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German Pages 240 Year 2014
Claudia Telschow Die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung im Deutschen
Reihe Germanistische Linguistik
Herausgegeben von Mechthild Habermann und Heiko Hausendorf Wissenschaftlicher Beirat Karin Donhauser (Freiburg), Stephan Elspaß (Salzburg), Helmuth Feilke (Gießen), Jürg Fleischer (Marburg), Stephan Habscheid (Siegen), Rüdiger Harnisch (Passau)
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Claudia Telschow
Die Adjektiv-AdverbAbgrenzung im Deutschen Zu grundlegenden Problemen der Wortartenforschung
Reihe Germanistische Linguistik Begründet und fortgeführt von Helmut Henne, Horst Sitta und Herbert Ernst Wiegand
ISBN 978-3-11-034117-1 e-ISBN 978-3-11-034148-5 ISSN 0344-6778 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: CPI buch bücher.de GmbH, Birkach ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Für Paula
Vorwort Bei der vorliegenden Monographie handelt es sich um eine leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2012 / 2013 an der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig angenommen wurde. Gutachter waren die Professoren Günther Öhlschläger und Jochen Geilfuß-Wolfgang. Ihnen danke ich für die zügige Begutachtung der Arbeit sowie für die wertvollen Hinweise zur Überarbeitung und Drucklegung. Zur Entstehung dieses Buches haben eine ganze Reihe von Leuten beigetragen, denen die folgenden Zeilen gewidmet sind: Mein herzlichster Dank gilt Herrn Günther Öhlschläger, meinem Betreuer und Gutachter, dem es in besonderer Weise gelungen ist, das beständige Interesse an den „alten Wortarten“ weiterzugeben. Durch seine großzügige Unterstützung in fachlicher, aber auch in menschlicher Hinsicht hat er das Gelingen meines Promotionsprojektes maßgeblich gefördert. Dankbar bin ich darüber hinaus auch für die vielen Gespräche mit anderen Kolleginnen und Kollegen, durch die ich wichtige und konstruktive Impulse im Arbeitsprozess erhalten habe. Nicht genug zu würdigen ist zudem die vielfältige Unterstützung von Familie und Freunden, insbesondere die aufmunternden, verständnisvollen und manchmal auch pragmatischen Worte, die gerade in schwierigen Phasen hilfreich und wohltuend waren. Ein ganz spezieller Dank geht dabei an meinen Lebensgefährten Steffen Radun, ohne dessen Humor, Scharfsinn und Rückhalt dieses Promotionsprojekt ein weit weniger vergnügliches gewesen wäre. Den Herausgebern der Reihe Germanistische Linguistik danke ich für die unkomplizierte Aufnahme meiner Arbeit; den Mitarbeitern des Verlags für die freundliche Unterstützung im Planungsprozess. Nicht zuletzt verdient Thomas Klemm große Anerkennung, der für den Satz der Druckfassung verantwortlich war.
Leipzig, im März 2014
Claudia Telschow
Inhalt Einleitung
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7 Forschungsgeschichte 1.1 Methodische Vorbemerkungen 7 1.2 Position I 11 1.2.1 Kurzcharakteristik 11 1.2.2 16. bis 20. Jahrhundert 12 1.2.3 20. und 21. Jahrhundert 20 1.3 Position II 29 1.3.1 Kurzcharakteristik 29 1.3.2 17. bis 19. Jahrhundert 29 1.3.3 20. Jahrhundert 34 1.4 Position III 39 1.4.1 Kurzcharakteristik 39 1.4.2 19. Jahrhundert 40 1.5 Position IV 43 1.5.1 Kurzcharakteristik 43 1.5.2 20. