA, Rep. 89, Nr. 21662, 99 f.; Lubinski 1928 (P); RHB 1405 (P); DBE VII, 642; NDB XX, 323; APB 1900 f. Phillips, Georg Jakob, Staats­ und Kirchenrecht * 1847 Elbing † 1877 Königsberg V.: Adolph Ph. (1813–1877), Kaufmann, Oberbürger­ meister von Elbing 1843–1851, 1848 Abgeordneter der Nationalversammlung (APB 500), M.: Emma Hay, ev. – Prom. FWU 7. 7. 1864: Quid jus catholicum et prostestanticum statuerint de impedimento, quod vo­ catur deficientis conditionis appositae, explicatur (dem Vater gewidmet), 5. 7. 1870 Habil. f. Kirchenrecht Halle: Der Ursprung des Regalienrechts in Frankreich, PV: Ueber Pseudoisidor, SS. 1873 ord. Prof. f. Kirchen­ recht AUK. GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 36, Bd. II, 79 (Habil.); APB 500 (Phillips sen.).

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Pillet, Alfred, Romanische Philologie * 25. 1. 1875 Breslau † 26. 10. 1928 Königsberg V.: André P., Prof., Oberlehrer, Lektor Univ. Bres­ lau, M.: Mathilde Körte, kath. – 1892 WilhelmsG Breslau, neuphilol. Stud. FWU (Tobler, Zupitza), Breslau, 30. 11. 1896 ebd. Prom.: Die neuprovenza­ lischen Sprichwörter der jüngeren Cheltenhamer Lie­ derhandschrift (R.: → Appel), 1898 Studienaufenhalt Paris (Sorbonne, Collège de France), 7. 2. 1901 Habil. f. rom. Philologie Breslau: Das Fableau von den Trois bossus ménestrels und verwandte Erzählungen früherer und späterer Zeit. Ein Beitrag zur altfranzösischen und vergleichenden Literaturgeschichte. SS. 1911 ord. Prof. f. rom. Philologie AUK (Nf. Schultz­Gora), 1924/25 Rektor. Seit dem I. Weltkrieg an einer Bibliographie der Troubadours arbeitend, die posthum 1933 erschien, Hauptinteresse galt der ma.­prov. Literatur. – oo 1925 Margarethe Schneemann aus Lübeck, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 41, Bd. V, 60–63 (Habil.); Appel 1929; APB 502. Pilz, Gustav, Medizin, Tierheilkunde * 29. 9. 1841 Beeskow † 26. 12. 1908 Königsberg 1869–1881 Polizeitierarzt Charlottenburg und gleich­ zeitig Marstalltierarzt der Königin von Preußen. 1881 Oberroßarzt, 1890 Korpsrossarzt I. AK (Königsberg) und stellv. Lektor der Tierheilkunde am Landw. Inst. AUK. – Vorlesungen und Übungen über Physiologie der Haustiere, Pferdezucht, Pferdekenntnis, Seuchen­ krankheiten u. äußere Krankheiten der Haustiere; führte die ersten Impfungen mit dem Kochschen Tu­ berkulin in der Provinz Ostpreußen durch. Veröff. in der Berliner tierärztlichen Wochenschrift u. Zeitschrift für Veterinärkunde. – RA u. KrO IV. Kl., Landwehr­ Dienstauszeichnung I. Kl. – oo N. N., mindestens 1 S, Walter (1873–), Dr. med. AUK 1901 mit einer ge­ richtsmed. Dissertation. Chronik AUK 1908/09, 9. Pincus, Salomon, Medizin, Gerichtsmedizin * 18. 1. 1819 Lobsens/Prov. Posen † 2. 8. 1890 Johannisbad 1841–45 med. Stud. AUK, Prom. 1845 ebd., 1863 Kreisphysikus Insterburg, nebenher Beschäftigung mit Agrikulturchemie im Auftrag des Lw. Centralvereins für Litauen u. Masuren, 1871 Stadtphysikus Königs­ berg, 1872 Habil. f. Staatsarzneikunde (Gerichtsmedi­ zin), 20. 12. 1872 AV: De officiis et arte medici forensis in crimine infanticidii deque ratione qua inter leges de hoc crimine latas et progressum medicinae forensis in­ tercedit, WS. 1875/76 b. ao. Prof., 1888 wg. Krankheit beurlaubt.

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Chronik AUK 1890/91, 4 f.; Weisfert 176; Kabus 52 (P). Podack, Max, Innere Medizin * 30. 3. 1867 Königsberg † 1898 ebd. V.: N. N., ev. – 1887 AltstädG, med. Stud. AUK, 1892 StE u. Prom: Beitrag zur Histologie und Funktion der Schilddrüse, 1892–1894 Assist. Physiol. Inst. u. Med. Klinik, 1894 II. Assist. Med. Klinik (Lichtheim), 30. 7. 1897 Habil. f. Innere Medizin: Zur Kenntnis des sog. primären Endothelkrebses der Pleura und der Mucormykosen im menschlichen Respirationsapparat, AV: Die Entwicklung der physikalischen Diagnostik der Brustkrankheiten. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 316 f. Pompeckij, Josef Felix, Geologie * 10. 5. 1867 Gr. Köllen/Kr. Rössel (Ostpr.) † 8. 7. 1930 Berlin V.: Ignaz P., Gutsbesitzer, M.: Magdalene Norden, kath., 1905 Konversion (ev.). – RG Elbing 1885, 1885–1890 naturw. Stud. AUK, Prom. ebd. 6. 8. 1890: Die Trilobitenfauna der ost­ u. westpreußischen Di­ luvialgeschiebe (R.: Branca), 1890–1893 Assist. Geol. Institut Tübingen (Branca), 1. 4. 1894 Assist. Paläont. Museum München (K. A. v. Zittel), 1897 Kustos ebd., 1894 Habil. f. Geologie u. Paläontologie ebd.: Über Ammonoiden mit ‚anormaler Wohnkammer‘, 1896 im Auftrag rum. Regierung Bereisung Rumäniens u. Russ. Polens, 1903 nb. ao. Prof. ebd., 1. 10. 1904 oö. Prof. Lw. Hochschule Hohenheim, 1. 1. 1907 b. ao. Prof. AUK (Nf. Schellwien), 1. 4. 1907 b. ao. Prof. Göttin­ gen (Nf. v. Koenen), Direktor des Geol.­paläont. Insti­ tuts, 1913 Tübingen (Nf. Koken), 1917–1932 FWU (Nf. Branca), 1925/26 Rektor. – Primär Paläobiologe, Rekonstruktion vorzeitlicher Lebensräume und Erfor­ schung von deren Veränderungen/Regressionen, Hg. Palaeontographica (1902–) und Mit­Hg. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie und Zentral­ blatt. Hg. Geologische und paläontologische Abhand­ lungen. Nach 1918 engagiert in der auswärtigen Wis­ senschaftspolitik, um Beziehungen zu Sowjetrußland herzustellen, 1926 Ltg. der dt. Delegation beim Intern. Geologen­Kongreß in Madrid, Ehrenmitglied der Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaft usw. Moskau 1928. – Geh. Bergrat 1917, Mitglied PrAkW, AkW Göttingen, Naturforscher Gesell. Halle, Vor­ standsmitglied DtGeolGesell 1920–1930. – Politisch: Burschenschafter (Königsberger Alemanne), nach 1918 DNVP. – oo1897 Clara Quenstedt, Tochter des Tübin­ ger Geologen Friedrich August Q. (1809–1889), 1 S (gef. 1918), 1 T.

GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, 6 f.; Chronik Univ. Göttingen 1906/07, 11; GG I, 332 (P); APB 514; NDB XX, 613 f.; Balder 2010, 214. Portzehl, Otto, Romanische Philologie * 24. 7. 1860 Strelitz † 21. 9. 1945 Neustrelitz V.: Lehrer Stadtschule Altstrelitz, M.: Amalia Bauer, ev. – 1878 HG Carolinum Neustrelitz, philol. Stud. Halle, AUK, 1887 StE, 1887/88 Probejahr G Inster­ burg, 1889–1905 Oberlehrer WilhelmsG, 1905–1907 Direktor HufenG, Tit. Prof., 1907–1918 Direktor Bes­ sel­Schule, 1918–1925 Direktor Hindenburgschule. Lektor f. Französisch AUK 1915–1918, gestorben auf der Flucht nach schweren Mißhandlungen durch So­ wjetsoldaten. – ooN. N., mindestens 1 S. VV­AUK; Weisfert 178; APB 1043. Pott, August, Theologie, Neutestamentliche Exegese * 12. 3. 1870 Berlin † 26. 2. 1926 Königsberg V: N. N., Kaufmann, ev. – 1888 FriedWerdG Ber­ lin, theol. Studium FWU, Marburg, erstes Ex. Berlin 1894, 1896 einige Zeit Vorleser eines blinden Majors in Schlesien, dann Mitarbeit bei v. Soden am textkrit. Werk z. NT, dazu 2 Jahre Handschriften­Forschung in England, dort Interesse an non­konformistischen Kirchen, innere Mission, soziale Institute. 1899 Kandidatenstift zu Berlin, Ltr. der wiss. Übungen unter Aufsicht des Oberhofpredigers Dryander, von dort Informationsreise in die frz. Schweiz, dort viele pers. Beziehungen, 1900 Feldprobst in Stettin,1901 Hamburg, 1907 versetzt nach Königsberg, dort Hö­ rer AUK, Kontakte zu Gutsbesitzern u. Magistrat, Gründung eines Ausschuß zur Veranstaltung relig. wiss. Vorträge, seit 1910 Schriftwart. Theol. Prom. 24. 4. 1912 AUK: Der griechisch­syrische Text des Matthäus 351 im Verhältnis zu Tatian sc Ferrar (R.: Juncker); 6. 6. 1912 Habil. f. neutestamentl. Hilfswis­ senschaften ebd. (mit Diss.!); 1918 Tit. Prof., 1920 LA f. Text­, Literatur­, Kanonkritik des NT, griech. Grammatik der hellenistischen Zeit, Kulturgeschichte 300 v.–300 n. Chr., Geschichte des Spätjudentums, Leben­Jesu­Forschung beantragt. In der Hoffnung auf einen LA für Judaica nach 1918 auch Übungen über Mischna Traktate angeboten. – Militär: Im August 1914 Feldprediger in einem Königsberger Regiment, Teilnahme an den Schlachten von Tannenberg und an den Masurischen Seen, 1914/15 Ostfront in Polen, gab die Sammlung seiner Predigten in Auswahl 1915 heraus: ‚Vom Feld fürs Feld‘. Feldprediger bis 1917, zuletzt an der Front vor Riga, ab Herbst 1915 Orga­ nisation der Seelsorge in poln. Kreisen, Tschenstochau

Catalogus Professorum u. Wielun, Einblicke in polnische Verhältnisse, Grün­ dung eines Soldatenheims in Tschenstochau, dann Baltikum, dort wiederum Einrichtung u. Leitung eines Soldatenheims und einer Bücherei in Mitau, als Heerespfarrer 1. 5. 1920 pensioniert – oo 1900 N. N., Tochter eines Stettiner Großkaufmanns, 2 K (1909, 1917), darunter 1 S Rudolf (1909–?), 1930 Ausbildung zum Bibliothekar. GStA, Rep. 76Va, Nr. 10334; Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VII, 68 ff.; Nr. 22, Bd. I, 220; BBKL VII, 866 f. (dort fälschlich von Prom. in Berlin, Privatdo­ zentur FWU und „Berufung nach Halle“ die Rede). Prellwitz, Walter, Indogermanistik * 4. 2. 1864 Tilsit † März 1945 Seebad Rauschen/Samland V: Alexander Pr., Zimmermeister (1832–1881 in Tor­ gau), M.: Ida Masalsky (1839–1883 Torgau), Großva­ ter Friedrich August Pr., Pfarrer, 1795–1861 Wilkisch­ ken, ev. – G Tilsit (1882), Studium AUK (bis 1886), dort bei Bezzenberger 1885 Prom.: De dialecto thessa­ lica, 1886 StE, Probejahre KneipG u. FC, 1896 Ober­ lehrer Bartenstein, im gleichen Jahr nach Tilsit versetzt. 1901 PSK, habilitiert während seines Dienstes dort, 23. 10. 1901 AV: Über die Bildung der Personennamen bei den indogermanischen Völkern; nb. ao. Prof. 1903. 1904–1929 Direktor Herzog­Albrecht G Rastenburg, LA Indogerm. Sprachwiss. AUK ab 29. 7. 1924, 1929 Übersiedlung nach Rauschen, während des WS. in Königsberg, 1937 aus Lehrkörper der AUK wg. Er­ reichen der Altersgrenze. – Fachgebiete: Indogerm., Griech. Dialekte, Etymologie des Litauischen. – Po­ litisch: FM SS; 14. 12. 1935 Erklärung, keiner Loge angehört zu haben. – Militär: 1888 Freiw. IR 41, Res. Offizier GR 3, 1914–1918 Hpt. d. R., am 10. 7. 1915 beim Sturm auf Krunika bei Lomscha verw. (EK II, Verwabz.), ab 1915 Vorträge zur Kriegshilfe im Kreis Rastenburg. – RA IV 1907. – oo1891 Wilhelmine Ma­ thilde Elisabeth Lindtner (1870–), 1 T Ruth (1897), 2 S Helmut (1892), Albrecht (1905). – W. P. war der Bruder der von Mohler der KR zugeordneten Schrift­ stellerin Gertrud Prellwitz (1869–1942). – 1945 in sei­ nem Rauschener Feriendomizil geblieben, unter sowj. Besatzung starb das Ehepaar „von Hunger geschwächt an der Ruhr“ (APB). BABL, R 4901, PA P 446 Prellwitz; ebd., 13273/7402; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 25, Bd. VII, 72; APB 518. Preuß, Heinrich, Bibliothekar, UBK * 25. 10. 1860 Insterburg † 18. 7. 1938 Altphil.­germ., geogr. Stud. AUK, 1885 Schuldienst, Oberlehrer Rastenburg, 1895 Prom. AUK: Beiträge

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zur Kenntnis einiger Hydroylaminverbindungen der Chinolinsäure und Überführung der letzteren in Ami­ dopyridin. 1. 7. 1900 Volontär UBK, 31. 10. 1902 bibl. Fachexamen, Assistent, 1. 4. 1906 Bibliothekar, 1919 Tit. Oberbibl., 1924 Ruhestand. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V, unpag; Chronik AUK, Habermann 257. Prinz, Rudolf, Bibliothekar, UBK * 14. 3. 1847 Hamm † 23. 10. 1890 Grafenberg­Gerresheim bei Düsseldorf V.: N. N. (gest. 1875), M.: N. N. (gest. 1881), kath. – 1864 G Hamm, philol.­hist. Stud. Münster, Halle, Bonn (Usener, v. Sybel, Schäfer, Jahn), 21. 12. 1867 Prom. ebd.: De Solonis Plutarchii fontibus (R.: Ar­ nold Schäfer), 18. 3. 1868 StE, Juni 1868/69 For­ schungsreise zum Handschriftenstudium (Euripides, Sophokles) nach Paris, 1. 4. 1869 Probejahr Gymn. Hamm, bis 1873 Lehrer in Rheinbach bei Bonn und Rheydt, 1. 5. 1873 Bibliotheksdienst, Kustos UB Bres­ lau, 1879/80 Studienaufenthalt Italien (dort beim Kollationieren drei Finger der rechten Hand erfro­ ren), 1882 Direktor Paulinische Bibliothek Münster, 1. 4. 1888 Direktor UBK (Nf. Roediger), nur ein Jahr im Amt, „früh [vor 1875] hervortretende Nervosität“, offenbar Folge syphilitischer Erkrankung, ab Sommer 1889, nach „Wahnvorstellungen“, in den Heilanstalten von Blankenburg, Merzig, Grafenberg. – Neben dem Schul­ u. Bibliotheksdienst wissenschaftlich tätig, be­ sorgte kritische Ausgaben der Werke von Euripides und Sophokles. – Unverheiratet. GStA, Rep. 89, Nr. 21 668, 38; Ludwich 1891. Procksch, Otto, Theologie, Alttestamentliche Exegese * 9. 8. 1874 Eisenberg/Thür. † 7. 4. 1947 Schwangau V.: August Pr. (gest. 1924), Dr. phil., Gymnasialdirek­ tor in Eisenberg u. Altenburg, M.: Clara Müller, ev. – Theol. Stud. Tübingen, Leipzig, Erlangen (Zahn), Göttingen (Wellhausen). In Leipzig gefördert durch den dänischen Alttestamentler F. Buhl, 1899 Prom. Göttingen: Über die Blutrache bei den vorislamischen Arabern und Muhammeds Stellung zu ihr (R.: Socin), Lic. theol. AUK 1901: Die Geschichtsbetrachtung bei Amos, Hosea und Jesaija, ebd. 13. 11. 1901 Habil. f. alttestamentliche Theologie: Geschichtsbetrachtung und geschichtliche Überlieferung bei den vorexilischen Propheten (R.: Giesebrecht), AV: Über den Sinn des menschlichen Lebens nach den Psalmen. WS. 1906/07 plm. Extraord. AT Greifswald (Nf. Wilhelm Riedel), 1909 ord. Prof. ebd., 1925 Erlangen, in der „Hochburg konservativ­lutherischer Theologie, seiner eigentlichen geistigen und geistlichen Heimat“ (BBKL), 1939 em. – Vertrat „pneumatische Exegese“, die auf persönlichem

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Glauben als Erkenntnisgrund der Welt (damit auch der biblischen Schriften) beruht, somit auf „respekta­ ble Weise moderne historische Forschung mit heilsge­ schichtlicher Theologie erlangischer Herkunft“ verbin­ dend (Smend). Hauptwerke: Studien zur Geschichte der Septuaginta (1910), Die Genesis (Kommentar, 1913), Theologie des Alten Testaments, hg. posthum v. G. v. Rad 1950. – Politisch: Während der Schulzeit Bekanntschaft mit luth. Orthodoxie u. Pietismus luth. Prägung, den er sich zu eigen machte und der sein Le­ ben entscheidend bestimmte, zum einen theologisch, weil er Christus auch als Mitte des AT verstand, zum anderen politisch als Monarchist auch über den Staats­ und Verfassungsumbruch von 1918 hinaus. Zeitkri­ tisch: Altes Testament und Judentum (1922), Das Alte Testament im antisemitischen Sturm, in: ELKZ 56, 1923, Sp. 482–84, 498–502, 515–18. – oo1915 Elisa­ beth, verw. Wenck, geb. Anders, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VIII, unpag.; Procksch 1926; Trillhaas 1976; v. Loewenich 1979; Smend 1989; Mommer 1994. Proell, Friedrich Wilhelm, Medizin, Zahnheilkunde * 14. 9. 1881 Gut Roggenhausen b. Graudenz † 14. 10. 1963 Bonn V.: Fritz Pr., Gutsbesitzer, ev. – 1900 G Graudenz, 1900–1904 militärärzt. Ausbildung KWA, März 1906 StE, Freiburg 18. 11. 1907 Prom. Dr. med.: Über Seh­ störungen nach Blutverlust (R.: Theodor Axenfeld), 1909 Versetzung nach Straßburg, 1909/10 ebd. Aus­ bildung an Univ. Poliklinik für Zahnheilkunde (Rö­ mer) und zahnärztl. StE Juli 1910, 1910 Versetzung nach Königsberg, Ltr. Korps­Zahnstation im Garni­ sonlazarett, 21. 8. 1912 Habil. f. Zahnheilkunde AUK: Experimentelle Untersuchungen über die Ursachen des Zahnpulpatodes unter Silikatzementen nebst the­ oretisch­praktischen Studien über Zemente u. a. Füll­ materialien; 1919 Tit. Prof., 31. 8. 1921 ao. Prof. ebd., 1920–1922 komm. Ltr. Univ.­Zahnklinik AUK, 1921 Lehrstuhlvertretung ebd., SS. 1923 oö. Prof. f. Zahn­ heilkunde Greifswald, Direktor des Zahnärztlichen Instituts, 1931/32 Dekan, WS. 1935/36 Bonn, 1949 em. – Publizierte über Weichteilzysten des Mundes, Röntgenphotographie der Kiefer und Zähne, Klima und Zivilisation in ihrer Auswirkung auf Körper und Zähne (1934), Erste Hilfe bei Kieferbrüchen und – schußbrüchen (1939), Zahnaufbau und Zahnzerfall in Abhängigkeit von der Ernährung. Aufklärender Bei­ trag zum Kariesproblem (1956). – Politisch: Bis 1932 DNVP, 1. 3. 1933 NSDAP, 1935 wegen Logenzugehö­ rigkeit u. Angriffen von Greifswalder NS­Studenten als Ordinarius mehrmonatige Zwangsbeurlaubung und Versetzung nach Bonn, SA 1937–1945 (Oberscharfüh­ rer, Sturmarzt), NSDD, Distanz zum NS aufgrund

seines preußisch­militärisch geprägten Konservatismus (nach Forsbach). – Militär: Militärarzt 1900–1921, 1906–1910 Assistenz­ u. OA im IR 114 Konstanz, 1914–1918: Stabsarzt, 1919–1920 Ltr. Kieferstation AK Königsberg (Kiefer­Lazarett Ost), verabschiedet als Oberstabsarzt d. R., EK I. – oo 1913 Frieda Schlakow­ ski, 4 K. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 141; ebd., Bd. IV, 9 f., 50 ff.; RHB II, 1449; KGK 1931, 2286 f.; BLÄF II, 1251; Zum 75. Geburts­ tag: Dt. Zahn­, Mund­ u. Kiefernheilkunde 24, 1956, 441–444 (P), Wenig 1968, 231 f.; DBE VIII, 77; LGH 2004, 187; Forsbach 2006, 304–313. Prutz, Hans, Mittelalterliche und Neuere Geschichte * 20. 5. 1843 Jena † 29. 1. 1929 Stuttgart V.: Robert Pr., Schriftsteller, Literaturhistoriker (1816– 1872), M.: Ida Blöde, ev. – 1862 G Stettin, hist. Stud. Jena, FWU, Prom. ebd., 1868–1872 Gymnasiallehrer Danzig, 1872 Oberlehrer Gewerbeschule Berlin, Ha­ bil. f. mittelalterliche Geschichte, FWU 6. 8. 1873: Radewins Fortsetzung der gesta Friderici, 1874 For­ schungsreise nach Syrien i. A. des Reichskanzleramtes, 1876: Aus Phönizien. Geographische Skizzen und hi­ storische Studien, SS. 1877 ord. Prof. AUK (Nf. Mau­ renbrecher), Rektor 1888/89, aus gesundheitlichen Gründen (Augenleiden) vorzeitig em. 1902, Übersied­ lung nach München, 1922 nach Stuttgart. – Bis 1885 Schwerpunkt ma. Geschichte, insbes. Geschichte der Kreuzzüge und der geistl. Orden, Ende der 1880er Jahre Hinwendung zur preußischen Geschichte, vier­ bändige Darstellung 1900–1902: ‚Preußische Ge­ schichte‘, gegen die „borussische Geschichtslegende“ vom „deutschen Beruf“ Preußens geschrieben. – 1890 RA IV, 1894 KrO III, 1902 GRR, Mitglied BayerAkW. – oo N. N., mindestens einen → S Wolfgang, und 1 T Hedwig, nach 1918 Referentin Württ. Landesamt f. Arbeitsvermittlung Stuttgart. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 18–20; ebd., Nr. 21662, 144, 150; ebd., Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 27, Bd. I u. II (Schriftw. wg. Archivreisen); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 147 II (24 Br. an Althoff, 1883–1896); Weisfert 180; Krollmann 1929; APB 523. Prutz, Wolfgang, Medizin, Chirurgie * 1869 Danzig † nach 1930 Med. Stud. AUK, Prom. ebd. 1892: Über das ana­ tomische Verhalten der Leber bei der puerperalen Eklampsie (R.: Dohrn), Habil. f. Chirurgie AUK 19. 11. 1898, AV: Ueber die Grundsätze für die Be­ handlung der Peritonitis. Assist. Chir. Univ. Klinik

Catalogus Professorum AUK bis 1904, schwach besuchte Lehrveranstaltungen bis 1911. Danach Wechsel in Privatpraxis. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 343 f. Puppe, Georg, Gerichtliche u. soziale Medizin * 4. 2. 1867 Kraatzen, Krs. Soldin/Neumark † 20. 11. 1925 Breslau V.: Georg P., Landwirt, Kaufmann, M.: Bertha Briet­ zig, ev. – Schulbesuch Küstrin, Abitur 1884 FriedrichG Berlin, med. Studium Göttingen, FWU, Prom. ebd. 28. 6. 1890: Untersuchungen über die Folgezustände nach Abortus, Approbation 16. 3. 1890, 1891 Vo­ lontär Heilanstalt Pankow, 1891–1895 Assistenzarzt StädtKHS Urban Berlin­Kreuzberg, 1895/96 gerichts­ med. Studium Wien (Ed. v. Hofmann), 1. 2. 1896 Physikusexamen, 1. 4. 1896 Assist. Unterrichtsanstalt f. Staatsarzneikunde Berlin (F. Strassmann), 25. 7. 1898 Habil. f. Staatsarzneikunde FWU: Über die Notwen­ digkeit eines Unterrichts in der Gesetzeskunde für Mediziner. Gerichsarzt am Untersuchungsgef. Moabit, 6. 9. 1900 Gerichtsphysikus Stadt Berlin, SS. 1903 Be­ rufung auf ein neues Extraordinariat f. gericht. Medizin AUK (zuvor Remun. Seydel), untrennbar verbunden mit dem Amt des Gerichtsarztes in Stadt­ u. Land­ kreis Königsberg sowie Kreis Fischhausen (Samland); begründete in Königsberg das Lehrgebiet der sozialen Medizin, Versicherungsmedizin, Verbrechensprophy­ laxe, engagiert in der kommunalen Trinkerfürsorge. SS. 1921 b. ao. Prof. (pers. Ord.) f. Gerichtliche und Soziale Medizin Breslau (Nf. Adolf Lesser). – 1904 Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Gericht­ liche Medizin, 1905–1909 Schriftführer, 1909/10 zweiter, 1910/11 Erster Vorsitzender, 1919–1925 Stän­ diger Schriftführer. – Hauptwerk: Atlas und Grundriß der gerichtlichen Medizin, auf der Basis des Atlas von E. v. Hofmann (München 1908), ferner kasuistische Veröffentlichungen zu gerichtsärztlichen Fragen, zur Sozial­ und Versicherungsmedizin. – Militär: 1914/16 und 1917/18 Kriegsdienst als Militärarzt und Gutach­ ter bei der Sanitätsinspektion. – oo I. 1896 Frida Clauss (gest. vor 1914), Tochter eines Großkaufmanns aus Krefeld, durch diese Ehe Schwager von → E. A. Mit­ scherlich, 2 T, 2 S (1897–1907), II. Susanne Schmie­ den. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 50, Bd. V, 339–342 (Habil.), VI, 143; VII, 53–55 (Bestallung AUK); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. X, 259–261 (Berufungsliste 1903), Bd. XIII, 67; Pagel 1327; Strass­ mann 1925 (P); BLÄF II, 1256; Scholz/Schröder, 32 f.; Kreuter 1131; Mallach 1996, 103 ff.

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Quäbicker, Richard, Philosophie * 1847 Lüdenscheid † 31. 5. 1882 Königsberg (Freitod) V.: Gustav Q., M.: geb. Josephson, ev. – G Steinfurt 1864, philos.­philol. Stud. Bonn (Schaarschmidt, Rit­ ter, Simrock), Göttingen (Lotze), FWU (Harms, Droy­ sen, J. Bona Meyer, Kirchhoff, Haupt), Prom. Halle 26. 3. 1868 Lockii et Leibnitii de cognitione humana sententiarum inter se oppositarum disquisitio compa­ rativa, Habil. f. Philosophie Breslau 16. 11. 1871: Ueber Schleiermacher’s erkenntnißtheoretische Grund­ ansicht. Ein Beitrag zur Kritik der Identitätsphiloso­ phie. SS. 1873 besold. ao. Prof. f. Philosophie AUK. 13. 3. 1882 Bestallung zum ord. Prof. (Nf. Rosen­ kranz). – Romanhafte Verarbeitung der Königsberger Jahre Quäbickers in H. Sudermann, ‚Der tolle Profes­ sor‘ (1926). GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 41, Bd. II (Habil. u. a. Material Breslau); ebd. Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. IX–XI (Etablierung u. Laufbahn an AUK); ebd., Rep. 89, Nr. 21660, 36 f.; Bergmann 1880. Quelle, Otto, Geographie * 23. 10. 1879 Nordhausen † 19. 12. 1959 Berlin Sohn eines Brauereibesitzers, ev. – G Nordhausen 1902, 1908 Prom. FWU: Beiträge zur Kenntnis der spanischen Sierra Nevada, Assistent Geogr. Inst. FWU, seit 1. 4. 1911 Bonn, Habil. f. Geographie bei Philippson in Bonn 1. 8. 1912: Beiträge zur Landes­ kunde von Ostgranada, PV: Die Straße von Gibraltar, AV 23. 10. 1912: Die Ergebnisse der Erforschung des Tienschan; Spezialist für die Wirtschaftskunde der ro­ manischen Länder. Für das SS. 1917, Hahn war im Februar gestorben, sein Nachfolger Max Friederichsen erst für das WS. 1917/18 verfügbar, ist in den Mini­ sterialakten eine Stellvertreterlösung in letzter Sekunde nachweisbar: Am 12. Mai 1917 begab sich der Bonner Privatdozent nach Königsberg, um geographischen Un­ terricht zu erteilen, SS. 1918 b. ao. Prof. f. Wirtschafts­ geographie Bonn, 1920 oö. Prof. ebd., 1926 oö. Prof. f. Geographie TH Berlin, 1929 zugleich Referent im Ibero­Amerikanischen Institut, 1940–1945 Prof. f. Ge­ ographie Auslandswissenschaftl. Fakultät FWU. GStA …, Nr. 21, Bd. XXVII, 276–280; Brauer 1970 (P). Rachfahl, Felix, Mittlere und Neuere Geschichte * 9. 4. 1867 Schömberg/Kr. Landeshut, Schlesien † 15. 3. 1925 Freiburg/Br. V.: Joseph R., Lehrer, Kaufmann, M.: Agnes Deutsch­ mann, kath. – G Breslau 1886, Stud. Geschichte, Philo­ sophie ebd. (bei Roepell, Caro, Lenz), Prom. 1890: Der Stettiner Erbfolgestreit 1464–1472 (R.: Caro), 1890–

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1892 Studien bei Schmoller FWU, 4. 3. 1893 Habil. f. Geschichte Kiel: Der Ursprung des brandenburgisch­ pommerschen Lehnsverhältnisses, 1894: Die Orga­ nisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens vom Ende des Mittelalters bis zum dreißigjährigen Kriege (Einleitung u. I. Kapitel), 1898 b. ao. Prof. Halle, SS. 1903 oö. Prof. AUK (Nf. Erler), WS. 1907/08 Gießen, SS. 1909 Kiel, WS. 1914/15 Freiburg. Hauptwerk: Wilhelm von Oranien und der niederländische Auf­ stand, 3 Bde. 1906–1924 (unvollendet). Neben Lenz u. Marcks als Exponent der „Rankerenaissance“ gel­ tend, den Primat des Politisch­Kulturellen gegenüber dem Wirtschaftlich­Sozialen verteidigend, neben → v. Below entschiedenster Gegner Lamprechts und seiner „kollektivistischen“ Geschichtsauffassung, Kritiker der Calvinismus­These Max Webers. – Politisch: Bismar­ ckianer, freikonservativer Monarchist, Polemiker im Geist der „Ideen von 1914“, 1921 zur Unterstützung des Abwehrkampfes an der Ostgrenze: Das deutsche Recht auf Oberschlesien. Mitglied der Burschenschaft Raczek/Breslau. GStA, Rep. 76Va, Sek. 9, Tit. IV, Nr. 2, Bd. II, 12– 14 (Habil. Kiel); Rachfahl 1926 (P); A. O. Meyer 1926 (P); v. Below 1926; Volbehr/Weyl 157; NDB XXI, 77 f. Radbruch, Gustav, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Rechts­ philosophie * 21. 11. 1878 Lübeck † 23. 11. 1949 Heidelberg V.: Heinrich R. (1841–1922), Kaufmann, M.: Emma Prahl (1842–1916), ev. – 1897 G Katharineum Lü­ beck, jurist. Stud. München, Leipzig, FWU, 1. StE 1901, 1902 Prom. FWU: Die Lehre von der adäqua­ ten Verursachung (R.: F. v. Liszt, wieder in: GA VII); bei Karl v. Lilienthal Habil. f. Strafrecht Heidelberg 1903: Der Handlungsbegriff in seiner Bedeutung für das Strafrechtssystem (wieder in: GA VII); 1910 ebd. nb. ao. Prof., SS. 1914 b. ao. Prof. f. Strafrecht u. Straf­ prozeßrecht AUK (Nf. Kriegsmann); SS. 1919 b. ao. Prof. Kiel, WS. 1919/20 ebd. oö. Prof. f. Strafrecht, Strafprozeßrecht, Rechtsphilosophie u. Völkerrecht, 1921/22 unterbrochen durch Amtstätigkeit als Reichs­ justizminister, WS. 1926/27 oö. Prof. Heidelberg, 9. 5. 1933 Entlassung gem. § 4 BBG, 1935/36 Studi­ enaufenthalt Oxford, 1945 Wiederaufnahme der Lehr­ tätigkeit, Dekan, 1948 entpflichtet. – Gesamtausgabe (GA) in 20 Bdn. seit 1987; Einführung in die Rechts­ wissenschaft 1910, bis 1969 zwölf Aufl., Grundzüge der Rechtsphilosophie: 1914, umgearbeitet 1932, bis 1999 neun Aufl., vom südwestdt. Neukantianismus geprägt, oberste Werte sind für R. nicht der Erkenntnis, sondern nur des Bekenntnisses fähig („Wertrelativismus“), nach 1945 im naturrechtlichen Sinne revidiert und, thetisch, ein „übergesetzliches Recht“ konstruierend, das den

Relativismus im Namen überpositiv­fabulöser „Ge­ rechtigkeit“ nur scheinbar „überwindet“, gleichwohl für die bundesdeutsche höchstrichtliche Spruchpraxis legitimierend­sinnstiftend. – Politisch: Sympathisant der SPD vor 1918, Parteieintritt 1918, MdR (SPD) 1920–1924, Reichsminister der Justiz 1921/22 und August–November 1923 (Kabinette Wirth u. Strese­ mann), 1948 Wiedereintritt SPD. – Militär: Kriegs­ dienst 1915–1918 West­ u. Ostfront, zuletzt Lt. d. R. – oo I. 1907–1913 Lina Metner (1887–), II. 1915 Lydia Schenk (1888–1974), Tochter eines Gutsbesit­ zers aus Karkeln/Memelniederung, geschiedene Frau des Königsberger Buchhändlers Aderjahn, 1 T Renate (1915–1939, verunglückt), 1 S Anselm (1918–1942, in Rußland gefallen). BABL, R 4901, 13472/7468; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VII, 3 ff.; A. Kaufmann 1987; SHBL VII, 171; NDB XXI, 83–86. Rauch, Karl, Rechtswissenschaft, Bürgerliches, Han­ dels­ u. Wirtschaftsrecht * 27. 3. 1880 Graz † 26. 2. 1953 Bad Godesberg V.: Karl R., Finanzprokurator, M.: Pia Werner (gest. 1880), kath. – 1898 LichtenfelsHG Graz, jur. u. mu­ siktheoret. Stud. Graz, Leipzig, Prom. Graz 10. 7. 1903 (ungedruckt), mit Reisestipendium des öst. Unter­ richtsminist. 1903/05 an FWU zu Heinrich Brunner (dessen ‚Abhandlungen zur Rechtsgeschichte‘ R. 1941 herausgab), 1. 11. 1905 Mitarbeiter MGH (Abt. Di­ plomata), gab 1905 heraus: Traktat über den Reichs­ tag im 16. Jahrhundert. Eine offiziöse Darstellung aus der Kurmainzischen Kanzlei in K. Zeumers ‚Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches‘, SS. 1906 LA Dt. Recht Breslau, Habil. f. Bür­ gerl., Dt. u. Handelsrecht ebd. 25. 4. 1907: Spurfolge und Anfang in ihren Wechselbeziehungen, b. ao. Prof. AUK WS. 1908/09 (Nf. v. Gierke), Vertretung eines Extraordinariats Breslau WS. 1910/11, b. ao. Prof. ebd. SS. 1911, SS. 1912 ord. Prof. Jena, OLG­Rat im Nebenamt, 1914 nebenamtlich auch Ltr. kriegs­ wirtschaftl. Referat Stadtverwaltung Jena, 2. 2. 1917 Vizepräsident des Ernährungsamtes der Thüringischen Staaten in Weimar, 1. 1. 1920 Staatskommissar f. wirt­ schaftliche Demobilmachung ebd., 1. 1. 1921 Mini­ sterialdirektor im Thür. Wirtschaftsministerium un­ ter Aufgabe des Ordinariats, ord. Honorarprof. Jena, Erwerb der Verlagsbuchhandlung Hermann Böhlau Nachf., 1927–1932 Generaldirektor Thür. Werke in Weimar, SS. 1932 ord. Prof. f. Dt. Bürgerliches u. Han­ delsrecht Kiel, April 1933 aus politischen Gründen be­ urlaubt, WS. 1933/34 Bonn (Nf. K. A. Eckhardt), AV 15. 7. 1934: Gegenwartswert der germanischen Rechts­ geschichte, WS. 1942/43 Graz, AV: Formenwandel

Catalogus Professorum im Wirtschaftsrecht, 1943 Dekan, 1944 Prorektor, pensioniert Bonn 1. 9. 1950. – Schwerpunkte: Deut­ sche Rechtsgeschichte, Handels­ u. Gesellschaftsrecht, Hauptwerk: Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, Weimar 1940, 3. Aufl. 1947–1950. – GRR, Dr. rer. pol. h. c. Bonn 1950, Wiener AkW 1946. – Politisch: Vorstandsmit­ glied Ortsgruppe Breslau VDA, in Weimar der DVP zuzurechnen, nach eigenen Angaben kurze Zugehörig­ keit zur Zentrumspartei, 1946 politisch bedingt nicht in das österr. Beamtenverhältnis übernommen. – Mili­ tär: Dienstuntauglich. – oo1910 Hilde Walter (1886–), Tochter des Philosophen → Julius W., 2 S, 1 T oo Karl August Eckhardt (1901–1979), Rechtshistoriker in Kiel/Bonn, Personalreferent REM 1934–1936, SD­ Referent. BABL, R 4901, 13274/7510; GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 39, Bd. II, 70 f. (Habil.); Rintelen 1953; Beyerle 1953; Volbehr/Weyl 44; Wenig 236; Heiber 1994, 408; Morell 2004b. Rautenberg, Ernst, Medizin, Innere Medizin * 8. 5. 1875 Königsberg † nicht ermittelt V.: → Otto R. – 1898 Prom: Beiträge zur Kenntnis der Empfindungs­ und Geschmacksnerven der Zunge (R.: Stieda), 1901 II. Assist. arzt Med. Poliklinik (Schrei­ ber), 14. 3. 1905 Habil. f. Innere Medizin, AV: Über Serumbehandlung; 10. 12. 1909 Tit. Prof., 1910 dir. Arzt Kreis KHS, 1930 Vincenz KHS Berlin­Lichter­ felde. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 116, 279–281; BLÄF II, 1272. Rautenberg, Otto, Bibliothekar, UBK * 29. 9. 1842 Pr. Holland † 21. 6. 1899 Königsberg Stud. AUK, Hauslehrer, UBK 1869, II. Kustos, 1897: Ost­ und Westpreußen. Ein Wegweiser durch die Zeitschriftenliteratur, seit Juli 1898 wg. Krankheit beurlaubt. Aus dem Nachlaß 1907: Katalog der Alten Bibliothek der Ostpreußischen Landschaft. Weisfert 183. Redslob, Theodor Moritz, Bibliothekar, UBK * 4. 11. 1849 Hamburg † nach 1931 V.: Gustav Moritz R. (1804–1882), Prof. f. Philoso­ phie u. biblische Philologie am Johanneum Hamburg, ev. – Prom. Kiel 1872, 1872/73 Stadtbibliothek Ham­ burg, 1873–1875 Assistent UB Göttingen, 1. 7. 1875– 31. 3. 1876 IV. Kustos UBK (Nf. Perlbach), 1. 4. 1876 I. Kustos UB Kiel, 1880/81 Erzieher in der Schweiz, 1881–1885 Vorsteher der Höh. Bürgerschule Gunters­

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blum, 1891 Wiedereintritt in den Bibliotheksdienst, 1. 7. 1891–1898 Assistent UB Kiel, 1. 4. 1898 Bibli­ othekar ebd., 1909 Oberbibl. (tit.) ebd., 1. 10. 1913 Halle, 1916 Erster Bibliotheksrat ebd., 1. 10. 1928 Ruhestand [recte wohl 1918], 1931 nach Weimar über­ gesiedelt. Volbehr/Weyl 262. Rehn, Eduard, Medizin, Chirurgie * 21. 1. 1880 Bockenheim/Frankfurt † 10. 5. 1972 Freiburg V.: Ludwig R., Prof. f. Chirurgie, ev.. – 1898 StädtG Frankf./M., 1898–1904 med. Stud. Marburg, Würz­ burg, München, 1904 Prom. ebd.: Ueber Komplika­ tionen von Hydronephrose [Ausdehnung des Nieren­ beckens], 1905–07 Assistent Aschoffs in Marburg, Freiburg, 1. 11. 1907 Chir. Univ. Kl. AUK (Lexer), 22. 3. 1910 Habil. Chirurgie ebd., 1914 b. ao. Prof. Jena, 1924 oö. Prof. Med. Akad. Düsseldorf, WS. 1927/28 Bonn, SS. 1928–1952 Freiburg. – Hauptwerk 1914: Oesophagus­Chirurgie. Eine klinische und experimen­ telle Studie über chirurgisches Vorgehen bei thorakalen und abdominellen Speiseröhrengeschwülsten. – Mili­ tär: 1914–1918 Kriegseinsatz, Stabsarzt d. R., 1916/18 Chef eines Feldlazaretts, EK I. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, IV, Nr. 24, Bd. III, 7; KGK 1931, 2334; BLÄF II, 1279; FL 372 (P); Wenig 1968, 238. Reicke, Johannes, Bibliothekar, UBK * 7. 3. 1861 Königsberg † 21. 1. 1941 Göttingen V.: → Rudolf R. – FC 1878, philol.­hist. Stud. AUK, ebd. Prom. 1892: Zu Johann Christoph Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität, 1883 Assistent UBK (Handbibliothek), 1886 Hilfsarbeiter ebd., 1. 5. 1895 Göttingen, Bibliothekar, Tit. Ober­ bibl., 1926 Ruhestand. Weisfert 184; Habermann 269. Reicke, Rudolf, Bibliothekar, UBK * 5. 2. 1825 Memel † 16. 10. 1905 Königsberg V.: Johann Benjamin R. (ertrunken 1845 vor Memel), Lotse, M.: Henriette Kissutt aus Tilsit (gest. 1829), ev. – AltstädtG 1844, philos.­philol.­hist.­botan. Stud. AUK (Lobeck, Lehrs, Rosenkranz, Drumann, Schubert, E. Meyer) 1847–1852; 1851 Preis der Schreiberschen Kant­Stiftung. 1852/53 Hauslehrer Rittergut Korbs­ dorf bei Wormditt. 1853/56 Fortsetzung der Studien, Prom. AUK 1856: De explicatione, qua Reinholdus gravissimum in Kantii critica rationis purae locum epistolis suis illustraverit. 1857–1864 Hilfslehrer Löb. höh. Bürgerschule, daneben seit 14. 2. 1857 Hilfsar­

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beiter UBK, 1. 1. 1859 II. Kustos, 1864 hauptamtlich, 1871 I. Kustos, 1885 Bibliothekar, 3. 3. 1894 Oberbi­ bliothekar ebd. Herausgeber von Kants Nachlaßwerk und im Rahmen der Akademie­Ausgabe auch der Briefe Kants (3 Bde. 1900–1902), mit E. Wichert Be­ gründer u. Hg. der Altpreußischen Monatshefte (1864– 1905). – 1897 RA IV, 1900 RA III, 1904 Tit. Prof. – Politisch: 1847 Mitglied der ‚Corps­Landsmannschaft‘ Lituania, mit dem Studienfreund → E. Arnoldt nach der Spaltung 1848 in der liberaleren Landsmannschaft verblieben; sein Biograph Krause vermochte nicht mehr festzutsellen, inwieweit sich R. am „politischen Leben und Treiben der Revolutionszeit beteiligt hat“. Für die Zeit ab 1870 heißt es bei Krause über „diesen Kosmopoliten“: „Die heftigen nationalen und poli­ tischen Kämpfe der Gegenwart riefen in ihm das Ge­ fühl des Unbehagens wach; immer wieder flüchtete er sich in jene Zeit, da die Menschheit sich als Ideal einen ewigen Frieden erträumte und die edelsten Geister die Forderung geltend machten, daß vor allem Humanität den Verkehr der Völker sowie den der einzelnen beherr­ sche.“ – oo 1860 Emilie Bohn (gest. 18. 2. 1892), 3 S, Georg (1865–1923), Jurist, Bürgermeister von Berlin, → Johannes, Emil (Vater von → Siegfried R [Bd. II]), 1 T Anna, Stadtbibliothekarin Berlin. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV+V; ebd., Rep. 89, Nr. 21668, 51; Weisfert 184 f.; Krause 1905; I. Reicke 1936; APB 547. Reinbrecht, Friedrich, Musiklehrer, Domorganist * 15. 6. 1853 Fischbeck/Hessen–Nassau † 8. 10. 1910 Königsberg Musikalische Ausbildung Institut für Kirchenmusik Berlin. Organist in Celle, Quedlinburg, Halberstadt, Wesel, Hamburg. 1892 Kgl. Musikdirektor. SS. 1898 Universitäts­Musiklehrer Greifswald, Vorlesungen über Musikgeschichte, Harmonielehre, Liturgik. 1. 4. 1907 Lehrer für Orgelspiel, Choral­ und liturgischen Gesang AUK. Chronik AUK 1910/11, 21 f. Reinhold, Hugo, Bibliothekar, UBK * 25. 2. 1860 Meldorf/Holstein † nicht ermittelt Stud. klass. Philologie, Prom. Kiel 13. 1. 1887: De Pla­ tonis epistulis, Oberlehrer Bartenstein, aus Schuldienst ausgeschieden wg. linksseitiger Nervenlähmung, 1901 ao. Hilfsarbeiter (neu geschaffene Stelle), 1. 10. 1914 ausgeschieden. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V; Chronik AUK 1900–1914.

Reiter, Hans, Medizin, Hygiene * 26. 2. 1881 Leipzig † 25. 11. 1965 Kassel V.: N. N., Fabrikbes. (gest. 1900), ev. – ThomasG Leipzig, med. Stud. Leipzig, Tübingen, Breslau, 1906 StE, 1907 Prom. Leipzig: Nephritis und Tuberku­ lose, 1907/08 Institut Pasteur Paris, St. Mary Hosp. London, 1908 privates Serol. Inst. in Berlin eröffnet, 1909/10 Volont. Pharmakol. Inst. FWU, 1911 Assist. Hyg. Inst. AUK (Ltr. des Untersuchungsamtes), 1913 Habil. f. Hygiene und Bakteriologie ebd. (Kißkalt), 1918 Tit. Prof., Februar 1919 Abt. ltr. Hyg. Inst. Univ. Rostock, ebd. 1920 LA f. Sozialhygiene, apl. ao. Prof. 1923–1925 stellvertr. Abt. ltr. KWI für Exp. Therapie, 1926 Direktor Meckl.­Schwerin. Landesgesundheits­ amt, 1928 Hon. Prof. Rostock, Juli 1933 komm. Lei­ ter, 1. 10. 1933 Präsident Reichsgesundheitsamt, 1934 Hon.Prof. f. Hygiene FWU, 1949–1952 Klinik­Arzt Kassel. – Schwerpunkte: Immunitätsforschung, 1915 mit B. Hübener Entdeckung der Erreger der Weilschen Krankheit (Spirochaeta icterogens), Syphilisstudien, Sozialhygiene (bes. gesundheitliches Schicksal uneheli­ cher Kinder, Bedeutung von endogenen und exogenen Faktoren bei Hilfsschülern, Verlauf von Tuberkulose unter sozialen Bedingungen). – Politisch: Als Student Landsmannschaft Cheruskia, 1921–1926 DVP, 1920– 1922 Vorsitzender DVP Rostock, 1919–1923 Mitglied Rostocker Stadtverordnetenversammlung, NSDAP 1. 8. 1931, März 1932 NSLB, Juli 1932 für die NSDAP im Landtag Meckl.­Schwerin und Leiter der NS­Führer­ u. Fortbildungsschule Gau Mecklenburg­ Lübeck, 1933 Obmann NSLB Univ. Rostock, 1934 im Sachverständigenbeirat für Volksgesundheit unter der Leitung des Reichsärzteführers, 1935 im Hauptamt Volksgesundheit im Stab Stellv. des Führers, Vorstands­ mitglied der Kriminalbiologischen Gesellschaft und der Reichszentrale für Gesundheitsführung im RMdI, 1941 SA (Standartenführer), 1942 als RGA­Präsident verabschiedet, 1945–1947 alliierte Internierungshaft in Nürnberg. – Militär: August 1914–Dezember 1918 Kriegsdienst, Bakteriologe Westfront, Balkan, zuletzt Berat. Hygieniker der dt. Truppen der bulgarischen 1. Armee, 1942 im wiss. Senat des Heeres­Sanitätswe­ sens der Wehrmacht. – oo 1908 Lina Lautenschläger (1883 Koenitz/Thür. –), 2 Adoptivkinder. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 152; FL 378 (P); Labisch/Tennstedt 1985, 2. Tl., 477–479 (P); Klee 2003, 490; Grüttner 2004, 138; Buddrus/Fritzlar 2007, 328–330 (P). Rhese, Hans, Medizin, HNO * 21. 1. 1866 Neustadt/Westpr. † nach 1931

Catalogus Professorum V.: Robert Rh. (gest. 1885), Kreisbaumeister, M.: Olga von Stempel, ev. – G Posen, militärärzt. Ausbil­ dung KWA 1885 – 1889, Prom. FWU 1889: Über die Beziehungen der Albuminurie zur Glykosurie [Nie­ renerkrankung], 1895–1904 Bataillonsarzt Hohen­ salza, 1909 Versetzung zum Kürassier­Reg. Wrangel Königsberg. November 1909 lt. Arzt HNO Abt. KHS Barmherzigkeit. 4. 2. 1911 Habil. f. Rhino­, Otiologie u. Laryngologie, 1921 nb. ao. Prof.; 1931 als General­ oberarzt a. D. in Bad Harzburg nachgewiesen. – 1918: Die Kriegsverletzungen und Kriegserkrankungen von Ohr, Nase und Hals. – oo 1896 N. N. Krohmann, Tochter des verst. Landschaftsrats in Scheptin/Kr. Mogilno, 2 T (1899, 1905). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 39, 131, 190; KGK 1931, 2362 f. Richelot, Friedrich Julius, Mathematik * 6. 11. 1808 Königsberg † 1. 4. 1875 ebd. V.: Justizrat. – 1825 AltstädtG, naturw.­mathem. Stud. AUK 1825–1829, April 1831 Prom. u. Habil. (Vortrag und Abhandlung zur Geschichte der Variationsrech­ nung: De resolutione algebraica aquationis x257 = 1), 1832 ao. Prof. (Antrittsarbeit über Abel’sche Integrale: Commentatio de integralibus Abelianis primi ordinis), 1844 ord. Prof. (Nf. Jacobi, Antrittsarbeit: Commenta­ tio de functionum ultraellipticarum valoribus, quibus pro complementis argumentorum atque indicum dimi­ diis induuntur). – Mitglied der Stadtschuldeputation, Vorsitzender wiss. Prüfungskommission. – Um 1870 Ruf nach Heidelberg abgelehnt. – GRR. – Politisch: 1848 Führer der loyalen Königsberger Bürgerwehr. – oo Pauline Bredschneider, Tochter eines Königsberger Kaufmanns, 1 T ooGustav Kirchhoff, Physiker (1824– 1887), 2 S. Saalschütz 1875; ADB XXVIII, 432 f.; Weisfert 187; APB 555; Balder 2010, 161. Richter, J. G. Carl, Agrarwissenschaften, Tierheilkunde * nicht ermittelt † nach 1890 1843–1871 Departments­Tierarzt Regierungsbezirk Gumbinnen, ab 1871 Reg. bez. Königsberg, 13. 11. 1872 zugleich Lektor Tierheilkunde Lw. Institut AUK, 1876 Ltr. der neu eröffneten Tierklinik, 17. 1. 1880 nb. ao. Prof. – 1877: Der Landwirth als Tierarzt, 2. Aufl. 1883, Verdienste bei der Bekämpfung von Viehseuchen in den 1860er Jahren. – RA IV. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, 116, 218 f., 226–230.

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Richthofen, Hugo von, Oberpräsident, Kurator * 26. 8. 1842 Neiße † 10. 4. 1904 Florenz V.: Eugen v. R. (gest. 1896), Generalmajor. – 1860– 1863 Offizierslaufbahn, 1863–1866 jur. Stud. Bonn, ohne StE 1866 Ref. Finanzdirektion Wiesbaden, 1870–1872 Reg. Ref. ebd. und im besetzten Fran­ kreich, 1874–1876 Reg. Assessor Landratsämter Pinneberg u. Aurich, 1877 Landrat Ottweiler, 1883 Landrat Saarbrücken, 1885–1889 Kabinettsminister in Detmold, 1889–1894 ORR Potsdam, 1894–1901 RegPräs. Köln, 1. 7. 1901–18. 10. 1903 Oberpräsident Ostpreußen u. Kurator AUK, krankheitsbedingte Ent­ lassung. Hauf 1980, 27 f.; Soénius/Wilhelm 2008, 448 (P). Rieken, Gustav, Bibliothekar, UBK * 23. 4. 1873 Bottrop † gest. nach 1947 Hist.­jur. Stud., Prom., Volontär UB FWU, 1906 UB Göttingen, 1. 10. 1908 Hilfsbibliothekar (Nf. Leyh), 1. 4. 1912 Bibliothekar, 1. 8. 1914 eingezogen, bis 1916 weiter im Dienst der Heeresverwaltung, an der UBK bis zur Versetzung in den Ruhestand 1938, nach 1945 in Wolfenbüttel. Habermann 277; Komorowski 1994. Riesen, Hermann van, Bibliothekar, UBK * 10. 7. 1861 Elbing † nicht ermittelt V.: Kaufmann, gest. 2/1861, Großvater: Jakob van Rie­ sen (1786–1863), Protagonist des Elbinger Vormärz­ Liberalismus, Stadtverordnetenvorsteher 1823–1830, 1849–1853 (APB 560). – RG Elbing 1880, Apothe­ kerlehre, naturw. Stud. AUK, Greifswald, Prom. ebd. 1886: Ueber ortho­Nitro­meta­Xylolsulfonsäure und einige ihrer Derivate (R.: Limpricht), 1915 Biblio­ thekssekretär. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V; Berichte UBK; vita Diss. Riesser, Otto, Medizin, Pharmakologie * 9. 7. 1882 Frankfurt/M. † 1. 12. 1949 ebd. V.: Jacob R. (1853–1932) Justizrat, Bankier, MdR (Nationallib. Partei, 1920–1928 DVP, zeitweise Vi­ zepräsident des RT), Hon. Prof. FWU, M.: Emi­ lie Edinger, jüd., ev. Konversion des Sohnes. – 1900 FranzG Berlin, 1900–1902 naturwiss. Stud. Heidel­ berg, 1902/03 FWU, 1903–1906 Heidelberg, naturw. u. med. Stud., Prom. Dr. phil. 1906: Die optischen Isomeren des Arginins und des Ornithins (R.: Kos­ sel), 1906–1908 med. Stud. FWU, 1. 10. 1908–1915 II. Assist. Pharmak. Inst. AUK (Jaffé, Ellinger), 1911

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med. Prom.: Zur Chemie des Uroroseins (R.: Jaffé), 14. 7. 1911 Antrag, Genehmigung zur Habil. zu er­ teilen, obwohl med. StE fehlt, da infolge Schwerhö­ rigkeit für med. Praxis ungeeignet, sich der pharmak. Chemie zugewandt, 21. 7. 1913 Habil. f. Pharmako­ logie AUK, 1916 Umhabil. u. Assist. Pharmak. Inst. Frankfurt (Ellinger), 1918 nb. ao. Prof., 1920/21 ebd. Inst. f. vegetative Physiologie (Embden), 1920 Habil. f. Physiologie, WS. 1921/22 oö. Prof. f. Pharmakologie Greifswald (Nf. Hugo Schulz), 1925 Ruf nach Frank­ furt abgelehnt, WS. 1928/29 oö. Prof. f. Pharmakolo­ gie u. exper. Therapie Breslau, SS. 1946 mit der Vertre­ tung der Angewandten Physiologie u. Pharmakologie d. Skelettmuskulatur Med. Fak. Marburg beauftragt, zugleich LA Frankfurt. – Schwerpunkt: Physiologie u. Pharmakologie des Muskelsystems. – Politisch: 1935 gem. § 3 BBG aufgrund jüd. Herkunft in Breslau ent­ lassen, Emigration in die Schweiz, 1939 nach Holland, im Untergrund überlebt, 1941 Entzug der Reichsbür­ gerschaft, 1946 Rückkehr als gesundheitspolitischer Berater der hessischen Landesregierung. – Militär: 1914–1918 Oberarzt im Felde, EK I. – oo I. 1912 Ka­ tharina Waschke, Königsberg (gest. 1914), 1 T (1912), II. 1919 Elisabeth, verw. Kalau vom Hofe, Tochter eines Generalmajors a. D., 2 Stiefkinder, 1 T, 1 S. – R. war ein Neffe des Frankfurter Neurologen Ludwig Edinger (1855–1918), des Lehrers seines Königsberger Kollegen → Kurt Goldstein. Der Vizepräsident der Frankfurter Nationalversammlung von 1848, Gabriel Riesser, war sein Großonkel. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 72, 106, 170; BLÄF II, 1300; Auerbach 347; Strauss/Röder II–2, 971; Heuer 1997; LGH 2004, 194 f. Rindfleisch, Walter, Innere Medizin * 5. 10. 1872 Marienburg † 20. 7. 1928 Dortmund V.: Dr. Walter R. (1842–gest. vor 1898, Promotion AUK 1866), Gymnasiallehrer, M.: geb. Blech, ev. – 1890 G Marienburg, med. Stud. FWU, AUK, 1896 StE, 1. 10. 1896–1899 I. Assist. arzt Innere Abt. Städt KHS, 24. 5. 1898 Prom: Ein Fall von diffuser akuter Myokarditis (R.: Neumann), 1900–1903 Assist. Med. Klinik (Lichtheim), 1. 4. 1903 OA ebd., 6. 3. 1905 Habil. f. Innere Medizin, AV: Die Bildung von Gal­ lenstein, 1908 Chefarzt Innere Abt. StädtKHS Dort­ mund, 1919 Tit. Prof., 1927: Differentialdiagnose der organischen Erkrankungen des Nervensystems. – Mili­ tär: 1896 IR 43 Königsberg, 1899 FAR v. Linger ebd., OA d. Res. GStA …, Nr. 24, Bd. II, 112, 253; APB 560.

Rindfleisch, Wilhelm, Bibliothekar, UBK * 8. 8. 1861 Gohra/Kr. Neustadt, Westpr. † nach 1916 V.: Julius R., Wirtschaftsinspektor. – Schulbesuch Jenkau b. Danzig, RG Wehlau 1882, naturwiss. Stud. AUK, 1885 aus wirtschaftlichen Gründen abgebro­ chen, 1886 als Hilfsarbeiter UBK für die Neukatalogi­ sierung eingestellt, 1. 4. 1891–30. 9. 1893 Assist. Zool. Museum AUK, 10. 5. 1895 ao. Hilfsarbeiter UBK, 1899 Expedient, Januar–März 1907 wg. schwerer Er­ krankung außer Dienst, 1915/16 a. D. wg. Krankheit, 1. 7. 1916 Ruhestand. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. VIII; ebd., Nr. 2, Bd. VI. Rinne, Friedrich, Mineralogie, Geologie * 16. 3. 1863 Osterode/Harz † 12. 3. 1933 Freiburg/Br. V.: Rudolph R. (1800–1875), Kaufmann, M.: Hen­ riette Bischoff (1827–1915), ev. – RG Osterode 1880, naturw. Stud. Göttingen, 15. 2. 1883 Prom. ebd.: Kri­ stallographische Untersuchungen einiger organischer Verbindungen, 1. 10. 1883 Assistent Miner.­Geol. Institut Göttingen, 1883–1885 wiss. Reisen Italien, Schweiz, Deutschland, 14. 2. 1885 StE, 21. 11. 1885 Habil. f. Mineralogie u. Petrographie ebd., kum. auf­ grund von drei kristallograph. Abhandlungen, PV: Ueber die Entstehung des krystallischen Schiefer, 1. 10. 1886 Umhabil. FWU u. Assist. Naturkunde Museum, AV: Über die Methoden der Gesteinsfor­ schung; WS. 1894/95 ord. Prof. Mineralogie/Geolo­ gie TH Hannover, SS. 1906 Rostock, SS. 1908 AUK, WS. 1908/09 Kiel, WS. 1909/10 Leipzig, 1. 4. 1928 em., 1928/29–1932/33 Honorarprof. Freiburg. – Wiss. Werk geprägt durch „umfassende Einführung quantita­ tiver physik.­mechan. u. physik.­chem. Konzepte und Methoden in die Geowissenschaften“; Begründer der Salzpetrographie, beeinflußte und formte eine ganze Generation von Petrographen, richtete in Leipzig das erste Labor der mineralogischen Kristallographie ein und entwickelte röntgenographische u. kristalloptische Methoden zur physik. Charakterisierung von Festkör­ pern (NDB). – 1911 Geh. Hofrat, 1926 Dr. Ing. h. c. TH Hannover. – oo1892 Elsbeth Schentke. GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. II, 116 f. (Habil.); Scheumann 1933 (Bibl.); Ebel 1962, 143; Fabian 1965 (P); Rösch 1966 (Bibl., P); NDB XXI, 638 f. Rintelen, Max, Rechtswissenschaft, Dt. u. Bürgerliches Recht, Rechtsgeschichte * 23. 2. 1880 Graz † 1. 12. 1965 ebd.

Catalogus Professorum V: Dr. Anton R., Rechtsanwalt, „aus alter westfälischer Patrizierfamilie“. – 1898 II. StaatsG Graz, jur. Stud. Graz 1898–1902, Examina ebd., 28. 3. 1903 Prom. ebd., fortgesetzte Studien FWU 1903–1906 bei Hein­ rich Brunner und Otto v. Gierke, Hilfskraft bei Karl Zeumer, Juni 1907 Leipzig Habil. f. Dt. Rechtsge­ schichte u. Dt. Privatrecht: Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren des altniederländischen und sächsischen Rechtes, 12. 1. 1909 Umhabil. f. Bürgerliches und Handelsrecht AUK; WS. 1909/10 b. ao. Prof. Prag, zum WS. 1910/11 von der Fakultät AUK an erster Stelle zur Vertretung des Extraordina­ riats von Karl Rauch vorgeschlagen, beauftragt wurde aber Müller­Erzbach. Vorlesungen über Rechtsge­ schichte, Kapitalgesellschaften des Handelsrechts und ausgewählte Teile des BGB, Prüfungskommissär für Handels­ u. Wechselrecht in judizieller Staatsprüfungs­ kommission, oö. Prof. f. Dt. Recht, Österreichische Rechtsgeschichte, Geschichte des Handelsrechts Graz 1916, mehrfach Dekan, Rektor 1931/32, Rektorats­ rede: Der Rechtsschutz für geistiges Schaffen, ebd. 1951 em. – Vornehmlich rechtshistorische Publika­ tionen, u. a. Geschichte der Zwangsvollstreckung im Mittelalter, Geschichte der Handelsregister, Privat­ rechtsgeschichte der Neuzeit, über Urteilfindung im angelsächsischen Recht, österr. Agrarverfassung, Ver­ gleich dt. u. röm. Schuldrecht, nach 1945 vor allem noch einmal hervorgetreten mit einem Kompendium zum Urheberrecht und Urhebervertragsrecht (Wien 1958). – Mitglied ÖAkW 1954, Dr. rer. pol. h. c. Inns­ bruck 1960. – oo 1912 Margarethe Boller. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 159 f.; KGK 1931 ff.; Rintelen 1951 (Autobiographie); Lentze 1966 (Bibl., P). Ritthausen, Heinrich, Agrikulturchemie * 13. 1. 1826 Armenruh bei Goldberg/Schlesien † 16. 10. 1912 Berlin V.: N. N., ev. – Chemisches Stud. Leipzig, Bonn, 1852/53 Assistent Chem. Lab. Leipzig (Erdmann), Prom. ebd. 5. 6. 1853, 1854 Leitung Lw. Versuchssta­ tion Leipzig­Möckern, 1856 Direktion Lw. Versuchs­ station des Lw. Zentralvereins für Schlesien zu Ida­ Marienhütte bei Saarau. 1859–1867 Prof. f. Chemie u. Physik Lw. Akademie Waldau bei Königsberg, 1868– 1873 Prof. d. Chemie Lw. Akademie Bonn­Poppels­ dorf. 1873–1899 ord. Prof. f. Agrikulturchemie AUK, 1903 nach Berlin verzogen. – Spezielles Arbeitsgebiet: Chemie der vegetabilischen Eiweißstoffe und ihrer Zersetzungsprodukte, zumeist publiziert im Journal für praktische Chemie 1851–1899; Eiweißforschung, 1872: Die Eiweißkörper der Getreidearten, Hülsenfrüchte und Ölsamen. Beiträge zur Physiologie der Samen und

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Culturgewächse der Nahrungs­ und Futtermittel. – 1903 GRR, 1905 RA III. – ooum 1870 N. N., 1 T, 1 S. GStA, Rep. 89, Nr. 21662, 91, 175; Weisfert 188f.; Poggendorff 1898 III, 1125 (Bibl.); Chronik AUK 1912/13, 14 f. ; Stutzer 1914b (Bibl., P); APB 562; Böhm 1997, 262; Gerber 2004, 613. Rödiger, Johannes, Bibliothekar, UBK * 15. 10. 1845 Halle † 29. 12. 1930 Marburg V.: Emil R. (1801–1874), Orientalist, Hebraist, 1835 ord. Prof. Halle, 1860 ord. Prof. FWU, M.: Luise Ruge, ev. – 1864 WerderschesG Berlin, altphil.­orient. Stud. FWU, Leipzig, Halle, ebd. 1869 Prom.: De no­ minibus verborum arabicis. 1869 Assist. UB Leipzig, 1873 I. Kustos UB Breslau, 1. 4. 1876 Vorstand UBK, 7. 8. 1885 Tit. Oberbibliothekar, 1. 10. 1887 Direk­ tor UB Marburg, 1920 Ruhestand. – 1900 GRR. – oo1873 Antonie Exß, 1 S. Wolfgang (1888–1961), Bi­ bliothekar, 1932–1945 Abt.direktor Katalogabt. SBB. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 154 I (19 Br. an Alt­ hoff, 1886–1893); Weisfert 189; Rohde 1931; Haber­ mann 279; Gundlach 279; DBE VIII, 350. Rörig, Georg, Agrarwissenschaften, Pflanzenbaulehre * 31. 10. 1864 Glogau † vor 1920 ? V.: N. N., Bahnsekretär, ev. – Bis 1883 LuisenstädtG Berlin, 1884 G Erfurt, 1884–1887 Landwirtschafts­ lehre, 1887–1891 naturwiss. u agrarwiss. Studium in Halle, 1890 ebd. Assistent Haustiergarten des Lw. Insti­ tuts, 1891 StE als Lehrer f. Landwirtschaft, 1891–1893 Sekretär des Allg. Verbandes lw. Genossenschaften in Offenbach, 2. 3. 1892 Prom. Halle: Oscinis frit und pusilla. Ein Beitrag zur Kenntniss der kleinen Feinde der Landwirthschaft, 1893 Assist. Zool. Inst. FWU; SS. 1896 b. ao. Prof. f. Pflanzenbau, Kulturtechnik, Gerätekunde AUK (Nf. Marek), 1. 5. 1898 Biologische Reichsanstalt. – Wichtigste Werke: Studien über die wirtschaftliche Bedeutung der insektenfressenden Vö­ gel (1903), Studien über das Gebiß mitteleuropäischer recenter Mäuse (1905), Krankheiten und Beschädi­ gungen der Nutz­ und Zierpflanzen des Gartenbaues (zs. mit Friedrich Krüger, 1908), 1894: Leitfaden zum Studium der Insekten …; während des I. Weltkrieges Vf. mehrerer Aufklärungs­„Flugblätter“ zur Kriegswirt­ schaft zur Bekämpfung von Schädlingen an Hülsen­ früchten, zur Vertilgung von Feldmäusen, Maulwürfen usw., Hauptwerk in dieser Zeit zs. mit dem Chemiker Arthur Binz: Die tierischen Rohstoffe und ihre Vered­ lung, Braunschweig 1916 (= Die Rohstoffe des Wirt­ schaftsgebiets zwischen Nordsee und Persischem Golf; 1).

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GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XIX, 133–135; ebd., Bd. XX, 44; vita Diss. Rohde, Fritz, Bibliothekar, UBK * 22. 9. 1885 Karalehne/Kr. Insterburg † 1. 1. 1962 Marburg V.: Seminardirektor Wilhelm R., 1891 Direktor Kgl. Waisenhaus Königsberg, Schulrat, M.: Eusebia Hen­ nig, ev. – 1903 FC, 1903–1908 germ.­theol. Stud. FWU, Tübingen, AUK, 28. 7. 1909 StE, Prom. AUK 1. 3. 1911: Ein mhd. gedicht über die kreuzigung, das begräbnis und die auferstehung Christi aus der Königs­ berger hs. nr. 905 (R.: Meissner). 1. 6. 1911 Volon­ tär UBK, 15. 4. 1912 Volontär UB Göttingen, 1913 Assist., 1917 Bibliothekar UB FWU, 1926 Direktor UB Marburg, Ruhestand 1950. – Militär: 1909/1910 Wehrdienst FAR 52, Res.­Offizier. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. VIII; vita Diss.; Chronik AUK; MG II, 281. Roquette, Adalbert, Bibliothekar, UBK * 1. 11. 1861 Königsberg † 22. 7. 1907 Göttingen V.: Hermann R., Prediger Frz. Gemeinde Königsberg, Minna N. N., ev.­ref. – FC 1879, altphilol., althist. Stud. Montreux, Tübingen (v. Gutschmid), AUK, Prom. ebd. 20. 12. 1884: De Xenophontis vita (Fr. Ru­ ehl sacrum), 1. 4. 1885 Volontär UBK. Anstoß für eine breite kulturpolitische Debatte gab: Die Finanzlage der deutschen Bibliotheken (1902). Vita Diss.; Berichte UBK. Rosenfeld, Ernst, Rechtswissenschaft, Strafrecht, Straf­ prozeßrecht * 14. 8. 1869 Gumbinnen † 12. 5. 1952 Münster V.: Heinrich Hermann R., Oberpostsekr., zuletzt Postdirektor, Vorfahren mennonitische Bauern in der Tilsiter Niederung, M.: Marie Flottwell, ev. – 1887 G Marburg, jur. Studium ebd., 1889/90 Preisarbeit: Wel­ che Strafmittel können an die Stelle der kurzzeitigen Freiheitsstrafe gesetzt werden?, daraus Diss. Marburg 2. 8. 1890: Bestrebungen zur Einführung der bedingten Verurteilung in Österreich und Deutschland, 3. 5. 1890 StE OLG Kassel, als Referendar in den OLG­Bezirk Naumburg, um in Halle bei v. Liszt weiter strafrechtl. Studien treiben zu können, als Hilfskraft Verwalter der Seminarbibliothek 1891–1893, 24. 4. 1895 2. StE u. Gerichtsassessor, 1. 8. 1896 Habil. f. Strafrechts­ lehre Halle: Die spanische Strafgesetzgebung; vom eigentlichen Plan einer umfassenden ‚Darstellung der Verbrechen gegen das Strafgut der persönlichen Frei­ heit‘ aus Zeitgründen abgerückt, in dieser Hallenser Zeit Interesse für die sozialpolitische Dimension des

Strafrechts, u. a. abzulesen an einem Beitrag ‚Sozial­ politische Maßregeln gegen die verbrecherische und verwahrloste Jugend‘ (Sozialpolitisches Centralblatt VI). Justizdienst, Strafrichter am AG u. LG Halle bis 1900, WS. 1900/01 b. ao. Prof. f. Strafrecht u. Strafprozeß­ recht AUK (neues Extraord., eingerichtet zur Unter­ stützung Güterbocks), WS. 1902/03 b. ao. Prof. (pers. Ord.) Münster, 1909 oö. Prof. ebd., 31. 3. 1935 em. – Schwerpunkt: Strafprozeßrecht, 1912: Der Reichs­ Strafprozeß. Ein Lehrbuch (= 4. u. 5. vollst. durch­ gearb. Aufl.), Kenner des skandinavischen Strafrechts, dazu rechtsvgl. Untersuchungen und Übersetzungen, Kriminalpolitik, „Gesellschaftspathologie“ (zit. nach HLK). – RA IV. – Politisch: 1926 DVP, Ev. Vereini­ gung für Kommunalpolitik Münster, Mitglied des Magistrats Münster 1926–1933, 1933 zu den we­ nigen Mitgliedern der Fakultät zählend, die nicht in die NSDAP eintraten, Juni 1934 BNSDJ. – Militär: 1893 wg. Kurzsichtigkeit vom Militärdienst befreit. – oo1900 Helene Buttler (1873–), 1 T, 3 S (1901–1907). BABL, R 4901, 13274/7832; GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 36, Bd. II, 310–312 (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, 72 f. (Berufung AUK); FS 1949 (P); Steveling 1999, 118 f., 139 f., 360, 447. Rosenkranz, Karl, Philosophie * 23. 4. 1805 Magdeburg † 14. 6. 1879 Königsberg V.: Johann Heinrich R. (1757–1830), Steuersekr., M.: Marie Katharine Gruson (1770–1824), reform. – 1824 G Mageburg, philos.­theol. Stud. FWU, Halle, Hei­ delberg, 1828 Prom. u. Habil. Halle, ao. Prof. 1831 ebd., 1833 ord. Prof. AUK (Nf. Herbart). Hauptwerke: G. W. F. Hegels Leben (1844), System der Wissen­ schaft (1850), Diderot (1866); vom Rechtshegelianis­ mus kommend, in seinen eigenen syst. Werken seit 1850 sich aber zu Hegel in Gegensatz bringend. Kul­ turhistorisch bedeutend: Königsberger Skizzen, Danzig 1842 (ND Hannover 1972). – Politisch: 1848/49 vor­ tragender Rat Preuß. KultM., persönl. Beziehungen zu den Exponenten des ostpreuß. Liberalismus (v. Schön u. a.), Lehrer der liberalen Publizisten Gregorovius, Jor­ dan, v. Gottschall. Abgeord. der 1. Kammer des preuß. LT Februar bis Juni 1849. – oo 1832 Laurette Gruson (1808–1873), 2 S, 1 T. Quäbicker 1879a+b; Weisfert 191; Jonas 1905 (P); Herre 1919; Esau 1934; Japtok 1964; Rosenberg 1979; 153 Dietzsch 1987; Butzlaff ed. 1994; Dietzsch 1995; Röcke 2000; NDB XXII, 70 f.. Rosenow, Georg, Innere Medizin * 6. 9. 1886 Berlin † 1985

Catalogus Professorum KöllnG Berlin 1905, med. Stud. FWU Heidelberg, StE 1910, Prom. FWU 1911: Nierencysten und ihre Beziehungen zu den Nierenkörperchen, 1911/12 Sana­ torium St. Blasien/Schwarzwald, 1. 10. 1912 Assistent Med. Klinik AUK (Schittenhelm), 19. 3. 1916 Habil. f. Innere Medizin ebd. – Schwerpunkte: Wirkung von Adrenalin auf Blutverteilung, Blutbild bei der Grippe, Blutdruckmessung, 1920 Wirkung von Hypophysen­ extrakten auf die Blutverteilung beim Menschen; The­ rapie der Pneumonie und Leukämie, 1925: Blutkran­ keiten. 1914–1921 in Königsberg elf Dissertationen betreut. 1925 dirig. Arzt Innere Abt. Hufeland Hos­ pital Berlin NO, 1933 aus rassenideologischen Grün­ den entlassen, Emigration. – Militär: 1914–18 Arzt Festungshilfslazarett Königsberg. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 229; Nr. 24, Bd. IV, 139; KGK 1931, 2423. Rosinski, Bernhard, Medizin, Gynäkologie * 1862 Gr. Blaustein/Kr. Rastenburg † Januar 1935 Berlin V.: Lehrer, jüd., ev. getauft. – 1883 AltstädtG, 1883/84 theol. Stud., ab 1884/85 med. Stud. AUK, 1889 Prom. AUK: Die syphilitischen Erkrankungen der Placenta, 1889/90 Stud. FWU u. Leipzig, Ostern 1890–1896 II. Assist. Univ. Frauenklinik AUK (Dohrn), 13. 12. 1892 Habil. f. Gynäkologie, 12. 12. 1902 Med. Fak. Antrag Prof. Tit. begründet mit Verdiensten bei der Erfor­ schung der hereditären Syphilis, 1902: Die Syphilis in der Schwangerschaft, 1903 Tit. Prof., bis 1914 zumeist nur einen einstündigen geburtshilflichen Operations­ kurs anbietend, nach 1918 nur noch Königsberger Pri­ vatpraxis, ca. 1928 Umzug nach Berlin­Dahlem. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 260 f.; Bd. II, 47 f., 60; Weisfert 192. Rossbach, Otto, Klassische Philologie u. Archäologie * 13. 7. 1858 Breslau † 22. 7. 1931 Königsberg V.: August R. (1823–1898), Prof. f. Klass. Philologie Breslau, M.: Auguste Westphal, ev. – 1876 Magdale­ nenG Breslau, altphilol. Stud. Jena, Rostock, Breslau, FWU, Prom. Rostock 31. 3. 1882: Disquisitionum de Senecae filii scriptis criticarum cap. II, 1882/83 Stu­ dienreise Italien, 1883 Kgl. Museum Berlin, 1884/86 Stip. DAI Rom, 1888 und 1890 Reisen nach Italien, Griechenland, Frankreich, England, 1. 7. 1887 Ha­ bil. f. klass. Philologie u. Archäologie Breslau: De Seneca philosophi librorum recensione et emendatione (W. Studemund gewidmet), PV: Ueber die Gestalt der Chimäre und ihre Entstehung, AV: Von Stesichoros von Himera. SS. 1890 b. ao. Prof. f. Klass. Philologie Kiel, SS. 1895 oö. Prof. f. Klass. Philologie u. Archä­ ologie AUK (Nf. Schmidt), zugleich Lehrer an der

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Kunstakademie, Direktor der Archäolog. Sammlung u. des Münzkabinetts, WS. 1895/96 ebd. Nf. Hirschfeld, 1924 em. – 1912 GRR. GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 41, Bd. III, 287–289 (Habil.); ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 155 II (15 Br. an Althoff 1888–1895); Weisfert 192; Zeitge­ nossenlexikon 1905, 1210; Volbehr/Weyl 182; Wickert 1979 (P); APB 1675 f. (mit falschem Emerit.datum, u. krasser Fehleinschätzung: „wirkte sehr nachhaltig“ an AUK); DBE VIII, 405. Rost, Paul, Slavische Philologie * 26. 3. 1869 Dresden † 1. 6. 1938 Königsberg V: Hermann, Großhandelskaufmann, M: Elisabeth Schmidt; ev. – 1874 mit den Eltern nach Moskau übergesiedelt, Dt. Apostel PaulusG 1888, philol. Stud. (semit. u. slav. Sprachen) FWU, ebd. 1892 Prom.: De inscriptione Tiglat­Pileser III regis Assyriae quae voca­ tur annalium, 1894 Habil. f. Assyriologie Greifswald, 20. 7. 1896 Umhabil. AUK, AV: Ueber Palaestina im 15. Jahrhundert vor Chr. Geb. und die Einwanderung der Ebraeer. 1896 Lektor für Russisch, 1915 b. ao. Prof. f. slavische Philologie, 1935 em. – oo N. N.; zwei un­ eheliche S, 1934, 1936. GStA, Rep. 76Va, Nr. 10334, 274; Schaller 2010, 110–120 (P). Rühl, Franz, Alte Geschichte * 26. 10. 1845 Hanau † 3. 7. 1915 Jena V.: August R., Oberbürgermeister von Hanau, M.: Na­ talie Weigel, ev. – 1863 G Hanau, hist.­philol. Stud. Jena, FWU, Marburg, Prom. 1867 Marburg: Die Quellen Plutarchs im Leben des Kimon; Studienreise nach Italien, Freundschaft mit F. Gregorovius, 1868 Gymn.lehrer Schleswig, 1871 Habil. Leipzig: Die Ver­ breitung des Justinus im Mittelalter, 1872 b. ao. Prof. Dorpat, 1875 ebd. ord. Prof., SS. 1876 AUK (Nf. v. Gutschmidt), Rektor 1905/06, wegen Augenleidens em. 1911, 1912 erblindet. – Hg. Xenophon, Scripta minora (1910–12), Hg. A. v. Gutschmid, Kleine Schriften (1889–1894), 1897: Chronologie des Mittel­ alters und der Neuzeit, Hg. wichtiger Materialien zur Geschichte Ostpreußens im 19. Jh., 1896: Briefwechsel des alten Schön mit H. G. Pertz und J. G. Droysen, Briefe und Aktenstücke zur Geschichte Preussens unter Friedrich Wihelm III. vorzugsweise aus dem Nachlass von F. A. von Stägemann, 4 Bde. 1899–1904. – 1894 RA IV. – Politisch: 1880–1910 Mitglied der Königs­ berger Stadtverordnetenversammlung, Freisinnige Par­ tei, „Radikaldemokrat“. – oo 1876 Elise Henle (gest. nach 1915), Tochter des Göttinger Anatomen Jakob H.

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(1809–1885), mindestens 1 S, Alfred R. (1882–1935), Prof. f. Geographie FWU. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 157 I (45 Br. an Althoff, 1883–1908); SBB, Nl. Wachsmuth, Brw. 1867–1898; ebd., Nl. v. Treitschke, Kasten 8, Nr. 92; ebd., Nl. Mommsen, 5 Br. 1867–1875; UBBonn, Teil­ Nl. Rühl (nur Briefe an R., darunter von Gregorovius, z.T. publiziert in Hönig 1920); BStB, Nl. Gregorovius (Briefe von R. an Gr.); Weisfert 192 f., Zeitgenossen­ lexikon, Mentz 1919; APB 574 f. Rupp, Erwin, Pharmazeutische Chemie * 19. 2. 1872 Kirchheim/Teck † 10. 4. 1956 Freiburg/Br. V.: Franz R., Postrat, M.: Emma Trick, ev. – 1878– 1887 Lateinschule Kirchheim, Lyceum Nürtingen, 1887–1890 Lehrzeit Plieningen u. Assistenzzeit als Apotheker Biberach/Württ., Genf, Berlin, 1890–1895 pharmazeut.­chem. Stud. Straßburg, Heidelberg, 1895 Apotheker­StE, 1897 Prom. ebd.: Ueber die perha­ logenirten Phtalsäuren und das Hexajodbenzol (R.: Viktor Meyer), 19. 10. 1901 Habil. f. Chemie Freiburg bei Ludwig Gattermann (1860–1920), Assist. pharm.­ chem. Inst. ebd., SS. 1904–SS. 1909 Abt. vorsteher Marburg, Umhabil. f. pharm. Chemie u. Nahrungsmi­ telchemie 30. 4. 1904, 30. 5. 1904 Tit. Prof., 22. 5. 1907 b. ao. Prof. f. Pharmazie u. Nahrungsmittelchemie ebd., WS. 1909/10 ao. Prof. u. Ltr. Pharm.­chem. In­ stitut AUK (Nf. Partheil), 1913 ord. Prof. ebd., 1919 oö. Prof. Breslau, 1937 em. – Wiss. Ambitionen auf dem Gebiet der Analytik, insbes. Maßanalyse, dazu etwa 250 Aufsätze. Zahlreiche Methoden zur Bestim­ mung anorganischer und organischer Substanzen mit Hilfe von Halogen entwickelt. Dazu Untersuchungen zum Quecksilbergehalt in Arzneien, des Arsens in Arsa­ cetin und Natrium­Kakodylat. Geschickter Konstruk­ teur, u. a. Erfinder der Rupp­Waage und eines Kohlen­ säurebestimmungsgeräts. Maßgeblicher Anteil an der 6. Ausgabe des Dt. Arzneibuches (Schmitz). – Militär: 1914 Stabsapotheker Posen, 1915–1918 für Oberkom­ mando Ost als Chemiker tätig. – oo1908 Amalie Bang (1886–), 1 S (1909). BABL, R 4901, 13274/7925; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Nr. 21, Bd. XXV, 66–68; ebd., Sek. 12, Tit. IV, Nr. 3, Bd. II, 173–177 (Umhabil. 1904); Gundlach 485; R. Schmitz 1969, 86 f.; Ch. Friedrich u. a. 1987 (Bibl., P). Rust, Hans, Systematische Theologie * 3. 12. 1879 Berlin † 9. 5. 1967 Homburg/Saar V.: Kaufmann, M.: Johanna Thieme, ev. – FranzG Ber­ lin 1898, theol.­philos. Stud. FWU, theol. Examina ebd., 6. 12. 1909 Prom. Dr. phil. Jena: Gustav Class’

Philosophie, dargestellt und nach ihren Vorausset­ zungen untersucht (R.: Eucken), 1912 theol. Habil. f. system. Hilfswissenschaft AUK: Über den Unterschied zwischen philosophischer und theologischer Ethik (be­ treut von A. Dorner), 1918 Tit. Prof. ebd., 1921 nb. ao. Prof. ebd., 23. 10. 1939 b. apl. Prof. ebd. 1946– 1957 Kirchl. Hochschule Bethel. – Politisch: NSLB 1. 7. 1933; Pfarrer­Prüfungskommission der ostpr. BK, November 1934 zu den 124 Petenten gehörend, die Reichsbischof Müller zur Demission aufforderten. – 1927 Dr. theol. h. c. AUK. – Militär: Dienstuntaug­ lich, 1901 ausgemustert. – oo Hermine Glaue (1888?– 1942), 1 S Arnold (1922–2001), Pastor. BABL, R 4901, 13274/7932; GStA, XX. HA, Rep. 99c, O 56; APB 1923 f. Saalschütz, Louis, Mathematik * 1. 12. 1835 Königsberg † 25. 5. 1913 ebd. V.: Joseph Lewin S., Archäologe (s. APB 579); jüd. – 1854 AltstädtG, mathem.­phys. Stud. AUK 1854– 1859, 1859 StE, 1861 Prom. ebd.: De non periodica mutatione caloris terrae. 1860–1882 Lehrer an der Kö­ nigsberger Gewerbeschule, 1871 Habil. f. Mathematik u. Mechanik: Theorie der Evolventen­Bewegung, AV 24. 10. 1871: De vi mutua, quam in ses habent scientia et technice machinalis. Nach günstigen Lehrerfolgen in Veranstaltungen über höhere Analysis u. techn. Mecha­ nik und Bewährung als Vertreter des erkrankten Rosen­ hain 9. 12. 1875 nb. ao. Prof.; 1888 b. ao. Prof., 1908 ausgeschieden. – Hauptwerke 1870: Zur Theorie der Evolventen­Verzahnung und 1893: Vorlesungen über die Bernoullischen Zahlen, div. Aufsätze zur Zahlen­ theorie. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 99–101; Weisfert 194; BEN 2003, 761; APB 1481 f. Sachs, Ernst, Medizin, Gynäkologie * 4. 9. 1878 Berlin † nicht ermittelt V.: N. N., Kaufmann (gest. 1884), jüd. – 1897 G Ber­ lin, med. Stud. Heidelberg, FWU, Straßburg, 1902 StE, Prom. ebd.: Die puerperalen Erkrankungen und Todesfälle der septischen Abt. der Straßburger Frauen­ klinik 1891–1901, 1903–06 Assist. KHS Moabit, 1907–1909 Virchow KHS Berlin, Gyn. Abt., 1. 4. 1910 Assist. Univ. Frauenkl. AUK (Winter), 20. 7. 1911 Ha­ bil. f. Gynäkologie ebd., 1916 Tit. Prof., 1919 lt. Arzt Geburtshilf.­gynäk. Abt. jüd. KHS Berlin, 1921 in gleicher Stellung KHS Berlin­Lankwitz. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 76.

Catalogus Professorum Salkowski, Carl, Rechtswissenschaft, Römisches Recht * 20. 5. 1838 Königsberg † 16. 12. 1899 ebd. 1859 Prom. AUK: Quaestiones de iure societ […], 1862 Habil. ebd.: Bemerkungen zur Lehre von den ju­ ristischen Personen, 1883 oö. Prof. AUK (Nf. Sanio), 1878–1899 Leiter des Kypkeschen Stiftes., 1898/99 Rektor AUK. – Als Wissenschaftler fast ausschließlich konzentriert auf sein ,Lehrbuch der Institutionen für den akademischen Gebrauch‘, zuerst 1868, bis 1898 in sieben jeweils umgearb. und erweit. Auflagen. – 1894 RA IV. – ooN. N., 1 S, 4 T. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 66; Weisfert 195; Chro­ nik AUK 1899/1900, 8 f. Salkowski, Heinrich Otto, Chemie * 13. 4. 1846 Königsberg † 30. 10. 1929 Münster Prom. AUK 1868: Ueber einige arsensaure Salze und eine neue Bestimmungsmethode des Wismuths, 15. 2. 1873 Habil. ebd., AV: De ratione synthesis in chimia organica, 1875–1878 Lehrstuhlvertretung Gra­ ebe, SS. 1879 ord. Prof. f. Chemie Akademie Münster, em. 1915. – GRR, RA III, KrO III. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 127–129. Samter, Oscar, Medizin, Chirurgie * 23. 4. 1858 Posen † 12. 1. 1933 Königsberg V.: Joseph S., Sanitätsrat, Lt. Arzt KHS Posen, jüd.. – 1876 G Posen, med. Stud. FWU, Breslau, 1881 ebd. Approb. u. Prom.: Statistische Untersuchungen über die genuine kruppoese Pneumonie. Nach Beobach­ tungen in der Kgl. Med. Klinik zu Breslau vom Novem­ ber 1874 bis August 1881; 1882–1884 Assist. Städt. KHS Danzig (Baum), 1884/85 pathol.­anat. Arbeit in Leipzig u. München, 1885–1887 III., 1887–1890 I. Assist. Chirg. Univ. Klinik AUK unter Schönborn u. Mikulicz, 8. 4. 1891 Habil. f. Chirurgie, AV: Ueber die Bedeutung der Aktinomykose für die Gesundheits­ pflege, 1900 Prof. Titel, 1898–1921 Lt. Arzt Chir. Abt. Städt KHS, 1921 Direktor ebd. – Arbeiten zur ope­ rativen Technik und neuen Operationsmethoden, Ge­ sichtsplastik, orthopäd. Chirurgie. – 1900–1925 Mit­ glied ärztl. Staatsprüfungskommiss. – Politisch: „Alter Nationalliberaler, gehört zu den führenden Männern der Königsberger DVP, hat sich im Verein mit seiner Gattin […] politisch wirksam betätigt“, im kulturel­ len Leben aktiv, u. a. Vorstandsmitglied der Sinfonie­ konzerte (KAZ). – Militär: 1881/82 Wehrdienst FAR, Assistenzarzt I. Kl. d. Res., 1914–1918 chirurg. Beirat stellv. Generalkdo. Königsberg. – oo N. N. Caspary, Tochter v. Julius → C.

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GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 147; Pagel, 1981 ff.; KAZ Nr. 189 v. 22. 4. 1928: Prof. Samter 70 Jahre. Samuel, Simon, Medizin, Pathologie * 5. 10. 1833 Glogau/Schlesien † 9. 5. 1899 Königsberg V.: N. N., jüd.. – Med. Stud. FWU (Schüler von Jo­ hannes Müller), 1855 Prom. ebd., 1856 Niederlassung als Arzt in Königsberg, 1860 Habil. AUK beantragt, 1861 aus relig. Gründen verweigert, da gem. § 105 Universitätsstatuten nur Protestanten zugelassen wer­ den dürfen. Generalkonzil beschließt 1860 zwar Strei­ chung des § 105 und Med. Fak. ersucht PrMK unter Verweis auf Erlaß vom Juli 1848 betr. Berechtigung von Juden, Zugang zu allen Lehrämtern in Preußen zu erhalten, um Bestätigung der Habil., ist damit je­ doch erst 1866 erfolgreich. 7. 12. 1867 Habil. f. allg. Pathologie u. Therapie AUK, AV: Über Experimen­ talpathologie, 1874 nb. ao. Prof. ebd. „In dieser mit Überwindung prinzipieller konfessioneller Hindernisse errungenen akademischen Stellung hat der Verstor­ bene eine […] verdienstvolle Thätigkeit […] entfaltet.“ (Chronik). – 1873: Der Entzündungsprocess, 1877– 1879: Handbuch der allgemeinen Pathologie als patho­ logische Physiologie, mit A. Eulenburg Hg. Handbuch der allgemeinen Therapie und der therapeutischen Me­ thoden. 1880: Compendium der allgemeinen Patholo­ gie. – Militär: Als Arzt in Lazaretten dicht hinter Front Teilnehmer am preuß.­österr. Krieg 1866. – oo N. N., mindestens 1 T oo → Lassar Cohn. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 95, 99; Weisfert 196 f.; Chronik AUK 1899/1900, 7; Pagel 1472 f. (P); BLÄ V, 4; Kabus 76 (P). Sanio, Friedrich Daniel, Rechtswissenschaften, Zivil­ u. Strafrecht, Röm. Recht * 10. 4. 1800 Königsberg † 25. 2. 1882 Halle Jur. Stud. AUK, Auskultator 1824, 25. 3. 1827 jur. Prom. AUK: Obervationum ad legem corneliam de si­ cariis, 1828 Habil. ebd. (ohne Habilschrift), 11. 4. 1831 ao. Prof., zunächst über Zivil­ u. Strafrecht gelesen, 15. 3. 1832 ord. Prof. f. Röm. u. gemeines Civilrecht, (Nf. seines Lehrers Dirksen) ebd., Inaugurationsschrift: De antiquis regulis jura Spec. I et II; Rektor 1848, 1859, 1863; 1875 em. Publizistisch wenig produktiv, 1858: Zur Geschichte der Römischen Rechtswissen­ schaft, wo er sich für eine Vertiefung und Erweiterung der historisch­kritischen Erschließung des römischen Rechts einsetzt. Weisfert 197; ADB LIII, 708 f.; APB 590; Ippolito 1981.

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Sattler, Carl Hubert, Medizin, Augenheilkunde * 4. 7. 1880 Erlangen † 7. 9. 1953 Limburg/Lahn V.: Hubert S. (1844–1928), Prof. f. Augenheilkunde, M.: Mathilde Will (1855–), ev. – 1899 HG Gießen, med. Stud. Leipzig, München, Kiel, 1904 StE Kiel, Appr., Prom. 19. 12. 1904 ebd.: Über Eisenresorp­ tion und Ausscheidung im Darmkanal bei Hunden und Katzen (R.: Quincke), 1906 Schiffsarzt, 1906– 1908 Assist. Univ. Augenkl. Würzburg (v. Hess), 1. 10. 1908–1. 10. 1911 Assist. Univ. Augenklinik AUK (Krückmann), 18. 2. 1911 Habil. f. Augenheilkunde ebd., 1912–1914 prakt. Augenarzt Gießen, 1. 1. 1915– 31. 3. 1928 OA Univ.­Augenklinik AUK, 1917 nb. ao. Prof., 1. 4. 1928 lt. Arzt Augenabt. ElisabethKHS bis zum krankheitsbedingten Rücktritt 1939. Nach 1945 augenärztliche Praxis in Diez/Hessen. – Arbeiten zur funktionellen Schielbehandlung, 1920: Pulsierender Exophthalmus [Vordrängung des Augapfels] (in: ‚Handbuch der gesamten Augenheilkunde‘), 1922: Das künstliche Auge (in: Augenärztliche Operationslehre Bd. 2), 1932: Augenveränderungen bei Vergiftungen (Kurzes Handbuch der Ophthalmologie, Bd. 7). – Poli­ tisch: NSLB 9. 7. 1934, NSÄB 13. 10. 1938. – Militär: 1914–1918 Stabsarzt, EK I, RK I. Kl. Albrechtsorden m. Schw. – oo 1908 Maria Roeder (1886–), kath., 1 T, 2 S (1908–1924). BABL, R 4901, 13275/7985; GStA, XX. HA, Rep. 99c, Ord. 57; ebd., Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 44; R. Franz 1981, 231–233. Sauer, Wilhelm, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Rechts­ philosophie * 2. 6. 1879 Frankfurt/Oder † 21. 3. 1962 Münster V.: Wilhelm S. (gest. 1916), Orgelbaumeister, M.: Anna Bauer, ev. – G Frankfurt/O. 1898, jur., phi­ los. Stud. Marburg (Cohen, Natorp, Leonhard), Kiel (Schlossmann, Niemeyer, Weyl, Adickes), FWU (Brunner, Kohler, Paulsen, Schmoller, Wagner), Prom. Halle 8. 5. 1908: Schließen sich Diebstahl und Sach­ beschädigung begrifflich aus? Ein Beitrag zur psycho­ logischen Erklärung der Vermögensverbrechen (R.: Finger), 21. 6. 1901 StE, jur. Vorbereitungsdienst, 2. StE 15. 5. 1907, 1907–1914 Hilfsrichter Berlin, Angermünde, Frankfurt/O., öfter zu wiss. Studien beurlaubt, 1901–1908 regelmäßige Teilnahme an Übungen im Kriminalistischen Seminar seines „hoch­ verehrten Lehrers“ v. Liszt FWU, 1913/14 nach Halle (Stammler). Habil. f. Strafrecht u. Strafprozeß AUK 30. 10. 1916 aufgrund der Schrift: Die Ehre und ihre Verletzung. Kritische Untersuchungen über Tatbestand und Rechtswidrigkeit der Beleidigung mit besonderer Rücksicht auf die deutsche Strafrechtsreform, PV: Die

Prozeßvoraussetzungen des Strafverfahrens, AV: Die allgemeingültigen Kategorien des Strafrechts. 1919 be­ ginnt mit ‚Grundlagen des Prozeßrechts‘ (644 S.) die Serie seiner „dicken Bücher“, in der vor allem seine Arbeiten zur Rechts­, Kultur­ und Gesellschaftstheorie zu beachten sind (dazu näher Bd. II). 1920 b. ao. Prof. AUK, 1935 zwangsversetzt nach Münster. – Politisch: KfDK 1934, SA R II 1934, NSDJB 1933, NSLB 1933. – Militär: 1902/03 Wehrdienst FAR, Lt. d. R., 1911 verabschiedet wg. chron. Gelenkrheumatismus, kein Kriegsdienst. BABL, R 4901, 13275/7989; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 185 ff.; XX. HA, Rep. 99c, Ord. 57; Sauer 1958 (Bibl., P); Steveling 1999, 337 ff. Schade, Oskar, Deutsche Sprache und Literatur * 25. 3. 1826 Erfurt † 30. 12. 1906 Königsberg V.: Rektor, ev. – 1845 G Erfurt, theol. Stud. Halle (Tholuck), Wechsel zur germ. Philologie, ab 1847 FWU (J. Grimm, Lachmann, Ranke, Schott, K. Rit­ ter), 12. 6. 1849 Prom. Halle: Daz buochlin von der tohter Syon. Carmen Theotiscum mysticum emen­ davit et explicavit. 23. 4. 1860 Habil. ebd.: Veterum monumentorum theotiscorum decas. 1863 ord. Prof. AUK, AV/Habil.: Fragmenta carminis theodisci vete­ ris nuns primum edidit. SS. 1906 emeritiert. Zwischen 1850 und 1860 freier Schriftsteller u. a. in Bonn, län­ gere Aufenthalte in Ungarn, Belgien, Studienreisen nach Italien usw., mit Hoffmann von Fallersleben Hg. Weimarsches Jahrbuch (1854–1857). Editor früh­ neuzeitlicher Literatur, u. a. Satiren und Pasquille der Reformationszeit, 2 Bde. 1856, Geistliche Gedichte des 14. und 15. Jahrhunderts (1854), Volkslieder aus Thüringen (1860), ferner kulturhistorische Arbeiten: Vom deutschen Handwerksleben in Brauch, Spruch und Liedern (1856), Über Jünglingsweihen. Ein Bei­ trag zur Sittenkunde (1857). Während der Königsber­ ger Zeit vor allem linguistische Studien und Arbeit am Altdeutschen Wörterbuch (1866, 2. verm. Aufl., 2 Bde. 1873–1882). 1873–1879 Hg. Wissenschaftliche Mo­ natsblätter (vornehmlich Rezensionsorgan unter starker Beteiligung Königsberger Dozenten). – Politisch: 1882 Kandidat der Konservativen zur preuß. Abgeordneten­ hauswahl, 1884 für den Reichstag, erfolglos. – ooMaria von Beyer, 1 S, Rudolf (1869–1932), Offizier, Schrift­ steller, 1 T Maria, 1872–194?, Schriftstellerin, lebte bis 1945 in Königsberg. – 1884 RA III m. Schl., 1887 GRR, 1894 KrO II: „Mann von eifriger patriotischer Gesinnung, unbeirrt durch vielfache Anfeindungen allzeit durch Wort und Schrift im Sinne der Staatsre­ gierung gewirkt und so weiteren Kreisen ein Vorbild

Catalogus Professorum gegeben“ (Kurator v. Schlieckmann), 1899 RA II m. Eichenlaub, 1906 Stern KrO II. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 149 f., 93 ff.; ebd., Nr. 21662, 96; Weisfert 199 f.; Chronik AUK 1906/07; Marold 1907; Thurau 1907a (P); Janßen 1995; IGL 1574 f.; Nl.: UA­HUB; SBB. Schaeder, Erich, Theologie, Systematik u. NT * 22. 12. 1861 Clausthal/Harz † 18. 2. 1936 Berlin V.: Georg Sch., Bergrevisor, M.: Henriette Capelle, ev. – G Berlin 1881, theol. Stud. FWU, Greifswald, 1887–1889 Inspektor Tholucksches Convikt Halle. 23. 2. 1891 Prom. Lic. Greifswald: Die Bedeutung des lebendigen Christus für die Rechtfertigung nach Paulus. 26. 2. 1891 Habil. f. Dogmatik ebd., SS. 1894 u. WS. 1894/95 Vertretung Lehrstuhl f. system. Theol. (Grau) AUK, SS. 1895 b. ao. Prof. Göttingen, SS. 1899 oö. Prof. Kiel, 1918 Breslau, em. 1929. – Ver­ treter einer „theozentrischen Theologie“, Kritik der an­ thropozentrischen, „liberalen“ Konzeptionen der prot. Theologie des 19. Jhs., Wegbereiter der „dialektischen Theologie“. – RA IV, KrO III. – Politisch: Christ.­So­ zialer Volksdienst, DNVP. – Militärisch: 1888 Wehr­ dienst, zum Landsturm überwiesen. – oo 1894 Anna Sellschopp (1867–), 2 T, darunter Hilde (1902–1984), Theologin, 2 S, darunter Hans Heinrich, Orientalist (s. Catalogus Bd. II). BABL, R 4901, 13275/8016; GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 41–44 (Habil.), 61; Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. III, 135 ff.; Chronik Göt­ tingen 1894/95, 8; Schaeder 1925 (Autobiogr., P); BBKL VIII, 1508 f. Scharff, Ernest, Lektor für Französisch * 1871 Luxemburg † nicht ermittelt Altphil. Stud. Lüttich, Prom. ebd.: Polybe et la Inscrip­ tions de Pergame, neuphil. Prom. ebd.: Les Abels spelen flamands et leurs origines françaises, Dozent Univ. Lüt­ tich, 1. 4. 1897 Lektor f. Franzöisch AUK, 1. 4. 1902 Lektor Marburg. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IX, Nr. 2, Bd. II, 71–74, 151. Scheller, Robert, Medizin, Hygiene * 14. 10. 1876 Prag † 2. 4. 1933 Breslau V.: Privatier Markus Sch., ev. (jüd.). – 1894 G Prag, med. Stud. ebd., 1900 Prom., 1900–1902 prakt. Ausbildung FWU, Volontärassist Med. Klin. Cha­ rité, 1902/03 Fortbildung Hygiene Wien, 1. 4. 1903 Hilfsassist. Hyg. Inst. AUK (Pfeiffer), 1. 4. 1904 Assist. Diphterieuntersuchungsstation ebd., 27. 6. 1905 Ha­

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bil. f. Hygiene: Zur Epidemiologie der Diphterie, AV: Die Principien der allgemeinen Seuchenprophylaxe. Kollegs über Gewerbe­ u. Sozialhygiene, 1909 Um­ habil. Breslau, ebd. bis 1933 nb. ao. Prof., nach 1918 auch LA Gewerbehygiene TH Breslau. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 127–129; Chronik AUK; KUK 1907–1909. Schellwien, Ernst, Geologie * 3. 4. 1866 Quedlinburg † 14. 5. 1906 Königsberg V.: Robert Sch., Justitiar, M: Adelaide Logan, ev. – 1887 G Quedlinburg, jur. Stud. München SS. 1887, dann Wechsel zu den Naturwissenschaften, München, FWU, Halle, ebd. 10. 9. 1891 Prom.: Die Fauna des karnischen Fusulinenkalks, Assistent in Bonn und ab 1894 am Mineralog.­Geol. Institut AUK, Habil. f. Ge­ ologie ebd. 30. 5. 1895, AV: Die Meere und die Con­ tinente früherer Erdperioden. 12/1899 Vorsitz PhÖG, SS. 1901 b. ao. Prof. f. Geologie u. Paläontologie, 1903 Verwalter der Bernsteinsammlung der AUK. Arbeiten zur Geologie Ostpreußens, u. a. Geologische Bilder von der samländischen Küste (1905). Daneben seit der Stu­ dienzeit „Probleme der alpinen Geologie“, u. a. : Über die Fauna der Trojkofel­Schichten in den karnischen Alpen und den Karawanken (1905). Anon. Nachruf SchrPhÖG 47, 1906, unpag. (P); Chronik AUK 1906/07, 10 f.; APB 603. Schieck, Franz, Medizin, Augenheilkunde * 14. 8. 1871 Dresden † 26. 1. 1946 Würzburg V.: Julius Sch., Dr. med., Hof­ u. Sanitätsrat, M.: Marie Schneider, ev.­luth. – 1889 VitzhumG Dres­ den, med. Stud. Leipzig, Heidelberg, StE u. Approb. 1895 Karlsruhe, 1895/96 Assist. Path. Inst. Hei­ delberg, 28. 2. 1896 Prom. ebd.: Ueber die ersten Stadien der experimentellen Tuberculose der Ka­ ninchencornea. 1. 1. 1897 Assist. Univ.­Augenklinik Halle (→ v. Hippel), ebd. 1. 11. 1900 I. Assistenzarzt, 12. 5. 1900 Habil.: Klinische und experimentelle Stu­ dien über die Wirkung des Tuberculius auf die Iristu­ berculose, AV 23. 6. 1900: Die Beziehungen der Augen­ leiden zu Allgemeinkrankheiten, 1. 4. 1901 Umhabil. Göttingen, Assist. Univ. Augenklinik ebd. (v. Hippel folgend), 1906 ao. Prof. ebd., SS. 1912 oö. Prof. f. Au­ genheilkunde u. Direktor Univ. Augenklinik AUK (Nf. Krückmann), WS. 1914/15 Halle (Nf. Eugen v. Hip­ pel), 1924/25 Rektor, SS. 1925–1935 Würzburg (Nf. C. Wessely). – Schwerpunkte: Pathogenetische Fragen (Retinitis albuminurica/Blutungen der Netzhaut, Ent­ stehung der Stauungspapille, sympathische Ophthal­ mie); 1914: Die Immunitätsforschung im Dienste der Augenheilkunde, 1919: Grundriß der Augenheilkunde

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(7. Aufl. 1939), mit Brückner Hg. Kurzes Handbuch der Opthalmologie, Bd. VI: Auge und Nervensystem, 1931. – GMR 1918. – Politisch: 1933–1935 Stahl­ helm, SAR II, NSDAP 1. 5. 1937. – Militär: 1914/15 Arzt im Res. Lazarett Dresden, 1915–1919 Res. Laza­ rett Halle. – oo1899 Agathe Lotze (1876–), 1 T, 2 S. BABL, R 4901, 13275/8165; Chronik Göttin­ gen 1900, 17 f.; Chronik Halle 1900/01, 46 f.; BLÄF, 1384; Eulner/Sachsenwege 1957, 408 (P); R. Franz 1981, 154–158; Grehn 2007, 99–101 (P). Schipper, Jakob, Romanische und Englische Philologie * 19. 7. 1842 Kirchspiel Middoge/Ostfriesland † 20. 1. 1915 Wien V.: Landwirt, M.: Gesche Maria Marcus, ev. – 1863 G Jever, theol.­philosoph. Stud. FWU, Heidelberg, neuere Sprachen Bonn (Delius, Diez, Simrock), 1867 StE u. Prom. Bonn: De versu Marlovii, 1869/70 Aus­ landsstudien Paris, Rom, London, Oxford (mit Joseph Bosworth Neubearbeitung. v. dessen angelsächs. Wör­ terbuch), ohne Habil. WS. 1871/72 b. ao. Prof. f. neu­ ere Sprachen AUK, 1872 ord. Prof. ebd., WS. 1876/77 ord. Prof. f. engl. Philologie Wien, 1886/87 Dekan, 1901/02 Rektor, 1. 10. 1913 em. – 1877: (Ed.), Eng­ lische Alexiuslegenden aus dem XIV. u. XV. Jahrhun­ dert, 1881: Englische Metrik in historischer und sy­ stematischer Entwicklung dargestellt, 1884: William Dunbar. Sein Leben und seine Gedichte, 1908: Bei­ träge zur englischen Kultur­ und Literaturgeschichte, 1911: James Shirley. Sein Leben und seine Werke; Hg. 1895–1915: Wiener Beiträge zur engl. Philologie, Bd. 1–44; Hg. von J. Zupitza, Alt­ u. mittelenglisches Übungsbuch von der 5. bis zur 11. Aufl., 1897–1915; Lehrer von Alois Brandl, Rudolf Brotanek, Albert Eich­ ler u. a. – 1902 Hofrat; Mitglied Österr. AkW, PrAkW, Dr. h. c. fünf engl. Universitäten, 1913 Ritterkreuz des Leopoldordens. – Politisch: Burschenschafter von groß­ deutscher Gesinnung. – ooN. N., 4 K. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Bd. VIII, 39 f., 95 f., 193; Weisfert 202 f.; Brotanek 1915; Friedwag­ ner 1915 (P); Luick 1915 (P); L. Fränkel 1915; Kell­ ner 1915; ÖBL X, 160 f.; Mecenseffy 1967, 189–192 (P); Haenicke 1981, 155–157; Haenicke/Finkenstaedt 1992, S. 272 f. Schirmer, Johann Theodor, Rechtswissenschaft, Rö­ misches Recht * 15. 5. 1827 Breslau † 2. 4. 1904 Blankenburg/Harz V.: N. N. – Jur. Stud. in Breslau, 1849/50 Justizsenat Ehrenbreitstein, Kreis­ u. Appellationsgericht Greifs­ wald, dort 1. 8. 1850 Prom.: Ueber die prätorischen Judicialstipulationen, Habil. Breslau 29. 3. 1852: Die Grundidee der Usucapion im römischen Recht, 1858

nb. ao. Prof. ebd., WS. 1863/64 ord. Prof. f. Röm. Recht AUK, von den Lehrverpflichtungen entbunden zum Ende SS. 1901. – Veröff. in ZRG u. ArchcivPra­ xis. 1863: Handbuch des römischen Erbrechts, 1. Tl. – Prorektor 1869/70, stellv. Universitätsrichter, Leiter der Rhesaschen Stiftung. – 1879 GJR, 1887 RA III, RA II mit Eichenlaub, 1894 KrO II. – Militär: In einem Jägerbataillon eingesetzt gegen die Aufständischen in Berlin im März 1848, Hohenzollernsche Denkmünze. – ooHelene, Tochter des 1865 verst. Hamburger Kauf­ manns Sophokles Le Sueur, 2 S, 3 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. V, 245; Rep. 89, Nr. 21661, 93–100; Weisfert 203; FS 1900; Chronik AUK 1903/04, 14 f. Schirmer, Otto, Medizin, Augenheilkunde * 13. 12. 1864 Greifswald † 5. 6. 1917 Brooklyn/New York V.: Rudolf Sch. (1831–1896), Prof. d. Med., M.: geb. Planck, Schwester des Juristen Wilhelm Planck, somit Vetter von Max Pl., ev. – G Greifswald 1882, med. Stud. Freiburg, München, Greifswald, Prom. 1887 Göttingen: Experimentelle Studien über die reine Lin­ senconfusion, StE, 1887–1890 Assist. Univ. Augen­ klinik Göttingen, Habil. f. Augenheilkunde ebd. März 1889, Umhabil. AUK 5. 8. 1890, ebd. 1. 10. 1890 As­ sist. v. Hippels an der Univ. Augenklinik, 1892 Um­ habil Halle, 1893 b. ao. Prof. Greifswald, SS. 1896 oö. Prof. Kiel, 1907 Straßburg, „hier erfolgte sein tra­ gischer Sturz, wohl nicht ohne sein eigenes Verschul­ den“ (Hirschberg), 1909 auf eigenen Antrag entlassen (Volbehr/Weyl) resp. „siedelte nicht aus eigenem An­ trieb nach New York über“ (BLÄF), „aufgrund persön­ licher Verfehlungen“ zur Amtsniederlegung gezwun­ gen (Franz), 1912 Prof. Post Graduated School New York. – Schwerpunkte: Probleme der Linsentrübung, Einsatz von Quecksilber bei perforierenden Augen­ verletzungen, Anatomie und Physiologie der Tränen­ organe (darüber auch sein Beitrag im Handbuch von Graefe/Saemisch, 1903), heute noch verwendet: der „Schirmer­Test“ zur Prüfung der Tränenableitung. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 142–144; BLÄF II, 1388; Hirschberg 1918, 139; Volbehr/Weyl 81 f.; R. Franz 1981, 119–121; Böke 1988, 26 (P). Schittenhelm, Alfred, Innere Medizin * 16. 10. 1874 Stuttgart † 27. 12. 1954 Starnberg V.: Wilhelm von Sch., ORR, M.: Julie Hauck, ev. – G Heilbronn 1892, med. Stud. Tübingen, Genf, Breslau, Prom. Tübingen 1898: Ein Fall von vollständiger Age­ nesie [Defektbildung, Nichtausbildung] des Vorder­, Mittel­ und Zwischenhirns, 1. 4. 1900–Juli 1903 Med.

Catalogus Professorum Klinik Breslau (Kast), Habil. f. Innere Medizin Göttin­ gen 1904, 1906 Assist. Med. Klinik Charité, 1907 Tit. Prof., WS. 1907/08 b. ao. Prof. f. klin. Propädeutik u. Geschichte der Medizin Erlangen, WS. 1912/13 oö. Prof. f. Innere Medizin u. Direktor Med. Klinik AUK (Nf. Lichtheim), WS. 1915/16 Kiel, SS. 1934 Mün­ chen, em. 1949. – 1908 mit Brugsch: Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden (6. Aufl. 1923), 1910: Der Nukleinstoffwechsel und seine Störungen, 1910: Neuere Fortschritte der Eiweißforschung in ih­ rer Bedeutung für die Klinik, 1923–1929 mit Brugsch, Klinische Laboratoriumstechnik (4 Bde.), 1924 Hg. Lehrbuch der Röntgendiagnostik, 1925 Hg., Hand­ buch der Krankheiten des Blutes und der blutbilden­ den Organe. – Politisch: NSDAP 1. 5. 1937, NSLB, NSV, NS­Ärztebund. – Militär: 1894/95 Wehrdienst in Stuttgart, 1900 OA d. R., August 1914 in einem Feldlazarett des württ. XIII. AK, ab Juni 1915 berat. Internist Armeeabt. Woyrsch, 1918 XVIII. Armee, EK I, RK Württ. KrO, RK Hausorden d. Hohenzol­ lern. – oo1925 Gertrud Lienau (1900–), 1 T, 1 S. BABL, R 4901, 13275/8210; GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 11, Bd. I, 261 f. (Habil.); BLÄF II, 1389; Volbehr/Weyl 88; Bürger 1954. Schlieckmann, Albrecht von, Oberpräsident und Ku­ rator * 28. 8. 1835 Magdeburg † 14. 5. 1891 Königsberg V.: Land­ u. Stadtrichter, später Vizepräsident des Ober­ tribunals, ev.­luth. – 1848–1854 G Schulpforta, jur. Stud. Heidelberg, FWU, Breslau, Prom. 1857 Breslau: Commentatio de caussa Cn. Martii Coriolani. 1857– 1859 Auscultator Kreisgericht Strehlen/Schlesien, Mi­ litärdienst im 4. Husarenregiment. Juli 1859 in Breslau Assessorex. Bis 1862 am Oberappellationsgericht Bres­ lau, 1862 dritte Prüfung, bis 1864 Assessor in Strehlen und am Stadtgericht Berlin, 1864 Übertritt in Verwal­ tungslaufbahn, Ernennung zum Landrat des Kreises Querfurt, 1. 1. 1877 ORR Regierungspräsidium Gum­ binnen, 1878/79 am Polizeipräsidium Berlin, August 1879 Regierungspräsident Gumbinnen, 1. 8. 1881 Un­ terstaatssekretär Preuß. Ministerium des Innern, Geh. ORR, März 1882 bis zu seinem Tod Oberpräsident der Provinz Ostpreußen, 22. 5. 1882 Kurator AUK. 1891 durch Schlaganfall einem chronischen Nierenleiden erlegen. MdR 1873–1881, 1884–1891 für Wahlkreis Tilsit­Niederung (Konservative Partei). Chronik AUK 1891/92, 3–5; Weisfert 259; APB 616; Hauf 1980, 24 f. Schmidt, Gerhard, Physik * 5. 7. 1865 London † 16. 10. 1949 Münster

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V.: Adolf Sch., Kaufmann Niederländisch­Indien, England, Pommern, M.: Anna Schiemann, ev. – 1885 G Anklam, naturwiss. Studium Tübingen, Straßburg, FWU, Greifswald, 10. 7. 1891 Prom. Basel bei W. A. Kahlbaum, 1890–1893 Assistent Forstakademie Eberswalde, 1893 Assist. Physik. Institut Erlangen, 13. 4. 1896 Habil. f. Physik ebd.: Beiträge zur Kennt­ nis der Fluorescenz, 1900 oö. Prof. f. Bodenkunde Forstakademie Eberswalde, 1901 b. ao. Prof. Erlangen, WS. 1904/05 oö. Prof. f. Physik u. Direktor Physik. Institut AUK (Nf. Pape), SS. 1908–SS. 1933 Münster. – Hauptwerk: Die Kathodenstrahlen 1904, 2. Aufl. 1907, Schwerpunkte: Physikalische Chemie, Elektrizi­ tätslehre. – GRR, RA IV. – Politisch: Nach 1918 West­ fälischer Freundeskreis des Stahlhelm. – Militär: Unge­ dient. – oo1906 Dorothea Walter (1883–), Tochter des Königsberger Philosophen → Julius W., 1 T. BABL, R 4901, 13275/8320; BEN 2003, 795. Schmidt, Johannes, Klass. Philologie u. Archäologie * 24. 4. 1850 Schmiedeberg/Sachsen † 6. 1. 1894 Königsberg Prom. Halle 1874: De Herodotea quae fertur vita Ho­ meri, 1875 Preisschrift: Leibnitz und Baumgarten, ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Aesthetik; Lehrer an den Frankeschen Stiftungen in Halle, Habil. f. Klass. Philologie Halle 17. 1. 1878: Commentationis De sevi­ ris Augustalibus, AV: De Petronii Satiris, 1883 ao. Prof. ebd., WS. 1883/84 oö. Prof. Gießen, WS. 1892/93 AUK (Nf. Friedländer). – Zahlreiche Reisen in die „classischen Gegenden“ : Griechenland, Italien, Kleina­ sien, Nordafrika. Einer auf diesen Reisen zugezogenen Krankheit mit 44 Jahren erlegen. – Schwerpunkt: Mit­ arbeit am Corpus Inscript. Lat. – Militär: Kriegsfrei­ williger 1870. GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. VI, 76 (Habil.); ebd., Rep. 89, Nr. 21661, 62–64; Weisfert 206. Schneider, Max, Bibliothekar, UBK * 1859 † 1910 Königsberg Oberstabsarzt, Tilsit, infolge Schwerhörigkeit aus Mili­ tärdienst verabschiedet, 1903 Volontär UBK, 1. 4. 1905 Hilfsarbeiter ebd. Chronik AUK 1909/10,83. Schneider, Rudolf, Medizin, Chirurgie * 3. 12. 1837 Königsberg † 9. 3. 1898 ebd. V.: Christoph Sch. (gest. vor 1861), M.: Amalia Stan­ tien, ev. – 1857 FC, med. Stud. AUK 1857–1861, Prom. 30. 7. 1861: Experimenta et disquisitiones ana­ tomicae de artificiosa formatione texturae osseae, trans­

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plantatione periostei effecta (→ A. Wagner gewidmet), Habil. f. Chirurgie 8. 5. 1868 ebd., AV: Die Stellung der Resectionen in der Kriegschirurgie, 1863–1870 Assist. u. 2. Arzt Chir. Univ.klinik, 1873 dirig. Arzt Chir. Abt. Städt. KHS, 1876 nb. ao. Prof., 1895 Abt. Direktor StädtKHS Königsberg. – Militär: 1870/71 Teilnahme am Krieg gg. Frankreich, EK II. – oo Sally Japha, mindestens 1 Sohn Walter, *1875, Dr. med. AUK 1901. Chronik AUK 1897/98, 6 f., vita Diss.; Weisfert 206; APB 1285.

Chir. Abt. Charité (Vertretung Bardeleben) sowie Jüd. KHS Berlin u. konsul. Arzt Lazarett Garde­Ulanen Ka­ serne, SS. 1871 ord. Prof. f. Chirurgie AUK (Nf. Wag­ ner), WS. 1886/87 Würzburg. – 1872 KrO IV, 1881 RA IV, 1883 GMR. – oo Rose Küster, mindestens 2 S, Siegfried Sch., Neurologe, Walther Sch. (1883–1956), Völkerrechtler, Prof. in Kiel 1920–1951. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 29 f., 86–87; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 167 (12 Br. an Althoff, 1883– 1892); Weisfert 207 f.; Pagel, 1520 f. (P); Kraft 1926 (P).

Schoen, Paul, Rechtswissenschaft, Staats­ u. Verwal­ tunsgrecht * 16. 5. 1867 Königsberg † 21. 9. 1941 Göttingen V.: Eduard Sch., Kanzleisekretär, M.: Bertha Liedtke, ev. – 1886 AltstädtG, jur./nat.ök. Stud. Leipzig, AUK, Juni 1889 StE OLG Königsberg, 26. 10. 1889 Prom.: Vergleichende Darstellung der Rechtsverhältnisse der Kommandit­Gesellschaft und der stillen Gesellschaft nach dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (Zorn u. Dahn gewidmet). Referendariat AG Schip­ penbeil, LG u. StA Königsberg, 1. 9. 1891–1893 Re­ gierungsrefendar (Landratsamt Fischhausen, Magistrat Pillau), 14. 4. 1894 Assessorex.; Juli 1894 Habil. f. Staats­ u. Verwaltungsrecht AUK: Die Organisation der städtischen Verwaltung in Preußen (aus: Annalen des Deutschen Reiches 1891). 20. 6. 1894 PV: Die staats­ rechtliche Begriffsbestimmung von Staatsdienst, Amt, Behörde, Beamter, AV: Der Rechtsbegriff der Selbstver­ waltung. SS. 1896 b. ao. Prof. Jena, WS. 1900/01 oö. Prof. f. Staats­, Verwaltungs­, Völker­ und Kirchenrecht Göttingen, em. 1933; von Berliner JurFak 1907 als Nf. Huebler, Lehrstuhl f. Staats­ u. Verwaltungsrecht in Er­ wägung gezogen, aber im Vergleich mit Anschütz und Triepel in seiner „Schöpferkraft und Originalität“ als schwächer bewertet. – Führender Kirchenrechtler vor 1914. 1921 ao. Mitglied des Landes­Konsistoriums Hannover. – oo 1908 Elisabeth Leinweber (1872–), kinderlos. BABL, R 4901, 13276/8506; GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 45, Bd. VIII, 139 ff. (Nf. Häbler); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 123 f.; vita Diss.; Weisfert 207; Chronik Univ. Göttingen 1900, 13.

Schoene, Alfred, Klassische Philologie * 16. 10. 1836 Dresden † 8. 1. 1918 Kiel V: Gottlieb Immanuel Sch. (1794–1849), Lehrer, Lei­ ter der Dresdner Ratstöchterschule, M.: Ulrike von Schierbrand (181?–). – G St. Afra Meissen, Kreuz­ schule Dresden 1855, philol. Studium Leipzig 1855– 1859, StE u. Prom. ebd. 1859 mit einer Arbeit über Sophokles’ Trachinierinnen, 1859–1861 Gymn.lehrer Kreuzschule Dresden, 1861–1863 altphil. Studien in Bonn (Ritschl, Jahn), Habil. Leipzig 26. 10. 1864: Quaestionum Hieronymianarum cap. selecta, 1867 nb. ao. Prof. ebd., WS. 1869/70 oö. Prof. f. klass. Philo­ logie u. alte Geschichte Erlangen (Nf. H. Keil), Ende 1874 Amtsverzicht wg. drohenden Strafverfahrens, 1875 Übersiedlung nach Gotha, 1875/76 Hss.­Stu­ dien zu Hieronymus u. Thukydides in Paris, Florenz, Rom, 1877–1884 im Auftrag des PrMK Paris um Hss.­ Material für den XII. Bd. der Inscriptiones Latinae zu erschließen, daneben, „angeschlossen an die deutsche Botschaft“, als eine Art archiv­ u. kulturpolitischer Re­ sident des PrMK tätig, u. a. beauftragt mit dem Erwerb der Maness. Liederhandschrift. Mai 1884 I. Bibliothe­ kar UB Göttingen, durch Vermittlung des ihm befreun­ deten Paul de Lagarde WS. 1887/88 oö. Prof. f. Klass. Philologie u. Altertumswissenschaften AUK (Nf. Jor­ dan), WS. 1892/93 Kiel, 2. 1. 1902 entpflichtet, nach 1910 Alzheimersche Krankheit. – 1882 Ritterkreuz der Ehrenlegion, 1884 RA IV, 1895 GRR, Dr. theol h. c. Kiel 1916. – Schwerpunkt: Hieronymus­Forschung, Edition der von diesem altchristlichen Kirchenvater edierten ‚Weltchronik‘ des Eusebius (Bd. II 1866, Bd. I 1875), dazu 1900 auch textkritische Untersuchungen. Ferner kleinere Studien zu Thukydides seit 1867, Hg. von Lessings kunsttheoret. Schriften (1878) sowie des Briefwechsels Lessings mit seiner Frau (1871, 2., umge­ arb. Aufl. 1885). Einzige selbständige Veröffentlichung aus Königsberger Zeit ist seine Kaisergeburtsrede: Über die Entwicklung unseres Nationalbewußtseins (1888). – Politisch: In Leipzig 1864–1867 im Bismarcks Poli­ tik publizistisch unterstützenden Grenzboten­Kreis „pa­ triotisch denkender und fühlender Männer“ wie Julian

Schönborn, Carl, Medizin, Chirurgie * 8. 5. 1840 Breslau † 10. 12. 1906 Würzburg Med. Stud. Breslau, Heidelberg, Göttingen, FWU, Schüler von Baum u. v. Langenbeck, 1863 Prom. FWU: De monstris arcadiacis, 1864–1871 Assist. v. Langenbecks, Habil. f. Chirurgie 1868 ebd., 1870/71 interim. Ltg. Chirurg. Univ.klinik FWU, gleichzeitig

Catalogus Professorum Schmidt, Moritz Busch, Julius Eckardt, Heinrich von Treitschke (Ehwald). Ende der 1870er Jahre Mitarbeit am nationalliberalen Parteiorgan Nationalzeitung und der gleichgerichteten Zs. Im Neuen Reich, „in seiner po­ litischen Gesinnung ein freudiger Bekenner des Preu­ ßen­ und Deutschtums, wie es Bismarck den Seinen geschaffen“ (Ehwald). – oo 1893 Margarete Eckardt, kinderlos. GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 167 III (31 Br. an Alt­ hoff 1884–1903); Weisfert 208; Ehwald 1919 (Bibl.); Volbehr/Weyl 152; Pallat 1959; DBE IX, 89 f. Schoene, Hermann, Klassische Philologie * 18. 4. 1870 Halle † 20. 5. 1941 Berlin V.: Richard Sch. (1840–1922), Archäologe, 1880–1905 Generaldirektor Kgl. Museen Berlin, Neffe von → Al­ fred Sch., M.: Caecilia Haertel, ev. – 1888 WilhelmsG Berlin, altphilol., germ. Stud. Bonn, ebd. zuletzt Senior des Philol. Seminars, Prom. ebd. 16. 6. 1893: De Ari­ stoxeni Peri tēs Hērophilu aireseōs libro tertio decimo a Galeno adhibito (Usener u. Bücheler gewidmet), Herbst 1893 StE, 1893/94 Studienreisen nach Eng­ land, Frankreich, Italien, Griechenland, Türkei, Schul­ dienst in Köln u. Neuruppin, Berlin. 2. 7. 1898 Habil. f. Klass. Phil. FWU, SS. 1903 b. ao. Prof. f. Klass. Philologie AUK (neues Extraord.), WS. 1906/07 ord. Prof. Basel, WS. 1909/10 oö. Prof. u. Direktor Philol. Seminars Greifswald, WS. 1916/17 Münster, 1927/28 ebd. Rektor, 1935 em. – Dr. med. h. c. Basel 1910. – Schwerpunkt: Antike Medizingeschichte. – Politisch: Keine politische Betätigung, als Kriegsveteran bis 1933 Mitglied im Kyffhäuserverband. – Militär: Wehrdienst 1888/89, 1914–Februar 1919 Kriegsteilnahme, 1918 Hpt. u. Batterieführer FAR, EK I. – oo 1898 Ottilie Tobler (1872–), Tochter des Berliner Romanisten Adolf T. (1835–1910), kinderlos. BABL, R 4901, 13276/8516; vita Diss.; RHB II, 1697; DBE IX, 90; LGH 2004, 209 f. Schoenflies, Arthur, Mathematik * 17. 4. 1853 Landsberg/Warthe † 27. 5. 1928 Frankfurt/M. V.: Moritz Sch. (1812–1886), Zigarrenfabrikant, M.: Johanna Hirschfeld (1817–1879), Tante des Kl. Ar­ chäol. → Gustav H., jüd. – 1870 G Landsberg, ma­ them. Stud. FWU (Weierstraß, Kummer), 1876 StE, 2. 3. 1877 Prom. FWU: Synthetisch­geometrische Untersuchungen über Flächen zweiten Grades und eine aus ihnen abgeleitete Regelfläche. Schuldienst, ab 1880 Colmar/Elsaß, 19. 11. 1884 Habil. f. Mathematik Göt­ tingen: Ueber die Bewegung eines starren räumlichen Systems (in Zs. f. Mathematik u. Physik XXVII, 1884), PV: Darstellung der Lehre von der Zusammensetzung

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der Kräfte am festen System und der Lehre von der Bewegung eines festen Körpers nach den bezüglichen Arbeiten von Plücker und Ball. 1893 b. ao. Prof. ebd., SS. 1899 Extraord./pers. Ord. f. Mathematik (Nf. Hölder, aber im Tausch auf Lehrstuhl Fr. Meyer) AUK; WS. 1911/12 oö. Prof. Akademie für Sozial­ u. Han­ delswissenschaften, WS. 1914/15–1922 Universität Frankfurt/M., 1914/15 Dekan Naturw. Fak., 1920/ 21 Rektor. – „Wichtige Beiträge zur Mengenlehre, zur mengentheoretischen Topologie und zur Geome­ trie“ sowie Beiträge zu „kristallographischen Fragen“ (Aufstellung von 230 Raumgruppen) (BEN), 1891: Krystallsysteme und Krystallstructur; gilt als „Pio­ nier der Punktmengentopologie“ (APB), 1895 Lehr­ buch: Einführung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaften, 11. Aufl. 1931. – Politisch: Widersprüchlich als „liberal“ bzw. „deutschnational“ eingestuft (Fritsch 2001, 155), „überzeugter Vertreter der jüdischen Assimiliation“, trotzdem lebenslang „treu zum jüdischen Glauben“ stehend (ebd.). – oo 1896 Emma Levin (1868–1939), 4 T, 1 S., die nach 1933 Verfolgung erlitten, Sohn Albert 1898–1944, Amts­ gerichtsrat in Königsberg, mit Frau und zwei jüngeren Söhnen nach Auschwitz deportiert. Tochter Hanna im Berliner Untergrund überlebend, Tochter Eva 1944 Freitod in Halle, Tochter Elisabeth, 1900 Königs­ berg–1991 Heidelberg, überlebte Deportation ins KZ Theresienstadt. GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. II, 103 f. (Habil.); ebd., Rep. 89, Nr. 21662, 26 f.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 167 III (11 Br. an Althoff, 1890–1908); Fritsch 1995 u. 2001; APB 1691 f.; BEN 2003, 804 f. Scholtz, Walter, Medizin, Dermatologie * 13. 4. 1871 Elberfeld † 17. 8. 1947 Lindau/Bodensee V.: Adolf Sch., Oberregierungsrat, Vizepräsident Eisen­ bahndirektion Erfurt, M.: Anna Iwand, ev. – 1891 G Erfurt, Kadett, Seeoffizierlaufbahn, nach wenigen Monaten aus „körperlicher Rücksicht“ ausgeschie­ den, WS. 1891/92–1895 med. Stud. Heidelberg, München, Halle, Prom. ebd. Dezember 1895: Ueber Sinusverletzungen und deren Behandlung. 1. 3. 1897 Assistent Hygien. Inst. Halle (→ Fraenkel), 1. 4. 1898 Univ.­Hautklinik Breslau (M. Neisser), 29. 10. 1901 Habil. f. Dermatologie u. Syphilis AUK: Die Wir­ kungen von Röntgenstrahlen auf der Haut, AV: Ueber die Bedeutung der gonorrhoischen Erkrankungen, 1. 11. 1901–1. 4. 1905 Assist. Haut­Poliklinik AUK, 1. 8. 1905 b. ao. Prof. ebd., 30. 3. 1921 oö. Prof. (pers. Ord.) ebd., 1936 em. – 1913: Lehrbuch der Haut­ und Geschlechtskrankheiten, Bd. I: Geschlechtskrank­ heiten. – 1913 RA IV. – Politisch: nach 1918 DNVP,

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nicht datierter Wechsel zur DVP, Austritt 1930, Hin­ neigung zur NSDAP, März 1933 Aufnahmegesuch, Mitglied 1. 5. 1933, FM SS, DKolG. – Militär: 1891 als untauglich ausgemustert, landsturmpflichtiger Arzt, 1914–1918 berat. Dermatologe I. AK (Ostpr.), EK II am weiß. Band. – oo1903 Wally Gutzeit (1881–), 3 T, 1 S ( 1904–1921). BABL, R 4901, 13276/8543; GStA …, Nr. 24, Bd. II, 2–4; APB 631; Scholz/Schroeder 1970, 110 f. Scholz, Harry, Innere Medizin * 8. 10. 1879 Bialystok † 20. 10. 1969 Höxter V.: Heinrich Sch., Kaufmann, M.: Franziska Philadel­ phia (1848–), ev . – 1898 KneipG, 1898–1903 med. Stud. AUK, Approb. 10. 2. 1903, Prom. 14. 3. 1903: Beiträge zur Frage der Entstehung des Indicans im Tierkörper (R.: Jaffé, Ellinger), div. Assistenzen an Königsberger Kliniken, 1907–1914 Med. Klinik AUK (Lichtheim, Schittenhelm), Ltr. Hydrotherapeut. Abt., 17. 7. 1911 Habil. Innere Medizin: Das petische Fer­ ment des Harns, 20. 12. 1918 Tit. Prof., 31. 8. 1921 nb. ao. Prof., 1. 10. 1921 Ltr. Tuberkulose­Abt. StädtKHS, 1919–1931 Vertrauensarzt Krankenkassen Königsberg, 1930 Oberbahnarzt Reichsbahndirektion Königsberg. Mit Paul Schroeder 1970: Ärzte in Ost­ und Westpreu­ ßen. – Politisch: 1918–1929 DVP, 1. 5. 1933 NSDAP, 5. 6. 1934 SAR II. – Militär: Wehrdienst 1903/04, 1907 OA d. R., im I. Weltkrieg Truppenarzt, ab Mitte 1918 Fliegerbeobachtungsschule Königsberg und Festungshauptlazarett ebd. bis April 1919, EK I. – oo1905 Annie Roth (1884–1954), 2 S (1906, 1909). BABL R 4901, 13276/8545; ebd., Nr. 1879 (Med. Klinik AUK); GStA, 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 77, 336; APB 1057. Schreiber, Julius, Innere Medizin * 28. 2. 1849 Schrimm/Posen † 18. 9. 1932 Königsberg V.: Joseph Schr., Kaufmann, M.: Rosalie N. N., jüd. – G Schrimm 1870, med. Stud. AUK 1870–1875, StE März 1875, 1873–1884 Assist. u. Assist.arzt Med. Kli­ nik (Naunyn), Prom. AUK 10. 6. 1875: Zur Lehre von der artificiellen Tuberculose. Habil. f. Innere Medizin ebd. 18. 12. 1877: Ueber den Einfluß der Athmung auf den Blutkreislauf in physiologischer und patho­ logischer Beziehung, AV: Ueber die Beziehungen der Ophthalmologie zur internen Medizin. 1883 nb. ao. Prof., 1886 Direktor Med. Univ. Poliklinik, SS. 1888 auf das neubegründete Extraord. f. med. Poliklinik u. klinische Propädeutik berufen, 6. 8. 1912 ord. Hono­ rarprofessor f. Innere Medizin u. Impftechnik, 1921 em. – Publizierte u. a.: Über Gehirndruck, Ueber den Druck im Oesophagus und Magen, Ueber Fischver­

giftung, Physiologie und Pathologie der Verdauung, Einfluß der Atmung auf den Blutkreislauf, Magensaft­ secretion, Konstrukteur einer Dilationssonde, Einfüh­ rung neuer Methoden der Rekto­ und Romanoskopie. – ooN. N., 1 S Kurt (1889). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd.VIII, 6 f., 97; Pagel 1528 f. ; BLÄF II, 1410; Kabus 95 (P). Schröder, Willy, Landwirtschaftliche Maschinentech­ nik * 16. 4. 1882 Berlin † nicht ermittelt 1901 DorotheenstädtG Berlin, praktische Ausbildung Eisenbahnwerkstätten Berlin u. Kassel, Studium Ma­ schinenbau u. Verwaltungswissenschaft Techn. Hoch­ schulen Charlottenburg, Danzig, Hannover, ebd. 1910 Dipl. Ing., 1911 Angestellter der Maschinen­Genos­ senschaft Königsberg, WS. 1911/12–1918 Lektor für Maschinentechnik, nach vierjähriger Kriegsteilnahme Anfang 1919 Wechsel in die Privatwirtschaft. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVI, unpag.; Bd. XXVIII, 76. Schubert, Rudolph, Alte Geschichte * 21. 5. 1844 Grünheide/Kr. Insterburg † 25. 2. 1924 Königsberg V.: Eduard Sch., M.: Marianne Heydenreich, ev. – G Insterburg, 1862 – 1867 hist.­philol. Stud. Bonn (Ritschl, Jahn), FWU (Haupt, Hübner, Jordan, Droy­ sen, Steinthal), AUK, Prom. AUK 11. 11. 1868: De Croeso et Solone fabula (R.: Nitzsch, aber angeregt u. betreut von v. Gutschmid), Habil. ebd. 29. 7. 1879: Die Quellen Plutarchs zu den Lebensbeschreibungen des Eumenes, Demetrius und Pyrrhus, AV: De Fabula quam Herodotus de Cyro tradidit origine et compara­ tione; 1886 ao. Prof., 1912 ord. Hon. Prof., 1. 10. 1915 von amtl. Verpflichtungen entbunden. – Hauptwerke: Geschichte der Könige von Lydien (1884); Herodots Darstellung der Cyrussage (1890), Geschichte des Pyr­ rhus (1894), Die Quellen zur Geschichte Philipps II. von Mazedonien (1904). – KrO III. – Militär: Teil­ nahme am Krieg 1866. – ooMarie Holder, mindestens 1 S, Paul (1882–), Dr. med. AUK 1907 mit einer gynä­ kol. Diss. bei Winter. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 138; Nr. 21, Bd. XXVIII, 383; Weisfert 210; KHZ Nr. 232, 19. 5. 1914; KHZ Nr. 72 v. 27. 2. 1924. Schüler, Georg, Rechtswissenschaft, Zivilrecht, Zivil­ prozeßrecht * 29. 3. 1888 Stralsund † April1945,währenddersowj.BesetzungKönigsbergs V.: Maximilian, Geh. Baurat. – Jur. Stud. 1909–1912 AUK, 4. 11. 1912 StE, 20. 12. 1913 Rig., 1914 Prom.:

Catalogus Professorum Der Mangel im Tatbestand (R.: zu Dohna), 1915 aus Justizdienst ausgeschieden, da akad. Laufbahn ange­ strebt, Habil. f. Zivilprozeßrecht 28. 9. 1917: Der Ur­ teilsanspruch, ein Beitrag zur Klagrechtsgeschichte und zum materiellen Justizrecht (gedruckt 1921), 1922 LA f. freiwill. Gerichtsbarkeit u. privatrechtliche Nebenge­ biete, 5. 12. 1924 ao. Prof.; in Korrespondenz zwischen NSDD u. PK 1. 6. 1938 für Berufung nach Göttingen vorgesehen, als „politisch sehr gut“ geschildert, 1940 Lehrstuhlvertretung AUK. – Politisch: 1920–1928 DNVP, 1. 8. 1932 NSDAP, im Stab der Gauleitung, NSLB 1. 7. 1933. – oo1940 Margrethe N. N. (1897–), kinderlos. BABL, R 4901, 13276/8670; ebd., Pers 2, PK; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 189– 193. Schütz, Franz, Medizin, Hygiene, Bakteriologie * 21. 7. 1887 Berlin † 18. 8. 1955 Göttingen Med. Stud. Freiburg, FWU, Prom. 1912, mit Kißkalt 1912 als Assistent ans Hyg. Institut, 1. 5. 1914 erster Assist. ebd., Habil. f. Hygiene 26. 7. 1915; 1. 4. 1919 Assist. Hyg. Inst. Kiel (Kißkalt), 1920 LA Soziale Hy­ giene, 1921 nb. ao. Prof., 1. 1. 1925 Assist. Hyg. Inst. Bonn (Kißkalt), 1. 10. 1925 München, 1. 11. 1925 OA Hyg. Inst. FWU, 1. 6. 1933 stellv. Direktor ebd., b. ao. Prof., WS. 1934/35 oö. Prof. Göttingen. – Politisch: 1. 4. 1933 NSDAP. – Militär: 1914–1918: Bataillons­ arzt, 1939 berat. Wehrmachtsarzt XI. AK Hannover. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. III, 220; BLÄF II, 1416; Volbehr/Weyl 99; H. Becker 1998, s. Register. Schultheß, Friedrich, Semitische Philologie * 7. 8. 1868 Zürich † 4. 1. 1922 Basel Aus Patrizierfamilie. – 1887 G Zürich, theol. Stud. Basel, 1890 Fortsetzung der Studien in Göttingen bei Lagarde, der ihn in Semitistik einführt und Bedeutung des Syrischen für die Geschichte der alten Kirche ver­ mittelt, 1892 theol. StE, aber durch Theologie Ritschls von theol. Studien abgekommen, sich dann aber auch von Ritschl abwendend. 1892 nach dem Tod Lagardes Wechsel zu Noeldeke nach Straßburg, Arabischstu­ dien (es begann erst hier nach eigener Einschätzung „die eigentliche Schulung“), ebd. 1894 Prom.: Probe einer syrischen Version der vita St. Antonii; 23. 2. 1895 Habil. f. semitische Sprachen Göttingen: Der Brief des Mara bar Sarapion, neu hg., übersetzt u. litterarge­ schichtlich untersucht (Ms.), PV: Über das Evangelida­ rium Hieroso bymintanum, 1900 ebd. Tit. Prof.; Bei­ träge zur syr. Lit.; an der Kirchenväterausgabe beteiligt, Übersetzung des Hippolytus; 1900: Homonyme Wur­

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zeln im Syrischen …, SS. 1910 oö. Prof. f. semitische Philologie AUK (Nf. Brockelmann), WS. 1913/14 oö. Prof. Straßburg (Nf. Littmann), SS. 1917 oö. Prof. f. semitische Philologie Basel (Nf. A. Mez). Überwie­ gend philologische Veröffentlichungen, nur die letzten Schriften: ,Das Problem der Sprache Jesu‘ 1917 und vor allem 1922 (aus dem Nachlaß): ,Die Machtmittel des Islams‘ nehmen Stellung zu aktuellen religionswis­ senschaftlichen und zeithistorischen Fragen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. III, 207–214 (Habil., vita, mit ausführlicher Darlegung seines Bildungsganges); Chronik Göttingen 1900, 19; Vorwort Verlagsbuchhandlung Zürich zu Schultheß 1922 (dort auch P.); Ebel 1962, 145. Schultz, Otto, Bibliothekar, UBK * 8. 5. 1861 Pinnau/Kr. Pr. Holland † 14. 9. 1914 Kl. Gnie/Kr. Gerdauen Prom. AUK 1888: Dii locoruni quales fuerint in arte Graecorum et Romanorum, 1912 Oberbibliothekar, Vertreter des Direktors. – RA IV. – Militär: Oberlt. d. Landwehr, stellte sich am 1. 8. 1914 der Militärverwal­ tung zur Verfügung; Freitod 14. 9. 1914 nach einem Konflikt mit einem milit. Vorgesetzten. – Aus seinem Nachlaß übernahm die UBK eine kleine Spezialbiblio­ thek zum Thema „Totentanz“. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. VIII; vita Diss. Schultz-Gora, Oskar, Romanische Philologie * 25. 9. 1860 Gora bei Hoch­Stüblau/Westpr. † 25. 12. 1942 Jena V.: Rudolf Sch.­G., Rittergutsbesitzer, M.: Amalie Frank, ev. – G Marienburg 1878, neusprachl. Stud. Heidelberg, 1878/9 Sprachstudien in Rom, SS. 1879 Genf, dann Leipzig, FWU zu Tobler u. Zupitza, de­ nen er seine „methodische Schulung“ verdanke, ebd. Prom.1883: Die Lebensverhältnisse der italienischen Trobadors (R.: Tobler), StE und Probejahr in Berlin, Hilfs­ u. Oberlehrer G Altenburg, 28. 6. 1893 Habil. f. romanische Philologie FWU: Die Briefe des Troba­ dors Raimbaut de Vaqueiras an Bonifaz I., PV: Über die älteste Urkunde in sardischer Sprache, AV: Über die Siponischen Grundlagen von Vorgängen und Per­ sonen in einer Anzahl altfranzösischer Nationalepen, 1897 Antrag der Fakultät, den wegen der Aufhellung der „Zeitgeschichte“ und der „Lebensverhältnisse“ in seinen Textanalysen verdienten Sch.­G. zum ao. Prof. zu ernennen, vom PrMK ignoriert, erst 17. 7. 1900, gleichzeitig mit dem noch länger hingehaltenen Ge­ org Simmel, zum nb. ao. Prof. ernannt, SS. 1904 oö. Prof. AUK (Nf. Koschwitz), WS. 1911/12 Straßburg (Nf. W. Cloetta), 1919–1928 Jena. – Schwerpunkt: Altprovenzalische Sprache u. Dichtung, erfolgreichstes

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Werk sein ‚Altprovenzalisches Elementarbuch‘ (1906, bis 1936 fünf Aufl.), Editor und Vertreter einer streng philologischen statt „geistesgeschichtlichen“ Romani­ stik, gleichwohl seit seiner Berliner Zeit der frz. Litera­ turgeschichte des 18./19. Jhs. zugewandt, Edition An­ dré Chénier 1891, Studien zu Rousseaus angeblichem Testament u. a., auch in Königsberg der neueren frz. Literaturgeschichte zugetan. – RA IV. – oo 1895 Luise Strehlke (1869–), Tochter des Goethe­Forschers u. Gym.direktors Friedrich St., 2 T. BABL, R 4901, 12376/8731; GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. IX, 294 f. (Habil.); ebd., Bd. XI, 65–69 (Ao.­Antrag der Fakultät 1897); APB 1497. Schulz, Albert Oswald, Bibliothekar, UBK * 20. 3. 1868 Sedlinen/Kr. Marienwerder † nicht ermittelt V.: Ferdinand Sch, M.: Adelheid Neumann, ev. – 1887 G Marienburg, theol., altphilol. Stud. AUK, theol. Ex­ amen Herbst 1895, Prom. ebd. 20. 4. 1900: Ueber das Imperfekt und Perfekt mit [waw] im Hebräischen (R.: G. Jahn), Orientalist, Theologe, als Kenner der semi­ tischen Sprachen 12/1899 Volontär UBK, 1. 11. 1900 Göttingen. Vita Diss; Chronik AUK 1899/90; Habermann 317 f. Schulze, Alfred, Bibliothekar, UBK * 1. 10. 1861 Berlin † 31. 12. 1949 Marburg V.: Heinrich Sch. (gest. vor 1882), M.: Emilie Phi­ lipp, ev. – SophienRG Berlin 1879, neuphilolog. Stud. FWU, Prom. ebd. 15. 3. 1884: Die Wortstellung im altfranzösischen direkten Fragesatze (R.: Tobler, Arbeit ihm gewidmet). 13. 4. 1885 Assist. KBB, 1. 4. 1891 ebd. Hilfskustos, 1. 10. 1893 Kustos ebd., 1902 Ober­ bibliothekar UB Marburg, 1. 11. 1906 Direktor UBK (Nf. Boysen), Direktor UB Marburg 1. 10. 1920, 1922 Honorarprof. f. Romanische Philologie, Ruhestand 1926, LA f. Frz. Sprache u. Literatur Univ. Marburg 1926–WS. 1936/37. – GRR 1916. – Im WS. 1915/16 als Lektor Französisch/Altfranzösisch AUK. – oo N. N., 3 K. GStA, Rep. 89, Nr. 21668, 65; Chronik AUK; Auerbach 608; Habermann 321; SBB, Nl. Milkau. Schulze, Martin, Systematische Theologie * 26. 1. 1866 See b. Niesky/Oberlausitz † 2. 10. 1943 Königsberg 1885–1889 theol. Studium Halle (M. Kähler), Inspek­ tor des Tholuck’schen Studentenkonvikts 1888–1891, Prom. 1891 ebd.: Das Wesen und die Bedeutung der besonderen Offenbarung in Schleiermachers Glau­ benslehre, 28. 10. 1893 Habil. f. syst. Theologie Bres­

lau aufgrund der Diss. und PV: Die Tragfähigkeit der inneren Erfahrung (insbesonderheit der Eindrücke des Charakterbildes Jesu zur Begründung der ausschließ­ lichen Geltung der Hl. Schrift), sowie AV: Die Be­ deutung der historisch­kritischen Forschung für die Bestimmung der der Heiligen Schrift zukommenden Geltung. Widerstände im Ev. Oberkirchenrat u. Fakul­ tät gg. Ernennung zum nb. ao. Prof., da Sch. sich unter dem Einfluß Wellhausens vom Offenbarungscharakter des AT distanzierte und „positiven“ Standpunkt zeit­ weilig verlassen hatte. Sukzessive Revision dieser Hin­ wendung zur hist.­kritischen Position erst in Breslauer Privatdozentenzeit, 20. 7. 1899 nb. ao. Prof., SS. 1904 oö. Prof. f. system. Theologie, Symbolik, Religionsphi­ losophie AUK (Nf. Stange), Prorektor 1914/15, em. 1934. – Trotz des starken Einflusses von Kähler der Schule Ritschls zuneigend, selbst „vermittlungstheo­ logisch“ einzuordnen, wie die beiden Auflagen seines ‚Grundriß der evangelischen Dogmatik‘ (1918, 1931) zeigen. „Sein Anliegen war stets die Bildung einer kon­ sequent evangelischen Überzeugung, in besonnener Anknüpfung an die kirchliche Überlieferung, aber zugleich in kritischer Auseinandersetzung mit ihr und unter positiver Wertung auch der Erkenntnisse der Neuzeit“ (Zscharnack). Religionsphilos. Studien zu Erasmus, Calvin (1901) und Kants ‚Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft‘ (1927). – oo Bertha von Randow, 2 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 37, Bd. I, 73 (Habil), 118–131 (Schriftwechsel betr. Schul­ zens „Glaubenskrisis“ 1896/97); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI (Berufung 1904); KUK 1914/15 (P); Mayne 1921; Zscharnack 1944. Schwalbe, Gustav, Medizin, Anatomie * 1. 8. 1844 Quedlinburg † 24. 4. 1916 Straßburg V.: N. N., ev. – Med. Stud. Zürich, FWU, Bonn (M. Schultze), Prom. FWU 1866: Observationes Nonnul­ lae de Infusiorum Ciliatorum Structura, 1868 Assist. Physiol. Inst. Amsterdam (Kühne), Habil. f. Anatomie Halle 1870: De canali Petiti et de zonula ciliari, 1871 Umhabil. Freiburg, Prosektor bei Ecker, 1871–1873 b. ao. Prof. f. Histologie Leipzig, WS. 1873/74 ord. Prof. Anatomie Jena, SS. 1881 AUK (Nf. Kupffer), WS. 1883/84 Straßburg, 1914 em. – 1881: Lehrbuch der Neurologie, 1885–87 Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane, Ende der 1880er Übergang zur Anthro­ pologie, vgl. Anatomie der Primaten, 1892–1916 Hg. Jahresberichte über die Fortschritte der Anatomie und Entwicklungsgeschichte und der Zeitschrift für Morpholo­ gie und Anthropologie, 1891–1898 Hg. Morphologische Arbeiten, 1904: Die Vorgeschichte des Menschen, 1906: Studien zur Vorgeschichte des Menschen; 1923

Catalogus Professorum posthum von Eugen Fischer hg.: Die Abstammung des Menschen …; 1914 Festschrift Schwalbe (P) als Bd. 18 der Zs. f. Morphologie, darin von seinen Königsberger Schülern nur ein Beitrag von → Richard Zander. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. VI; Weisfert 212; Pagel 1558 f. (P), BLÄF II, 1424; Giese/Hagen 1958, 463 ff. Schwally, Friedrich, Semitistik, Orientalistik * 10. 8. 1863 Butzbach/Hessen † 5. 2. 1919 Königsberg V.: N. N., Eisenbahn­Lademeister (gest. vor 1870), M.: N. N., ev. – Höhere Bürgerschule Butzbach, G Darmstadt 1883, theol., semit.­orient. Studium Gie­ ßen, 1887 theol. Ex., Prom. ebd. 1888: Die Reden des Jeremia gegen die Heiden XXV. XLVI–LI untersucht (R.: Stade), 1889 StE (Religion, Hebräisch, Deutsch), ab SS. 1887 semit. Studien Straßburg (Noeldeke), 1891 Lic. theol. Gießen: Das Buch Ssefanjâ, eine hi­ storisch­kritische Untersuchung, 1892 scheiterte der Versuch, sich in Halle f. alttestamentl. Exegese zu habil. aufgrund der Arbeit: Das Leben nach dem Tode nach den Vorstellungen des alten Israels und des Judentums, einschließlich des Volksglaubens im Zeitalter Christi (gewidmet dem Andenken der Altmeister Wilhelm Vatke und Abraham Kuenen); 1893 Habil. f. semiti­ stische Philologie Straßburg, vermutlich aufgrund des 1893 veröff. Idioticon des Christlich­Palästinensischen Aramäisch, 1900 nb. ao. Prof. ebd., 1901 b. ao. Prof. Gießen, 1906 oö. Prof. ebd. nach Ablehnung eines Rufes an die Islamische Hochschule Aligarch/Indien, SS. 1914 oö. Prof. f. Semitische Philol. mbB des Ara­ bischen u. Hebräischen sowie Geschichte des Islam AUK (Nf. Schulthess). – Hauptwerke: Das ‚Idioticon‘ von 1893, die Edition des Kitab al­mahasin wa­l­ma­ sawi von Ibrahim b. Muhammad al Baihaqi (1900–02, Goldziher, Noeldeke u. de Goeje gewidmet), vor allem aber die Neubearbeitung von Noeldekes ‚Geschichte des Qorans‘, dafür 1903, 1904 u. 1912 Studienauf­ enthalte in Kairo, 1909 erschien der erste Teil (wiede­ rum Goldziher sowie Snouck­Hurgronje gewid.), im Herbst 1919 aus dem Nachlaß der zweite Band. Seit 1907, unter dem Eindruck der als Augenzeuge erlebten revolutionären Umwälzungen im osmanischen Reich, Hinwendung zur türkischen Geschichte u. Literatur. – Politisch: Abhaltung von Türkisch­Sprachkursen im Auftrag der Militärverwaltung von Ober Ost in Wilna, nach Kahle „glühender Patriot“, der „unter dem Zu­ sammenbruch des Vaterlandes seelisch sehr gelitten“ habe. – oo 1895 N. N., durch diese Ehe verschwägert mit → H. Zimmern, 2 T, darunter Irene (1898–; 1935 in Vaihingen/Württ.). GStA, Rep. 76Va, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXVII, 41– 46; vita Diss.; Kahle 1920.

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Schwenke, Paul, Bibliothekar, UBK * 20. 3. 1853 Langendembach/Sachsen­Weimar † 19. 12. 1921 Berlin V.: Pfarrer. – G Eisenach 1870, theolog. Stud. Leip­ zig, 1871 klass. Philol. Breslau, Jena, Prom. ebd. 15. 8. 1874 über Ciceros De natura deorum, 1875 StE, 1875 Hilfsarbeiter UB Greifswald, 1876 Kustos ebd., 1879 erster Kustos UB Kiel, 1887 Bibliothe­ kar Göttingen, 1. 7. 1893 Direktor UBK, 1. 4. 1899 Abteilungsdirektor KBB, 1. 4. 1906 Erster Direktor ebd., 1921 Ruhestand, gestorben an der Folgen eines Schlaganfalls. – 1905 GRR. – Wesentliche Verdienste in seiner Königsberger Zeit: Reorganisation der inneren Verwaltung, Durchsetzung des Pflichtexemplarrechts, Verbesserung des Leihverkehrs mit Berlin und den ost­ u. westpr. Gymnasialbibliotheken. Beiträge zur ostpr. Buch­ u. Bibliotheksgeschichte, u. a. zur Entstehung und Herstellung der Königsberger Silberbibliothek, Geschichte der Bucheinbände u. zur ältesten preuß. Druckergeschichte. – Militär: Kriegsfrw. 1870, ver­ wundet in der Schlacht von Cravant (Loire). – oo um 1880 Anna Schomburg aus Eisenach, 2 T, 2 S. DBJ 1921, 238–242; W. Schultze/Kuhnert u. a. 1922; Volbehr/Weyl 262; APB 1059; Lohse 1988, 232; Boerner­Schwenke 2005, 151–173 (Bibl., P); Komo­ rowski 2005. Seeliger, Oswald, Zoologie * 24. 5. 1858 Biala/Öst.­Schlesien † 17. 6. 1908 Leipzig­Gohlis V.: N. N., Kaufmann, kath. – G Bielitz 1877, naturw. Studium Leipzig, Jena, Wien, ebd. Prom. 1882: Zur Entwicklungsgeschichte der Ascidien; Studienreisen nach Südfrankreich, Spanien, Nordafrika, 1883 Zool. Station Triest, Forschungen zur Knospung der Salpen (Thaliacea, Planktontiere, mit denen sich als einer der ersten Ad. v. Chamisso beschäftigt hat), 1884: Studien und Materialsammlung zur ‚Entwicklungsgeschichte der socialen Ascidien‘ (in Haeckels Jenaer Zs. f. Natur­ wiss.), 3. 2. 1886 Habil. f. Zoologie u. vgl. Anatomie FWU, PV: Ueber Knospenbildung im Thierreiche, WS. 1887/88 Lehrstuhlvertretung Chun AUK, 15. 10. 1896 Tit. Prof., 1898 ord. Prof. u. Direktor Zool. Institut Rostock, ab WS. 1907/08 infolge Krank­ heit beurlaubt. – Arbeiten zur Entwicklungsgeschichte niederer Meeresfauna, zur nichtgeschlechtlichen Fort­ pflanzung, Zellbiologie. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. VII, 193, 209 f. (Habil.); ebd., Bd. X, 237–241 (Prof.­Tit. 1895/96); ebd. VI. HA, Nl. Althoff, B Nr. 20, 207, 214 f.; Jahresbericht Univ. Rostock 3, 1908, 9 f.

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Seidlitz, Georg von, Medizin, Anatomie, Zoologie * 19. 6. 1840 Tschornaja Rjetschka/St. Petersburg † 15. 7. 1917 Irschenhausen bei München V.: N. N., Arzt. – Hausunterricht bis zum Abitur G Dorpat 1859, 1863 u. 1865 Studienreisen nach Italien, Spanien, med. Stud. Dorpat, Magister der Zoologie ebd. 1866, ebd. Dr. der Zoologie (= Habil.), 1869– 1877 PD ebd., erster Präzeptor des Darwinismus in Dorpat, med. Prom. AUK 12. 7. 1877: Die Parthoge­ nesis und ihr Verhältniss zu den übrigen Zeugungsarten im Thierreich, ebd. Habil. f. vgl. Anatomie u. Zoologie 30. 7. 1877, AV: Ueber die Aufgabe der vergleichenden Morphologie und Entwicklungsgeschichte, Prosektor Anatomisches Institut (Kupffer), im WS. 1877/78 mit großem Erfolg gelesen über: Darwinsche Theorie (40 Hörer), über Morphologie sowie Zootom. Praktikum ohne Zuspruch, im WS. 1878/79 Zoologie für Medi­ ziner (21 Hörer), ab 1879 Vorlesungen eingestellt, als Privatgelehrter und Landwirt (Besitzer von Ratshof und Charlottenthal bei Königsberg) bis 1895 weiter in Königsberg, Schriftführer des Fischereivereins für Ost­ u. Westpreußen, wie sein Kollege → Benecke En­ gagement für die volkswirtschaftliche Verbesserung des ostpr. Fischereiwesens, 1895 Verkauf der Königsberger Güter, Übersiedlung nach München, 1901 Irschenhau­ sen, dort vor allem entomologische Forschungen, lang­ jährige Freundschaft mit Ernst Haeckel. – Hauptwerke: Über die Darwinsche Theorie (1871, 2. Aufl. 1875), Die Parthenogenesis und ihr Verhältnis zu den übrigen Zeugungsarten im Tierreich (1872), Beiträge zur Des­ zendenztheorie (1876), Fauna Baltica. Die Käfer der deutschen Ostseeprovinzen Rußlands (1872, zweite verm. Aufl. Königsberg 1891), Fauna Transsylvanica (Königsberg 1888). – oo I. 1866 Elisabeth Koppelson aus Reval (gest. 1902), II. 1904 Helene von Eichler aus Wolhynien, ein S aus I. (gest. 1912). GStA, Sek. 11, Tit. VII, Nr. 1, Bd. XIV; Weisfert 214; Bickhardt 1917 (Bibl., P); DBBL 723. Selter, Hugo, Medizin, Hygiene * 4. 2. 1878 Werdohl/Westf. † 28. 12. 1952 Bad Godesberg V.: Friedrich S., Kaufmann, M.: Emilie Busenbecker, ev. (Kirchenaustritt nach 1933, „gottgläubig“). – 1895 G Soest, med. Stud. FWU, München, Bonn, Prom. ebd. 22. 2. 1902: Einiges über die Methodik der quan­ titativen Fettbestimmungen in den Faeces des Men­ schen, 18. 1. 1905 Habil. f. Hygiene u. Bakteriologie Bonn, 1911 Tit. Prof., 1913/14 Lehrstuhlvertretung Bonn, 1914 b. ao. Prof. Leipzig, SS. 1917–1925 AUK, oö. Prof. für Hygiene u Bakteriologie (Nf. Kißkalt), WS. 1925/26 Bonn, em. 1946, gest. an Cerebralskle­ rose. – Schwerpunkte: Tuberkulose­Forschung, Schul­ hygiene, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, die

Stadt Königsberg verdankte ihm „wertvolle Verbes­ serungen der Wasserversorgung und die Anlage von Absitzbecken bei Moditten“ (zit. n. A. J. Nagel, in: Mani 1992), Versuche zur biologischen Reinigung der ins Frische Haff geleiteten Königsberger Abwässser u. der Zellstoff­Fabriken am Pregel. 1911: Die Trinkwa­ serversorgung der Rheinprovinz, 1914: Beiträge zum ‚Handbuch der deutschen Schulhygiene‘. – Politisch: 1897–1933 Turnerschaft Germania, bis 1931 DNVP, 1. 5. 1933 NSDAP, FM SS, „überzeugter Nationalsozia­ list“ (Forsbach). – Militär: 1914–18: Stabsarzt d. R., Westfront, EK I, Ritterkreuz Sächs. Albrechtsorden, 1939/40 berat. Hygieniker. – oo 1905 Margarethe Meyer (1880–), zwischen 1906–1914: 4 T, 1 S (gef. 1942 vor Stalingrad). BABL, R 4901, 13277/8962; RHB II, 1767 f. (P); Wenig 290; Mani 1992, 168–170 (P); Forsbach 2006, 112–119. Senger, Ernst Emil Feodor, Universitätsrichter * 7. 11. 1814 Elbing † nicht ermittelt Dr. iur.; 1850 Stadtrichter Königsberg, 1854 Stadtge­ richtsrat ebd., 1862 Tribunalrat am Obertribunal ebd., 1872 Ruhestand. 1852 kommiss. Universitätsrichter, 1856 „unter Vorbehalt auf Widerruf“, 1. 10. 1872 aus­ geschieden; 1. 9. 1868–1. 4. 1869 mit der Führung der Geschäfte des Universitätskurators beauftr. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. II, Nr. 2, Bd. V, un­ pag.; Weisfert 215. Seraphim, August, Osteurop. Geschichte, Landesge­ schichte Ost­ u. Westpreußens * 1. 1. 1864 Mitau/Kurland † 20. 2. 1924 Königsberg V: Ferdinand S., Oberhofgerichtsadvokat, M.: He­ lena Tiling, ev. – 1883–1888 Stud. Klass. Philologie Dorpat, Schuldienst Mitau, Aufgabe des Amtes im Herbst 1893 wegen Bedrückung durch Russifizierung der baltendeutschen Schulen. Hist. Studium FWU (v. Treitschke), AUK, ebd. 1895 Prom.: Des Obersten Both Einfall in Livland 1639 (R.: Prutz), 1898 StE, Ausbildungsjahr FC, 1900 Bibliothekar Stadtbiblio­ thek Königsberg. 9. 3. 1901 Habil. f. Geschichte Nord­ Osteuropas: Geschichte des Herzogthums Kurland II. Abt. und Bd. 2 der Geschichte von Liv­, Est­ und Kur­ land, Reval 1895, AV: Die preussische Politik und der Ausgang des Herzogthums Kurland. 1908 LA f. Ge­ schichte Altpreußens. – oo 1900 Sophie Tiling (Cou­ sine). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV, unpag.; APB 666.

Catalogus Professorum Seydel, Carl, Gerichtliche Medizin * 28. 5. 1839 Chelchen/Kr. Oletzko † 15. 11. 1912 Königsberg V.: Friedrich Wilhelm S. (gest. 1859), M.: Augusta Streng, ev. – G Lyck, Abitur 1857 G Berlin, med. Stud. AUK, Bonn, FWU, Schüler Spiegelbergs u. Hayns, 1861 Prom. AUK: De generatione ossium novorum ex periosteo in operationibus chirurgorum adhibita [Ueber Neubildung von Knochen aus dem Periost …, → A. Wagner u. seinem verst. Vater gewid.], 21. 2. 1867 Habil. f. Geburtshilfe, AV: De hysteria, Juni 1868 Stadtwundarzt, 1886 venia für Gerichtliche Medizin, 28. 1. 1891 nb. ao. Prof., 1892 Stadtphysikus, 1894 Mitglied des Medizinalkollegiums der Provinz Ostpreußen. 1895: Leitfaden für Gerichtliche Medizin, Abhandlungen zur postmortalen Blutgerinnung, kri­ minellen Abtreibung, Ertrinkungstod, toxikologische Nachweise, vornehmlich in: Vierteljahrsschrift für Ge­ richtliche Medizin 1880–1901. – MR. – Teilnehmer an den Kriegen 1866, 1870/71, EK II. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 93; vita Diss; Chronik AUK; BLÄ IV, 245; Müller 1952, 262; Mallach 1996, 309 f. Sieffert, Friedrich, Theologie, Neutestamentliche Ex­ egese * 24. 12. 1843 Königsberg † 30. 10. 1911 Bonn V.: → Friedrich S., Prof. d. Theologie AUK, ev.­ref. – Früh als Vorleser u. Schreiber des sehbehinderten Vaters in die theol. Laufbahn hineingewachsen, 1861–1864 theol. Stud. FWU (Dorner), AUK (B. Weiß), Ostern 1865 1. theol Ex., 1867 Prom. 22. 7. 1867 AUK: Ueber das Verhältnis Jesu zur messianischen Idee, Habil. f. nt. Exegese Herbst 1867 ebd. mit einer lat. Diss. über das Buch Henoch (Nonnulla ad apocryphi libri Henochi originem et compositionem nec non ad opiniones de regno Messiano eo prolatus pertinentia) sowie Vortrag: Bemerkungen zum paulinischen Lehrbegriff, nament­ lich über das Verhältnis des Galaterbriefes zum Rö­ merbrief (1869), darin sich sowohl von der Tübinger Schule Baurs (über die S. im WS. 1868/69 ein Kolleg anbot) wie von orthodox dogmatischer Auffassung ab­ grenzend, und wie Weiß die Gegensätze in den Briefen des Apostels als „Fortschritt in der christlichen Er­ kenntnis“ auflösend. 1871: Galatien und seine ersten Christengemeinden (zur keltischen Herkunft der Ga­ later und zur politischen Geschichte), WS. 1871/72 nach Bonn umhabil., Inspektor des Ev.­Theol. Stifts (Studentenkonvikt), 1873 nb. ao. Prof., WS. 1878/79 ord. Prof. f. reformierte Theologie Erlangen, 1888 Pro­ rektor, SS. 1889 Prof. f. Systemat. Theologie Bonn, 1899 Rektor, gest. an einer Lungenentzündung. – oo1878 Auguste Eggeling, 3 S, 3 T. Lang 1918.

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Sieffert, Friedrich Ludwig, Theologie, Neutestament­ liche Exegese * 1. 2. 1803 Elbing † 2. 11. 1877 Bonn V.: Johann S., Kaufmann, ev.­luth., M.: N. N., ev­ref. – G Elbing, schloß sich als Konfirmand der ref. Ge­ meinde Elbings an, theol.­philos. Stud. AUK 1821– 1824 (Herbart, August Hahn), Dr. phil. ebd. Ostern 1824 mit einer „Arbeit über die transcendentale Frei­ heit“ bei Herbart, AT­Studien, gemeinsam mit Hahn Edition einer Sammlung: Chrestomathia syriaca sive S. Ephraemi carmina selecta, 1824/25 FWU (Neander), 1825/26 Reisestipendium PrMK für Wien, Edition des Kommentars des Bischofs Theodorus von Mopsu­ etia († 428) zu den kleinen Propheten, Lic. theol. FWU 1827, im gleichen Jahr Habil. AUK: Theodorus Mop­ suestenus veteris testamenti sobrie interpretanti vindex, 1828 ao. Prof. ebd., 1834 ord. Prof. ebd., seit 1829 Lei­ ter des Exeget.­krit. Seminars, 1839 nebenamtlich Hof­ prediger, Pfr. an der dt.­ref. Burgkirche, 1841 Konsist.­ Assessor, 1842 Konsistorialrat im Konsistorium der Prov. Preußen, 1857 wg. Augenleiden aus Konsisto­ rium ausgeschieden, seit 1837 dadurch an wiss. Arbeit gehindert. 1873 wg. vollständiger Erblindung em., Übersiedlung nach Bonn. – Mit „epochemachender“ Textkritik am Matthäus­Evangelium 1832 hervorgetre­ ten (Ueber den Ursprung des ersten kanonischen Evan­ geliums), gleichwohl sich zum „Offenbarungsglauben“ bekennend, 1836 sich von „radikaler Kritik“ an der Hl. Schrift distanzierend, in den 1840er u. 50er Jahren das „positive Christentum“ gegen die „auflösenden Bestre­ bungen“ verteidigend, die in Königsberg unter J. Rupp zur Bildung einer freireligiösen Gemeinde führten, wie auch gegen „ungesunden Pietismus und Orthodoxis­ mus, wie er in der Zeit der politischen und kirchlichen Reaktion auch in Ostpreußen sich breit zu machen be­ gann“ (RE). – oo Emma Dunker, 2 T (früh gest.), 1 S (→ Friedrich). Weisfert 215 f.; Sieffert 1918. Simson, August, Semitische Philologie * 3. 6. 1812 Königsberg † 6. 11. 1888 ebd. V.: Zacharias Jacob S. (1786–1876) Kaufmann, Wech­ selmakler, M.: Marianne Friedländer (1786–1876), Tochter des Königsberger Vorkämpfers der Juden­ emanzipation Jakob Fr. (1750–1834), jüd., getauft; Bruder des Juristen, Reichstagspräsidenten u. Reichs­ gerichtspräs. Eduard v. Simson (1810–1899). – FC, theol. Stud. 1829–1832 AUK, 1834 Dr. phil. Leipzig, Lehrer am FC, 1839 Habil. f. Hebräische Sprache u. Literatur TheolFak AUK, 8. 3. 1858 ao. Prof., 1862 Dr. theol. h. c., 27. 7. 1868 als oö. Prof. in die Phil­ Fak. gewechselt, ca. 1875 wg „schwerer körperlicher

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Leiden“ Einstellung der Vorlesungen. – Publizierte nur wenig, u. a. Ueber Religionsunterricht auf Gymnasien (Jahresbericht FC 1843), Zur Kritik des Buches Hiob, eine alttestamentliche Studie (Programm FC 1861). – KrO III. zum 50jähr. Doktorjubiläum 1884. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 88 f.; Chronik AUK 1888/89, 5; Weisfert 217 f.; B. v. Simson 1900; APB 677; NDB XXIV, 451. Singelmann, Gustav Immanuel, Universitätsrichter * 8. 9. 1830 Bartenstein † nach 1890 V.: Pfarrer. – 1850 G Rastenburg, jur. Stud. AUK, bes. Röm. Recht (Sanio), AuskultatorEx 1853, Kreisgericht Bartenstein, 2. Ex. August 1855, Referendar Barten­ stein, 1857 Ostpr. Tribunal Königsberg (Pape, späterer Präsident Reichs­Oberhandelsgericht), 1858 Staats­ prüfung, 14. 9. 1858 Assessor Kommerz­ u. Admira­ litätskollegium Königsberg (Vertretung E. Simson), 1859/60 Kreisrichter Neidenburg, 1861/64 Amts­ richter Schippenbeil, 1. 5. 1864 Richter Kommerz­ u. Admiralitätskoll., 24. 1. 1870 Rat ebd., im Nebenamt 1. 10. 1872–1883 Universitätsrichter AUK. GStA Rep. 76, Sek. 11, Tit. 2, Nr. 2, Bd. V, unpag; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 177 (20 Br. an Althoff, 1883–1891); Schmidtke 1997, 235 (P). Skalweit, Bruno, Agrarwissenschaften, Lw. Betriebs­ lehre * 29. 10. 1867 Labiau † 13. 4. 1926 Königsberg V.: N. N., ev. – 1888 KneipG, 1892 natur.­agrarw., natök. Stud. AUK, 1899 Adminstrator der Güter Jon­ laken u. Glückshöfen im Kr. Labiau, 1899/00 Stud. LwH Berlin, Vf. mehrerer Preisschriften, Juni 1902 Reisestipend. des Pr. LwMin. für Nordwest­Deutsch­ land, 1903 Prom. FWU: Die ökonomischen Grenzen der Intensivierung der Landwirtschaft unter bes. Be­ rücksichtigung Mittel­ und Nordwest­Deutschlands (Opponenten u. a. → Wilhelm Voeltz, s. Bd. II; Werk erschien in 2. Aufl. Berlin 1909), 1903–1912 lw. Sach­ verst. Generalkonsulat London, 1907: Der Obstbau in England, 12. 11. 1912 Habil f. landw. Betriebslehre AUK: Die Arbeiterfrage in Betrieben der englischen Landwirtschaft mit bes. Berücksichtigung der Dienst­ und Lohnverhältnisse, AV 9. 11. 1912: Über die Ent­ wicklung der deutschen und englischen Landwirtschaft in den letzten 40 Jahren, SS. 1913 LA f. lw. Betriebs­ lehre, Hauptwerk 1915: Die englische Landwirtschaft, WS. 1920/21 b. ao. Prof. f. landw. Betriebslehre. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 180–182; Trauerfeier für Professor Skalweit, in: KT Nr. 90, 18. 4. 1926.

Sobotta, Johannes, Anatomie * 31. 1. 1869 Berlin † 20. 4. 1945 Bonn V.: Robert S., Maurer­ u. Zimmermeister; ev. (nach 1918: „konfessionslos“). – 1887 WilhelmsG Berlin, med. Studium FWU, unter dem Einfluß Wilhelm Waldeyers bes. Interesse für Histologie und Embryo­ logie, StE 1891, Prom. 25. 7. 1891: Über den Bau und die Entwicklung des Uterus, insbesondere beim Men­ schen und den Affen, Assist. am I. Anat. Inst. FWU, 1895–1912 Prosektor Institut für vgl. Anatomie, Em­ bryologie u. Histologie Würzburg, 1896 ebd. Habil. f. Anatomie bei Albert Kölliker: Beobachtungen über den Gastrulationsvorgang beim Amphioxus [Lanzettfisch­ chen], 1903 ebd. nb. ao. Prof., WS. 1916/17 oö. Prof. AUK (Nf. Gaupp), SS. 1919 Bonn (Nf. Bonnet), 1935 em. – Schwerpunkte: Embryologie (Befruchtung und Furchung des Eies, Gastrulation, Keimblätterbildung, Entwicklung des Dottersackes, Reifeteilung, Chromo­ somen, Polyembryone der Gürteltiere, menschliche Zwillings­ und Doppelbildungen), vgl. Anatomie u. Entwicklungsgeschichte mit dem Ziel, einen Gesamt­ überblick über die Entwicklung der Säuge­ u. Wirbel­ tiere zu gewinnen (E. Hagen in: Mani 1992), Abstam­ mungsfragen des Menschen anhand paläontologischer Funde. Hauptwerke: Atlas und Lehrbuch der Histo­ logie und mikroskopischen Anatomie des Menschen (1901, 2., verm. Auf. 1911), Atlas der deskriptiven Anatomie des Menschen, 3 Bde. (zuerst 1904–1907, zu Lebzeiten des Vfs. ein Dutzend Auflagen, zahlreiche Übersetzungen), ein „Klassiker der anatomischen Ab­ bildung“ (Hagen), nach 1918 „der bedeutendste Ana­ tom seiner Zeit“ (zit. bei Forsbach). – Politisch: Nach 1933 nur RLB, NSV, NS­Kriegsopferversorgung, im Kollegen­ u. Studentenkreis 1933/35 als „jüdisch“ at­ tackiert, in der gleichen Zeit „Profiteur von unrecht­ mäßigen Tötungen“ durch Justiz, SA u. Polizei (Fors­ bach). – Militär: Assistenzarzt I. Kl. (Landwehr II), 1914–1918 nicht eingesetzt. – oo I. 1900 Katharina Förtig (1879–; kath.), 2 K, II. 1924 Nora Bliemeister (gest. nach 1967). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. XIII, 2–4 (Berufung 1916); Wagenseil 1954/55, 265–280 (Bibliogr., P); Wenig 295; Mani 1992, 88–91; Fors­ bach 2006, 76 f. et passim. Sokolowski, Paul von, Rechtswissenschaft, Römisches u. Dt. Bürgerliches Recht * 6. 7. 1860 Ronneburg/Livland † 16. 11. 1934 Kaunas/Litauen V.: Emil S. (1819–1869), Pastor, M.: Minna v. Seng­ busch, ev. – 1872–1878 GouvG Riga, 1879–1884 jur. Stud. Dorpat, cand. jur. 1884–1887 Anwaltsge­ hilfe in Moskau u. Riga, 1888–1890 jur. Stud. FWU,

Catalogus Professorum 1890 Habil. Dorpat, 1891 Mag. jur. ebd., 1894 Dr. jur., 1892–1896 ao. Prof. f. Röm. Recht Univ. Kiew, 1896–1906 ord. Prof. Moskau, SS. 1907 b. ao. Prof. FWU, WS. 1907/08 oö. Prof. f. Röm. u. Dt. Bürg. Recht AUK (Nf. Gradenwitz), auf eigenen Wunsch zum Ende SS. 1908 ausgeschieden, um bis 1915 als „Kurator“ (eine Art Landesminister für Bildung und Wissenschaft) den sechs Gouvernements umfassenden Charkower Lehrbezirk zu verwalten, 1913 auch zur Ordnung des Volksschulwesens im russ. Fernen Osten herangezogen. Zugleich Verwalter seines großen Land­ besitzes in Kur­ u. Livland. Nach der Russ. Revolution 1919 in Lettland Fuß fassend als Lehrer am Herder­In­ stitut (Riga), 1933 Berufung als Prof. f. Zivilrecht nach Kaunas. – Hauptwerke: Die Philosophie im Privat­ recht, 2 Bde., Halle 1902–1907 und: Der Staat, Halle 1932. – Politisch: 1886/87 aus unbekannten Gründen Festungshaft in Warschau, 1918 von Bolschewisten nach Ekaterinburg verschleppt, 1919 Mitglied der Bal­ tischen Landeswehr im Kampf gegen die Rote Armee in Livland und zugleich lettl. Justizminister, 1921 Mit­ begründer der Hochschule der dt. Minderheit in Lett­ land, dem Herder­Institut, 1926 Vorsitzender des Trä­ gervereins, der Herder­Gesellschaft, im gleichen Jahr Rektor des Herder­Instituts und Aufnahme als Senator in die Deutsche Akademie München. Anti­Bolsche­ wistische Publizistik: Staat und Wille, 1925; Die Ver­ sandung Europas …, 1929, und: Rußland/Baltikum, 1934. – oo1898 Emmy v. Stwolinski, verw. v. Wogau. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VI, 139 f.; v. Sokolowski 1957/58 (die Dorpater Studen­ tenzeit betr. Auszug aus einer im Ms. im Herder­Insti­ tut Marburg überlieferten, um 1930 verfassten Autobi­ ographie); DBBL 739. Sokolowsky, Ralph, Laryngologie, Ohrenheilkunde * 11. 3. 1874 Kowno † 25. 6. 1944 Columbus/Ohio V.: Max S. (1853 Bialystok–1915 Wilna), M.: Bertha Katzenellenbogen (1856 Kowno–1908 ebd.), jüd. – 1894 G Lyck, med. Studium AUK, 1900 Prom.: Ein Beitrag zur pathologischen Anatomie der Lepra (R.: Stieda), fachärztliche Ausbildung bei dem Laryngolo­ gen → Paul Harry Gerber, 1904 Einbürgerung, 1905 Niederlassung als HNO­Facharzt in Königsberg, Theaterarzt am Königsberger Opernhaus, 1912 Leiter der phonet.­akust. Abt. der Univ.­HN­Klinik (Stenger), zugleich Ambulatorium für Stimm­ und Sprachkranke, 3. 3. 1917 Habil. f. Stimm­ und Sprachheilkunde, 9. 6. 1923 nb. ao. Prof., bis 1933 weiterhin Leiter des Ambulatoriums. – Politisch: 1931/32 finanzielle Un­ terstützung des sozialdemokratischen Reichsbanners und der „Eisernen Front“, wegen jüdischer Herkunft gem. § 3 BBG am 24. 9. 1933 Lehrbefugnis entzogen,

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Emigration in die USA, Dozent Capitol­University/ Ohio. – Militär: 1905 Wehrdienst, Sanitätsoffizier d. R., 2. 8. 1914 freiwillige Meldung zum Dienst im Kriegslazarett 2 des I. AK, eingesetzt im Herbst 1914 dicht hinter der Front in Südpolen, fungierte zeitweise als Ohrenlazarett Ost in Kattowitz und Fleckfieberla­ zarett in Siedlce, im Frühjahr 1918 mit dem Lazarett zur Westfront, Operationsgebiet von Lille, EK II, Rot­ Kreuz­Medaille III, 1915 zum Stabsarzt befördert, aus diesen Erfahrungen u. a. 1919: Über psychogene Apto­ nieen bei Kriegsteilnehmern. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. IV, 195; Nr. 37, 58–64 (BBG­Verfahren); APB 1062. Sommer, Johann Georg, Theologie, Alttestamentliche Wissenschaft * 23. 10. 1810 Thierenberg/Samland † 8. 6. 1900 Königsberg V.: N. N., Pastor. – 1829 FC, theol., hist., philol. Stud. AUK (Herbart, Dinter, Drumann, Schubert, Bohlen, Lobeck, Olshausen, Kähler), ab 1832 Bonn (Nitzsch, August, Bleek, Redepenning), 9. 11. 1836 Lic. theol.: Prolegomena ad crisin LXX interpretum, ebd., 9. 3. 1837 Habil. f. at. Exegese, 1847 nb. ao. Prof. f. biblische Altertumswiss. u. Exegese ebd., 1844–1850 nebenamtl. Religionslehrer am kath. Gymn. Bonn, 1849 erstmals geringe Remun., 1850 ord. Prof. f. alt­ test. Wiss. AUK. – Dr. theol. h. c. Bonn 1847, 1886 KR, 1850–1863 Mitglied wiss. Prüfungskomm. Reli­ gion, Hebräisch, 1854 RA IV, 1875 RA III m. Schleife, 1886 zum 50. Doktorjub. KrO II, GKR, 1897 RA II m. Eichenlaub zum 50. Amtsjub. – oo N. N., minde­ stens 1 T oo→ Ernst Kuhnert. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 135–136, Nr. 21661, 198 f.; ; Weisfert 220; Chronik AUK 1900/01, 7 f.; Al­ bum Professorum Bonn 1995, 64–67. Sonn, Hans Adolf, Chemie * 17. 2. 1882 Großrüde/Kr. Schleswig † 24. 12. 1957 Hamburg V.: Peter Christian S. (1842–1902), Krüger und Höker, Catharina Nissen (1845–1890), ev. – 1904 ORS Flens­ burg, naturwiss. Studium München, Wien, FWU, ebd. Prom. 1907: Zur Kenntnis der Pyrazine (R.: Emil Fi­ scher). Privatassistent Fischers 1907–1909, 1910 StE Chemie, Physik, Mathem., Referendar in Danzig u. Zoppot, 1. 4. 1912 Assist. Chem. Inst. AUK (Klinger), 1913 Habil. f. Chemie ebd.: Über die Bildung sym­ metrisch­substituierter Harnstoffe, AV 7. 3. 1913: Die Eiweißchemie in den letzten zehn Jahren, 1920 ao., 1921 b. ao. Prof. für Organische Chemie u. pers. Or­ dinarius. 1945 Flucht aus Königsberg, 1946–1949 TH Stuttgart, seit 1950 Berater einer Schweizer pharma­ zeutischen Firma in Genf. – Militär: 5. 8. 1914 Kriegs­

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freiwilliger, bis 1918 an der Front, Lt. d. R. in einer MG­Kompanie, EK II. Während des II. Weltkrieges im Auftrag des Reichsforschungsrates an militärisch wich­ tigen Projekten arbeitend, u. a. 1942 nachzuweisen: Synthese zentralwirksamer Amine. BABL, R 2 Pers. Wi. 1942; R 21, 10019/9108; GStA, I. HA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 234 f.; XX. HA, Rep. 99c, Ord. 57; vita Diss.; Hamer 2007, 726; APB 1952. Spangenberg, Hans, Mittlere und neuere Geschichte * 27. 3. 1868 Berlin † 2. 10. 1936 Rostock V.: N. N., Richter, ev. – 1886 G Berlin, hist.­altphilol. Studium Freiburg, Straßburg, FWU, ebd. 17. 11. 1891 Prom.: Cangrande I. della Scala (1291–1321), in zwei Teilen als 400seitige Monographie, Berlin 1892–1895; 1892 StE, 1898 Archivvolontär, 1900 Archivassistent GStA, 1901 StA Münster, 1903 StA Breslau, 1905 StA Königsberg, 1906: Archivar, 1913 Archivrat ebd., 28. 7. 1906 Habil. f. Mittlere u. Neuere Geschichte AUK: Die Hof­ und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter, AV: Die Reformation in Italien. 1915 Tit. Prof., 1920 Honorarprof., WS. 1920/21 oö. Prof. f. Mittl. u. Neuere Geschichte Ro­ stock, 1924/25 Dekan. – Forschungsgebiete: Verfas­ sungs­ und Wirtschaftsgeschichte des Spätmittelalters, Hauptwerk: Vom Lehnstaat zum Ständestaat. Ein Bei­ trag zur Entstehung der landständischen Verfassung, 1912. – Politisch: Formal betroffen durch BBG, da Mutter (getaufte) Jüdin, Rückzug von Lehrtätigkeit im WS. 1933/34 wg. Herzkrankheit, Oktober 1934 auf eignen Antrag aus Gesundheitsgründen em. – Militär: Wehrdienst 1893/94, August 1914 eingerückt, Kom­ panieführer, zuletzt als Hauptmann Bataillonskom­ mandeur, EK I, im Dezember 1918 entlassen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 76Va, Tit. IV, Nr. 25, Bd. V, 73 f.; Buddrus/Fritzlar 390. Spirgatis, Hermann, Pharmazeutische Chemie * 28. 11. 1822 Königsberg † 3. 11. 1899 ebd. V.: Apotheker, ev. – AltstädtG 1843, naturw. Stud. AUK, Gießen, München (Schüler Liebigs), Berlin, Jena, dort 1849 Prom., März 1855 Habil. f. pharma­ zeutische Chemie AUK, 1860 nb. ao. Prof., Januar 1861 besoldeter Extraord., 1863 Ruf nach Erlangen ausgeschlagen, 1869 ord. Prof. AUK, 24. 6. 1870 AV: De ejus resinae chemica constitutione quae ex Jalapa Tampico extrahitur; aus eigenen Mitteln Aufbau eines Pharmazeut.­chem. Laboratoriums, das der Univer­ sität eingegliedert wurde (1888 Neubau als Institut, Besselstr. 3); Lehrer des „ost­ und westpreußischen Apothekerstandes“ bis zur Entbindung von den Lehr­

verpflichtungen 1896, schwache „litterarische Thätig­ keit“ (PrMK). Untersuchungen zum Scammonium u. Turpeth­Harz, 1860: ‚Anleitung zu qualitativen che­ mischen Untersuchungen‘ (3. Aufl. 1892). Dank seiner Trinkwasseranalysen wurde die Aufmerksamkeit des Königsberger Magistrats auf die mangelhafte Wasser­ versorgung der Stadt und ihre Bedeutung für die Ent­ stehung von Epidemien gelenkt (APB). – 1896 GRR. – oo N. N., mindestens 1 T Edith (1877–?, 1935 in Dortmund). GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 193 f.; Weisfert 221; Chronik AUK 1899/1900, 8; Matthes 1928 (P); Beyerlein 1991, 273–276; APB 1508. Stadelmann, Ernst, Innere Medizin * 8. 12. 1855 Insterburg † nach 1921 V.: Julius St., Arzt, ev. – G Wiesbaden 1873, med. Stud. Zürich 1873–1875, 1875–1877 AUK, Prom. ebd. 1877: Die Histologie des „Pseudoknorpels“ in der Achillessehne des Frosches und deren Veränderung bei entzündlicher Reizung (E. Neumann gewidmet), StE 1878, Assistent Innere Klinik (Naunyn), 1881 Ha­ bil. f. Innere Medizin AUK, 1884–1888 Med. Klinik Heidelberg (Erb), 1889–1895 Dozentur f. klin. Pro­ pädeutik Dorpat, 1895 dirig. Arzt II. Med. Abt. KHS Urban Berlin, 1897 nb. ao. Prof. FWU, 1903 Chefarzt I. Innere Abt. KHS Friedrichshain, 1921 Ruhestand. – Zahlreiche Veröff. über Gehirn­ u. Rückenmarker­ krankungen als Resultat des von Naunyn gepflegten Forschungschwerpunkts. – Hofrat, Geh. Sanitätsrat. Vita Diss.; Weisfert 221; Kreuter (mit falschem Geb.jahr), 1394 f. Stäckel, Paul, Mathematik * 20. 8. 1862 Berlin † 12. 12. 1919 Heidelberg V.: Ernst Gustav St. (gest. 1908), Direktor einer hö­ heren Mädchenschule, M.: Marie Elisabeth Ringel, ev. – 1871–1880 JoachimsthalerG, 1880–1884 math. Stud. FWU bei Weierstraß, Kronecker, Kummer, Borchardt; Prom. ebd. 1885: Über die Bewegung eines Punktes auf einer Fläche (R.: Weierstraß Kronecker, Helmholtz), bis 1890 Hilfslehrer WilhelmsG Berlin, Habil. f. Mathematik Halle 1891: Über die Integra­ tion der Hamilton­Jacobi’schen Differentialgleichung mittels Separation der Variabeln, AV: Über die ver­ schiedenen Methoden, die Theorie der elliptischen Functionen zu begründen; WS. 1895/96 AUK (Nf. Minkowski), SS. 1897 b. ao. Prof. Kiel, 1899 oö. Prof. ebd., SS. 1905 TH Hannover, SS. 1908 TH Karls­ ruhe, SS. 1913 oö. Prof. f. Mathematik Heidelberg. – Schwerpunkte: Flächentheorie, Mechanik, Funk­ tionen­ u. Zahlentheorie, Hauptwerk: Die Elemente

Catalogus Professorum der Mathematik, 1909. Geplagt von dem Bewußtsein, daß die „Welt des Mathematikers“ auch dem „Kreise der Höchstgebildeten nicht zugänglich“ sei. Was der Mathematiker „dort oben erschaut, enthüllt sich nur wenigen“ (Goldbeck). Betrieb umfassend mathemat.­ historische Studien, Geschichte der nichteuklidischen Geometrie, und der Vorläufer von Gauss, sowie zu dessen Werk selbst, ebenso gründlich Geschichte der Mathematik des 18. Jhs.; hat für die Edition der Werke Eulers viel Arbeit geleistet. Auf der Spur der „Psy­ chologie des mathem. Denkens“, dabei konzentriert auf „Funktion“ als mathematischer Begriff des Wer­ dens. Unterstützte Felix Kleins Reformbewegung für den mathematischen Unterricht, iSd. Überwindung der starren euklidischen Geometrie und starren alge­ braischen Formen, stattdessen Funktionsbegriff und Infinitesimalkalkül, im Interesse dieses Ziels für die Internat. mathem. Unterrichtskommission bedeutende Wirksamkeit entfaltet. – oo 1891 Eleonore Elisabeth Lüdecke (1869–nach 1919), 1 T, 2 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVIII, 313–318; Chronik Halle 1891/92, 6; Goldbeck 1920; Drüll 1986, 258 f. Stange, Carl, Systematische Theologie * 7. 3. 1870 Hamburg † 5. 12. 1959 Göttingen V.: Franz St., Kunst­ u. Handelsgärtner, M.: Friederike Plumeyer, ev. – 1888 G Wandsbeck, theol. Stud. Halle, Göttingen (hier bei Haering für syst. Theol. gewonnen), intensives Studium der Ethik Rothes, 1892 Preisschrift ‚Die christliche Ethik …‘, 1892 I. theol. Ex., 1892/93 erkrankt, sieben Monate in Davos, SS. 1894 Leipzig, Studium der älteren Geschichte des Protestantismus, März 1895 Lic. Halle: Die systematischen Principien in der Theologie des Johann Musaeus, SS. 1903 oö. Prof. syst. Theologie AUK (Nf. Ecke), der Fakultät oktroy­ iert, die ihn wg. seiner „abstrakt­philosophischen Art“ abgelehnt hatte; SS. 1904 oö. Prof. f. Syst. Theologie Greifswald (Nf. Cremer); 1912 Göttingen (Nf. Althaus sen.), ebd. Universitätsprediger, em. 1935. – Anfangs der Ritschl­Schule zuzurechnen, „modern­positiv“, nach 1920 Hauptvertreter der „Lutherrenaissance“. 1909 Leiter des Apologetischen Seminars Wernigerode, 1924 Gründer der Zs. f. Systematische Theologie, Hg. der ‚Quellenschriften zur Geschichte des Protestantismus‘. – Politisch: Bis 1933 DNVP, 1933 FM SS, NS­Opfer­ ring, „stand dem NS­Staat loyal gegenüber“ (BBKL). 1932–1937 Abt von Bursfelde. – Militär: 1. 4. 1916– 1. 12. 1918 Erster Wiss. Beirat der Kommandantur des Kriegsgefangenenlagers Göttingen, Leiter der Aufklä­ rungsarbeit unter flämischen Gefangenen. – oo I 1899 Frieda Wulff (1874–1920), 3 S, II. 1921 Marie Dunkel (1889–), 3 T.

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BABL, R 4901, 13277/9217; GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 35, Bd. I, 399–401 (Habil.); ebd., Sek. 7, Tit. IV, Nr. 19, Bd. VII, unpag.; ebd. Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI; ebd., Rep. 89, Nr. 21662, 169; Wesseling 1995. Steffenhagen, Emil, Bibliothekar * 23. 8. 1838 Goldap † 20. 9. 1919 Coburg V.:?, ev. – Jur. Stud. AUK, 1863 Prom. ebd., 19. 7. 1865 Habil. f. Dt. Recht, jur. Literärgeschichte u. Hand­ schriftenkunde ebd., seit 1861 Volontär UBK, 1867 berufen zum Ordnen der Nationalbibl. Athen, 1. 10. 1870 Ltr. Stadtbibl. Danzig, 1. 4. 1871 zweiter Kustos UBK u. PD JurFak AUK, 1. 10. 1872 Biblio­ thekssekretär Göttingen, 1. 11. 1875 komm. Ltr. UB Kiel, 1884 Oberbibl. ebd., 1894 Bibl.direktor ebd., 1903 Ruhestand. – 1894 GRR, 1903 Tit. Prof. Weisfert 222 f.; Volbehr/Weyl 260 f. Stein, Adolf, Medizin, Zahnheilkunde * 20. 3. 1876 Königsberg † nach 1925 V.: Otto St., Vorstand der Bank der Ostpr. Landschaft, M.: Minna von Bergstrasser, Tochter eines russ. Staats­ rats, ev. – 1895 WilhelmsG, med. Stud. AUK, 1902 Prom.: Die Dermoidcysten am Schädel, 1902–1907 Granulosearzt im Kr. Johannisburg, Badearzt in Heu­ bude/Danzig (dort auch unterrichtender Arzt für die Samariterkurse der Hochseefischer i. A. des Dt. See­ fischerei­Vereins), seit 1907 Hinwendung zur Zahnheil­ kunde, Stud. Rostock, Breslau, AUK, 1908 dent. StE, Niederlassung als Facharzt in Königsberg, 10. 8. 1909 Habil. f. Zahnheilkunde: Das Foramen mandibulare und seine Bedeutung für die Leitungsanästhesie der Unterkiefernerven. Juni 1918 Tit. Prof, 1921 nb. ao. Prof., 1925 Stadt­MedRat u. Direktor Städt. Schul­ zahnklinik Leipzig. – Militär: Militärarzt XVII. AK (Danzig), lt. Gutachten stv. Korpsarzt „Verdienste bei der Behandlung schwerer Kieferzertrümmung durch Schußverletzung“, seit September 1916 Leiter der Kie­ ferstation Festungslazarett Königsberg. – oo1902 Käthe Else Mühlschlag aus Königsberg, 2 S. GStA …, Nr. 24, Bd. II, 265–268; Bd. III, 254– 258, 302; BLÄF 1498. Stenger, Paul, Medizin, HNO * 1865 Rödgen/Westfalen † 4. 8. 1940 Berlin­Zehlendorf V.: Johannes St., Pfarrer, M.: Therese Bellingrodt, ev. – RG Siegen 1884, 1885 G Hanau, militärärztl. Ausbildung KWA Berlin, 1889 StE u. 21. 12. 1889 Prom. FWU: Über Hoden­Tumoren im Anschluß an die im Kgl. Klinikum zu Berlin vom 1. April 1883 bis

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zum 1. April 1889 operierten Fälle; Unterarzt Charité 1889/90, 1891 Approb., Militärarzt an den Standor­ ten Köln, Saarbrücken, Gr. Lichterfelde (Kadetten­ anstalt), 1897 Versetzung Ohrenklinik Charité (Th. Trautmann), 1899–1902 II. Assist. ebd., 1. 3. 1902 I. Assist., 11/1901 Habil. f. Otiologie FWU, 1902 Un­ terarzt IR 74 Hannover, Abschied, 21. 2. 1903 Umha­ bil. f. Ohrenheilkunde AUK, AV: Die Chirurgie in der Ohrenheilkunde, zugleich erschien: Die otitische Hirn­ sinusthrombose nach den in der Ohrenklinik der Cha­ rité in den Jahren 1899–1901 gesammelten Beobach­ tungen, 4. 4. 1906 Tit. Prof., 1909 b. ao. Prof., 1910 Ltg. der neu erbauten Ohrenklinik, 30. 3. 1921 pers. Ord., 31. 3. 1934 em. – Schwerpunkt: Otochirurgie, Anatomie des Ohres. – Militär: 1914/18 fachärztlicher Beirat I. u. XX. AK (Ostpr.). – 1917 GMR. GStA …, Nr. 24, Bd. II, 37–39, 150; Politzer 1913, 269; APB 697 f. Stetter, Georg, Medizin, Chirurgie, Ohrenheilkunde * 2. 6. 1848 Breslau † 5. 11. 1900 Königsberg Med. Stud. FWU, Breslau, 2. 8. 1872 Prom. ebd., 1874 Assistent Chirg. Klinik AUK (Schönborn), 24. 2. 1879 Habil. f. Chirurgie, AV: Ueber Fortschritte der prak­ tischen Chirurgie, 1895 Prof. Titel. – Forschungs­ schwerpunkt: Lehre von den Knochenbrüchen und Verrenkungen, Verfasser zweier Kompendien zum Thema (in vier Auflagen: Compendium der Lehre von den frischen traumatischen Luxationen); prakt. Kurse über Verbandslehre und Ohrenheilkunde, Leiter eines Ambulatoriums für Ohrenheilkunde, seit 1889 meh­ rere vergebliche Versuche, dafür staatliche Unterstüt­ zung zu erhalten. 1892 Übernahme der Leitung des neu eingerichteten Zahnärztlichen Instituts (Chirurg. Abt.). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 291 f. ; Weisfert 224; BLÄ IV, 1507. Stich, Rudolf, Medizin, Chirurgie * 19. 7. 1875 Nürnberg † 1948 Göttingen V.: Eduard St., Dr. med., Sanitätsrat, M.: Sofie Troeltsch, ev. – HG Nürnberg 1894, med. Stud. Freiburg, Er­ langen, Prom. ebd. 1899: Aneurysma de Arteria axil­ lans dextra. Hirnembolie, Nachblutung, Heilung; 1899–1905 Assist. Path. Institut u. Med. Klinik Kiel, 31. 5. 1905 Habil. f. Chirurgie AUK, AV: Ueber die Indicationen zur conservativen und operativen The­ rapie der Knochen­ und Gelenktuberkulose, SS. 1906 Umhabil. nach Breslau, SS. 1907 Umhabil. Bonn, WS. 1911/12 oö. Prof. Göttingen. – Schwerpunkt: Gefäß­ und Magenchirurgie. – Politisch: 1919–1925 DDP, ausgetreten, weil Partei gg. Hindenburgs Wahl

zum Reichspräsidenten optierte. – Militär: Oberstabs­ arzt d. R., berat. Chirurg GKdo. XXI. AK (Prov. Han­ nover), EK I, Hanseat. KVK. – oo 1906 Margarethe Becker (1881–), 1 T, 2 S. BABL, R 4901, 13278/9326; GStA Nr. 24, Bd. II, 121, 141; BLÄF II, 1510. Stieda, Alfred, Medizin, Chirurgie, Orthopädie * 11. 12. 1869 Dorpat † 30. 4. 1945 Stralsund V.: Ludwig → St., ev. – 1887 WilhelmsG, med. Stud. Tübingen, Genf, AUK, Prom. 16. 7. 1891: Über die Kloake und das Receptaculum seminis der weib­ lichen Tritonen, 1903/04 Studium orthopäd. Chirur­ gie FWU, Wien (bei A. Lorenz), Habil. f. Chirurgie AUK 15. 6. 1904, AV: Ueber mechanische Behand­ lung der Frakturen, 28. 9. 1907 Tit. Prof., 1909–1918 Chefarzt chir. Abt. KHS St. Elisabeth, 1918–1924 Privatpraxis, 1924–1942 Chefarzt Rot­Kreuz­KHS, 7. 3. 1922 Gesuch, Entziehung der venia rückgängig zu machen. Hat ständig Vorlesungen über Orthopä­ die angekündigt, aber nie genügend Hörer gefunden, würde auch deswegen gern wieder dozieren, weil ärzt­ liche Praxis zurückgeht. Von Dekan Kirschner abge­ lehnt, da St. seit 1909 nicht mehr gelesen hat, nicht einmal während des Krieges eingesprungen, „völlig versagt“, zudem nicht mehr wissenschaftlich produktiv, nie auf Kongressen, keine Vorträge, wiss. Betätigung „restlos erstorben“. Bis April 1945 Privatpraxis in Kö­ nigsberg, Freitod im Marinelazarett Stralsund am Tag der sowjetischen Besetzung der Hansestadt. – Militär: 1914–1918 Landsturmpflichtiger Arzt, in Lazarettabt. eingesetzt, EK II. GStA …, Nr. 24, Bd. II, 86 f., 193–196, 218–223; Bd. IV, 156–160; EB 1941, 279; Schröder 1956, 80– 85; APB 700. Stieda, Ludwig, Medizin, Anatomie * 19. 9. 1837 Dorpat † 19. 11. 1918 Gießen V.: Christian St., Kaufmann, M.: Elmire Querfeld v. d. Seedeck, ev. – 1855 G Riga, med. Stud. Dorpat, Gie­ ßen (Leuckart), Erlangen (Gerlach, Herz), Wien, 1861 Prom.: Ueber das Rückenmark und einzelne Teile des Gehirns von Esox lucius L., 1862 Habil. Dorpat: Ueber das Capillarsystem der Milz, 1864 Assist. Anatom. Inst. ebd., 1866 Prosektor u. ao. Prof., 1875 ord. Prof. ebd., 1886–1912 oö. Prof. Anatomie AUK. Während der Assistentenzeit intensive Studien zur vergleichenden Anatomie des zentralen Nervensystems der Wirbel­ tiere. Biograph Karl Ernst v. Baers (1878), „Vorliebe für die Geschichte der Medizin“, anthropologische Un­ tersuchungen zur baltischen Bevölkerung wie zur „jü­ dischen Rasse“, archäologisch­anatom. Forschungen.

Catalogus Professorum – Hauptwerke: Über den Ursprung der spinalartigen Hirn­Nerven (1873), Über den Bau des zentralen Ner­ vensystems der Amphibien und Reptilien, Geschichte der Entwickelung der Lehre von den Nervenzellen und Nervenfasern während des 19. Jhs. (1899). – 1872: Kai­ serl. Staatsrat, Russ. Orden, 1889 RA IV, 1894 GMR, 1916 Dr. phil. h. c. AUK, Halle 1912: Festschrift zum 50jährigen Dozentenjubiläum … dargebracht von Assistenten und Schülern, aus Königsberg vertreten → R. Zander, → Alfred Stieda, Alexander Stieda, → A. Dampf, → H. Streit. – oo1866 Mathilde Langermann, 3 S, u. a. → Alfred und Alexander St. (1875–), Chirurg, Prom. AUK 1898, Habil. Halle 1906. GStA, Rep. 89, Nr. 21661, 116–120; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 181 II (28 Br. an Althoff 1885–1900); Weisfert 225; [Stieda]1911; Eisler 1919 (Bibl., P), APB 700; BLÄ IV, 427; A. Stieda 1963; Schmidtke 1997, 210 (P).

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Bauernkrieg. Untersuchungen über seine Entstehung und seinen Verlauf, AV: Die Entstehung des deutschen Bauernkrieges, 1908–1912 Editor Bd. IV u. V Acta Borussica: Behördenorganisation, 1920 Studienasses­ sor, 1. 4. 1921 Studienrat WilhelmsG, 31. 8. 1921 nb. ao. Prof. AUK. – Politisch: 1910–1918 Vorstandsmit­ glied Dt. Wehrverein, OG Königsberg, 1924–1933 DNVP, 19. 6. 1934 NSLB. – Militär: 29. 10. 1914 Kriegsfreiw., FAR 16, wg. Sturz vom Pferd nur g. v., Etappe Kurland, 1917/18 dann doch ins Feld, Lt. d. R., EK II. – oo 1907 Maria Dorn, Tochter des Prof. f. Physik Ernst D. (1848 Guttstadt/Ostpr. – 1916, über dessen Frau Anna Hertz verwandt mit dem Physiker Heinrich Hertz), 2 S, Helmut (1908), Prom. 1934 AUK mit agrarwiss. Diss., Gerhard (1909), jur. Stud., nach 1945 RR in Ludwigsburg. BABL, R 4901, 13278/9395; APB 706.

Stolberg-Wernigerode, Udo zu, Oberpräsident, Kura­ tor * 4. 3. 1840 Berlin † 19. 2. 1910 ebd. G Gütersloh, staatsw. Stud. Halle, 1859–1871 Be­ rufssoldat, Teilnahme an den Kriegen gg. Österreich u. Frankreich, 1. 9. 1871 Abschied, Übernahme der Verwaltung seiner Güter in Brandenburg, Ostpreußen (Dönhoffstädt) und Schlesien. Im November 1875 gründete er die „Vereinigung der Steuer­ u. Wirt­ schaftsreformer“, die Position gegen die Industrie und den Rechtsstaat, für den sogenannten „Patrimonal­ und Patriarchalstaat“ bezog und den Großagrariern eine wirtschaftliche Vorrangstellung einräumen wollte (Hauf ). 1879–1885 Landrat Landeshut/Schlesien, 1891–1895 Oberpräsident Ostpreußen, 7. 12. 1891– 7. 3. 1895 Kurator AUK, Gegner des deutsch­rus­ sischen Handelsvertrags und daher als für die Provinz untragbar zur Disposition gestellt; politisch profiliert auch mit anti­katholischen Stellungnahmen. – 1894 Dr. iur. h. c. AUK. – MdR 1871–1881, 1884–1893 Wahlkreis Oletzko, Lyck, Johannisburg. Mitbegründer der Deutschkonservativen Partei, MdH 1871–1910. Weisfert 226 f.; Hauf 1980, 25.

Strehl, Hans, Medizin, Chirurgie * 13. 11. 1871 Röbel/Kr. Oletzko † 5. 10. 1912 Königsberg V.: Domänenpächter u. Amtmann, ev. – 1890 G Lyck, 1890–1894 med. Stud. AUK, 1895 StE u. Prom.: Über den galvanischen Schwindel (physiologische Arbeit bei Hermann), 1895/96 Militärdienst, 1896/97 Schiffs­ arzt, 1897 Volontärarzt bei v. Eiselsberg, mit O. Weiß langjährige exper. Arbeit zur Physiologie der Neben­ nieren, 1900 I. Assist. Chirg. Univ.klinik, 1900 DRK Expedition nach Südafrika, Hilfsleistung für die Buren im Kampf gg. England (s. Bericht des Central Comi­ tés). 1902 Militärsanitätsdienst, im selben Jahr Nieder­ lassung als Arzt in Königsberg. Habil. f. Chirurgie 23. 11. 1904, PV: Die Sprengwirkung der Geschosse, AV: Die erste Hilfe auf dem Schlachtfelde einst und jetzt. 1. 10. 1905 dirig. Arzt Chirurg. Station St. Elisa­ bethKHS. 1909 Tit. Prof., nach Fürsprache der Gräfin Lehndorff­Preyl, da St. 1899 seine ärztl. Kunst bei der Beinamputation des Generals Graf Lehndorff unter Be­ weis gestellt und anschließend zwei Monate auf Preyl die Rehabilitation überwacht habe. – ooMargaret Pren­ tice, Kaufmannstochter aus Königsberg. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 107, 258–263, 277; Bd. III, 140.

Stolze, Wilhelm, Mittlere u. neuere Geschichte * 10. 7. 1876 Berlin † 16. 11. 1936 Königsberg V.: Ernst St., Prokurist, Standesbeamter, M.: Elisabeth Müller, ev. – Friedrich­WilhemsG Berlin 1894, jur. stud. Heidelberg 1895, hist. Stud. FWU, Schüler von Max Lenz, 1900 Prom.: Zur Vorgeschichte des Bauern­ krieges (R.: Lenz, Scheffer­Boichorst), Mitarbeit Acta Borussica, Schuldienst, 8. 1. 1906 Habil. f. Verfas­ sungs­ u. Wirtschaftsgeschichte AUK: Der deutsche

Streit, Hermann, Medizin, HNO * 28. 6. 1876 Drengfurt/Ostpr. † 9. 12. 1971 V.: Hermann St., Postverwalter, M.: Emilie Dingler, ev. – 1895 G Rastenburg, 1895–1900 med. Stud. AUK, Prom. 1900 ebd.: Über Vitiligo [endokrin bedingte Hautkrankheit, „Scheckhaut“] 1900–1904 Assistenzen in Königsberg (bei Leutert u. Gerber) u. Berlin, Au­ gust 1903 Niederlassung als Facharzt in Königsberg, 15. 6. 1904 Habil. f. Ohrenheilkunde, AV: Ueber die

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Bedeutung der Venen­Varietäten für die intracraniellen Complicationen bei Otitis, 1908 LA erweitert auf La­ ryngologie, 13. 12. 1913 Tit. Prof., 31. 8. 1921 nb. ao. Prof. – Politisch: nach 1933 NSV, NSÄB, DAF, NSLB. – Militär: 1897 1jähr. Frw. GR 1 Königsberg, 1900 IR 81 Frankfurt/M., OA d. Res., 1914–18: Stabsarzt, EK II. – oo N. N., 3 K 1909–21. BABL, R 4901, 13279/9450; GStA …, Nr. 24, Bd. II, 83 f., 247; Ostpr. Arztfamilie 1/1995, 19. Struve, Hermann Karl, Astronomie * 3. 10. 1854 Pulkowa/Rußland † 12. 8. 1920 Bad Herrenalb V.: Otto St., Astronom, M.: Emilie Dyrssen, ev., Fa­ milie im frühen 19. Jh. aus Holstein ins Zarenreich ausgewandert. – G Reval 1871, math.­naturwiss. Stud. Dorpat, 1877 Kandidatenexamen, apl. Astronom an der von seinem Vater geleiteten Sternwarte Pulkowa, 1878/81 Studienreise Paris, Straßburg, Graz (zu Boltz­ mann), FWU (Weierstrass, Kirchhoff, Helmholtz), Magister Dorpat 1881 mit der in Graz entstandenen Arbeit: Fresnels Interferenzerscheinungen, theoretisch und experimentell bearbeitet, Prom. Dr. math. Dor­ pat 29. 8. 1882: Über den Einfluß der Diffraction an Fernröhren auf Lichtscheiben, 1879 und 1883 USA­ Reisen zur Beschaffung eines 30zölligen Objektivs für Pulkowaer Refraktor, 1890 Älterer Astronom Pulkowa, nach dem Tod des der Familie gewogenen Zaren Ale­ xander III. dem Russifizierungsdruck durch eine Be­ rufung zum SS. 1895 nach Königsberg (Nf. Peters) ausweichend, dort versuchend, „die unzeitgemäß ge­ wordene Sternwarte zu einer leistungsfähigeren Beo­ bachtungsstätte auszubauen“ (Wanach). Neubau eines Refraktorturms, Meridiansaal ausgebaut, Refraktor mit 14zöll. Objektiv angeschafft. SS. 1904 oö. Prof. FWU (Nf. Foerster), auch dort viel Arbeitskraft durch Neubau einer Sternwarte in Potsdam­Babelsberg ab­ sorpiert, die 1913 in Betrieb genommen wurde. 1910 vierte USA­Reise zum Sonnen­Kongreß auf dem Mt. Wilson. – Schwerpunkte: Durchforschung des Saturn­ systems; 1888: Beobachtungen der Saturntrabanten, 1907: Beobachtungen des Saturntrabanten Titan am Königsberger und Berliner Refraktor, 1916: Neue Un­ tersuchungen über die Bewegungen am Saturnsystem; in der Königsberger Sternwarte auch Beobachtungen von Eros, zirkumpolaren Doppelsternen, Ortsbestim­ mungen von Flecken auf Jupiter, Bestimmungen von Fixsternparallaxen. – Mitglied PrAkW 1904, Kura­ torium Preuß. Geodätisches Institut, Gold. Medaille Royal Astronomical Society, 1897 Damoiseau­Preis der Pariser Akademie für seine Theorie der Satelliten­ bahnen. „Als Anhänger der alten Besselschen Richtung […] legte er den Hauptwert auf die rein astrometrischen Arbeiten“, ohne die Bedeutung der neueren astrophy­

sikalischen Richtung zu verkennen, da er die photo­ elektrischen Helligkeitsbestimmung der Fixsterne mit in das Arbeitsprogramm der Babelsberger Sternwarte aufnahm. Trotzdem „Astronom der alten Schule, der in der Tätigkeit am Fernrohr und in dem Sammeln eines großen Beobachtungsmaterials reine Freude empfand“ (Müller). – Politisch: In der Studentenzeit Landsmann­ schaft Livonia, empfand den Kriegsausbruch, auch aus Sorge um seine Verwandtschaft als „nationales Un­ glück“ (Wanach), „litt unter dem Zusammenbruch des Vaterlandes“ wie unter der „Stockung“ der internatio­ nalen wissenschaftlichen Beziehungen. – oo 1885 Olga Struve (gest. 1919), Cousine aus Riga, 1 T, 1 S Georg, Astronom. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XVIII, 206–212; Wanach 1921 (P); G. Müller 1921. Stumpf, Richard, Medizin, Pathologie * 30. 8. 1879 Stuttgart † nicht ermittelt V.: N. N. (gest. 1898), Rechtsanwalt, ev. – G Stutt­ gart, med. Stud. Freiburg, FWU, München, ebd. Prom. 21. 1. 1908: Über Icterus neonatorum [Gelb­ sucht der Neugeborenen] und Nabeleiterung (R.: v. Winckel), 1. 10. 1908 Assist. Path. Inst. AUK (Henke), 28. 3. 1911 ebd. Habil. f. Allg. Pathologie. BABL, R 4901, 13279/9510; GStA …, Nr. 24, Bd. III, 54. Stutzer, Albert, Agrarwissenschaft, Agrikulturchemie * 4. 3. 1849 Semmenstedt/Braunschweig † 3. 9. 1923 Bad Godesberg V.: N. N. – Naturw. Stud. Göttingen, Hochschule für Bodenkultur Wien, Prom. Göttingen 1875: Die Roh­ faser der Gramineen. 1877–1898 Ltr. Lw. Versuchssta­ tion Bonn, Untersuchungen zu Futter­ u. Nahrungs­ mitteln, Düngungsversuche vor allem im Weinbau. 1890 Tit. Prof., WS. 1897/98 b. ao. Prof. f. Agrikul­ turchemie Breslau, ebd. Juli 1898 ord. Hon. Prof., SS. 1900–1916 AUK. – Bekannt geworden durch die Preisschrift: Der Chilesalpeter, seine Bedeutung und Anwendung als Düngemittel (1886). Verfasser einer populären Düngungslehre (unter verschiedenen Titeln 1888 bis 1920: 20 Auflagen), sowie, für die deutsche Kolonial­Landwirtschaft, einer Düngerlehre für Tro­ penpflanzen (1891). Fünf Aufl. erlebte die ‚Behandlung und Anwendung des Stalldüngers‘, 1899, 2. u. 3., stark erw. Form während der Königsberger Zeit erschienen (1903, 1909). Ferner u. a. : Wie erhalten wir viel Milch von guter Beschaffenheit, 2. Aufl. 1898, Fünfjährige Düngungsversuche in Ostpreußen. Bericht über Dün­ gungsversuche, in den Jahren 1909–1913 ausgeführt (1914). – Zur Emeritierung KrO III.

Catalogus Professorum GStA, Rep. 89, Nr. 21662, 104; Böhm 1997, 342 f.; Gerber 2004, 765. Telemann, Walter, Medizin, Innere Medizin, Röntge­ nologie * 8. 2. 1882 Königsberg † 20. 11. 1941 ebd. V.: Wilhelm T., Buchdruckereibesitzer, M.: Maria Hüll, ev. – 1900 AltstädtG, 1900–1905 med. Stud. Halle (1), AUK, ebd. 15. 11. 1906 Prom.: Über die Konfiguration des Oesophagus in Beziehung zu physiologischen und pathologischen Zuständen desselben (R.: Lichtheim, Schreiber), 1905–1909 Assist. Path. Inst., Med. Po­ liklinik AUK, 1909–1917 I. Assist. Med. Poliklinik, 18. 5. 1911 Habil. f. Innere Medizin, 1914 im Neben­ amt Landesleiter Dt. Röntgengesellschaft für Ost­ u. Westpr., 1919–1941 Arzt für Innere Krankheiten in Königsberg, Privatklinik mit eignem Röntgeninsti­ tut, Dozent f. Innere Medizin. – Politisch: DNVP, 1. 5. 1933: NSDAP. – Militär: 1914–1917 Kriegsteil­ nahme als Freiwilliger, 1917–1919 Fachärztl. Beirat f. Röntgenologie beim stellv. GKdo I. AK (Ostpr.), OA d. R., EK II. – oo1934 Gerda Salewsky (1908–). BABL, R 4901, 13279/9591; GStA …, Nr. 24, Bd. III, 57 f.; KGK 1931, 2995; Ostpr. Arztfamilie 1/1995, 16. Thiele, Günther, Philosophie * 1. 11. 1841 Bohnstedt/Schwarzburg­Sondershausen † 19. 10. 1910 Steglitz V.: N. N., Landwirt, ev.­luth.. – Naturw.­mathem. u. philos.­theol. Stud. Halle, Jena, Heidelberg. 1869 StE Mathematik, Physik, philos. Propädeutik. Prom. Halle 1869: Wie sind die synthetische Urteile der Mathema­ tik a priori möglich? Gymnasiallehrer Nordhausen u. Glückstadt/Holstein. Habil. für Mathematik u. Philo­ sophie Halle 23. 10. 1875: Aufgaben der Wellenlehre, ohne jede Vernachlässigung der Discontinuität, mit Hilfe der Cylinderfunction, AV: Das physikalische Prinzip der Erhaltung der Kraft und der menschliche Geist; seit 1876 Konzentration auf die kantische Phi­ losophie, 1876: ‚Kants intellektuelle Anschauung als Grundbegriff seines Kriticismus dargestellt‘, 1878: ‚Grundriß der Logik und Metaphysik, als Entwick­ lung des endlichen Geistes‘, 1882/87: ‚Die Philo­ sophie Immanuel Kants nach ihrem systematischen Zusammenhange und ihrer logischen und historischen Entwicklung dargestellt. Bd. I: Kants vorkritische Na­ turphilosophie‘, Bd. II: ,Kants vorkritische Erkennt­ nislehre‘. WS. 1882/83 – 1898 ord. Prof. Philosophie AUK (Nf. Quäbicker). „Eine ungewöhnliche Befähi­ gung und auch Neigung zu eigenster, eindringender Gedankenarbeit verband sich in Thiele mit einer, ihm auch schon religiös erforderlichen, unbedingten

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Zuversicht stetigen Fortschreitens einer gedankenmä­ ßig voll befriedigenden Weltanschauung.“ „Es ist der Idealismus, der an dieser Universität durch Kant seine eigenartige Fassung fand, die durch Herbart, Rosen­ kranz, Bergmann, Arnoldt [sic] und Thiele in verschie­ densten Richtungen entwickelt ward, ohne seine das geistige Leben bewegende Kraft zu verlieren, der auch der hingebenden Lehrtätigkeit Thieles an dieser Stätte ein in Dankbarkeit ehrendes Gedächtnis wahren wird.“ (Chronik, J. Walter). – 1894 RA IV. GStA, Rep. 76Va, Sek. 8, Tit. IV, Nr. 38, Bd. V, 373 f. (Habil.); ebd., Rep. 89, Nr. 21660, 59, Nr. 21661, 93–100; Weisfert 230; Chronik AUK 1910/11, 16–18; Jahn 2001, 421. Thurau, Gustav, Romanische Philologie * 3. 3. 1863 Tilsit † 7. 7. 1918 Greifswald V.: Johannes Th., Kaufmann, M.: Luise Augath, ev. – 1880 G Tilsit, neuphilol.­german.­musikwiss. Stud. AUK (Kissner), FWU (Zupitza), Straßburg (Ten Brink), Marburg (Stengel), 1885 Abbruch der Stu­ dien nach Wegfall der großväterlichen Unterstützung, Hauslehrer in Hinterpommern, 1889 mit der Familie nach Königsberg, dort, von zahlreichen Auslandsreisen unterbrochen, Wiederaufnahme des Studiums, Disser­ tation 1890/91 angeregt von Appel, aber erst 1898 ab­ geschlossen: Der Refrain in der französischen Chanson. Beiträge zur Geschichte und Charakteristik des franzö­ sischen Kehrreims; im Jahr der Promotion mit einem Auszug aus der umfangreichen Arbeit am 2. 12. 1899 Habil. f. romanische Philologie: Namen und Arten der Chanson alter und neuer Zeit, PV: Die komischen Masken und Possenreißer des französischen Theaters, AV: Die Schicksale der spanischen Romanzendichtung in Frankreich. WS. 1907/08 Lehrstuhl­Vertretung Greifswald, 1908 Tit. Prof., Leiter der Oberlehre­ rinnen­Kurse, 1909 auch Ltr. Fortbildungskurse für Lehrerinnen, SS. 1913 oö. Prof. f. Romanische Philo­ logie ebd. (Nf. Edmund Stengel). Mit Koschwitz und Kaluza 1900 Begründer u. Hg. der Zeitschrift für den französischen und englischen Unterricht, Mit­Hg. Roma­ nisches Museum. Schriften u. Texte z. roman. Sprach­ u. Literaturwiss. 1. 1914–18. 1921. Hg. der Königs­ berger Universitätskalenders 1905–1912; 1912: Das Frauenstudium an der Universität Greifswald. GStA Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV (Habil. 1899); Kaluza 1918 (Bibl., P); LGH 2004, 233.

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Tolkiehn, Johann, Klassische Philologie * 27. 12. 1865 Königsberg † Mai 1933 ebd. 1888 Prom.: Quaestionum ad Heroides Ovidianas spectantium capita VII, 1895 Habil. f. Klass. Philologie, AV: Geschichte der ‚Heroide‘ genannten Dichtungsgat­ tung, 17. 12. 1908 nb. ao. Prof., Lektor für Griechisch bis 1933. – oo Luise, Tochter von → A. Ludwich. GStA …, Nr. 25, Bd. V, Bl. 69–72, 104; Weisfert 232. Tomasczewski, Benno, Oberpräsidial­ u. Kuratorialrat * 4. 8. 1837 Ostrowo/Posen † 2. 4. 1895 Würzburg V.: N. N., ev. – 1862 Referendar Glogau, 1865 Asses­ sor ebd., 1868 ans Ostpr. Tribunal, 1870–1876 StA Mohrungen u. Tilsit, 1876 Wechsel in die Verwaltung, 1879 RR Gumbinnen, 1881 ORR, Abt.ltr. Steuern, Domänen, Forsten Reg.Präs. Gumbinnen, 1883–1890 Oberpräs.rat u. stellv. Kurator AUK, 1890 Oberver­ waltungsgerichtsrat. – Politisch: 1879–1881, 1881– 1890 MdAH, Vertreter des masurischen Wahlkreises Oletzko­Lyck­Johannisburg (Konservative Partei). Weisfert 232 f.; Mann 1988, 2341; Acta Borussica Nr. 2343. Tornquist, Alexander, Geologie * 18. 6. 1868 Hamburg † 1. 11. 1944 Graz V.: N. N., Kaufmann. – 1888 RGJohann. Hamburg, 1888–1892 Naturw. Studium Freiburg, München (Zit­ tel), Göttingen (Liebisch, v. Koenen), ebd. 1. 3. 1892 Prom.: Der Gypskeuper in der Umgebung von Göt­ tingen (R.: v. Koenen). Assistent Geol. Inst. Straßburg, ebd. 1893 Habil. f. Geologie, ebd. nb. ao. Prof. 1901, 1902–1904 Geol. Landesanstalt Elsaß­Lothringen, SS. 1907 b. ao. Prof. f. Geologie u. Mineralogie AUK (Nf. Pompecki), WS. 1914/15 TH Graz, 1935 em., fiel 1944 einem angelsächs. Luftangriff auf Graz zum Op­ fer. – 1910: Geologie von Ostpreußen, sowie kleinere Beiträge zur geolog. Landeskunde der Provinz, 1913: Grundzüge der geologischen Formationen und Ge­ birgskunde, Leipzig 1916 erschien das 1913 in Königs­ berg begonnene, seinem Lehrer v. Koenen gewidmete Lehrbuch ‚Geologie. 1. Tl.: Allgemeine Geologie‘. – oo N. N., 2 T, 3 S. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, 121–132; APB 739; BEN 2003, 896. Treitel, Theodor, Medizin, Augenheilkunde * 2. 1. 1852 Stargard † 4. 11. 1916 Königsberg

V.: N. N., jüd. – Med. Stud. AUK, Prom. ebd. 1875: Ueber das Verhalten der peripheren und centralen Far­ benperception bei atrophia nervi optici [Abnormitäten der Farbempfindung] (R.: Jacobson, v. Hippel; ihnen ist „in Dankbarkeit und Verehrung“ die Arbeit auch ge­ widmet), Assistent Jacobsons, 18. 10. 1878 Habil. ebd., AV: Ueber den Sehpurpur; prakt. Arzt u. Ltr. Privat­ klinik Augenheilkunde Königsberg, zum WS. 1894/95 als Dozent ausgeschieden GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 282; Pagel 1725; Weisfert 233; Ostpr. Arztfamilie 1/1995, 17. von der Trenck, Theodor, Universitätsrichter * 29. 8. 1852 Königsberg † 1934 ebd. V.: N. N. (gest. 1862), Jurist, Tribunalsrat, ev. – 1869 KneipG, jur. Stud. AUK, Leipzig, FWU, 1873 Refe­ rendar, 1878 Assessor, 1878 Kreisgericht Lyck, 1879 Amtsrichter Bialla, 1. 12. 1879 StA b. LG Königsberg, 1. 12. 1882 StA b. OLG Königsberg, 1893 OLGRat, 1886–31. 8. 1900 Universitätsrichter im Nebenamt, 1. 9. 1900 Ernennung zum Präsidenten des LG Inster­ burg. – oo Lisbeth Wollmer, Tochter des Justizrats W. aus Lyck, mindestens 1 S, Siegfried v. d. Tr. (1882– 1951), Jurist, Schriftsteller. GStA Rep. 76, Sek. 11, Tit. 2, Nr. 2, Bd. V, unpag; APB 741 f. Tschackert, Paul, Theologie, Kirchengeschichte * 10. 1. 1848 Freystadt/Schlesien † 7. 7. 1910 Göttingen V.: N. N., ev.­ref. – Theol., hist. Studium Breslau, Halle, Göttingen, Ostern 1875 Prom. Dr. theol. und Habilitation für Kirchengeschichte Breslau: Petrus Alliacenus (Pierre d’Ailli) Cardinalis Cameracensis de ecclesia quid docuerit et quid pro ea praestiterit ex fontibus aperitur: particula prima. Daraus frühes, of­ fenbar als Habilschrift eingereichtes Hauptwerk 1877: Peter von Ailli (Petrus de Alliaco): Zur Geschichte des großen abendländischen Schisma und der Reform­ concilien von Pisa und Constanz, 11/1875 Dr. phil. Leipzig, 1877 b. ao. Prof. Halle, SS. 1884 oö. Prof. f. Kirchengeschichte AUK (Nf. Erbkam), SS. 1890 Göt­ tingen. – Dr. theol. h. c. Halle 1883, zum Luther­Jubi­ läum. – Schwerpunkt während der Königsberger Jahre: Reformationsgeschichte Altpreußens 1525–1568. – Politisch: Konfessionell als „treuer Anhänger der Union“, publizistisch 1886 als „Kulturkämpfer“ gegen den „Ultramontanismus“ und den unerwünschten Ein­ fluß Roms polemisierend. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 91; Weisfert 234 f.; APB 749.

Catalogus Professorum Uckeley, Alfred, Praktische Theologie * 25. 8. 1874 Kolberg † 26. 12. 1956 Marburg V.: Wilhelm U., Kaufmann, M.: Klara Hoffmann, ev. – Aufgewachsen im großväterl. (m) Haus in Stet­ tin, 1892 MarienstiftsG ebd., theol. Stud. Greifswald, Halle, FWU, Ostern 1897 erstes theol., Januar 1899 zweites theol. Examen in Stettin, Lic. Diss. Greifswald 1902: Die Reformationsgeschichte der Stadt Greifs­ wald, 1902–1904 Beiträge zur Kirchengeschichte Hes­ sen­Waldecks, zahlreiche Aufsätze zur Katechetik im Sonntagsschulfreund. 25. 10. 1905 Habil. Greifswald für prakt. Theologie. SS. 1910 ord. Prof. prakt. Theologie AUK (Nf. J. Bauer), 1923/24 Rektor, zum SS. 1934 zwangsversetzt nach Marburg. – Politisch: bis Mai 1932 DVP, 1. 5. 1933 NSDAP, öffentliche Parteinahme für die „Deutschen Christen“, nach Studentenpro­ testen gegen ihn Verzicht auf das Amt des Universitäts­ predigers in Marburg. – Militär: wegen Augenleidens ungedient, frw. Lazarettdienst. – oo 1905 Margarete Frese, Beamtentochter aus Bad Wildungen, 2 S, Wol­ rad (1914), nach 1945 Augenarzt Eschwege, Dietrich (1916), Pfr. in Bad Wildungen. BABL, R 4901, 10021/9830; GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 197–199 (Habil.); Haendcke 1925, 93 (P); Horst 1954; APB 751; Schin­ del 2000; Nagel/Sieg 2002; Lippmann 2003, 222 ff., 249 ff. Ueberweg, Friedrich, Philosophie * 22. 1. 1826 Leichlingen bei Düsseldorf † 9. 6. 1871 Königsberg V.: Johann Friedrich Ue. (gest. 1826), Pastor, M.: Helene Böddinghaus (gest. 1868), ev. – G Elberfeld 1845, philos.­philol. Studium Göttingen, FWU (Fr. Ed. Beneke, Ranke), Halle, Prom. ebd. 17. 8. 1850: De elementis animae mundi Platonis (Von den Elementen der Seele in der platonischen Welt), StE, Gymn.leh­ rer Duisburg, Elberfeld, Habil. f. Philosophie Bonn 13. 11. 1852, kumul. aufgrund kleinerer Arbeiten zu Aristoteles u. Kant (Wie ist Kants kategorischer Im­ perativ als Prinzip der Ethik zu beurteilen?), PV: Über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, AV: Über die psychologischen Prinzipien der Ästhetik; in Bonner Privatdozentenzeit Freundschaft mit Friedrich Albert Lange, b. ao. Prof. AUK SS. 1862 (Nf. Taute), nach Ablehnung eines Rufes nach Basel Ernennung zum ord. Prof. ebd. 1868. – Schwerpunkt: Philosophiehistorie, Hauptwerk: Grundriß der Geschichte der Philosophie (in drei Bänden 1863–1867, bis zu seinem Tod in drei Aufl., 1871/73 US­Übersetzung), 1857: ‚System der Logik und der logischen Lehren‘, weist ihn als Vertreter einer objektivistischen Erkenntnislehre und strengen Anti­Kantianer aus, Empirist, der in der Psychologie

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die „Grundwissenschaft“ für alle philosophischen Dis­ ziplinen sah, im Freundeskreis daher als „Materialist“ geltend. – Politisch: Als Student „Barrikadenkämpfer“ von 1848, die liberal­demokratischen Überzeugungen in den 1850ern bewährt im öffentlichen Eintreten gegen die Amtskirchen, vor allem gegen den „Ultra­ montanismus“, freireligiöses Engagement, 1860 auch wieder politisch im Sinne der sich formierenden Fort­ schrittspartei, 1861 Wahlmann bei den Wahlen zum preuß. Abgeordnetenhaus, Bismarck­Gegner. – oo1863 Luise Panzenhagen aus Pillau, mindestens 1 T, 2 S. F. A. Lange 1871; Dilthey 1871; Lasson 1872; Braasch 1888; Ders. 1889; Weisfert 235; Wenig 317; Fr. Schneider 1968 (P); Wittmütz 1994 (P); APB 1968 f. Uhl, Wilhelm, Deutsche Philologie * 23. 11. 1864 Braunschweig † 26. 10. 1921 Königsberg V.: Karl U., Kaufmann, M.: Anna Winter, ev. – 1883 G Martino­Catharineum Braunschweig, germ.­philol. Stud. Jena, FWU (Curtius, Maaß), Göttingen (Roethe, Heyne, Wilamowitz­M., G. E. Müller, Baumann, Pei­ pers, Sauppe, Goedeke), Prom. 1888 ebd.: Unechtes bei [Gottfried von]Neifen [222 S.!], (R.: Heyne), 1890/91 german. Studien Marburg, Göttingen, April 1891 Hilfsarbeiter Grimmsches Wörterbuch, Ende 1891/92 im väterlichen Haus, Privatstudien unter Be­ nutzung der Bibliothek in Wolfenbüttel, 17. 11. 1893 Habil. f. Literatur u. Sprache des deutschen Mittelalters vom 12. bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts AUK, SS. 1901 b. ao. Prof. f. Dt. Philologie ebd.. – Militär: 1884/85 Wehrpflicht Berlin, 1888/89 auf Wunsch des Vaters Berufsoffizierslaufbahn, IR 97 in Lothringen, Juli 1889 Versetzung zur Reserve erwirkt, Abschied 1892. – oo N. N., mindestens 1 T Gertrud (1905–; noch 1929 aus AUK­Fond für Witwen und Waisen unterstützt). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 318 f., Bd. IV, unpag.; [Uhl] 1921a–c. Umpfenbach, Carl, Nationalökonomie * 5. 6. 1832 Gießen † 24. 7. 1907 ebd. V.: Hermann Matthias U., Dozent f. mathem. Wissen­ schaften Gießen, M.: Emilie Klotz aus Heidenheim/ Württ., altkatholisch. – Naturw. Stud., prakt. Tätigkeit im „Bergbau­ u. Hüttenfach“, ab 1850 staatsw. Stu­ dien, 10/1851 Akzessist bei der Obersteuerdirektion Darmstadt. 21. 7. 1855 Prom. Gießen, 26. 3. 1856 ebd. Habil.: Das Wesen des Geldes; Lehrbuch der Finanz­ wissenschaft, 2 Bde. Erlangen 1859/60, SS. 1864 ord. Prof. d. Staastswissenschaften Würzburg, WS. 1873/74 AUK, 1878/79 Prorektor, 1900 Einstellung der Lehrtä­ tigkeit. – „Schon früh berücksichtigte er in seinen Vor­

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lesungen das soziale Moment …“ (HdwStw), seit 1884 las er über die deutsche Kolonialpolitik (Chronik), „als erster […] auf einer deutschen Hochschule“ (Zeitge­ nossenlex.). – RA III, KrO II, 1894 GRR. – oo 1864 Melie von Klipstein, mindestens 1 T Meta (1865–?, 1935 in Gießen lebend). 1 Bruder Franz (1835–1886), habil. Altphilologe, Gym.lehrer Mainz. GStA, Rep. 89, 21661, 116–120; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 187 II (10 Br. an Althoff, 1883–1893); Zeit­ genossenlexikon 1905, 1490; Chronik AUK 1907/08, 11 f.; Handwörterbuch der Staatswissenschaften 3. Aufl. 1911, Bd. VIII, 33; ebd., 4. Aufl. Bd. VIII, 372 f.; APB 1724 f. Unterberger, Franz, Medizin, Gynäkologie * 7. 9. 1882 Königsberg † 9. 4. 1945 ebd. V.: Kurt U. (vor 1933), Pfarrer, M.: Anne Etzer (1859), ev. – 1900 FC, med. Stud. München (1), AUK, StE Mai 1905, 27. 6. 1905 Prom. ebd.: Über operative Verletzungen des Ductus Thoracicus (R.: Garré), 15. 5. 1905–1. 11. 1907 Assist. Chir. Kl. AUK, 1907/08 Path. Inst. Genf (M. Askanazy), 15. 3. 1908– 1. 10. 1911 Univ. Frauenkl. Rostock, 3. 6. 1911 Habil. ebd., 24. 11. 1911 Umhabil., 1. 10. 1911–1. 10. 1913 Hebammenlehrer Univ.­Frauenkl. AUK, seitdem lt. Arzt Gynäk. Abt. KHS Barmherzigkeit Königsberg. – Schwerpunkt nach Angaben in HLK 1933: Schädi­ gung der Nachkommen durch Röntgenstrahlen, Beein­ flussung des Geschlechts beim Menschen. – Politisch: August 1933 pro forma NS­Lehrerbund. – Militär: OA d. Landwehr, EK II. – oo 1912 Margarete Schultz (1883–), 2 T, 1 S. BABL, R 4901, 13279/9878; GStA …, Nr. 24, Bd. III, 82 f.; Ostpr. Arztfamilie 1/1994, 21. Vageler, Paul, Agrarwissenschaften, Agrikulturchemie * 30. 10. 1882 Maeken/Pr. Holland † 3. 12. 1963 Sao Paulo/Brasilien V.: Wilhelm V., Gutspächter, M.: Marie Falkner, ev. – 1900 G Elbing, 1900/01 lw. Praxis, 1901–04 AUK, dort 1904 Prom: Ueber den Einfluß der Vege­ tationsperiode und der Düngung auf die chemischen Bestandteile der Kartoffelknollen. 1. 10. 1902 Hilfs­ assist. Stutzers im Agrikult.­chem. Institut. 1. 9. 1904 Assist. Bayer. Moorkulturanstalt, 1906 Wechsel zu Mitscherlich, Pflanzenkundl. Abt. Lw. Institut AUK; mit Unterstützung des Reichskolonialamtes im Mai 1909 nach Ostafrika, 1910/11 Rückkehr ans Lw. Institut AUK, Habil. f. Agrikulturchemie u. Bakte­ riologie 4. 8. 1910: Ostafrikanische Alluvialböden, PV: Einfluß der klimatischen Faktoren auf die Vege­ tation, AV 21. 7. 1910: Energieumsatz im tierischen Körper. Arbeitsresultate aus Übersee veröffentl.; Juni

1912 erneut für zwei Jahre im Auftrag des Reichsko­ lonialamtes nach Dar­es­Salaam, Deutsch­Ostafrika. 1913: Düngungsversuche in den Deutschen Kolonien. Seit 1920 bodenkundliche Expeditionen in tropische Länder, 1924–1928 Direktor Agro­geol. Labors Bui­ tenzorg/Java, 1930: Grundriß der tropischen und sub­ tropischen Bodenkunde für Pflanzer und Studierende, 1923 Königsberger venia erloschen, 1929 erneute Habil. Lw. Hochschule Berlin, 1932 nb. ao. Prof., 1932 im Auftrag der Reichsregierung nach Brasilien, Erkundung von Siedlungsmöglichkeiten, Aufbau eines bodenkundlichen Untersuchungsdienstes ebd., 1934 Prof. Landwirtschafts­Hochschule Rio de Janeiro, WS. 1940/41–SS. 1945 Direktor des Instituts für Koloniale Bodenkunde und Kulturtechnik Universität Hamburg. Seit 1948 bodenkundlicher Chef­Berater der Landwirt. Gesellschaft Brasiliens in Sao Paulo. Erinnerungen an die afrikanischen Jahre, mit scharfen Angriffen auf die von „Zentrum, Sozialisten und Juden“ aufs falsche Gleis gelenkte deutsche Kolonialpolitik: ‚Afrikanisches Mosaik‘, 1941. – Forschungsschwerpunkte: Tropische u. subtropische Bodenkunde u. Bewässerungswirt­ schaft. – Politisch: 1. 11. 1931 NSDAP, 1932 im Auf­ trag der Partei Kolonialvorträge in Berlin. – Militär: Im August 1914 sich als Kriegsfreiwilliger der Schutz­ truppe in Südwestafrika zur Verfügung gestellt, März 1915 entlassen. In Südwestafrika auch Teilnahme an Niederschlagung des „Bastard­Aufstandes“. – oo 1906 Frieda Schumacher (1886–), 1 T, 1 S. BABL, R 4901, 13279/9891; Krause et al. III, 1073, 1161; Böhm 1997, 361; Gerber 2004, 794. Vahlen, Theodor, Mathematik * 30. 6. 1869 Wien † 16. 11. 1945 Prag. V: Johannes V., Prof. f. Klass. Philologie FWU (1830–1911), M: Amalia Ambrosch (gest. 1877), kath. – 1888 FalkRG Berlin, 1889–1893 math. Stud. FWU, 20. 5. 1893 Prom. ebd.: Beiträge zu einer addi­ tiven Zahlentheorie, 30. 1. 1897 Habil. f. Mathema­ tik AUK, AV: Ueber die Geschichte des Sturmschen Satzes und der Kroneckerschen Charakteristiken; b. ao. Prof. Greifswald WS. 1904/05, gleichzeitig er­ schien sein Hauptwerk: Abstrakte Geometrie. Unter­ suchungen über die Grundlagen der Euklidischen und der nicht­Euklidischen Geometrie. 1909 oö. Prof. f. Mathematik Greifswald, 1923/24 Rektor, 1927 entlas­ sen, 1930–1933 Prof. f. Mathematik TH Wien, WS. 1933/34 Greifswald, 1934–1937 FWU, 1937 em., 1939–1943 komm. Präsident PrAkW, 1944/45 LA Dt. Universität Prag, dort im Mai 1945 inhaftiert. – Poli­ tisch: 1919–1923 DNVP, 1923 NSDAP, 1924–1927 Gauleiter NSDAP Pommern, 1924 MdR (Deutschvöl­ kische Freiheitspartei), 1927 wg. „republikfeindlicher“

Catalogus Professorum Betätigung zwangspensioniert. April 1934 Ltr. Hoch­ schulabteilung PrMK/REM, 1934–1937 Amtschef Wissenschaft REM, 1936 Übertritt von der SA zur SS. – Militär: 1914–1917 Kriegsdienst, Major d. R., EK I, silb. Verw.abzeichen, Sächs. Albrechtsorden. – oo Elfriede von Hausen (1871–). BABL, R 4901, 13279/9893; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. IV; FL 504 (P); Heiber 1966; Grüttner 2004. Valentini, Gustav, Innere Medizin * 22. 10. 1862 Gallehnen/Pr. Eylau † 16. 12. 1929 Danzig V.: Arthur Sigismund V. (1831–1909), Gutsbesitzer, M.: Therese Willenbücher (1837–1911), ev. – 1881 AltstädtG, med. Stud. Freiburg, FWU, AUK, 1887 StE, Juni 1888 Prom.: Ueber die Bildungsstätte des Gallenfarbstoffes bei Kaltblütern, 1. 4. 1888 I. Assist. Med. Klinik (Lichtheim), Habil. f. Innere Medizin AUK 10. 6. 1892, 1. 1. 1899 Ltr. Innere Abt. West­ preuß. Diakonissenhaus Danzig. – GMR. – oo 1895 Johanna Kanel (1873–1929), 3 K. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 216, 218, 349, 357; Weisfert 236 f.; APB 1070. Voigt, Heinrich Gisbert, Theologie, Kirchengeschichte * 29. 6. 1860 Stade † 20. 9. 1933 Halle V.: Heinrich → V., Pfarrer u. Prof. d. Theol. – 1878 AltstädtG, theol.­philol. Stud. AUK, Leipzig, FWU, 1883 Domhilfsprediger Berlin, 1884/85 Hausgeistli­ cher des Fürsten Reuß­Köstritz zu Ernstbrunn/Österr., 1885–1894 Pfr. Schloßkirche Köpenick, 13. 4. 1890 Lic. theol. AUK: Quae sint indicia veteris ab Epipha­ nio in relatione de Cataphrygibus (Pan.haer. XLVIII), a secunda paragrapho usque ad tertiam decimam usur­ pati fonts (erw. Fassung: Ueber die Zusammensetzung und die Quellen der Berichte des Epiphanius über die Kataphryger und Quintillianer unter besonderer Berücksichtigung der Hauptquelle). 9. 1. 1892 Ha­ bil. f. Kirchengeschichte FWU aufgrund der erwei­ terten Königsberger Diss: Eine verschollene Urkunde des antimontanistischen Kampfes. Die Berichte des Epiphanius über die Kataphryger und Quintillianer, PV: Über Abälard, AV: Über Hildebert von Lavardin (etwa 1056–1133, Erzbischof, rel. Schriftsteller), WS. 1894/95 b. ao. Prof. f. Kirchengeschichte AUK (Nf. Bosse), WS. 1899/1900 Kiel (Nf. Bosse), SS. 1901 Halle, 1914 ord. Hon.Prof. ebd., 1921 oö. Prof. ebd., Ende SS. 1925 em. – Frucht der Königsberger Zeit ist eine akribische Monographie über Adalbert von Prag (Ein Beitrag zur Geschichte der Kirche und des Mönchtums im 10. Jahrhundert, Stuttgart 1898) und die Anfänge der Mission im Preußenland, wie V. sich

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überhaupt seitdem auf die frühmittelalterliche Kir­ chengeschichte konzentrierte, in Halle sich mehrfach Brun von Querfurt zuwendend (vgl. vor allem sein 500­Seiten­Panorama über diesen Missionar aus der Zeit Ottos III., Stuttgart 1907); zu Adalbert noch 1904: Der Verfasser der römischen Vita des heiligen Adalbert … – 1898 Dr. theol. h. c. AUK, 1909 Dr. phil. h. c. Prag. GStA, Rep. 76Va, Sek. 2, Tit. IV, Nr. 48, Bd. I, 230–234 (Habil.); vita Diss.; Weisfert 239; Vademe­ cum 23 f.; Volbehr/Weyl 15. Voigt, Heinrich, Systematische Theologie * 2. 8. 1821 Oldenburg † 19. 6. 1892 Charlottenburg Ca. 1840–1844 theol. Stud. Halle bei Julius Mül­ ler, 1849 ordiniert, Rektor in Delmenhorst, bis 1864 Hauptpastor in Stade, 1861 Dr. theol. h. c. Göttingen, WS. 1864/65 ord. Prof. f. Dogmatik AUK (Nf. Erd­ mann). Zum Ende WS. 1890/91 nach einem „Skan­ dal“ von amtlichen Pflichten entbunden, Übersiedlung nach Berlin, gleichwohl 1891 noch RA III m. Schleife erhalten mit der Begründung, er stehe auf positivem Glaubensgrund, gehöre „entschieden“ zur Union und habe vielfache Verdienste als Mitarbeiter im ostpr. Kon­ sistorium. – Dr. theol. h. c. Halle 11. 10. 1883, 1886 KR u. Mitglied Konsist. Prov. Ostpreußen. – Haupt­ werk: Fundamentaldogmatik (1874). – oo Klara Julie Müller, Tochter seines Hallenser Lehrers Prof. Julius Müller (1801–1878), dem die Athanasius­Studie von 1861 gewidmet ist, mindestens 1 S → Heinrich, 1 T oo → C. F. Arnold. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 140; Nr. 21661, 33–35; Voigt 1861; Weisfert 239. Voigt, Woldemar, Physik * 2. 9. 1850 Leipzig † 13. 12. 1919 Göttingen Naturwiss. Stud. Leipzig, AUK, 1874 Prom. AUK: Untersuchungen der Elasticitätsverhältnisse des Stein­ salzes (R.: F. Neumann), Schuldienst NikolaiG Leip­ zig, 1875 Habil. Leipzig, b. ao. Prof. f. Physik AUK WS. 1875/76–SS. 1883; WS. 1883/84 oö. Prof. f. Physik Göttingen. – „Seine Erklärung des Doppler­ Effektes (1887) nahm einen Großteil der speziellen Relativitätstheorie vorweg“ (GG), maßgeblich an Entwicklung der Festkörperphysik beteiligt (DBE), Hauptarbeitsgebiet Kristallphysik, Arbeiten zur Ela­ stizität, Elektro­ und Magneto­Optik sowie zur Ther­ modynamik (1903/04 in der Slg. Schubert). 1895/96: Kompendium der theoretischen Physik, 1898: Die fundamentalen physikalischen Eigenschaften der Kristalle, 1901: Elementare Mechanik als Einleitung in das Studium der Physik, 1910, gewidmet „Dem

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Andenken Franz Neumanns“: Lehrbuch der Kristall­ physik (mit Ausschluß der Kristalloptik), ND 1928, Geleitwort Max v. Laue und wieder 1966. Autobiogra­ phisch: Erinnerungsblätter aus dem Deutsch­Franzö­ sischen Kriege, Göttingen 1914. – Militär: Kriegsfrei­ williger 1870/71. Weisfert 239 f.; GG I, 242 (dort die falsche Angabe, V. sei 1883 „aus Berlin kommend“ nach Göttingen be­ rufen worden; P); DBE X, 238. Volkmann, Paul, Physik * 12. 1. 1856 Bladiau/Kr. Heiligenbeil † 15. 4. 1938 Königsberg V.: Karl Ludwig V., Pfarrer, M.: Laura Netke, ev. – FC 1875, mathem.­phys. Stud. AUK, Prom. 26. 7. 1880: Ueber den Einfluß der Krümmung der Wand auf die Constanten der Capillarität bei benetzenden Flüssig­ keiten, Assistent Woldemar Voigts, 26. 7. 1882 Habil. f. Physik, SS. 1886 b. ao. Prof. u. Direktor des Math.­ Physik. Seminars AUK, SS. 1894 oö. Prof. f. Theore­ tische Physik u. Erkenntnistheorie, Rektor 1907/08, 1924 em. – Hauptwerke: V. war mehr Vermittler naturw.­physik. Wissens als origineller Forscher, literar. Produktion daher überwiegend aus Vorträgen für Stu­ denten bzw. interessierte Laien erwachsen: Vorlesungen über die Theorie des Lichtes (1891); Erkenntnistheo­ retische Grundzüge der Naturwissenschaften und ihre Beziehungen zum Geistesleben der Gegenwart (1896; 2., vollständig umgearb. u. erw. Aufl. 1910); Franz Neumann (1798–1895). Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Wissenschaft (1896); Einführung in das Studium der theoretischen Physik, insbesondere in das der analytischen Mechanik, mit einer Einleitung in die Theorie der physikalischen Erkenntniss (1900); Fra­ gen des physikalischen Schulunterrichts (1913); dazu verstärkt nach 1905 Kritik des „Materialismus und Monismus“. – oo 1889 Marie Fleischmann, Tochter des → Prof. f. Landwirtschaft Wilhelm F., mindestens 1 S Hans, gefallen 2. 5. 1915 bei Gorlice/Galizien, 1 T Anna, 1893–1999 [sic], Künstlerin (APB 1914 f.). GStA, VI. HA, Nl. Althoff, B 190 III (17 Br. an Alt­ hoff, 1883–1898); Weisfert 240; KUK 1907 (P); APB 761 f.; BEN 2003, 926 f. Voss, Otto, Medizin, HNO * 10. 8. 1869 Glauchau/Sa. † 15. 7. 1959 V.: Dr. Paul V., Arzt, M.: Anna Lossow, ev. – 1889 G St. Afra Meißen, med. Stud. KWA Berlin, 8. 8. 1893 Prom. FWU: Über einen Fall von spinaler progres­ siver Muskelatrophie kompliziert durch progressive Paralyse der Irren und Affektion der Hinterstränge des Rückenmarks, 1894 Approb., Militärarzt, 1897 FAR Straßburg, OA, Assist. Chir. Station Garnisonslazarett,

1898 Stabsarzt, versetzt an KWA, 1901 Assist. Ohren­ klinik Charité (F. Trautmann, Passow), 1903 Unterarzt, 1905 nach Königsberg versetzt, ebd. 29. 7. 1905 Habil. f. Ohren­ und Nasenkrankheiten: Der Bacillus pyo­ yaneus im Ohr, AV: Die functionelle Prüfung des Ge­ hörorgans, 12. 1. 1907 Tit. Prof., 31. 7. 1907 Austritt aus Fakultät, Übersiedlung nach Frankfurt/M., Direk­ tor Ohrenklinik, StädtKHS, 1914 oö. Prof. Frankfurt, 1928 Ruf nach München als Nf. → B. Heines abge­ lehnt, 1929 Übernahme auch der Hals­Nasenklinik. – Entdeckung geburtstraumatischer Schädigungen des Ohres, Erforschung des Zusammenhangs allg. Stoff­ wechselstörungen mit Ohrenkrankheiten, Behandlung der Schwerhörigkeit mit Ultraschall, Physiologie der Tonsillen, Nachweis meningealer Hör­ und Gleichge­ wichtsstörungen bei Infektionskrankheiten (Parotitis, Typhus). – Politisch: nach 1933 nur NS­Frontkämp­ ferbund. – Militär: 1914/15 Ltr. KHS Sachsenhausen (Reservelazarett), 1915/16 beratender Facharzt an der Ostfront, nach Flecktyphus­Erkrankung entlassen, EK II.– oo1902 Johanna Meier (1879–) aus München, kinderlos. BABL, R 4901, 13279/10044; GStA Nr. 24, Bd. II, 131, 189, 204; Grahe 1929 (P); BLÄF II, 1628; Ostpr. Arztfamilie 1/1994, 21. Vossius, Adolf, Medizin, Augenheilkunde * 10. 2. 1855 Zempelburg/Westpr. † 28. 6. 1925 Gießen V.: Arzt, ev. – 1874 G Konitz, med. Stud. AUK, Gie­ ßen, Prom. ebd. 1879: Quantitaive spectralanalytische Bestimmungen der Gallenfarbenstoffe in der Galle (R.: v. Hippel), ebd. 1879–1881 Assistent A. v. → Hip­ pels, 1881/82 anatomische Studien bei → F. Merkel in Rostock und → Schwalbe AUK, 1882–1887 zwei­ ter Arzt Univ. Augenklinik AUK (Jacobson), Habil. f. Augenheilkunde 14. 8. 1882: Das Myxosarcom des N. opticus, 1887 nb. ao. Prof., 1889/90 komm. Leitung der Klinik nach Jacobsons Tod, 1890–1920 oö. Prof. Gießen (Nf. v. Hippel). – Wissenschaftliche Betätigung „erstreckte sich vorwiegend auf klinische Beobach­ tungen und pathologisch­anatomische Arbeiten“, „vor allem“ war er aber Kliniker (Jess), 1886: Leitfaden zum Gebrauch des Augenspiegels (3. Aufl. 1893), 1888: Grundriß der Augenheilkunde (4. Aufl. als Lehrbuch der Augenheilkunde, 1907, ins Jap. u. Russ. übers.), Hg. der Sammlung zwangsloser Abhandlungen auf dem Gebiet der Augenheilkunde 1896–1921. – Po­ litisch: „Tief für die Ehre und Größe seines Landes“ empfindend, lastete der „Sturz unseres Volkes“ (1918) schwer auf ihm (Jess). – oo N. N., mindestens 2 S, der ältere im Ersten Weltkrieg gefallen.

Catalogus Professorum GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 132; Weisfert 240 f.; Jess 1925; BLÄF, 1628 f.; R. Franz 1981, 87–89. Wagner, Hermann, Geographie * 23. 6. 1840 Erlangen † 18. 6. 1929 Göttingen V.: Rudolph W. (1805–1864), Prof. f. Physiologie, M.: Rosa Henke, ev. – G Göttingen 1859, naturw. Stud. Er­ langen, Göttingen, 1864 Prom. ebd.: Maßbestimmung der Oberfläche des großen Gehirns, 1864 Gymnasial­ lehrer in Gotha f. Geographie, Mathematik, Physik, seit 1868 Verbindung zur Geographischen Anstalt Ju­ stus Perthes in Gotha, maßgeblich beteiligt an der Eta­ blierung geographischer Lehrstühle an preuß. Univer­ sitäten seit 1874, 1876 ord. Prof. f. Geographie AUK, Lehrer bedeutender Erforscher der ostpr. Landeskunde wie Fr. Hans Lullies und Alois Bludau, Übernahme der Hg. des Geographischen Jahrbuchs, WS. 1880/81 Göt­ tingen, em. 1920. Hauptwerke: seit 1877 in mehreren Auflagen: Lehrbuch der Geographie, seit 1888 in 18. Aufl.: Methodischer Schulatlas. – oo I. Elisabeth Besser, 3 T., II. Elisabeth Diefka, verw. v. Arnim. Weisfert 242; L. 1920; Meinardus 1929; [Wagner] 1930; APB 767; GG I 230 (P). Wagner, Karl Ernst Albrecht, Medizin, Chirurgie * 3. 6. 1827 Berlin † 15. 2. 1871 Dôle/Frankreich Med. Stud. FWU, Heidelberg 1844–1848, 1848 Prom. FWU bei Joh. Müller: De Spatulariarum ana­ tome. 1852 Habil. ebd.: Ueber den Heilungsprocess nach Resectionen und Exstirpationen der Knochen, 1853 OA städt. Lazarett Danzig, 1858 ord. Prof. f. Chi­ rurgie AUK, AV: De ratione quadam fracturas ossium deformiter consolidatas violenta extensione sanandi, Initiator des Neubaus der Chirurg. Univ.klinik 1864, 1866/67 Prorektor. 1868 Fingerinfektion mit schwerer Blutvergiftung, wiederholte Kuren in Aachen, zuletzt in Cannes, bis April 1870 der klinischen Tätigkeit entzo­ gen. – Militär: 1848/49 als Arzt im Schlesw.­Holstein. Krieg, nach frw. Meldung von Juli bis Sept. Generalarzt u. konsult. Chirurg I. AK im preuß.­österr. Krieg 1866, 1867 Generalsekr. Kommission zur Reorganisation des Militär­ u. Sanitätswesens, 1870/71 Teilnahme am Krieg gg. Frankreich, Generalarzt I. AK (v. Manteuf­ fel), Belagerung von Metz, in Südfrankreich an Typhus gest. – GMR. Weisfert 242; Pagel 1796–1798 (P); BLÄ V, 814 f. Waldbach, Paul, Bibliothekar, UBK * 24. 3. 1861 Pr. Eylau † 11. 9. 1912 Königsberg

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Theol. Stud. AUK, 1890/91 Pfarrvikar, 1896 gg. Re­ mun. bei der Neukatalogisierung UBK eingesetzt, 1. 7. 1899 ao. Hilfsarbeiter (Nf. Rindfleisch) ebd. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 1, Bd. VII, VIII; Chronik AUK. Waldow, Wilhelm von, Kuratorialrat * 31. 10. 1856 Berlin † 27. 7. 1937 ebd. Nach jur. Studium Regierungsreferendar, 1886 Landrat Kr. Fischhausen/Ostpr., 1892 Landrat Kr. Niederbar­ nim, 1898 Oberpräsidial­ u. Kuratorialrat Königsberg, 1899 Regierungspräsident ebd., April 1903 Oberpräsi­ dent der Provinz Posen. „Seine Verwaltungsarbeit und seine politischen Fähigkeiten dort stellte er ganz in den Dienst des Kampfes für eine Stärkung des Deutschtums im Osten“ (Gey). Nach Änderung der Berliner Polen­ politik unter Bethmann Hollweg 1911 abgelöst, zum Oberpräsidenten von Pommern ernannt. 6. 8. 1917 un­ ter dem neuen Reichskanzler Michaelis Reichskommis­ sar für Volksernährung und StS Kriegsernährungamt im Rang eines Staatsministers. Gey 1976, 20 f.; Hauf 1980, 47 f. Walter, Julius, Philosophie * 22. 4. 1841 Wolmar/Livland † 14. 7. 1922 Münster V.: Ferdinand W. (gest. 1869), Theologe, prot. Bischof, Generalsuperintendent von Livland. – Stud. Philoso­ phie, Theologie, Geschichte, Dorpat, Jena, ebd. Prom. 30. 7. 1870: Über die aristotelische Ethik (R.: Fischer, Fortlage), 1870/71 Studien in Leipzig, 1871/72 Mün­ chen, 1873 gefördert von Kuno Fischer Habil. f. Philo­ sophie in Jena: Über eine falsche Auffassung des Nous praktikos. Vorbemerkungen zu einer Einleitung in das sechste Buch der Nikomachischen Ethik, WS. 1875/76 b. ao. Prof. f. Philosophie AUK (Nf. Heinze), 1876 oö. Prof. AUK, 1908 em., nach Weimar verzogen. – Hauptwerke: 1874: Die Lehre von der praktischen Vernunft in der griechischen Philosophie, 1893: Die Geschichte der Ästhetik im Altertum. – oo 1881 Anna Völsch, 2 T, davon Hildegard oo → Karl Rauch. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, 84–90; Weisfert 243; Walter 1891 (zu Walter sen.); Thimme 1938 (zu Walter sen.); Jahn 2000, 441. Warstatt, Gerhard, Medizin, Chirurgie * 6. 11. 1887 Angerburg † nicht ermittelt V.: N. N., Taubstummenlehrer, M.: Auguste Bier­ freund. – 1906 FC, med. Stud. AUK, 1911 Prom. ebd.: Über seltene Kombinationen von Carcinomen an den weibl Sexualorganen; R.: Winter, 1. 10. 1913 As­ sist. Arzt Chirg. Klinik (Friedrich), nach Kriegseinsatz

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Juli 1916 Rückkehr an Chir. Klinik, 10. 8. 1917 Habil. f. Chirurgie: Der Einfluß der einmaligen Extraktion der Interkostalnerven auf die Lunge und ihre tuberku­ löse Erkrankung (ZsfChirurgie 138, 1917), Juli 1923 Ernennung zum nb. ao. Prof., abgelehnt, da W. seit 1. 4. 1922 am KHS Stendal tätig. – Militär: Seit August 1914 im Felde, Chirurg in einer Sanitätskompanie, EK II, 2/1917 OA d. R. GStA Nr. 24, Bd. III, 273, Bd. IV, 218. Weber, Heinrich, Mathematik * 5. 3. 1842 Heidelberg † 17. 5. 1913 Straßburg V.: N. N., Lehrer, Historiker, ev. – Mathem. Stud. Leip­ zig, AUK, Prom. Heidelberg 1863: Über die Bestim­ mung des galvanischen Widerstands der Metalldrähte aus ihrer Erwärmung durch den galvanischen Strom nach absolutem Maasse, Habil. ebd. 11. 8. 1866, ao. Prof. 20. 7. 1869 ebd., zum SS. 1870 Polytech. Zürich, SS. 1875 ord. Prof. f. Mathematik AUK (Nf. Richelot), SS. 1883 TH Berlin, 1884 Marburg, 1892 Göttin­ gen, 1895 Straßburg. – Lehrbuch der Algebra, 3 Bde. Braunschweig 1891–1896, Enzyklopädie der Elemen­ tar­Mathematik für Lehrer und Studierende, 3 Bde. Leipzig 1903–1907. Wichtige Beiträge zur Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen und bes. der Besselschen Funktionen. Bahnbrechend: Arithmetische Theorie der algebraischen Kurven und Modulformen. 1879 zusammen mit R. Dedekind die Abelsche und die Riemannsche Theorie der algebraischen Kurven auf al­ gebraischer und nichtanalytischer Grundlage (bedeut­ sam für moderne Theorie der Zetafunktionen), bedeu­ tend auch seine Theorie der komplexen Multiplikation in der Klassenkörpertheorie (nach GG). – oo 1870 Emilie Dittenberg, mind. 1 S, Rudolf (1874–1920), Prof. f. Physik. GStA, Rep. 89, Nr. 21660, 67–69; Weisfert 244, Ebel 1962, 112; Drüll 287 f.; GG I, 270 (P); DBE X, 354 f. Weiß, Otto, Medizin, Physiologie * 22. 7. 1871 Vilsen/Kr. Diepholz 25. 1. 1943 ebd. V.: Carl August W., Sanitätsrat, M.: Louise Henriette Stisser, ev.­luth. – 1891 G Rinteln, 1891–1895 med. Stud. Göttingen (F. Merkel, Meissner), 1896 StE u. Prom. ebd.: Ueber die Wirkungen von Blutserum­ Injectionen ins Blut (R.: Meissner), Volontärassist. Physiol. Inst. Göttingen 1896/97, Studien zur Elek­ trophysiologie, 1. 4. 1897 I. Assist. Physiol. Inst. AUK, 21. 12. 1898 Habil. ebd., AV: Physiologie der Schild­ drüse, 1904 Antrag zur Ern. nb. ao. Prof. abgelehnt, da zu wenig originell; 1912 als Nf. seines Lehrers Her­ mann von der Fakultätsmehrheit abgelehnt, SS. 1916–

1936 oö. Prof. Physiologie AUK (Nf. Hofmann), 1936 em., nach Berlin verzogen, 1942 kriegsbedingt ins ländliche Vilsen. – Arbeiten zur physiol. Optik, lymphat. Zirkulation des Auges und der Herzschaller­ scheinungen, Sprachlaute, Augenbewegungen, Fragen der allg. Physiol. der Muskeln u. Nerven, Beiträge zu Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen (Der Harn, Bd. 2, 1907, Die Flimmerbewegung, Bd. 4, 1909, Schutzapparate des Auges, Erg. Bd. 1910), fer­ ner zum Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie (Stimmapparat des Menschen, Die Schutz­ apparate des Auges), für das Handbuch der verglei­ chenden Physiologie (Die Erzeugung von Geräuschen und Tönen), 1919 mit K. Oppenheimer Hg. Grundriß der Physiologie (3. Aufl. 1925), Mit­Hg. Jahresbericht über die Fortschritte der Physiologie (seit 1908, Allein­ Hg. der Forschungsübersicht über die Kriegsjahre: 1913–1919), fortgesetzt seit 1920: Berichte über die gesamte Physiologie und experimentelle Pharmakologie. – Politisch: Konservative Partei bis 1918, 1934 FM SS, obwohl als „jüdisch versippt“ geltend. – oo I. Toni Lichtheim (1876–vor 1940; jüdisch, ev. getauft), Toch­ ter des Internisten → Ludwig L., 2 T; II. N. N., „aus deutschblütiger Familie“ (trotzdem von Rektor u. Ku­ rator AUK 1940 nicht für würdig befunden, von REM Glückwunsch zum 70. Geburtstag zu erhalten, da ein­ mal „jüdisch versippt“ gewesen; Rep. 76Va, Nr. 10329, 173). BABL, R 4901, 13280/10326; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 346 f. (Habil. 1898); Bd. II, 72–80, 164; RHB 2011 (P); BLÄF II, 1662; Lullies 1944 (P); APB 1301. Wentscher, Max, Philosophie * 12. 5. 1862 Graudenz † 29. 9. 1942 Wittlich/Eifel V.: Carl H. W., Kaufmann, M.: Maria Elsner, ev. – Seit 1867 aufgewachsen in Hamburg, 1881 JohanneumG ebd., mathem.­physik., philos. Stud. FWU, Freiburg, Leipzig, Halle, ebd. Prom. 27. 7. 1893: Lotzes Gottes­ begriff und dessen metaphysische Begründung, 1893– 1896 psycholog. Studium FWU, 30. 1. 1897 Habil. f. Philosophie Bonn: Über die physische und psychische Kausalität und das Prinzip des psycho­physischen Parallelismus, WS. 1904/05 ao. Prof. f. Philosophie AUK (Remun.), SS. 1907 b. ao. Prof. f. Philosophie Bonn, 13. 10. 1918 pers. Ord. ebd., em. 1927. – Das gesamte Werk geprägt von der Rezeption Hermann Lotzes, dem er 1913 eine umfassende, nur im ersten Band vollendete Monographie (‚Lotzes Leben und Werke‘) widmet. An Lotzes spätidealistische Wertphi­ losophie anknüpfend auch seine eigene zweibändige, in Königsberg abgeschlossene ‚Ethik‘ (1902/05), ergän­ zend ‚Fechner und Lotze‘ (1925); Pädagogik. Ethische

Catalogus Professorum Grundlegung und System (1926), Metaphysik (1928), Geschichte der Ethik (1931), sowie seine in sieben Aufl. verbreitete ‚Einführung in die Philosophie‘ der Sammlung Göschen. – Militär: Wehrdienst Berlin 1882/83. – oo Else Schwedler (1877–1946), Dozentin f. Philosophie Bonn, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 45, Bd. VIII, 208–210 (Habil); Hauer 1932; E. Wentscher 1943; Wenig 333; APB 1073; Jahn 450 f. Werder, Hans Nikolaus von, Kuratorialrat * 7. 5. 1856 Frankfurt/Oder † 22. 10. 1917 Gut Sagisdorf/Saalkreis Jur. Stud. Heidelberg, Leipzig, Halle, 1878 StE, Ge­ richtsref., 1883 Assessor, 1883 Übernahme in Ver­ waltungsdienst, 11/1884 Landrat Goldap, 1889 RR Merseburg, 1892 Landrat Saalkreis, 1899 Oberpräsidi­ alrat Königsberg u. Kuratorialrat AUK, 1903 RegPräs. Königsberg, 1909 Ruhestand, 1915 Mitglied PrAH (Konserv. Partei). Hauf 1980, 48 f. Werminghoff, Albert, Mittlere Geschichte * 3. 8. 1869 Wiesbaden † 2. 2. 1923 Halle V.: Karl W. (1830–1897), Hotelbesitzer, Rentier, M.: Helene Roth (1845–1917), ev. –1888 GelehrtenG Wiesbaden, altphil.­hist. Stud. Freiburg (B. v. Sim­ son, Ed. Heyck), Leipzig (Erler, Arndt, Wachsmuth, Lipsius), FWU (J. Vahlen, O. Hirschfeld, Treitschke, Gierke, Scheffer­Boichorst), 29. 3. 1893 Prom. ebd.: Die Verpfändungen der mittel­ und niederrheinischen Reichsstädte während des 13. und 14. Jahrhunderts (R.: Scheffer­Boichorst), 4. 12. 1894 StE (Latein, Griechisch, Geschichte, Examensarbeit über: Die po­ litischen Theorien Platons im Verhältnis zum Staatsle­ ben seiner Vaterstadt), 1895/96 Volontär GLA Karls­ ruhe, Hilfsarbeiter Bad. Hist. Kommission, Mitarbeit an den Regesten der Bischöfe von Konstanz (1387– 1496), 1. 10. 1896–1. 3. 1902 Mitarbeiter MGH, Abt. Leges unter Leitung von Karl Zeumer, Fortsetzung der Ausgabe der karolingischen Konzilien, Publikation des zweiten Konzilien­Bandes 1904/07, aus dieser Arbeit gespeist 1910: Die wirtschaftstheoretischen Anschau­ ungen der Regula sancti Benedicti (in: Zeumer­FS), 1906/07 nochmals MGH, Abt.leiter Epistolae u. Mit­ glied der Zentraldirektion, Habil. f. Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften Greifs­ wald 1902: Die Beschlüsse des Aachener Konzils von 816, PV: Die Fürstenspiegel der Karolingerzeit, AV: Die Schicksale des Reichsguts im 13. Jahrhundert. Ver­ anstaltungen über Geschichte der dt. Rechtsquellen, dt. Städtewesen, Wirtschaftsgeschichte des dt. MA, Diplo­ matik der ma. Kaiser­ u. Papsturkunden. In Marburg

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1904 primo loco für Extraord. genannt, aber nicht be­ rufen. 31. 8. 1905 Tit. Prof., Umhabil. zum SS. 1907 FWU, WS. 1907/08 oö. Prof. f. mittlere Geschichte AUK (Nf. Rachfahl), dort neben Kollegs über Staat u. Kirche im MA neuer Schwerpunkt auf Geschichte des Deutschen Ordens u. ma. Landesgeschichte des Preu­ ßenlandes, WS. 1913/14 Halle (Nf. Th. Lindner), dort Ausdehnung der Vorlesungs­ u. Forschungsthemen auf Spätmittelalter u. Reformation, ma. Historiographie, hist. Geographie, Chronologie, Geschichte des Papst­ tums, mit Aktualisierungen (1918: Weltkrieg, Papst­ tum und römische Frage). WS. 1922/23 Leipzig (Nf. G. Seeliger), Amt infolge tödlicher Nierenerkrankung nicht mehr angetreten. Nach dem Urteil des Kirchenhi­ storikers Ulrich Stutz sei W. auf bestem Wege gewesen, für das Gebiet der kirchlichen Verfassungsgeschichte „eine Art [Georg] Waitz“ zu werden. Hauptwerk: Ver­ fassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter (1913), ferner: Forschungen zur ma. Königs­ u. Kai­ serkrönung (1902, 1914, 1920). 1911 in der Redak­ tion der neubegr. Kanonist. Abt. ZRG. – Dr. theol. h. c. AUK 31. 10. 1917; GRR. – Politisch: „im besten Sinne national, hing an Kaisertum und Reich, jubelte [ab 1914] über jede große deutsche Waffentat …, ent­ setzte sich über den Zusammenbruch, verabscheute, was ihn verursacht hatte und wie er ausgebeutet wurde, war entrüstet über das, was sich bei uns seit 1918 ‚re­ gieren‘ nennt, stöhnte unter des Vaterlandes Schmach, die auch die Besudelung seines ihm genommenen el­ terlichen Hauses [im französisch besetzten Wiesbaden] zur Folge hatte, gab aber trotz allem Deutschland, das Land seiner heißen Liebe, nicht verloren“ (Stutz). – Mi­ litär: Ausgemustert wg. partieller Taubheit. – oo 1900 Helene Voß (1876–), Tochter eines Ingenieurs und Gasanstaltsdirektors aus Landsberg/W., kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 26, Bd. III, 212–217 (Habil), 270–272; ebd., Sek. 2, Tit. IV, Nr. 51, Bd. XIV, 100–103 (Umhabil 1907); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIV, 165–174; Stutz 1924 (P). Wesener, Franz, Agrarwissenschaften, Forstlehre * nicht ermittelt † nicht ermittelt Lektor f. Forstlehre AUK 1906–1919, danach als Oberforstmeister nach Koblenz versetzt. Westermaier, Max, Botanik * 6. 5. 1852 Kaufbeuren † 1. 5. 1903 Freiburg/Schweiz V.: Josef W. (1802–1887), RA u. Notar, M.: Maria Zimmermann, kath. – 1870 G Kempten, naturwiss. Stud. München, ebd. 1876 Prom.: Die ersten Zell­ theilungen im Embryo von Capsella bursa pastoris

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M. Aus der Schule Karl von Nägelis, dem Meister der kausalmechanistischen Methode, im Übergang von der Anatomie zur Physiologie der Pflanzen wissenschaft­ lich groß geworden. W. habe dabei vermieden, zur Erklärung der Wirkweise physikal.­chem. Vorgänge in Lebensprozessen „einseitig materialistische Schlüsse“ zu ziehen (Koller). 1878 – 1890 Assistent Bot. Inst. FWU (Schwendener). 1884 von Althoff erfolglos für Münster vorgeschlagen, WS. 1887/88 Vertretung des verstorbenen R. Caspary AUK, 1890–1896 Kgl. Ly­ zeum Freising (Staatl. Theol.­Philos. Hochschule), WS. 1896/97 Prof. u. Direktor des 1896 gegründ. Bo­ tanisches Instituts an der Kath. Hochschule Fribourg (seit 1889), einem Ansteuerungspunkt für Studenten aus Russ.­Polen, darunter Ignaz Moscicki (1926–1939 Präsident Polens) und des Chemikers und Zionisten Chaim Weizmann. – Politisch: Katholische Gesellen­ vereine München u. Berlin, 1889 Dritter Orden des Hl. Franz von Assisi, Mitglied der Akad. Vinzenz­ Konferenz, Verband der kath. Studentenvereine. 1888 Ernennung zum ao. Prof. abgelehnt, nach Koller wg. seiner kath. Überzeugungen. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XV, 108; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 197 (10 Br. an Alt­ hoff, 1883–1889); Oehl 1943; Lötscher 1948; Koller 1970; Meier, Schwendener, Westermaier 1979 (P); BBKL XIII, 991 f. Weyl, Richard, Rechtswissenschaft, Bürg. Recht, Han­ delsrecht, Dt. Rechtsgeschichte * 9. 7. 1864 Königsberg † 28. 5. 1940 Kiel V.: Ulrich W. (1833–1883), Major d. Art., M.: Jo­ hanna Tischler (1840–1904), ev. – 1882 KneipG, jur. Stud. AUK 1883–1885, 1886 Prom. Leipzig, mit einer Königsberger Preisschrift: Über die Rechte des fran­ zösischen Königs nach Gregor von Tours fränkischer Kirchengeschichte, 22. 10. 1885 StE, Gerichtsref. Bartenstein, Königsberg, 21. 6. 1890 Gerichtsassess. ebd., 7. 7. 1891 Habil. f. Dt. Privatrecht, Handels­, Wechsel­ u. Seerecht u. Kirchenrecht AUK: Die Bezie­ hungen des Papstthums zum fränkischen Staats­ und Kirchenrecht unter den Karolingern, AV: Über das neue Patentgesetz; 1894: Lehrbuch des Reichsversiche­ rungsrechts; 1897/98 Vortragszyklus vor Königsberger Anwälten und Richtern zur Vorbereitung auf das 1900 in Kraft getretene BGB: Vorträge über das Bürgerli­ che Gesetzbuch für Praktiker, 2 Bde., München 1898. WS. 1898/99 b. ao. Prof. Dt. Privatrecht, Dt. Rechts­ geschichte, Bürg. Recht u. Handelsrecht Kiel, Ende SS. 1929 em. – Verdienste um Kieler Universitätsge­ schichte mit seiner Fortführung von Friedrich Volbehrs ,Catalogus Professorum‘ (1916, 1934, letzte Aufl. 1956). – Politisch: Schon in Königsberg Turnbewe­

gung, 1911–1915 Ltr. Ostholst. Turngau, 1922–1929 Vorsitz Akadem. Ausschuß für Leibesübungen. Publi­ zistik zu kriegsbedingten Rechtsfragen 1914–1918. Nach 1918 DNVP. – Militärisch: Wg. Kurzsichtigkeit ungedient, 1914–1918 frw. Kriegshilfe in Kieler Ver­ waltungsstellen sowie Organisator von Körperertüch­ tigungen für Landsturmpflichtige. – oo 1902 Bertha Wagner, Tochter des Generals d. Inf. J. W. (gest. 1904), 2 T, 2 S (1904–1912): Johannes (1904–1989, s. SHBL XIII), Verleger, und Richard (1912–1988, SHBL XIII), Geologe, Prof. in Kiel u. Gießen. BABL, R 49.01, 13280/10434; GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 111 f. (Habil.); Volbehr/Weyl 51; SHBL XIII, 484–487; Teil­Nl. (Autobiographie mit Königsberger Schwerpunkt) in Privatbesitz. Wichert, Theodor Fr. A., Mittlere und neuere Ge­ schichte * 13. 8. 1846 Schwetz/Westpr. † nach 1898 V.: N. N., Justizbeamter, ev.. – G Marienburg 1866, hist. Stud. FWU 1866–1869, 1870 StE, 1870/71 Hilfsleh­ rer Küstrin, 1871 Prom. Tübingen: Die Wahl Lothars III., 1. 1. 1872 Lehrer Geschichte, Geographie Mittel­ schule Königsberg­Löbenicht, März–August 1874 zur Kur nach Karlsbad beurlaubt, nach kurzer Lehrtätigkeit erneut beurlaubt und zum 31. 12. 1874 ausgeschieden. AUK 5. 6. 1875 Habil. f. Geschichte, 1886 nb. ao. Prof. ebd., 1. 9. 1887 Kustos UB Göttingen, 1. 5. 1888 ver­ setzt zur UBK, 1887–1894 ebd. III. Kustos, 1. 4. 1895 auf eigenen Antrag in den vorzeitigen Ruhestand. – oo mit der Tochter eines wohlhabenden Königsberger Kaufmanns, 4 S (1882–1887). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 110; Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV, V; Rep. 89, Nr. 21668, 47–49; Schulprogramme Löbenicht. Mit­ telschule 1872–1875. Wiechert, Emil, Geologie, Geophysik * 26. 12. 1862 Tilsit † 19. 3. 1928 Göttingen V.: Johann W., Kaufmann, früh verstorben, M.: Emilia Mischel, ev. – Mit Mutter 1874 nach Königsberg, 1881 StädtRG, Stud. Physik, Mathematik, Chemie AUK, 19. 2. 1889 Prom. ebd.: Ueber elastische Nachwirkung, 22. 10. 1890 Habil. f. Physik, AV: Anweisung der Spek­ tralanalyse zur Erforschung der Konstitution der Kör­ per. 1890–1897 Assistent Volkmanns, Juni 1897 Um­ habil. Göttingen, dort Assistent am Mathem.­Physik. Institut (→ W. Voigt), 1898 b. ao. Prof. f. Geophysik ebd. u. Direktor des neugegr. Instituts f. Geophysik, 1904 oö. Prof. ebd. – W. gilt als einer der „Entdecker“ des Elektrons, Seismologe. Mit dem Wiechert­Her­

Catalogus Professorum glotz­Verfahren wurde es möglich, aus Seismogrammen den Aufbau des Erdinnern zu erschließen (nach GG), von unschätzbarem Wert für den modernen Bergbau, „Begründer der modernen Erdbebenkunde“ (APB). An AUK Erforschung der atomaren Struktur der Elektrizi­ tät, über den „Äther“ und das Wesen der Materie, 1897 erste brauchbare Messung der Geschwindigkeit der Kathodenstrahlen, gegen Maxwell u. Hertz der Elek­ trizität Masse zusprechend, „seine weiteren Schluß­ folgerungen, daß die Elektronen Materie und ihre oszillierende Bewegung als Ursprung der Licht­ und Wärmewirkung anzusprechen sei, führen zu grundle­ genden Umwälzungen vom Wesen der Materie“ (APB), Ertrag seiner Königsberger Forschungen 1897: Das Wesen der Elektrizität. Kritiker der Relativitätstheorie (Wiechert 1921). GStA, Rep. 76Va, Sek. 6, Tit. IV, Nr. 4, Bd. III, 328 (Umhabil. Wiechert); Chronik AUK 1890/91, 6; APB 800; GG I, 310 (P). Wilke, Fritz, Theologie, Alttestamentl. Exegese * 7. 2. 1879 Greifenberg/Pommern † 2. 12. 1957 Wien V.: Heinrich W., Kaufmann, M.: Ulrike Vierkant, ev. – G Greifenberg 1888, theol. Studium Halle, Greifs­ wald, theol. Ex. Stettin 1901, Vikariat Bethel u. Predi­ gerseminar Soest 1902, Inspektor des Studien­Hauses Greifswald 1903, zweites theol. Ex. Stettin 1903, Prom. bei Johannes Haußleiter 27. 2. 1905: Jesaja und Assur. Eine exegetisch­historische Untersuchung zur Politik des Propheten Jesaja; 1. 5. 1905 Habil. f. alttest. Wis­ senschaft, SS. 1908 b. ao. Prof. AUK (Verwaltung eines neuen Extraord.), SS. 1909 b. ao. Prof. f. Altes Testament Ev. Theol. Fak. Wien, 1910 ord. Prof. ebd. u. LA f. hebräische Sprache u. Altertumskunde in PhilFak., 1913 Berufung nach Basel abgelehnt, 1925 Rektor der Salzburger Hochschulkurse. – Dr. theol. h. c. Rostock, Mitglied der Dt. Morgenländ. Gesell­ schaft, Dt. Palästinaverein, Geogr. Gesellschaft Wien. – Politisch: 1898 Mitglied Schwarzburg Verbindung Tuiskonia Halle, 1899 Schwarzburg Verbindung Se­ dinia Greifswald; Kriegspublizistik 1914–1918, u. a.: Zu Bismarcks 100. Geburtstag (Festrede 1915), Ist der Krieg sittlich berechtigt? (1915), Totenehrung: Eine Denkrede, gehalten bei der Trauerfeier für die im Welt­ kriege 1.935 gefallenen Studenten (Wien 1920). Nach 1918 Auseinandersetzung mit der Frage „Christentum und Sozialismus“. Leiter der „nationalen Hochschul­ kurse“ in Salzburg, die „eine offene Demonstration gegen klerikale Weltanschauungsansprüche waren“ (NS­Gauakte, 1942). Antrag Parteiaufnahme NSDAP im Juni 1938 (Anwärter), 1940 Mitgliedschaft, von seiner NS­Ortsgruppe als „guter Nationalsozialist und in jeder Hinsicht einwandfrei“ beurteilt (1940); NSV,

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NS­Altherrenbund; 1939 Mitarbeit Institut zur Erfor­ schung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben. 1945 auf Anweisung der Besatzungsmacht aus dem Lehramt entlassen, 1948 HonProf. f. at. Wissenschaft Ev. Theol. Fak. Wien. – Ledig. GStA, Rep. 76Va, Sek. 7, Tit. IV, Nr. 23, Bd. I, 195 f. (Habil.); ebd., Sek. 11, Tit. IV, Nr. 18, Bd. VI, unpag. (Berufung AUK); vita Diss.; Wer ist’s? IX, 1928, 1699; Wer ist wer. Lexikon österr. Zeitgenossen 1937, 379; Graf­Stuhlhofer 2000/01, 213–217. Wilmanns, August, Bibliothekar, Klass. Philologie * 25. 3. 1833 Vegesack/Weser † 27. 10. 1917 Berlin V.: Karl August W. (1803–1868), Arzt, M.: So­ phie Boeckeler (1810–1849), ev. – 1854 G Verden, WS. 1854/55–1859 altphil.­archäol. Stud. Bonn (Jahn, Ritschl), Tübingen (Vischer), Hauslehrer bei einem Industriellen nahe Kreuznach, 1863 Prom. Bonn mit einem Teil der umfangreichen Abhandlung über den lateinischen Grammatiker M. Terentius Varro (De M. Terenti Varronis libris grammaticis scripsit reliquiasque subjecit A. W., Berlin 1864), März 1864 auf ärztlichen Rat (1862 durch Lungenblutung in Lebensgefahr) nach Italien, bis 1869 als Privatgelehrter u. Hauslehrer beim preuß. Gesandten am päpstlichen Stuhl in Rom, 1870 Bibliothekar UB Freiburg, ebd. Habil. f. Klass. Philologie, 1871 ord. Prof. f. Klass. Philol. Innsbruck, SS. 1873 Kiel, SS. 1874 AUK, zugleich Oberbibliothe­ kar (Leiter) UBK (Nf. Hopf ), August 1875 in gleicher Stellung Göttingen, 1886 Generaldirektor der Kgl. Bibliothek Berlin, 1. 10. 1905 Ruhestand. – Politisch: Burschenschaft Alemannia Bonn. GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. IV; Paalzow 1943. Windheim, Ludwig von, Oberpräsident, Kurator * 27. 6. 1852 Gr. Oschersleben/Sa. † 15. 1. 1935 Königsberg V.: Friedrich Karl Hermann v. W. (1812–1871), Ober­ amtmann, M.: Marie Meyer, ev. – Jur. Studium Mün­ chen, Göttingen, FWU, 1879–1883 Gerichtsref., 1883 Reg.assessor Königsberg, 1886–1894 Landrat Ragnit/ Ostpr., 1895 Polizei­Präsident Berlin, 1/1903 Reg.Präs. Frankfurt/O., 9/1903 Oberpräsid. Hessen­Nassau, 5. 8. 1907–30. 9. 1914 Oberpräsid. Ostpreußen, Ku­ rator AUK; abgelöst, da Hindenburg und Ludendorff ihm Versäumnisse bei der Räumung der von russ. Inva­ soren bedrohten ostpr. Grenzkreise u. Versagen bei der Evakuierung der Zivilbevölkerung anlasteten. 1914– 1917 Oberpräsid. Hannover; im Ruhestand seit 1921 im Kr. Wehlau u. Königsberg. – 1913 Dr. jur. h. c. und 1914 Dr. theol. h. c. AUK. – Major d. R. – oo um

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1887 Klara v. Gottberg, mindestens 1 T Maria oo 1910 → W. v. Gayl. KUK 1908 (P); Chronik AUK 1912–1914; APB 810; Hauf 1980, 29 f. Winter, Georg, Medizin, Gynäkologie * 22. 6. 1856 Rostock † 13. 3. 1946 Baden­Baden V.: Georg W., Kaufmann, M.: Marie Ernesti, ev. – G Rostock 1875, med. Stud. Rostock, Heidelberg, 1880–1883 Assistent Med. Klinik (N. Friedreich) ebd., 1883/84 Schiffsarzt (Niederländ. Indien/Cey­ lon), 1. 4. 1884 Assistent Univ. Frauenklinik FWU (K. Schroeder, Olshausen), 1887 Habil. f. Gynäk. u. Geburtshilfe, 1891 ao. Prof., 1897 ord. Prof. f. Gyn. u. Geburtshilfe u. Direktor Univ. Frauenklinik AUK (Nf. Dohrn), 1912/13 Prorektor, 1924 em. – Seit 1900 engagiert in der Bekämpfung des Gebärmutterkrebses in Ostpreußen, Initiator von Aufklärungskampagnen über die Provinz hinaus, 1901 Begründer der Nord­ ostdeutschen Gesellschaft für Gynäkologie, militanter, demographisch argumentierender Publizist gegen die „Abtreibungsseuche“. – oo 1890 Maria Trittenwein, gen. Ortwin, Schauspielerin, Vortragskünstlerin, 4 K (1891–1896). GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 20, Bd. X, 4, 10 f.; Sachs 1910; KUK 1912/13 (P); Winter 1944; APB 813 f.; Scholz/Schroeder 1970, 84–86. Wittich, Wilhelm von, Medizin, Physiologie * 21. 9. 1821 Königsberg † 22. 11. 1884 ebd. V.: General d. Infanterie (1772–1831), M.: Christiane v. Redern (gest. ca. 1843), ev. – FC, 1841 G Brauns­ berg, med. Stud. Halle, AUK, 20. 8. 1845 Prom.: Ob­ servationes quaedam de arnearum ex ovo evolutione, 1845–1850 prakt. Arzt Königsberg, 10. 9. 1850 Habil. f. allg., vergl. u. path. Histologie AUK bei Helmholtz: De Hymenogonia albuminis; 19. 10. 1854 nb. ao. Prof. mit Gehalt, 1856 b. ao. Prof. ebd., 3. 7. 1857 ord. Prof. f. Physiologie u. Direktor Physiol. Inst. ebd. (Nf. Helmholtz), Habil.programm: Experimenta quaedam ad Halleri doctrinam de musculorum irritabilitate propandam instituta (über das von Weber entdeckte Phänomen, daß Muskeln durch Wasserinjektion in die Muskelfasern in Krämpfe verfallen, Nachweis der eigenen Irritabilität der Muskelfaser), 1864 Prorektor, 1878 Übernahme des neuen Physiol. Instituts, 1882 Lehrtätigkeit infolge Krankheit eingestellt, Juli 1884 Amtsverzicht nach Schlaganfall. – Anatomische Ar­ beitsperiode von 1848 bis 1863 (bes. Arbeiten zum Auge), daneben erste Arbeiten zur Nervenphysiologie (Leitungsgeschwindigkeit in den Nerven), Sinnes­ physiologie, Kreislauflehre (pro Brückes These von

der Selbststeuerung des Herzens), zum Ursprung der Atembewegung, Bewegungsphysiologie (u. a. des Bla­ senmuskels), Einfluß der Nerven auf die Absonde­ rungsorgane (Nieren), Fragen der Aufsaugung und Ernährung (Fettabsorption). – 1851 zs. mit Helmholtz Mitbegründer des Vereins für wiss. Heilkunde Königs­ berg, Mitglied PhÖG, Ostpr. Fischereiverein; 1879 GMR. – Politisch: 1842 in der liberaldemokratisch ori­ entierten Verbindung Hochhemia, dann Austritt und Zusammenschluß mit Dissidenten (u. a. v. Keudell, Hobrecht, L. Friedländer) zur Verbindung Borussia. – Militär: 1847/48 Wehrdienst 1. IR Königsberg. – oo 1847 Sophie Hartung, Tochter des Hofdruckers in Königsberg, 1 S, 2 T. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. I, 21–23; Rep. 89, Nr. 21660, 99–101; Hermann 1885; Weisfert 251; BLÄ V, 974 f.; APB 818; DBE 10, 548 f. Woischwill, Martin, UBK * 9. 4. 1888 Tilsit † 28. 2. 1915 Lazarett Kolno/Russ. Polen 1911/12 Praktikant UBK, 1. 6. 1913–30. 11. 1913 Bi­ bliothekssekretär auf Probe, dann fest angestellt. – Mi­ litär: Kriegsfreiwilliger, Lt. im II. Bat. Ersatz­Regiment Königsberg, beim Sturm auf Lomscha im Februar 1915 schwer verwundet und an den Folgen gestorben. EK II. – oo Gertrud Harmann (1892) aus Königsberg. GStA , Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. V. Wollenberg, Ernst, Universitätsrichter * nicht ermittelt † nicht ermittelt 1. 1. 1903–1913 Universitätsrichter AUK (Nf. G. Meyer). – oo N. N., mindestens 1 S Albrecht (1889). Wolzendorff, Kurt, Staats­, Verwaltungs­ u. Völker­ recht * 12. 4. 1882 Nassau/Lahn † 21. 3. 1921 Halle V.: Gustav W., Arzt, Stabsarzt a. D., ev. – 1900 G Wiesbaden, jur. Studium Lausanne, München, Mar­ burg, 11/1903 StE OLG Kassel, Referendariat mehr­ fach unterbrochen durch Urlaub zu wissenschaftlichen Studien, 1905/06 Staatsw. Seminar Heidelberg bei G. Jellinek (sowie bei Anschütz u. Fleiner), auf des­ sen Veranlassung Ausscheiden aus dem Justizdienst im Herbst 1906, Studien in Paris (frz. Verwaltungsrecht), Marburg (bei Schücking), Prom. ebd. 22. 5. 1905: Die Grenzen der Polizeigewalt I + II (R.: Schücking), 1910 Wiedereintritt in den Justizdienst, 11/1912 Gerichts­ assessor StA Wiesbaden, 30. 4. 1913 Habil. Marburg: Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Wider­ standrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt. Zugleich ein Beitrag zur Entwick­

Catalogus Professorum lungsgeschichte des modernen Staatsgedankens (un­ ter diesem Titel: Breslau 1916), Juni 1914 venia auf Völkerrecht erweitert, ein gleichzeitig von der Fakultät beantragter Lehrauftrag für Kolonialrecht abgelehnt, SS. 1917 b. ao. Prof. AUK (Nf. Fleischmann), 1918 Veröffentlichung des zweiten Hauptwerkes: Der Poli­ zeigedanke des modernen Staates (G. Jellinek gewid­ met), SS. 1919 oö. Prof. Halle (Nf. Loening). Schüler von Georg Jellinek u. Walther Schücking. – Politisch: 1915 Unterzeichner Delbrück­Adresse (PrJb 162, 176– 172), Sekretär Schückings (Mitbevollmächtigter bei den Friedensverhandlungen in Versailles, W. Mitverfas­ ser der Mantelnote zu den „Bemerkungen der Deut­ schen Friedensdelegation zu den Friedensbedingungen“ v. 29. 5. 1919). Vertreter einer liberalen, naturrechtlich fundierten Staatsauffassung (Kraus), Abhängigkeit von O. v. Gierke und dessen Genossenschaftsgedanken, in den Werken nach 1914 gerät die Genossenschaftsidee zur „Zwangsvorstellung“ (Stier­Somlo). – Militär: Als untauglich ausgemustert. – oo vor 1917 N. N., kinder­ los. GStA, Rep. 76Va, Sek. 12, Tit. IV, Nr. 10, Bd. I, 218–220 (Habil.), 225–229 (betr. Völkerrecht u. Ko­ lonialrecht); Kraus 1921; Stier­Somlo 1921. Wrede, Ludwig, Medizin, Chirurgie * 7. 9. 1875 Berlin † nicht ermittelt V.: Dr. Ludwig W., Rentier, früher Rittergutsbesitzer., ev. – 1894 G Berlin., med. Stud. Freiburg, Würzburg, FWU (v. Bergmann, Olshausen), 31. 1. 1899 ebd. Prom., StE, 15. 4. 1900 Approb., weitere ärztl. Aus­ bildung Göttingen, Path. Institut (Orth), Bakt. Inst. (v. Esmarch), 1. 10. 1901 Assist. StädtKHS Altona (Fr. König), 1. 4. 1903 Volont. assist. Chir. Univ. Kl. FWU (v. Bergmann), 1. 4. 1904 I. Assist. Chir. Abt. Augusta Hospital Berlin (Fedor Krause), 1. 11. 1905 Assist. Chir. Univ. Klinik AUK (Lexer), 11. 7. 1906 Ha­ bil. f. Chirurgie., AV: Ueber Aktinomykose in chirur­ gischer Beziehung, 1. 12. 1909 OA, 2. 4. 1910 nb. ao. Prof. – Militär: 1900/01 Wehrdienst, OA d. R. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 24, Bd. II, 154 f. Wreszinski, Walter, Ägyptologie * 18. 3. 1880 Mogolino/Rußland † 9. 4. 1935 Königsberg V.: Joseph W., Kaufmann, jüd. – 1883 vermutlich in­ folge von Pogromen ausgewandert nach Berlin, 1898 Leibniz G ebd., philol.­semitist.­ägyptol. Studium Leip­ zig, FWU, gefördert von Erman, Mitarbeit am Ägypt. Wörterbuch PrAkW, 1904 Prom.: Die Hohenpriester des Amon (aus der Geschichte der Amonpriester­ schaft); fortan Hinwendung zur Medizingeschichte Alt­

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Ägyptens, dazu auch Habil. f. ägypt. u. kopt. Sprache, ägypt. Geschichte, Kultur u. Kunst AUK 29. 7. 1909: Die Medizin der alten Ägypter (1909–1913), PV: Alt­ ägyptische Geschichtsquellen und ihre Benutzung, AV 28. 7. 1909: Über den Papyrus Hurwis I.; 1907/08 Grabungsexpedition DtOrientGesell. Abusir, Freile­ gung des Tempels von Sahwe, Bearb. des V. Textbandes zu Lepsius ‚Denkmäler aus Ägypten u Äthiopien‘ (1913), 1911, 1912/13 Ägypten­Expedition, Beginn der Arbeit an einem ‚Atlas zur altägyptischen Kultur­ geschichte‘ (3 Bde., 1915–1935), 1916 nb. ao. Prof., 1928 b. ao. Prof./pers. Ord. – Politisch: SS. 1933 ent­ lassen gem. § 3 BBG, da „100% Prozent Jude“ „vor­ läufig beurlaubt“, lt. REM­Erlaß Juli 1934 Extraord. von AUK zum 1. 10. 1934 nach Göttingen verlegt und Wres. übertragen (kw.), nicht ausgefertigter Erlaß Juli 1934: pl. Extraord. nach Gött. § 5 BBG, 26. 9. 1934 Versetzung in den Ruhestand § 6 BBG. – Mitglied des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glau­ bens. – oo 1909 Leonore Oppler (1888–nach 1941 in Brasilien), 1 T Ruth (1938 verheiratet in Bartenstein), 1 S Peter (1915), ausgewandert 1936 nach Petropo­ lis/Brasilien. BABL, R 49.01, Nr. 10093; GStA, Rep. 76Va, Nr. 10334, 246, 255, 327; KAZ v. 10. 4. 1935 (Todes­ anzeige); Steindorff 1935; APB 1539; Kabus 106 (P). Wünsch, Richard, Klassische Philologie * 1. 6. 1869 Wiesbaden † gefallen 17. 5. 1915 Osiny/Russ. Polen V.: Karl W. (gest. 1884), Amtsrichter, M.: Hermine Rö­ mer (gest. 1871), ev. – 1887 G Wetzlar, philol.­german. Stud. Marburg, FWU, Bonn, Schüler von Wissowa, Dieterich, Usener. 24. 11. 1892 Prom. Marburg: De Tacite Germaniae codicibus Germanicis, 1893–1895 Studienreisen nach Frankreich, Italien, Griechenland, 1895 Studien in Göttingen, weitere Forschungsreisen nach Spanien, Italien, z.T. i. A. PrAkW, Mitarbeit an Pauly­Wissowa, Juli 1898 Habil. f. Klass. Philologie Breslau: Prolegomena Ioannis Laurentii Lydi librum de mensibus denuo edendum, PV: Über die solonischen Gedichte, AV: Über die Bedeutung des Fluches im an­ tiken Leben, 1902 oö. Prof. f. Klass. Philologie Gie­ ßen, WS. 1906/07 AUK (Nf. Heinze), 1913/14 zum Prorektor gewählt, SS. 1913 Münster. – Religionsge­ schichte des Altertums, Mit­Hg. Archiv für Religions­ wissenschaft. u. Hg. der Schriftenreihe Religionswissen­ schaftliche Versuche und Vorarbeiten. – 1912 Dr. h. c. Universität Athen. – Militär: 1887/88 Wehrdienst, 1914/15 Hpt. d. R., Bataillonschef an der Ostfront. – oo 1899 Lisbeth Stübel (Cousine, aus sächsischer Ju­ ristenfamilie), 1 T, 3 S.

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GStA, Rep. 76Va, Sek. 4, Tit. IV, Nr. 41, Bd. IV, 296–298 (Habil.); [Wünsch] 1915; Kroll 1916 (Bibl.); APB 828. Zachariae, Theodor, Sanskrit, Indologie * 3. 2. 1851 Großkmehlen/Sachsen † 5. 5. 1934 Halle V.: Eduard Z. (1812–1894), 1836–1844 PD u. ao. Prof. Röm. Recht Heidelberg, danach Privatier u. Gutsbesitzer, M.: Henrietta Carolina Louisa Mun­ cke (1820–), ev. – 1870 Schulpforta, Studium klass. Philologie, Sanskrit Leipzig, Göttingen, Prom. ebd., 14. 11. 1874: De dictione Babriana, 1876–1879 Studi­ enaufenthalt Oxford (Bodleian Libr.), London (British Museum, Indian Office), Habil. f. Sanskrit 29. 10. 1879 Greifswald: Citate in Kramadicvaras Samkshiptasara: Indische Grammatiker, Lexikographen und Kunstdich­ ter; WS. 1885/86–SS. 1887 Vertretung Garbe AUK, SS. 1890 b. ao. Prof. Halle (Nf. Geldner), 1895 primo loco auf der Königsberger Fakultätsliste für die Nf. Garbe. – 1883: Beiträge zur indischen Lexikographie, 1897: Die indischen Wörterbücher, in: Grundriß der indo­arischen Philologie. 1920: Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturge­ schichte, zur vergleichenden Volkskunde (ND 1989), 1977: Opera minora. Zur indischen Wortforschung, zur Geschichte der indischen Literatur und Kultur, zur Geschichte der Sanskritphilologie, 2 Tle., Wiesbaden (=Glasenapp­Stiftung; 12/1–2). Chronik Halle 1890/91, 12 f.; Vademecum 239 f.; C. Vogel: Zachariae 1977, V–XIII (Bibl.); Stache­Ro­ sen 115 f. (P). Zaddach, Ernst Gustav, Zoologie * 7. 6. 1817 Danzig † 5. 6. 1881 Königsberg V.: Carl Friedrich Z, Kaufmann, M.: Paulina Pobow­ ski, ev. – 1836 G Danzig, naturw.­math., philos.­hist. Stud. FWU (Ranke, Trendelenburg, Mitscherlich, Dirichlet, Dove, Seebeck), Bonn (Noeggerath, Gold­ fuß, Treviranus, Bischof, Plücker), 1841 Prom.: De Apodis Cancriformis Schaeff. Anatome et Historia evolutionis (gewidmet seinem Vater u. dem Doktor­ vater Georg August Goldfuß, behandelt anatomisch das Muskelsystem, Kreislauf, Verdauung und schließt mit vgl. Betrachtung des Kreislaufs der Crustaceen), 11. 12. 1844 Habil. AUK: Synopseos crustaceorum Prussicorum Prodromus. 1844 Gründer des Vereins für die Fauna der Provinz Preußen. 1841–1853 Lehrer f. Naturgeschichte FC, 1853 nb. ao. Prof., 1864 ord. Prof. f. Zoologie u. vgl. Anatomie, Direktor Zool. Mu­ seum, AV/Habil.: Palaeogrammari Sambiensis. Crusta­ cei ex ordine amptipodum, succine inclusi descriptio.

Hauptwerke: Untersuchungen über die Entwickelung und den Bau der Gliederthiere Tl. 1 (1854), Beobach­ tungen über die Arten der Blatt­ und Holzwespen (3 Tle., 1862–1865), daneben geologische Erforschung des Samlandes. – oo N. N., geb. Isenbart, Nichte des Königsberger Botanikers Ernst Meyer (1791–1851). Albrecht 1881; Prutz 1894, 274; Weisfert 253; Harms 1924; APB 831. Zander, Richard, Medizin, Anatomie * 18. 7. 1855 Königsberg † 10. 1918 ebd. V.: Franz Z., Bahnbeamter, M.: Emilie Walter, ev. – KneipG 1876, med. Stud. AUK, Schüler Kupffers, 9. 2. 1881 Prom.: Experimentelles zur Entscheidung der Frage über den Zusammenhang von chronischer diffuser Nephritis und Hypertrophie des linken Ven­ trikels, 1. 10. 1880 Assist., 1882 Prosek. Anatom. Inst. AUK, 28. 3. 1884 Habil. f. Anatomie, vgl. Anatomie, Histologie u. Embryologie, AV: Ueber die Zelltheilung, 1892 nb. ao. Prof., Lehrer für Anatomie Kunstakademie Königsberg, 1912 ord. Hon. Prof.. – Mehrere populäre Publ. über Leibesübungen, Sport und Gesundheit, u. a. auch in der Zs. f. Turnen u. Jugendspiele, Jb. f. Volks­ u. Jugendspiele, Vortragsredner in der Königsberger OG des Monistenbundes. – oo 1883 Margarete Köhler, mindestens 3 S, darunter Paul (1884), Dr. med. AUK 1908 und Hans (1885), Dr. phil. AUK 1920 mit einer agrarwiss. Diss. bei Mitscherlich. Weisfert 254; Pagel 1889 f.; APB 834. Zangemeister, Wilhelm, Medizin, Gynäkologie, Ge­ burtshilfe * 7. 4. 1871 Gotha † 3. 2. 1930 Königsberg V.: Karl Z. (1837–1902), Bibliothekar, Direktor UB u. ord. Prof. f. Klass. Phil. Heidelberg, M.: Therese Hopf (1845–1906), ev. – HG Heidelberg 1889, med. Stud. Heidelberg, Göttingen, Berlin, StE u. Prom. Heidelberg 28. 10. 1895: Über Sarkome des Ovari­ ums, 1896/97 Assist. Chirg. Klinik ebd., 1897–1900 Univ. Frauenklinik FWU (Olshausen, Bekanntschaft mit G. Winter), 1900 Schiffsarzt Norddt. Lloyd (USA, Japan), 1900–1903 Assist. Univ. Frauenklinik Leipzig (Zweifel), 1903–1907 Univ.­Frauenklinik AUK (Win­ ter), 23. 6. 1904 Habil. f. Gynäkologie u. Geburtshilfe ebd., AV: Ueber allgemeine Indicationsstellung in der Geburtshilfe, 14. 2. 1908 Tit. Prof. beantragt, da ver­ dienstvolle Forschung über Heilserum gegen Kind­ bettfieber, Anwendung physik.­chem. Gesetze auf prakt. Medizin, Aufklärung des Zusammenhangs zw. Blasen­ u. Genitalkrankheiten, Mitbegründer der gy­ näk. Cystoskopie. Bis 1910 auch gynäk. Privatpraxis in Königsberg. WS. 1910/11 oö. Prof. Marburg, 1918/19

Catalogus Professorum Dekan, SS. 1925 AUK (Nf. Winter). – Begann bei Winter mit Untersuchungen über die Keime des Puer­ peralfiebers, Probleme der Selbstinfektion, Immunität und Heilung, 1906 ‚Atlas der Cystoskopie des Weibes‘, 1912 Tafeln zur Altersbestimmung der Frucht, in Marburg Studien zur Behandlung des engen Beckens, Störung der Nierentätigkeit in der Schwangerschaft, 1917 Mitarbeit an Döderleins Handbuch der Geburts­ hilfe, Erg. Bd.; 1927: ‚Lehrbuch der Geburtshilfe‘; seit 1927 fast ausschließlich serologische Studien auf der Suche nach einer „konstitutionellen Individualität des Blutes“. 1929 Vortragsreise Griechenland. – Politisch: Nach 1918 DNVP. – oo Maria Kramer, 6 K, darunter 1 T Annemarie Z. (1920) , Segelfliegerin. BABL, R 4901/1879; GStA …, Nr. 24, Bd. II, 97, 238–240; Rep. 76Va, 10334, 240; Winter 1930; APB 834 f. Ziesemer, Walther, Deutsche Philologie, Dialektfor­ schung * 7. 6. 1882 Löbau/Westpr. † 14. 9. 1951 Marburg V.: Johannes Z., Seminarlehrer, M.: Agnes Zschoche, ev. – G Marienburg 1900, theol., germ., hist. Stud. Leipzig, FWU, 1906 Prom. ebd.: Nicolaus von Jero­ schin und seine Quelle (R.: Roethe), 1907 StE, Schul­ dienst in Danzig, 1910/11 Marienburg, 1911 Ober­ lehrer Königsberg, 1911 Habil. f. Dt. Philologie AUK: Eine bisher unbekannte Deutschordenshandschrift, AV: Grimmelshausens Simplicius Simplicissimus, 1911 von der Dt. Kommission der PrAkW beauftragt mit der Schaffung eines Preuß. Wörterbuchs, das Z. bis 1945 beschäftigt, nur ein Band konnte vollständig er­ scheinen, das gesamte Zettel­Archiv, in die Uckermark ausgelagert, ging dort 1945 kriegsbedingt verloren. 1917 Tit. Prof. AUK, 1918–1921 nb. ao. Prof. ebd., SS. 1921 Lehrstuhlvertretung Baesecke, WS. 1921/22 b. ao. Prof./pers. Ord. f. Dt. Philologie, Dt. Volks­ kunde u. Heimatkunde des dt. Ostens AUK (Nf. Uhl), 1924 Gründer des Instituts für Heimatforschung AUK, 1933/34 u. 1939/42 Dekan, 1945–1951 LA Marburg, 1949 HonProf. ebd. – Forschungsschwerpunkte: Lite­ raturgeschichte des Deutschen Ordens, Simon Dach, ostpreußische Mundartforschung, Sprachgeschichte. – Politisch: 1933–1940 (ausgetreten!) NSLB. – Militär: 1915–1918 Kanonier in einem FAR. – oo 1909 Käthe Nowak, kinderlos. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. XXIX, 347 ff.; Nr. 25, Bd. V, 158–163; Mitzka 1952 (Bibl.), APB 840 f.; Hubatsch/Gundermann 1968 (P); Peters 1995; Tilitzki 1996; IGL III, 2099–2101.

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Zimmer, Friedrich, Theologie, NT * 22. 9. 1855 Gardelegen/Altmark † 5. 12. 1919 Gießen V.: Karl Friedrich Z., Seminarlehrer. – 1874 G Schul­ pforta, theol. Stud. Tübingen, FWU, Bonn, Prom. Dr. phil. Halle 1877: Fichtes Religionsphilosophie; Haus­ lehrer in Kölner Bankiersfamilie, 1879 Fortsetzung des Studiums FWU, 1879 1. theol. Ex., Lic. theol. Bonn 10. 3. 1880, 5. 6. 1880 Habil. f. nt. Exegese ebd.: Die Logienquelle in den Evangelien. Lehrer an einer Höh. Mädchenschule in Bonn u. PD, Umhabil. AUK 1. 1. 1883, Pfarrer in Mahnsfeld bei Königsberg, 1884 II. Pfarrer Diakonissenhaus „Zur Barmherzigkeit“ Königsberg, b. ao. Prof. f. nt. Exegese ebd. 1885, Mai 1890 Direktor Predigerseminar Herborn/Dillkreis. 1894 Mitbegründer des Vereins zur Sicherstellung von Dienstleistungen der ev. Diakonie (Ausbildung von Pfarrfrauen u. Helferinnen), 1898 Übernahme der hauptamtl. Leitung, Übersiedlung nach Berlin Zehlen­ dorf, dort seitdem die Zentrale des sog. Ev. Diakonie­ vereins.1902 Vorsitz. des Deutschen Fröbel­Verbandes. 1906 Rücktritt vom Vorsitz des Diakonievereins. 1908 Mitbegründer Kolonialfrauenschule Witzenhausen. – Dr. theol. h. c. Greifswald 1894, 1894 Dr. theol. h. c. AUK. – Politisch: Durch den Diakonieverein enge Beziehung zur bürgerlichen Frauenbewegung, 1896 Mitgründer von Friedrich Naumanns Nationalsozia­ lem Verein, Mitwirkung im Redaktionsausschuß von dessen Organ Die Hilfe, Trennung von Naumann, wg. zu großer Nähe zum parteipolitischen Liberalismus. – oo I. 12/1882 Mathilde Clausius (gest. 20. 10. 1907), Tochter des ord. Prof. f. Physik Rudolph Cl. in Bonn, 1 S (vor 1890 gest.), 2 T, oo II. 1909 Gertrud Berger. GStA, Rep. 76Va, Sek. 3, Tit. IV, Nr. 41, Bd. I, 180 (Habil.); Weisfert 255; Stölten 1933 (P); Wenig 347; Berger 2005 (Bibl.). Zimmern, Heinrich, Semitische Sprachen, Assyriolo­ gie * 4. 7. 1862 Graben/Karlsruhe † 17. 2. 1931 Leipzig V.: N. N., Pfarrer.– G Saarbrücken 1881, theol., phi­ lol. Stud. Leipzig, Delitzsch­Schüler, ebd. Prom. 1885: Babylon, Bußpsalmen umschrieben, übersetzt und erklärt. 1885 theol. Ex., Vikar, 1887 Austritt aus dem Kirchendienst, philol. Stud. Erlangen, 1888 Bibliothe­ kar Straßburg. AUK 1. 11. 1889 Habil. f. semitische Sprachen spez. Keilschriftkunde: Die Nominalbildung des Assyrischen, AV: Die Assyriologie als Hilfswissen­ schaft für das Studium des Alten Testaments und des klassischen Altertums, 1890 Umhabil. Halle, SS. 1894 b. ao. Prof. Leipzig (Nf. F. Delitzsch), AV: Die Her­ kunft des biblischen Schöpfungsberichtes, 1900 ord.

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Prof. ebd., Leiter Assyrische Abt. des 1900 gegr. Se­ mitistischen Instituts, Mitbegründer des Staatl. For­ schungsinstituts für Orientalistik (1915), 1929 em. – Vgl. semit. Sprachwissenschaft, Lexikologie der Keil­ schriftsprachen, Erforschung der babylonischen Reli­ gion, 1898: Vergleichende Grammatik der semitischen Sprachen. Elemente der Laut­ und Formenlehre, 1901: Beiträge zur Kenntnis der Babylonischen Religion, 1903: Keilschriftinschriften und Bibel nach ihrem religionsgeschichtlichen Zusammenhang. Ein Leitfa­ den zur Orientierung im sog. Babel­Bibel­Streit mit Einbeziehung auch der neutestamentlichen Probleme, 1910: Zum Streit um die „Christusmythe“. Das baby­ lonische Material in seinen Hauptpunkten dargestellt, 1912/13: Sumerische Kultlieder aus altbabylonischer Zeit. Mit A. Fischer 1903–1930 Hg. Leipziger Semiti­ stische Studien, Hg. der Schriftenreihe Ex Oriente Lux (1924–1930) sowie der Zs. f. Assyriologie und verwandte Gebiete (N. F. 1924–1931).– Mitglied SächsAkW, kor­ resp. Mitglied AkW Göttingen, 1924 Dr. theol. h. c. Halle. – oo 1896 Hilda Kühnen, Tochter eines Land­ schaftsmalers. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 25, Bd. III, 248; Landsberger 1931 (P), Weißbach 1931 (Bibl.); Oelsner 1965 (P); Hehl u. a. 2009, Bd. 4/1, 349–353 (P). Zöppritz, Karl, Geographie * 14. 4. 1838 Darmstadt † 21. 3. 1885 Königsberg V.: N. N., Fabrikant, „Großindustrieller“, ev. – 1855 G Darmstadt, 1856–1864 höhere Gewerbeschule Darm­ stadt, naturw. Stud. Heidelberg, AUK 1858–1864 (Neumann, Richelot), 1864 Heidelberg Prom. (nicht ermittelt, ungedruckt), 1865 Paris­Aufenthalt, Habil. f. Physik Tübingen Herbst 1865: Theorie der Quer­ schwingungen eines elastischen, am Ende belasteten Stabs (1866 in Wiedemanns Annalen). Als PD ma­ thematisch­physikalische Veranstaltungen abhaltend, WS. 1866/67 aber schon Vorlesung „Physikalische Geographie“ . WS. 1867/68 b. ao. Prof. f. mathem. Physik Gießen, dort zu den Tübinger Themata hin­ zutretend: Optik, Wärmetheorie, Hydrostatik u. ­dy­ namik, mathem. Theorie der elekt. Ströme, kinetische Gastheorie, Kugelfunktionen, die „Richtung auf ‚geo­ physische Probleme wird schon in diesen Gegenstän­ den bemerkbar“ (Hirschfeld), daneben Kurse im Feld­ messen für Forstwirte. Arbeiten zur lokalen Geographie u. Geologie. 1877 Hg. von Eugène de Pruyssenaeres ‚Reisen und Forschungen im Gebiete des weißen und blauen Nil‘. WS. 1880/81 ord. Prof. f. Geographie AUK (Nf. Wagner). 1885 mit F. v. Richthofen u. H. Wagner f. geogr. Lehrstuhl in Wien vorgeschlagen,

den A. Penck erhält. 1880 Übernahme des Referats Geophysik, 1882 Afrika in Wagners GeogrJb. Publika­ tionen über den inneren Zustand der Erde, Probleme der Meeresströmung, Kartographie (‚Leitfaden der Kartenentwurfslehre‘, 1884), Geophysik. – Januar 1882 Gründer u. Vorsitz. Geogr. Gesellschaft Königs­ berg. Vorträge u. a.: Erforschung Afrikas, frz. Kolonien, dt. Schutzgebiete Kamerun, Togo. Dt. Südwestafrika. 1884 Mitbegründer der Dt. Meteorologischen Gesell­ schaft. – Politisch: Nach Weisfert, ohne Parteiangabe: Stadtverordneter. – oo N. N. Will, Tochter des Gieße­ ner Prof. f. Chemie Heinrich W., mindestens 1 S, Heinrich (1876–um 1950), ao. Prof. Chirurgie Kiel, 1923–1947 Lt. Arzt StädtKHS Itzehoe. Wagner 1885; Hirschfeld 1885; Weisfert 256; ADB 45, 434–437; APB 847 f.; Engelmann 1983, 88–90. Zorn, Philipp, Rechtswissenschaft, Staats­, Verwal­ tungs­ u Kirchenrecht * 13. 1. 1850 Bayreuth † 4. 1. 1928 Ansbach V.: Johannes Z., Pastor, M.: Anna Margaretha Johanna Held, ev.­ref. – 1868 HG Ansbach, jur. Stud. Leipzig, München, Prom. 1872 ebd.: Das Beweisverfahren nach langobardischem Rechte (bei Konrad Maurer), 1875 Habil. f. Staats­ u. Kirchenrecht ebd.: Staat und Kirche in Norwegen bis zum Ende des 13. Jahrhun­ derts, b. ao. Prof. Bern 1875, ord. Prof. ebd. 1877, ord. Prof. f. Staats­, Verwaltungs­, Kirchen­ u. Völker­ recht AUK WS. 1877/78, 1886/87 Prorektor, Bonn WS. 1900/01, Rektor 1910, zum Ende SS. 1914 wg. Krankheit auf eigenen Wunsch vorzeitig em. – Hauptwerke: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches (2 Bde., 1880–1883; 2. Aufl. 1894–1897), Lehrbuch des Kirchenrechts (1888), seine Königsberger Festre­ den usw. gesammelt 1902: Im Neuen Reich, 1911: Das Deutsch Reich und die internationale Schieds­ gerichtsbarkeit. – 1887 RA IV, 1893 aus Anlaß des 150. Gründungsjubiläums der KglDG: KrO III, 1894 GJR, 1883 Gemeindekirchenrat, 1887 Mitglied der ostpr. Provinzialsynode, 1893–1900 Präses General­ synode (nachdem er sich durch sein „reges kirchliches Interesse das Vertrauen der positiv gesinnten Kreise in Ostpreußen“ erworben hatte, wie es in Vorschlag, Z. zum GJR zu ernennen, 1894 heißt), Präsident KglDG, gehörte nach 1908 dem europäischen Exekutivkomi­ tee der Carnegie­Stiftung an. – Politisch: 1867 Corps Isaria; als Wahl­ und Festredner, Pamphletist und Hochschulpolitiker im Sinne der Freikonservativen engagiert, entschiedener Bismarckianer, 1888 erfolg­ lose Kandidatur für das Preuß. Abgeordnetenhaus als Kandidat der Konservativen Partei für den Wahlkreis Königsberg­Fischhausen, lt. GJR­Vorschlag 1894 „eine der Hauptstützen der gemäßigten konservativen Partei

Catalogus Professorum der Provinz“, 1905 Mitglied des Preuß. Herrenhauses als Vertreter der Universität Bonn, Kron­Syndikus, 1899 u. 1907 wissenschaftl. Delegierter des Reiches auf den Inter. Friedenskonferenzen in Den Haag. – oo1875 Maria Kayser, Tochter eines Bankiers aus München, 1 T Johanna oo → A. Benrath, 3 S, darunter Albert (1876–), Dr. iur AUK 1902, Konrad (1882–nach 1958), Kolonialbeamter, Landrat in Ostpreußen, Ver­ waltungsgerichtsdirektor München. BAK, Nl. Zorn; GStA, Rep. 89, Nr. 21661; 76, 116 ff.; ebd., VI. HA, Nl. Althoff, B 205, Mappen I– III (260 Briefe an Althoff 1883–1908); Weisfert 256 f.; Zorn 1924 (P); Ders. 1927 (Autobiogr); Pohl 1928; Wenig 348; L. Müller 1988, 215–217; BBKL XIV, 554–558; J. Schmidt 2001.

Nachträge Doebbelin, Carl, Zahnheilkunde * ca. 1865 † nach 1918 V.: Carl Ernst D., Zahnarzt in Königsberg (geb. ca. 1840), M.: geb. Dous, ev. – Zahnmed. Studium FWU, Famulus Abt. für Zahnfüllungen Zahnärztl. Institut ebd. (Busch), StE Ende 1888, 1889/90 zur weiteren Ausbildung in den USA, 1892 Zahnarzt in Halle, Mitglied der zahnärzt. Prüfungskommission, zum WS. 1892/93 Lektor für Zahnheilkunde AUK, zs. mit dem PD → Georg Stetter Eröffnung einer staatlich gering subventionierten Zahnklinik als Univ.­Institut, 1893 Trennung von Stetter, 21. 9. 1903 Tit. Prof. ebd., Februar 1918 mit sofortiger Kündigung dem Antrag der MedFak. zuvorgekommen, ihm das Lektorat zu entziehen, weil D. „seit Jahren“ Lehrverpflichtungen vernachlässige, „wissenschaftlich durchaus untätig“ ge­ wesen sei und auch technisch nicht mehr auf der Höhe eines Universitätslehrers stehe, da er moderne Behand­ lungsmethoden nicht beherrsche. Darunter leide die ganze Zahnärzteschaft Ostpreußens, mit deren Stan­ desvertretern D. sich in „erbitterte Fehden“ verwickelt habe. – 1 Bruder Paul Ferdinand Karl D. (geb. 1867), 1889 G Insterburg, med. Stud. München, AUK, Prom. ebd. Mai 1895 über Acromegalie bei Lichtheim. GStA, Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. X, Nr. 55, Bd. I, 32, 82, 96,191, 239–246; Chronik AUK 1892/93– 1915/16; vita Diss. Paul D.; Weisfert 47 (verwechselt Dr. med Paul mit dem Lektor Carl D.).

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Kemke, Johannes, Bibliothekar UBK * 20. 1. 1863 Königsberg † 20. 10. 1918 ebd. V.: Eduard K., M.: Natalie Skrzeczka, ev. – 1880 KneipG, altphil., archäol. Studium AUK, Bonn (bes. Bücheler, R. Kekulé), ebd. Prom. 1884: Philodemi de musica librorum quae extant praeter liber IV (ed.), 1. 10. 1888 Volontär Universitätsbibliothek Göttin­ gen, 1. 10. 1891 Hilfsarb. KBB, 1. 7. 1894 Hilfsbibl. ebd., 1. 4. 1898 Bibliothekar, 1. 4. 1901 UB Göttin­ gen, 17. 3. 1908 UB Kiel, 15. 7. 1908 Tit. Oberbibl., 1. 1. 1915 UBK, Oberbibliothekar u. Stellvertreter des Direktors (Nf. O. Schultz). GStA, Rep. 76Vd, Sek. 14, Nr. 2, Bd. VIII; vita Diss.; Bader 1925, 124; Volbehr/Weyl 262. Rosenhain, Johann Georg, Mathematik * 10. 6. 1816 Königsberg † 14. 3. 1887 Berlin V.: Samuel Nathan R.(?), M.: Josephine Röschen, jüd.. – FC 1834, math. Studium AUK, 1844 Habil. f. Ma­ thematik Breslau mit Arbeit über Abelsches Theorem, 1846 großer mathematischer Preis der Pariser Akade­ mie für Ausbau der Lehre von den Abelschen Transcen­ denten, 1848 Aufgabe der Breslauer Privatdozentur nach Parteinahme für Reformbewegung von 1848, in „extreme polit[ische] Kreise gezogen“ (Weisfert), 1851 erneute Habil. Wien: Sur les fonctions de deux variables …, WS. 1856/57 ao. Prof. AUK, 1859 Be­ urlaubung zur Bearbeitung des Nachlasses seines Leh­ rers C. G. Jacobi. 1883 krankheitsbedingt beurlaubt, Übersiedlung nach Berlin; bereits nach seiner Berufung Forschungstätigkeit eingestellt und fast nichts mehr publiziert, nach 1871 häufiger wegen Krankheit Lehr­ tätigkeit unterbrochen. GStA, Rep. 89, Nr. 21659, 82 f. (wg. polit. Engage­ ments 1848); ebd., Rep. 76Va, Sek. 11, Tit. IV, Nr. 21, Bd. X, 50 f.; Chronik, 1886/87, 6; Weisfert 191; ADB XXIX, 209; APB 570.

Quellen- und Literaturverzeichnis

A.

Archivalische Quellen

1a.

Bundesarchiv (BABL)

Berlin

Lichterfelde

R 2 Pers. (ehemaliger Bestand Berlin Document Center) R 4901 Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Nr. 1885 Augenklinik AUK Nr. 1888 Landw. Institute AUK Nr. 10.000–10.023 (alte Signatur): Hoch­ schullehrerkartei

1b.

Bundesarchiv Koblenz (BAK)

Nl. Erich Seeberg; Nl. Reinhold Seeberg; Nl. Philipp Zorn

2.

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin Dahlem (GStA)

Nr. 84 Beiheft A Presseartikel zum Auslandsstudium 1916–1918 Beiheft B Stellungnahmen der Fakultäten 7/1917–1/1919 Sek. 2 Friedrich­Wilhelms­Universität Berlin Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 45 Professoren Jur. Fakultät Bd. II–VIII: 1861–1906 Nr. 48 Privatdozenten Theol. Fakultät Bd. I: 1845–1913 Nr. 49 Privatdozenten Jur. Fakultät Bd. II: 1864 –1898 Nr. 50 Privatdozenten Med. Fakultät Bd. IV–XIII: 1886–1918 Nr. 51 Privatdozenten Phil. Fakultät Bd. VIII–XVII: 1887–1920 Nr. 61 Ao. u. ord. Professoren der Phil. Fakultät Bd. I–XXIV: 1886–1916

Rep. 76 Preuß. Ministerium für die geistlichen, Medizinal- u. Unterrichts-Angelegenheiten (Kultusministerium) Rep. 76Va Universitäten und Hochschulen

Sek. 3 Rhein. Fried.­Wilhelms Universität Bonn Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 41 Privatdozenten Theol. Fakultät Bd. I: 1847–1926 Nr. 43 Privatdozenten Jur. Fakultät Bd. I: 1847–1913 Nr. 45 Privatdozenten Phil. Fakultät Bd. VII–XI: 1890–1914

Sek. 1 Generalia Tit. VII Dauer der Universitätsstudien, Studienpläne u. a. Nr. 31 Begründung von Lehrstühlen für jüd. Litera­ tur und Geschichte 1870–1922 Nr. 76 B Staatswissenschaftliche Vereinigung Königs­ berg 1912–1930 Nr. 84 Auslandsstudium auf den Universitäten Bd. I: 1916–1918

Sek. 4 Schles. Friedr.­Wilhelms­Universität Breslau Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 32 Professoren Theol. Fakultät Bd. V: 1892–1901 Nr. 37 Privatdozenten Theol. Fakultät Bd. I: 1847–1934 Nr. 39 Privatdozenten Jur. Fak. Bd. II: 1896–1932

I. Hauptabteilung

652

Anhang

Nr. 41 Privatdozenten Phil. Fak. Bd. II–V: 1854–1907 Sek. 5 Universität Frankfurt Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 5 Ao. u. ord. Prof. Naturwiss. Fakultät Bd. I–II: 1914–1924 Sek. 6 Georg­August­Universität Göttingen Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 4 Privatdozenten Phil. Fakultät Bd. II–IV: 1875–1908 Nr. 11 Privatdozenten Med. Fakultät Bd. I: 1867–1905 Sek. 7 Universität Greifswald Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 19 Ao. u. ord. Professoren der Theol. Fakultät Bd. VI–VII: 1889–1905 Nr. 21 Ao. u. ord. Professoren Med. Fakultät Adhib 1, Bd. I–III Nr. 23 Privatdozenten Theol. Fakultät Bd. I: 1846–1916 Nr. 25 Privatdozenten Med. Fakultät Bd. II: 1867–1901 Nr. 26 Privatdozenten Phil. Fakultät Bd. III–IV: 1895–1927 Sek. 8 Vereinigte Friedrichs­Universität Halle­ Wittenberg Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 35 Privatdozenten Theol. Fakultät Bd. I: 1845–1896 Nr. 36 Privatdozenten Jur. Fakultät Bd. II: 1862–1914 Nr. 38 Privatdozenten Phil. Fakultät Bd. V–VI: 1868–1882 Sek. 9 Christian­Albrechts­Universität Kiel Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 4. Ao. u. ord. Professoren der Jur. Fakultät Bd. II–III: 1872–1916 Nr. 9 Ao. u. ord. Professoren der Theol. Fakultät Bd. III: 1892–1905 Nr. 11 Privatdozenten Jur. Fakultät Bd. I: 1868–1934

Tit. X Institute Nr. 39A Institut für Weltwirtschaft Kiel, Bd. II: 1917–1923 Sekt. 11 Albertus­Universität Königsberg Tit. I Allgemeine Universitäs­Angelegenheiten Nr. 3 Statuten, Satzungen, Bd. IV: 1890–1929 Nr. 7 Allgemeine Angelegenheiten, Bd. I: 1830–1905, Bd. II: 1905–1926 Tit. II Kuratorium Nr. 2 Anstellung u. Besoldung des Kurators u. Universitätsrichters, Bd. VI: 1901–1929 Tit. III Rektorats­, Senats­, Dekanats­ und Fakultäts­ Sachen Nr. 1 Rektorat, Prorektorat, Dekane, Bd. II: 1862–1924 Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten, auch Habilitationen Nr. 11 Außerord. Remunerationen an Dozenten, Bd. VI: 1910–1915, Bd. VII: 1915–1924 Nr. 18 Ao. u. ord. Professoren der Theol. Fakultät Bd. II: 1855–1963, Bd. III: 1864–1869, Bd. IV: 1870–1890, Bd. V: 1890–1901, Bd. VI: 1901–1919 Nr. 19 Ao. u. ord. Professoren der Jur. Fakultät Bd. II: 1855–1861, Bd. III: 1861–1865, Bd. IV: 1873–1899, Bd. V: 1899–1905, Bd. VI: 1905–1913, VII: 1914–1922 Nr. 20 Ao. u. ord. Professoren der Med. Fakultät Bd. III: 1861–1865, Bd. IV: 1866–1871, Bd. V: 1871–1875, Bd. VI: 1875–1883, Bd. VII: 1883–1887, Bd. VIII: 1887–1889, Bd. IX: 1890–1897, Bd. X: 1897–1904, Bd. XI: 1904–1911, Bd. XIII: 1916–1925 Nr. 21 Ao. u. ord. Professoren der Phil. Fakultät Bd. III: 1854–1857, Bd. IV: 1858–1861, Bd. V: 1861–1864, Bd. VI: 1865–1867, Bd. VII: 1867–1870, Bd. VIII: 1870–1873, Bd. IX: 1873–1875, Bd. X: 1875–1877, Bd. XI: 1877 – 1880, Bd. XIII: 1883–1885, Bd. XIV: 1885–1887, Bd. XV: 1887–1890, Bd. XVI: 1890–1892, Bd. XVII: 1892–1894, Bd. XVIII: 1894–1895, Bd. XIX: 1895– 1897, Bd. XX: 1898–1900, Bd. XXIII: 1904–1906, Bd. XXIV: 1906–1908, Bd. XXV: 1908–1911, Bd. XXVI: 1911– 1913, Bd. XXVII: 1913–1918, Bd. XXVIII: 1918–1920 Nr. 22 Privatdozenten Theol. Fakultät Bd. I: 1844–1934

Quellen­ und Literaturverzeichnis Nr. 23 Privatdozenten Jur. Fakultät Bd. I: 1844–1929 Nr. 24 Privatdozenten Med. Fakultät Bd. I: 1844–1901, Bd. II: 1901–1910, Bd. III: 1910–1919 Nr. 25 Privatdozenten Phil. Fakultät Bd. II: 1851–1872, Bd. III: 1873–1893, Bd. IV: 1894–1903, Bd. V: 1903–1919 Nr. 26 Urlaubsgesuche Professoren, Privatdozenten Bd. I: 1875–1898, Bd. II: 1898–1932 Nr. 27 Forschungs­ und Vortragsreisen Professoren, Privatdozenten Bd. I: 1875–1887, II: 1887–1905, Bd. III: 1905–1924 Nr. 28 Jubiläen, Ordensverleihungen u. sonstige Auszeichnungen Bd. I: 1875–1888, Bd. II: 1888–1899, Bd. III: 1900–1905, Bd IV: 1906–1910 Nr. 30 Allgemeine Angelegenheiten u. d. Besol­ dungsverhältnisse der ao. u. ord. Professoren Bd. I: 1876–1901, Bd. II: 1901–1915, Bd. III: 1916–1924 Nr. 32 Vergehen der Lehrer u. Beamten Bd. I: 1879–1887, II: 1888–1904 Nr. 33 Personalnachweisungen der Lehrer u. Beam­ ten sowie der Studierenden Bd. I: 1883–1888, Bd. II: 1888–1906, Bd. III: 1907–1924 und Adhib. Nr. 34 Annahme von Nebenämtern seitens der Lehrer u. Beamten Bd. I: 1887–1926 Nr. 35 Honorarzusicherungen an Professoren Bd. I: 1912–1932 Nr. 36 Auslandsstudium bei der Universität Königs­ berg Bd. I: 1917–1928 Tit. V Anstellung u. Besoldung der Beamten u. Unterbedienten Nr. 1 Anstellung der Beamten u. Unterbedienten Bd. V: 1867–1882, Bd. VI: 1882–1892, Bd. VII: 1892–1901, Bd. VIII: 1901–1908, Bd. IX: 1908–1920 Tit. VII Dauer der Universitäts­Studien, Studien­ Pläne, Ferien, Vorlesungen Nr. 1 Vorlesungen Bd. XVII: 1898–1904, Bd. XVIII: 1904– 1910, Bd. XIX: 1913–1921 Tit. IX Musik­, Sprach­ usw. Unterricht u. Anstellung der erforderlichen Lehrer Nr. 2 Sprachlehrer Bd.: 1896–1919

Tit. X

653

Institute, Seminare, Laboratorien, Samm­ lungen Nr. 6 Medizinische Klinik, Bd. VIII: 1870–1881, Bd. IX: 1881–1901, Bd. X: 1901–1915, Bd. XI: 1916–1928 Nr. 7 Chirurgische Klinik Bd. IV: 1870–1880, Bd. VI: 1900–1905, Bd. VII: 1905–1913, Bd. VIII: 1914–1924 Nr. 8 Klinik für Geburtshilfe, Univ. Frauenklinik Bd. IX: 1915–1926 Nr. 9 Medizinische Poliklinik, Bd. III: 1859–1924 Nr. 10 Institut für Anatomie Bd. VI: 1911–1922 Nr. 12 Botanischer Garten Bd. IV: 1859–1892, Bd. V: 1892–1928 Nr. 13 Mineralogisches Institut Bd. II: 1877–1901 Nr. 14 Zoologisches Museum Bd. III: 1864–1901, Bd. IV: 1901–1929 Nr. 15 Mathematisch­physikalischer Apparat u. Physikal. Institut Bd. II: 1876–1886, Bd. III: 1886–1906 Nr. 16 Sternwarte Bd. VII: 1878–1901, Bd. VIII: 1901–1920 Nr. 17 Staatswissenschaftliches Institut Bd. I: 1820–1934 Nr. 22 Sammlung für Gypsabgüsse von Antiken u. akademische Kunstsammlung Bd. I: 1823–1876, Bd. II: 1877–1924 Nr. 30 Kunsthistorisches Seminar Bd. I: 1829–1922 Nr. 32 Allg. Angelegenheiten sämtl. klinischer. Anstalten Bd. II: 1915–1922 Nr. 33 Pharmakologische Sammlung Bd. I: 1846–1929 Nr. 37 Physiologisches Institut Bd. II: 1890–1922 Nr. 38 Pathologisch­Anatom. Institut Bd. II: 1882–1908, Bd. III: 1908–1932 Nr. 41 Landwirtschaftliche Institute Bd. I: 1867–1873, Bd. II: 1874–1877, Bd. IV: 1881–1886, Bd. V: 1886–1891, Bd. VI:1891–1899, Bd. VII: 1899–1903, Bd. VIII: 1903–1905, Bd. IX: 1905–1909, Bd. X: 1909–1911, Bd XI: 1911–1914, Bd XII: 1914–1929 Nr 41c Versuchsgut Haustierzucht Nr. 41d Milchwirtschaft Nr. 42 Klinik für Kinderkrankheiten Bd. I: 1874–1921 Nr. 43 Geographische Sammlung Bd. I: 1874–1923

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Anhang

Nr. 47 Chemisches Laboratorium Bd. II: 1901–1919 Nr. 48 Pharmazeutisch­Chemisches Laboratorium Bd. I: 1861–1916 Nr. 50 Münzkabinett Bd. I: 1880–1921 Nr. 51 Poliklinik für Hautkranke Bd. I: 1884–1919 Nr. 55 Zahnärztl. Institut Bd. I: 1888–1919 Nr. 57 Hygienisches Institut Bd. I: 1888–1901, Bd. II: 1901–1923 Nr. 58 Irrenklinik, Univ. Nervenklinik Bd. I: 1891–1907, Bd. II: 1907–1918 Nr. 60 Poliklinik für Ohrenheilkunde Bd. I: 1891–1919 Nr. 61 Bernstein­Museum Nr. 61 Adhib Bernsteinsammlung Klebs 1911–1929 Nr. 63 Institut für Gerichtsmedizin u. soziale Medizin Bd. I: 1902–1921 Nr. 71 Allg. Angelegenheiten der wiss. Assistenten Bd. I: 1915–1934 Tit. XI Stiftungen Nr. 15 Schreiber­Stiftung 1825–1827 Nr. 63 Palaestra Stiftung Bd. I: 1887–1901, Bd. II 1901–1919 Nr. 70 Kant­Stiftung der Stadt Königsberg Bd. I: 1904 Nr. 73 Max­Immich­Stiftung Nr. 75 Güterbock’sche Stiftung 1913/15 Tit. XII Disziplinarangelegenheiten Nr. 2 Disziplinarsachen, Erlasse Nr. 6 Gesetze für die Studierenden Bd. I: 1857–1922 Tit. XIV Wissenschafts­, Kunst­, Bibliotheks­, Zensur­Sachen, auch Gutachten Nr. 12 Die von ao. Prof. eingesandten Werke u. Schriften Bd. I: 1875–1886, Bd. II: 1886–1892, Bd. III: 1892–1905, Bd. IV: 1906–1911 Tit. XV Etats­Sachen Nr. 4 Etat für die Verwaltung Bd. V–XI: 1870–1924 Tit. XVI Kassen­ u. Pensionssachen Nr. 6 Fürsorge für Witwen u. Waisen der unmittel­ baren Staatsbeamten Bd. III: 1906–1916, Bd. IV: 1916–1928

Tit. XIX Bausachen Nr. 14 Neubau Kliniken Bd. V: 1913–1921 Nr. 19 Augenklinik Bd. II: 1901–1929 Nr. 30 Nervenklinik Bd. II: 1911–1932 Tit. XX Justiz­, Polizei­ u. Logis­Sachen Nr. 2 Militärverhältnisse der Professoren u. a. Bd. I: 1880–1917 Sek. 12 Philipps­Universität Marburg Tit. IV Anstellung u. Besoldung der Professoren u. Privatdozenten Nr. 2 Ao. u. ord. Professoren der Phil. Fakultät Bd. X–XI: 1896–1904 Nr. 3 Privatdozenten Phil. Fakultät Bd. II–III: 1896–1922 Nr. 10 Privatdozenten Jur. Fakultät Bd. I: 1868–1927 Nr. 14 Privatdozenten Theol. Fakultät Bd. I: 1870–1934 Rep. 76Vd Bibliotheken Sek. 14 Die Königl. u. Universitätsbibliothek Königs­ berg Nr. 1 Allg. Angelegenheiten Bd. VIII: 1868–1876, Bd. IX: 1877–1890, Bd. X: 1890–1902, Bd. XI: 1902–1918 Nr. 2 Anstellung u. Besoldung der Bibliothekare Bd. III: 1862–1874, Bd. IV: 1875–1888, Bd. V: 1888–1897, Bd. VI: 1897–1904, Bd. VIII: 1911–1919 Nr. 3 Bauten u. Reparaturen Bd. I: 1878–1891, Bd. II: 1891–1901 Nr. 8 Musikbibliothek Gotthold 1852–1875 Nr. 9 Zuwendung der Witwe Herbarts 1877–1894 Rep. 76Vf Personalakten Litt . B Nr. 61 Backhaus, Alexander, Bd. I: 1891– 1902, II: 1903–1916, III: 1917/18 Litt G Nr. 26 Gregorovius, Ferdinand Litt. I, Nr. 14 Ilse, Leopold Litt K Nr. 35 Krüger, Paul 1874–1877 Litt L Nr. 26 Lohmeyer, Carl 1857–1880 Litt M Nr. 37 v. Martitz, Ferdinand 1862–1870 Litt M Nr. 17 Moser, Ludwig 1832–1841 Litt N Nr. 14 Neumann, Carl 1859–1876 Litt N Nr. 15 Neumann, Ernst, 1851–1904 Litt S Nr. 50 Schubert, Wilhelm 1848–1868

Quellen­ und Literaturverzeichnis Rep. 77 Preuß. Ministerium des Innern Bestand Personalakten Rep. 87 Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Rep 87 B Landw. Abt.

3.2.

Zeitungsabteilung: Königsberger Hartungsche Zeitung 1870–1918; Königsberger Allgemeine Zeitung 1875–1918

4.

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Nr. 11884–87 Landw. Institute Königsberg, Bd. I–IV: 1870–1910 Nr. 12501 Landw. Institut AUK 1914–1932

Nl. Fritz Behrendt; Nl. Eduard Meyer; Bestand Deutsche Kommission 5.

Bayerische Staatsbibliothek (BSB) Handschriftenabteilung: Sammlung Merz­ bacheriana II

6.

Universitätsbibliothek Bonn Handschriftenabteilung: Nl. Alexander zu Dohna

7.

Staats- und Universitätsbibliothek Bremen Handschriftenabteilung: Nl. Adolf Erman

8.

Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (StuUBGö) Handschriftenabteilung: Nl. Georg Baesecke; Nl. David Hilbert; Nl. Herman Nohl, Nl. Hermann Wagner

9.

Thüringische Landes- u. Universitätsbibliothek Jena Handschriftenabteilung: Nl. Rudolf Eucken

10.

Universitätsbibliothek München Handschriftenabteilung: Nl. Karl Gareis

11.

Universitätsbibliothek Münster Handschriftenabteilung: Nl. Walther Schücking

12.

Universitätsbibliothek Tübingen Handschriftenabteilung: Nl. Theodor Nöldeke

13.

Universitätsarchiv Zürich Handschriftenabteilung: Nl. Ulrich Stutz Stadt- und Landesbibliothek Dortmund Nl. Karl Vorländer

Rep. 89 Zivilkabinett Nr. 21559

Nr. 21668 Nr. 21669 Nr. 21670 Nr. 21671 Nr. 21674 Nr. 21675

Bd. VI: 1866–1877; Nr. 21560, Bd. VII: 1878–1888; Nr. 21561, Bd. VIII: 1889–1897; Nr. 21562, Bd. IX, 1898– 1906; Nr. 21563, Bd. X: 1907–1913; Nr. 21564, Bd. XI: 1914–1918 Universitätsbibliothek 1825–1906 Zoologisches Museum 1826–1908 Gebäude Bd. I: 1830–1865 Gebäude, Bd. II: 1866–1907 Palaestra Albertina 1894–1913 Institute u Sammlungen 1894–1918

VI. Hauptabteilung: Nachlässe Nl. Friedrich Althoff; Nl. Albert Brackmann; Nl. Ernst von Horn; Nl. Wolfgang Kapp; Nl. Paul Kehr; Nl. Friedrich Meinecke XX. Hauptabteilung: StA Königsberg Rep. 2 I + II Reg. Präs. Königsberg Rep. 99c Meldestelle Universität Königsberg 1945–1950

3. 3.1.

Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin (SBB) Handschriftenabteilung : Nl. Alfred Bergeat; Nl. Johannes Bolte; Slg. Darmstädter (Hahn, Friedrich Gustav F 1 f 1877); Nl. Wilhelm Erman; Nl. Fritz Milkau; Nl. Oskar Schade; Nl. Hermann Suchier; Nl. Heinrich von Treitschke; Nl. Curt Wachsmuth

655

14. 15.

Bibliothek der Litauischen Akademie der Wissenschaften Vilnius/Wilna Protokollbuch der Philosophischen Fakultät der AUK 1916–1944

656

Anhang

B

Primärliteratur

Nicht aufgenommen wurden die Qualifikations­ schriften Königsberger Dozenten, die oben im Catalo­ gus zu finden sind. Da dort auch die Hauptwerke auf­ genommen wurden, konnte die Bibliographie auf diese Titel zumeist verzichten. Abb, Gustav 1934 (Hg.) Fritz Milkau zum Gedächtnis. An­ sprachen, Vorträge und Verzeichnis seiner Schriften, Leipzig. Abromeit, Johannes 1887 Gedächtnisrede auf Prof. Dr. Robert Caspary, in: SchrPhÖG 28, S. 111–134 1898 /unter Mitwirkung von A. Jentzsch u. G. Vogel, Flora von Ost­ und Westpreußen. I. Samenpflanzen oder Phanerogamen, Berlin. 1900 Dünenflora, in: Gerhardt, Paul/Ders./u. a. (Hg.) Handbuch des deutschen Dünenbaues, Berlin, S. 171–278. 1913 Abriß der Geschichte des Preußischen Botanischen Vereins, in: Schr. PhÖG 54, S. 148–150. Ach, Narziss 1905 Über die Willenstätigkeit und das Denken. Eine experimentelle Untersuchung […], Göttingen. 1910a Über den Willensakt und das Temperament, München. 1910b Untersuchungen zur Psychologie und Philo­ sophie, Leipzig. 1916 Über die Werkstättenbehandlung […], Mün­ chen. 1920 Zur Psychologie der Amputierten. Ein Beitrag zur praktischen Psychologie, Leipzig. Achelis, Hans 1888 Das Symbol des Fisches und die Fischdenk­ mäler der römischen Katakomben, Marburg. 1891 Die ältesten Quellen des orientalischen Kir­ chenrechtes. 1. Buch. Die Canones Hippo­ lyti, Leipzig (= Texte u. Unters. z. Gesch. d. altchristl. Literatur; VI/4). 1900 Die Martyrologien, ihre Geschichte und ihr Wert, Berlin (= Abhand. AkW Göttingen, Phil.­Hist. Kl.; N. F. III/3). 1912 Das Christentum in den ersten drei Jahrhun­ derten, 2 Bde. Leipzig. 1921 Kirchengeschichte, Leipzig.

Adam, Reinhard 1931 Ost­ und Westpreußen in der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts, in: Landes­ hauptmann der Provinz Ostpreußen (Hg.), Deutsche Staatenbildung und deutsche Kultur im Preußenlande, Königsberg 1931, S. 438–470 1933 Der Liberalismus in der Provinz Preußen zur Zeit der neuen Ära und sein Anteil an der Entstehung der Deutschen Fortschrittspartei, in: Altpreußische Beiträge. Festschrift zur Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts­ und Altertums­Vereine zu Königsberg Pr. vom 4. bis 7. Septem­ ber 1933, Königsberg, S. 145–181. Ahlfeld, F. 1916 Rudolf Dohrn †, in: Msch. f. Geburtshilfe u. Gynäkologie 43, S. 82–85. Albert, Friedrich 1907 Das Studium der Landwirtschaft an der Uni­ versität Königsberg i. Pr.. Unter Mitwirkung der Fachdozenten, Königsberg. Albrecht, Gerhard 1936 Ludwig Elster †, in: Jbb. NatökuStatistik 143, S. 257–273. Albrecht, Paul 1881 Gedächtnisrede auf Ernst Gustav Zaddach, in: SchrPhÖG 22, S. 119–128. Alt, Albrecht 1939 Nachruf auf Hans Achelis, in: Berichte über die Verhandlungen der Sächs. Akademie der Wissenschaften, 90, Heft 3, S. 3–9. Ambrassat, August 1912 Die Provinz Ostpreußen. Ein Handbuch der Heimatkunde, 2., neu bearb. Aufl., Königs­ berg (ND Frankfurt/M. 1978). Angenheister, Gustav 1928 Wiechert, Emil, in: DBJ 10, S. 295–302. Anonym 1918a Tannenbergfeiern in Königsberg und Ostpreußen [mit 4 Abb.], in: OstprW 10, S. 600 f. 1918b L., Die litausiche Ausstellung in Königsberg [mit 5 Abb.], in: OstprW 10, S. 590 f.

Quellen­ und Literaturverzeichnis Anschütz, Gerhard 1901 Die gegenwärtigen Theorieen über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt und den Umfang des königlichen Verodnungsrechts nach preussischem Staatsrecht, 2., verm. u. umgearb. Aufl. Tübingen/Leipzig. Apel, Max 1897 Rez. zu Thiele 1895, in: KS 1, S. 287–290. Appel, Carl 1895 Provenzalische Chrestomathie mit Abriß der Formenlehre und Glossar, Leipzig. 1929 Alfred Pillet †, in: Zs. f. romanische Philologie 49, S. 383 f. Arndt, Adolf 1884 Das Verordnungsrecht des Deutschen Reichs, Berlin. 1902a Verfassung des Deutschen Reichs. Mit Einleitung und Kommentar. Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage, Berlin. 1902b Das selbständige Verordnungsrecht. Zugleich eine Streitschrift für die historisch­kritische Methode, Berlin. 1902c Die Stellung der Krone Preußens zu den Universitäten. Festrede zur Feier des Geburts­ tages Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm II., gehalten am 27. Januar in der Königlichen Albertus­Universität zu Königs­ berg, 2. Aufl., Königsberg. 1905 Der Gesetzesbegriff in der Beleuchtung des Herrn Professors Dr. Hubrich, in: Annalen des Deutschen Reiches 38, S. 448–455. 1911 Die Verfassungs­Urkunde für den Preußischen Staat, 7., gänzl. umgearb. u. verb. Aufl. Berlin (= Guttentag’sche Slg. Preuß. Gesetze; 1). 1914a „Das Weltgericht fragt euch nach Gründen nicht.“ Juristische Betrachtungen über Tages­ fragen, in: Der Tag (A) Nr. 211, 9. 9. 1914b Der Kriegszustand und die Suspendierung ge­ wisser Grundrechte, in: Der Tag (A) Nr. 216, 15. 9. 1914c Das Kriegsgericht in Tongern und die Rechts­ lage besetzter feindlicher Gebiete, in: Der Tag (A) Nr. 241, 14. 10. 1915a Strafgerichtsbarkeit im Kriege über Ausländer, insbesondere Kriegsgefangene, in: ZfP 8, S. 513–531. 1915b Zum Gesetz über den Belagerungszustand, in: DJZ 20, Sp. 307 f. 1915c Das Vorgehen Englands in der „Baralong“­ Sache im Lichte des Völkerrechts, in: ebd., Sp. 1213–1215.

657

1916a Verantwortlichkeit und Gegenzeichnung bei Anordnungen des obersten Kriegsherrn, in: DJZ 21, Sp. 851–855. 1916b Das preußische Wahlrecht, wie es wurde und wie es ist, in: Der Tag (A) Nr. 78, 1. 4. 1916c Verlängerung der Legislaturperiode des jetzigen Reichstags, in: Der Tag (A) Nr. 225, 24. 9. 1916d Ein Reichstagsausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten, in: Der Tag (A) Nr. 238, 10. 10. 1916e Der deutsche Soldat unter der deutschen Fahne bleibt stets im Inlande, in: Der Tag (A) Nr. 274, 21. 11. 1917 Neuorientierung und Reichsverfassung, in: DJZ 22, Sp. 769–772. 1918 Zur staatsrechtlichen Stellung des Militär­ kabinetts, in: DJZ 23, Sp. 670–673. Arndt, Bruno 1935 Wilhelm Franz Meyer zum Gedächtnis, in: Jahresbericht der Dt. Mathematiker­Vereini­ gung 45, S. 99–113. Arnold, Carl Franklin 1887 Der Baptismus und seine Bekämpfung, Leip­ zig. 1887 Studien zur Geschichte der Plinianischen Christenverfolgung, in: Theologische Studien und Skizzen aus Ostpreußen 1, S. 229–268. 1888a Die Neronische Christenverfolgung. Eine kritische Untersuchung zur Geschichte der ältesten Kirche, Leipzig. 1888b (Hg.), Johann Georg Hamann. Auswahl aus seinen Briefen und Schriften, eingeleitet und erläutert, Gotha (= Bibliothek theol. Klassi­ ker; XI). 1900/01 Die Ausrottung des Protestantismus in Salzburg unter Erzbischof Firmian und seinen Nachfolgern. Ein Beitrag zur Kirchenge­ schichte des 18. Jahrhunderts, Halle (= Schr. Vereins f. Reformationsgesch.; 67, 69). 1919 Die Geschichte der alten Kirche bis auf Karl den Großen in ihrem Zusammenhang mit den Weltbegebenheiten kurz dargestellt, Leipzig (= Ev.­Theol. Bibliothek; 6). Arnoldt, Emil 1907 Gesammelte Schriften, Bd. I: In der Bahn freigemeindlicher Ansichten, Berlin. 1907 Gesammelte Schriften, Bd. II: Kleinere philosophische und kritische Abhandlungen, Abt. 1, Berlin.

658

Anhang

1909

Gesammelte Schriften, Bd. VI: Beiträge zu dem Material der Geschichte von Kants Leben und Schriftstellertätigkeit in bezug auf seine ‚Religionslehre‘ und seinen Konflikt mit der preußischen Regierung. Berlin. Gesammelte Schriften, Bd. IX (= Nachlaß, Bd. III): Einleitung in die Philosophie. Vor­ lesung, Berlin. Gesammelte Schriften Bd. X (= Nachlaß, Bd. IV): Auswahl aus Arnoldts Briefen, Berlin.

1910 1911

Babinger, Franz 1933 J. H. Mordtmann zum Gedächntnis, Berlin. Backhaus, Alexander 1898 Agrarstatistische Untersuchungen über den preußischen Osten im Vergleich zum Westen, Berlin (= Berichte des lw. Instituts der Univ. Königsberg; III). 1900 Bericht über die Thätigkeit des landwirt­ schaftlichen Instituts 1898 und 1899, in: Ders. (Hg.), Berichte des landwirtschaftlichen Instituts der Universität Königsberg i. Pr., V, S. 127–137. 1903 Das Versuchsgut Quednau ein Beispiel der angewandten modernen Betriebslehre, Berlin. 1919 Aufgaben der Landwirtschaft und ihre Vertre­ tung durch die Deutsche Volkspartei. Vortrag, gehalten im politischen Ausbildungskurs der Deutschen Volkspartei, 2. Aufl. Berlin. Bader, Karl 1925 Lexikon deutscher Bibliothekare, Leipzig. Baesecke, Georg 1912 (Hg.) Der Wiener Oswald, Heidelberg (= Germ. Bibliothek; III. Abt., 2. Bd.). 1914 [Deutsche Kriegspoesie. Kriegsvorträge der Albertina], in: KHZ Nr. 558, 28. 11. 1918 Einführung in das Althochdeutsche. Laut­ und Flexionslehre, München (= Handbuch des deutschen Unterrichts an höheren Schu­ len; II,1, 2). 1919 Deutsche Philologie, Leipzig. 1952 [Georg Baesecke. Verzeichnis seiner sämt­ lichen Veröffentlichungen], Leipzig. 1966 Kleinere Schriften zur althochdeutschen Sprache und Literatur, hg. u. mit einem Nachwort versehen von Werner Schröder, Bern/München.

Bargmann, Wolfgang 1943 Zur Geschichte der Anatomie in Königsberg (Pr.) bis zum Jahre 1860, in: Anatom. Anzei­ ger 94, S. 161–208. Barth, Paul 1911 Max Heinze. Geb. 13. Dezember 1835, gest. 17. September 1909, in: BioJbAltertums­ kunde 34, S. 186–189. Bartels, Paul 1909 Das Lympgefäßsystem, Jena (= Handbuch der Anatomie des Menschen; III. Bd., 4. Abt.). v. Batocki, Adolf von 1915 Ostpreußens Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vortrag des Oberpräsidenten der Provinz Ostpreußen, Herrn von Batocki­ Bledau, gehalten in Berlin am 16. März 1915, München. Bauer, Johannes 1908 Schleiermacher als patriotischer Prediger. Ein Beitrag zur Geschichte der nationalen Erhe­ bung vor hundert Jahren. Mit einem Anhang von bisher ungedruckten Predigtentwürfen Schleiermachers, Gießen (= Studien z. Geschichte des neueren Protestantismus; 4). Bauer, Max 1886 Lehrbuch der Mineralogie. Mit 588 Holz­ schnitten, Berlin/Leipzig. Baumgart, Hermann 1874 Aelius Aristides als Repräsentant der sophi­ stischen Rhetorik des zweiten Jahrhunderts der Kaiserzeit, Leipzig. 1875a Goethe’s Märchen, ein politisch­nationales Glaubensbekenntnis des Dichters, Königs­ berg. 1875b Der Begriff der tragischen Katharsis, in: Fleckeisens Jahrbuch der Philologie, S. 81–118. 1875c Zur Poetik des Aristoteles, in: WMB 3, S. 42–52. 1877 Aristoteles, Lessing und Goethe über das ethische und das ästhetische Princip der Tragödie, Leipzig. 1887 Handbuch der Poetik. Eine kritisch­histo­ rische Darstellung der Theorie der Dicht­ kunst, Stuttgart. 1893 Goethes Faust als einheitliche Dichtung, Bd. 1, Königsberg.

Quellen­ und Literaturverzeichnis

659

Goethes Faust als einheitliche Dichtung, Bd. 2: Die Erklärung des zweiten Teiles des Faust, Königsberg. 1908 Elektra. Betrachtungen über das ‚Klassische‘ und ‚Moderne‘ und ihre literaturgeschicht­ liche Wertbestimmung, Königsberg. 1916a Die Bismarck‘sche Politik und Deutschland im Weltkriege, Königsberg. 1916b Gedicht zu Hindenburgs 50. Militärjubiläum, in: OstprW 8, 1915/16, Hindenburg­Beilage.

1925

Baumann, M. 1910 Theodor von Schön. Seine Geschichtsschrei­ bung und seine Glaubwürdigkeit, Berlin.

Benecke, Berthold 1876 Prof. Dr. Ernst Burdach†, in: WMB 4, S. 192. 1881 Fische, Fischerei und Fischzucht in Ost­ und Westpreußen. Auf Grund eigener Anschau­ ung gemeinfasslich dargestellt. Mit 493 Ab­ bildungen von H. Braune, Königsberg.

1902

Baumgarten, Paul v. 1890 Lehrbuch der pathologischen Mykologie. Vorlesungen für Ärzte und Studirende, 2 Bde, Braunschweig. 1911 Lehrbuch der pathogenen Mikroorganismen. Die pathogenen Bakterien. Für Studierende und Ärzte, Leipzig. 1920 Kriegspathologische Mitteilungen, Leipzig. Becher, Siegfried 1924 Johann Wilhelm Spengel †, in: Zool. Jahr­ bücher 46, S. 1–74. Beiträge 1929 Königsberger Beiträge. Festgabe zur vier­ hundertjährigen Jubelfeier der Staats­ und Universitätsbibliothek Königsberg Pr., Königsberg. v. Below, Georg 1885 Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, Tl. 1: Die ständischen Grundlagen, die Vorläufer der ständischen Verfassung, Düssel­ dorf. 1886 Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, Tl. 2: Die Zeit des bergischen Rechts­ buchs, Düsseldorf. 1890/91 Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, Tl. 3: Geschichte der direkten Staatsteuern bis zum geldrischen Erbfolge­ krieg, 2 Hefte, Düsseldorf [ND Tl. 1–3 in einem Band, Aalen 1965]. 1889 Die Entstehung der deutschen Stadtge­ meinde, Düsseldorf. 1905 /F. Meinecke, Vorwort zu: Immich 1905, S V–VII. 1911 /Marie Schulz (Hg.), Briefe von K. W. Nitzsch, in: ZSHG 41, S. 1–103.

1926

[Autobiographie], in: Die Geschichtswissen­ schaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. I, Leipzig, S. 1– 49. Felix Rachfahl, in: Schlesische Lebensbilder, Breslau, Bd. II, S. 371–380.

Bender, [?] 1908 Rez. zu Tschackert 1908, in: Vierteljahres­ bericht aus dem Gebiet der schönen Literatur und verwandten Gebieten 2, S. 55–57.

Bengston, Hermann 1943 Walter Otto *30. Mai 1878 in Breslau–† 1. November 1941 in München, in: Bio JbAltertumskunde Bd. 284, S. 22–48. Benrath, Karl 1892 Bernadino Ochino von Siena. Ein Beitrag zur Geschichte der Reformation, 2., verb. Aufl. Braunschweig. 1893 Des Papstthums Entstehung und Fall. Ein Gespräch. Von Bernardino Ochino aus Siena, hg. v. K. B., in: Deutsch­evangelische Blätter 18, S. 306–313 [Einleitung]. 1894 Geschichte des Hauptvereins der Gustav­ Adolf­Stiftung für Ostpreußen 1844–1894. Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum, Königsberg. 1899 Die Ansiedlung der Jesuiten in Preußen. Nach Original­Berichten an den Ordens­ general aus den Jahren 1565–1572, in: Deutsch­evangelische Blätter 24, S. 238–250. 1900a Das Genfer Reformationswerk in: C. Wercks­ hagen (Hg.), Der Protestantismus am Ende des XIX. Jahrhunderts in Wort und Bild, Berlin, S. 97–116. 1900b Julia Gonzaga. Ein Lebensbild aus der Geschichte der Reformation in Italien, Halle (= Schr. d. Vereins f. Reformationsgeschichte; XVI/4/65). 1915 [Englands Bedeutung für den Gesamtprote­ stantismus einst und jetzt. KglDG­Vortrag ], in: KHZ Nr. 96, 26. 2. 1917a Das Evangelium unter dem Kreuz im Lande Posen [= Rez. zu Wotschkes gleichnamiger Studie], in: PrKirchZ 13, Sp. 221 f.

660

Anhang

1917b Die Ursachen der Reformation, in: LZOW 48, 173 f., 187 f. 1920 [Geh. Konsitorialrat D. Dr. Benrath {eme­ ritiert, mit Porträtphoto}], in: OstprW 12, S. 491. Berendt, Gottlob Michael 1867 Reise über die Kurische Nehrung im Sommer 1866, in: AprM 4, 201–217, 297–317, 393–409. 1869 Die Geologie der Kurischen Nehrung, Königsberg (sep. aus: SchrPhÖG IX, 1868, S. 131–238). 1870 Die Lehre Darwins vom Standpunkt der Geologie, Königsberg. Bergeat, Alfred 1899 Die äolischen Inseln (Stromboli, Panaria, Salina, Lipari, Vulcano, Filicudi und Alicudi) geologisch beschrieben, München (= Ab­ handl. Bayr. AkdW II. Kl., XX/1). Bergmann, Julius 1880 Rez. zu Quäbicker 1879, in: Philos. Monats­ hefte 16, S. 105 f. 1882 Materialismus und Monismus. Aus der philosophischen Bewegung der Gegenwart. Öffentlicher Vortrag, Heidelberg (= Slg. v. Vorträgen; VIII/1). Bergsträsser, Gotthelf 1921 Felix Peiser †, in: OLZ 24, Sp. 97–102. Bericht 1890 Bericht über die Gründung und Thätigkeit der Juristischen Gesellschaft in Königsberg im Vereinsjahr 1889/90. Erster Jahresbericht nebst Statutenabdruck und Mitgliederver­ zeichnis, Königsberg. 1893 Bericht über die Thätigkeit der Juristischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr. in den Ver­ einsjahren 1891–1893, Königsberg. 1893–1917 Bericht über die Verwaltung der Königlichen und Universitätsbibliothek zu Königsberg, Pr. Königsberg. Bernecker, Constanz 1907 s. Burdach Berthold, Emil 1922 s. Stenger

v. Bezold, Friedrich 1920 Geschichte der Rheinischen Friedrich­Wil­ helms­Universität von der Gründung bis zum Jahr 1870, Bonn. Bezzenberger, Adalbert 1877 Beiträge zu einer Geschichte der litauischen Sprache auf Grund litauischer Texte des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Göttingen. 1882 Litauische Forschungen. Beiträge zur Kennt­ niss der Sprache und des Volkstumes der Litauer, Göttingen. 1885 Lettische Dialekt­Studien, Göttingen 1889 Die Kurische Nehrung und ihre Bewohner, Stuttgart (= Forschungen zur dt. Landes­ u. Volkskunde, Bd. III/4, S. 165–300, auch sep.). 1891 Art. Mythologie, in: Pierers Konversations­ Lexikon, 7. Aufl. Stuttgart, Bd. IX, Sp. 962– 964. 1894 (Hg.) Urkunden des Provinzial­Archivs in Königsberg und des gräflich Dohnaschen Majorats­Archivs in Schlobitten betreffend die Erhebung Ostpreußens im Jahre 1813 und die Errichtung der Landwehr, Königs­ berg. 1895 [Ansprache zum 50jährigen Bestehen], in: Sitzungsberichte der Altertumsgesellschaft Prussia, H. 19, S. 177–195. 1900 Georg Bujack (Hg.), Zum Andenken an die Mitglieder des Preußischen Landtags im Februar 1813 zu Königsberg und an die Thaten der Preußischen Landwehr und des Preußischen National­Kavallerie­Regiments in den Jahren 1813 und 1814, im Auftrag der ostpreußischen Provinzialverwaltung neu bearbeitet, Königsberg. 1907 Studien über die Sprache des preußischen Enchiridions, in: Zs. f. vgl. Sprachforschung 41, S. 65–127. 1908 Die litauische Literatur, in: Die osteuropä­ ischen Literaturen und slawischen Sprachen (= Die Kultur der Gegenwart I/9), Berlin und Leipzig, S. 354–371. 1913 (Hg.) Ostpreußen in der Franzosenzeit. Seine Verluste und Opfer an Gut und Blut. Zum 5. Februar 1913 veröffentlicht im Auftrag der Ostpreußischen Provinzialverwaltung, Königsberg. 1915 Ostpreußens Grenzlande, in: ZfP 8, S. 28–42. 1916a Der Werdegang des litauischen Volkes, in: VjschSuW 13, S. 1–40. 1916b Die Kriegsnöte Ostpreußens in früherer Zeit, in: IMWKT 10, Sp. 385–434.

Quellen­ und Literaturverzeichnis 1917a August Fick. geb. 5. Mai 1833, gest. 24. März 1916, in: Zs. f. vgl. Sprachfor­ schung 47/48, S. 313–316. 1917b Dainos, Dehmel und Nesselmann, in: KHZ Nr. 106, 4. 3. 1921 [Festschrift Adalbert Bezzenberger zum 14. April 1921 dargebracht von seinen Freun­ den und Schülern], Göttingen Bickhardt, H. 1917 Georg von Seidlitz †, in: Entomologische Blätter 13, 1917, S. 239–248. Bilderatlas 1915 Großer Bilderatlas des Weltkrieges, Bd. 1, Lieferung 6/7: Ostpreußen: Tannenberg, Angerburg, Winterschlacht in Masuren = S. 209–280. Birch-Hirschfeld, Arthur 1927 50 Jahre Universitäts­Augenklinik, in: KAZ Nr. 224, 14. 5. Blochmann, Reinhart 1895–98 /Baenitz, C., Lehrbuch der Chemie und Mineralogie unter besonderer Berück­ sichtigung der chemischen Technologie in populärer Darstellung. Nach methodischen Grundsätzen für gehobene Lehranstalten, 2 Bde., Bielefeld/Leipzig. 1899 /Baenitz, C., Leitfaden für den Unterricht in der Chemie, 6., verb. u. verm. Aufl. Bielefeld/ Leipzig. 1907 Luft, Wasser, Licht und Wärme. Neun Vorträge aus dem Gebiete der Experimental­ Chemie, 3. Aufl. [zuerst 1899] Leipzig (= Aus Natur u. Geisteswelt; 5). 1917 Erste Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse für Studierende der Chemie, Phar­ mazie und Medizin, 3., verm. u. verb. Aufl. Leipzig. Blümner, Hugo 1869 Die gewerbliche Thätigkeit der Völker des klassischen Althertums. Gekrönte Preisschrift, Leipzig. [ND ebd. 1969] 1875 Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern, Bd. 1, Leipzig. 1914 [Festgabe Hugo Blümner. Überreicht zum 9. August 1914 von Freunden und Schülern, Zürich.

661

v. Blume, Wilhelm 1914 Bedeutung und Aufgaben der Parlamente. Parteibildung, in: Laband, Paul u. a. (Hg.), Handbuch der Politik, Berlin/Leipzig, Bd. II/1, S. 373–384. 1917 Über deutsche Selbstverwaltung. Universität Tübingen. Rede des Rektors am Geburtstag des Königs 1917, Tübingen. 1928 [Anonym, Dem Gedächtnis der Professoren DDr. Richard v. Garbe, Wilhelm von Blume …], in: Reden bei der Rektorats­ übergabe am 3. Mai 1928 im Festsaal der Universität [Tübingen], Tübingen, S. 34–36. Böhm-Bawerk, E. 1896 Rez. zu Diehl 1896, in: Jbb Natök. 67, S. 919 f. Boldt, August 1894 Elbinger Geistesleben im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Chronik der Stadt Elbing, Mohrungen. Bonhoeffer, Karl 1969 Lebenserinnerungen [ca. 1940], in: Zutt, Jürg (Hg), Karl Bonhoeffer. Zum hundersten Ge­ burtstag am 31. März 1968, Berlin, S. 8–107. Bonk, Hugo 1895 Das Jubelfest des dreihundertfünfzigjäh­ rigen Bestehens der Albertus­Universität am 26. und 27. Juli 1894. Nach amtlichen Mittheilungen dargestellt, Königsberg. Borchardt, Leo 1922 Allgemeine klinische Konstitutionslehre, in: Ergebnisse der Inneren Medizin 21, S. 499–567. 1924 Klinische Konstitutionslehre, Berlin. Boruttau, H. 1914 L. Hermann †, in: DMW 40, S. 1529. Bosse, Friedrich 1895 Prolegomena zu einer Geschichte des Be­ griffes ‚Nachfolge Christi‘, Berlin. Braasch, Moritz 1888 Friedrich Ueberweg. Sein Leben und seine Schriften, in: Ders., Die Philosophie der Gegenwart. Ihre Richtungen und Hauptver­ treter. Für die Gebildeten dargestellt, Leipzig, S. 530–545.

662

Anhang

1889

Die Welt­ und Lebensanschauung Friedrich Ueberwegs nebst einer biographisch­histo­ rischen Einleitung, in: Ders. (Hg), Fr. Ueber­ weg, Gesammelte philosophisch­kritische Abhandlungen, Halle, S. XI–XLVI. Ueberweg­Heinze. Eine Studie zur Ge­ schichte der philosophischen Historiographie, in: Ders., Leipziger Philosophen. Porträts und Studien aus der wissenschaftlichen Literatur der Gegenwart, Leipzig, S. 221–269.

1894

Brackmann, Albert 1910 (Hg.) Studien und Vorarbeiten zur Germania Ponteficia I/1, Berlin. 1911 (Hg.) Studien und Vorarbeiten zur Germania Ponteficia I/2, Berlin. 1912 Studien und Vorarbeiten zur Germania Pontificia I: Die Kurie und die Salzburger Kirchenprovinz, Berlin. 1912 Heinrich IV. und der Fürstentag zu Tribur, in: HVjSch., S. 153–193. 1914 Urkunden und Siegel in Nachbildungen für den akademischen Gebrauch, H. II: Papst­ urkunden, Leipzig/Berlin. 1915 [Kaisertum und Militarismus. Rede zur akademischen Feier des Kaisergeburtstags], in: KHZ Nr. 44, 27. 1. 1916a (Hg.) Ostpreußische Kriegshefte Bd. 1–5, Berlin. 1916b Russische Behördenerlasse, in: ebd., H. 1, S. 78–91. 1916c Aus der Fluchtbewegung, in: ebd. H. 2, S. 7–27. 1916d Kundgebungen zum Wiederaufbau der Pro­ vinz, in: ebd., H. 5, S. 7–27. 1916e Ostpreußen, in: Ernst Jäckh (Hg.), Der große Krieg als Erlebnis und Erfahrung, Bd. 1: Das Erlebnis, Gotha, S. 143–163. 1916f Kaisertum und Militarismus, Berlin (= Kriegsschriften Kaiser­Wilhelm­Dank; 20). 1917a Ostpreußens Kriegsschicksale, in: KHZ Nr. 164, 166, 8. und 11. 4. 1917b [Die ukrainische Frage], in: Sitzungsberichte des Vereins für die Geschichte von Ost­ und Westpreußen für die Jahre 1915–1916 und 1916–1917, 10. Heft, S. 18 f. 1918 „Moralische Eroberungen“, in: Der Tag (A) Nr. 84, 11. 4. 1967 Gesammelte Aufsätze, 2. erw. Aufl., Darm­ stadt. Branco, Wilhelm 1902 Wirkungen und Ursachen der Erdbeben. Rede am Geburtstage Seiner Majestät des

Kaisers und Königs Wilhelm’s II. in der Aula der Königlichen Friedrich­Wilhelms­Univer­ sität zu Berlin am 27. Januar 1902, Berlin. Brandenburg, Erich 1909 /u. a., Die Universität Leipzig 1409–1909. Gedenkblätter zum 30. Juli 1909, Leipzig. 1912 Die Verhandlungen über die Gründung des Deutschen Reiches 1870, in: HistVjs. 15, S. 493–546. Braun, Gustav 1917 Friedrich Hahn, in: Geogr. Zs. 23, 337–341. Braun, Maximilian 1909 /M. Lühe, Leitfaden zur Untersuchung der tierischen Parasiten des Menschen und der Haustiere für Studierende, Ärzte und Tierärzte, Würzburg. 1914 Erinnerung an Carl Chun, in: Schriften der PhÖG 55, S. 216–224. Braun-Artaria, R. 1919 Von berühmten Zeitgenossen. Lebenserinne­ rungen einer Siebzigerin, 12. Aufl. München. Brauns, R. 1924 Nachruf auf Alfred Bergeat, in: Centralblatt für Mineralogie, S. 705–711. Brockelmann, Carl 1898 Geschichte der arabischen Litteratur, Bd. 1, Weimar. 1901 Geschichte der arabischen Litteratur, Leipzig (= Die Litteraturen des Ostens …; 6,2). 1902 Geschichte der arabischen Litteratur, Bd. 2, Berlin. 1909a Geschichte der arabischen Litteratur, zweite Ausgabe Leipzig (= Die Litteraturen des Ostens in Einzeldarstellungen; 6,2). 1909b Die syrische und die christlich­arabische Litteratur, in: Ders. u. a., Geschichte der christlichen Litteraturen des Orients, Leipzig (= Die Literaturen des Ostens in Einzeldar­ stellungen; 7,2), S. 1–74. 1910 Der Islam von seinen Anfängen bis auf die Gegenwart, in: v. Pflugk­Harttung, J. (Hg.), Ullsteins Weltgeschichte, Bd. 3: Geschichte des Orients, Berlin, S. 131–319. Brotanek, R. 1915 Zum Gedächtnis Jakob Schippers, in: Engl. Studien 49, 1915/16, S. 99–112.

Quellen­ und Literaturverzeichnis v. Brünneck, Wilhelm 1875 Rez. zu Umpfenbach 1874, in: WMB III, S. 17–19. Buchner, Max 1932a (Hg.) Aus der Vergangenheit der Universi­ tät Würzburg. Festschrift zum 350jährigen Bestehen der Universität, Berlin. 1932b Die Universität Würzburg im Weltkriege, in: ebd., S. 42–101. Bund deutscher Gelehrter und Künstler 1917 (Hg.) Die deutsche Freiheit. Fünf Vorträge, Gotha. Burdach, Ernst 1876 s. Benecke Burdach, Konrad 1907 Zur Geschichte und Aesthetik der moder­ nen Musik. Eine biographische Studie über Constanz Bernecker, in: Deutsche Revue 32/4, S. 229–241, 325–336. Busse, Ludwig 1894 Philosophie und Erkenntnistheorie, 1. Abt, 1. Tl.: Metaphysik und Erkenntniskritik, 2. Tl.: Grundlegung eines dogmatischen philoso­ phischen Systems, Leipzig. 1896 [Th. Elsenhans, Rez. Busse 1894], in: ThLZ 21, Sp. 481–484. 1907 [Falckenberg, R., Nachruf auf Ludwig Busse und Nachtrag], in: Zs. f. Philosophie u phil. Kritik 131, unpag. und S. 182–184 1913 Geist und Körper, Seele und Leib, 2. Aufl. Leipzig [EA 1903]. Busse, Marie 1919 (Hg.) Aus der belagerten Feste Boyen. Feldzugsbriefe von Oberst [Hans] Busse, Kommandant der Feste Boyen, Berlin. Calder III, William M. 2003 /Kirstein, Robert (Hg.), „Aus dem Freund ein Sohn.“ Theodor Mommsen und Ulrich von Wilamowitz­Moellendorff. Briefwechsel 1872–1903, 2 Bde., Berlin. de la Chevallerie, 1939 General der Infanterie Wilhelm von Blume (+ 20. 5. 1919), in: Militärwissenschaftliche Rundschau 4, S. 275–289.

663

Chronik der Kgl. Universität zu Breslau 1903–1914 Chronik der Georg-August-Universität zu Göttingen 1886/87–1927/30 Chronik der Kgl. vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg 1888/89–1901/02 Chronik der Kgl. Albertus-Universität Königsberg 1885–1915/16 Chun, Carl 1882 Charles Darwin, in: Humboldt. Mssch. f. d. gesamten Naturwissenschaften 1, S. 279–284. 1900 Aus den Tiefen des Weltmeeres. Schilde­ rungen von der deutschen Tiefsee­Expedition, Jena. 1912 [Carl Chun zu seinem sechzigsten Geburts­ tage 1. Oktober 1912 dargebracht von seinen dankbaren Leipziger Schülern], als Manu­ skript gedruckt, o. O. Class, Heinrich 1914 Denkschrift betreffend die national­, wirt­ schafts­ und sozialpolitischen Ziele des deut­ schen Volkes im gegenwärtigen Kriege, o. O. 1932 Wider den Strom. Vom Werden und Wachsen der nationalen Opposition im alten Reich, Leipzig. Cohn, Fritz 1910 Königsberg in der Geschichte der Astrono­ mie, Mathematik und Physik, in: Königsberg in der Naturforschung und Medizin, Königs­ berg, S. 7–19. Cohn, Robert 1912 Zur Erinnerung an Max Jaffé, in: MMW 59, S. 92 f. 1918 [Beitrag zur Ludendorff­Spende], in: KT Nr. 218, 17. 9. 1918. Colliander, Börje 1935 Die Beziehungen zwischen Litauen und Deutschland während der Okkupation 1915–1918, Abo. Cornill, Carl Heinrich 1888 Entstehung des Volkes Israel und seiner nationalen Organisation, Hamburg (= Slg. gemeinverständlicher wissenschaftl. Vorträge; N. F. III. Serie, H. 60).

664

Anhang

1894

Der israelitische Prophetismus. In fünf Vorträgen für gebildete Laien geschildert, Straßburg. Einleitung in das Alte Testament mit Einschluß der Apokryphen und Pseudoe­ pigraphen, 3. u. 4. völlig neu gearb. Aufl., Freiburg/Leipzig (= Grundriss d. Theol. Wissenschaften; II. Tl./1). Geschichte des Volkes Israel von den ältesten Zeiten bis zur Zerstörung Jerusalems durch die Römer, Chicago/Leipzig.

1896

1898

Crönert, Wilhelm 1909 Friedrich Blaß, in: BioJBAltertumskunde 32, S. 1–33. Czaplewski, Eugen 1908 Kurzes Lehrbuch der Desinfektion als Nachschlagebuch für Desinfektoren, Ärzte, Medizinal­ und Verwaltungsbeamte unter Zugrundelegung der Einrichtungen der Des­ infektionsanstalt der Stadt Cöln, 3. umgearb. Aufl., Bonn [zuerst 1904]. Dahn, Felix 1892 Moltke als Erzieher. Allerlei Betrachtungen. Nebst Anhang: Betrachtungen über den Entwurf eines Volksschulgesetzes in Preußen, Breslau. 1895 Erinnerungen. Viertes Buch: Würzburg – Sedan – Königsberg (1863–1888). 2. Abth. (1871–1888), Leipzig. 1898 Gedichte II, Leipzig (= Sämtliche Werke poetischen Inhalts; Bd. 17). Dalmer, Johannes 1894 Die Erwählung Israels nach der Heilsverkün­ digung des Apostels Paulus, Gütersloh. 1897 Der Brief Pauli an die Galater ausgelegt, Gütersloh. 1903 Rez. zu R. Otto, Leben und Wirken Jesu nach historisch­kritischer Auffassung, in: Theol. Literatur­Bericht 26, S. 19. Dampf, Alfons 1912 Über den morphologischen Wert des Ductus obtuatorius bei den Aphanipterenweibchen, Halle (=Nova Acta; Bd. XCVII, Nr. 10). Decker, Hermann 1928 (Hg.) Aus Carl Graebes Leben, in: Berichte DtChemGesell. A 61, S. 21–46.

Delitzsch, Friedrich 1902 Babel und Bibel. Ein Vortrag, Leipzig. Deubner, Ludwig 1907 Kosmas und Damian. Texte und Einleitung, Leipzig/Berlin. 1982 Kleine Schriften zur klassischen Altertums­ kunde. Hg.u. mit einer Bibliographie sowie mit einem ausführlichen Register versehen v. Otfried Deubner, Königstein/Ts. Diehl, Karl 1888 Pierre Joseph Proudhon. Seine Lehre und sein Leben. Abt. I: Die Eigentums­ und Wert­ lehre, Jena (= Slg. nat.ökom. u. statist. Abh.; V/2). 1890 P. J. Proudhon …, Abt. II: Das System der ökonomischen Widersprüche, die Lehren vom Geld, Kredit, Kapital, Zins, Recht auf Arbeit und die übrigen Theorien, Jena (= Slg. nat.ökom. u. statist. Abh.; VI/3). 1896 P. J. Proudhon …, Abt. III: Sein Leben und seine Sozialphilosophie, Jena (Slg. nat.ökom. u. statist. Abh.; VI/4). [ND Abt. 1–3 in einem Band, Aalen 1968] 1897a Wirtschaft und Recht [zu R. Stammler, Wirt­ schaft und Recht 1896], in: JbbNatök 69, S. 813–850. 1897b Sozialismus und soziale Bewegung [zu W. Sombart, Sozialismus…], in: PrJb 87, S. 319–347. 1906 Über Sozialismus, Kommunismus und Anar­ chismus. Zwölf Vorlesungen, Jena. 1924 Selbstbiographie, in: Meiner, Felix (Hg.), Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. 1, S. 59–75. 1941 Die sozialrechtliche Richtung in der National­ ökonomie, Jena. Diesch, Carl 1929 Zum vierhundertjährigen Jubiläum der Staats­ u. Universitätsbibliothek zu Königs­ berg Pr., in: Minerva 5, S. 157–159. Dilthey, Wilhelm 1871 Zum Andenken an Friedrich Ueberweg, in: PrJb 28, S. 309–322. Döhring, Alfred 1905 Rückblick auf die ersten hundert Jahre der Gesellschaft der Freunde Kants. Rede zum Geburtstage Kants gehalten bei dem Bohnenmahle des Jahres 1905, in: AprM 42, S. 403–432.

Quellen­ und Literaturverzeichnis Doflein, Franz 1920 Richard Hertwig zum siebzigsten Geburtstag, 23. September 1920, in: Die Naturwissen­ schaften 8, S. 767–771. Dohna, Alexander zu 1916a Parteipolitik oder Nationalpolitik?, in: Der Tag (A) Nr. 141, 18. 6. 1916b Richtlinien einer Wahlrechtsreform, in: Der Tag (A) Nr. 193, 18. 8. 1916c „Geschlossen nach innen – entschlossen nach außen“, in: Der Tag (A) Nr. 217, 15. 9. 1917 Die Beteiligung der Volksvertretung am Friedensschluß, in: DJZ 22, Sp. 458–466 1918a [Unterschrift DVP­Gründungsaufruf ], in: HartZ Nr. 563, 1. 12. 1918b [Rede], in: Mitgliederversammlung der deut­ schen Volkspartei, in: HartZ Nr. 582, 12. 12. 1919 Ein deutsches Juristensemester in Dorpat [Beteiligung von Litten, Dohna, Preyer], in: DJZ 24, Sp. 244 f. 1920 Lebenshaltung und Lebensinhalt, Leipzig/Er­ langen (=Kirchl.­soziales Heft; 61). Dohrn, Rudolf 1916 s. Rosinski Dorner, August 1895 Das menschliche Handeln. Philosophische Ethik, Berlin. 1897 Festrede zur 400jährigen Geburtstagsfeier Melanchthons. Gehalten am 16. Februar 1897 in der Aula der Universität Königsberg, Königsberg. 1899 Grundriß der Dogmengeschichte. Entwi­ ckelungsgeschichte der christlichen Lehrbil­ dungen, Berlin. 1900 Kant und Fichte in ihrem Einfluß auf die Entwicklung des Protestantismus, in: C. Werckshagen (Hg.), Der Protestantismus am Ende des XIX. Jahrhunderts in Wort und Bild, Berlin, S. 441–460. 1901a Grundriß der Encyklopädie der Theologie, Berlin. 1901b Zur Geschichte des sittlichen Denkens und Lebens. Neun Vorträge, Hamburg/Leipzig. 1904a Die Aufgabe der Universitäten. Rede zum 27. Januar gehalten in der Aula der Albertus­ Universität zu Königsberg, Leipzig. 1904b Das Unterrichtswesen des Staates und sein Verhältnis zu den Confessionen, in: Die Gegenwart 65, S. 114–119. 1906 Individuum und soziale Ethik, Berlin.

665

1907

Die Bedeutung der Spekulation für die histo­ rische Theologie, in: PrM 11, S. 445–466. 1908 Die Geschichtsforschung und die Spekulation mit besonderer Beziehung auf die Persönlich­ keit, in: PrM 12, S. 465–471. 1909 Die Einheit der Wissenschaften im Organis­ mus der Universität, Königsberg. 1910a Philosophie und Theologie im 19. Jahrhun­ dert, Berlin. 1910b Johannes Calvin. Rede, gehalten am 18. Ja­ nuar 1910 in der Aula der Universität Königs­ berg, Königsberg. 1911 Pessimismus, Nietzsche und Naturalismus in besonderer Beziehung auf die Religion, Leipzig. 1912 Die Wahrheit des Inhalts der christlichen Religion in ihrer Bedeutung für den Glauben, in: PrM 16, S. 237–254. 1913 Die Metaphysik des Christentums, Stuttgart. 1914 Politik, Recht und Moral mit Beziehung auf den gegenwärtigen Krieg, Stuttgart. 1915 Der Krieg und die evangelische Theologie, in: Protestantenblatt 48, Sp. 449–453, 499–502. 1916 Patriotismus und Idealismus, in: PrM 20, S. 129–135. 1917 Das Wesen und die Erscheinungsformen des Protestantismus, in: PrM 21, S. 289–307, 324–339. Duden, Paul 1928 Nachruf auf Carl Graebe, in: Berichte DChemG, Abt. A 61, S. 9–21. Dumont, Maximilian 1911 Die Volksdichte und die Siedelungen des Kreises Allenstein und die sie hauptsächlich bedingenden geographischen Faktoren, Allen­ stein (=Phil. Diss. AUK). Eckardt, Julius v. 1911 Lebenserinnerungen, Leipzig. Ecke, Gustav 1897 Die theologische Schule Albrecht Ritschls und die evangelische Kirche der Gegenwart. Bd. I: Die theologische Schule Albrecht Ritschls, Berlin. 1904 Die theologische Schule Albrecht Ritschls und die evangelische Kirche der Gegenwart. Bd. II: Die evangelischen Landeskirchen Deutschlands im 19. Jahrhundert. Blicke in ihr inneres Leben, Berlin.

666

Anhang

1911

Unverrückbare Grenzsteine. Beiträge zum Verständnis der kirchlichen Zeitgeschichte, 5. verm. Aufl. Berlin.

Ehrenberg, Hermann 1895 Italienische Beiträge zur Geschichte der Pro­ vinz Ostpreußen. Im Auftrag des Provinzial­ Ausschusses der Provinz Ostpreußen in Italienischen Handschriften­Sammlungen, vornehmlich der Vatikanischen Archive gesammelt und hrsg …, Königsberg. 1897 Rez. zu A. Boetticher, Die Bau­ und Kunst­ denkmäler der Provinz Ostpreußen. Heft VII: Königsberg, in: AprM 34, S. 637–641. 1899 Die Kunst am Hofe der Herzöge von Preu­ ßen, Berlin/Leipzig. Ehwald, Rudolf 1919 Alfred Curt Immanuel Schöne. Geb. 16. Okt. 1836, gest. 8. Jan. 1918, in: BioJbAltertumskunde 39, S. 87–112. v. Eiselsberg, Anton 1938 Lebensweg eines Chirurgen, Innsbruck. Eisler, Paul 1919 Ludwig Stieda †, in: Anatomischer Anzeiger 51, 1919/20, S. 131–144. Eisner, Kurt 1904 Der Geheimbund des Zaren. Der Königsber­ ger Prozeß gegen Geheimbündelei, Hochver­ rat und Zarenbeleidigung vom 12. Juli bis zum 25. Juli 1904, [neu] hg. u. eingeleitet von Detlef Jena, Berlin [Ost] 1988. Ekkehard, Erich 1929/31 (Hg.) Sigilla veri (Ph. Stauff ’s Semi­ Kürschner). Lexikon der Juden, ­Genos­ sen und ­Gegner aller Zeiten und Zonen insbesondere Deutschlands […], 2., um ein Vielfaches verb. u. verm. Aufl., Bd. I–IV [A–P], Erfurt. Eleutheropulos, Abroteles 1909 Max Heinze, Leipzig [SA aus Mssch. f. Sozio­ logie]. Eliassow, Walter 1916 Erbliche Belastung und Entwicklung von Hilfsschulkindern. Nach Untersuchungen an Geschwistern unter den Hilfsschülern, Med. Diss. Königsberg.

Ellinger, Alexander 1912 Gedenkrede auf M. Jaffé, in: BerlKlinW 49, S. 381–384. Ellinger, Philipp 1924 Alexander Ellinger (1870­1923), in: Ergeb­ nisse der Physiologie 23, 139–170. Elster, Ludwig 1878 Johann Calvin als Staatsmann, Gesetzgeber und Nationalökonom, in: JbbNatök 31, S. 163–223. 1880 Die Lebensversicherung in Deutschland. Ihre volkswirthschaftliche Bedeutung und die Nothwendigkeit ihrer gesetzlichen Regelung, Jena. 1885 Die Fabrikinspektionsberichte und die Ar­ beiterschutzgesetzgebung in Deutschland, in: JbbNatök. 45, S. 393–451. 1887 J. Ch. L. Simonde de Sismondi. ein Beitrag zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre, in: JbbNatök 48, S. 321–382. Eltzbacher, Paul 1916 Totes und lebendes Völkerrecht, München/ Leipzig. Elze, Walter 1928 Tannenberg. Das deutsche Heer von 1914. Seine Grundzüge und deren Auswirkungen im Sieg an der Ostfront. Im Einvernehmen mit dem Reichsarchiv, Breslau. Embden, Gustav, 1923 Alexander Ellinger †, in: DMW 49, Nr. 46 v. 10. 11. Endemann, Friedrich 1892 Über die gesetzliche Behandlung der Trunk­ sucht. Mit besonderer Berücksichtigung der Verhandlungen des 12. Deutschen Juristen­ tages. Vortrag, gehalten in der Juristischen Gesellschaft zu Königsberg am 18. November 1891, Königsberg. 1898 Einführung in das Studium des Bürgerlichen Gesetzbuches. Einführung in das Studium des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1: Einleitung und Allgemeiner Teil, 3. u. 4., völlig neu bearb. Aufl., Berlin. 1917 Vom juristischen Willen zur Gerechtigkeit. Heidelberger Akademische Rede […], Heidel­ berg.

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Falkenheim, Hugo 1918 Säuglingsfürsorge in Ostpreußen, in: Die Wohlfahrt 11, S. 129–132. 1919 [Vorsitz der ordentlichen Mitgliederversamm­ lung des Centralvereins deutscher Staatsbür­ ger jüdischen Glaubens], in: HartZ Nr. 79, 16. 2. 1930 Die Kinderheilkunde an der Albertina, in: DMW 56, S. 1518–1520. v. Farenheid, Fritz 1878 (Hg.) Briefe von Carl Lehrs an einen Freund, Königsberg. Felgentraeger, Wilhelm 1943 Alfred Manigk †, in: ZRG R , S. 520–522. Fiebach, Otto 1921 [L. L., Zu Otto Fiebachs 70. Geburtstag {mit Porträtphoto}], in: OstprW 13, S. 295. Fischer, E. R. 1921 Konrad von Lange †, in: Kunstwart 43/2, S. 382. Fischer, Eugen 1910 Sozialanthropologie und ihre Bedeutung für den Staat. Vortrag gehalten in der Naturfor­ schenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. am 8. Juni 1910, Freiburg/Leipzig. 1917 Ernst Gaupp †. Mit Bildnis, in: AnatAnz. 49, 1916/17, S. 584–591. Fischer, I. 1932 (Hg., Bearb.), Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre, 2 Bde., Berlin/Wien. Fischer, Richard 1894 Rez. Prutz 1894, in: AprM 31, S. 691– 698. Fleischmann, Max 1898 Der Weg der Gesetzgebung in Preußen, Bres­ lau (=Abhandl. aus dem Staats­ u. Verwal­ tungsrecht; 1). 1903 Friderizianischer Sozialismus. Antritts­ vorlesung, gehalten am 1. Mai 1902, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft 6, S. 1–14, 103–113. 1905 Völkerrechtsquellen in Auswahl herausgege­ ben, Halle. 1910 Die Mischehen in den deutschen Schutzge­ bieten vom Rechtsstandpunkte, in: Verhand­ lungen des Deutschen Kolonialkongresses

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Anhang

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Fontane, Theodor 1998 Die Zuneigung ist etwas Rätselvolles. Der Ehebriefwechsel 1873–1898, hg. v. G. Erler, 3 Bde., Berlin (Gr. Brandenburger Ausgabe). Fraenkel, Carl 1890 Grundriss der Bakterienkunde, 3. Aufl. [zu­ erst 1887] Berlin. 1908 Gesundheit und Alkohol. Vortrag gehalten im Bürgersaal des Rathauses zu Berlin vor der Ortsgruppe des Vereins für Volkshygiene, 4. Aufl. München/Berlin (=Veröff. d. Dt. Vereins für Volkshygiene; IV). 1913 Rez. zu J. Wolf, Der Geburtenrückgang. Die Rationalisierung des Sexuallebens in unserer Zeit, in: Hyg. Rundschau 23, Nr. 1, S. 53 f. Fraenkel, Ernst 1918 Hugo Ehrlich, in: Indogerm. Jb. 6, S. 129– 141. Fränkel, Ludwig 1915 Ein Oldenburger als Vorkämpfer deutscher Art und Wissenschaft (Jakob Schipper †). Ein zeitgenössisches Lebens­ und Charakterbild mit zwei Stücken aus Schippers Feder, in: Niedersachsen 20, 1914/15, S. 313–315. François, Hermann v. 1920 Marneschlacht und Tannenberg. Betrach­ tungen zur deutschen Kriegsführung in den ersten sechs Kriegswochen, Berlin Frangenheim, Paul 1913 Die Krankheiten des Knochensystems im Kindesalter, Stuttgart (= Neue Dt. Chirurgie; 10). Franz, Julius 1884 Festrede auf Veranlassung von Bessels hun­ dertjährigem Geburtstag, in: SchrPhÖG 25, S. 113–134. 1887 Gedächtnisrede auf den am 17. October 1887 verstorbenen Astronomen Eduard Luther, in: ebd. 28, S. 105–110. 1912 Der Mond, 2. Aufl. Leipzig (= Aus Natur und Geisteswelt; 90). 1913 Die Randlandschaften des Mondes, Halle (= Nova Acta. Abh. d. Kais. Leop.­Carol. Dt. Akademie der Naturforscher; IC/1). Franz, Victor 1943 Der Meister und die Meisterschüler. Haeckel und die Hertwig’s in ihrem Briefwechsel, in:

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Friedländer, Ludwig 1905 Erinnerungen, Reden und Studien, Tl. 1, Straßburg. Friedrich, Ernst Ferdinand 1864a Beiträge zur Förderung der Logik, Noetik und Wissenschaftslehre, Bd. I: Der Prospekt ganz und die Introduktion zur größeren Hälfte, Leipzig. 1864b [Anom., Rez. zu Friedrich 1864], in: AprM 1, S. 637–639. Friedrich, Karl 1903 Heidelberger Professoren aus dem 19. Jahr­ hundert. Festschrift der Universität zur Zentenarfeier ihrer Erneuerung, 2 Bde., Heidelberg. Friedwagner, Matthias 1915 Jakob Schipper †, in: Die neueren Sprachen XXIII, S. 65–69. v. Frisch, Karl 1938 Richard von Hertwig. Gedächtnisrede gehalten in der öffentlichen Sitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am 15. Juni 1938, München. Führerlexikon 1934 Das Deutsche Führerlexikon 1934/35, Berlin. Füllkrug, Gerhard 1918a (Hg.) Theologischer Lehrgang für die feld­ graue Geistlichkeit in Ost und West, Leipzig. 1918b Die Kirche und die Theologie auf dem Vormarsch im Osten, in: PrKirchZ 14, Sp. 109–111. Garbe, Richard 1888 Leben der Europäer in Indien, in: Nord und Süd 46, S. 71–101. 1889 Indische Reiseskizzen, Berlin. 1903 Beiträge zur indischen Kulturgeschichte, Berlin. 1914 Indien und das Christentum. Eine Unter­ suchung der religionsgeschichtlichen Zusam­ menhänge, Tübingen. 1917 Die Samkhya­Philosophie. Eine Darstellung des indischen Rationalismus. Nach den Quel­ len, 2., umgearb. Aufl., Leipzig. 1928 [Anonym, Dem Gedächtnis der Professoren DDr. Richard v. Garbe, Wilhelm von Blume …, in: Reden bei der Rektoratsüber­

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Anhang gabe am . Mai 1928 im Festsaal der Universi­ tät], Tübingen, S. 32 f.

Gardthausen, Victor 1925 Selbstdarstellung, in: Die Geschichtswissen­ schaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Leipzig, Bd. II, S. 85–109. Gareis, Carl 1876 Irrlehren über den Cultur­Kampf, Berlin (= Dt. Zeit­ u. Streit­Fragen; 65/66). 1877 Ueber die Bestrebungen der Socialdemokra­ tie, Gießen. 1889 Deutsches Kolonialrecht. Eine Sammlung von Gesetzen und Verordnungen betreffend die deutschen Schutzgebiete, Gießen. 1894 Über die Einführung in das Studium der Rechtswissenschaft. Rede gehalten bei der Übergabe des Rectorats der Königlichen Albertus­Universität zu Königsberg i. Pr. am 15. April 1894, Berlin. 1901 Institutionen des Völkerrechts. Ein kurzge­ faßtes Lehrbuch des positiven Völkerrechts in seiner geschichtlichen Entwicklung und heutigen Gestaltung, 2. Aufl. neu durchge­ arbeitet, Gießen. Garré, Carl 1906 Johannes von Mikulicz, in: Chronik der Kgl. Universität zu Breslau 20, 1905/06, S. 142–149. Gaupp, Ernst 1917 August Weismann. Sein Leben und sein Werk, Jena. Gause, Fritz 1931 Die Russen in Ostpreußen 1914/15. Im Auftrage des Landeshauptmanns der Provinz Ostpreußen bearbeitet, Königsberg. v. Gayl, Wilhelm 1940 Ostpreußen unter fremden Flaggen. Ein Erinnerungsbuch an die ostpreußische Volksabstimmung vom 11. Juli 1920, Königs­ berg. Gelehrte 1910 Deutschlands, Österreich­Ungarns und der Schweiz Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild, 2. Ausgabe, Hannover.

Gennrich, Paul 1898 Der Kampf um die Schrift in der deutsch­ evangelischen Kirche des neunzehnten Jahrhunderts, Berlin. 1917a Dafür halte uns jedermann: Für Christi Die­ ner und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Antrittspredigt des Generalsuperintendenten und 1. Hofpredigers an der Schloßkirche in Königsberg in Preußen, gehalten am 7. Okto­ ber 1917 in der Schloßkirche …, Königsberg. 1917b Festpredigt zur Vierhundertjahrfeier der Reformation im Dom zu Königsberg Pr. am 31. Oktober 1917, Königsberg. 1931 Um Theologie und Kirche. Gesammelte Aufsätze, Königsberg. 1938 Erinnerungen aus meinem Leben, Königsberg (= Jahrbuch der Synodalkommiss. und des Vereins für ostpr. Kirchengeschichte). Gerber, Paul Henry 1891 Grundzüge einer naturgemäßen Jugendbil­ dung, Tübingen. 1907 Die menschliche Stimme und ihre Hygiene. Sieben volkstümliche Vorlesungen, Leipzig (= Aus Natur u. Geisteswelt; 136/Königsber­ ger Hochschulkurse; 5). 1914 Die Syphilis der Unschuldigen. Vortrag [geh. im Zweigverein zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Ostpreußen], Würz­ burg. 1916 Herder und England [Nachdruck aus Kreuz­ zeitung], in: Nr. 502, 25. 10. 1919a [Geheimrat Gerber †], in: KHZ Nr. 480, 13. 10. 1919a [Trauerfeier für Professor Gerber], in: KHZ Nr. 489, 18. 10. Gering, Hugo 1896 Oskar Erdmann. Gedächtnisworte geprochen am 17. Juni 1895 in der Aula der Universität zu Kiel, in: ZsfdtPhilologie 28, S. 228–235. Gerlach, Otto 1890 Über die Bedingungen wirtschaftlicher Thätigkeit. Kritische Erörterungen zu den Vorstellungen von Marx, Knies, Schäffle und Wieser, Habilitationsschrift Breslau 23. Oktober 1890, Jena. 1899 Kant’s Einfluß auf die Sozialwissenschaft in ihrer neuesten Entwicklung. Gedächtnisrede, gehalten in der Kantgesellschaft zu Königs­ berg am 22. April 1899, in: ZsgStw 55, S. 644–663.

Quellen­ und Literaturverzeichnis 1900 1901

1903

1906

1909a 1909b

1911

1913

1915

1918a

1918b

Die Landarbeiterfrage in den östlichen Pro­ vinzen Preußens, in: Zs. f. Socialwissenschaft 3, S. 519–557. Die rechte Stellung des Studenten zur Tages­ politik und zur socialen Frage. Vortrag, gehal­ ten am 11. Januar 1901 in der Eröffnungssit­ zung des Akademisch­volkswirtschaftlichen Vereins an der Albertina, Königsberg. Kant und der Socialismus unter besonderer Berücksichtigung der neueren theoretischen Bewegung innerhalb des Marxismus, in: Zs. f. Socialwissenschaft 6, S. 560–566. Zur Reichsfinanz­Reform. Referat erstattet in der XXXI. General­Versammlung der Verei­ nigung der Steuer­ und Wirtschafts­Reformer zu Berlin am 13. und 14. Februar 1906, Berlin. [Artikel Gerlach, Otto], in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften 3., gänzlich umge­ arb. Aufl, Bd. IV, S. 1227. (Bearb.) Ansiedlungen von Landarbeitern in Norddeutschland. Erhebungen der Deut­ schen Landwirtschafts­Gesellschaft, Berlin (= Arbeiten der DLG; 149). Die Reichs­Finanzreform von 1909, ihr finan­ zieller Erfolg und ihre Belastungen. Referat gehalten in der 36. Generalversammlung der Vereinigung der Steuer­ und Wirtschafts­ Reformer am 21. Februar 1911 zu Berlin, Berlin. (Hg.) Studienkommission für Erhaltung des Bauernstandes, für Kleinsiedlung und Landarbeit. Erster Bericht des Ausschusses C, Jena (= Archiv f. exakte Wirtschaftsforschung, Ergänzungshefte; VIII). [Die Entwicklung und Bedeutung des wirt­ schaftlichen Lebens für unser Vaterland. Rede auf der Eröffnungsfeier der Handelshoch­ schule], in: KHZ Nr. 192, 26. 4. (Hg.) Die Macht­ und Wirtschaftsziele der Deutschland feindlichen Staaten. Vorträge ge­ halten an der Handelshochschule Königsberg i. Pr. von Hermann Oncken, Eduard Meyer, Erich Brandenburg, Hans Uebersberger, Karl Rathgen, Rudolf Stammler, Berlin. Die Landflucht und ihre Bekämpfung durch planmäßige Wohlfahrtsarbeit, in: Die Wohl­ fahrt 11, S. 109–113.

Gerland, E. 1899 Bericht über Carl Hopfs litterarischen Nach­ laß und die darin vorhandene griechisch­frän­ kische Regestensammlung, in: Byzantinische Zeitschrift 8, S. 349–386.

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Gerullis, Georg 1923 Adalbert Bezzenberger, In: Indogermanisches Jahrbuch IX, S. 269–277. 1939 Adalbert Bezzenberger, in: Lebensbilder aus Kurhessen, Bd. I, S. 27–29. Geschichte Universität Bonn 1933 Geschichte der Rheinländischen Friedrich­ Wilhelm[sic]­Universität zu Bonn am Rhein, Bd. II: Institute und Seminare 1818–1933, Bonn. v. Gierke, Julius 1901 Die Geschichte des deutschen Deichrechts, Tl. I, Breslau (= Untersuchungen z. dt. Staats­ u. Rechtsgeschichte; 63). [ND Aalen 1967] 1904 Vertragsfreiheit bei Versicherungsverträgen, Gutachten für den 27. DJT. Verhandlungen des DJT 1904, Bd. II, S. 57–87. 1907 Die Haftpflichtversicherung und ihre Zu­ kunft, in: ZHR 60, S. 1–66. 1915 [Rede zur Jahrhundertfeier der Deutschen Burschenschaft in Königsberg], in: KHZ Nr. 272, 14. 6. 1916a [Rede zur Immatrikulationsfeier SS. 1916], in: KHZ Nr. 210, 5. 5. 1916b [Rede zur Immatrikulationsfeier WS. 1916/17], in: KHZ Nr. 519, 30. 10. 1917 Die Geschichte des deutschen Deichrechts, Tl. II, Breslau (= Untersuchungen z. dt. Staats­ u. Rechtsgeschichte; 128). [ND Aalen 1967] 1918 Die deutsche Hanse. Rede zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs gehalten in der Aula der Königlichen Albertus­Universität zu Königsberg am 27. Ja­ nuar 1918, Stuttgart. Giesebrecht, Friedrich 1897 Die Berufsbegabung der Alttestamentlichen Propheten, Göttingen. 1900 Die Geschichtlichkeit des Sinaibundes, unter­ sucht von …, Königsberg. 1901 Die alttestamentliche Schätzung des Gottes­ namens und ihre religionsgeschichtliche Grundlage, Königsberg. 1902 Der Knecht Jahves des Deuterojesaia, Königs­ berg. 1903 Friede für Babel und Bibel, Königsberg. 1908 Die Grundzüge der israelitischen Religions­ geschichte, 2. Aufl. Leipzig (= Aus Natur und Geisteswelt; 52).

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Anhang

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1886

673

A. G., 7., neu bearb. Aufl., Bd. I, Hamburg/ Leipzig. Lehrbuch der Physiologie für akademische Vorlesungen und zum Selbststudium, begr. v. Rudolf Wagner u. Otto Funke, neu hg. v. A. G., 7., neu bearb. Aufl., Bd. II, Ham­ burg/Leipzig.

Gundlach, Franz 1927 Catalogus Professorum Academiae Marbur­ gensis. Die akademischen Lehrer der Philipps­ Universität in Marburg von 1527 bis 1910, Marburg (= Veröff. Hist. Komm. f. Hessen u. Waldeck; XV). v. Gutschmid, Alfred 1876 Neue Beiträge zur Geschichte des Alten Orients. Die Assyriologie in Deutschland, Leipzig. 1888 Geschichte Irans und seiner Nachbarländer von Alexander dem Großen bis zum Unter­ gang der Arsaciden. Mit einem Vorwort von Th. Nöldeke, Tübingen. 1889 Kleine Schriften I, hrg. v. Franz Rühl, Leipzig. 1890 Kleine Schriften II: Schriften zur Geschichte und Literatur der semitischen Völker und zur ältesten Kirchengeschichte, Leipzig. 1892 Kleine Schriften III: Schriften zur Geschichte und Literatur der nichtsemitischen Völker von Asien, Leipzig. 1893 Kleine Schriften IV: Schriften zur griechi­ schen Geschichte und Literatur, Leipzig. 1894 Kleine Schriften V: Schriften zur römischen und mittelalterlichen Geschichte und Litera­ tur, Leipzig. Haendcke, Berthold 1899 Die Chronologie der Landschaften Albrecht Dürer’s, Straßburg (= Studien z. dt. Kunstge­ schichte; 19). 1903 Studien zur Geschichte der Sächsischen Plastik der Spätrenaissance und Barock­Zeit, Dresden. 1908 Deutsche Kunst im täglichen Leben bis zum Schluße des 18. Jahrhunderts, Leipzig. 1913 Entwicklungsgeschichte der Stilarten. Ein Handbuch, Bielfeld/Leipzig. 1915a [Deutschland und England. = Teilabdruck des Aufsatz: Die Stellung Deutschlands unter den Völkern, in: März, 1. Heft 1915], in: KHZ Nr. 17, 12. 1. 1916a Die bildenden Künste nach 1870/71 und 1914/16, in: Der Tag (A) Nr. 117, 118, 19./ 20. 5.

674

Anhang

1916b Kunstgeschichtliches aus den russischen Ost­ seeprovinzen, in: Der Tag (A) Nr. 166, 167, 18. 7., 19. 7. 1916c Deutschlands Historienmalerei von etwa 1815 bis etwa 1915, in: Der Tag (A) Nr. 265, 266 10, 11. 11. 1917a Die „germanischen“ Völker und die italie­ nische Renaissance, in: Der Tag (A) Nr. 3 u. 4, 5., 6. 1. 1917b Martin Luther und die Künste, in: Der Tag (A) Nr. 53 u. 54, 4. u. 6. 3. 1917c Das „Bismarckdenkmal“, in: Der Tag (A) Nr. 94, 24. 4. 1917d Martin Luther im Bildnissen, in: Der Tag (A) Nr. 120, 25. 5. 1917e Die deutsche Baukunst im 19. Jahrhundert. Ein Spiegel politisch­sozialer und wirtschaft­ licher Entwicklung, in: Der Tag (A) Nr. 143, 144 u. 146, 22., 23. u. 26. 6. 1917f Krieg, Geld und bildende Kunst, in: Der Tag (A) Nr. 176 und 177 31. 7. und 1. 8 1917g Das amerikanische Haus und wir, in: Der Tag Nr. 212 und 213, 11. und 12. 9. 1917h Der türkische Wohnungsbau, in: Der Tag (A) Nr. 299, 22. 12. 1918 Das Marinebild. Ein Zeitbild von etwa 1814 bis etwa 1914, in: Der Tag (A) Nr. 53, 3. 3. 1925 (u. a. ) Lovis Corinth dem Ostpreußen, Königsberg. 1942 Germanien und das Morgenland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine kunstge­ schichtlich­handelsgeschichtliche Untersu­ chung, Leipzig. Hagen, Ernst August 1833/40 Künstler­Geschichten, Bd. 1–4, Leipzig. 1853 Geschichte des Theaters in Preußen, vornämlich der Bühnen in Königsberg und Danzig von ihren ersten Anfängen bis zu den Gastspielen J. Fischer’s und L. Devrient’s, Königsberg. 1857 Die deutsche Kunst in unserem Jahrhundert, 2 Theile, Berlin. 1863 Max von Schenkendorf ’s Leben, Denken und Dichten: unter Mittheilungen aus seinem schriftstellerischen Nachlaß dargestellt, Ber­ lin. 1897 [August Hagen. Eine Gedächtnisschrift zu seinem hundersten Geburtstage 12. April 1897], Berlin. Hahn, Friedrich 1883 Insel­Studien. Versuch einer auf orogra­ phische und geologische Verhältnisse gegrün­

1887

1891 1901

1905 1907 1913 1915

deten Eintheilung der Inseln. Mit einer Karte in Farbendruck, Leipzig. Die Klassiker der Erdkunde und ihre Bedeu­ tung für die geographische Forschung der Ge­ genwart, in: Hirschfeld 1887 (Hg.), S. 213– 242. [Geographischer Lehrapparat] Königsberg, in: Geogr. Jb. 14, S. 446–448. Afrika. Zweite, nach der von Prof. Dr. Wilhelm Sievers verfaßten ersten Auflage umgearbeitet und erneuert, Leipzig/Wien (= Allgemeine Länderkunde; 1). Die Eisenbahnen. Ihre Entstehung und ge­ genwärtige Verbreitung, Leipzig (= Aus Natur u. Geisteswelt; 71). Die Entstehung der Bevölkerung Ostpreu­ ßens. Begleitworte zur Nationalitätenkarte von Ostpreußen, in: Deutsche Erde 6, S. 2–7. Ostelbien, in: Petermanns Geogr. Mitteilun­ gen 55/2, S. 193 f. Frankreichs Eigenart, in: Geogr. Zs. 21, S. 361–372.

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1891 1894

1896 1912 1919

675

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Hatvany, Ludwig 1908 Die Wissenschaft des nicht Wissenswerten. Ein Kollegienheft, Leipzig. Hausrath, August 1937 Otto Immisch †, in: HG 48, S. 1–3. Heine, Bernhard 1904 Operationen am Ohr. Die Operationen bei Mittelohreiterungen und ihren intrakraniellen Complicationen. Für Ärzte und Studierende, Berlin. Heinrici, Georg 1909 Nekrolog auf Max Heinze gesprochen in der öffentlichen Gesamtsitzung beider Klassen am 14. November 1909, Leipzig (=Berichte über d. Verhandl. d. Kgl. Sächs. Gesell. d. Wissen­ schaften, Phil.­hist. Kl. 61, 3), S. 209–234. Heinze, Max 1872 Die Sittenlehre des Descartes. Vortrag gehal­ ten behufs der Habilitation in der Philoso­ phischen Facultät der Universität Leipzig, Leipzig. 1876 Friedrich Ueberweg’s Grundriß der Philoso­ phie, Tl. I: Das Alterthum, 5., mit einem Phi­ losophen­ und Litteratoren­Register versehene Ausgabe bearbeitet u. hg. von M. H., Berlin. 1877 Friedrich Ueberweg’s Grundriß der Philoso­ phie, Tl. II: Die mittlere oder die patristische und scholastische Zeit, 5., mit einem Philo­ sphen­ und Litteratoren­Register versehene Ausgabe bearbeitet u. hg. von M. H., Berlin. 1906 [Philosophische Abhandlungen. Max Heinze zum 70. Geburtstage gewidmet von Freunden und Schülern], Berlin.

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Anhang

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Hintze, Otto 1900 Rez. zu Prutz 1900a, in: FBPrG 13, S. 276– 280. 1901 Rez. zu Prutz 1901, in: ebd. 14, S. 322–325. 1903 Rez. zu Prutz 1902, in: ebd. 16, S. 304–306. Hirsch, August 1929–30 (Hg.), Biographisches Lexikon der her­ vorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, Bd. I–V, 2. Aufl. Berlin/Wien. Hirschberg, Julius 1918 Geschichte der Augenheilkunde: Die Reform der Augenheilkunde, in: A. Graefe/Th. Sae­ misch (Hg.), Handbuch der gesamten Augenheilkunde, 2., neu berab. Aufl., Berlin, Bd. XV/1. Hirschfeld, Gustav 1877 Olympia, in: Dt. Rundschau XIII, S. 286– 324. 1885 Gedächtnisrede auf Karl Zöppritz, gehalten am 10. April 1885 vor der Geographischen Gesellschaft zu Königsberg. Als Ms. gedruckt auf Veranlassung und Kosten der Königsber­ ger Geogr. Gesellschaft, Königsberg. 1887 (Hg.) Königsberger Studien. Historisch­ philologische Untersuchungen, Heft 1, Königsberg. 1889 Preußen und die Antike, in: Nord und Süd 48, S. 297–321. 1891a Zur Umgestaltung des erdkundlichen und naturwissenschaftlichen Unterrichts, in: Zs. f. Schulgeographie 12, S. 68–77. 1891b Zur praktischen Gestaltung des geogra­ phischen Unterrichts an den Gymnasien, in: ebd., S. 257–261. 1891c Noch einmal der erdkundliche Unterricht, in: ebd., S. 261–265. 1891d Korfu, in: Universum. Illustrirte Zeitschrift für die Deutsche Familie VII/2, Sp. 2159– 2172. 1893a (Hg.), Helmuth von Moltke, Briefe über Zu­ stände und Begebenheiten in der Türkei aus

Hittcher, Karl 1899 Milchviehzucht auf Leistung! Kurzgefaßter Bericht über die Untersuchung der Milch von 63 Kühen der Herde in Kleinhof­Tapiau. Für praktische Landwirte, Berlin. 1914 Bericht über die Versuche in der Molkerei­ genossenschaft Bartenstein i. Pr., in: A. Burr (Hg.), Versuche über Rahmlieferung an Molkereien, Berlin (= Berichte über Land­ wirtschaft; 35), S. 32–58. Hönig, J. 1921 Ferdinand Gregorovius, der Geschichtsschrei­ ber der Stadt Rom. Mit Briefen an Cotta, Franz Rühl und andere, Stuttgart. Hoffmann, Otto 1889 Die Neugestaltung des griechischen Unter­ richts, besonders des Elementarunterrichts, Göttingen. 1891 Die Griechischen Dialekte in ihrem histo­ rischen Zusammenhange mit den wichtigsten ihrer Quellen, Bd. 1: Der süd­achäische Dialekt, Göttingen. 1893 Die Griechischen Dialekte …, Bd. 2: Der nord­achäische Dialekt, Göttingen. 1898a Die Griechischen Dialekte…, Bd. 3: Der ionische Dialekt. Quellen und Lautlehre. Als Anhang ein Wort der Entgegnung, Göttingen. 1898b Volkstümliches aus dem preussischen Littauen, in: Mitt. d. schles. Gesellschaft für Volkskunde, 6, S. 1–10. 1906 Die Makedonen. Ihre Sprache und ihr Volks­ tum, Göttingen. Hoffmann, Richard Adolf 1897 Was versteht man unter wissenschaftlicher Bibelforschung? Königsberg. 1898 Was hat Sudermann im ‚Johannes‘ gewollt, was erreicht? Vortrag, gehalten in dem Dramatischen Leseklub zu Königsberg i. Pr., Königsberg.

678

Anhang

1904

Das Marcusevangelium und seine Quellen. Ein Beitrag zur Lösung der Urmarcusfrage, Königsberg. 1909 Kant und Swedenborg, Königsberg. 1910 Gott und Natur, in: Religion und Geisteskul­ tur 2, S. 97–107. 1920 August Dorner zum Gedächtnis, in: Prot. Monatshefte 24, S. 121–123. 1921a Das Geheimnis der Auferstehung Jesu, Leip­ zig. 1921b Besitz und Recht in der Gedankenwelt des Urchristentums, in: Religion und Sozialismus. Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier der evangelisch­theologischen Fakultät in Wien, hg. vom Professorenkollegium, Berlin­Lich­ terfelde, S. 41–63. 1934 Das Gottesbild Jesu, Hamburg. Hofmann, Franz Bruno 1914 Ludimar Hermann. Nach einer am 24. Juni 1914 in der Aula der Albertus­Universität zu Königsberg i. Pr. gehaltenen Gedächtnisrede, Jena (= Slg. anat. u. physiol. Vorträge u. Aufsätze; H. 27). Holldack, Felix 1907 Zwei Grundsteine zu einer Grusinischen Staats­ und Rechtsgeschichte, Leipzig. 1908 Die kilikischen Handelsprivilegien der Repu­ bliken Genua und Venedig. Ein Hinweis zur Geschichte des Völkerrechts im XIII. Jahr­ hundert, in: ZfV II, S. 400–411. 1911 Von der Idealität des dualistischen Prinzips in der Strafe, Breslau. Holstein, Günther 1928 Die Grundlagen des evangelischen Kirchen­ rechts, Tübingen. Hopf, Carl 1859 Veneto­byzantinische Analekten, Wien [ND: Amsterdam 1964]. 1867/68 Geschichte Griechenlands vom Beginn des Mittelalters bis auf unsere Zeit, in: Ersch­ Grubersche Enzyklopädie I. Sek., Tl. 85, S. 67–465, Tl. 86, S. 1–190. 1870 Die Einwanderung der Zigeuner in Europa. Ein Vortrag, Gotha. Hubrich, Eduard 1891 Das Recht der Ehescheidung in Deutschland. Mit einem Vorwort von Philipp Zorn, Berlin. 1899 Die parlamentarische Redefreiheit und Dis­ ciplin. Auf der Grundlage von Rechtsverglei­

1902a 1902b 1903 1904a

1904b 1905a 1905b 1907 1913

1921

chung und Rechtsgeschichte dargestellt nach deutschem Recht, Berlin. Deutsche Worte. Was ist konservativ? Die na­ tionale Bedeutung des Zolltarifs, Königsberg. Die Diätenfrage im Reichstag und das allgemeine Wahlrecht. Vom Standpunkt eines Conservativen beleuchtet, Königsberg. Die Sprachenfreiheit in öffentlichen Ver­ sammlungen nach preußischem Recht. Ein Gutachten zur Polenfrage, Königsberg. Die reichsgerichtliche Judikatur über den Gesetzes­ und Verordnungsbegriff nach preußischem Staatsrecht, in: Annalen des Deutschen Reichs 37, S. 770–786, 801–864, 911–923. Zur preußisch­polnischen Sprachenfrage, in: Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts 48, S. 570–590. Deutsches Fürstentum und deutsches Ver­ fassungswesen, Leipzig/Berlin (= Aus Natur u. Geisteswelt; 80). Das Reichsgericht über den Gesetzes­ und Verordnungsbegriff nach Reichsrecht, Berlin. Beiträge zum preußischen Unterrichtsrecht, in: Annalen des Deutschen Reichs 40, S. 16–26, 81–114. Deutsches Verfassungsrecht in geschichtlicher Entwicklung, [= 2. veränd. Aufl. Hubrich 1905], Leipzig/Berlin (= Aus Natur u. Gei­ steswelt; 80). Das demokratische Verfassungsrecht des deutschen Reiches. Ein Lehrbuch, Greifswald.

Hübner, Emil 1887 H. Jordan †, Berlin (= Sonderabdruck aus Wochenschrift für klassische Philologie). v. Huene, F. 1912 Ernst Koken †, in: Neues Jb. f. Mineralogie, Geologie u. Paläontologie 1912/II, S. I–XIII. Ilse, Leopold Fr. 1861 Geschichte der deutschen Bundesversamm­ lung, insbesondere ihres Verhaltens zu den deutschen National­Interessen, Bd. I, Mar­ burg. (ND Hildesheim 1971) Immich, Max 1898 (Bearb.) Zur Vorgeschichte des Orlean’schen Krieges. Nuntiarturberichte aus Wien und Paris 1685–1688 nebst ergänzenden Akten­ stücken, hg. von der Badischen Historischen Kommission, bearbeitet von M. I., Heidel­ berg.

Quellen­ und Literaturverzeichnis 1905

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Jacobson, Julius 1894 Briefe an Fachgenossen. Nach seinem Tode herausgegeben [von Margarethe Quidde, geb. Jacobson], Königsberg (= Gesammelte Briefe; 2). Jacoby, Hermann 1869 Zwei evangelische Lebensbilder aus der ka­ tholischen Kirche [Fürstin Gallitzin, Sailer], Bielefeld. 1871a Die Liturgik der Reformation, Bd. I: Einlei­ tung. Liturgik Luthers, Gotha. 1871b Die Grenzen der weiblichen Bildung, Güters­ loh. 1877 Das geistige Leben Königsbergs in der Zeit des dreißigjährigen Krieges, in: Grenzboten 36/3, S. 121–139. 1884 Allgemeine Pädagogik auf Grund der christ­ lichen Ethik, Gotha. 1890 Das ewige Leben, in: Deutsch­evangelische Blätter 15, S. 361–380. 1893 Die Erziehung in ihrer Bedeutung für das sociale Leben, in: Deutsch­evangelische Blät­ ter 18, S. 357–377. 1895 Der Werth des menschlichen Lebens, in: ebd. 20, S. 645–665. 1899 Neutestamentliche Ethik, Königsberg. Jaffé, Max 1891 Zur Erinnerung an Heinrich Jacobson, in: BerlKlinW 28, S. 42– 44. 1901 [Chemische und medicinische Untersu­ chungen. Festschrift zur Feier des sechzigsten Geburtstages von Max Jaffé], Braunschweig. Jahn, Gustav 1866 Kritik der synoptischen Evangelien, in: Zur öffentlichen Prüfung der Zöglinge des Cöl­ nischen Real­Gymnasiums, welche Montag, den 26. März 1866 […] stattfindet, ladet ergebenst Dr. E. F. August, Director und Professor. Voran eine Abhandlung des ord. Lehrers Jahn …, Berlin, S. 1–33. 1882/86 Ibn Jaîś Kommentar zu Zamachśarî’s Mufas.s.al: nach den Handschriften zu Leipzig, Oxford, Constantinopel und Cairo, Leipzig auf Kosten der Deutschen Morgen­ ländischen Gesellschaft hg. und mit Registern und Erläuterungen versehen, (ND Hildes­ heim 2004 =Documenta Arabica; 2). 1895 Sîbawaihi’s Buch über die Grammatik, über­ setzt und erklärt, Bd. I/1–2, Berlin. 1900 Sîbawaihi’s Buch über die Grammatik, über­ setzt und erklärt, Bd. II/1–2, Berlin.

680

Anhang

Jantzen, Hermann 1922 Max Kaluza [mit einer von Th. Kaluza erstellten Bibliographie], in: Zs. f. frz. u. engl. Unterricht XXI, S. 1–14. Jastrow, Ignaz 1886 Nitzsch, Karl Wilhelm, in: ADB XXIII, S. 730–742. Jentzsch, Alfred 1890 Rez. zu Bezzenberger 1889, in: AprM 27, S. 157–161. 1892 Führer durch die Geologischen Sammlungen der Physikalisch­Oekonomischen Gesellschaft zu Königsberg. Mit 75 Textabbildungen und zwei Tabellen enthaltend eine Übersicht der Geologie Ost­ und Westpreußens, Königs­ berg. Jess, Adolf 1925 Adolf Vossius †, in: Klin. Monatsblätter für Augenheilkunde 75, S. 190–192. Jessner, Samuel 1893 Compendium der Hautkrankheiten ein­ schließlich der Syphilide und Cosmetik. Für Studierende und Ärzte, Königsberg. Jonas, Richard 1906 Karl Rosenkranz, Leipzig (= Sammlung „Meister“; 15). Jötten, K. W. 1936 /u. a., Bibliographie Karl Kißkalt, in: Archiv f. Hygiene 115, S. 128–134. Jordan, Henri 1868 Die Kaiserpaläste in Rom, Berlin. 1879 Kritische Beiträge zur Geschichte der lateini­ schen Sprache, Berlin. 1886 [Worte der Erinnerung an Professor Dr. Henri Jordan geb. 30. Sept. 1833, gest. 10. Nov. 1886. Als Ms. gedruckt], Königs­ berg. Judeich, Walther 1892 Kleinasiatische Studien. Untersuchungen zur griechisch­persischen Geschichte des IV. Jahr­ hunderts v. Chr., Marburg (ND Hildesheim 1987). 1905 Topographie von Athen, München (= Hdb. d. Klass. Altertums­Wiss.; III,2,2). 1930 ,Der Reichsgedanke im Altertum‘, Rede bei der von der Universität Jena veranstalteten

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682

Anhang

Kißkalt, Karl 1912a Arme, in: M. Rubner/M. v. Gruber (Hg.), Handbuch der Hygiene, Bd. IV/1, Leipzig, S. 219–244. 1912b Gefängnisse, in: ebd., S. 245–267. 1919a Einführung in die Medizinalstatistik in prak­ tischen Übungen, zur Benutzung in Kursen und zum Selbstunterricht, Leipzig. 1919b Die Sterblichkeit in Königsberg i. Pr., insbesondere an Ruhr und pandemischer Influenza in den Jahren 1781 bis 1783, in: Zs. f. Hygiene und Infektionskrankheiten 89, S. 109–144.

Knoke, Paul 1901 Das Recht der Gesellschaft nach dem Bürger­ lichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Jena.

Kissner, Alfons 1922 (Hg. u. übersetzt) Ludovico Ariosto, Sämt­ liche poetische Werke, Bd. I–IV, Berlin.

Koehler, Otto 1920 Richard Hertwigs Kleines zoologisches Praktikum, in: Die Naturwissenschaften 8, S. 780–782. 1930 Maximilian Braun zum Gedächtnis, in: Zool. Jbb. 48, 1930/31, S. I–XXXVI.

Kjerbüll-Petersen, Lorenz 1922 Zur Erinnerung an Konrad Lange, in: Zs. f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 16, S. 210–216. Klein, Peter 1912 Die Rechtshandlungen im engeren Sinne. Eine Untersuchung auf dem Gebiete des deutschen bürgerlichen Rechts, München (= Abh. z. Privatrecht u. Zivilprozeß des Dt. Reiches; XXV/2). 1918a Internationalprivatrechtliche Rundschau (1915–1916),Tl. 1+2, in: ZfV X, S. 141–165, 586–631. 1918b Rez. A. Curti, Der Handelskrieg von Eng­ land, Frankreich und Italien gegen Deutsch­ land und Österreich­Ungarn, in: ebd., S. 475 f. Klett, Ada M. 1939 Der Streit um ‚Faust II‘ seit 1900, Jena (= Jenaer German. Forschungen; 33). Klieneberger, Otto 1913 Encephalomyelitis nach Pocken (zugleich ein Beitrag zur Erkrankung der Drüsen mit inne­ rer Sekretion), in: ArchPsych 50, S. 632–639. 1927 Psyche und innere Sekretion, Halle (= Slg. zwangloser Schr. aus d. Gebiete d. Verdau­ ungs­ u. Stoffwechselkrankheiten; X/5). Klotz, Alfred 1939 Otto Immisch. geboren 18. Juni 1862, gestor­ ben 29. Oktober 1936, in: BioJbAltertums­ kunde 266, S. 1–20.

Knopf, Rudolf 1904 Grau, Rudolf Friedrich, in: ADB 49, S. 513–515. Kögel, Gottfried 1893 Rudolf Kögel. Sein Werden und Wirken, Bd I: 1829–1854, Berlin. 1901 Rudolf Kögel …, Bd. II: 1854–1872, Berlin.

Koellreutter, Otto 1916 Rez. zu Mendelssohn­Bartholdy, Der Kriegs­ begriff des englischen Rechts, in: ZfV IX, S. 426 f. Körte, Alfred 1919 Max Leberecht Strack. Geb. den 9. Septem­ ber 1867, gest. den 10. November 1914, in: BioJbAltertumskunde 39, S. 1–16. 1937 Otto Immisch †, in: Gnomon 13, S. 60–64. Köster, Heinz 1941 Die Westfälische Wilhelms­Universität zu Münster während des Weltkrieges und der Novemberrevolution, Phil. Diss. Münster. Kohlrausch, Eduard 1904 Über deskriptive und normative Elemente im Vergeltungsbegriff des Strafrechts, in: Zur Erinnerung an Immanuel Kant. Abhand­ lungen aus Anlaß der hundersten Wiederkehr des Tages seines Todes, hg. v. d. Universität Königsberg, Halle, S. 267–284. v. Koken, Ernst 1893 Die Vorwelt und ihre Entwickelungsge­ schichte, Leipzig. 1896 Die Eiszeit. Antrittsrede bei Übernahme der ordentlichen Professur der Geologie und Mineralogie an der Hochschule zu Tübin­ gen am 21. November 1895 im Festsaal des Universitätsgebäudes, Tübingen.

Quellen­ und Literaturverzeichnis 1902

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Kolde, Theodor 1910 Die Universität Erlangen unter dem Hause Wittelsbach 1810 bis 1910. Festschrift zur Jahrhundertfeier der Verbindung der Friderico­Alexandrina mit der Krone Bayern, Erlangen/Leipzig (ND Erlangen 1991). Kornemann, Ernst 1934 Staaten – Völker – Männer, Leipzig (= Erbe der Alten; 2. Reihe, XXIV). 1943 Gestalten und Reiche. Essays zur alten Ge­ schichte, Bremen (= Slg. Dieterich; 107). Kowalewski, Arnold 1898 Prodromos. Eine Kritik der erkenntnistheore­ tischen Vernunft, Leipzig. 1904 Studien zur Psychologie des Pessimismus, Wiesbaden. 1905 Moltke als Philosoph, Bonn. 1908 Arthur Schopenhauer und seine Weltanschau­ ung, Halle. Kraft, Georg 1926 Erinnerungen an Johannes von Mikulicz und Karl Schönborn. Aus den Jugendtagen der modernen Chirurgie, Leipzig. Kraus, Herbert 1921 Wolzendorff, Kurt, in: DBJ 3, S. 278–281. Krause, Gottlieb 1905 Rudolf Reicke. Ein Bild seines Lebens und Schaffens, Königsberg. Krauske, Otto 1892 Preußische Staatsschriften aus der Regierungs­ zeit König Friedrichs II., Berlin. 1905 (Hg.), Die Briefe König Friedrich Wilhelms I. an den Fürsten Leopold zu Anhalt­Dessau 1704–1740, Berlin. 1910 Skizzen vom Berliner Hofe am Anfang des siebenjährigen Kriegs, in: Historische Auf­ sätze. Karl Zeumer zum 60. Geburtstag als Festgabe […] Weimar, S. 311–327. 1914a Die englische Larve und das englische Joch, in: KHZ Nr. 515, 3. 11. [Leitartikel]

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1914b [Vom deutschen Krieg. Rede auf der Fest­ sitzung des Königsberger Lehrervereins], in: KHZ Nr. 594, 19. 12. 1915a [Rede zur Festsitzung des Königsberger Lehrervereins am 18. Dezember 1914], in: LZOW 46, S. 4 f. 1915b Vom deutschen Kriege, in: ebd., S. S. 9–11 1915c [Friedrich I., Kurfürst von Brandenburg. Vor­ trag vor dem Verein für die Geschichte von Ost­ und Westpreußen], in: KHZ Nr. 28, 18.1. 1915d [Verfassungspläne und Konflikte in Preußen seit 1861. Vortrag Festsitzung der KglDG], in: KHZ Nr. 29, 19. 1. 1915e [Zur Charakteristik der englischen Ge­ schichte. Universitätsvorträge zu caritativen Zwecken], in: KHZ Nr. 220, 12. 5. 1915f [Das Hohenzollernjubiläum. Die Univer­ sitätsfeier. Rede Krauske], in: KT Nr. 248, 22. 10. 1915g [Festsitzung des Königsberger Lehrervereins. Festrede: Von deutscher Art], in: KT v. 16. 12. 1916a Von deutscher Art. Vortrag, gehalten … in der Festsitzung des Königsberger Lehrerver­ eins am 14. Dezember 1915, Königsberg. 1916b Von deutscher Art, in: LZOW 47, S. 7–9 1916c Generalfeldmarschall von Hindenburg, in: OstprW 8, 1915/16, Beilage zum 50. Militär­ jubiläum v. Hindenburgs am 7. 4. 1916. 1916d [Friedrich der Große und die Arbeit seines Lebens. Vortrag zum Besten des Akade­ mischen Hilfsbundes], in: KHZ Nr. 293, 25. 6. 1916e Geschichte der russischen Zeitungszensur in Tilsit, in: Brackmann 1916b, S. 71–77. 1916f Vom Durchhalten, in: LZOW 47, S. 559– 561. 1916g [Vom Durchhalten. Vortrag Festsitzung Kö­ nigsberger Lehrerverein], in: KHZ Nr. 596, 20. 12. 1917a Der Tataren­Einfall in Preußen während des schwedisch­polnischen Krieges 1656 und 1657, in: KHZ Nr. 120, 13. 3. 1917b [König Wilhelm I. und Bismarck. Vortrag vor dem Kaufmännischen Verein], in: KT Nr. 60, 13. 3. 1917c Friedrich der Große im Siebenjährigen Krieg, in: KHZ Nr. 130, 18. 3. 1917d Friedrich der Große im Siebenjährigen Kriege, in: KT Nr. 65, 18. 3. 1917e [Kant­Gedächtnisfeier in der Albertina. Fest­ rede Krauske], in: KT Nr. 94, 24. 4. 1917f Ostpreußens Geschichte , in: Lpz. Illustr. Nr. 890 v. 16. 6.

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Anhang

1917g [Aus der Kronprinzenzeit Friedrich Wil­ helms I.], in: Sitzungsberichte des Vereins für die Geschichte von Ost­ und Westpreußen für die Jahre 1915–1916 und 1916–1917, S. 16–18. 1917h Preußens Geschichte, in: Illustrirte Zeitung Nr. 3860 v. 21. 6., S. 4 f. 1918 [Anzeige Reichsdeutsche Waffenbrüderliche Vereinigung. Einladung zum Vortrag Paul Rohrbach, Unterzeichn. ORR Hoffmann, M. Schulze, Krauske, Batocki, Dirichlet, Brünneck, Gramsch, Körte, Tiessen, Wyne­ ken], in: KT Nr. 214, 12. 9. 1919a [Titelbild: Geheimrat Krauske], in: OstprW 12, S. 29. 1919b [Otto Krauske zum 60. Geburtstag. Von einem seiner Schüler], in: ebd., S. 31–33. Krauspe, Carl 1942 Nachruf auf Carl Kaiserling, in: Zentralblatt f. Allg. Pathologie u. Path. Anatomie 80, S. 49–52. Kriegsmann, Hermann 1912 Einführung in die Gefängniskunde, Heidel­ berg (= Bibliothek der Kriminalistik; 1). Kroll, Wilhelm 1916 Richard Wünsch. Geb. 1. Juni 1869, gest. 17. Mai 1915, in: BiogJbAltertumskunde 38, 1916/18, S. 1–11. Krollmann, Christian, 1929 Hans Prutz †, in: Mitt. VGWO 3, S. 52. 1930 Otto Krauske †, in: Mitt. VGOW 5, Nr. 2, S. 17–19. 1932 Politische Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen, Königsberg. Krückmann, Emil 1914 Über Schiessbrillen. Berichte, erstattet am 26. Juli 1913 in der Sitzung des Wissen­ schaftlichen Senats bei der Kaiser Wilhelms­ Akademie für das militärärztliche Bildungs­ wesen, Berlin (= Veröff. aus dem Gebiet des Militär­Sanitätswesens; 58), S. 3–19. Krüger, Paul 1925 Selbstdarstellung, in: Die Rechtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Leipzig, Bd. II, S. 153–169.

Krueger, Theodor 1920 Dem Gedächtnis August Dorners, in: KHZ Nr. 192, 24. 4. Kruse, Walther 1903 Entartung, in: Zs. f. Socialwissenschaft 6, S. 359–376, 411–434. 1910 Allgemeine Mikrobiologie. Die Lehre vom Stoff­ und Kraftstoffwechsel der Kleinwesen. Für Ärzte und Naturforscher dargestellt, Leip­ zig. 1914 Grundlagen der Volksgesundheit. Eine akade­ mische Rede, Leipzig. 1922 Sparsame Ernährung. Nach Erhebungen im Krieg und Frieden, Dresden (= Schr. d. Lingnerstiftung; 1). 1929 Die Deutschen und ihre Nachbarvölker. Neue Grundlegung der Anthropologie, Rassen­, Völker­, Stammeskunde und Konstitutions­ lehre nebst Ausführungen zur deutschen Rassenhygiene, Leipzig. Kuck, Johannes 1909 Die Siedlungen im westlichen Nadrauen. Mit einer Volksdichtekarte, Leipzig (= Phil. Diss. AUK). v. Kügelgen, Constantin Wilhelm 1894 Rudolf Grau, ein akademischer Zeuge der lutherischen Kirche, München. Kühl, Ernst 1890 Die Heilsbedeutung des Todes Christi. Biblisch­theologische Untersuchung, Berlin. 1907 Das Selbstbewußtsein Jesu, Gr.Lichterfelde­ Berlin (= Bibl. Zeit­ u. Streitfragen; III. Ser./ H. 11–12). Kühner, Martin/Morgen, Herbert 1934 Freiherr von der Goltz – der Betriebswissen­ schaftler und Agrarhistoriker (1836–1907), in: Dies.: Pflügende Hand – forschender Geist. Lebensbilder denkwürdiger Bahnbre­ cher und Führer des Nährstandes, Berlin, S. 149–159. Kuhnert, Ernst 1926 Geschichte der Staats­ und Universitätsbi­ bliothek zu Königsberg. Bd. 1: Von ihrer Begründung bis zum Jahre 1810, Leipzig. 1934 Fritz Milkau 1859–1934. Ein Nachruf, in: ZfB 51, S. 167–172.

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686

Anhang

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Lettau, R. 1933 Die kommende deutsche Volksgemeinschaft auf Grund des Glaubens, Hamburg. Lexis, Wilhelm 1904 Die Universitäten im Deutschen Reich, Ber­ lin (= Das Unterrichtswesen im Deutschen Reich; I). v. Leyden, Ernst 1910 Lebenserinnerungen. Hg. von seiner Schwester Clarissa Lohde­Boetticher, Stutt­ gart/Leipzig. Lezius, Friedrich 1889 Die Lebenskraft der lutherischen Kirche in Gestalt der Freikirche, illustrirt an der Geschichte der Missouri­Synode, in: Mitthei­ lungen und Nachrichten für die ev. Kirche in Rußland 45, S. 297–316. 1890 Rez. zu A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands II./2: Auflösung der Reichskir­ che, in: ebd. 46, S. 439–444. 1891a [anonym.], Vom politischen Genius. Lese­ früchte aus Luthers Schriften, in: Balt. Mssch. 38, S. 220–231. 1891b Luthers Stellung zur türkischen Weltmacht, in: ebd., S. 263–280. 1891c Rez. v. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. IV, in: Mittheilungen und Nachrichten für die ev. Kirche in Ruß­ land 47, S. 238–240. 1892a Die Anbetung Jesu neben dem Vater. Ein Beitrag zu Luthers Gebetslehre, Dorpat. 1892b Rez. zu J. F. A. de la Roi, Die evangelische Christenheit und die Juden, unter dem Gesichtspunkt der Mission geschichtlich betrachtet, Bd. I, 1884, in: ebd., S. 267–282. 1892c Rez. zu Tilemann Heshusius, „Wer Gewalt, Fug und Recht habe, Prediger zu berufen“ [Nachdruck von 1561], in: ebd., S. 555–568. 1895a Zur Charakteristik des Religiösen Stand­ punktes des Erasmus, Gütersloh. 1895b Gleichheit und Ungleichheit. Aphorismen zur Theologie und Staatsanschauung Luthers, in: Greifswalder Studien. Theologische Abhand­ lungen. Hermann Cremer zum 25jährigen Professorenjubiläum dargebracht, Gütersloh, S. 285–326. 1898 Luthers Stellung zu den sozialen Fragen seiner Zeit, in: Die Verhandlungen des 9. Ev.­ sozialen Kongresses abgehalten in Berlin am 2. und 3. Juni 1898, Göttingen, S. 8–27.

Quellen­ und Literaturverzeichnis 1900

1914 1915 1916 1918

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687

1900

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688

Anhang

Lowositz, J. B. 1844 Der Thalmud und seine Beurtheilung. Ein Beitrag zur Verständigung, in: Preuß. Provinzial­Blätter N. F., S. 66–84.

1885

Lubinski, H. 1928 Richard Pfeiffer zum 27. März 1928, in: MMW 75, S. 524 f.

1889

Ludwich, Arthur 1873 Beiträge zur Kritik des Nonnos von Panopo­ lis, Königsberg. 1884 Aristarchs homerische Textkritik nach dem Fragmenten des Didymos dargestellt und beurtheilt, Erster Theil, Leipzig. 1891 Rudolf Prinz, geb. am 14. März 1847, gest. am 23. October 1890, in: BioJbAltertums­ kunde 14, S. 122–132. 1894 (Hg.) Ausgewählte Briefe von und an Chr. A. Lobeck und K. Lehrs nebst Tagebuchnotizen, 2 Bde., Leipzig. 1896 Erinnerungen an Oskar Erdmann (Altphi­ lologe und Germanist), in: Festschrift zum siebzigsten Geburtstage Oskar Schade darge­ bracht, Königsberg, S. 153–176. 1908 Homerischer Hymnenbau nebst seinen Nach­ ahmungen bei Kallimachos, Theokrit, Vergil, Nonnos und Anderen erschlossen von …, Leipzig. 1911 Ludwig Friedländer. Geb. 16. Juli 1824, gest. 16. Dezember 1909, in: BioJbAltertums­ kunde 34, S. 1–24. Lübbert, Eduard 1886 Henri Jordan, geb. den 30. September 1833, gest. den 10. Nov. 1886, in: BioJbAltertums­ kunde 9, S. 227–249. Luerssen, Christian 1873 Ein Beitrag zur Farnflora der Palaos­ und Hervey­Inseln, in: Journal des Museum Godeffroy, Hamburg, H. 1, S. 52–62. 1879 Handbuch der systematischen Botanik mit besonderer Berücksichtigung der Arzneipflan­ zen, Bd. I: Kryptogamen, Leipzig (= Medici­ nisch­Phamrmaceutische Botanik zugleich als Handbuch der systematischen Botanik, für Botaniker, Ärzte und Apotheker; I). 1882 Handbuch der systematischen Botanik mit besonderer Berücksichtigung der Arzneipflan­ zen, Bd. II: Phanerogamen, Leipzig (= Medi­ cinisch­Pharmaceutische Botanik zugleich als Handbuch der systematischen Botanik, für Botaniker, Ärzte und Apotheker; II).

1894

Grundsätze der Botanik. Repertitorium für Studirende der Naturwissenschaften und Medicin und Lehrbuch für polytechnische, land­ und forstwirthschaftliche Lehranstalten, 4., verm. u. verb. Aufl. Leipzig. Die Farnpflanzen oder Gefäßbündelkrypto­ gamen (Pteridophyta), 2., vollst. neu bearb. Aufl. Leipzig (= Rabenhorst’s Kryptogamen­ Flora von Deutschland, Oesterreich und der Schweiz; 3). Beiträge zur Kenntnis der Flora Ost­ und Westpreußens. Mittheilungen aus dem Königl. botanischen Institute der Universität zu Könisgberg i. Pr. I–III, Stuttgart (=Biblio­ theca Botanica; VI/28).

Luick, Karl 1915 Nachruf auf Jakob Schipper, in: Akademie der Wissenschaften in Wien. Almanach für das Jahr 1915, S. 430– 434. Lukas, Josef 1901 Die rechtliche Stellung des Parlaments in der Gesetzgebung Österreichs und der constitu­ tionellen Monarchie des Deutschen Reiches: eine Kritik der herrschenden Lehre, Graz. 1903 Über die Gesetzes­Publication in Österreich und dem Deutschen Reiche: eine historisch­ dogmatische Studie, Graz. 1908 Zur Lehre vom Willen des Gesetzgebers. Eine dogmengeschichtliche Untersuchung, in: Staatsrechtliche Abhandlungen. Festgabe für Paul Laband zum fünfzigsten Jahrestage der Doktor­Promotion, Bd. I, Tübingen, S. 397– 427. 1910 Staatsrechtlicher und völkerrechtlicher Zwang. Versuch einer Grenzziehung, in: Festgabe für Dr. Karl Güterbock o. ö. Pro­ fessor der Rechte zu Königsberg, Senior der Juristen­Fakultät, Vertreter der Universität im Herrenhause, zur achtzigsten Wiederkehr seines Geburtstages dargebracht von früheren und den gegenwärtigen Angehörigen der Fakultät, Berlin, S. 173–194. 1920 Die organisatorischen Grundgedanken der neuen Reichsverfassung, Tübingen. 1921 Deutschland und die Idee des Völkerbundes, Münster. Lullies, Hans 1944 Otto Weiß 1871–1943, in: Pflügers Archiv 247, S. 611–617.

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1928

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Ludwig Lichtheim †, in: Dt. Archiv f. Klin. Medizin 159, S. I–IV.

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690

Anhang

1886

Lexikon zu den Schriften Cäsars und seiner Fortsetzer. Mit Angabe sämtlicher Stellen, Jena. 1887–1894 Lexikon zu den philosophischen Schriften Cicero’s, Bd. 1–3, Jena. Merzdorf, Herbert 1913 Karl Wilhelm Nitzsch. Die methodischen Grundlagen seiner Geschichtsschreibung. Ein Beitrag zur Geschichte der Geschichtswis­ senschaft, Leipzig (=Beiträge zur Kultur­ u. Universalgeschichte; 24). Meschede, Franz 1895 Ueber den Entwickelungsgang der Psychia­ trie und über die Bedeutung des psychiat­ rischen Unterrichts für die wissenschaftliche und praktische Ausbildung der Aerzte, in: DMW 21, S. 37–39, 60–62. Metz, Georg 1918 Das Gewerbe in Ostpreußen, Jena (= Grundlagen des Wirtschaftslebens von Ostpreußen …; 6). Meyer, Arnold Oskar 1926 Felix Rachfahl †, in: ZSHG 75, S. I–XVIII. Meyer, Eduard 1916 England. Seine staatliche und politische Ent­ wickelung und der Krieg gegen Deutschland. Volksausgabe, 11. u. 12. Tsd. Stuttgart/Berlin. 1918 Das britische Weltreich, in: O. Gerlach 1918a, S. 25–92. Meyer, Erich 1906 Naturerkennen und ethisch­religiöses Bedürf­ nis, 2. Aufl. Königsberg. Meyer, Ernst 1905 Aus der Begutachtung Marine­Angehöriger, in: ArchPsych. 39, S. 726 –782. 1907 Die Ursachen der Geisteskrankheiten, Jena. 1911 Ueber Pueperalpsychosen, in: ArchPsych. 48, 459–522. 1913 Religiöse Wahnideen, in: Archiv für Reli­ gionswissenschaft 16, S. 1–51. 1914 Die Psychiatrische und Nervenklinik zu Königsberg, in: ArchPsych. 53, 673–684. 1916 /Reichmann, F., Über nervöse Folgezustände nach Granatexplosionen, in: ebd. 56, S. 914–952. 1917 Kriegsdienstbeschädigung bei Psychosen und Neurosen, in: ebd. 58, S. 616–634.

1921 1923

Krankheiten des Gehirns und des Verlängerten Marks, Leipzig (= Diagnostische und thera­ peutische Irrtümer und deren Verhütung; 12). Psychiatrie, 2., verb. Aufl. Leipzig [zuerst 1917].

Meyer, Herbert 1912 Felix Dahn, in: Chronik der Kgl. Universität zu Breslau 26, 1911/12, S. 232–264. Meyer, Karl-Heinrich 1941 Nachruf Otto Hoffmann, in: Indogerm. Jb. 25, S. 385–390. Michelis, Heinrich 1914 Monistische Charakterköpfe. Beiträge zu einer Entwicklungsgeschichte des monistischen Denkens in Einzeldarstellungen, Leipzig. 1919 Staat, Kirche und Schule. Kulturpolitische Betrachtungen zu den Forderungen des Tages, Berlin. v. Mikulicz-Radecki, Henriette 1988 Erinnerungen an Wien, Krakau, Königs­ berg und Breslau. Memoiren der Frau des Chirurgen Johann von Mikulicz­Radecki. Bearbeitet und mit einem Nachwort versehen von Emanuel Turczynski, Dortmund (= Ver­ öff. d. Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Univ. Dortmund; B, 36). Minkowski, Hermann 1973 Briefe an David Hilbert, mit Beiträgen und hg. v. Rüdenberg, Lily/Zassenhaus, Hans, Berlin usw. Mitscherlich, Eilhard Alfred 1916 Das Ideal des deutschen Volkes verkörpert sich in seinem Volkshelden [zu Hindenburgs 50. Militärjubiläum am 7. 4. 1916], in: Ost­ prW 8, 1915/16, Beilage zum April­Heft. 1917 [Die Förderung der landwirtschaftlichen Produktion. Kaisergeburtstagsrede in der Uni­ versität], in: KHZ Nr. 45 v. 27. 1. 1935 Wissen und Glauben eines Naturwissen­ schaftlers, in: Deutscher Glaube 2, 1935, 154–158. 1945 Lebenserinnerungen, Halle. Mitscherlich, Waldemar 1911 (Hg.), Die Ostmark. Eine Einführung in die Probleme ihrer Wirtschaftsgeschichte, Leipzig (= Aus Natur u. Geisteswelt; 351).

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1888

691

Ernest Renan, in: Nord und Süd 45, S. 327–344.

Müller, Ernst Ferdinand 1918 Statistisches Handbuch für Kurland und Litauen nebst Übersichten über Livland und Estland, Jena (= Schriften des IOW Königs­ berg; 4). Müller, Friedrich 1926 Bernhard Naunyn †, in: Dt. Archiv f. klin. Medizin 150, S. 1–12. Müller, G. 1921 Gedächtnisrede auf Hermann Struve, in: Sit­ zungsberichte PrAkdW XXXIII, S. 491–496. Müller, Joseph 1870 Die musikalischen Schätze der Königlichen und Universitäts­Bibliothek zu Königsberg in Preußen. Aus dem Nachlasse Friedrich August Gottholds. Ein Beitrag zur Geschichte und Theorie der Tonkunst, Bonn (ND Hildes­ heim 1971). Müller, Karl 1930 Aus der akademischen Arbeit. Vorträge und Aufsätze, Tübingen. Müller-Erzbach, Rudolf 1912a Gefährdungshaftung und Gefahrtragung, Tübingen. 1912b Die Relativität der Begriffe und ihre Begren­ zung durch den Zweck des Gesetzes. Zur Beleuchtung der Begriffsjurisprudenz, in: Jherings Jbb. f. Dogmatik des bürgerliches Rechts 25, S. 343 ff. 1913 Gefühl oder Vernunft als Rechtsquelle? Zur Aufklärung über die Interessenjurisprudenz, in: Zs f. d. ges. Handelsrecht 73, S. 429–452. 1917 Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, Stuttgart. Münzer, Friedrich 1897 Beiträge zur Quellenkritik der Naturge­ schichte des Plinius, Berlin. 1911 Cacus der Rinderdieb. Programm zur Rekto­ ratsfeier der Universität Basel, Basel. 1916 [Das Königtum bei den Griechen, Festvortrag KglDG], in: KHZ Nr. 29, 19. 1. 1920 Römische Adelsparteien und Adelsfamilien, Stuttgart. 1925 Die politische Vernichtung des Griechen­ tums, Leipzig.

692

Anhang

1927

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Ulmer, Eugen 1938 Gedächntnisrede auf Friedrich Endemann gehalten in der alten Aula der Universität Heidelberg am 22. Mai 1937, Heidelberg (=Heidelberger Univ.reden N. F. ; 3). Umpfenbach, Karl 1874 Des Volkes Erbe, Berlin. 1883 Die Altersversorgung und der Staatssozialis­ mus, Stuttgart. 1911 [Art. Umpfenbach], in: Hwb. Stw, 3. Aufl., Bd. VIII, S. 33. Universitätskalender 1906 ff. Königsberger Universitäts­Kalender für die Studienjahre 1906/07–1914/15, hg. von Gräfe&Unzer unter Mitarbeit von Gustav Thurau, Königsberg. Usadel, Gerhard 1942 Martin Kirschner †, in: Zs. f. ärztl. Fortbil­ dung 39, S. 460– 462. Vademecum 1910 Hallisches Akademisches Vademecum. Erster Band: Bio­Bibliographie der aktiven Professoren, Privatdozenten u. Lektoren der vereinigten Friedrichs­Universität Halle­ Wittenberg, Halle.

705

Vageler, Paul 1941 Afrikanisches Mosaik. Fünfundzwanzig Jahre Wanderungen durch die afrikanische Wirk­ lichkeit, Berlin. Vaihinger, Hans 1909 Max Heinze †, in: KS 14, S. 349–352. Vogel, Gustav 1914 Rückblick auf 125 Jahre Physikalisch Ökono­ mische Gesellschaft, in: Schriften PhÖG 55, S. 224–227. 1927 Johannes Abromeit. Anläßlich seines 70. Ge­ burtstages (= Ostpreußische Köpfe), in: KHZ Nr. 85, 20. 2. Voigt, Heinrich 1861 Die Lehre des Athanasius von Alexandrien oder die kirchliche Dogmatik des vierten Jahrhunderts auf Grund der biblischen Lehre vom Logos. In geordnetem Zusammenhange, wie im Kampf mit ihren häretischen Gegen­ sätzen dargestellt, Bremen. 1874 Fundamentaldogmatik. Eine zusammenhän­ gende historisch­kritische Untersuchung und apologetische Erörterung der Fundamental­ fragen christlicher Dogmatik, Gotha. Voigt, Heinrich Gisbert 1898 Adalbert von Prag. Ein Beitrag zur Geschichte der Kirche und des Mönchthums im 10. Jahr­ hundert, Westend­Berlin. 1901 Der Missionsversuch Adalberts von Prag in Preußen, Königsberg (= SA aus AprM 38). 1907 Brun von Querfurt. Mönch, Eremit, Erzbi­ schof der Heiden und Märtyrer. Lebenslauf, Anschauungen und Schriften eines deutschen Missionars und Märtyrers um die Wende des 10. und 11. Jahrhunderts, ein Beitrag zur Geschichte Deutschlands und Italiens im Zeitalter Ottos III. und zur ältesten Kirchen­ geschichte Rußlands, Polens, Schwedens und Preußens, Stuttgart. Voigt, Woldemar 1910 Lehrbuch der Kristallphysik (mit Ausschluß der Kristalloptik), Leipzig. 1914 Erinnerungsblätter aus dem Deutsch­franzö­ sischen Kriege 1870/71, Göttingen. Voit, Max 1937 (Hg. ) Bildnisse Göttinger Professoren aus zwei Jahrhunderten (1737–1937). Festgabe

706

Anhang des Universitätsbundes zum Jubiläum der Georgia Augusta, Göttingen.

Volkmann, Paul 1891 Vorlesungen über die Theorie des Lichtes. Unter Rücksicht auf die elastische und elek­ tromagnetische Anschauung, Leipzig. 1892 Ueber Gesetze und Aufgaben der Natur­ wissenschaften insbesondere der Physik in formaler Hinsicht, Berlin (= Slg. populärer Schriften der Urania; 14). 1896a Erkenntnistheoretische Grundzüge der Naturwissenschaften und ihre Beziehungen zum Geistesleben der Gegenwart. Allgemein wissenschaftliche Vorträge, Leipzig. 1896b (Hg.) Franz Neumann *11. September 1798, † 23. Mai 1895. Ein Beitrag zur Geschichte deutscher Wissenschaft. Dem Andenken an den Altmeister der mathematischen Physik gewidmete Blätter. Unter Benutzung einer Reihe von authentischen Quellen, Leipzig. 1909 Die materialistische Epoche des neunzehnten Jahrhunderts und die phänomenologisch­ monistische Bewegung der Gegenwart. Rede am Krönungstage – 18. Januar 1909 in der Aula der Königl. Albertus­Universität zu Königsberg i. Pr., Leipzig­Berlin. 1910a Erkenntnistheoretische Grundzüge der Naturwissenschaften und ihre Beziehungen zum Geistesleben der Gegenwart. Allgemeine wissenschaftliche Vorträge, 2. vollst. umgearb. u. erw. Aufl. Leipzig/Berlin. 1910b Die Eigenart der Natur und der Eigensinn des Monismus, Leipzig/Berlin. 1913 Fragen des physikalischen Schulunterrichts, Leipzig/Berlin. Voss, Otto 1928 Bernhard Heine †, in: ArchivONK 118, S. I– III. Vossius, Adolf 1889 Gedächtnisrede auf Julius Jacobson. Gehalten in der Sitzung des Vereins für wissenschaft­ liche Heilkunde zu Königsberg i. Pr. am 28. Oktober 1889, Königsberg. v. d. Waerden, B. L. 1938 Nachruf Otto Hölder, in: Mathematische Annalen 116, S. 157 ff. Wagner, Hermann 1881 Ueber Gründung Deutscher Colonien, Hei­ delberg (= Slg. v. Vorträgen; V/7).

1885 1920

1930

Karl Zöppritz, in: Verhandlungen der Gesell­ schaft für Erdkunde 12, S. 298–304. Lehrbuch der Geographie, 10. sorgfältig durchgesehne Aufl., Bd. I: Allgemeine Erdkunde, Tl. 1: Allgemeine Erdkunde – Mathematische Geographie, Hannover. [Hermann Wagner Gedächtnisschrift. Ergeb­ nisse und Aufgaben geographischer For­ schung. Dargestellt von Schülern, Freunden und Verehrern des Altmeisters der deutschen Geographen, Gotha (= Petermanns Mitt., Erg.heft; 209).

v. Waldeyer-Hartz, Wilhelm 1920 Lebenserinnerungen, Berlin. Walter, Julius 1874 Die Lehre von der praktischen Vernunft in der griechischen Philosophie, Jena. 1881 Zum Gedächtnis Kants, in: Malter 1992, S. 128–143. 1891 Bischof Dr. Ferdinand Walter, weil. General­ Superintendent von Livland. Seine Landtags­ predigten und sein Lebenslauf, Leipzig. 1893 Die Geschichte der Ästhetik im Altertum ihrer begrifflichen Entwicklung nach darge­ stellt, Leipzig [ND Hildesheim 1967]. 1897 Rez. zu Thiele 1896, in: AprM 34, S. 153–159. 1907 Nachtrag zu dem Nekrolog auf L. Busse, in: Zs. f. Philosophie u. philos. Kritik 131, S. 182–184. Wanach, B. 1921 Nekrolog Karl Hermann Struve, in: Viertel­ jahrsschrift der Astronomischen Gesellschaft 56, S. 4–12. Wangerin, Albert 1907 Franz Neumann und sein Wirken als Forscher und Lehrer, Braunschweig (= Die Wissen­ schaft; 19). Waser, Otto 1921 Hugo Blümner. Geb. 9. August 1844, gest. 1. Januar 1919, in: BioJbAltertumskunde 41, S. 1– 44. Weber, Max 1984a Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland (1892), hg. v. Martin Riese­ brodt, Tübingen (= MWG I, 3,1/2). 1984b Zur Politik im Weltkrieg. Aufsätze und Reden 1914–1918, hg. v. W. J. Mommsen/ G. Hübinger, Tübingen (= MWG I, 15).

Quellen­ und Literaturverzeichnis 1990

Briefe 1906–1908, hg. v. Horst Baier, Tübin­ gen (= MWG II, 5).

Weber-Krohse, Otto 1936 Ostpreußen, in: Thalheim, Karl C./Hillen Ziegfeld, A. (Hg.), Der deutsche Osten. Seine Geschichte, sein Wesen und seine Aufgabe, Berlin, S. 55–80. Weinreich, Arthur 1911 Bevölkerungsstatistische und siedlungsgeogra­ phische Beiträge zur Kunde Ost­Masurens, vornehmlich der Kreise Oletzko und Lyck, Königsberg (= Phil. Diss. AUK). Weisfert, Julius Nicolaus 1897 Biographisch­litterarisches Lexikon für die Haupt­ und Residenzstadt Königsberg und Ostpreußen, Königsberg (ND Hildesheim 1975). Weiß, Bernhard 1927 Aus neunzig Lebensjahren 1827–1918, hg. v. Hansgeorg Weiß, Leipzig. Weiß, Otto 1910 Die Entwickelung der Pflege theoretischer Medizin in Königsberg, in: Königsberg in der Naturforschung und Medizin, Königsberg, S. 55–65 1930 Goethes Farbenlehre, Halle (= SchrKGG, NW 7,4). Weißbach, F. H. 1931 Bibliographie Heinrich Zimmern, in: Zs. f. Assyriologie 40, S. 133–143. Wenck, Karl 1921 Die Universität Marburg in den Jahren 1866–1916 mit einem Nachwort über die Jahre 1916–1920, Marburg. Wentscher, Else 1943 Max Wentscher in memoriam, in: Archiv f. d. ges. Psychologie 111, S. 461–464. Wentscher, Max 1902 Ethik, I. Theil, Leipzig. 1905 Ethik, II. Theil, Leipzig. 1913 Hermann Lotze. Bd. I: Lotzes Leben und Werke, Heidelberg. 1920 Einführung in die Philosophie, 6. Neudruck Berlin/Leipzig (= Slg. Göschen; 281).

707

Werminghoff, Albert 1904 Max Immich †, in: Zs. f. d. Geschichte des Oberrheins 58, S. 332–336. 1909 Deutsches Reich und Deutsche Nation. Rede zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers und Königs am 27. Januar 1909 gehalten in der Aula der Albertus­Universität, Königsberg. 1910a Nationalkirchliche Bestrebungen im deut­ schen Mittelalter, Stuttgart (= Kirchenrechtl. Abhandl.; 61) [ND Amsterdam 1965]. 1910b Die Schlacht bei Tannenberg (15. Juli 1410) und ihre Bedeutung für das Deutschtum im Osten, Berlin. 1912 Der Deutsche Orden und die Stände in Preußen bis zum zweiten Thorner Frieden im Jahre 1466, München/Leipzig (= Pfingstblät­ ter d. Hans. Geschichtsvereins; VIII). 1913 Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. Aufl. Leipzig/Berlin (= Grundriß der Geschichtswissenschaft; II/6). 1918 Die Schlacht bei Tannenberg in den Jahren 1410 und 1914, Berlin (= Schützengraben­ Bücher für das deutsche Volk; 99). Wermke, Ernst 1929 Friedrich August Gotthold und seine Biblio­ thek, in: Diesch, Carl (Hg.), Königsberger Beiträge. Festgabe zur 400jährigen Jubelfeier der Staats­ und Universitätsbibliothek zu Königsberg Pr., Königsberg, S. 354–373. Werner, Felix 1917 Der Handel und die Kreditbanken in Ost­ preußen, Jena (= Grundlagen des Wirtschafts­ lebens von Ostpreußen …; 4). Westermaier, Max 1893 Kompendium der allgemeinen Botanik für Hochschulen, Freiburg/Br. Weyl, Richard 1888 Das fränkische Staatskirchenrecht zur Zeit der Merovinger, Breslau (= Untersuchungen zur Dt. Staats­ u. Rechtsgeschichte; XXVII). 1892 Die Beziehungen des Papsttums zum frän­ kischen Staats­ und Kirchenrecht unter den Karolingern. Rechtsgeschichtliche Studie, Breslau (= Untersuchungen zur Dt. Staats­ u. Rechtsgeschichte; XL) (ND Aalen 1970). 1894 Lehrbuch des Reichsversicherungsrechts (Kranken­, Unfall­, Invaliditäts­ und Alters­ versicherungsrecht). Für den akademischen und praktischen Gebrauch, Leipz.

708

Anhang

1898

Vorträge über das Bürgerliche Gesetzbuch für Praktiker, 2 Bde., München.

Wichert, Ernst 1899 Richter und Dichter. Ein Lebensausweis, Berlin/Leipzig (= Zeitgenössische Selbstbio­ graphieen; II). Wichert, Theodor 1874a Die Ideen in der Geschichte (W. v. Humboldt und M. Lazarus), in: Jahresbericht der Löbe­ nichtschen Mittelschule Königsberg, S. 1–4. 1874b Die Verfassungsurkunde des Herzogthums Preußen vom Jahre 1661, in: Zs. für Preußi­ sche Geschichte und Landeskunde 11, S. 33–89. 1877 Aus der Correspondenz Herzog Albrechts von Preussen mit dem Herzog von Wirtemberg. Eine Festgabe zur vierhundertjährigen Jubel­ feier der Universität Tübingen, Königsberg. 1881 Jacob von Mainz, der zeitgenössische Historio­ graph und das Geschichtswerk des Matthias von Neuenburg. Nebst Excursen zur Kritik des Nauclerus. Zur Geschichte und Quellen­ kunde des XIV. Jahrhunderts. Mit einer Bei­ gabe: Zehn Kaiserurkunden, Königsberg. Wiechert, Emil 1921 Der Äther im Weltbild der Physik. Eine Begründung der Notwendigkeit der Äther­ vorstellung für die Physik mit besonderer Berücksichtigung des Gedankenkreises der Relativitätstheorie, Göttingen. Wilck, Max 1899 Das Königliche evangelische Schullehrer­Se­ minar zu Löbau W.­Pr. im ersten Vierteljahr­ hundert seines Bestehens. Mit Abbildungen des alten und des neuen Seminargebäudes und des Lehrerkollegium. Festschrift zur Jubiläumsfeier am 1. Juli 1899, Löbau. Wilke, Fritz 1907a Das Frauenideal und die Schätzung des Weibes im Alten Testament. Eine Studie zur isrealischen Kultur­ und Religionsgeschichte, Leipzig. 1907b Die astralmythologische Weltanschauung und das Alte Testament, Berlin­Lichterfelde (= Biblische Zeit­ u. Streitfragen; Ser. III/10). 1907c War Abraham eine historische Persönlichkeit? Vortrag, gehalten auf der Lutherischen Konfe­ renz zu Greifswald 1906, Leipzig.

1908a Rez. zu H. Winckler, Die babylonische Geisteskultur in ihren Beziehungen zur Kul­ turgeschichte der Menschheit, in: ThLbl. 29, Sp. 217 f. 1908b Rez. zu W. Staerk, Die Entstehung des AT + M. Löhr, AT.liche Religionsgeschichte, in: ebd., Sp. 3. 1911 Das Alte Testament und der christliche Glaube. Ein Wort zur Verständigung, Leipzig. 1921 Der Sozialismus im hebräischen Altertum, in: Religion und Sozialismus. Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier der evangelisch­ theologischen Fakultät in Wien, hg. vom Professorenkollegium, Berlin­Lichterfelde, S. 7–40. Wininger, Salomon 1929–35 Große Jüdische National­Biographie mit mehr als 8.000 Lebensbeschreibungen namhafter jüdischer Männer und Frauen aller Zeiten und Länder, 6 Bde., Cernauti. Winter, Georg 1904 Die Bekämpfung des Uteruskrebses. Ein Wort an alle Krebsoperateure, Stuttgart. 1914 Die Beteiligung der Albertina und ihrer Studierenden an der Erhebung Preußens und an dem Befreiungskriege. Rede, gehalten zur Jahrhundertfeier am 5. Februar 1913, in: KUK 1914/15, S. 63–69. 1916 Unsere Aufgabe in der Bevölkerungspoli­ tik, in: Zentralblatt für Gynäkologie 40, S. 97–104. 1918a Die Indiaktionen zur künstlichen Unterbre­ chung der Schwangerschaft, Berlin/Wien. 1918b Sollen wir Bevölkerungspolitik treiben?, in: MschGGyn 47, S. 351–365. 1930a Forschung und Unterricht in der Universitäts­ Frauenklinik in Königsberg i. Pr., in: DMW 56, S. 1513–1516. 1930b Dem Andenken Wilhelm Zangemeisters, in: MMW 77, S. 452 f. 1944 Mein wissenschaftliches Lebenswerk, histo­ risch und kritisch bearbeitet, in: Zs f. Ge­ burtshilfe u. Gynäkologie 126, S. 121–181. Witt, Carl 1889 Dr. Alexander Schmidt. Eine Lebensskizze, in: Schmidt 1889, S. 1–25 v. Wittich, Wilhelm 1868 Ueber die Schnelligkeit unseres Empfindens und Wollens. Vortrag, am 21. Januar 1868 gehalten, Berlin.

Quellen­ und Literaturverzeichnis Wobbermin, Georg 1913 Wilhelm Schmidt, in: Chronik FWU Breslau, 27, 1912/13, S. 189–193. Wolff, Ernst 1929 Eduard von Simson, Berlin (= Meister des Rechts). Wollenberg, Ernst 1908 s. Handbuch. Wolzendorff, Kurt 1914 Der Gedanke des Volksheeres im Deutschen Staatsrecht, Tübingen. 1917 Vom deutschen Staat und seinem Recht. Streif­ lichter zur allgemeinen Staatslehre, Leipzig. Wreszinski, Walter 1909 Der große medizinische Papyrus des Berliner Museums (Pap. Berl. 3038) in Facsimile mit Umschrift und Uebersetzung, Kommentar und Glossar hg., Leipzig. 1912 Der Londoner medizinische Papyrus (Brit. Museum Nr. 10059) und der Papyrus Hearst in Transkription, Übersetzung und Kommen­ tar, Leipzig. 1913 [Bearb.] Richard Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien, Bd. V: Nubien, Hammamat, Sinai, Syrien und europäische Museen, Leipzig. 1923 Atlas zur altägyptischen Kulturgeschichte, Leipzig. 1936 [Harrasowitz. Bücher­Katalog 460. Ägypten vom Altertum bis zur Neuzeit enthaltend, u. a. die Bibliothek von Prof. Dr. W. Wreszin­ ski in Königsberg], Leipzig. Wünsch, Richard 1898 Sethianische Verfluchungstafeln aus Rom, Leipzig. 1902 Das Frühlingsfest der Insel Malta. Ein Beitrag zur Geschichte der antiken Religion, Leipzig. 1909 Albrecht Dieterich, in: BioJbAltertums­ kunde 32, S. 70–102. 1911 Aus einem griechischen Zauberpapyrus, Bonn (= Kl. Texte f. Vorlesungen u. Übungen; 84). 1915 [Professor Richard Wünsch †], in: OstprW 7, Nr. 38 v. 17. 6., S. 628. Zachariae, Theodor 1920 Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturwissenschaft, zur vergleichenden Volkskunde, Bonn/Leipzig (ND Hildesheim 1989).

1977

709

Opera minora zur indischen Wortforschung, zur Geschichte der indischen Literatur und Kultur, zur Geschichte der Sanskritphilologie, 2 Tle., hg. v. Claus Vogel, Wiesbaden.

Zaddach, Ernst Gustav 1860 Ueber die Bernstein­ und Braunkohlenlager des Samlandes [mit vier Tafeln], in: Schr­ PhÖG 1, S. 1– 44. 1867 Das Tertiärgebirge des Samlandes, in: ebd. 8, S. 85–197. 1869a Beobachtungen über das Vorkommen des Bernsteins und die Ausdehnung des Tertiär­ gebirges in Westpreußen und Pommern, in: ebd. 10, S. 1–83. 1869b Die ältere Tertiärzeit. Ein Bild aus der Ent­ wicklungsgeschichte der Erde, Berlin (= Slg. gemeinverständl. Vorträge; IV. Serie/86). 1877 Karl Ernst von Baer. Gedächtnisrede, gehalten […] am 16. Februar 1877, Königsberg. 1883 /C. G. Brischke, Beobachtungen über die Arten der Blatt­ und Holzwespen, II. Abth., Danzig (Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig N. F. Bd. V, Heft 4).

Zander, Richard 1904 Die Leibesübungen und ihre Bedeutung für die Gesundheit, 2 Aufl. Leipzig (= Aus Natur und Geisteswelt; 13). 1918 Vom Nervensystem, seinem Bau und seiner Bedeutung für Leib und Seele im gesunden und kranken Zustande, 3. Aufl. Leipzig/Ber­ lin (= Aus Natur u. Geisteswelt; 48) [EA 1903]. Zechlin, Erich 1916 Die Bevölkerungs­ und Grundbesitzvertei­ lung im Zartum Polen, Berlin Zeitgenossenlexikon 1905 Deutsches Zeitgenossenlexikon. Biographi­ sches Handbuch deutscher Männer und Frauen der Gegenwart, Leipzig. Ziekursch, Johannes 1914 Nachruf auf Georg Friedrich Preuß, in: Chro­ nik FWU Breslau 1914/15, S. 146–151. Zenker, R. 1942 Martin Kirschner †, in: Zbl. Chirurgie 69, S. 1590–1595.

710

Anhang

Ziesemer, Walther 1914 Das Preußische Wörterbuch, Königsberg. 1915a [Geschichte und Aufgaben der Dialektfor­ schung in Ost­ und Westpreußen], in: Sit­ zungsberichte des Vereins für die Geschichte von Ost­ und Westpreußen für die Jahre 1915–1916 und 1916–1917, S. 1 f. 1915b Zur Pflege der ostpreußischen Mundarten, in: OstprH 1, Sp. 107–110. Zimmern, Heinrich 1889 Die Assyriologie als Hülfswissenschaft für das Studium des Alten Testaments und des klassischen Altertums. Antritts­Vorlesung, ge­ halten in der Aula der Königl. Albertus­Uni­ versität zu Königsberg i. Pr. am 1. November 1889, Königsberg. Zöppritz, Karl 1884 Leitfaden der Kartenentwurfslehre für Studierende der Erdkunde und deren Lehrer, Leipzig. Zorn, Philipp 1880/83 Das Staatsrecht des Deutschen des Deut­ schen Reiches, 2 Bde., Berlin.

1884

Neue Beiträge zur Lehre vom Bundesstaat, in: Annalen des Deutschen Reichs, S. 453 ff. 1885 Zu den Streitfragen über Gesetz und Verord­ nung nach deutschem Reichsstaatsrecht, in: ebd., S. 301 ff. 1888a Lehrbuch des Kirchenrechts, Stuttgart (= Handbibliothek d. Oeff. Rechts; III). 1888b Das Kartell. Mit besonderer Rücksicht auf Königsberg. Rede, gehalten am 16. Oktober 1888, Königsberg. 1889 Gesetz, Verordnung, Budget, Staatsvertrag, in: Annalen des Deutschen Reichs, S. 344 ff. 1902 Im Neuen Reich. Reden und Aufsätze zur preußisch­deutschen Staats­ und Rechtsge­ schichte, Bonn. 1924 [Autobiographie], in: Planitz, Hans (Hg.), Die Rechtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Bd. I, Leipzig, S. 215– 236. 1927 Aus einem deutschen Universitätsleben, Bonn. Zscharnack, Leopold 1944 In memoriam D. Martin Schulze, in: ThLZ 74, S. 139.

Quellen­ und Literaturverzeichnis

B: Sekundärliteratur nach 1945 A c t a Borussica. N. F., s. Kocka/Neugebauer.. Adam, Reinhard, Das Stadtgymnasium Altstadt­ Kneiphof zu Königsberg (Pr.) 1304–1945. Aus der Geschichte der beiden ältesten Schulen des deutschen Ostens, Leer 1977. Adlung, Philipp u. a. (Hg.), Die Prussia­Sammlung. Der Bestand im Museum für Geschichte und Kultur Kaliningrad, Kaliningrad 1991. Adorno, Theodor W., Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt 1980 (= Ges. Schriften; 4) [zit. nach Taschenbuchaus­ gabe ebd. 1997]. Albinus, Robert, Lexikon der Stadt Königsberg Pr. und Umgebung, 2. erw. Aufl. Leer 1988. A l b u m Professorum der Evangelisch­Theolo­ gischen Fakultät der Rheinischen Friedrich­Wil­ helms­Universität Bonn: 1818–1933, im Auftrag der Fakultät hg. v. Heiner Faulenbach, Bonn 1995. Alvermann, Dirk, Rez. zu Buchholz 2004a, in: Bal­ tische Studien 92, 2006, S. 187–190. Alvermann, Dirk/Spieß, Karl­Heinz (Hg.), Universität und Gesellschaft. Festschrift zur 550­Jahrfeier der Universität Greifswald 1456–2006, Bd. I: Die Geschichte der Fakultäten im 19. und 20. Jahr­ hundert, Rostock 2006. Aly, Götz/Heim, Susanne, Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung, Hamburg 1991. Alzinger, Susanne, Der Internist Anton Biermer 1827–1892, Med. Diss. Zürich 1992. Anderson, Eduard, Aus Königsbergs kulturellem Leben. Den unveröffentlichten Lebenserinnerun­ gen des Autors entnommen, in: JbAUK 6, 1955, S. 191–227. Andrée, Karl, Die Albertus­Universität, in: Gause, Fritz (Hg.), Ostpreußen. Leistung und Schicksal, Essen o. J. [1958] (= Deutsche Landschaft; 4), S. 239–257. Arndt, Karl u. a. (Hg.), Göttinger Gelehrte. Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen in Bildnissen und Würdigungen 1751–2001, 2 Bde. Göttingen 2001. Arnold, Udo u. a. (Hg.), Preußische Landesgeschichte. Festschrift für Bernhart Jähnig zum 60. Geburts­ tag, Marburg 2001. Asche, Matthias/Gerber, Stefan, Universitätsgeschichte in Deutschland. Entwicklungslinien und For­

711

schungsfelder, in: Archiv für Kulturgeschichte 90, 2008, S. 159–201. Asen, Johannes (Bearb.), Gesamtverzeichnis des Lehr­ körpers der Universität Berlin, Bd. 1: 1810–1945: Die Friedrich­Wilhelms­Universität, die Tierärzt­ liche Hochschule, die Landwirtschaftliche Hoch­ schule, die Forstliche Hochschule, Leipzig 1955. Ash, Mitchell G. u. a. (Hg.), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität Wien, Göttingen 2010. Auerbach, Inge (Bearb.), Catalogus professorum Aca­ demiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps­Universität Marburg. Zweiter Band: Von 1911 bis 1971, Marburg 1979 (= Veröff. d. Hist. Kommission für Hessen; 15). Badtke, Günther, Dem Gedenken Wilhelm Clausens, Professor mit Lehrstuhl emer. an der Medizi­ nischen Fakultät der Martin­Luther­Universität Halle­Wittenberg, ehemaliger Direktor der Universitäts­Augenklinik Halle, Nationalpreisträ­ ger, in: Wiss. Zs. d. Martin­Luther­Universität, Math­Naturw. XI/5, 1962, S. 613–618. Bahners, Patrick, Metaphysik des Netzwerks. Thomas Etzemüllers weltfremde Lehre vom Lehrstühlerü­ cken, in: FAZ v. 30. 12. 2002, S. 39. Balder, Hans­Georg, Korporationsleben in Königs­ berg. Studenten an der Albertina 1544 bis 1945, Hilden 2010. Bamberger­Stemmann, Sabine (Hg.), Königsberg und seine Universität. Eine Stätte ostmitteleuropä­ ischen Geisteslebens, in: Nordost­Archiv N. F. 3, 1994, S. 287–694. Bartels­Ishikawa, Anna, Theodor Sternberg, ein Begründer des Freirechts in Deutschland und Japan, Berlin 1998 (= Schr. z. Rechtssoziologie u. Rechtstatsachenforschung; 79). v. Batocki, Fried/v. d. Groeben, Klaus, Adolf von Ba­ tocki. Ein Lebensbild. Im Einsatz für Ostpreußen und das Reich, Raisdorf/Holstein 1998. v. Baudissin, Wolf/zu Dohna, Dagmar, „… als wären wir nie getrennt gewesen“: Briefe 1941–1947, hg. u. mit einer Einleitung versehen von Elfriede Knoke, Bonn 2001. Baumgarten, Marita, Professoren und Universi­ täten im 19. Jahrhundert. Zur Sozialgeschichte deutscher Geistes­ und Naturwissenschaftler, Göttingen 1998. Bautz, Friedrich Wilhelm/Bautz, Traugott (Hg.), Biographisch­bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1–32, Nordhausen 1975–2011.

712

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Wolf, Stefan L., Die Konstituierung eines Netzwerkes reaktionärer Physiker in der Weimarer Republik, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 31, 2008, S. 372–392. Wolfes, Matthias, Gennrich, Paul, in: BBKL XV, 1999, Sp. 608–625. Ders., Ecke, Gustav, in: BBKL XVII, 2000, Sp. 287– 296. Wollschläger, Peter, Kampfstofforschung und ärztliches Gewissen. Der Beitrag der Medizin zur chemischen Kriegsführung 1914–1933, Med. Diss. FU Berlin 1990. Worm, V., Paul Leopold Friedrich, in: Zbl. f. Chir. 101, 1976, S. 568 f. Wußing, Hans, Carl Louis, Ferdinand Lindemann (1852–1939), in: Rauschning/v. Nerée 1995, S. 721–726. Zeiler, Franz, Statik und Wandel. Die Freiburger Rechtsfakultät im universitären Expansionsprozeß des Deutschen Kaiserreichs, Freiburg/München 2009 (= Freiburger Beiträge zur Wissenschafts­ u. Universitätsgeschichte; N. F. 5). Zelger, Renate, Der Staatsrechtler Erich Kaufmann – Von der konstitutionellen Monarchie bis zur parlamentarischen Demokratie, in: Nehlsen, Hermann/Brun, Georg (Hg.), Münchener rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, Frankfurt/M. usw. 1996 (= Rechtshist. Reihe; 156), S. 313–330. Zintzen, Christiane, Von Pompeji nach Troja. Archäo­ logie, Literatur und Öffentlichkeit im 19. Jahrhun­ dert, Wien 1998 (= Commentarii; 6). Zirlewagen, Marc, Art. Meumann, Ernst, in: BBKL XXV, 2005, Sp. 923–927.

Quellen­ und Literaturverzeichnis Zorn, Wilhelm, Die Geschichte der Landwirtschafts­ wissenschaft in Schlesien, Würzburg 1964 (= Bei­ hefte zum JbSchlesFWU; 2). Zwahr, Hartmut/Blecher, Jens, Geschichte der Univer­ sität Leipzig 1409–2009, Bd. II: Das neunzehnte Jahrhundert 1830/31–1909, Leipzig 2010. Zweig, Stefan, Tagebücher, hg., mit Anmerkungen und einer Nachbemerkung versehen von Knut Beck, Frankfurt/M. 1984.

733

Abkürzungsverzeichnis

Für die mit Verfasser­ bzw. Bearbeiternamen (Auer­ bach …, Strauss­Röder, Weisfert, Wenig, Wininger usw.) abgekürzten Nachweise siehe Literatur. AA ADB AG AGB A. K. AkW AllB AllV AltstädtG ao. APB Approb. ArchIKol Assessorex. AUK AV BABL BAK BaltMssch bayr. BBG

Auswärtiges Amt Allgemeine Deutsche Biographie Amtsgericht Auschwitz Gedenkbuch Armeekoprs Akademie der Wissenschaften Alldeutsche Blätter Alldeutscher Verband Altstädtisches Gymnasium Königsberg außerordentlich(er) Altpreußische Biographie Approbation Archiv für Innere Kolonisation Große jur. Staatsprüfung, Assessorexamen Albertus­Universität Königsberg Antrittsvorlesung

Bundeaarchiv Berlin Lichterfelde Bundesarchiv Koblenz Baltische Monatsschrift bayerisch Gesetz über die Wiederherstellung usw. (Berufsbeamtengesetz) v. 7. 4. 1933 BBKL Biographisch­Bibliographisches Kirchen­ lexikon s. Bautz Bd. II Verweis auf den Catalogus Prof. in Bd. II der AUK­Geschichte, 2013 BEN Biographische Enzyklopädie der Natur­ wissenschaften, s. Engelhardt Bibl. Bibliographie BioJbAltertumskunde Biographisches Jahrbuch für Altertums­ kunde (Nekrologe) 1879–1944 BK Bekennende Kirche BLÄ Biographisches Lexikon der … Ärzte, s. Hirsch

BLÄF BLfO BSB BurgRS

Biographisches Lexikon der Ärzte, s. Fischer Biographisches Lexikon für Ostfriesland Bayerische Staatsbibliothek Burg Oberrealschule Königsberg

Chronik AUK Chronik der Kgl. Albertus­Universität Königsberg (Pr.) 1886–1915 DAI DBBL DBE DBJ DChemG DKolG DLZ DMV DNN DSL

Deutsches Ärchäologisches Institut Deutschbaltisches Biogr. Lexikon, s. Lenz Deutsche Biographische Enzyklopädie s. Killy Deutsches Biographisches Jahrbuch Deutsche Chemische Gesellschaft Deutsche Kolonial­Gesellschaft Deutsche Literaturzeitung Deutsche Mathematiker­Vereinigung Danziger Neueste Nachrichten Deutsches Schriftsteller­Lexikon 1830–1880

EB EK EOK ev.­luth. ev.­ref.

Einwohnerbuch Königsberg 1941 Eisernes Kreuz Ev. Oberkirchenrat. evangelisch­lutherisch evangelisch­reformiert

FAR FBPrG

Fuß­Artillerie­Regiment Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Friedrichskollegium (Gymnasium) Königsberg Führerlexikon 1934 Förderndes Mitglied der SS Festschrift Freisinnige Volkspartei Friedrich­Wilhelms­Universität

FC FL FMSS FS FVP FWU

736

Anhang

G GAV GEthK GFM GG GJR GKR GLA GMR GR GRR GStA

Gymnasium Gustav­Adolf­Verein Gesellschaft für Ethische Kultur Generalfeldmarschall Göttinger Gelehrte, s. Arndt 2001 Geheimer Justizrat Geheimer Konsistorialrat Generallandesarchiv Geheimer Medizinalrat Grenadierregiment Geheimer Regierungsrat Geheimes Staatsarchiv Preuß. Kultur­ besitz Berlin Dahlem

Habil. HHK HLK

Habilitation Handelshochschule Königsberg Hochschullehrerkartei REM (ab 1935), im BABL Historische Zeitschrift Internat. Germanisten Lexikon, s. König Infanterieregiment

HZ IGL IR JbAUK

Jahrbuch der Albertus­Universität Königsberg 1951 ff. JbSchlFWU Jahrbuch der Schlesischen Friedrich­ Wilhelms­Universität 1955 ff. jüd. jüdisch K Kabus kath. KBB KG KGK KHS KK KLS KneipG KR Kr. Krfw. KrO KS KUK KWA LG LGH LT

Kinder s. Kabus 1998 katholisch Kgl. Bibliothek Berlin Kammergericht Berlin Kürschners Gelehrtenkalender 1925 ff. Krankenhaus Kunzes Kalender=Philologen­Jahrbuch für das höhere Schulwesen Preußens Königin Luise Schule Königsberg Kneiphöfisches Gymnasium Königsberg Konservative Revolution Kreis, Landkreis Kriegsfreiwilliger Kronenorden Kantstudien Königsberger Universitäts­Kalender 1906–1914 (Militärärztliche) Kaiser­Wilhelm­ Akademie Berlin Landgericht Lexikon Greifswalder Hochschullehrer, s. Buchholz Landtag

Lw Lwr LZOW

Landwirtschaft, landwirtschaftlich Landwehr Lehrerzeitung für Ost­ und Westpreußen

M MA, ma. MG II MGH

Mutter Mittelalter, mittelalterlich Marburger Gelehrte, s. Auerbach Monumenta Germaniae Historica

nb. ND NDB Nl. NÖB NSÄB NSDD NZ

nichtbeamtet Nachdruck Neue Deutsche Biographie Nachlass Neue Österreichische Biographie Nationalsoz. Dt. Ärztebund Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund Neuzeit

OA ÖBL OG OLG oö. ord. ORS OstprH

Oberarzt Österreichisches Biographisches Lexikon Ortsgruppe Oberlandesgericht ordentlicher öffentlicher (Professor) ordentlicher (Professor) Ober­Realschule Ostpreußische Heimat [Zs. 1916 –1918]

P PD Pfr PK PrJb PrKirchZ PrMK

Portrait Privatdozent Pfarrer Parteikanzlei der NSDAP Preuß. Jahrbücher Preußische Kirchenzeitung Preuß. Ministerium für die geistlichen, Unterrichts­ und Medizinalangelegen­ heiten Promotion Provinzialschulkollegium Probevorlesung

Prom. PSK PV R RA RE REM RFR RG RG RGG RHB RS

Referent im Promotionsverfahren („Doktorvater“) Roter Adlerorden I.–IV. Klasse Realenzyklopädie f. Theologie … Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung u. Volksbildung Reichsforschungsrat Reichsgericht Realgymnasium Religion in Geschichte und Gegenwart Reichshandbuch s. Literatur Realschule

Abkürzungsverzeichnis S SB SBB scl. SD Sigilla StE T UBK Umhabil.

Sohn, Söhne Sitzungsberichte Staatsbibliothek Preuß. Kulturbesitz Berlin summa cum laude Sicherheitsdienst der SS Sigilla veri s. Ekkehard, E. Staatsexamen Tochter, Töchter

V VDSt VGOW

Staats­ u. Universitätsbibliothek Königs­ berg Umhabilitation

ZRG

737

Vater Verein Deutscher Studenten Verein für die Geschichte Ost­ und West­ preußens VjschSuW Vierteljahrschrift für Sozial­ u. Wirtschaftsgeschichte WMB Wissenschaftliche Monats­Blätter

ZDMG

ZStW

Zeitschrift der Deutschen Morgen­ ländischen Gesellschaft Zeitschrift der Savigny­Stiftung für Rechtsgeschichte Zs. f. die ges. Strafrechtswiss.

Danksagung

Dieser erste Teil der jüngeren Königsberger Universitätsgeschichte umfasste ursprünglich dreißig Seiten und sollte die Darstellung der Geschichte der Albertina in der Weimarer und der NS­Zeit einleiten, ein Forschungsprojekt, das von 2000 bis 2003 von Herrn Prof. Dr. Klaus Christian Köhnke (Universität Leipzig) betreut und von der Fritz Thyssen Stiftung großzügig gefördert worden ist. Diese knapp konzipierte „Vorgeschichte“ verselbständigte sich jedoch bald, und 2003 wurde das Projekt ausgedehnt auf die Zeit des Ersten Weltkrieges. Die Berufungs­, die Disziplin­ und Ideengeschichte erzwang dann sukzessive den Weg immer weiter zurück bis zur Ära der Reichsgründung. Schließlich erreichte das Manuskript einen Umfang, der eine Aufteilung auf zwei Bände nahelegte. Eine Entschei­ dung, die 2009 Herr Dr. Gerd Giesler (Berlin) traf, der auch nach seinem Ausscheiden als Geschäfts­ führer des Akademie Verlages dieses abschreckend endlos anmutende Unternehmen geduldig betreute und dem ich ebenso wie seinem Nachfolger Herrn Prof. Dr. Heiko Hartmann auch für die Aufnahme des Werkes in das Programm des Verlages zu danken habe. Tief empfundenen Dank schuldet der Autor der Förderstiftung Konservative Bildung und For­ schung (Berlin), der Stiftung Königsberg (Duisburg) sowie dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (Bonn). Herr Prof. Dr. Bernhart Jähnig, bis 2010 Vorsitzender der Historischen Kommission für ost­ und westpreußische Landesforschung, war so freundlich, den Antrag an den Bundesbeauftrag­ ten kurzfristig als Projekt der Kommission zu übernehmen. Ohne die von der Förderstiftung Konser­ vative Bildung und Forschung, der Stiftung Königsberg und die vom Bundesbeauftragten gewährten namhaften Druckkostenzuschüsse hätte der vorliegende Band nicht erscheinen können. Die Preußens papierne Hinterlassenschaft verwaltenden Berliner Bibliotheken, voran die Staatsbi­ bliothek Preußischer Kulturbesitz, die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin in Dahlem und vor allem das ihr benachbarte Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz mit der dichten ministeriellen Überlieferung des amtlichen Schriftverkehrs zwischen dem Kurator, den Fakultäten der Königsberger Albertus­Universität und der Zentrale Unter den Linden boten die Quellenbasis die­ ser Monographie. Besonderen Dank schulde ich dem Direktor der Dahlemer Universitätsbibliothek, Herrn Prof. Dr. Ulrich Naumann, der mir 2007 den 1950 von der New Yorker Cornell University der UB gespendeten Bestand der Austauschexemplare von 3.000 Königsberger Dissertationen (1885– 1937) überließ, ostpreußisches Kulturgut, das damals zur Makulierung vorgesehen war. Dank des Lektorats von Herrn Manfred Karras und der Akkuratesse von Frau Sabine Taube ver­ wandelte sich das Manuskript in ein Buch. Berlin und Kappeln/Schlei im Juni 2012

Bildteil

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

743

Luftaufnahme Königsberg um 1920, Universität (links unten), davor der Paradeplatz, nördlich anschließend das Theater, in der Bildmitte Schloß­ und Oberteich

744

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

Hauptgebäude von F. A. Stüler (1862), Holzstich um 1870

Hauptgebäude: Wandelhalle

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

Hauptgebäude: Sitzungssaal Akademischer Senat

Staats­ und Universitätsbibliothek Königsberg Mitteltragheim, Neubau bezogen 1901

745

746

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

Palaestra Albertina: Sport­ und Studentenheim, rechter Flügel, Hofseite

Städtisches Krankenhaus Königsberg vor 1914, Sitz Univ.­Nervenklinik 1892–1913

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

Landwirtschaftliche Institute in der Tragheimer Kirchenstraße um 1900

Chirurgische Klinik Lange Reihe 2, erbaut 1881

747

748

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

Physiologisches Institut, Otto Weiß, Martin Gildemeister, Ludimar Hermann, um 1905

Professoren beim Kegeln um 1890, 2. v. r. Ludimar Hermann

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

749

Felix Peiser (mit Stab) und Adalbert Bezzenberger (2. v. r.) bei archäologischen Ausgrabungen (um 1914)

Albertus­Universität Einladung zur Feier des Jahrhundertwechsels 10. Januar 1900

Einladung zur Gedächtnisfeier Kurator W. v. Bismarck Juni 1901

750

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

(oben links) Einladung zur Antrittsvorlesung von Friedrich Leo 27. Oktober 1899 (oben rechts) Einladung zur Antrittsvorlesung von Otto Procksch 13. November 1901

Einladung zur Antrittsvorlesung von August Seraphim 9. März 1901

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

Die Albertina im I. Weltkrieg: Das Auditorium maximum als Lazarett. 1914/15

Die Albertina im I. Weltkrieg: Unter den Augen Kants. Visite im Senatssaal 1914/15

751

752

Universitätsgebäude, Gruppenaufnahmen, Weltkrieg

Ministerbesuch im zerstörten Neidenburg Herbst 1914, Kurator v. Windheim (13), J. Hansen (8)

Der Nationalökonom Otto Gerlach (1. v. rechts) als Bahnhofskommandant in Suwalki

Oberpräsidenten und Kuratoren

753

Carl Wilhelm von Horn. 1869–1882

Wilhelm von Bismarck. 1895–1901

Hugo von Richthofen. 1901–1903

Friedrich von Moltke. 1903–1907

Ludwig von Windheim. 1907–1914

Adolf von Batocki. 1914–1916, 1918–1919

754

Theologische Fakultät

Carl Cornill: Alttest. Exegese. 1883–1896

Paul Tschackert: Kirchengeschichte. 1883–1890

Friedrich Zimmer: Neutest. Exegese. 1885–1890

Karl Benrath: Kirchengeschichte. 1890–1920

August Dorner: System. Theologie. 1889–1916

Erich Schaeder: Neutest. Exegese. 1894–1895

Ernst Kühl: Neutest. Exegese. 1895–1910

Otto Procksch: Alttest. Exegese. 1899–1905

Hans Achelis: Kirchengeschichte. 1901–1907

Theologische Fakultät

755

Carl Stange: System. Theologie. 1903–1904

Martin Schulze: System. Theologie. 1904–1934

Richard A. Hoffmann: Neutest. Exegese. 1906–1915

Johannes Herrmann: Alttest. Exegese. 1909–1910

Max Löhr: Alttest. Exegese. 1909–1929

Alfred Juncker: Neutest. Exegese. 1910–1933

Alfred Uckeley: Prakt. Theologie. 1910–1934

Johannes Behm: Neutest. Exegese. 1916–1923

756

Juristische Fakultät

Carl Eduard Güterbock: Strafrecht. 1865–1905

Paul Laband: Zivilrecht. 1864–1872

Felix Dahn: Zivilrecht. 1872–1888

Paul Krüger: Zivilrecht. 1874–1888

Carl Gareis: Zivilrecht. 1888–1902

Otto Gradenwitz: Zivilrecht. 1895–1907

Wilhelm v. Blume: Zivilrecht. 1900–1904

Philipp Zorn: Staatsrecht. 1877–1900

Friedrich Endemann: Zivilrecht. 1888–1895

Juristische Fakultät

757

Ernst Rosenfeld: Strafrecht. 1900 –1902

Ernst Heymann: Zivilrecht. 1902–1904

Alfred Manigk: Zivilrecht. 1902–1921

Eduard Kohlrausch: Strafrecht. 1903–1913

Rudolf His: Zivilrecht. 1904–1908

Paul Knoke: Zivilrecht. 1904–1915

Julius von Gierke: Zivilrecht. 1904–1919

Albert Mosse: Zivilrecht. 1904–1907

Alexander zu Dohna: Strafrecht. 1906–1920

758

Juristische Fakultät

Fritz Litten: Zivilrecht. 1908–1932

Karl Rauch: Zivilrecht. 1908–1910

Max Rintelen: Zivilrecht. 1909

Rudolf Müller­Erzbach: Zivilrecht. 1910–1918

Max Fleischmann: Staatsrecht. 1910 –1921

Hermann Kriegsmann: Strafrecht. 1913–1914

Erich Kaufmann: Staatsrecht. 1913–1917

Gustav Radbruch: Strafrecht. 1914–1919

Peter Klein: Zivilrecht. 1911–1925

Medizinische Fakultät

759

Karl Albrecht Wagner: Chirurgie. 1858–1871

Ernst von Leyden: Innere Medizin. 1865–1872

Julius Jacobson: Augenheilkunde. 1861–1889

Ernst Neumann: Pathologie. 1865–1903

Carl Schönborn: Chirurgie. 1871–1886

Bernhard Naunyn: Innere Medizin. 1872–1888

Max Jaffé: Pharmakologie. 1873–1911

Paul Baumgarten: Pathologie. 1874–1891

Salomon Pincus: Gerichtsmedizin. 1875–1890

760

Medizinische Fakultät

Carl Wilhelm Kupffer: Anatomie. 1876–1880

Oskar Langendorff: Physiologie. 1879–1892

Gustav Schwalbe: Anatomie. 1881–1883

Friedrich Merkel: Anatomie. 1883–1885

Rudolf Dohrn: Frauenheilkunde. 1883–1897

Ludimar Hermann: Physiologie. 1883–1913

Richard Zander: Anatomie. 1884–1918

Ludwig Stieda: Anatomie. 1886–1912

Johannes von Mikulicz­Radecki: Chirurgie. 1887–1890

Medizinische Fakultät

Ludwig Lichtheim: Innere Medizin. 1888–1912

Carl Fraenkel: Hygiene, Bakterio­ logie. 1889–1891

Heinrich Braun: Chirurgie. 1890–1895

Arthur von Hippel: Augenheil­ kunde. 1890–1892

Erwin von Esmarch: Hygiene, Bakteriologie. 1891–1899

Julius Caspary: Dermatologie. 1892–1904

Hermann Kuhnt: Augenheilkunde. 1892–1907

Anton von Eiselsberg: Chirurgie. 1896–1901

Hugo Falkenheim: Kinderheil­ kunde. 1896–1924

761

762

Medizinische Fakultät

Georg Winter: Frauenheilkunde. 1897–1924

Richard Pfeiffer: Hygiene, Bakterio­ logie. 1899–1909

Carl Garré: Chirurgie. 1901–1906

Georg Puppe: Gerichtsmedizin. 1903–1921

Karl Bonhoeffer: Psychiatrie. 1903–1904

Ernst Meyer: Psychiatrie. 1904–1931

Erich Lexer: Chirurgie. 1904–1909

Walter Scholtz: Dermatologie. 1905–1936

Kurt Goldstein: Neurologie. 1906–1914

Medizinische Fakultät

763

Friedrich Henke: Pathologie. 1906–1913

Emil Krückmann: Augenheilkunde. 1907–1912

Walther Kruse: Hygiene, Bakterio­ logie. 1909–1911

Erwin Payr: Chirurgie. 1910–1911

Eduard Rehn: Chirurgie. 1910–1914

Paul Friedrich: Chirurgie. 1910–1916

Martin Hahn: Hygiene, Bakterio­ logie. 1911–1912

Karl Kisskalt: Hygiene, Bakteriolo­ gie. 1912–1917

Alfred Schittenhelm: Innere Medi­ zin. 1912–1916

764

Medizinische Fakultät

Ernst Gaupp: Anatomie. 1912–1916

Franz Schieck: Augenheilkunde. 1912–1914

Carl Kaiserling: Pathologie. 1913–1936

Hermann Fühner: Pharmakologie. 1914–1921

Arthur Birch­Hirschfeld: Augen­ heilkunde. 1915–1936

Martin Jastram: Chirurgie. 1915–1925

Martin Kirschner: Chirurgie. 1916–1927

Hugo Selter: Hygiene, Bakteriolo­ gie. 1917–1926

Philosophische Fakultät

765

Ernst August Hagen: Kunstge­ schichte. 1825–1880

Franz E. Neumann: Physik. 1828–1877

Karl Rosenkranz: Philosophie. 1833–1879

Karl Lehrs: Klass. Philologie. 1835–1878

Ludwig Friedländer: Klass. Philolo­ gie. 1858–1892

Hermann Spirgatis: Pharm. Chemie. 1860–1896

Karl Wilhelm Nitzsch: Geschichte. 1862–1872

Friedrich Ueberweg: Philosophie. 1862–1871

Oskar Schade: Deutsche Philologie. 1863–1906

766

Philosophische Fakultät

Theodor von der Goltz: Agrar­ wissenschaft. 1869–1885

Wilhelm Maurenbrecher: Geschichte. 1869–1877

Carl Graebe: Chemie. 1870–1877

Gottlieb Michael Berendt: Geologie. 1869–1874

Jakob Schipper: Englische Philolo­ gie. 1871–1876

Alfred von Gutschmid: Alte Geschichte. 1873–1876

Heinrich Ritthausen: Agrarwissen­ schaft. 1873–1899

Emil Arnoldt: Philosophie. 1874–1879

Max Bauer: Mineralogie. 1875–1884

Philosophische Fakultät

767

Hugo Blümner: Klass. Archäologie. 1875–1877

Woldemar Voigt: Physik. 1875–1883

Heinrich Weber: Mathematik. 1875–1883

Adolf Liebenberg von Zittin: Agrarwissenschaft. 1876–1878

Hermann Wagner: Geographie. 1876–1880

Gustav Hirschfeld: Klass. Archäo­ logie. 1878–1895

Georg Busolt: Alte Geschichte. 1878–1879

Adalbert Bezzenberger: Indogerma­ nistik. 1880–1922

Richard Garbe: Indologie. 1880–1895

768

Philosophische Fakultät

Karl Zöppritz: Geographie. 1880–1885

Richard von Hertwig: Zoologie. 1881–1883

Carl Chun: Zoologie. 1883–1891

Georg Dehio: Kunstgeschichte. 1883–1892

Ludwig Elster: Nationalökonomie. 1883–1887

August Müller: Orientalistik. 1883–1890

Ferdinand Lindemann: Mathema­ tik. 1883–1893

Adolf Hurwitz: Mathematik. 1884–1892

Theodor Liebisch: Mineralogie. 1884–1887

Philosophische Fakultät

769

Friedrich Hahn: Geographie. 1885–1917

Paul Volkmann: Physik. 1885–1924

Carl Appel: Romanische Philologie. 1886–1890

Wilhelm Fleischmann: Agrarwissen­ schaft. 1886–1896

David Hilbert: Mathematik. 1886–1895

Hermann Baumgart: Deutsche Philologie. 1887–1919

Wilhelm von Branca: Geologie. 1887–1890

Max Westermaier: Botanik. 1887–1888

Oswald Seeliger: Zoologie. 1887–1888

770

Philosophische Fakultät

Carl Friedrich Peters: Astronomie. 1888–1894

Heinrich Zimmern: Assyriologie. 1889–1890

Georg von Below: Geschichte. 1889–1891

Otto Hoffmann: Indogermanistik. 1889–1896

Emil Wiechert: Physik.1890–1897

Maximilian Braun: Zoologie. 1891–1921

Ernst von Koken: Geologie. 1891–1896

Georg Erler: Geschichte. 1892–1902

Konrad Lange: Kunstgeschichte. 1892–1894

Philosophische Fakultät

771

Max Kaluza: Englische Philologie. 1893–1921

Felix Peiser (Mitte mit Zollstock): Assyriologie. 1894–1921

Otto Gerlach: Nationalökonomie. 1894–1923

Hermann Karl Struve: Astronomie. 1895–1904

Berthold Haendcke: Kunstge­ schichte. 1895–1927

Rudolf Otto Franke: Indologie. 1895–1928

Heinrich Klinger: Chemie. 1895–1922

Hermann Minkowski: Mathematik. 1895–1896

772

Philosophische Fakultät

Otto Rossbach: Klass. Philologie. 1895–1925

Paul Stäckel: Mathematik. 1895–1897

August Brinkmann: Klass. Philolo­ gie. 1896–1902

Otto Hölder: Mathematik. 1896–1899

Otto Mügge: Mineralogie. 1896–1908

Theodor Vahlen: Mathematik. 1897–1904

Franz Meyer: Mathematik. 1897–1924

Paul Gisevius: Agrarwissenschaft. 1898–1903

Karl Diehl: Nationalökonomie. 1899–1908

Philosophische Fakultät

773

Arthur Schoenflies: Mathematik. 1899–1911

Julius von Negelein: Indologie. 1899–1921

Gustav Thurau: Romanische Philo­ logie. 1899–1907

Emil Müller: Mathematik. 1899–1902

Wilhelm Uhl: Deutsche Philologie. 1901–1921

Ernst Schellwien: Geologie. 1901–1906

Eduard Koschwitz: Romanische Philologie. 1902–1904

Otto Krauske: Geschichte. 1902–1925

Carl Brockelmann: Orientalistik. 1903–1910

774

Philosophische Fakultät

Richard Heinze: Klass. Philologie. 1903–1906

Alfred Partheil: Pharm. Chemie. 1903–1909

Felix Rachfahl: Geschichte. 1903–1907

Ernst Meumann: Psychologie. 1905–1907

Ludwig Deubner: Klass. Philologie. 1906–1917

Rudolf Meissner: Deutsche Philolo­ gie. 1906–1913

Alfred E. Mitscherlich: Agrar­ wissenschaft. 1906–1941

Narziss Ach: Psychologie. 1907–1922

Josef F. Pompeckij: Geologie. 1907

Philosophische Fakultät

775

Walter Kaufmann: Physik. 1907–1935

Alexander Tornquist: Geologie. 1907–1914

Albert Werminghoff: Geschichte. 1907–1913

Richard Wünsch: Klass. Philologie. 1907–1913

Albert Hesse: Nationalökonomie. 1908–1921

Albert Goedeckemeyer: Philosophie. 1908–1938

Friedrich Rinne: Geologie. 1908

Alfred Bergeat: Geologie. 1909–1921

Theodor Kaluza: Mathematik. 1909–1929

776

Philosophische Fakultät

Christian Krollmann: Geschichte. 1909–1913

Erwin Rupp: Pharm. Chemie. 1909–1919

Walter Wreszinski: Ägyptologie. 1909–1933

Ludwig Bieberbach: Mathematik. 1910–1913

Johannes Hansen: Agrarwissen­ schaft. 1910–1922

Friedrich Schultheß: Orientalistik. 1910–1913

Friedrich Münzer: Alte Geschichte. 1911–1921

Alfred Pillet: Romanische Philolo­ gie. 1911–1928

Walther Ziesemer: Deutsche Philo­ logie. 1911–1945

Philosophische Fakultät

777

Christian Jensen: Klass. Philologie. 1912–1913, 1917–1921

Georg Baesecke: Deutsche Philolo­ gie. 1913–1921

Albert Brackmann: Geschichte. 1913–1920

Otto Immisch: Klass. Philologie. 1913–1914

Friedrich Schwally: Orientalistik. 1914–1919

Karl Meister: Klass. Philologie. 1914–1921

Karl Andrée: Geologie. 1915–1945

Max Friederichsen: Geographie. 1917–1923

Wilhelm Blaschke: Mathematik. 1917–1919

Bildnachweis

779

Bildnachweis

Das Gros der Bildquellen ist anhand des Professorenkataloges zu ermitteln, wo die in Festschriften, Nachrufen, dem Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft, Pagels Lexikon der hervorragenden Ärzte, Kabus 1998 usw. veröffentlichten Porträts mit (P) gekennzeichnet und über die Bibliographie zu erschließen sind.

Von Bibliotheken und Archiven zur Verfügung gestellt Staatsbibliothek Berlin: Walther Ziesemer Bildarchiv Preuß. Kulturbesitz: Karl Rosenkranz, Oskar Schade Geh. Staatsarchiv Berlin­Dahlem: Carl Gareis, Gustav Hirschfeld, C. W. von Horn, Karl Zöppritz UA Göttingen: Narziss Ach, Johannes Behm, Julius von Gierke, Albert Goedeckemeyer, Ernst Kühl, Carl Stange, Paul Tschackert UA Gießen: Friedrich Schwally UA Graz: Alexander Tornquist UA Halle: Georg Baesecke, Carl Cornill, August Müller (Orientalistik) UA Münster: Johannes Herrmann UA Rostock: Oskar Langendorff, Oswald Seeliger UA Tübingen: Wilhelm von Blume, Hermann Kriegsmann, Konrad Lange UA Wien: Richard A. Hoffmann Bildarchiv Foto Marburg: Max Bauer, Erwin Rupp

Aus Zeitschriften und Büchern ferner Den Ausgaben der zwischen 1912 und 1925 erschienenen Zeitschrift Königsberger (seit 1919:) Ostpreu­ ßische Woche wurde entnommen: Hermann Baumgart, Carl Eduard Güterbock, Otto Gerlach (Porträt und Kriegsaufnahme Bahnhof Suwalki), Alfred Manigk, Felix Peiser, Alfred Pillet, Richard Wünsch; überdies die Aufnahme der prähistorischen Ausgrabung in Ostpreußen (Peiser/Bezzenberger), Laza­ rettfotos aus dem Hauptgebäude; Städtisches Krankenhaus/Nervenklinik, Landwirtschaftl. Institute. Der Königsberger Allgemeinen und der Königsberger Hartungschen Zeitung entstammen die Aufnahmen von: Karl Benrath, Christian Krollmann, Fritz Litten, Paul Volkmann. Aus der Ostmärkischen Akademischen Rundschau WS. 1929/30: Alfred Juncker. Ostmärkischer Hochschul­Kalender 1928/29: Palaestra Albertina.

780

Bildnachweis

Paul Stettiner (Hg.), Ostpreußen, Königsberg 1926: Luftaufnahme Königsberg. A. Kuhn: Die Schreckenstage von Neidenburg in Ostpreußen, Minden 1915: Gruppenaufnahme Ministerbesuch in Neidenburg Herbst 1914. Walther Hubatsch 1966: Hauptgebäude/Wandelhalle, Staats­ und Universitätsbibliothek. Otto Bettmann (Hg.), Staat und Menschheit. Ideengeschichte des Verlages Dr. Walter Rothschild, Berlin­Grunewald 1905–1930, Berlin 1930: Peter Klein. Andreas D. Ebert, Jüdische Hochschullehrer an preußischen Universitäten (1870–1924), Frankfurt/M. 2008: Max Fleischmann (Abb. 238), Erich Kaufmann (213). Heinrich Wolff 1875–1940: Druckgrafik, Regensburg: Ostdeutsche Galerie 1984: Radierungen Lud­ wig Lichtheim und Richard Zander. Die Aufnahmen der Chirurgen Johannes von Mikulicz, Heinrich Braun, Anton von Eiselsberg, Erich Lexer, Carl Garré, Erwin Payr, Paul Friedrich sowie: Chirurg. Klinik, Lange Reihe, sind aus: Kirschner 1922. Scholz/Schröder 1970: Martin Kirschner, Ernst von Leyden. Ostpreußische Arztfamilie: Kegelabend der Professoren um 1890. Jahrbuch Schlesw.­Holst. Universitätsgesellschaft 1928: Alfred Schittenhelm. Gildemeister 1944: Gruppenaufnahme Physiologisches Institut. Königsberger Bürgerbrief 42, 1994: Max Löhr. Gerhard v. Glinski/Peter Wörster, Königsberg. Die ostpreußische Hauptstadt in Geschichte und Gegenwart, Berlin/Bonn 1990: Alfred Uckeley. Friedrich Mildenberger, Geschichte der deutschen evangelischen Theologie im 19. und 20. Jahrhun­ dert, Stuttgart 1981: Hans Achelis. Ludwig Friedländer, Sittengeschichte, 8. Aufl. ed. Wissowa 1922, Bd. I (mit Altersportrait des Ver­ fassers). Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik, Bd. 2: Von Euler bis zur Gegenwart, Berlin 2009: David Hil­ bert (S. 172), Ferdinand Lindemann (230). Edgar Swinne, Richard Gans. Hochschullehrer in Deutschland und Argentinien, Berlin 1992: Walter Kaufmann. Jahrbuch Osteuropa­Institut Breslau 1. 1940 (1941): Albert Hesse. Heinrich Begehr (Hg.), Mathematik in Berlin. Geschichte und Dokumentation, Aachen 1998, Bd. I: Ludwig Bieberbach (Abb. 35), Johannes Vahlen (36). Wilhelm Blaschke, Gesammelte Werke, Bd. II, Essen 1985. Privatbesitz des Vfs.: Holzstich Hauptgebäude um 1870; Einladungen zu Universitätsfeiern und Antrittsvorlesungen.

Personenregister

Verfasser der in den Fußnoten zitierten Literatur wurden nur aufgenommen, wenn mit dem Nachweis eine kritische Wertung oder, bei Königsberger Dissertationen, eine biographische Notiz mit dem Namen verbunden ist. Biogramme im Catalogus sind mit *, Portraits im Bildteil mit (P) hinter der Seitenzahl markiert. Abaelardus, Petrus 38, 637 Abderrahmân Abulfarág, Ibn al­ Gauzî 509 Abel, Niels H. 607, 640, 649 Abel, Rudolf 240 Abromeit, Johann A. 490 Abromeit, Johannes 170–173, 374, 398, 470, 490* Abromeit, Maria 490 Abs, Adelheid 498 Ach, Michael 490 Ach, Narziss 281, 322 f., 348, 383, 399, 490*, 534, 774 (P) Achelis, Ernst Chr. 490 Achelis, Hans 42, 199 f., 215, 490 f.*, 754 (P) Achelis, Joh. Daniel 490 f. Ackermann, Valeska 588 Adalbert von Prag 41, 637 Adam, Reinhard 396 Adamkiewicz, Albert 61, 491*, 554 Adenauer, Konrad 450 Aderjahn 604 Adenet le Roi 111 Adickes, Erich 194, 367, 614 Adler, J. H. Friedrich 549 Adloff, Paul 393 Adorno, Th. W. 8 Agathokles (von Syrakrus) 119 Ahlwardt, Wilhelm 310 Ahrens, Heinrich 543 Ahrens, Heinrich Ludolf 135, 551 Albert, Edwin 201 f., 441, 491* Albert, Friedrich 331, 339, 342 f., 345, 348, 491*, 533, 541

Albert, Friedrich L. 491 Albrecht von Brandenburg 35, 137f., 284, 290, 299, 359, 372, 472, 522, 578 Albrecht von Halberstadt 315 Albrecht, Anna 532 Albrecht, Eduard 46 Albrecht, Gerhard 521 Albrecht, Paul 74, 165 f., 491* Albrecht, Theodor 148 f. Alexander von Lykopolis 509 Alexander der Große 89, 136, 537 f. Alexander III. (Zar) 574 Allot, Ernst 455 Alt, Albrecht 213, 490 Althaus, Paul sen. 39, 629 Althoff, Friedrich 5, 7 f., 11 f., 18, 26–29, 34, 36, 38–46, 48, 50, 52 f., 59–63, 66–70, 72, 78, 80, 85, 89 f., 93–97, 101 f., 105–110, 116–119, 123, 126, 131, 144 f., 151 f., 155–158, 160, 164, 167, 169, 171, 175 ff., 179 f., 182 f., 185 f., 189, 192 f., 198, 200, 208, 217, 224, 239 ff., 252 f., 264, 266, 273 f., 277, 279, 285, 296, 300, 315 f., 320, 322, 327, 329 f., 341, 351, 353, 356, 358–365, 367, 395 f., 398, 402, 496, 498, 501, 506 ff., 513, 519, 521 ff., 525 f., 528 ff., 532, 535, 537, 542, 545, 548 f., 554, 559, 561, 565, 568 f., 574, 577 f., 581,

587, 590, 609, 611 f., 618 f., 623, 626, 631, 636, 642, 649 Alvermann, Dirk 6 Aly, Götz 4 Ambrassat, August 134 Ambrosch, Amalia 636 Amira, Karl v. 591 Ammon, Otto G. 247 Amos (Prophet) 202, 601 Anders, Elisabeth 602 Anderson, Eduard 491* Anderson, Heinrich 491 Anderson, Magdalene 558 Andreae, Achilles 157 Andrée, Adolph 492 Andrée, Karl 160, 339, 348, 463, 469, 480, 492*, 777 (P) Anna Paulowna, Großfür­ stin 112 Annuske, Eugen 251 Anschütz, Gerhard 223 f., 227, 236, 618, 644 Anschütz, Richard 165 Anselmino, Otto 330 Apel, Max 87 Appel, Carl 113, 189, 316, 319, 492*, 599, 633, 769 (P) Appel, Friedrich 492 Arendt, Hannah 221, 551 Arendt, Johanna 551 Argelander, Fried. Wilhelm 513 Ariost, Ludovico 112, 562 Aristarchos aus Samothrake 79, 572, 579 Aristoteles 87, 110, 324, 496, 531, 534, 554, 635

782

Personenregister

Aristoxenos von Tarent 619 Armbruster, Julie 529 Armbruster, Mathilde 519 Arndt, Adolf 223 f., 226 f., 235 ff., 239, 399, 413, 492* Arndt, Adolf jr. 492 Arndt, Jakob 492 Arndt, E. M. 406, 513, 595 Arndt, Wilhelm 97, 137, 519, 641 Arnim v. (PrAH) 340 f. Arnim, Elisabeth v. 639 Arnold, Carl Franklin 35 f., 38, 123, 208, 390 f., 400, 492 f.*, 515, 637 Arnold, Eberhard 493 Arnoldi, Wilhelm 346 Arnoldt, Emil 82 ff., 87, 133, 357, 378 ff., 493*, 606, 633, 766 (P) Arnoldt, Julius 571 Aschoff, Ludwig 605 Askanazy, David 493 Askanazy, Israel S. 493 Askanazy, Max 193, 240 f., 274, 493*, 497, 636 Askanazy, Selly 72, 413, 493 f.* Asklepiades von Myrleia 572 Assmann, Herbert 395 Athanasius, Bischof von Alexandria 32, 637 Aubin, Hermann 7 Augath, Luise 633 August Wilhelm v. Preußen 229, 518 Augusta, Kaiserin 63 f. Augustus 88, 304 Ausländer, W. 477 Auwers, K. f. v. 521 Avenarius, Richard 322 Axenfeld, Th. 567, 602 Babinger, Franz 186 Bachmann, Anna 497 Backhaus, Alexander 178–184, 339 ff., 345, 348, 398, 494* Backhaus, Hermann 494 Bacon, Francis 114, 519, 573 Bänder, F. 445 Baer, Karl Ernst v. 54, 74, 165 f., 373, 400, 512, 630 Baesecke, Georg 314 f., 348, 386, 394, 413 ff., 430, 457 ff., 494*, 647, 777 (P) Baesecke, Hermann 494

Baethgen, Friedrich sen. 36 Baethgen, Friedrich 36, 502 Baeyer, Adolf 161 ff. , 535 Baggesen, Jens 546 Bahners, Patrick 9 Balcke, Kurt 494 f.* Balduin I. 552 Balzer, Ferdinand 474, 495* Bamberger, Isaac 572 Bamberger, Ludwig 51 Bandalin, Nochim 454 Bardeleben, Heinrich Adolf v. 64, 269, 618 Bargmann, Wolfgang 54 Baron, Clara 502 Bartels, Max 495 Bartels, Paul 269 f., 495* Barth, Else 560 Barth, Fritz 200 Barth, Paul 543 Barz, Therese 568 Basedow, J. B. 99 Bassermann, Heinrich 496 Bastier, Paul 495* Batocki, Adolf v. 25 f., 390, 420 f., 423, 426–429, 448 f., 458, 479, 482, 495*, 753 (P) Batocki, Erminia v. 581 Batocki, Karl O. Fr. 495 Battermann, Adolf 495 Battermann, Hans 149 f., 348, 399, 463, 495 f.* Bauch, Bruno 383 Bauck, Marie 533 Baudissin, Wolf Graf 518 Bauer, Amalia 600 Bauer, Anna 614 Bauer, Fried. Karl 496 Bauer, Johannes 198, 200, 285, 391, 496*, 635 Bauer, Max 141, 154 f., 158 f., 163, 348, 496*, 575, 766 (P) Bauer, Walter 496 Baum, Caroline 598 Baum, Georg W. 613, 618 Baumann, Julius 635 Baumert, Georg 341 Baumgart, Erich 496 Baumgart, Gertrud 496 Baumgart, Hedwig 496 Baumgart, Hermann 98 f., 105–110, 114, 181, 189, 280–283, 312 f., 316, 348, 364, 385, 396, 398, 401 f.,

418, 420, 423, 432, 457, 459, 484, 496*, 769 (P) Baumgart, Karl 496 Baumgarten, Alex. G. 617 Baumgarten, Eduard 381 Baumgarten, Fritz 456 Baumgarten, Hermann 91 Baumgarten, Marita 8 Baumgarten, Otto 41 Baumgarten, Paul v. 242, 274, 390, 496 f.*, 515, 591, 593, 759 (P) Baur, Ferdinand Christian 32 f., 186, 258, 543, 625 Bayer, Hans Herbert 455 Bebel, August 215, 234, 380 Becher, Erich 383 Becher, Siegfried 167 Becker, Auguste Ch. 572 Becker, Carl Heinrich 13, 311, 462, 467–470, 521 Becker, Constanze 538 Becker, Heinrich 123 Becker, Margarethe 630 Becker, Otto 569 Becker, Philipp August 317 Becker, W. A. 538 Beckmann, Margarete 567 Beddies, Th. 506 Beely, Florian 71 f., 497* Beer, Georg 199 Behm, Heinrich 497 Behm, Ida 516 Behm,Johannes 441,497*,755(P) Behn, Wilhelm F. G. 569 Behr, Marthe v. 536 Behrend, Heinrich 20 Behrend, Jakob Friedrich 45 Behrendt, Fritz 460 Behring, Emil v. 248 Bekker, Ernst Immanuel 219, 417 Bellingrodt, Therese 629 Below, Georg v. 95–98, 138, 189, 217, 284 f., 287 f., 348, 438, 497 f.*, 523, 604, 770 (P) Below, Karl v. 497 Below, Otto v. 517 Bender (Pfr.) 35 Bender, Luise 550 Benecke, Adolf Berthold 73 f., 193, 277, 498*, 624 Benecke, Adolph 498 Benecke, Wally 494 Benecke, Wilhelm 326

Personenregister Benedikt von Nursia 641 Beneke, Fried. Ed. 635 Beneke, Friedrich W. 241, 498 Beneke, Rudolf 241 f., 270, 277, 498*, 544 Benjamin, Walter 115 Benndorf, Otto 119 Benrath, Alfred 327 f., 389, 391 f., 498*, 649 Benrath, Ernst 498 Benrath, Gustav A. 391, 499 Benrath, Karl 38, 42, 187, 202, 209, 215 f., 392, 398, 415 f., 423 f., 490, 498 f.*, 754 (P) Benrath, Mathilde 498 Benrath, Walther 391 f., 499 Benthien, Anna 536 Benthin, Carl 499 Benthin, Walther 499* Berck, Marie 494 Berendt, Gottlieb Michael 154, 160, 374, 499*, 766 (P) Berendt, Werner 499 Berendt, Michel 499 Berg, Friedrich v. sen. 499 Berg, Friedrich v. 27, 419, 427, 442, 466, 499* Berg, Philipp 499 Berg, Walter 499 f.* Bergeat, Alfred 337 ff., 348, 442, 463 f., 478, 492, 500*, 775 (P) Bergeat, Christoph 500 Bergenroth, Julius 125 Berger, Anna, verh. Diehl 518 Berger, Anna, verh. Löhr 578 Berger, Gertrud 647 Berger, Peter L. 10 Bergmann, Ernst v. 63 f., 243, 528, 573, 576, 587, 597, 645 Bergmann, Julius 82, 84 f., 348, 381, 500*, 512, 543, 633 Bergson, Henri 231 Bergsträsser, Gotthelf 458 Bergstrasser, Minna v. 629 Berkeley, George 127 Berlé, Luise 535 Berlin, Rudolf 252, 567 Berling, Elise 515 Bernays, Jacob 109, 353 Bernecker, Constanz 500* Bernheim, Ernst 96 f. Bernstein, J. 571 Bertheau, Anna 551 Berthold Steinmar v. Klingnau 582

Berthold, Christelmann 501 Berthold, Emil 64 f., 71 f., 98, 188, 252, 262 f., 277, 501*, 558, 568 Beseler, Georg v. 492 Beseler, Gerhard v. 443 Beseler, Hartwig 23 Bessel, Friedrich Wilhelm 58, 140, 148 ff., 390, 397, 526, 540, 580, 632, 640 Besser, Elisabeth 639 Bestaux, Eugène 501* Bethmann Hollweg, Theobald v. 207, 410, 420 f., 423, 432 f., 436 ff., 639 Beumer, Otto 595 Beyer, Anna 559 Beyer, Maria v. 614 Beyrich, Ernst 156, 565 Beyschlag, Willibald 213 Bezold, Carl 185 f. Bezold, Friedrich v. 5, 97 Bezold, Gustav v. 517 Bezzenberger, Adalbert 22, 80, 119, 125 f., 128 f., 132–136, 180 f., 188, 190 f., 279 f., 297 f., 312, 317, 348, 351, 358, 362 ff., 370, 375 f., 386, 393, 398 f., 413, 415, 421 f., 425 428, 431, 459 f., 469, 478, 482 f. , 501 f.*, 548, 551, 593, 601, 749 (P), 767 (P) Bezzenberger, Ernst 393, 501 Bezzenberger, Heinrich Ernst 501 Bezzenberger, Reinhard 393, 501 Bibra­Adelsdorf, Katinka v. 529 Bidder, Friedrich v. 73, 569, 574 Bidder, Marie E. 574 Bieberbach, Eberhard 501 Bieberbach, Ludwig 333, 335, 501 f.*, 776 (P) Biedermann, Alois Emanuel 208 Bielschowsky, Albert 266 Bielschowsky, Alfred 265 f., 447 Bienengräber, Valeska 596 Bier, August 243, 245 f., 512, 530, 550 Bierfreund, Auguste 639 Bierling, Ernst Rudolf 47 Biermer, Anton 64, 575 Billroth, Theodor 61, 239, 243, 520, 586, 597 Binding, Karl 228 Birch­Hirschfeld, Adolf 393, 502

783

Birch­Hirschfeld, Anneliese 502 Birch­Hirschfeld, Arthur 255, 277, 391, 393, 446 f., 502*, 764 (P) Birch­Hirschfeld, Felix V. 502 Birnbaum, Eduard 533 Binz, Arthur 609 Birt, Theodor 116, 118 Bischof, Carl Gust. 646 Bischoff, Henriette 608 Bismarck, Otto v. 18 f., 21, 24, 31, 33, 38, 44–49, 51 f., 56 ff., 62, 78 ff., 83, 86 ff., 90 ff., 98 ff., 115, 126, 135, 185, 192, 209, 211, 215, 283, 290, 297, 389, 410, 415, 418 f., 423, 432 ff., 442, 477, 502, 504, 516, 535, 538, 540, 552, 554, 569 f., 591 f., 595, 618 f., 635, 643 Bismarck, Sybille Gräfin 192 Bismarck, Wilhelm v. 25–27, 38, 114, 179 ff., 183, 191–193, 363, 502*, 749, 753 (P) Blanke, Fritz 36 Blaschke, Josef 502 Blaschke, Wilhelm 333, 348, 430, 463, 502 f.*, 590, 777 (P) Blass, Fried. Wilhelm sen. 503 Blass, Friedrich Wilhelm 122 f., 503* Blaß, Mathilde 578 Blech, verh. Rindfleisch 608 Bleek, Friedrich 522, 627 Bleichrode, Henriette 514 Bleyer, Marianne 587 Bliemeister, Nora 626 Bloch, Ernst 401 Blochmann, Friedrich 169 Blochmann, Reinhard 189, 328 ff., 503* Blöde, Ida 602 Bludau, Alois 151, 639 Blümner, Hugo 76 f., 114 f., 119, 348, 503 f.*, 512, 549, 767 (P) Blümner, Ottilie 504 Blümner, Rudolf 503 Blum, Reinhard 508 Blume, Adelheid 570 Blume, Wilhelm v. sen. 504 Blume, Wilhelm v. 181, 216 ff., 231, 391, 504*, 564, 580, 756 (P) Bluntschli, Joh. Caspar 515 f., 559

784

Personenregister

Boas, Clara 575 Boas, Heinrich 575 Bobrik, Benno 388 Bock (Pfr.) 406 Bode, Wilhelm v. 107, 224, 398 Bodelschwingh, Friedrich v. 531 Bodmann, Emma v. 91 Boeckeler, Sophie 643 Boecker, Julius 444 Boeckh, August 122, 306, 503, 557, 572 Boeckmann, Maria v. 552 Boeddinghaus, Emmeline 535 Boeddinghaus, Helene 635 Böhlau, Hermann 604 Böhm, Joseph A. 504 Böhm, Karl 333, 348, 463, 502, 504*, 558 Böhm, Marie 508 Boehm, Max H. 421 Böhm­Bawerk, E. 103 Böhme, Jacob 324 Boeke, Hendrik 338, 504 f.* Boeke, Isaac H. 504 Böke, Wilhelm 254 Boenheim, Flora 260 Böttcher, verh. Blochmann 503 Boettcher, Arthur 55 f. Boettcher, Louis 463 Boette, Werner 216, 491 Boetticher, Adolf 137 Böttner, Arthur 393, 505* Böttner, Ernst 505 Bohlen, Peter v. 593, 627 Bohn, Emilie 606 Bohn, Heinrich 56, 63, 67 f., 71, 273, 357, 385, 395, 501, 505*, 524, 526 Bohn, Pauline 385 Boinron, Cäcilie 531 Boit, Hans 246, 446, 505* Boller, Margarethe 609 Bolm, Clara 511 Boltzmann, Ludwig 632 Bolzano, Bernhard 61 Bonhoeffer, Dietrich 506 Bonhoeffer, Friedrich 505 Bonhoeffer, Karl 257 f., 272, 277, 351, 505 f.*, 563, 762 (P) Bonhoeffer, Klaus 506 Bonifaz I. 621 Bonizoni 32 Bonnet, Robert 626 Bonus, Arthur 208 f.

Bonwetsch, Nathanael 39, 574 Boockmann, Hartmut 11 Borchard, A. 530 Borchardt, Karl W. 628 Borchardt, Leo 72, 260, 446, 506* Borchardt, Marianne 505 Borchardt, Simon 506 Borchmann, Marie 533 Boretius, Alfred 45 Born, Gustav Jac. 530 Bornhak, Conrad 236 Borowski, Ludwig Ernst 366 Borrmann, Walther 203 Borst, Max 241 Bosse, Christoph 506 Bosse, Friedrich 37, 39 ff., 43, 506*, 637 Bosse, Robert 40, 140, 189, 191 ff. Bosworth, Joseph 616 Boveri, Theodor 169 Boyens, Margarete 583 Boysen, Karl 360, 363–367, 390, 474, 506 f.*, 622 Braatz, Egbert 59, 395, 507* Braatz, Wilhelm 507 Brackebusch, Paula 564 Brackmann, Albert sen. 507 Brackmann, Albert 348, 383, 396, 402, 406, 408, 411 f., 419 f., 427, 429 f., 436, 443, 458 ff., 470, 479 f., 507*, 777 (P) Brackmann, Ilse 406 Brackmann, Irmgard 406, 507 Brackmann, Kurt 406 Branca, Wilhelm v. 156, 159 f., 188, 348, 375, 507 f.*, 565, 600, 769 (P) Branca, Wilhelm v. jun. 508 Branco, Fried. Wilhelm 507 Brandenburg, Erich 290, 438 Brandes, Ernst 437 Brandl, Alois 580, 616 Brandstädter, Maria 570 Brandt, Karl 168, 508* Brandt, Samuel 118 Brauckmann, Hermann 346 Brauer (Allenstein) 345 Braun, Alexander 513 Braun, Gustav sen. 508 Braun, Gustav 394, 462, 509 Braun, Heinrich 44, 61, 240, 242 f., 448, 508*, 520, 761 (P)

Braun, Julie 546 Braun, Marie Em. D. 513 Braun, Maximilian 65, 168 ff., 180 f., 191, 324 ff., 330, 337, 348, 360, 363, 374, 394, 398, 413, 462, 508 f.*, 516, 579, 770 (P) Braun, Otto (Politiker) 298 Braun, Otto (Philos.) 394, 509 Brauns, Reinhard Anton 158, 500 Bredschneider, Margarete 549 Bredschneider, Pauline 607 Brehm, Johannes 394 Breitenbach, Robert 345 Brentano, Franz 61 Brentano, Lujo 114, 517 Breusing, Alfred 408 Brie, Siegfried 525 Brieger, Theodor 34, 499 Brietzig, Bertha 603 Brill, Alexander 145, 503 Brinckmann, Hulda 598 Brinkmann, August 121 f., 181, 302 f., 348, 363, 385, 509*, 543, 772 (P) Brinkmann, Wilhelm 509 Brinz, Alois v. 515 Brischke, Carl Gustav 165 Brockelmann, Carl sen. 509 Brockelmann, Carl 131, 278 f., 282, 307–314, 348, 509 f.*, 621, 773 (P) Brockhusen­Justin, Hans­Joachim 430 Brode, Franz 393, 510 Brode, Max 393, 510* Brönner, Wilhelm 386 Brönner­Höpfner, Elisabeth 386 Broili, Ferdinand 339 Brotanek, Rudolf 616 Brücke, Ernst Th. v. 451 Brücke, Ernst Wilhelm v. 55, 60, 569, 644 Brückner, Alexander 510 Brückner, Arthur 255, 447, 510*, 582, 616 Bruckner, Anton 524 Brünneck, Manfred v. 427 Brugsch, Heinrich 450 Brugsch, Theodor 450, 617 Bruhns, Willy 337 Brukimin, Busze 570 Brun von Querfurt 637

Personenregister Brunn, Heinrich v. 77 Brunner, Heinrich 219, 518, 604, 609, 614 Bruns, Paul v. 528, 530, 587 Brust, Alfred 340 Buchner, Hans 68, 248, 256 Buddha, Gotamo 126 f., 526 Budzinski, Robert 283 Bücheler, Franz 186, 305, 531, 543, 556, 619, 649 Bücher, Karl 518 Bühler, Ottomar 446 Bülow, Albert v. 510 Bülow, Bernhard v. 21, 245, 266 Bülow, Charlotte v. s. Friedrich Bülow, Friedrich v. 25 f., 510* Bülow, Karl F. J. v. 266, 528 Bürgers, Joseph 249, 510 f.* Bürgers, Victor I. 510 Bürker, Karl 266, 451 Büsching, Luise 517 Bütschli, Otto 167, 169 Buff, Heinrich Ludwig 161 Buff, Johann Heinrich 161 Buhl, Frants 201, 601 Buhlert, Ernst 511 Buhlert, Hans 339 f., 348, 511* Bujack, Georg 136, 375 Bulwer­Lytton, Ed. G. 279 Bumm, Ernst 239, 435 Bunge, Irmgard 511 Bunge, Julius 511 Bunge, Richard 246, 511* Bunsen, Chr. Karl J. v. 538 Bunsen, Robert Wilhelm 161, 503, 535, 572 Burck, Erich 122, 543 Burckhardt, Jakob 107, 109, 496, 539 Burdach, Ernst 64, 73, 79, 498, 511* Burdach, Karl Friedrich 54, 58, 511 f., 589 Burger, Margarete 490 Burger, Rose 357 Burgsdorff, Konrad v. 285 Burkhardt, Heinrich 145 f. Burmester, Paul 292 Burow, Ernst 511* Burow, Karl August 512*, 548 Bursian, C. 537 Busch, Dora 235 Busch, Friedrich 649 Busch, Moritz 537, 619

Buschke, Abraham 262 Busenbecker, Emilie 624 Busolt, Georg 119, 123, 361, 512*, 767 (P) Busolt, Ida 512 Busolt, Julius A. 512 Busse, Hans 460 Busse, Ernst H. L. 512 Busse, Ludwig 181, 194, 281, 320 f., 323 f., 348, 379, 381, 387, 512*, 584 Busse, Otto 242 Buttler, Helene 610 Caesar, C. Iulius 300, 305, 361, 525 Caesarius von Arelate 493 Calker, Wilhelm van 226 f. Calvin, Johannes 101, 209, 493, 521, 622 Campe, J. H. 99 Camphausen, Otto v. 111 Cangrande I. della Scala 628 Carathéodory, Constantin 332 f. Carew, Elizabeth 519 Carius, Ludwig 162 Carl, Franz 512 Carl, Helene 564 f. Carl, Theodor Ernst 565 Carl, Walther 395, 512 f.* Carlyle, Thomas 206, 415 Caro, Jacob 295, 603 Caro, Margarethe 524 Carstenn, Edward 290 Carstens, Asmus J. 539 Caspary, verh. Samter 613 Caspary, Franz X. 513 Caspary, Heinrich 392, 513 Caspary, Julius 59, 188, 261 f., 277, 358, 392, 513*, 613, 642, 761 (P) Caspary, Robert 78 ff., 92 f., 167, 170 ff., 175, 360, 490, 513*, 579, 596 Caspersen, Emilie 522 Cassirer, Bruno 493 Cassirer, Ernst 260, 324, 413, 534 Cassirer, Rosalie 534 Castellain, George 319, 513* Cato, M. Portius (Uticensis) 80, 557 f. Cauer, Paul 118 Cauer, Stanislaus 383, 386, 419

785

Chales de Beaulieu, Elise 542 Chamberlain, H. St. 402, 420, 427, 497 Chamisso, A. v. 623 Chargaff, Erwin 540 Chaucer, Geoffrey 111 ff. , 559, 562 Christian von Troyes 394 Chroust, Peter 5 Chrysippos 531 Chun, Carl 65, 80, 151, 155, 167 ff., 188, 348, 360, 508, 513*, 538, 596, 623, 768 (P) Chun, Gustav 513 Cicero 123, 303, 305, 361, 556, 583, 623 Cichorius, Helene 498 Clairmont, Paul 244 Class, Gustav 612 Class, Heinrich 408, 413, 423, 439 Claudianus, Claudius 117, 556 Claus, Carl Friedrich 169 Clausen, Heinrich 514 Clausen, Wilhelm 255, 514* Clausewitz, Carl v. 86 Clausius, Mathilde 647 Clausius, Rudolph 647 Clauss, Frieda 603 Clauss, Luise 588 Clebsch, Alfred 144, 576 Clemenceau, Georges 483 Cloetta, Wilhelm 317, 621 Cohen, Emil 155 Cohen, Hermann 383, 413, 614 Cohen, Jacob 560 Cohn, Fanny 545 Cohn, Ferdinand 170, 538 Cohn, Fritz 145, 149 f., 189, 514* Cohn, Hermann 514 Cohn, Jacob M. 572 Cohn, Johanna 555 Cohn, Jonas 560 Cohn, Leonhard 514 Cohn, Max 514 Cohn, Rudolf 483, 514* Cohn, Theodor 446, 514 f.* Cohnen, Theodor 455 Cohnheim, Julius 526 Collier, Arthur 565 Cominianus 304 Conrad, Johannes 101, 103 ff., 183, 293, 518, 521, 546

786

Personenregister

Conze, Werner 4 Corinth, Lovis 386, 539 Coriolanus, Cn. Marcius 617 Corneille, Pierre 318 Cornelius, Hans 322 Cornill, Carl H. 36 f., 41, 43 f., 187, 199, 208, 211, 213, 216, 312, 515*, 533, 577, 754 (P) Cornill, Otto 515 Corssen, Paul Wilhelm 76 Cosack, Karl Johannes 28, 30, 554, 570 Cosack, Konrad 444 Credner, Rudolf 151, 153 Cremer, Hermann 39–42, 629 Creuzer, Friedrich 572 Crönert, Wilhelm 503 Cruse, Karl Fr. Wil. 55, 58, 64, 161, 515*, 548, 555 Cruse, Karl Wil. 515 Crusius, verh. Lindemann 576 Crusius, Otto 576 Curschmann, Hans 258 Curti, Arthur 417 Curtius, Ernst 115, 362, 549, 556, 635 Curtius, Georg 503, 538, 553, 556 f. Czaplewski, Carl 515 Czaplewski, Eugen 274, 515* Czerny, Vinzenz v. 243, 507 Czolbe, Heinrich 81 f. Dach, Simon 647 Daenicker, Mathilde 523 Dahlmann, Friedrich Chr. 471, 513, 557 Dahlmann, Helfried 122 Dahn, Felix 17, 43, 45 f., 49 f., 52 f., 98, 217 f., 395, 500, 515 f.*, 525, 529, 552, 587, 618, 756 (P) Dahn, Friedrich 515 Dalmer, August 516 Dalmer, Johannes 40, 42, 516* Dames, Wilhelm 565 Damnitz, Emilia v. 586 Dampf, Alfons 170, 325, 464, 516 f.*, 631 Dankwitz, Elsa 599 Dante Alighieri 280 Dapping, verh. Kochendörffer 564 Darré, Richard W. 177

Darwin, Charles 56, 61, 65, 74, 80, 154, 157 f., 166–171,269, 386 f., 414, 499, 545, 565, 590, 624 Davies, William Morris 462 Debye, Peter 550 Dedekind, R. 640 Deecke, Wilhelm 158 Degenhardt, Ida 570 Dehio, Georg 5, 80, 99, 105 ff., 137, 188, 348, 375, 390, 517*, 528, 571, 582, 768 (P) Dehio, Julius W. 517 Dehio, Ludwig 517 Dehmel, Richard 110, 386, 430 f. Dehn, Max 333 Delaquis, Ernst 221, 223 Delbrück, Hans 484, 645 Delitzsch, Franz 36 Delitzsch, Friedrich 130 f., 212, 312, 647 Delius, Nicolaus 111 f., 616 Delmer, Denis S. 517 Delmer, Frederick Sefton 113 f., 319, 517* Demetrius 620 Demokrit 533 Demosthenes 503 Descartes, René 85, 127, 543 Dessoir, Max 322 Dethlefsen, Richard 383, 419, 429, 459 Detmering, Adele v. 533 Dettmann, Ludwig 383, 472 Deubner, Alexander 517 Deubner, Alexander jun. 517 Deubner, Ludwig 301, 303 f., 306 f., 348, 407, 457 f., 517*, 556, 592, 774 (P) Deuticke, Dora 546 Deutsch, Helene 541 Deutsch, Nik. Man. 539 Deutsch, Samuel Martin 38 Deutschmann, Agnes 603 Diderot, Denis 610 Didymos 579 Dieckert, Alfred 456 Diefka, Elisabeth 639 Diehl, Carl 518 Diehl, Karl 103 f., 181, 191, 220, 281 f., 323, 348, 470, 518*, 772 (P) Diehl, Karl Ludwig 518

Diels, Hermann 303 f., 326, 531 Diels, Ludwig 326 Diesch, Carl 368, 473 f. Disraeli, Benjamin 415 Diestel, Heinrich 522 Dieterich, Albrecht 517, 645 Dietrich von Nieheim 97 f., 523 Dietrich, Albert 270 Diez, Friedrich 111 f., 503, 616 Diezel, Gertrud 499 Dilthey, Wilhelm 109, 213, 324, 366 f., 401, 560 Dingler, Emilie 631 Dinter, Gustav Fr. 627 Dionysios von Halikarnassos 503 Dippold, Ottilie 566 Dirichlet, Gustav Peter 646 Dirksen, Hein. Ed. 613 Ditt, Thomas 7 Dittenberg, Emilie 640 Doebbelin, Carl sen. 275, 393, 649 Doebbelin, Carl jr. 393, 649* Döbbelin, Paul F. 649 Döderlein, Ludwig 157, 647 Döhring, Alfred 380 Doehring, Bruno 43, 497 Doehring, Ella 455 Dölter y Cisterich, Cornelius 155 Dönhoff (Adelsfamilie) 49 Dönhoff, Marion Gräfin 192, 461 Doenniges, Margarete v. 561 Doerr, Robert 248 Dohna (Adelsfamilie) 49, 290 Dohna, Alexander zu 220 f., 223, 229, 234 f., 402, 430, 432 f., 435, 443, 445, 471, 478 ff., 485, 518*, 584, 621, 757 (P) Dohna, Dagmar zu 518 Dohna, Hannibal zu 518 Dohrn, Bertha 518 Dohrn, Karl 392, 518 Dohrn, Rudolf 62, 66, 188, 239, 242, 278, 392, 514, 518 f.*, 571, 602, 611, 644, 760 (P) Donders, Fr. C. 63 Dorn, Ernestina 548 Dorn, Ernst 631 Dorn, Maria 631 Dorner, August 37 f., 41 f., 187, 198 ff., 202–205, 207, 209 f., 214, 280 f., 391 f., 398, 407, 413, 416, 441, 519*, 576, 612, 754 (P)

Personenregister Dorner, Georg 391, 519 Dorner, Isaac August 30, 32, 38, 213, 625 Dorner, Katharina 519 Dorner, Otto 391 f., 519 Dorothea von Preußen 366 Dove, Hein. W. 646 Drake, Mary Jane 359 Draudt, August 519 Draudt, Max 519* Draudt, Paul 519 Drechsler, Gustav 176 Dreier, Christian 202 Drevermann, Fritz 336 Drews, Arthur 194, 205 Dreyer, Johannes 481 Dreyfus, Alfred 182 Driesch, Hans 205 Drobisch, M. W. 543 Droste, Rosalia 512 Droste zu Hülshoff, Therese v. 516 Drosz, Ida 512 Drosz, Numa 512 Droysen, Anna 558 Droysen, Johann Gustav 80, 89, 94, 97, 136, 283 ff., 361, 391, 503, 518, 558 f., 566, 595, 603, 611, 620 Drumann, K. Wilhelm A. 57, 75, 361, 366, 605, 627 Dryander, Ernst v. 600 Drygalski, Erich v. 172, 490 Du Bois Reymond, Emil 373, 500, 544, 569 Du Bois Reymond, Magdalena 500 Du Bois Reymond, Paul 164, 550 Dühring, Eugen 41, 205 Dümmler, verh. Liebenberg 575 Dümmler, Ernst 575 Dürck, Margarete 584 Dürer, Albrecht 107, 282 Düring, Johanna 538 Duge, Anna 567 Duhn, Friedrich v. 509 Dulk, Friedrich Wilhelm 160 f. Dultz, Auguste 586 Dultz, Martha 586 Dunbar, William Ph. 515, 616 Dunkel, Marie 629 Dunker, Emma 625 Dunstan, Arthur C. 282, 319, 519* Duntze, Henny 492

Dous, verh. Doebbelin 649 Dyrssen, Emilie 632 Dziatzko, Karl 359, 368 Dziubella, Johannes 429 Ebbinghaus, Hermann 322, 584 Ebel, Johann Wilhelm 55, 522 Ebeling, Georg 318 Eberhard, Victor 145, 189, 519* Eberhard, Richard 519 Ebers, Georg 46, 186 Eberth, Karl J. 511, 576 Ebhardt, Wilhelmine 567 Eck, Ernst W. 522 Eck, Heinrich v. 156 Eckardt, Julius 619 Eckardt, Margarete 619 Ecke, Gustav 37, 42, 198 f., 205 f., 216, 519*, 629 Ecke, Rosa 519 Eckhardt, Karl Aug. 604 f. Eckhardt, Klothilde 583 Edinger, Emilie 607 Edinger, Ludwig 534, 608 Eggeling, Auguste 625 Egger, August 219 Eggers, Dorothea 517 Egidy, Moritz v. 37, 386 Ehlers, Ernst 167 Ehrenberg, Hermann 137 f., 385, 519 f.* Ehrenberg, Otto 519 Ehrenberg, Paul 465 Ehrenberg, Richard 495 Ehrhardt, Arnold 520 Ehrhardt, Ilse 520 Ehrhardt, Oskar 246, 393, 395, 446, 449, 520*, 530 Ehrhardt, Traugott 520 Ehrismann, Gustav 312 Ehrlich, Hugo 460, 520* Ehrlich, Paul 525, 593 Ehwald, R. 619 Eichhorn, Emilie 491 Eichhorn, Friedrich v. 522 Eichhorn, Hermann v. 431 Eichhorst, Hermann 59 f. Eichler, Albert 616 Eichler, Helene v. 624 Eichmann, Franz August 24, 44, 76 Eilsberger, Ernst 181, 183 Einstein, Albert 335, 383, 394, 559, 587

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Eiselsberg, Anton v. 138, 239 f., 242 ff., 277, 520*, 530, 579, 597, 631, 761 (P) Eiselsberg, Guido 520 Eisenlohr, August 520 Eisenlohr, Ernst 521 Eisenlohr, Fritz 328, 348, 410, 469, 520 f.* Eißfeld, Marianne 494 Eitel, Wilhelm 338 f., 505 Elimar von Oldenburg 531 Ellenberger, Wilhelm 466 Ellendt, Georg 384 Eller, Christine 562 Elliasow, Walter 456 Ellinger, Alexander 264 ff., 277, 390, 395, 447, 521*, 529, 607 f., 620 Ellinger, Philipp 521 Elsner, Bruno 215 Elsner, Maria 640 Elster, Ernst 521 Elster, Karl 521 Elster, Ludwig 99, 101, 103 ff., 180 f., 192, 198, 217, 222 f., 229, 234 f., 242, 244 f., 263, 293, 295, 301, 318, 332, 344, 348, 351, 402, 521 f.*, 525, 542, 768 (P) Eltzbacher, Paul 417 Embden, Gustav 608 Emke, Emma 579 Emsdorff, Ernst 467 Endemann, Friedrich 48 f., 52, 188, 389, 522*, 535, 560, 756 (P) Endemann, Wilhelm S. 522 Enderlen, Eugen 243, 245, 561 Engel, Friedrich 146 Engelhardt, Moritz v. 574 Engelking, E. 582 Engelmann, Woldemar 228 Engler, Adolf 170, 326 Enneccerus, Ludwig 48 Epikur 533 Epiphanius 637 Eppinger, Hans 450 Erasmus von Rotterdam 574, 622 Erb, Wilhelm 64, 575, 628 Erbkam, Wilhelm Heinrich 28 f., 32 f., 36, 522 f.*, 634 Erdmann, Benno 383 Erdmann, David 28 f., 31 ff., 39, 390, 569 f., 637

788

Personenregister

Erdmann, Dorothea 569 Erdmann, Hans Hermann 523 Erdmann, Oscar 523* Erdmann, Otto L. 609 Erdtmann, Marie Th. 547 Erhardt, Franz 320, 323, 383 Erler, Georg 97 f., 138, 180 f., 191, 285, 290, 348, 523*, 598, 604, 641, 770 (P) Erler, Georg jun. 523 Erler, Heinrich 523 Erman, Adolf 308 f., 478, 645 Erman, Wilhelm 363, 390 Ernesti, Marie 644 Ernsthausen, Ernst v. 22 Ersch, Joh. S. 87 Esau, Lotte 84 Esmarch, Erwin v. 63, 68, 240, 248, 256, 262, 274, 277, 391, 505, 515, 523*, 526, 599, 645, 761 (P) Esmarch, Joh. Fried. v. 523 Ethé, Hermann 185 Ettlinger, Emil 473, 523*, 524 Etzemüller, Th. 9 Etzer, Anne 636 Eucken, Rudolf 202, 209, 382 f., 389, 394, 509, 543, 612 Euler, Leonhard 629 Eulenberg, Herbert 387 Eulenburg, A. 613 Eulenburg, Friedrich zu 78 Eulner, H.­H. 257 Eumenes 620 Euripides 601 Eusebius von Cäsarea 116 f., 618 Euting, Julius 509 Eversbusch, Oscar 251 ff. Ewald, Richard 533 Ewert, Ralf 588 Exner, Franz (Philos.) 60 Exner, Franz (Jur.) 230 Exner­Ewarten, Siegmund v. 60 f. Ezechiel 201, 545 Faber, Georg 332 ff., 348, 504, 523 f.* Faber, Max 523 Fabian, Rudolf 70 Fabricius, Ernst 485 Falckenberg, Richard 512 Falk, Adalbert 18, 24, 45, 47 f., 53 f., 66 f., 77, 79, 82–88, 92, 94, 98, 100, 124, 142, 150 f.,

154, 175, 351, 356 f., 397 f., 402, 541 Falk, Hans v. 541 Falke, Friedrich 343 Falkenheim, Albert 524 Falkenheim, Albert jun. 392 Falkenheim, Curt 392, 524 Falkenheim, Hugo 59, 67 f., 71, 188, 273, 277, 392, 395, 524*, 592, 761 (P) Falkenheim, Susanne 392 Falkmann, Henriette 557 Falkner, Marie 636 Falkson, Ferdinand 190 Falkson, Robert 524* Fallmerayer, Jak. Ph. 87 Farenheid, Fritz v. 79 Faust, Edwin Stanton 447 Favre, Hermann 524 Favre, Jules 113 f., 524* Fechner, G. Th. 640 Fechter, Paul 430 f. Fehrle, Eugen 448 Fetzer, Max 524* Feuerbach, P. J. Anselm 567 Feuerbach, Ludwig 204, 206 Feustell, Wilhelm 473 f., 524* Feydt, Wilhelm 292 f. Fichte, Johann Gottlieb 81, 127, 383, 647 Fick, Adolf E. 253, 269, 551 Fick, August 133, 135 f., 501 Fick, Rudolf 269 Fiebach, Martina 393, 524 Fiebach, Rainer 524 Fiebach, Otto 393, 524* Fiebach, Werner 393 Fiering, Emma 544 Filehne, Regina 562 Finger, August 614, 648 Fischer (OLG Breslau) 525 Fischer, August 311 Fischer, Emil 627 Fischer, E. R. 571 Fischer, Eugen 65, 269, 401 f., 452, 623 Fischer, Fritz 422 Fischer, Joh. Gottlieb 475 Fischer, Kuno 83, 87, 509, 560, 566, 639 Fischer, Margarete E. 536 Fischer, Martin 445 Fischer, Richard 123, 445 Fischer, Theobald 152

Fischer, Wolfram 285 Fittig, Rudolph 161 Flamand, Claude sen. 524 Flamand, Claude 317, 524 f.* Flasch, Adam 77 Fleiner, Fritz 644 Fleischer, Heinrich L. 131, 186, 590 Fleischer, Paul 437 Fleischmann, Adolph 393, 525 Fleischmann, Anna 227 Fleischmann, Betty 525 Fleischmann, Fried. Lud. 525 Fleischmann, Helene 525 Fleischmann, Maria 525, 638 Fleischmann, Max 220, 225– 228, 236 f., 402, 413–417, 423, 432, 434 ff., 443 f., 446, 525*, 560, 645, 758 (P) Fleischmann, Milla 525 Fleischmann, Paul 525 Fleischmann, Wilhelm 174–180, 183 f., 188, 190 f., 339, 345, 347 f., 390, 393, 396, 465, 494, 525*, 638, 769 (P) Flemming, Walther 65 Flottwell, Marie 610 Flügge, Carl 247, 453, 562, 568, 599 Foch, Ferdinand 483 Förster, Richard 65, 119, 252 Foerster, Wilhelm 150, 526, 598, 632 Förtig, Katharina 626 Fontane, Theodor 84 Forchhammer, Peter W. 538 Forckenbeck, Max v. 20 Forman, Paul 9 Forsbach, R. 602, 624, 626 Forsthoff, Ernst 395 Forstreuter, Kurt 355 Fortlage, Karl 639 Fränkel, Bernhard 568 Fraenkel, Carl 63, 67 f., 71, 188, 261 f., 274, 277, 511, 523, 526*, 593, 599, 619, 761 (P) Fraenkel, Ernst 520 Fraenkel, Max 526 Fraenkel, Siegmund 185, 509 François, Hermann v. 384, 407 f., 411 Frangenheim, Johann 526 Frangenheim, Paul 246, 526*, 597

Personenregister Frank, Amalie 621 Franke, Alexander 526 Franke, Rudolf Otto 128, 132, 135, 280, 348, 362, 407, 458, 460, 526*, 771 (P) Franscky, Rosalia v. 492 Franz, Erich 477 Franz, Günther 286 Franz, Julius 145, 149 f., 168, 189, 526* Franz, R. 616 Franz, Viktor 526 Franz, Walther 17, 396 Franziskus von Assisi 642 Frauenstaedt, J. 543 Freeman, Ed. 362 Freidank, Emma 547 Frerichs, Fried. Th. v. 59, 555, 592 Frese, Margarete 635 Fresnel, Aug. Jean 632 Freund, Jeanette 544 Frey, Walther 527* Freymond, Emíle 317 Freytag, Gustav 98 f., 289, 537 Freytag, Willy 324 Frick, Otto 394 Frick, Walter 394 Friedberger, Ernst 248 f., 527*, 599 Friedberger, Max 527 Friedell, Egon 46 Friederichsen, Ludwig 527 Friederichsen, Max 348, 385, 422, 461 f., 469 f., 480 f., 527 f.*, 566, 603, 777 (P) Friedländer, Charlotte 517, 528 Friedländer, Hirsch 528 Friedländer, Jakob 625 Friedländer, Ludwig 20, 46, 76, 78 ff., 83, 86, 99, 105, 114, 117 f., 123, 188, 362, 390, 493, 496, 528*, 531, 537, 579, 617, 644, 765 (P) Friedländer, Marianne 625 Friedländer, Paul (Phil.) 458 Friedländer, Paul (Chem.) 528 Friedmann, Alexander 454 Friedrich I. 93 Friedrich II. (Kaiser) 317 Friedrich II. (der Große) 99, 285, 371, 381, 418 ff., 482, 566 Friedrich Karl von Preußen 512

Friedrich Leopold v. Preußen 189 Friedrich Wilhelm von Branden­ burg (Gr. Kurfürst) 93 f., 97, 151, 283 ff., 358 Friedrich Wilhelm I. 279, 285 f., 290, 370, 493, 566 Friedrich Wilhelm III. 189, 611 Friedrich Wilhelm IV. 138, 189, 376, 570 Friedrich Wilhelm (Friedrich III.) 63, 111, 115, 189, 375, 574 Friedrich, Carl J. 528 Friedrich, Charlotte, geb. v. Bülow 244 f., 266, 528 Friedrich, Charlotte 528 Friedrich, Ernst Ferdinand 82, 528* Friedrich, Ernst Paul 263 Friedrich, Hans Eberhard 529 Friedrich, Otto 528 f. Friedrich, Paul 240, 244 ff., 264, 266 ff., 272, 277, 389, 407, 413, 446–451, 455, 505, 513, 528 f.*, 539, 544, 556, 561, 597, 763 (P) Fries, Sophie 516 Frisch, Karl v. 545 f. Fritsch, Heinrich 510 Fritsch, R. G. 619 Frobenius, Georg 144 f., 553 Frohschammer, J. 543 Fromm, Erich 259 Fromme, Henriette 494 Frommhold, Georg 217 Froriep, August 539 Frost, Walter 378 Fruwirth, Karl 340 Fuchs, Auguste 506 Fuchs, Gertrud 315 Fuchs, Richard F. 451 Fühner, Hermann sen. 529 Fühner, Hermann 265, 447, 485, 529*, 764 (P) Fueter, Rudolf 332 f. Fulda, Ludwig 383 Furtmeyr, Berthold 539 Gaede, Anni 595 Gaefert, Clara 510 Gaentzsch, A. 597 Gaerte, Wilhelm 396 Gaffky, Georg 562 Gaigalat, Wilhelm 134 Galenos aus Pergamon 458, 619

789

Galilei, Galileo 502 Galois 147 Gambetta, Léon 56 Garbe, Karl 529 Garbe, Richard 124–129, 132, 135, 189, 348, 362, 396, 526, 529*, 646, 767 (P) Garber, Klaus 352 Gardthausen, Victor 88 Gareis, Hermann 393 f., 530 Gareis, Carl 47–52, 98, 188, 190, 217 f., 220, 298, 372, 389, 393 f., 522, 529 f.*, 547, 552, 756 (P) Gareis, Wilhelm v. 529 Garré, Anna B. 530 Garré, Karl sen. 530 Garré, Karl 240, 243–246, 277, 449, 519 f., 530*, 557, 573, 587, 636, 762 (P) Gattermann, Ludwig 612 Gaupp, Ernst 269, 277, 414, 447, 451 f., 530*, 626, 764 (P) Gaupp, Robert 258, 402 Gause, Fritz 9, 28, 396, 405, 459 Gauß, Carl Friedr. 502, 629 Gautier d’Arras 562 Gayl, Franz v. 530 Gayl, Wilhelm v. 281, 428, 430, 530 f.*, 644 Gebhardt, Walter 268 f. Geflitter, Auguste 544 Gehlen, Arnold 4, 381 Gehrke, Wilhelmine 511 Gelb, Adhémar 534 Gelder, Sara Maria v. 504 Geldner, Karl 646 Gennrich, Paul 441 f., 482, 531* Genserowski, Kurt 254 Genzmer, Erich 520 Georg Friedrich von Brandenburg 567 Georg Wilhelm von Brandenburg 285 Georg Wilhelm von Braunschweig­ Lüneburg 564 George, Heinrich 546 George, Stefan 306 Gerber, Paul Harry 194, 263 f., 389, 395, 415, 449, 531*, 627, 631 Gerber, Siegfried 531 Gerber, Th. 534 Gercke, Alfred 118, 391, 531 f.*

790

Personenregister

Gercke, Otto 531 Gerguletz, A. 587 Gerhard, Amalie 552 Gerhard, Carl 356, 358 f., 532*, 574 Gericke, Sophie F. 593 Gerlach, Ernst Lud. v. 24 Gerlach, Leopold v. 24 Gerlach, Adolf 532 Gerlach, Elisabeth 394 Gerlach, Ida 548 Gerlach, Joseph v. 630 Gerlach, Otto 99, 103 ff., 191, 220, 281 ff., 292 ff., 323, 331, 346, 348, 394, 398, 402, 415, 427 f., 430, 438 f., 457, 461, 469, 479 f., 525, 532*, 546, 752 (P), 771 (P) Gerland, Heinrich 229 Gerschel, verh. Lippmann 576 Gerschmann, Heinrich 383 Gerullis, Georg 133 f., 448 Gey, Th. 639 Ghibverti, L. 539 Gieger, August 474 Gierke, Julius v. 218–221, 233, 391, 407, 414, 440, 443 ff., 480, 532*, 604, 641, 757 (P) Gierke, Otto v. 218, 233, 238, 532, 560, 609, 645 Giese, Friedrich 226 Giesebrecht, Friedrich 41 f., 199, 201, 211 ff., 391 f., 491, 533*, 577, 601 Giesebrecht, Wilhelm v. 75, 97, 570, 595 Giesler, Margarethe 595 Gigalski, Bernhard 429 Gildemeister, Eduard 533 Gildemeister, Joh. Gustav 503 Gildemeister, Karl Hermann 36, 492 Gildemeister, Martin 451, 533*, 545, 748 (P) Gilly, Friedrich 539 Gisevius, Charlotte 533 Gisevius, Marie 533 Gisevius, Otto 533 Gisevius, Paul 181, 183 f., 339 f., 347 f., 533*, 772 (P) Gislebert von Mons 586 Gizycki, Georg v. 387 Glage (FC) 388 f. Glage, Gerhard 142

Glasenapp, Hellmuth v. 128, 526 Glaser, Anna 552 Glaser, Johann Karl 18, 77 f., 99, 553, 594 Glaue, Hermine 612 Glüer, Hermann 525 Gmelin, Hans 225 Gneist, Rudolf v. 492, 567, 581, 589 Gobineau, J. A. de 355 Godlewska, Maria 597 Goebel, Luise 557 Goebel, Marie 534 Goedeckemeyer, Albert 281, 323 f., 348, 379, 381 ff., 413, 457, 533 f.*, 775 (P) Goedeckemeyer, Otto 533 Goedeckemeyer, Ursula 534 Goedeke, Karl 635 Goeje, M. J. de 623 Goeldel, Herbert 428 Goeppert, Heinrich 24, 83 f., 94, 357 Göppinger, H. 577 Goerke, Charlotte 547 Görner, Rudolf 454 f. Goethe, J. W. v. 109 f., 170, 251, 281 f., 313, 380, 401, 431, 457, 496, 527, 539, 589, 621 Goette, Alexander 508 Götz, Georg 116, 118 Götz, Karl Gerold 42 Gohr, Reinhold 461 Goldbeck, E. 629 Goldfuß, Georg Aug. 513, 646 Goldmann, Ida 569 Goldschmidt, Adolph 106 Goldschmidt, Levin 518 Goldstein, Abraham 534 Goldstein, Kurt 259 ff., 280, 387 f., 399, 446, 456, 534*, 598, 608, 762 (P) Goldstein, Ludwig 382 f., 385 f., 429 Goldziher, Ignaz 185 f., 623 Goltz, verh. Jacoby 555 Goltz, Bogumil 73 Goltz, Friedrich Leopold 56, 70, 73 Goltz, Alexander v. d. 534 Goltz, Bertha v. d. 535 Goltz, Colmar v. d. 86, 493 Goltz, Eduard v. d. 200 Goltz, Hermann v. d. 200, 215

Goltz, Marie v. d. 497 Goltz, Theodor v. d. 19, 78, 98, 102, 151, 163, 173–177, 180, 183 f., 296, 339, 344, 349, 525, 534 f.*, 541, 570, 766 (P) Goltz­Kallen, v. d. 438 Gontard, Mathilde 523 Gorgias von Leontinoi 503 Gorki, Maxim 386 Gosche, Richard 590 Goßler, Gustav v. 25, 51, 53, 59–62, 66, 71, 89, 98 f., 105, 126, 140, 185, 194 f., 295, 358, 397, 402, 576 Goßler, v. (Ober Ost) 421 Gotschlich, Emil 247, 452 f. Gottberg, Olga v. 581 Gottfried von Neifen 635 Gottheil, Rosalie 597 Gotthold, Fried. Aug. 353, 360, 367 Gottschalk, Hans L. 510 Gottschall, Rudolf v. 610 Gottsched, Joh. Chr. 605 Goy, Samuel sen. 535 Goy, Samuel 535* Gradenwitz, Moritz 535 Gradenwitz, Otto 52, 217, 219 f., 223 f., 363, 394, 399, 535*, 627, 756 (P) Gradmann, Robert 462 Graebe, Carl sen. 535 Graebe, Carl 78, 162 f., 165, 328, 349, 503, 529, 535 f.*, 578, 613, 766 (P) Graefe, Albrecht v. 252, 548, 554 Graefe, Alfred 616 Gräfe, Clara H. 557 Graeff, Franz f. 158 Graf, Fried. W. 8 f. Grahl, Hugo 175 Gramsch, Friedrich 25 f., 224, 329, 365, 536* Gramsch, Friedrich jun. 536 Gramsch, Gustav 536 Graßmann, Hermann 590 Grau, Georg W. 536 Grau, Rudolph 29 ff., 34–39, 44, 86, 187, 208, 392, 493, 536*, 568 Grau, Otto 456 Grau, Wilhelm 391 f., 536 Graz, Friedrich 536*

Personenregister Graz, Karl A. 536 Gregor von Nyssa 496 Gregor von Tours 642 Gregorovius, Ferdinand 89, 120, 378, 610 ff. Grimm, Herman 113 f., 539 Grimm, Jacob 84, 125, 431, 501, 614 Grimm, Wilhelm 125, 431 Grimmelshausen,H.J.Chr.v. 647 Grimmer, Bernhard 536 Grimmer, Ilse 536 Grimmer, Walter 396, 464 ff., 536 f.* Grobben, Karl 169 Gröber, Gustav 317, 543, 559 Gröber, Johanna 543 Groos, Karl 322 Grossmann, Adelheid 507 Grotjahn, Alfred 452 f. Grube, Adolf Ed. 538 Gruber, J. G. 87 Gruber, Max v. 68, 248 f., 260 f., 452, 595 Grüneklee, Friedrich 537* Grünewald, Matthias 282 Gruenhagen, Alfred 70 f., 73, 188, 537* Grützmacher, Georg 42 Grützner, Paul v. 266, 505 Grunert, Karl 263 Gruson, Laurette 610 Gruson, Marie Kath. 610 Grzimek, Günther 514 Grzybowski, August 537* Günther, Hans F. K. 247 Guericke, Irma v. 315 Güßfeld, Paul 152 f. Güterbock, Anna P. Fr. 537 Güterbock, Eduard 537 Güterbock, Karl Eduard 44, 53, 98 f., 102, 188, 217, 224, 228, 377, 389, 537*, 610, 756 (P) Güterbock, Johannes 537 Güttich, Alfred 576 Guglielmini, Anna J. 525 Gundlach, Fr. 536 Gussenbauer, Carl 243 Gusserow, Adolf L. 239 Gutberlet, Konstantin 194 Gutschmid, Alfred v. 85, 87 ff., 117, 119, 349, 355, 512, 537 f.*, 610 f., 620, 766 (P) Gutschmid, Hermann v. 537

Gutschmid, Louise W. v. 537 Gutzeit, Ernst 177, 181, 339, 538* Gutzeit, Fried. A. 538 Gutzeit, Laura 528 Gutzeit, Wally 620 Gyßling, Robert 297, 389 Haar, Ingo 4 Haase, Erich 168, 189, 538* Haase, Fr. 503 Haase, Hugo 83, 298, 380, 389 Habakuk (Prophet) 132, 597 Haber, Fritz 5, 341 Haberda, Albin 256 Haberlandt, Fr. 575 Habich (OLG Königsberg) 217 Habrucker, Fried. Wil. 538 Habrucker, Paul 357 f., 538*, 588 Habrucker, Walther 538 Haebler, Anna 592 Haebler, Karl 57, 592 Haebler, Ludwig 592 Haeckel, Ernst 65, 166, 205, 210, 269, 282, 324, 332, 343, 388, 414, 438, 513, 530, 545, 590, 623 f. Haecker, Christian 539 Haecker, Rudolf 246, 538 f.* Haendcke, Berthold 106 ff., 137, 193, 279–282, 349, 386, 396, 398, 402, 413, 415, 419 f., 457, 478, 539*, 582, 771 (P) Haendcke, Heinrich 539 Hänel, Albert 45, 227, 570 Haenisch, Konrad 26 Haenisch, Martha 582 Haering, Theodor d. Ä. 629 Haertel, Caecilia 619 Haeuber, Julie 511 Häusser, Ludwig 155 Hagelweide, Hugo 345, 347 f., 398, 466, 539* Hagemann, Carl Fr. 520 Hagen (Notar) 183 Hagen, E. 626 Hagen, Ernst August 75, 78, 107, 374 ff., 390, 517, 539 f.*, 582, 765 (P) Hagen, Florentine 594 Hagen, Karl 540 Hagen, Karl Gottfried 76, 160, 373, 539, 594

791

Hagen, Wilhelmine 594 Hahn, Albert 540 Hahn, August 33, 625 Hahn, Friedrich 134, 152 f., 181, 188, 191, 280 ff., 290 ff., 294, 300, 337, 339, 349, 375, 394, 402. 409, 411, 457, 461 f., 480, 540*, 603, 769 (P) Hahn, Gertrud 547 Hahn, Gustav 540 Hahn, Kurt 540 Hahn, Ludwig 208 Hahn, Martin 247 f., 250, 264, 274, 277, 540*, 562, 595, 763 (P) Hahnenfeld, Laura v. 570 Haller, Johannes 421 Hallervorden, Eugen 259, 282, 392 f., 540 f.*, 592 Hallervorden, Julius 259, 392 f., 541 Halwas, Katharina 512 Hamann, Johann Georg 36, 324, 366, 493, 496 Hamburger, Sophie 563 Hamilton, William R. 628 Hamm, Marie 523 Hammerschlag, Sigfrid 541* Hammerstein, Notker 5 Hammerstein­Loxten, Ernst v. 510 Hammerstein­Loxten, Irmgard v. 510 Hampe, Karl 287 Hanenfeldt, Ludwig v. 135 Hanisch, Ludmila 8 Hansemann, David v. 241, 499, 577 Hansen, Ilse 541 Hansen, Johannes 12, 198, 343–346, 349, 397 f., 410, 413 ff., 420, 427 ff., 436 ff., 464 f., 467 ff., 478, 484, 541*, 550, 752 (P), 776 (P) Hansen, Nicolai 541 Hanssen, Georg 296 Hardenberg, K. A. Fürst 287, 370, 372, 427 Harleß, Anna 525 Harlessem, Klara v. 523 Harmann, Gertrud 644 Harms, Adelheid 514 Harms, Bernhard 100, 293, 479 Harms, Friedrich 82, 381, 603

792

Personenregister

Harms, Jürgen W. 325, 516 Harnack, Adolf v. 5, 34, 39, 117, 205, 208, 212 f., 474, 478, 490, 531, 560 Harrassowitz, Otto 362 Hartel, Wilhelm Ritter v. 79 Hartenstein, G. 543 Hartmann, Eduard v. 194, 199, 206, 215 Hartmann, Martin 311 Hartogs, Fritz 463 Hartung, Annina 506 Hartung, Hugo 506 Hartung, Sophie 644 Hartwich von Stade 517 Hartwich, Georg 456 Hartwig, Otto 78 Harzer, Paul 148 f. Hasbach, Wilhelm sen. 541 Hasbach, Wilhelm 99, 102–105, 189, 293, 349, 532, 541 f.* Hase, Karl A. v. 506 Hase, Paula v. 506 Hasenkamp, Xaver v. 299 Hasse, Karl 452, 530 Hassell, Friedrich v. 542 Hassell, Karl v. 25 f., 542* Hassenstein, Bernhard 542 Hassenstein, Georg 542 Hassenstein, Walter 542 Hatschek, Julius 225, 560 Hauck, Albert 206, 490 Hauck, Julie 616 Haug, Martin 133 Haupt, Erich 203 Haupt, Moritz 503, 538, 557, 603, 620 Hauptmann, Gerhart 110, 186, 273, 386 Hausen, Elfriede v. 637 Hausleutner, Gertrud 577 Haußleiter, Joh. 643 Hay, Edwin A. 274, 390, 497, 591 Hay, Ellen 591 Hay, Emma 599 Hay, Lisbeth 497 Hayn, Albert 54 f., 548, 625 Hebbel, Friedrich 109, 282 Hebra, Ferdinand 513 Hecht,Benno 157,159,189,542* Hecht, Friedrich 542 Hecht, Heinrich 142 Hecht, Maximilian 123

Hecker, Maria 513 Hedemann, Justus W. 218, 220 Hedinger, Ernst 270 Heeren, Arnold 285 Heffter, August 492 Heft, Lina 549 Hegel, G. W. F. 81, 85, 107, 238, 379, 381, 610 Hehn, Victor 512 Heiber, Helmut 4, 11 Heichert, Otto 383 Heidemann, A. W. 290, 370 Heidenhain, Martin 451 Heidenhain,Rudolf 266, 451,575 Heilbronner, Karl 258 Heim, Albert 565 Heimann, Julie 560 Heimbüchel, Bernd 5 Hein, Mathilde 573 Heine, Bernhard sen. 542 Heine, Bernhard 256, 263, 277, 542*, 638 Heine, Eduard 513 Heine, Heinrich 123, 386 Heine, Leopold 254 f. Heinrich VI. 288 Heinrich der Löwe 93 Heinrich von Bracton 537 Heinrich von Glîchezâre 318 Heinrich von Hesler 314 Heinrich von Plauen 286, 567 Heinrich, verh. Böttner 505 Heinrich, Ernst Chr. 542 Heinrich, Karl Berthold 55 Heinrich, Theodor 542 f.* Heinrici, Georg 568 Heintz, W. 578 Heinze, Carl 543 Heinze, Max 85, 121, 349, 381, 543*, 639 Heinze, Richard 121 f. , 302 ff., 349, 391, 543*, 645, 774 (P) Heinze, Rudolf 543 Heisrath, Christian 543 Heisrath, Friedrich 252, 254 f., 543* Heisterbergk, Sophie 500 Heitmüller, Wilhelm 40 Held, Anna M. J. 648 Held, Hans 269 Helene Paulowna Großfürstin von Rußland 562 Helferich, Heinrich 242 f., 586 Heling, Reinhold 461

Hell, Rosalia 590 Heller, Ernst sen. 544 Heller, Ernst 246, 544*, 597 Heller, Julius 262 Helm, Karl 314 f. Helmholtz, Hermann v. 55, 60, 73, 140, 156, 251, 278, 495, 508, 548, 554, 587, 596, 628, 632, 644 Helmholtz, Käthe 508 Helmkampf, Adolf 177 Hemme, Charlotte 533 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 32 f., 522 Henke, Friedrich 241 f., 246, 256, 270 f., 277, 512, 544*, 558, 632, 763 (P) Henke, Fritz sen. 544 Henke, Fritz 446, 544* Henke, Rosa 639 Henke, Wilhelm 66 f., 241 f., 544 Henkis, Fritz 294 Henle, Anna 584 Henle, Elise 611 Henle, Jakob 583 f., 611 f. Hennig, Eusebia 610 Henning, Fritz 142 Henrard, Erich 259, 456 Henrard, Hugo 259 Henrici, Hans 263 Hensche, August 378 Hensel, Kurt 146, 540 Hensel, Paul 560 Hensel, Sebastian 20 Hensen, Viktor 60 f. Heraeus, Wilhelm 303 Heraklit 509 Herbart, Joh. Friedrich 81 f., 86, 359, 366, 381, 610, 625, 633 Herbst, Theophil 111, 376 Herder, Johann Gottfried 324, 366, 373, 415, 493, 569 Hergt, Oskar 468 Hering, Ewald 451, 510, 551, 569 Hermann von Fritzlar 394 Hermann von Scheda 206 Hermann, Gottfried 306, 528 Hermann, Karl Fr. 504 Hermann, Ludimar 58–62, 66, 71, 73 f., 188, 192, 220, 244, 246, 264, 266 f., 269, 277 f., 281, 374, 451, 456, 530 f., 537, 544*, 551, 571, 578, 631, 640, 748 (P), 760 (P)

Personenregister Hermann, Samuel 544 Herodian 572 Herodot 120, 617, 620 Herrmann, Georg 360, 474 f., 545* Herrmann, Johannes 201, 389, 545*, 755 (P) Herrmann, Richard 545 Herschel, William 542 Hertel, Ernst 265 f. Hertwig, Carl 545 Hertwig, Oscar 73, 166, 545, 590 Hertwig, Richard 65, 166 ff., 360, 452, 545 f.*, 768 (P) Hertz, Anna 631 Hertz, G. 550 Hertz, Heinrich 631, 643 Hertz, Martin 503 Hertzog, Anna 495 Herz, Jacob 630 Herzog, Joh. Jakob 522 Hesekiel (Prophet) 202 Hess, Carl v. 255, 510, 614 Hesse, Albert 103 f., 220, 281, 293 f., 349, 394, 426–430, 438, 457, 461, 470, 546*, 775 (P) Hesse, Heinrich 546 Hesse, Konrad 546 Hesse, Otto 140, 554 Hesse, Otto Ernst 546* Heubner, Wolfgang 265, 447 Heumann, Henriette 543 Heusler, Andreas 313 f., 549 Heusner, Emma 548 Hewe, Johanna 572 Heyck, Eduard 641 Heydemann, Lud. Ed. 567 Heydenreich, Marianne 620 Heymann, Emma 575 Heymann, Ernst 217, 220, 224, 546 f.*, 549, 757 (P) Heymann, Theodor 546 Heymans, Gerardus 323 Heyne, Moritz 312, 494, 582, 635 Heyse, Hans 381 Hieber, Otto 383 Hieronymi, Carl 547 Hieronymi, Erich 467, 547* Hieronymus (Kirchenvater) 42, 117, 618 Hilbert, Anton 547 Hilbert, David 105, 144 f., 147, 189, 332, 335, 347, 349, 396,

463, 501 f., 504, 547*, 550, 576, 587, 769 (P) Hilbert, Otto 547 Hilbert, Paul 72, 193, 547* Hildebert von Lavardin 637 Hildebrand (Univ.richter) 27, 547* Hildebrand, Bruno 521 Hildebrand, Heinrich 256 Hildebrand, Otto 243 Hildebrandt, Gottfried 548 Hildebrandt, Hermann 265 Hildebrandt, Hugo 54, 64, 66, 518, 548*, 571 Hilger, A. 561 Hillebrandt, Alfred 135, 280, 509 Hiller, Eduard 123, 503 Hiller, Kurt 238 Himmler, Heinrich 426 Hindenburg, Paul v. 408, 410 ff., 418, 425, 437 f., 442, 457, 517, 588, 592, 630, 643 Hinsberg, Victor 544, 548* Hinschius, Paul 47 Hintze, Otto 92, 283–286, 289, 478 Hippel, Arthur v. 62, 64, 188, 242, 250–253, 255, 277, 395, 548*, 569, 615 f., 634, 638, 761 (P) Hippel, Eugen v. 255, 548, 615 Hippel, Robert v. 548 Hippel, Wilhelm v. 548 Hippolyt 490, 621 Hippocrates 458 Hirsch, Adolf 548 Hirsch, Emanuel 519 Hirsch, Georg 55, 498, 548 Hirsch, Johanna 537 Hirsch, Paul (UBK) 358, 458*, 596 Hirsch, Paul (Med.) 395, 548 Hirschberg (LG Tilsit) 575 Hirschberg, Julius 253, 616 Hirschfeld, Hirsch 549 Hirschfeld, Gustav 79 f., 98, 114 f., 118 f., 188, 347, 349, 361 f., 384, 391, 475, 509, 548, 549*, 569, 619, 767 (P) Hirschfeld, Johanna 619 Hirschfeld, Magnus 264 Hirschfeld, Otto 302, 591, 641 Hirschfeld, Werner 549 His, Rudolf 218, 220, 225, 391, 532, 549*, 757 (P)

793

His, Wilhelm 549 Hitler, Adolf 250, 507, 595 Hittcher, Karl 177, 344, 464 ff., 536, 549 f.* Hittcher, Karl Julius 549 Hitzig, Eduard 69, 258 Hitzig, Hermann Ferdinand 219 Hobbes, Thomas 105 Hobrecht, Artur 644 Hoche, Alfred E. 534 Hochmann, August 70 Höber, Rudolf 267 Hoeftmann, Heinrich 71, 450 Höhlbaum, Konstantin 97 Hölder, Ernst 550 Hölder, Otto sen. 550 Hölder, Otto 145 f., 550*, 585, 619, 772 (P) Hoeller, Anna 502 Höltzel, Martha 523 Hoeniger, Robert 285 Hörmann, F. W. 448 Hoerschelmann, Ferdinand 574 Hofbauer, Isidor Isfried 550* Hoff, J. H. van’t 578 Hoffmann, Adolf 547 Hoffmann, Albert 353 f., 550* Hoffmann, Friedrich (PSK) 429 Hoffmann, Friedrich (Kurator) 26, 560, 566 Hoffmann, Friedrich Albin 60 Hoffmann, Gerhard 389, 550* Hoffmann, Heinrich 551 Hoffmann, Hermann 98, 191 Hoffmann, Hermann Edler v. 225 Hoffmann, Käte 553 Hoffmann, Klara 635 Hoffmann, Margarethe 547 Hoffmann, Maximilian 550 Hoffmann, Otto sen. 551 Hoffmann, Otto 135 f., 438, 551*, 770 (P) Hoffmann, Reinhold 464 Hoffmann, Richard A. 200 ff., 210 f., 388 f., 399 f., 419, 441, 497, 547, 551*, 755 (P) Hoffmann, Wilhelm 254 Hoffmann von Fallersleben, A. H. 112, 125, 614 Hofmann, Aug. Wil. v. 521 Hofmann, Eduard Ritter v. 256, 603 Hofmann, Franz B. 266 f., 277, 407, 446 f., 451, 551*, 640

794

Personenregister

Hofmann, Karl v. 533, 536 Hofmannsthal, Hugo v. 386 Hofmeier, Max 239 Holbein, Hans 282 Holder, Marie 620 Holl, Karl (Theol.) 42 Holl, Karl (Hist.) 58 Hollack, Emil 132 Holldack, Felix 221, 231, 551 f.* Holldack, Georgh 551 Holstein, Günther 51 Holz, Arno 386 Holzhey, Anneliese 539 Holzinger, Heinrich 41 Homer 79, 87, 117 f., 120, 304 f., 457 f., 572, 579 Honcamp, Franz 465 Honrichs, Alexander 537 Hoops, Johannes 513 Hopf, Carl 18, 75–78, 87, 95, 138, 353 f., 356, 362, 398, 552*, 643 Hopf, Caroline 585 Hopf, Jakob 552 Hopf, Therese 646 Hoppe, Rosa 523 Hoppe­Seyler, Felix 161 Horaz 122, 543, 554 Horn, Carl Wilhelm v. 24, 26, 30 f., 53, 57, 67, 93, 100, 102, 111, 124, 133, 154, 162 f., 171, 173 ff., 354, 359, 375, 552*, 753 (P) Horn, Ernst A. L. 552 Horowitz, Josua 378 Hort, Margarete 561 Hosea (Prophet) 202, 597, 601 Hosemann, Günther 345, 552* Hosius, Stanislaus 202, 215 Hoverbeck, Leopold v. 20, 57 f. Hoverbeck, Olga v. 84 Hubatsch, Walther 3, 43 Huber, Ernst Rudolf 194 Hubrich, Eduard 49 ff., 217, 220, 223 ff., 227 f., 235 ff., 400, 552 f.*, 579 Hubrich, Gottlieb E. 552 Hubrich, Paul 553 Hubrich, Wolfgang 553 Hübener, B. 606 Huebler, Bernhard 618 Hübner, Emil 620 Hühne, Johanna 577 Hüll, Maria 633

Hülsen, Ernst v. 23 Huene, F. v. 158 Huettenhain, Mathilde 591 Hufschmid, Karl 393 Hugenberg, Alfred 135, 591 Hugo, Victor 317 Huhn, Veronica R. 499 Humboldt, Alexander v. 140, 170, 282, 352 Humboldt, Wilhelm v. 6, 81, 286 Hurwitz, Adolf 145, 155, 189, 349, 396, 547, 553*, 768 (P) Hurwitz, Lotte 335 Hurwitz, Salomon 553 Husserl, Edmund 321 f. Hypereides 557 Ibn Abi Useiba 590 Ibn­el­Atir, Izz­ad­Din 509 Ibn­Yaiš Ibn­‘Alī 556 Ibrahim b. Muhammad al Baihaqi 623 Ibsen, Henrik 109, 283, 312 f., 386 Ihering, Rudolf v. 516, 564 Iken, Anna 490 Ilse, Leopold 19, 78, 99–102, 553* Immich, Max 138, 284 f., 553* Immisch, Clara 554 Immisch, Heinrich 554 Immisch, Otto sen. 553 Immisch, Otto 304 ff., 349, 402, 553 f.*, 583, 777 (P) Innozenz IX. 553 Irenaeus von Lyon 574 Irène von Preußen 273 Isaios 122, 503 Isenbart, verh. Zaddach 646 Isokrates 122, 503 Iwand, Anna 619 Iwand, Hans Joachim 520 Jacob von Mainz 95 Jacob, Fanny 572 Jacobi, Carl Gustav 58, 140 f., 144 f., 147 f., 397, 580, 593 f., 628, 649 Jacobi, Joh. Siegfried 395 Jacobi, Justus L. 33 Jacobson, Heinrich 56, 554* Jacobson, Heinrich Friedrich 46 Jacobson, Julius 57 f., 60, 62 ff., 250 ff., 254, 277, 395, 501,

543, 548, 554*, 634, 638, 759 (P) Jacobson, Ludwig 554 Jacoby, Günther 202, 391 f., 555 Jacoby, Hermann 30 f., 36 f., 41, 44, 187, 190, 194, 198 ff., 213 ff., 372, 392, 496, 554 f.* Jacoby, Johann 19, 50, 83, 124, 187, 299 Jacoby, Johannes 554 Jacoby, Walther 391 f. Jäckh, Ernst 436 Jäger, Heinrich sen. 555 Jäger, Heinrich 240, 554* Jaeger, Werner 324 Jaehnigen, Irmgard 507 Jaffé, Max 58 f., 62, 64, 188, 193, 240, 246, 264 f., 277, 390, 506, 514 f., 521, 547, 555*, 607, 620, 759 (P) Jaffé, Simon A. 555 Jahn, Friedrich Ludwig 80, 316, 594 Jahn, Gustav 181, 186 f., 279, 307 f., 311, 347, 349, 509, 555 f.*, 622 Jahn, Otto 122, 306, 503, 601, 618 Jahnke, C. 19 Jander, Gertrud 583 Jantzon, Johannes 456 Japha, Arnold 170 Japha, Sally 618 Japha, Wilhelm 384 Jaruslawsky, Erich 456 Jaspers, Karl 413 Jastram, Heinrich 556 Jastram, Jürgen 556 Jastram, Martin 556*, 764 (P) Jastrow, Ignaz 75 Jeep, Julius 556 Jeep, Ludwig 91, 98, 116–123, 189, 303 f., 331, 349, 363, 396, 398, 556* Jellinek, Georg 227, 417, 446, 560, 644 f. Jenisch, Erich 315, 399 f. Jensen, Christian sen. 556 Jensen, Christian 304, 307, 349, 458, 481, 556 f.*, 592, 777 (P) Jentzsch, Alfred 134, 154, 172, 189, 374, 557* Jentzsch, Felix 557 Jentzsch, Hermann J. 557

Personenregister Jeremja (Prophet) 202, 212, 568, 577, 623 Jerosch, Käthe 547 Jesaja (Prophet) 41, 202, 601 Jess, A. 638 Jessen, Chr. P. 56 Jessner, Fritz 193 Jessner, Max 392 Jessner, Samuel 193, 387, 392 Jesus Christus 40, 205, 210 ff., 574, 576, 622, 625 Joachim, Erich 137, 363 f., 430 Joachim Friedrich von Branden­ burg 567 Joachim, Gerhard 72, 395, 557*, 563 Joachim, Gustav 557 Joachim, Josef 510 Jodl, Friedrich 543 Joest, Ernst 467 Johannes Laur. Lydos 645 Johannes von Salisbury 531 John, Richard Eduard 44 Johnsen, Arrien 337 f., 500, 557* Johnsen, Wilhelm 557 Jonius, Caroline 535 Jordan, H. 33 Jordan, Albert 557 Jordan, Henri 76 ff., 80, 116 f. , 119, 123, 163, 355, 391, 538, 557 f.*, 620 Jordan, Wilhelm 378, 610 Josephson, verh. Quaebicker 603 Jost, Christoph 558 Jost, Ernst 558* Judeich, Walther 300 ff. Jülicher, Adolf 40 Jürgensen, Theodor 64 Juncker, Alfred 200 f., 208, 407, 409, 558*, 600, 755 (P) Jung, Erich 233 Justin (J. Martyr) 89, 506, 611 Kabitz, Willy 430 Kachel, Daniel 238 Kähler, Lud. Aug. 627 Kähler, Martin 32, 199 f., 205, 208 f., 519, 533, 622 Kaethner, Marg.­Luise 514 Kafemann, Rudolf 264, 558* Kaftan, Julius 205, 208 Kahl (Caymen) 30 Kahl, Lucia 519 Kahlbaum, Karl Ludwig 67, 69

Kahlbaum, W. A. 617 Kahlden, v. 594 Kahle, Paul 533, 623 Kaiserling, Carl 160, 270 f., 393, 395, 483, 558 f.*, 577, 581, 764 (P) Kaiserling, Helmut 393, 559 Kalau v. Hofe, Elisabeth 608 Kalbeck, Margarete 561 Kalbfleisch, Karl 304, 458 Kalckstein, Karl v. 138, 559* Kalkstein, Moritz v. 559 Kalkowsky, Ernst 156 f. Kallius, Erich 269 Kalnein, Paula v. 495 Kaltenborn von Stachau, Carl Baron 46 Kaluza, Franz 559 Kaluza, Max 112 ff., 189, 279, 312, 315, 317 ff., 331, 349, 394, 414, 457, 460, 480, 519, 559*, 565, 633, 771 (P) Kaluza, Theodor 335, 394, 559 f.*, 775 (P) Kalweit, Paul 200 Kaminski, Willy 378 f. Kanel, Johanna 637 Kant, Immanuel 3, 10 f., 17, 19, 56, 81–86, 87, 110, 140, 194, 279, 281, 320, 324, 352, 356 f., 366 ff., 370 ff., 377–383, 386, 392, 401, 442, 477, 493, 502, 512, 528, 534, 543, 546, 551 f., 566, 605, 622, 633, 635, 751 Kapferer, Norbert 7 Kapila 126 f. Kapp, August 143 Kapp, Eva 562 Kapp, Wolfgang 26, 98, 143, 390, 410, 418, 420 f., 437, 448, 481, 501, 542, 562, 583 Karge, Paul 408 Karl der Große 525 Karl V. 582 Karl VI. 289 Karl XII. von Schweden 566 Karl Alexander Großherzog von Weimar 112 Kassube, Martha 499 Kast, Alfred 617 Kastan, Max 560* Katharina von Siena 539 Katzenellenbogen, Bertha 527

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Kauffmann, Elisabeth 527 Kauffmann, Hermann 527 Kaufmann, Albert 560 Kaufmann, Arthur 234 Kaufmann, Erich 224, 226 ff., 237 ff., 399, 416, 418, 433 ff., 443, 446, 560*, 758 (P) Kaufmann, Felix 560 Kaufmann, Walter 331 f., 349, 407, 414, 463, 550, 560 f.*, 775 (P) Kauitzsch, Ida 536 Kaulbach, Wilhelm v. 584 Kaup, Ignaz 452 ff. Kaupke, Maria 538 Kausch, Walther 246 Kautsky, Karl 102 Kawerau, Gustav 208, 531 Kayma, Albert 561* Kayser, Emanuel 156 f. Kayser, Heinrich 550 Kayser, Maria 649 Kehr, E. 19 Kehr, Paul F. 406, 430, 459, 507 Keil, Eduard 343 Keil, Heinrich 618 Keipert, Ina 529 Kekulé, August 164, 521, 563 Kekulé, Reinhard 509, 526, 531, 649 Keller, Fried. L. 567 Keller, Gottfried 109, 544, 574 Kelsen, Hans 238 Kemke, Eduard 649 Kemke, Johannes 474, 649* Kennan, George F. 12 Kennemann, Maria 551 Keppner (Fechtlehrer AUK) 537 Kerkovius, Ella 517 Kern, Bernd­R. 43 Kern, Franz 98 Keudell, Ernestine v. 493 Keudell, Robert v. 493, 644 Keutgen, Friedrich 288 Keyserlingk, Emmy v. 495 Keyserlingk, Eugen Graf 561 Keyserlingk, Robert Graf 25 f., 383, 561* Kiderlen­Wächter, Alfred 33 Kielhorn, Franz 128, 526 Kiepert, Heinrich 549 Kießling, Adolph 116, 543 Kinkel, Gottfried 544 Kipp, Theodor 218

796

Personenregister

Kippenberger, Carl 561* Kippenberger, Peter 561 Kirchhoff, Adolf 186, 603 Kirchhoff, Gustav Robert 5, 140, 156, 495, 508, 587, 607, 632 Kirchhoff, Paula 508 Kirchmann, Julius H. v. 222 Kirchner, Wilhelm 175 Kirn, Otto 545 Kirschner, Hartwig 562 Kirschner, Martin sen. 561 Kirschner, Martin 246, 277, 390, 395, 446, 448–451, 455, 481, 483, 513, 528, 556, 558, 561 f.*, 581, 597, 630, 764 (P) Kisch, Guido 226 Kisch, Wilhelm 218 Kißkalt, Karl 248 ff., 264, 274, 277, 447, 452, 454 ff., 562*, 606, 621, 624, 763 (P) Kißkalt, Michael 562 Kissner, Alfons 98, 105 f., 111 ff., 188, 315 f., 349, 398, 503, 536, 562*, 633 Kissner, Karl 562 Kissner, Maria 394 Kissutt, Henriette 605 Kittel, Manfred 8 Kittel, Rudolf 41, 201, 545, 577 Kjerbüll­Petersen, L. 571 Klaiber (Pfr.) 32 Klapp, Rudolf 246 Klebe, Charlotte 562* Klebs, Else 558 Klebs, Richard 160, 374, 558 f. Klein, Carl 155, 575, 589 Klein, Erich­Georg 562 Klein, Elisabeth 563 Klein, Felix 145, 334, 501, 550, 576, 585, 629 Klein, Hans­Dietrich 563 Klein, Johanna 542 Klein, Mathias 562 Klein, Peter 222, 400, 417, 443 f., 562 f.*, 758 (P) Klein, Ulrich 563 Kleinfeld, Berha 551 Kleist, Ewald v. 283 Kleist, Heinrich v. 281, 283, 386 Klemperer, Victor 318, 430 Klett, Mathilde 555 Klette, Anton 355 Kley, Julia H. 504 Klieneberger, Adolf 563

Klieneberger, Carl 72, 563* Klieneberger, Otto 260, 563* Klinger, Gertrud 524 Klinger, Heinrich 164 f., 327–331, 343, 349, 392, 498, 563 f.*, 596, 627, 771 (P) Klinger, Louis 563 Klinger, Max 164, 328, 563 Klipstein, Melie v. 636 Klöppel, Julie 578 Klöpper, Albert 29, 31, 37, 40, 187, 201, 354 f., 357, 515, 551, 564* Klöpper, Fried. W. 564 Klotz, Alfred 305, 554 Klotz, Emilie 635 Kloz, Emilie 556 Knemeyer, Ludwig 455 f. Kneppe, A. 592 Kneser, Adolf 146 Kneser, Hellmuth 146 Knies, Karl 105, 532 Knobloch, Veronika 521 Knoke, Elisabeth 564 Knoke, Karl 39, 564 Knoke, Paul 218, 407, 410, 443 f., 564*, 757 (P) Knopp, Konrad 335 Knorr, Amalie 585 Kob, Curt 291 f. Kob, Martin 254 Kobilinski, Georg v. 123 Koch, Eva 544 Koch, Robert 68, 170, 240, 248, 497, 523, 528, 540, 575, 593, 599 Kochendörffer, Karl 360, 564* Köcher, Adolf 97 Kögel, Julius 201 Kögel, Rudolf 29–32, 391, 566 Köhler, August 228 Köhler, Ernestine 579 Koehler, Gertrud 567 Köhler, Louis 500 Köhler, Margarete 646 Koehler, Otto 166, 325 f. Kölbing, Eugen 113, 559 Kölliker, Albert 248, 269, 508, 626 Koellreutter, Otto 417 f., 446 Koenen, Adolf v. 492, 600, 634 König, Anna 594 König, Franz 244, 448, 508, 645 König, Friedrich 594

König, Friedrich Eduard 36 König, Fritz 244 f., 448 Koenig, Robert 463 Koenigsberger, Leo 145, 504, 558 Körber, Anna 546 Körner, Theodor 440 Körte, Alfred 301 Körte, Gustav 509 Körte, Siegfried 243, 427, 437 f., 477, 482 Körte, Werner 243 Köster, Albert 546 Köstlin, Karl 571 Kohler, Josef 131 f., 222, 417, 614 Kohlrausch, Eduard 224, 228 f., 234 f., 237, 386, 391, 518, 564*, 757 (P) Kohlrausch, Friedrich 564 Koken, Ernst v. 154, 156–159, 349, 374, 565*, 589, 600, 770 (P) Koken, Hermann 565 Kolbe, Hermann 535 Kolde, Theodor 6, 33 f. Kolisko, Alexander 256 Koller, Hermann 345 Koller, J. 642 Kollmann, Julius 66 Kommerell, Karl 335 f. Komorowski, Manfred 4, 11, 359, 489 Konopka, Rosalie 529 Konrad von Fussesbrunnen 564 Konus, Anna 512 Kopernikus, Nikolaus 35, 388 Koppelson, Elisabeth 624 Kornemann, Ernst 301 Koschwitz, Eduard 112, 315 ff., 319, 349, 562, 565*, 621, 633, 773 (P) Koschwitz, Otto 565 Koser, Reinhold 94, 284 f., 566 Kossel, Hermann 248, 453, 506, 562, 607 Kosub, Helene 544 Kowalewski, Arnold 147, 203, 279, 281 ff., 324, 378 f., 383, 389, 395, 399, 457, 470, 565 f.* Kowalewski, Gerhard 147 Kowalewski, Guntram 566 Kowalewski, Leonhard J. 565 Kowalewski, Sabine L. 566 Krabbo, Hermann 289

Personenregister Krafft, Guido 340 Kraepelin, Emil 258, 490, 506, 558 Kramadicvara 646 Kramer, Maria 647 Krames, Josef L. 590 Krantz (PrAH) 361 Kraske, Paul 243 Kraus, Christian Jakob 99 Kraus, Friedrich 267 Kraus, Gerhard 346 Kraus, Herbert 446, 645 Krause, Fedor 645 Krause, Gottlieb 346, 380, 383, 606 Krause, Martin 145 Krause, P. 530 Krause, Wilhelm 495 Krauske, Friedrich 566 Krauske, Otto 120, 279, 282 f., 285–288, 290, 349, 370 f., 377, 383, 392, 398, 402, 406 ff., 410 f., 415, 418 f., 461, 479, 481, 485, 566*, 598, 773 (P) Krauspe, Carl 395, 558 Krebs, Eugen 70 Krehl, Ludolf 581 f., 588 Kretschmann, Friedrich 263 Kretschmer, Ernst 260 Kriegsmann, Georg 567 Kriegsmann, Hermann 229 f., 433, 566 f.*, 604, 758 (P) Krohmann, verh. Rhese 607 Krohn, Auguste v. 588 Kroisos 620 Kroll, Anna 557 Kroll, Wilhelm 304 Krollmann, Bodo 567 Krollmann, Christian 286 f., 290, 396, 436, 439, 567*, 578, 776 (P) Kronecker, Leopold 145 ff., 550, 585, 628 Kronenberg, Moritz 383, 387 Kropatscheck, Friedrich 40 ff., 410 Krückmann, Emil 246, 254 f., 265, 277, 300, 447, 510, 567*, 582, 614 f., 763 (P) Krückmann, Oluf 567 Krüger (Direktor) 190 Krüger, August 567 Krüger, Friedrich 609

Krüger, Paul 48, 53 f., 78, 99, 119, 175, 186, 567 f.*, 756 (P) Krüger, Paul (RA) 181 Krüger, R. 177 Krug, Wilhelm Traugott 381 Krull, Max 445 Kruppa, Erwin 590 Kruse, Friedrich 568 Kruse, W. (Sternwarte) 463 Kruse, Walther 240, 246–250, 264, 274, 277, 374, 485, 510, 540, 568*, 582, 763 (P) Krzywicki, Casimir v. sen. 568 Krzywicki, Casimir v. 568* Küchler, Friedrich 199 Kuck, Johannes 292 Kühl, Ernst 39 f., 194, 200, 203, 362, 390, 558, 568 f.*, 754 (P) Kühl, Karl 568 Kühlenbeck, Adelheid 574 Kühn, Julius 173, 341, 343, 494, 575, 580 Kühne, Wilhelm 555, 622 Kühnemann, Eugen 322 Kühnen, Hilda 648 Külpe, Oswald 320, 322, 381, 543 Külz, Eduard 59, 72, 252 Kümmell, Hermann 587 Kuenen, Abr. 623 Kuenheim, Georg v. 367 Küssner, Lisbeth 576 Küttner, Hermann 244 Kuhlenbeck, Ludwig 222 Kuhn, Ernst 132, 194 Kuhnert, Ernst 360, 363, 391, 523, 569*, 626 Kuhnert, Hellmut 569 Kuhnert, Rudolf 569 Kuhnt, Hermann 253 ff., 277 f., 395, 567, 569*, 761 (P) Kuhnt, Joachim 569 Kukula, Richard 304 Kummer, Ernst Eduard 495, 526, 585, 598, 619, 628 Kundt, August 521, 560 Kunicki, W. 7 Kunze, Johannes 199 f. Kupffer, Karl Hermann 569 Kupffer, Karl Wilhelm v. 65, 73 f., 277, 491, 569 f.*, 622, 624, 646, 760 (P) Kupffer, Luise Gertrude 515 Kurschat, Friedrich 134 f. , 570*

797

Kurschat, Michael 570 Kurtzahn, Hans 456 Kußmaul, Adolf 592 Kuster, Bruno 303 Kuttner, Frieda 560 Kuyper, A. 209 Laband, Ludwig 570 Laband, Paul 43–46, 223, 225, 227, 231, 236, 354, 417, 570*, 755 (P) Lachmann, Karl 306, 572, 614 Lackner, Herbert 570 Lackner, Matthias 392, 570* Lackner, Otto 391 f., 570 Ladenburg, Albert 164, 558 Laege, Emmi 568 Läwen, Arthur 597 Lagarde, Paul de 99, 135, 199, 212, 306, 309, 355, 621 Lahrs, Friedrich 383 Lambert, Amalie 544 Lambsdorff, Georg Graf 25 f., 266, 383 Lamprecht, Karl 402, 497, 604 Landau, Edmund 333 Landolt, Hans 521 Lange (Oberlehrer) 408 Lange, Ferdinand 571 Lange, Friedrich 501 Lange, Friedrich Albert 81 f., 635 Lange, Fritz 579 Lange, Hermine 596 Lange, Ida 569 Lange, Konrad 106 f., 137, 359, 539, 570 f. *, 582, 770 (P) Lange, Ludwig 570 Lange, Max 571* Langebeckmann, Ella 582 Langenbeck, Bernhard v. 63 f., 544, 555, 618 Langendorff, Oscar 59, 68, 70 f., 73 f., 188, 192 f., 277, 531, 545, 571*, 760 (P) Langewiesche, Dieter 9, 373 Lanz, Heinrich 522 Lapouge, G. Vacher de 402 Laqueur, Ernst 571* Laqueur, Siegfried 571 Lasaulx, Arnold v. 155 Lasker, Eduard 51 Lassar Cohn, Ernst 189, 329, 389 f., 483, 572*, 613 Lasson, Adolf 81 f.

798

Personenregister

Lattaud, Claudia 524 Lau, Paul 203 Laue, Max v. 638 Laurer, Gustav 346 Lautenschläger, Helene 550 Lautenschläger, Lina 606 Lawrynowicz, Kasimir 3, 11 Lazarus, Moritz 518 Leander, Zarah 546 Leber, Theodor 65, 250, 253, 255 Lebert, Hermann 575 Lecke, Johannes 572* Le Gay, Constanze 515 Lege, Joachim 6 L’Egret, Eugenia de 559 Lehmann, Anna 523 Lehmann, J. F. 256, 441 Lehmann, Karl 217, 219, 547, 591 Lehmann, Max 92 f., 289 Lehmann, F. W. Paul 152 Lehmann, Rosa 524 Lehmann, Rudolf 322 Lehmann­Hohenberg, Johannes 156 Lehmkuhl, verh. Haendcke 539 Lehndorff­Preyl 631 Lehnerdt, Albert 136, 394 Lehnerdt, Alfred 394 Lehrs, Karl 58, 76–79, 109, 117, 122, 136, 306, 378, 496, 528, 538, 570, 572*, 579, 605, 765 (P) Lehrs, Pinkus Kaufmann 572 Leibniz, Gottfried Wilhelm 85, 603, 617 Leichmann, Georg 177 Leiden­Treberg, Rosel v. 573 Leinweber, Elisabeth 618 Leist, Alexander 218 f. Leisterer, Toni 509 Lejeune Dirichlet, Georg 123, 136, 394, 437 Lejeune Dirichlet, Gustav 394 Lemme, Ludwig 39 Lemmel, Herbert 222 Lengercke, Cäsar 77 Lenin, W. I. 298, 471 Lentzner, Joh. 572 Lentzner, Karl 114, 572 f.* Lenz, Max 6, 286, 603 f., 631 Leo XIII. (Papst) 171 Leo, Friedrich (Phil.) 509

Leo, Friedrich (Jur.) 220 f., 389, 573*, 750 Leo, Henriette 573 Leo, Ludwig 573 Leonhard, Rudolf 580, 614 Leonardo da Vinci 539 Leopold von Anhalt­Dessau 566 Leopold, Gerhard 66, 594 Lepsius, Richard 308 f., 645 Lesser (Warschau) 183 Lesser, Adolf 603 Lesser, Edmund 262 Lessing, Eckart 8 f. Lessing, Gotthold Ephraim 83, 109 f., 117, 313, 380, 496, 504, 618 Le Sueur, Helene 616 Le Sueur, Sophokles 616 Lettau, Richard 203 Lettow­Vorbeck, Paul v. 464, 516 Leuckart, Rudolf 167, 513, 630 Leutert, Ernst 263, 573*, 631 Leutert, Ernst Tr. 573 Leutwein, Paul 482 Levi, Rosalia 492 Levin, Emma 619 Levy, Anna 571 Levysohn, Henriette 575 Leweck, Victor 445 Lexer, Erich 240, 243–246, 256, 275, 277, 391, 393 f., 573*, 597, 605, 645, 762 (P) Lexer, Karl 393 Lexer, Matthias v. 244, 393, 573 Lexis, Wilhelm 521 Leyden, Ernst 24, 55 ff., 59, 72, 271, 555, 573 f.*, 588, 592, 596, 759 (P) Leyden, Ferdinand 573 Leyh, Georg 574*, 607 Leyh, Johann 574 Lezius, Andreas F. 574 Lezius, Friedrich 41 ff., 199, 206 f., 398, 408 ff., 413 f., 420–423, 432, 441 f., 477, 482 f., 574 f.* Lichtheim, Ant. Hen. 575 Lichtheim, Julius 575 Lichtheim, Katharina 575 Lichtheim, Ludwig 59 f., 62, 72, 188, 193, 220, 242, 244 ff., 260, 264, 266 f., 269, 277, 390, 493, 534, 557, 563, 575*, 576 f., 593,

600, 608, 617, 620, 633, 637, 640, 649, 761 (P) Lichtheim, Marie 577 Lichtheim, Toni 640 Lidzbarski, Mark 310 Lie, Sophus 146, 550 Liebenberg, Adolf Ritter v. 174, 349, 575*, 580, 767 (P) Liebermann, Carl 162 f., 535 Liebermann, Max 386 Liebert, Eduard v. 439, 547 Liebich, Bruno 128 Liebig, Justus v. 178, 525, 588, 628 Liebisch, Theodor 148, 155 f., 157 ff., 336, 349, 542, 575 f.*, 589, 634, 768 (P) Liebknecht, Karl 298 Liebmann, Otto 518 Liebner, Karl Th. A. 536 Liedtke, Bertha 618 Liedtke, F. 250 Liefmann, Robert 293 Lienau, Gertrud 617 Liepmann, Hugo 258 Liepmann, Moritz 235, 567 Lilienthal, Karl v. 564, 604 Limpricht, Heinrich 607 Linck, Alfred 446, 576* Linck, Hugo 576 Linck, Konrad 576 Lindemann, Ferdinand 144 f., 155, 188, 374 f., 547, 576*, 768 (P) Lindenbaum, Alwine 506 Lindley, Ottiliana C. 517 Lindner, Bertha 545 Lindner, Th. 641 Lindner, Wilhelmine M. E. 601 Lindstedt, A. 148 Lindt, Wilhelm 263 f. Link, Adolf 40,42,490,516,576* Lipper, Hartwieg 455 Lippmann, Heinrich 72, 576* Lipschitz, Rudolf 145 Lipsius, Justus Hermann 523, 554, 641 Lissauer, Eduard 577 Lissauer, Max 576 f.* Liszt, Franz 524 Liszt, Franz v. 221 ff., 228, 234 f., 385, 445, 525, 560, 564, 604, 610, 614

Personenregister Litten, Fritz 220, 233, 237 ff., 339, 392, 430 f., 443 f., 577*, 758 (P) Litten, Hans 427 Litten, Hans A. 220, 577 Litten, Heinz W. 577 Litten, Joseph 577 Litten, Margarethe 579 Litten, Rainer 577 Littmann, Enno 310 f., 621 Liulevicius, V. G. 425 f. Livius, T. L. 303 f. Lobeck, Christian August 58, 76, 79, 122, 136, 190, 306, 361, 366, 528, 572, 579, 605, 627 Loch, Eduard 364 Locke, John 41, 207, 603 Loeffel, Albert 27, 577* Loeffler, Friedrich 248 Loeffler, Lothar 254 Löhlein, Hermann 239 Löhlein, W. 582 Löhr, Albert 577 Löhr, Max 199, 201, 211 ff., 400, 407, 413 f., 491, 577 f.*, 755 (P) Loening, Edgar 66, 223, 532, 560, 645 Loening, Lili 532 Loesch, Anna­Maria Gräfin 564 Lösener, Willibald 250 Loewe, Otto 474 Löwenherz, Hermann 578 Löwenherz, Richard 578* Loewenich, Walther v. 211 Löwenthal, Margarethe 571 Löwl, Ferdinand 152 Logan, Adelaide 615 Lohmann, Alfred 267, 451 Lohmeyer, Gustav 578 Lohmeyer, Karl 18, 96 f., 138 f., 189, 287, 289, 296 f., 299, 347, 349, 377, 396, 398, 567, 578* Lommatzsch, Ernst 305 Lorentz, H. A. 587 Lorenz, A. 630 Lorenz, Konrad 56, 381 Lornsen, Laura 556 Lossen, Josef 393, 578 Lossen, Otto 393 Lossen, Wilhelm 163 ff., 188, 279, 327, 329, 349, 393, 398, 563, 572, 578*, 596

Lossow, Anna 638 Lote, Ernest 578* Lotter, Babette 574 Lotze, Agathe 616 Lotze, Hermann 84, 194, 321, 512, 603, 640 Lubarsch, Otto 241, 576 Lucae, August 263, 542 Luchs, August 118 Luckmann, Thomas 10 Ludendorff, Erich 236, 406, 408, 437, 483, 517, 558, 581, 643 Ludloff, Carl 246, 578 f.* Ludloff, Friedrich 578 Ludloff, Hanfried 579 Ludwich, Arthur 79, 105, 117, 120 f., 136, 188, 303 f., 306 f., 349, 396, 399, 458, 579*, 634 Ludwich, Hermann 579 Ludwich, Luise 634 Ludwig der Fromme 97 Ludwig XIV. 9, 284 Ludwig, Carl Fr. W. 569 Ludwig, Karl 315 Ludwig, Lina 501 Lübbe, Hermann 139 f. Lübbert, Ed. 80, 558 Lübeck, Gertrud 545 Lücke, Eduard 142 Lüdecke, Eleonore E. 629 Lühe, Ludwig 579 Lühe, Max 170, 283, 325, 464, 579* Lühe, Veronika 579 Lühning, Felix 149 Luerssen, Arthur 393, 579 Luerssen, Christian 172, 188, 324–327, 330, 349, 393, 398, 490, 579*, 586 Luerssen, Ingeburg 579 Luerssen, Joh. G. 579 Lüttwitz, Walther Frhr. v. 26 Lukas, Josef sen. 579 Lukas, Josef 225 ff., 236 f., 525, 579 f.* Lukrez 122 Lullies, Friedrich Hans 384, 639 Lunkwitz, Margarete 464 Luther, Eduard 78, 148 ff., 165, 347, 399, 580*, 598 Luther, Friedrich 580 Luther, Martin 33 f., 108, 206 f., 213, 386, 442, 493 f., 574, 629

Luthardt, Christoph Ernst Lutz, Emil 580*

799 199

Maass, Ernst 531, 635 Mach, Ernst 61, 322 Mackensen, August v. 552 MacLean, Hugo 389, 580* Madelung, Otto Wilhelm 61, 530 Mäetzke, Elisabeth 566 Maercker, Johanna 491 Maeterlinck, Maurice 318 Mager, Friedrich 481 Magnus, Ferdinand 548 Magnus, Johanna 515 Magnus, Olga 548 Mahdi 307 Mahn, Lieselotte 556 Mallin, Ernest 319, 580 Mallison, Georg 70 Malter, Rudolf 377 Mangold, Sabine 8, 311 Manigk, Alfred 218, 220, 222, 228, 230 f., 233, 237, 373, 393, 407, 417, 443 f., 564, 580*, 757 (P) Manigk, Otto 580 Mann, Katia 513 Mann, Thomas 134, 386, 463 Manteuffel, Edwin v. 512 Manteuffel, Otto v. 538 Manthey, Jürgen 4, 10 Mara bar Sarapion 621 Marcks, Erich 97, 301, 431, 604 Marcus, Ernst 383, 477 Marcus, Gesche M. 616 Marek, Gustav 164, 174–178, 189, 330, 349, 358, 580 f.*, 609 Marheineke, Philipp Konrad 81, 522 Marlowe, Christopher 616 Marquardt, Helene 568 Martens, Doris 552 Martens, Dorothea 552 Martialis 528 Martin, A. Eduard 239, 555 Martiny, Benno 177 Martitz, Ferd. sen. 581 Martitz, Ferdinand v. 46 f., 100, 400, 581* Martius, Friedrich 527 Martius, Götz 322, 527 Martius, Marianne 527 Marx, Friedrich 304

800

Personenregister

Marx, Karl 104 f., 191, 497, 532 Matthäus (Evangelist) 28, 202, 600, 625 Matthes, Max 267 f., 278, 394 f., 450 f., 456, 483, 505, 558, 581* Matz, Friedrich 456 Maubach, Eduard 25, 69, 581* Mauer, Rudolph 582* Maue, Ludwig 146 Maurenbrecher, Mary 582 Maurenbrecher, Max 582 Maurenbrecher, Romeo 582 Maurenbrecher, Wilhelm 75, 78 f., 91 f., 94, 102, 138, 357, 377, 582*, 583, 602, 766 (P) Maurer, Konrad 516, 648 Maurer, Trude 373 Maurokordatos, Helene 518 Maximilian II. 582 Maxwell, James Clerk 643 Mayer, Otto 236 Mayer, W. E. 426 Medicus, Fritz 543 Meer, Alexander 455 f. Meibom, Viktor v. 45 Meier, Ernst v. 47 Meier, Johanna 638 Mejer, Otto 46 Meinecke, Friedrich 93, 217, 283 f., 286, 306, 478, 484 Meineke, August 557 Meisner, Paul 582 Meisner, Wilhelm 255, 510, 582* Meissner, A. L. 111 Meissner, Georg 640 Meissner, Rudolf 282 f., 312–315, 349, 494, 582 f.*, 610, 774 (P) Meister Eckart 127 Meister, Karl 306 f., 349, 391, 430, 457, 479, 583*, 777 (P) Meister, Richard 307, 583 Meitzen, Marie 547 Melanchthon, Philipp 29, 522 Mellin, Gräfin v. 594 Menander 307, 557 Mendel, Gregor 340 Mendelssohn, Franz v. 427 Mendelssohn, Moses 123, 385 Mendelssohn­Bartholdy, A. 417 f. Mendthal, Hans 357, 583* Menger, Anton 103, 518 Menger, Carl 392, 518

Mentz, Arthur 120, 408, 583* Mentz, Robert 583 Menzel, Adolph v. 419 f. Menzer, Paul 323 f., 357 Merguet, Adalbert 583 Merguet, Hugo 123, 361, 583* Mering, Joseph v. 588 Merkel, Adolf 234 Merkel, Friedrich 65 f., 73 f., 229, 250, 277, 569, 573, 583 f.*, 640, 760 (P) Merkel, Hermann 595 Merkel, Paul 228 f., 584* Merkel, Paul Johannes 46 Merleker, Karl Friedrich 19, 150 Merz, Alfred 462 Meschede, Franz 67, 69 f., 188, 257 f., 272, 277, 399, 506, 584* Meßner, Hermann 29, 32 Metner, Lina 604 Metternich, Clemens Fürst v. 24 Metz, Georg 428, 461, 470 Metzke, Erwin 36 Meumann, Ernst 282, 322 f., 349, 381, 399, 543, 584 f.*, 774 (P) Meumann, Fried. E. 584 Meuschel, Elisabeth 562 Meves, Friedrich 451 Meyer, verh. Lange 571 Meyer, Arnold O. 287 Meyer, Caroline 589 Meyer, Conrad Ferd. 314, 544 Meyer, Eduard 120, 302, 415, 420, 431, 438 f., 479 Meyer, Erich 388 Meyer, Ernst 246, 258–261, 272, 277, 392, 395, 455 f., 463, 473, 482, 534, 563, 585*, 762 (P) Meyer, Ernst Hein. Fried. 170, 605, 646 Meyer, Franz 145–148, 332–337, 349, 393 f., 559, 585*, 619, 772 (P) Meyer, Fried. W. J. 585 Meyer, Gottfried 27, 585 f.* Meyer, Hans Horst 447 Meyer, Helmut 393, 585 Meyer, Herbert (Jur.) 218 f. Meyer, Herbert (Philol.) 393, 585 Meyer, Joachim­E. 585

Meyer, Joh. Hermann 586 Meyer, Jürgen Bona 194, 603 Meyer, Karl Heinrich 135 Meyer, Lothar 161 f. Meyer, Ludwig 585 Meyer, Margarethe 624 Meyer, Maria 643 Meyer, Mary 520 Meyer, Oscar Emil 142, 162 Meyer, Otto 437 Meyer, Otto Richard 315 Meyer, Robert 102 Meyer, Rudolf 438 Meyer, Viktor 612 Meyer, Walter 360, 474, 586* Meyer­Betz, Friedrich 586* Meyer­Ellès, Elly 504 Meyerfeld, verh. Friedberger 527 Mez, A. 621 Mez, Carl 170, 326 f., 330, 339, 349, 389, 398 f., 430, 464, 490, 586* Mez, Maria 490 Michaelis, Friedrich 111 Michaelis, Georg 25, 438, 639 Michalkowski, Anna v. 496 Michalkowski, Marie v. 495 Michel, Julius v. 567 Michelet, Karl Ludwig 544 Michelis, Arthur 387 f. Michelis, Heinrich 386 ff. Michels, Robert 103 Michels, Victor 312 Michelson, Paul 188, 586*, 587 Miegel, Agnes 405 Mikulicz­Radecki, Andreas 586 Mikulicz­Radecki, Felix v. 395, 587 Mikulicz­Radecki, Henriette v. 61, 587 Mikulicz­Radecki, Johannes v. 61 f., 71 f., 188, 240, 242, 244, 277, 395, 501, 508, 530, 586 f.*, 592, 613, 760 (P) Milkau, Friedrich 587 Milkau, Fritz 41, 472, 474 f., 587*, 622 Milchhöfer, A. 119 Minderop, Anny 510 Minkowski, Hermann 145, 147, 349, 463, 550, 576, 587*, 628, 771 (P) Minkowski, Oscar 59, 71, 506, 587 f.*, 592

Personenregister Mirandolle, Leonore 505 Mirbach, Marie v. 559 Mirbt, Carl 38 Mirow, Wilhelmine 507 Mischel, Emilia 642 Mistral, Frédéric 565 Mitscherlich, Alexander 588 Mitscherlich, Alfred E. 323, 339 f., 342 f., 345, 349, 389, 393, 410, 418, 420, 428, 437, 440, 464 f., 467, 477 f., 588*, 774 (P) Mitscherlich, Eilhard 588 Mitscherlich, Gerhard 588 Mitscherlich, Gustav A. 588 Mitscherlich, Karl Gustav 646 Mittermaier, Wolfgang 228 Mittwoch, Eugen 310 Möbius, Karl 167 Möller, Ernst v. 219 Möller, Flora 531 Möller, Julius 55 ff., 84, 548, 593 Möller, Lotte 462 Möller, Wilhelm 32 Moeller v. d. Bruck, A. 430 f. Mönkeberg, Johann G. 270 Mörike, Eduard 109 Möser, Justus 364 Mohammed 282, 301, 308, 310 Mohler, Armin 601 Mohr, Leo 450 Moldaenke, Günther 202 Moldaenke, Theodor 202 Molitor, Karl 357, 583, 588* Mollmann, Ernst 123 Moltke, Adolf v. 588 Moltke, Friedrich v. 25 f., 90, 182, 295, 297, 329, 342, 588 f.*, 753 (P) Moltke, Hans Adolf v. 589 Moltke, Helmuth v. 86, 115, 135, 235, 504, 516, 549, 566, 588 f. Moltke, Helmuth v. (d. J.) 408, 588 Mommsen, Theodor 5, 48, 77, 115, 118 f., 122 f., 186, 219, 301, 306, 503, 535, 538, 543, 557, 566, 568, 612 Montelius, Oskar 492 Mor, Marie v. 502 Moraw, Peter 5 Morawitz, Paul 450 Mordtmann, Andreas David 186 Mordtmann, Johannes 186 f.

Morrell, Theo 250, 595 Moscicki, Ignaz 642 Moser, Ludwig 78 f., 142 f., 347, 589*, 596 Moses 212 Mosse, Albert 589*, 757 (P) Mosse, Dorothea 589 Mosse, Marcus 589 Motejat, Emilie 490 Moulin­Eckart, Richard du 439 Mucke, Richard 66, 102 Mück, Ida 532 Mügge, Otto 148, 158 f., 337, 349, 557, 589*, 772 (P) Mügge, Ratje sen. 589 Mügge, Ratje 589 Mügge, Wilhelm 589 Mühlau, Hein. Ferd. 574 Mühlbacher, Engelbert 93 Mühler, Heinrich v. 18, 46, 64, 77 f., 81, 90 f., 161 f., 173, 194, 297 Mühlschlag, Käthe E. 629 Müllenhoff, Karl 559 Müller, Anna 496 Müller, August (Med.) 55 f., 64 f., 67, 73, 165, 498, 569, 590* Müller, August (Orient.) 130, 185 f., 199, 311, 349, 555, 577, 590*, 768 (P) Mueller, Berthold 256 Müller, Carl Friedrich Wilhelm 76 Müller, Carl Otfried 306 Müller, Clara 601 Müller, Elisabeth 631 Müller, Emil 147, 590*, 773 (P) Müller, Erna 595 Müller, Ernst Ferdinand 470 Müller, F. 520 Müller, Friedrich 590 Müller, Friedrich (Med.) 592 Müller, Friedrich Max 126, 133 Müller, G. 632 Müller, Georg Elias 320, 322, 490, 635 Müller, Johann A. 590 Müller, Johannes 544, 569, 613, 639 Müller, Joseph 353 f. Müller, Julius 31 f., 637 Müller, Karl 33, 199 Müller, Karoline 590 Müller, Klara J. 637

801

Müller, Konrad 574 Müller, Ludwig 612 Müller, Max Ludwig 417, 443 Müller, Otfried 268 Müller, Otto 343, 461, 467, 590 f.* Mueller, Peter 66 Müller, Robert 268 Müller, Wilhelm (Theol.) 29, 208 Müller, Wilhelm (Med.) 244 Müller, Wilhelmine 538 Müller­Erzbach, Rudolf 219 f., 233, 443 f., 591*, 609, 758 (P) Müller­Erzbach, Wilhelm 591 Müller­Sartorius, Emma 519 Münster, Hermann 188, 239, 274, 390, 591* Münzer, Emanuel 591 Münzer, Friedrich 301 f., 305, 349, 420, 430, 458, 591 f.*, 776 (P) Münzer, Thomas 207 Mumm, Reinhart 442 Muncke, Hen. C. L 646 Munier, Kurt 173 Murner, Thomas 312 Musaeus, Johann 629 Musset, Alfred de 317 Muther, Richard 106 Muther, Theodor 46 Mutschmann, Ernst A. 592 Mutschmann, Heinrich 592 Mutschmann, Hermann 304, 307, 349, 414 f., 458, 481, 592* Mutze, Oswald 211 Nachtweh, Alwin 504 Nadler, Josef 36, 366 Nadolny, Rudolf 57 Näcke, Paul 584 Nägeli, Karl v. 642 Nagel, Willibald 571, 640 Napoleon Buonaparte 11, 24, 76, 80, 88, 136, 290, 370 f., 436, 594 Napoleon III. 76 Narath, Albert 245 Nathusius, Hermann v. 343 Nathusius, Martin v. 200, 215 Nathusius, Simon v. 343 Natorp, Paul 379, 383, 413, 614 Naudé, Albert 283 f., 553, 566 Naumann, Friedrich 40, 211, 415, 441, 647

802

Personenregister

Naumann, Otto 189, 277, 361 Naunyn, Bernhard 44, 57, 59, 62, 64, 70–73, 79, 273, 277, 395, 491, 540, 575, 587, 592*, 620, 628, 759 (P) Naunyn, Franz Chr. 592 Nauwerck, Coelestin 75, 241, 393, 520, 592 f.* Neander, August 28, 32 f., 522, 625 Naendrup, Hubert 549 Neckel, Gustav 313 f. Necker, Alwine 499 Necker, Jacques 499 Negelein, Fr. L. v. 593 Negelein, Julius v. 128 f., 135, 280, 282, 384, 460, 593*, 773 (P) Negelein, Julius Ph. v. 593 Negendank, Maria 548 Nehmiz, Luise 519 Neisser, Albert 262, 619 Neisser, Ernst 72, 593* Neisser, Salomon 593 Nencki, Marcell v. 248, 540 Nernst, Walther H. 550, 578 Nerke, Laura 638 Nesselmann, G. H. Ferdinand 30, 78, 123 ff., 133, 376, 431, 501, 593* Nesselmann, Georg F. 593 Nesselmann, Roderich 30 Neuburg, Clamor 105 Neugebauer, Wolfgang 7 Neumann, Adelheid 622 Neumann, Arthur 70 Neumann, Carl G. 293, 585, 594 Neumann, E. (Vet.) 174 Neumann, Ernst 55f., 62f., 74, 188, 240f., 268, 270f., 274, 390, 392, 395, 493, 498, 520, 593f.*, 594, 598, 608, 628, 759 (P) Neumann, Franz Ernst 55, 58, 78, 80 f., 140 ff., 144, 148, 151, 154 ff., 159, 161, 188, 347, 387, 390, 395, 397, 496, 540, 554, 580, 593, 594*, 596, 637, 648 Neumann, Friedrich Julius 19, 99 f., 390, 594*, 765 (P) Neumann, Johann Hermann 176 Neumann, Kurt E. 455 Neumann, Luise 594

Neumann, Paul 392 Neumann, Rudolf 453 Neumann­Redlin, E., 56 Neuwirth, Joseph 106 Nicoladoni, Karl 597 Nicholls, Arthur P. 319, 594* Nicolaus Cusanus 127 Nicolaus von Jeroschin 647 Niebuhr, Barthold Georg 117, 119, 306 Niedner, Johannes 226 f. Niemeyer, Theodor 614 Nietzki, Maximilian 123 Nietzsche, Friedrich 85, 118, 204 f., 280 f., 283, 305, 324, 330, 379, 402, 538, 543, 554 Nikel, Johannes 212 Nippe, Hugo 594 Nippe, Martin 257, 594 f.* Nipperdey, Thomas 9 f. Nissen, Catharina 627 Nissen, Heinrich 88, 119 f., 301, 509, 512 Nissle, Alfred 250, 595* Nissle, Julius 595 Nitzsch, Ernst 80 Nitzsch, Gregor W. 595 Nitzsch, Karl Immanuel 522, 627 Nitzsch, Karl Wilhelm 56, 75, 78 ff., 87 f., 91, 96, 119, 123, 138, 496, 512, 559, 595 f.*, 620, 765 (P) Noeggerath, Joh. Jakob 513, 646 Noeldeke, Theodor 88, 309 ff., 509, 538, 621, 623 Noelte, Emmeline 568 Nöske, Barbara 453 Noether, Max 145 Noetling, Fritz 159, 565, 596* Nohl, Herman 481 Nolte, Amalie 521 Nolte, Mary 526 Noltenius, Johanna 490 Nordau Max 247 Norden, Eduard 303 f., 531 Norden, Magdalene 600 Nordthoff, Emilia 501 Noske, Martha 475 Noth, Martin 213 Nothnagel, Hermann 64, 73, 550 Nottmeier, Chr. 506 Nowak, Käthe 647

Ochenkowski, Władysław v. 295 ff. Ochino, Bernardino 498 Odebrecht, Else 563 Oestreich, Emilie C. 540 Oettingen, Alexander v. 42, 574 Oettingen, G. v. 251 Oettinger, Frieda 531 Oettli, Samuel 213 Ohlrich, Hans 358, 364, 474, 596* Oldenberg, Karl 215 Oldenberg, Hermann 126 Oldenburg­Januschau, Elard v. 479 Olesko, Kathryn M. 140 Oleynick, Rosa 456 Olschewski, Wilhelm 203 Olshausen, Hermann 627 Olshausen, Justus 76 f., 352 ff. Olshausen, Robert v. 239, 644 f., 646 Oncken, Hermann 438 f. Opderbeck, Friederike 552 Oppenheim, Hermann 598 Oppenheim, Marie 56, 574 Oppenheim, Rudolf 56 Oppenheimer, K. 640 Oppermann, Hans 509 Oppler, Leonore 645 Origenes 32 Orth, Johannes 244, 645 Osiander, Andreas 32, 536 Osterloh, Clara 526 Ostmann, Paul 596* Ostwald, Wilhelm 551 Otfried von Weissenburg 195, 523 Otto I. 582 Otto III. 637 Otto IV. von Braunschweig 93 Otto, Marie 546 Otto, Fried. Julius 161 Otto, Robert 161 Otto, Rudolf 40 Otto, Walter 301 f. Overbeck, Johannes 549 Ovid 556, 634 Paalzow, Hans 101, 355 f. Pacher, Henriette 587 Pagel, J. L. 554 Paletschek, Sylvia 5, 8 Pampel, Wilhelmine 496

Personenregister Pankok, Hedwig 560 Pankok, Otto 560 Panofsky, Erwin 589 Panzenhagen, Luise 635 Panzer, Friedrich 314 Pape, Carl 142 f., 188, 198, 279, 330 f., 349, 596*, 617 Pape, Heinrich 626 Papen, Franz v. 494, 530 Pappenheim, Max 217, 224 Parow, verh. Klöpper 564 Partheil, Alfred 329 f., 349, 358, 596*, 612, 774 (P) Partheil, Anna 330 Partheil, Gustav 596 Partsch, Joseph 152, 362, 513 Passarge, Louis 133 f. Passow, Adolf 544, 638 Pasteur, Louis 68 Patzig, verh. Nitzsch 595 Paukstat, Bruno 254 Paulsen, Christian 595 Paulsen, Friedrich 87, 199, 614 Paulsen, Sophie 595 Paulus, Apostel 36, 40, 200, 516, 551, 558, 564, 577 Payr, Bernhard 597 Payr, Erwin 240, 244–247, 264, 271 f., 277, 448 f., 526, 544, 561, 597*, 763 (P) Payr, Karl 597 Pechmann, Wilhelm v. 383 Peipers, David 635 Peiser, Felix 131 f., 308 f., 311 f., 362, 367, 375, 427, 460, 597*, 749 (P), 771 (P) Peiser, Wolff Israel 597 Pelka, Gottfried 597 Pelka, Hermann 392, 437, 570, 597*, 598 Pelka, Wilhelm 391 f., 597, 598* Pels Leudsen, Friedrich 448 Pelz, Arthur 481, 598* Pelz, Moritz 598 Pelzer, Marie 578 Penck, Albrecht 152, 462, 648 Perthes, Georg C. 245 Perikles 9, 88 Perl, Heinrich 454 f. Perlbach, Emma L. 528 Perlbach, Joseph 598 Perlbach, Max 355, 357, 538, 598*, 605 Perles, Felix 414, 422, 577

Perls, Abraham 598 Perls, Max 75, 598* Pernice, Lothar Anton Alfred 48 Perron, Oscar 333 Perthes, Georg 448, 561 Pertz , H. G. 136, 611 Peschel, Elisabeth 507 Peschel, Oscar 153, 540 Peter, Carl 452 Peters, Carl Fr. 148 ff., 188, 349, 385, 394, 399, 598*, 632, 770 (P) Peters, Chr. Fr. Aug. 598 Peters, Gertrud 394, 598 Peters, Hulda 385, 598 Petrarca, Francesco 492 Petronius, C. P. (Arbiter) 303, 617 Petrus de Alliaco 34, 634 Petruschky, Theodor 67 f., 598 f.* Pettenkofer, Max v. 68, 248 Pfeiffer, Otto 599 Pfeiffer, Richard 240, 246–249, 256, 274–277, 383, 526 f., 568, 599*, 615, 762 (P) Pfeiffer, Theodor 341 Pfister, Hermann 258 Pfister, Maximilian 258 Pfitzer, Ernst 172, 549 Pfitzer, Hedwig 549 Pfitzner, Hans 524 Pfleiderer, Edmund 85 Pflüger, Heinrich 219 Philadelphia, Franziska 620 Philipp von Schwaben 93 Philipp II. von Makedonien 301, 620 Philipp, Emilie 622 Philippi, Friedrich 509 Philippson, Martin 92 ff. Phillips, Adolph 599 Phillips, George Jakob 47, 599* Philodemos aus Gadara 556 f., 649 Pick, Ernst P. 447 Pielenz, Auguste 573 Pierer, Joh. Fr. 129 Pietschmann, Richard 368 Pillet, Alfred 281, 318 f., 350, 394, 413 f., 430, 458 ff., 480, 599*, 776 (P) Pillet, André 599 Piloty, Robert v. 226 f. Pilz, Gustav 343, 393, 599 f.*

803

Pilz, Walter 393, 599 Pincus, Salomon 58 f., 67 ff., 188, 255 f., 277, 392, 600*, 759 (P) Pindar 117 Piper, Hans 266 Pirquet v. Cesenatico, Agnes 520 Pirquet v. Cesenatico, Marie 520 Planck, Julius W. v. 564, 616 Planck, Max 5, 616 Plasberg, Otto 303, 305 Platon 87, 305, 458, 498, 509, 531, 534, 554, 635, 641 Plautus 116, 118 Plehwe, Karl Ludwig v. 217 Plenge, Johann 419 Plinius, C. Pl. Secundus 302, 556, 591 Plücker, Julius 646 Plumeyer, Friedrike 629 Plutarchos von Chaironeia 305, 545, 611, 620 Pobowski, Pauline 646 Podack, Max 600* Poerschke, Werner 292 Pohl (PrAH) 340 f. Pohlenz, Max 305, 307 Poincaré, Henri 576 Polec, Janko 221 Politzer, Gustav 264 Pollnow, Leo 395 Polybius 595 Pommer­Esche, verh. Meyer 586 Pommer­Esche, Albert v. 518 Pommer­Esche, Elisabeth v. 518 Pommerening, Maria 565 Pompeckij, Ignaz 600 Pompeckij, Josef F. 156, 160, 336 f., 350, 600*, 634, 774 (P) Ponfick, E. 544 Portzehl, Willi 394 Portzehl, Otto 394, 460, 600* Poschmann, Adolf 292 Poseidonios von Apameia 305 Poser, Ottilie 503 Pott, August 202, 413, 419, 441, 600 f.* Pott, Rudolf 601 Prätorius, Franz 509 Prätorius, Johannes M. 314 Prahl, Emma 604 Prantl, Karl v. 82, 515, 528 Pratje, Otto 462 Praxiteles 549 Preller, Ludwig 557

804

Personenregister

Prellwitz, Albrecht 601 Prellwitz, Alexander 601 Prellwitz, Fried. A. 601 Prellwitz, Gertrud 601 Prellwitz, Helmut 601 Prellwitz, Ruth 601 Prellwitz, Walter 133 f., 428, 601* Prentice, Margarethe 631 Pressentin, Elise v. 499 Preuschoff, Agathe 597 Preuß, Georg Fr. 288 Preuß, Heinrich 474 f., 601* Preuß, Hugo 217, 222, 236 Preuß, Rosalie M. 557 Preyer, Wilhelm Dietrich 471 Preysing, Hermann 263 Pringsheim, Alfred 463 Pringsheim, Ernst 513 Prinz, Rudolf 330, 356, 358, 532, 601* Prittwitz, v., verh. v. Bülow 510 Prittwitz u. Gaffron, Max v. 407 f. Probst, Paul 585 Procksch, August 601 Procksch, Otto 201 f., 211, 400, 601 f.*, 750, 754 (P) Proell, Fr. Wilhelm 276, 446, 602* Proell, Fritz 602 Proskauer, Bernhard 599 Proudhon , Pierre­Jos. 103 f., 518 Prutz, Hans 3, 17 f., 54, 92–96, 98 f., 105, 112, 114 f., 136, 138, 175, 181, 188, 191, 279, 283 ff., 350, 363, 375, 377, 380, 393, 398, 566, 583, 602*, 624 Prutz, Hedwig 602 Prutz, Robert 283, 602 Prutz, Wolfgang 393, 602 f.* Pruyssenaere, Eugène de 648 Prym, Eugen 186, 311 Pütter, August 267 Pütter, Johann Stephan 435 Pützkaul, Michael 346 Pufendorf, Samuel 207, 506 Pult, Kathinka 522 Puppe, Georg sen. 603 Puppe, Georg 255 ff., 277, 281, 389, 455, 588, 595, 603*, 762 (P) Puttkamer, Johanna v. 502

Puttkamer , Robert v. 19, 100, 124 f., 342 Pyrrhos 620

86, 98,

Quäbicker, Gustav 603 Quäbicker, Richard 84–87, 94, 350, 398, 603*, 633 Quelle, Otto 462, 603* Quenstedt, Clra 600 Quenstedt, Fried. A. 600 Querfeld v. Seedeck, Elmire 630 Quidde, Ludwig 58 Quidde, Margarete 58, 84 Quincke, Georg 558 Quincke, Heinrich 59 f., 575, 614 Quesnay, Fr. 102 f. Rabe, Johanna M. 539 Radewin/Ragewin 602 Rachfahl, Felix 278 f., 282, 285 ff., 323, 350, 402, 603 f.*, 641, 774 (P) Rachfahl, Joseph 603 Rackmann, Karol 347 Radbruch, Anselm 604 Radbruch, Gustav 223, 228 ff., 234 f., 405 f., 410, 413, 416, 443, 604*, 758 (P) Radbruch, Heinrich 604 Radbruch, Renate 604 Rade, Martin 413, 519 Rademacher, Hans 334 Raehlmann, Eduard 251 Raimbaud de Vaqueiras 621 Randow, Bertha v. 622 Ranke, Friedrich 109, 394 Ranke, Hermann 309 Ranke, Leopold v. 97, 208, 238, 283, 285, 559, 566, 582, 595, 614, 635, 646 Raphael, Caroline 578 Rathenau, Walther 482 Ratherius von Verona 32 Rathgen, Karl 293, 438 f. Rathkamp, Helene 492 Rathke, Bernhard 161 Rathke, Martin Heinrich 55, 161 f., 165, 548 Raths, Johannes 145, 149 f., 189 Rauch, Christian Daniel 378, 539 Rauch, Karl sen. 604 Rauch, Karl 219 ff., 604 f.*, 609, 639, 758 (P) Rausch, Alfred 394

Rausch, Anna 394 Rautenberg, Ernst 72, 387, 563, 605* Rautenberg, Hans 393 Rautenberg, Otto 354–357, 360, 393, 564, 605* Rechenberg, Elisabeth v. 581 Recke, Flora v. d. 531 Recklinghausen, Fr. D. v. 55 f., 241 f., 271, 545, 593, 598 Redepenning, Ernst 627 Redern, Christiane v. 644 Redslob, Gustav M. 357, 538, 605 Redslob, Theodor M. 357, 605* Redwitz, Erich v. 530 Regel, Fritz 152 Rehme, Paul 532 Rehmke, Johannes 194 Rehn, Eduard 605*, 763 (P) Rehn, Ludwig 605 Reichenbach, Hans 248 Reichensperger, August 94, 124 Reichmann, Adolf 259 Reichmann, Frieda 259 Reicke, Anna 357, 606 Reicke, Georg 17, 357, 606 Reicke, Ilse 356 Reicke, Johann Benj. 605 Reicke, Johannes 134, 358, 366, 474, 569, 605*, 606 Reicke, Rudolf 17, 55, 83, 133 f., 353–358, 360, 366, 376, 378, 493, 586, 605 f.* Reicke, Siegfried 606 Reidemeister, Kurt 146 Reinbrecht, Friedrich 606* Reincke­Bloch, Hermann 288 Reinhold, Hugo 606* Reinhold, Karl Leonhard 605 Reinicke, Helene 542 Reinke, Fanny 537 Reinke, Johannes 388 Reinisch, Reinhold 337 Reis, Wilhelm 569 Reiter, Hans 150, 389, 606* Reitzenstein, Richard 303, 553 Rembrandt 457 Renan, Ernest 31, 130, 373 Rennenkampf , Paul v. 407, 409, 473 Renner, Johann 97 Reusch, Karl Daniel 352, 376 Reusche, Minna 582

Personenregister Reuß­Köstritz 637 Rhesa, Ludwig 378 Rhese, Hans 606 f.* Rhese, Robert 607 Rhodokanakis, Nikolaus 309 f. Ribbeck, Otto 543, 553 Ricardo, David 103 Richard I. 578 Richelot, Friedrich Julius 78, 142, 144, 147 f., 151, 354, 593, 607*, 640, 648 Richter, Auguste 563 Richter,J.G.Carl 173 f.,188,607* Richter, Dorothea 530 Richter, Eugen 51 Richter, Gustav 345, 466 f. Richter, Raoul 543 Richter, Viktor v. 328, 563 Richter, Werner 339 Richthofen, Adolfine 579 Richthofen, Eugen v. 607 Richthofen, Ferdinand v. 152, 394, 462, 527, 540, 648 Richthofen, Hugo 25–27, 181 f., 607*, 753 (P) Rickert, Elisabeth 568 Rickert, Heinrich sen. 51 Rickert, Heinrich 560 Riedel, Wilhelm 201, 601 Riegel, Franz 60, 527 Riehl, Alois 431, 560 Rieken, Gustav 474, 607* Rieker, Karl 226 f. Riemann,Bernhard 147,463,640 Riesen, Hermann 474, 607* Riesen, Jakob van 607 Riesser, Gabriel 608 Riesser, Jacob 607 Riesser, Otto 447, 607 f.* Rindfleisch, Eduard v. 241 Rindfleisch, Julius 608 Rindfleisch, Walter sen. 394, 608 Rindfleisch, Walter jun. 72, 394, 608* Rindfleisch, Wilhelm 360, 474, 608*, 639 Ringel, Marie E. 628 Ringwald, Minna 496 Rinne, Friedrich 337 f., 350, 492, 500, 504 f., 608*, 775 (P) Rinne, Rudolph 608 Rintelen, Anton 608 Rintelen, Max 219, 221 f., 608 f.*, 758 (P)

Ritschl, Albrecht 8, 32, 34, 37, 39, 42, 205, 208 ff., 519, 621, 629 Ritschl, Friedrich 116, 118, 353 f., 356, 503, 523, 537, 549, 556 f., 618, 620 Ritschl, Otto 40, 194, 506 Ritter, Carl 282, 548, 614 Ritter, Franz 503, 603 Ritter, Joachim 139 Rittershausen, Marie J. A. 582 Ritthausen, Heinrich 163 f., 174 ff., 179, 181, 188, 279, 341, 350, 398, 609*, 766 (P) Robert von Anjou 559 Robinski, Werner 379 Rodenberg, Carl 97 Rodewald, Hermann 182, 588 Roeder, Maria 614 Roeder, W. 577 Rödiger, Emil 609 Rödiger, Johannes 75, 354, 356–360, 362, 474, 601, 609* Rödiger, Wolfgang 609 Roedlich, Dilia 507 Römer, Ferdinand 538, 575 Römer, Hermine 645 Römer, Oskar 602 Römer, Paul 255 Roemer, Paul H. 248, 527 Roenne, Ferdinand 155 Röntgen, Wilhelm Conrad 5 Roepell, Richard 603 Rörig, Georg 177, 183, 347, 350, 398, 609* Röschen, Josephine 649 Rößle, Robert 270 Rössler, Constantin 91 Roethe, Gustav 312, 314 f., 494, 582, 635 Rohde, Erwin 79, 116, 118, 503, 538 Rohde, Fritz 315, 610* Rohde, Wilhelm 610 Rohland, Elsbeth 573 Rohrbach, Paul 421 Rohrmoser, Bertha 492 Roi, J. f. A. de la 206 Romansky, verh. Arnoldt 493 Romberg, Ernst v. 267 Roon, Albrecht v. 504 Ropp, Goswin v. d. 507 Roquette, Adalbert 610* Roquette, Hermann 610 Roquette, Minna 610

805

Roscher, Stephan 7 Roscher, Wilhelm 102, 183, 494, 581, 594 Rose, Gustav 496 Rose, Heinrich 544 Rosenberg, Alfred 4 Rosenberg, Arthur 413 Rosenbusch, Harri 589 Rosenfeld, Ernst 225, 228, 610*, 757 (P) Rosenfeld, Hermann 610 Rosenhain, Johann Georg 144 f., 553, 612, 649* Rosenhain, Martha 520 Rosenhain, Samuel N. 649 Rosenkranz, Hein. Her. 610 Rosenkranz, Karl 58, 78, 81–86, 320, 347, 366, 376, 379, 381, 383, 528, 570, 603, 605, 610*, 633, 765 (P) Rosenow, Georg 610 f.* Rosikat, August 370 f., 377–381 Rosin, Heinrich 560 Rosinski , Bernhard 446, 611* Rossbach, August 119, 135, 503, 611 Rossbach, Otto 117–123, 278 f., 303, 331, 350, 361 f., 398, 458, 478, 480, 556, 611*, 772 (P) Rost, Eugen 265 Rost, Hermann 611 Rost, Paul 132, 137, 298 f., 350, 362, 398, 409, 430, 457 f., 470, 611* Rosthorn, Alfons v. 239 Roth, Anni 620 Roth, Emmy 491 Roth, Helene 641 Roth, Rudolf v. 126, 529 Rothe, Richard 522, 531, 629 Rothenbücher, Karl 225–228 Rothes, Georg 346 Rothfels, Hans 4, 10–13, 84, 502 Rothmaier, Clementine 530 Rothmann, Eva 534 Rothmund, August v. 251 Rousseau, J. J. 99, 317, 366 Roux, Wilhelm 269, 452, 571, 597 Rubens, Peter Paul 457 Rubin, Mathilde 521 Rubner, Max 249, 551, 562, 577, 595

806

Personenregister

Rückert, Friedrich 109 Rühl, Alfred 394, 462, 612 Rühl, August 611 Rühl, Franz 52, 79, 88–92, 95, 99, 105, 112, 114, 116–121, 123, 136, 187 f., 191, 195, 300–303, 347, 350, 361 ff., 380, 383, 394, 462, 512, 538, 583, 592, 611 f.* Rümelin, Gustav 560, 577 Rümker, Kurt v. 177, 183 Rüther, Anna K. 580 Ruge, Luise 609 Ruge, Sophus 150 f. Runge, Eva 532 Runge, Max H. 532 Rupp, Erwin 326, 330, 350, 430, 612*, 776 (P) Rupp, Franz 612 Rupp, Julius 82 f., 378, 387, 493, 625 Rust, Arnold 612 Rust, Bernhard 448 Rust, Hans 202 f., 389, 612* Rutkowski, Emilie 520 Ryssel, Viktor 36, 41 Saalschütz, Joseph L. 376, 612 Saalschütz, Louis 147, 189, 333, 347, 350, 612* Sacharja (Prophet) 201, 491 Sachau, Eduard 312 Sachs, Ernst 612* Sachs, Ludwig Wilhelm 55, 512 Sack, Friedrich S. G. 522 Sack, Karl H. 522 Saemisch, Theodor 251, 253, 569, 616 Sahm, Leo 394 Sahm, Wilhelm 394 Sa‘id von Toledo 590 Saint­Paul, Sophie v. 530 Salewsky, Gerda 633 Salkowski, Carl 46, 48, 53 f., 188, 216, 218, 222, 389, 399, 504, 613* Salkowski, Ernst 649* Salkowski, Heinrich Otto 163, 613* Salle, Anna 509 Sallust 557 Salomon, Wilhelm 337 Salz, Arthur 413 Salzmann, Chr. G. 99

Samter, Joseph 613 Samter , Oscar 193, 262, 505, 613* Samuel, Bertha 560 Samuel, Ida 553 Samuel, Martha 572 Samuel, Simon 57, 59, 67, 188, 277, 390, 572, 613* Sanio, Friedrich Daniel 48, 53 f., 613*, 626 Sapper, Karl 462 Sarre, Friedrich 310 Sartorius, Carl 223, 552 Sartorius v. Waltershausen, August 296 Sattler, Hubert sen. 255, 265 f., 614 Sattler, Hubert jun. 255, 614* Saucken­Tarputschen, Ernst v. 56, 58 Sauer, B. 77 Sauer, Wilhelm sen. 614 Sauer, Wilhelm 223, 400, 443, 445 f., 614* Sauerbruch, Ferdinand 243 ff., 448 f., 528 Saunas, David 445 Sauppe, Hermann 503, 526, 556, 635 Sauter, Anna 597 Savigny, Carl Friedrich v. 231, 568 Savigny, Leo v. 579 Say, Jean Baptiste 103 Schaarschmidt, Carl 82, 603 Schade, Maria 614 Schade, Oskar 76 ff., 85 f., 93 f., 101, 108 ff., 114, 125, 133, 135, 180 f., 188, 195, 279, 295 ff., 312 f., 353 f., 363, 375, 378, 385, 496, 523, 536, 538, 552, 572, 579, 582, 590, 614 f.*, 765 (P) Schade, Rudolf 378, 614 Schadow, Joh. Gottfried 520, 539 Schaeder, Erich 39 f., 199, 615*, 754 (P) Schaeder,HansHeinrich 128,615 Schaeder, Hilde 615 Schäfer, Arnold 601 Schäfer, Dietrich 391, 420, 431, 436, 438, 507 Schäfer, Frieda 509 Schäffer, Jean 262

Schäffle, Albert 105, 532 Schaper, Alfred 534 Scharff, Ernest 114, 615* Schauta, Friedrich 550 Schede, Max 242, 244 Scheele, C. W. 596 Scheffer­Boichorst, Paul 288, 631, 641 Scheller, Markus 615 Scheller, Robert 249, 615* Schelling, F. W. J. 33, 37, 81, 127 Schellong, Otto 384 Schellwien, Ernst 154, 159 f., 336 f., 350, 374, 384, 396, 615*, 773 (P) Schellwien, Robert 615 Schemann, Paul 355 Schenck, Luise 571 Schenck, Marie Hel. 541 Schenk, Lydia 604 Schenkendorf, Max v. 75 f., 539 Schenkl, Heinrich 118 f. Schentke, Elsbeth 608 Schepke, Mathilde 593 Scherer, Wilhelm 34, 109, 401 Scheuch, Carmen 544 Scheurich, Babette 562 Schian, Martin 40 Schieck, Franz 255, 265 f., 277, 389, 446 f., 514, 615 f.*, 764 (P) Schieck, Julius 615 Schieder, Theodor 4 Schiefferdecker, Wilhelm 373 f. Schiele, Lucie 510 Schiemann, Anna 617 Schiemann, Theodor 284 Schierbrand, Ulrike v. 618 Schiller, Friedrich v. 109 f., 313, 380 Schilling, Hermine 564 Schimper, Wilhelm 172 Schindler (AllV) 437 Schipper, Jakob 111–114, 350, 616*, 766 (P) Schirmer, Joh. Theodor 48, 53, 94, 188, 216 f., 504, 616* Schirmer, Otto 252, 616* Schirmer, Rudolf 616 Schittenhelm, Alfred 267 f., 277, 446 f., 450, 456, 514, 527, 581, 586, 611, 616 f.*, 620, 763 (P) Schittenhelm, Wilhelm v. 616 Schlackowski, Frieda 602

Personenregister Schlake, Friedrich 455 Schlayer, Karl Robert 450 Schlegel, A. W. v. Schleier, Hans 289 Schleiermacher, Fr. E. D. 29 f., 32 f., 81, 85, 209, 391 f., 493, 496, 522, 603, 622 Schlenther, Maria 595 Schlenther, Paul 383 Schlieckmann, Albrecht v. 25 ff., 38 f., 57, 69, 74, 95, 98, 101 f., 108 f., 176, 185 ff., 189, 192 f., 242, 295, 297, 375 f., 501, 548, 615, 617* Schlieffen, Alfred v. 407 f. Schliemann, Heinrich 115 Schlossmann, Siegmund 614 Schmarsow, August 106 Schmauch, Hans 396 Schmidt, Adolf 617 Schmidt, Alexander 20, 114 Schmidt, Arno 186 Schmidt, Arthur B. 217 Schmidt, Elisabeth 611 Schmidt, Erich 401, 560 Schmidt, Ernst 596 Schmidt, Gerhard 144, 282 f., 327, 330 f., 350, 617* Schmidt, Hermann 207 f. Schmidt, Johannes 118, 350, 531, 617* Schmidt, Julian 618 f. Schmidt, Martin B. 241 f. Schmidt, Paul 452 f. Schmidt, Wilhelm 208 Schmidt­Lötzen, Eduard 123 Schmidt­Ott, Friedrich 169 Schmidt­Rimpler, Hermann 252 Schmiedeberg, Oswald 265, 447, 529, 540, 592 Schmieden, Viktor 243 f., 246 Schmieder, Clementine 523 Schmitz 612 Schmitz, Otto 441 Schmitz, R. 7 Schmiz, Karl 6 Schmoller, Gustav v. 98, 102 f., 285 f., 398, 497, 518, 546, 566, 614 Schnaase, Carl 420 Schneemann, Margarethe 599 Schneider, Christoph 617 Schneider, K. F. Theodor 32 Schneider, Marie 615

Schneider, Max 617* Schneider, Rudolf 63 ff., 67, 188, 261 f., 277, 392, 617 f.* Schneider, Walter 392, 618 Schnelle, Luise 551 Schneller, Moritz 524 Schnitzler, Johanna 570 Schnupphase, Emilie 540 Schnurrer, Julie 496 Schoell, Fritz 118 Schoell, Rudolf 301 Schoen, Eduard 618 Schoen, Paul 50 f., 220, 223, 400, 618* Schön, Theodor v. 89, 92 f., 136, 372, 426, 429, 505, 611 Schönberg, Gustav 293 Schönborn, Karl 57, 60–64, 71 f., 116, 242, 277, 507, 613, 618*, 630, 759 (P) Schönborn, Siegfried 618 Schönborn, Walther 618 Schöndörffer, Otto 83, 380, 382, 477, 493 Schoene, Alfred 99, 116 ff., 188, 347 f., 350, 358, 375, 391, 556, 618 f.*, 619 Schoene, Gottl. Imm. 618 Schoene, Hermann 303, 350, 391, 619* Schoene, Richard 391, 619 Schoenflies, Albert 619 Schoenflies, Arthur 146 ff., 180 f., 332 f., 335, 350, 363, 391, 524, 619*, 773 (P) Schoenflies, Elisabeth 619 Schoenflies, Eva 619 Schoenflies, Hanna 619 Schoenflies, Moritz 619 Schönlanck, Mathilde 525 Schöpff, Anna 553 Schoetensack, August 229 Scholtz, Adolf 619 Scholtz, Walter 261 f., 277, 389, 448, 619 f.*, 762 (P) Scholz, Adolf v. 126 f., 143 Scholz, Harry 72, 395, 446, 620* Scholz, Heinrich 620 Schomburg, Anna 623 Schopenhauer, Arthur 85, 205, 215, 232, 282, 324, 387, 541, 566 Schorlemer­Lieser 592 Schott, Wilhelm 614

807

Schrader, Eberhard 131 Schrader, Pauline­H. 584 Schrader, Wilhelm 5 f., 29, 89 f., 114, 213 Schreiber, Carl Friedrich 377 Schreiber, Joseph 620 Schreiber, Julius 59., 67, 188, 392 f., 395, 592, 605, 620*, 633 Schreiber, Kurt 620 Schreiber, Richard 393 Schreiber, Rosalie 620 Schreiber, Sophie f. 520 Schreiber, Theodor 119 Schreuer , Hans 549 Schroeder, Agnes 565 Schroeder, Karl E. F. 644 Schröder, Jenny 574 Schroeder, Paul 620 Schröder, Richard 549 Schröder, Willy 345, 620* Schröter, Georg 330 Schröter, Heinrich Ed. 575 Schubert, Eduard 620 Schubert, Friedrich Wilhelm 75, 79, 91, 138, 375 f., 379, 559, 582, 605 Schubert, Hans v. 41 Schubert, Paul 394, 620 Schubert, Rudolph 119 f., 123, 189, 393, 458, 620* Schücking, Walther 446, 644 f. Schüler, Georg 222, 445, 620 f.* Schüler, Margarethe 621 Schüler, Maximilian 620 Schülke, Albert 147, 334 Schürer, Emil 39 f. Schütz, Amalie 579 Schütz, Franz 454, 621* Schütze, Paul 346 Schulemann, Werner 447, 529 Schultheß, Friedrich 309 ff., 350, 621*, 776 (P) Schultz, Erich 456 Schultz, Hermann 304, 307 Schultz, Margarethe 636 Schultz, Meta 576 Schultz, Otto 473 f., 621*, 649 Schultz­Gora, Oskar 279, 317 f., 350, 495, 525, 599, 621* Schultz­Gora, Rudolf 621 Schultze, Alfred 217 Schultze, Ernst 563, 575 Schultze, Helene 501

808

Personenregister

Schultze, Max 545, 569 Schultze, Victor 33, 200 Schulz, Albert O. 622* Schulz, Alfons 429 Schulz, Amalie v. 583 Schulz, Arthur 470 f. Schulz, Caroline Ch. 542 Schulz, Fr. 568 Schulz, Ferdinand 622 Schulz, Franz Eilhard 168 Schulz, Hugo 608 Schulze, Alfred 360, 365, 367 f., 460, 472–476, 586, 622* Schulze, Bettina 43 Schulze, Elise 580 Schulze, Heinrich 622 Schulze, Johannes 144 Schulze, Ludwig Theodor 28 f. Schulze, Martin 200 f., 207–210, 406, 410, 442, 622*, 755 (P) Schulze, Wilhelm 307 Schumacher, Bruno 290, 396 Schumacher, Frieda 636 Schumacher, Hermann 468 Schumacher, Katharina 541 Schumann, Friedrich 322 Schumann, Julius 20 Schwalbe, Ernst 242, 270 Schwalbe, Gustav 65, 73 f., 242, 268, 277, 583, 622 f.*, 638, 760 (P) Schwally, Friedrich 309 ff., 350, 431, 623*, 777 (P) Schwally, Irene 623 Schwantke, Arthur 337 f. Schwartze, Hermann 72, 262 f., 573 Schwarz, Hermann 194, 543 Schwedler, Else 641 Schweiger, Max 429, 464 Schweigger, Karl Ernst Th. 523 Schwenckfeld, Kaspar 522 Schwendler, Lizzie 494 Schwenke, Paul 359–364, 506, 623* Schwendener, Simon 171, 642 Schwerin, Claudius v. 219, 221 Schwinck, Pauline 505 Scott, Walter 279 Sdorra, Johannes 474 Seckel, Emil 560 Seckendorff, Veit Ludwig 459 Seebach, Elisabeth v. 504 Seebach, Karl v. 504, 565

Seebeck, Lud. Fr. W. A. 646 Seeberg, Alfred 40 Seeberg, Erich 202, 575, 587 Seeberg, Reinhold 206, 409 f., 420 f., 431, 436, 438, 442, 477, 574 f. Seeck, Otto 304 Seelhorst, Konrad v. 177 Seeliger, Gerhard 641 Seeliger, Oswald 168 f., 623*, 769 (P) Seerig, Albert W. 548 Sehmsdorf, Erich 428 Seidel, Lud. Ph. v. 576 Seidlitz, Georg v. 74, 624* Selle, Götz v. 3 f., 6 f., 352 Sellin, Ernst 201 Sellschopp, Anna 615 Selter, Friedrich 624 Selter, Hugo 277, 393, 452 ff., 456, 510, 624*, 764 (P) Semmler, Auguste 542 Semper, Gottfried 544 Semper, Karl 508 Senbusch, Minna v. 626 Seneca 118 f., 531, 611 Senger, Ernst E. F. 27, 624* Sengstack, Süsette 498 Seraphim, August 282, 284, 287, 289 f., 300, 370, 396, 420 ff., 426, 459, 624*, 750 Seraphim, Ferdinand 624 Seraphim, Richard 459 Sering, Max 478 Seubert, Karl Fr. O. 492 Seubert, Moritz August 513 Seuffert, Lothar v. 443 Sextus Empiricus 307, 458, 592 Seydel, Carl 67 ff., 188, 255, 603, 625* Seydel, Fried. W. 625 Seydler, Clara 515 Shakespeare, William 20, 111, 114, 282, 573 Shirley, James 616 Sībawaih, ‘Amr Ibn­‘Utmān 307, 556 Siebold, Eduard K. J. v. 518, 545 Sieffert, Friedrich 29, 625* Sieffert, Fr. Ludwig 28 f., 32, 570, 625* Sieffert, Johann 625 Siemann, W. 372 Siemerling, Ernst 258 f.

Sietze, K. F. F. 43 Sievers, Wilhelm 153, 540 Sievers, Thadeus v. 411 Sigwart, Chr. 584 Simmel, Georg 383, 560, 621 Simon, Toni 597 Simon, Walter 83, 366 Simons, Eduard 200 Simrock, Karl 503, 603, 616 Simson, August 78, 130, 163, 354, 590, 626 f.* Simson, Bernhard v. 43, 96 f., 641 Simson, Eduard v. 43, 77, 96 f., 130, 625 f. Simson, Zacharias J. 625 Singelmann, Gustav I. 27, 357, 626* Sismondi, Jean Ch. S. de 101 Sittmann, Antoinette v. 497 Skalweit, Bruno 344 f., 415, 429, 467, 469 f., 626* Skrzeczka, Natalie 649 Skutsch, Franz 304 Smekal, Albertine 497 Smend, Rudolf 225 f. Smend, R. (AT) 602 Smith, Adam 19, 103, 542 Snouck Hurgronje, Chr. 623 Sobolewski, Käthe 492 Sobotta, Johannes 277, 401, 451, 626* Sobotta, Robert 626 Socin, Albert 601 Soden, Hermann v. 202, 600 Söckning, K. 383 Söldner, Marie 518 Sohm, Rudolph 45, 581 Sokolowski, Emil 626 Sokolowski, Paul v. 219, 231 f., 577, 626 f.* Sokolowsky, Max 527 Sokolowsky, Ralph 395, 527* Sokrates 305, 531 Solon 620 Sombart, Werner 5, 101, 104, 191 ff., 525 Sommer, Else 569 Sommer, Johann Georg 28 f., 32, 36, 187, 391, 569 f., 627* Sommerfeld, Arnold 576 Sommerlatte, Marie 594 Sondermann, Maria 557 Sonn, Hans Adolf 392, 627 f.* Sonn, Peter Chr. 627

Personenregister Sophokles 601, 618 Sozon 509 Spahn, Martin 163 f., 578 Spahn, Peter 34 Spalteholz, Werner 451 f. Spangenberg, Hans 286 f., 289, 459, 628* Spann, Othmar 498 Spannenkrebs, Karl 461 Spehr, Anna 596 Speickert, Amalie 496 Speiser, Paul 170 Spencer, Herbert 546 Spengel, Friedrich Wilhelm 167 Spengler, Oswald 126, 231, 310 Spenkuch, Hartwin 7 f. Speratus, Paul 136 Spiegelberg, Otto 55, 548, 625 Spies, Heinrich 414 Spiller 475 Spinoza, Baruch 105, 392, 512, 520 Spirgatis, Edith 628 Spirgatis, Hermann 78, 105, 161, 164 f., 188, 563. 628*, 765 (P) Spittler, B. 21 Spitzemberg, Hildegard v. 33 Spitzemberg, Carl v. 33 Spitzweg, Carl 399 Springer, Bertha 565 Stabenow, Emma v. 593 Stade, Bernhard 213, 623 Stadelmann, Ernst 592, 628* Stadelmann, Julius 628 Staeckel, Ernst G. 628 Staeckel, Paul 146 f., 350, 585, 628 f.*, 772 (P) Staegemann, Friedrich August v. 89 f., 611 Staerk, Willy 312 Stahl, Friedrich Julius 224, 567 Stalin, J. W. 450 Stammler, Rudolf 104 f., 234, 237, 438, 445, 480, 518, 560, 614 Stange, Carl 199 f., 205 f., 622, 629*, 755 (P) Stange, Franz 629 Stanjek, Paul 346 f. Stantien & Becker 160, 374 Stantien, Amalia 617 Starck, Wilhelm v. 273 Starfinger, Karl 456 Stargardt, Henriette 549

Stark, Johannes 331 Stark, Marie 585 Stark, Werner 11 Staude, Otto 146 Staupitz, Johann 33 Steffeck, Wilhelm 140, 594 Steffen, Gustav F. 434 Steffenhagen, Emil 354, 368, 629* Stein, Adolf 275, 446, 629* Stein, Friedrich 560 Stein, Karl Frhr. v. u. zum 92, 287, 289, 370, 372, 427, 478 Stein, Otto 629 Stein, Robert 427, 461 Steinacker, Anna 565 Steinecke, Fritz sen. 437 Steiner, Helene 597 Steiner, Rudolf 534 Steinmann, Gustav 157 Steinmetz, Margarethe 526 Steinroeck, Hermann 292 Steinthal, Heymann 620 Stelzner, A. W. 500 Stempel, Olga v. 607 Stengel, Edmund 317, 633 Stengel, Karl v. 236 Stenger, Johannes 629 Stenger, Paul 263 f., 277, 627, 629 f.* Sternberg, Theodor 222 f. Stesichoros von Himera 611 Stetter, Georg 71 f., 188, 275, 630*, 649 Stettiner, Paul 3, 300, 383, 437 Steuernagel, Carl 199 Steveling, L. 6, 225 Stich, Eduard 630 Stich, Rudolf 246, 630* Stichling, Therese v. 569 Stieda, Alexander 392, 631 Stieda, Alfred 246, 392, 395, 446, 630*, 631 Stieda, Christian 630 Stieda, Hermann 392 Stieda, Ludwig 58 f., 65 f., 70, 74, 188, 245, 264, 266–269, 275, 277, 392 f., 530, 534, 605, 627, 630, 630 f.*, 760 (P) Stier­Somlo, Fritz 645 Stimming, Albert 565 Stintzing, Rod. 581 Stirner , Max 379 Stisser, Louise H. 640 Stobbe, Otto 43, 45

809

Stock, Wolfgang 447 Stoeckel, Hedwig 556 Stoecker, Adolf 36, 39, 41, 52 Stoermer, Hanna 502 Störring, Gustav 322 f. Stoessel v. d. Heyde, Edith 550 Stokes, Whitley 501 Stolberg­Wernigerode, Udo 25, 38, 48, 631* Stollé, Robert 392, 498 Stolleis, Michael 44, 225 Stolley, Ernst 336 Stolze, Ernst 631 Stolze, Gerhard 631 Stolze, Helmut 631 Stolze, Wilhelm 282, 286 f., 290, 370, 413, 415, 459, 631* Stolzmann, Marie 533 Storch, Karl 419 Storck, Elisabeth 589 Storm, Theodor 109, 352 Stosch­Rodelshöfen, Charlotte v. 536 Strack, Hermann 36 Strack, Max L. 301 f. Strassmann, Fritz 257, 603 Strathmann, Hermann 441 Straub, Walther 529 Strauch, Carl 455 Strauch, Philipp 494 Strauß, David Friedrich 31, 81, 186, 206 Strauß, Herbert A. 577 Strauß, Richard 524 Strauß und Torney, Lulu v. 405 Strazhas, A. 425 Strehl, Hans 246, 631* Strehlke, Friedrich 622 Strehlke, Luise 622 Streit, Hermann sen. 631 Streit, Hermann 446, 631, 631 f.* Streitberg, Wilhelm 314 Streng, Augusta 625 Stresemann, Gustav 604 Strindberg, August 312, 386 Strittmatter, Annina 506 Ströbel, Pauline 550 Stromeyer, Anna 523 Strümpell, Adolf 59 f., 450, 556, 575 Strunk, Katharina 543 Struve Georg 632 Struve, Hermann 149 f., 350, 399, 495, 542, 632*, 771 (P)

810

Personenregister

Struve, Olga 632 Struve, Otto 149, 632 Studemund, Wilhelm 117, 135, 611 Stübel, Lisbeth 645 Studt, Konrad v. 27 Study, Eduard 145, 333, 336, 502 Stumpf, Carl 490 Stumpf, Richar 632* Stutz, Ulrich 226, 412, 443, 641 Stutzer, Albert 327, 330 f., 341 ff., 347, 350, 465, 535, 632 f.*, 636 Stwolinski, Emmy v. 527 Suchier, Hermann 318 Sudermann, Hermann 86, 110, 385, 546, 603 Sudhaus, Siegfried 556, 592 Suffrian, Caroline 504 Suplie, Elisabeth 464 Swedenborg, Emanuel 210, 551 Switalski, Wladislaus 437 Sybel, Heinrich v. 91, 93, 582, 601 Szidat, Lothar 325 Szily, Aurel v. 447 Taban, Muh. Ibn­Garir, at­ 509 Tacitus, P. Cornelius 303, 645 Tafel, Eugenie 505 Tammann, Gustav 504 Tamnau, Florentine 594 Taube 408 Tauler, Johann 127 Taute, Gottfried Friedrich 81, 635 Taylor, E. B. 127 Teichmüller, Gustav 510 Teichmüller, Hertha 510 Teleky, Dora 451 Telemann, Walter 446, 633* Telemann, Wilhelm 633 Temps, Maria 589 Ten Brink, Bernhard 111, 633 Tenne, Conrad August 158 Tenorth, Heinz­Elmar 6 Terentius Varro, M. 643 Tesar, Ottokar 229 f. Teubner, Elisabeth 599 Theodorus von Mopsuetia 625 Theokrit 117 Theophrast 554 Thiele, Günther 86 f., 188, 193 f., 215, 320, 324, 350, 379, 381, 512, 633*

Thielen, G. 520 Thiemann, Minna 565 Thienemann, Johannes 170, 326, 407 Thierbach, Frl. 387 Thiersch, Carl 528 Thimme, Heinrich 85 Thode, Henry 106 Thöle, Helene 521 Tholuck, August 31 f., 41, 543, 614, 622 Thomas von Aquin 381 Thomsen, Andreas 228 Thomsen, Maria D. 541 Thorvaldsen, Bertel 539 Thukydides 116, 618 Thurau, Gustav 113, 316–319, 559, 565, 633*, 773 (P) Thurau, Johannes 633 Tietjen, Friedrich 526 Tiglat­Pileser III. 611 Tiling, Helene 624 Tiling, Sopie 624 Tilitzki, C. 11 Tilo von Kulm 564 Tischler, Johanna 642 Tischler, Otto 375 f. Titius, Arthur 39 Titze, Heinrich 220 Tobias, Wilhelm 79, 378 Tobler, Adolf 317 f., 391, 599, 619, 621 f. Tobler, Ottilie 619 Tönnies, Ferdinand 105 Toeppen, Max 139, 578 Tolkiehn, Johannes 117 f., 120 ff., 303 f., 396, 399, 458, 480, 579, 634* Tolstoi, Leo 204 Tomaczewski, Benno 25, 175, 634* Tornquist, Alexander 160, 283, 292, 336, 339, 350, 374, 492, 634*, 775 (P) Traeger, Ludwig 229 Trapp, Elise 545 Traube, Ludwig 544, 555, 573 Trautmann, Ferdinand 72, 596, 638 Trautmann, Reinhold 125, 133 f., 399, 501 Treitel, Theodor 59, 188, 250 ff., 630, 634* Treitschke, Heinrich v. 5, 41, 88, 91, 98 f., 195, 206, 283 ff.,

471, 518, 537, 566, 612, 619, 624, 641 Trenck, Siegfried v. d. 394, 634 Trenck, Theodor v. d. 27, 389, 394, 580, 585, 634* Trendelenburg, Friedrich 61, 528, 561 f., 597 Trendelenburg, Friedrich Adolf 77, 82, 87, 381, 528, 543 f., 557, 646 Trendelenburg, Wilhelm 266 f. Treviranus, Ludolf Chr. 513, 645 Trick, Emma 612 Triepel, Heinrich 417, 618 Triller, Alfons 502 Trillhaas, Wolfgang 211 Trittenwein, Maria 644 Troeltsch, Else 530 Troeltsch, Ernst 207, 413, 478, 484 Troeltsch, Sofie 630 Troeltsch, Walter 530 Trott zu Solz, August 266, 268, 340, 344, 442 Tschackert, Paul 33 ff., 37 ff., 136 f., 216, 499, 634*, 754 (P) Tschermak, Armin v. 267, 551 Tschermak, Erich v. 340 Uckeley, Alfred 200 f., 391, 407, 418 f., 428, 443, 635*, 755 (P) Uckeley, Dietrich 635 Uckeley, Wilhelm 635 Uckeley, Wolrad 635 Uebersberger, Hans 438 f. Ueberweg, Friedrich 78, 81 f., 85, 350, 381, 500, 543, 635*, 765 (P) Ueberweg, Johann Fr. 635 Uhl, Gertrud 635 Uhl, Karl 635 Uhl, Wilhelm 43, 278, 281, 312 ff., 389, 398, 415, 457, 470, 635*, 647, 773 (P) Uhthoff, Wilhelm 252 ff. Ulbrich, Anton 137, 383, 396 Ulmer, Eugen 49, 522 Umpfenbach, Carl 98–101, 103, 175, 179, 181 f., 188, 191, 279, 292, 296, 350, 389, 398, 518, 635 f. * Umpfenbach, Franz 636 Umpfenbach, Hermann M. 635 Umpfenbach, Meta 636

Personenregister Unger, Olga 591 Unger, Rudolf 36 Unterberger, Franz 446, 636* Unterberger, Kurt 636 Uphues, Goswin 194 Urich, verh. Chun 513 Usener, Hermann 118, 121, 186, 303 f., 354 f., 509, 526, 531, 543, 556, 601, 619, 645 Vageler, Hans 347 Vageler, Paul 347, 636* Vageler, Wilhelm 636 Vahlen, Johannes 303, 636, 641 Vahlen, Theodor 636 f.*, 772 (P) Vaihinger, Hans 193 f., 382 f. Valentini, Arthur S. 637 Valentini, Gustav 72, 637* Valentiner, Wilhelm 558 Varrentrapp, Konrad 93 Vatke, W. 543, 623 Velleius Paterculus 300, 587 Vergil 543 Verlaine, Paul 318 Vierkant, Ulrike 643 Vietinghoff­Scheel, Leopold v. 439 Vigelius, Sophie 561 Vilmar, August 29 f., 536 Vincent, L. 345 Virchow, Rudolf 5, 56, 75, 241, 247 f., 270, 498, 530, 540, 544, 555, 558, 568, 596 Vischer, Fried. Th. v. 643 Vischer, Eleonore 582 Vischer, Elisabeth 549 Vischer, Robert 107, 582 Vleuten, Max van 219 Voelcker, Wilhelmine 548 Völkel, Hans 7 Völkers, Ida 570 Völkers, Karl 570 Völsch, Anna 639 Völtz, Wilhelm 626 Vogel, Karl Albrecht 32 Vogelstein, Hermann 406 Vogt, Auguste 595 Vogt, Carl 80, 168, 513 Vogt, Friedrich 523 Vogt, Lily 513 Voigt, Elisabeth 493 Voigt, Georg 523 Voigt, Heinrich 30ff., 35, 37, 40f., 187, 390 f., 493, 519, 637*

Voigt, Heinrich Gisbert 37, 40 ff., 137, 390, 637* Voigt, Johannes 18, 57, 75, 138 f., 552, 578, 592 Voigt, Woldemar 141 f., 144, 155, 350, 587, 637 f.*, 638, 642, 767 (P) Volbehr, Friedrich 489, 616, 642 Volck, Wilhelm 574 Volhard, Julius 163 Volkelt, Johannes 109, 546 Volkmann, Anna 638 Volkmann, Hans 638 Volkmann, Karl L. 638 Volkmann, Paul 141–144, 155, 189, 299, 330–333, 335, 347, 350, 388 ff., 396, 399, 463, 525, 638*, 642, 769 (P) Volkmann, Richard v. 61, 243, 575 Volquardsen, Christian 88, 512 Voretzsch, Karl 318 Vorholz, Irene 6 Vorländer, Karl 83, 105, 380, 382 f. Voss, Aurel 145 Voß, Helene 641 Voss, Otto 638* Voss, Paul 638 Vossius, Adolf 58, 250 ff., 638 f.* Wach, Adolf 46 f., 228, 417 Wachendorff, Fanny J. 521 Wachsmuth, Carl 90, 116, 509, 553, 612, 641 Wächter, Carl Georg v. 581 Wagenmann, August 253, 265, 514 Wagner, Adolph 102 f., 518, 546, 614 Wagner, Bertha 642 Wagner, Caroline 525 Wagner, Eduard 315 Wagner, Ernst 402 Wagner, J. 642 Wagner, Karl Ernst Albrecht 55, 63 f., 71, 261, 498, 501, 537, 618, 625, 639*, 759 (P) Wagner, Gustav Heinrich 570 Wagner, Hedwig 570 Wagner, Joh. Jac. 543 Wagner, Hermann 150 ff., 163, 347, 350, 383 f., 394, 462, 470, 480, 639*, 648, 767 (P)

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Wagner, Richard 185, 524 Wagner, Rudolph 569, 639 Wagner, Wulf D. 376 Wahnschaffe, Arnold 423 Waigle, Ida 539 Waitz, Charlotte 534 Waitz, Georg 33 f., 97, 355, 471, 595, 641 Walb, Heinrich 72 Waldbach, Paul 639* Waldeyer­Hartz, Wilhelm v. 55, 269, 541, 584 Waldow, Elisabeth v. 567 Waldow, Wilhelm v. 25 f., 639* Wallach, Otto 163, 465, 536, 550, 563 Wallè, Anna Maria 526 Walsmann, Hans 443 Walter, Dorothea 617 Walter, Emilie 646 Walter, Ferdinand 85, 639 Walter, Hildegard 605, 639 Walter, Julius 76, 85 ff., 99, 106, 137, 180, 188, 282, 316, 320, 323 f., 331, 350, 379, 381, 605, 617, 633, 639* Walter, Kurt 150 Walther von der Vogelweide 195 Wanach, Anna 542 Wanach, B. 632 Wandschneider, Pauline A. 557 Wannig, August 474 Warburg, E. 560 Warburg, Ida 556 Warda, Arthur 36, 366, 383 Warstatt, Gerhard 639 f.* Wartmann, Justine 513 Waschke, Kath. 608 Waser, Otto 504 Wasianski , E. A. 366 Wassermann, August v. 576 Wattenbach, Wilhelm 93, 284, 559 Watzdorff, Bertha 514 Weber, Adolf 293 Weber, Ernst H. 644 Weber, Friedrich 355 Weber, Heinrich 140, 142, 144, 147, 334, 350, 547, 575, 587, 640*, 767 (P) Weber, Rudolf 640 Weber, Max 5, 17, 37, 103, 293 f., 434, 471, 484, 533, 604 Weber, Wilhelm 140

812

Personenregister

Websky, Fried. Martin 575 Wedekind, Frank 312, 386 Weech, Friedrich v. 88 Wegel, Marie 576 Wegener, Friedrich 294 Wegener, Hedwig 538 Weichel, Alfred 467 Weichselbaum, Anton 597 Weierstrass, Karl 145, 147, 150, 495, 526, 550, 585, 587, 598, 619, 628, 632 Weigel, Natalie 611 Weiland, Ludwig 93, 288 Weingart, Peter 7 Weinreich, Arthur 291 f. Weinschenk, Ernst 500 Weintraud, Wilhelm 506 Weise, Erich 396, 482 Weise, Martha 536 Weisfert, J. N. 541, 648 f. Weismann, August 269, 414 Weiß, Bernhard 29–32, 37–40, 43, 625 Weiß, Carl A. 640 Weiß, Ernst 154 Weiß, E. Chr. 594 Weiß, Otto 266, 277, 389 f., 395, 446, 451, 545, 575, 631, 640*, 748 (P) Weiße, C. H. 543 Weizmann, Chaim 642 Weizsäcker, Julius 33 Welcker, Friedrich Gottlieb 122, 306 Weller, August 315 Wellhausen, Julius 37, 42, 199, 201, 208, 212, 491, 601, 622 Wellhausen, Luise 579 Weltzien, K. 578 Wenck, Elisabeth 602 Wenck, Karl 6 Wenckebach, Karl Fr. 450 Wende, Erich 202, 467 Wendland, Paul 531, 556 Wenger, L. 562 Wenig, Otto 489 Wentscher (Med., Thorn) 58 Wentscher, Carl 640 Wentscher, Max 281 f., 320 f., 324, 350, 640 f.* Werder, Hans Nikolaus v. 25, 27, 363

Werminghoff, Albert 217, 280, 287 ff., 350, 402, 408, 507, 641*, 775 (P) Werminghoff, Karl 641 Wermke, Ernst 396 Werner, Anton v. 419 Werner, Artur 463 Werner, Friedrich 427 f. Werner, Hugo 175 Werner, Pia 604 Wernicke, Carl 258, 260, 505 f., 534, 575, 598 Wertheimer, Elise 553 Werther, August Friedrich 161, 164, 347, 535, 548 Wesener, Franz 343, 641* Wessely, Karl 266, 582, 615 Wessner, Paul 303 Westermaier, Josef 641 Westermaier, Maximilian 171, 641 f.*, 769 (P) Westphal, Auguste 611 Wettmann, Andrea 5 Weyl, Hermann 333, 463 Weyl, Johannes 642 Weyl, Richard 50 f., 220, 389, 400, 489, 614, 616, 642 Weyl, Richard jun. 642 Weyl, Theodor 341 Weyl, Ulrich 642 Weylandt, Agnes 562 White, Hayden 9 Wichert, Anna 127, 529 Wichert, Ernst 20, 24, 128, 356 f., 376, 385, 396, 529 Wichert, Theodor 94 f., 124, 138, 357 f., 360, 642* Wickhoff, Franz 106 Wiechert, Emil 144 f., 330, 642 f.*, 770 (P) Wiechert, Ernst 143, 312, 317, 324 f., 328 Wiechert, Johann 642 Wiedemann, Pauline 553 Wiederhold, Amalie 501 Wiedersheim, Robert 452 Wiesehöfer, J. 592 Wieser, Friedrich v. 105, 532, 562 Wietersheim, Eduard v. 516 Wilamowitz­Moellendorff,Ulrichv. 85, 115–119, 122 f., 305, 431, 458, 526, 531, 543, 560, 635 Wilcken, Ulrich 131, 301

Wilckens, Bertha 591 Wilder, Antonie 568 Wilke, Fritz 199, 201, 212, 643* Wilke, Heinrich 643 Wilhelm I. 45, 52, 76 f., 82, 91, 115, 138, 376, 379, 394 Wilhelm II. 48 f., 80, 94, 99, 109 f., 115, 129, 182, 189, 194 f., 207, 211 f., 214, 321, 371 ff., 405, 410, 433 f., 438, 441, 446, 478, 482 f., 499, 506, 564, 581 Wilhelm von Oranien 604 Wilhelm von Preußen 80, 220, 373 Wilbrand, Hermann 253 Wilde, Werner 259 f. Will, verh. Zöppritz 648 Will, Edmund 474 Will, Heinrich 648 Will, Mathilde 614 Willenbücher, Therese 637 Willet, Olaf 8 Willoweit, Dietmar 43 Wilmanns, August 18, 75 f., 102, 353–357, 531, 643* Wilmanns, Charlotte 531 Wilmanns, Karl A. 643 Wilson, Woodrow 433, 436, 478, 482 Winckel, Franz v. 632 Winckler, Hugo 131, 212 Windelband, Wilhelm 85, 323, 383, 533 f. Windheim, Fried. K. H. v. 643 Windheim, Ludwig v. 25 f., 160, 222, 226 f., 267, 299 f., 329, 383, 409, 530, 563, 643 f.*, 752 (P), 753 (P) Windheim, Marie v. 530, 644 Winkelmann, Eduard 92 f. Winkler, Maria 559 Winnig, August 26 Winter, Anna 635 Winter, Georg sen. 644 Winter, Georg 239 f., 246, 256, 277, 371 f., 381, 395, 435, 448, 499, 518, 541, 612, 644*, 646 f., 762 (P) Winterstein, H. 451 Wirth, Josef 604 Wirtinger, Wilhelm 502 Wisniewski, Joseph 445

Personenregister Wissowa, Georg 118, 301–304, 528, 591, 645 Witboi 384 Witt, Karl 20 Witte, Kurt 304, 307 Wittgenstein, Ludwig 451 Wittgenstein, Milly 451 Wittich, Wilhelm v. 55 f., 60 f., 64, 66, 70, 73, 491, 537, 545, 548, 571, 644* Wlassak, Moriz 525 Wobbermin, Georg 199, 208 Wölfflin, Heinrich 106, 560 Wogau, verh. Sokolowski 627 Wohltmann, Ferdinand 183 Woischwill, Martin 474, 644* Wolf, Julius 68 Wolff, Heinrich 419, 510 Wolff, Martin 224 Wolff, Stefan L. 9 Wolff, Ulrike 589 Wollenberg, Albrecht 644 Wollenberg, Ernst 27, 181, 644* Wollmer, Lisbeth 634 Wollschläger, Peter 447 Wolters, Paul 119 Woltmann, Ludwig 247, 402, 420 Wolzendorff, Gustav 644 Wolzendorff, Kurt 434 f., 446, 478, 482, 644 f.* Woyrsch, Remus v. 617 Wrede, Ludwig sen. 645 Wrede, Ludwig 645* Wrede, William 208 Wreschko, Alfred Ritter v. 217 Wreszinski, Joseph 645 Wreszinski, Peter 645 Wreszinski, Ruth 645 Wreszinski, Walter 280, 308 f., 478 ff., 645*, 776 (P) Wrobel, Monika 535 Wülker, Richard Paul 573 Wünsch, Karl 645 Wünsch, Richard 301 ff., 305 ff., 350, 393, 402, 458, 553, 592, 645 f.*, 775 (P) Würzburger, Marie 504 Wüst, Ewald 339 Wüst, Irmgard 339, 577 Wulff, Frieda 629 Wundt, Wilhelm 199, 206, 320, 322 f., 381, 383, 438, 565, 584 Wuttke, Heinrich 523

Wyneken, Alexander

421

Xenophon 120, 523, 610 f. Yorck von Wartenburg, Ludwig 370 f. Yorck von Wartenburg, Paul 213 Zabler, Louise 492 Zachariae, Eduard 646 Zachariae, Theodor 128, 646* Zacher, Julius 77, 353 Zaddach, Carl Fr. 646 Zaddach, Ernst Gustav 78, 92 f., 165 f., 170, 374, 545, 646* Zahn, Theodor v. 601 Zander, Franz 646 Zander, Hans 393, 646 Zander, Paul 393, 646 Zander, Richard 188, 268 f., 274, 387 f., 393, 452, 623, 631, 646*, 760 (P) Zangemeister, Annemarie 647 Zangemeister, Carl 355 f., 646 Zangemeister, Wilhelm 395, 646f.* Zarathustra 529 Zaruba, Amalie 559 Zechlin, Erich 470 Zeller, Anna 555 Zeller, Eduard 559 Zencker, Elisabeth 554 Zenneck, Johannes 331 Zeumer, Karl 219, 604, 609, 641 Ziegler, August 387 Ziegler, Theobald 383 Ziehen, Theodor 506 Ziekursch, Johannes 289 Zielstorff, Willy 430, 465, 535 Ziemssen, Hugo v. 64, 581 Ziesemer, Johannes 647 Ziesemer, Walther 137, 314f., 389, 394 ff., 459 f., 647*, 776 (P) Zimmer, Friedrich 37, 40, 187, 493, 515, 647*, 754 (P) Zimmer, Karl Fr. 647 Zimmermann, Arthur 421 Zimmermann, Maria 641 Zimmern, Heinrich 130 f., 189, 311, 623, 647 f.*, 770 (P) Zippel, Gustav 123 Zitelmann, Ernst 222, 417, 562 Zittel, Karl A. v. 339, 500, 600 Zobel, Albertine 552 Zöckler, Otto 34, 536

813

Zoepffel, Richard 34 Zöppritz, Heinrich 648 Zöppritz, Karl 115, 151 ff., 290, 350, 384, 530, 540, 648*, 768 (P) Zorn, Albert 392, 394, 649 Zorn, Johanna 498 Zorn, Johannes 648 Zorn, Konrad 649 Zorn, Philipp 27, 38 f., 41, 44, 47, 49–53, 62, 85, 93 f., 98 f., 106 ff., 173, 188, 192 ff., 213, 215, 217, 220, 223 ff., 235 ff., 239, 266, 389, 392, 394, 399, 492, 498, 518, 535, 552, 618, 648 f.*, 756 (P) Zscharnack, Leopold 622 Zschoche, Agnes 647 Zuckschwerdt, Julie 589 Zupitza, Julius 112 f., 599, 616, 621, 633 Zweifel, Paul 66 Zweig, Arnold 430 Zweig, Stefan 405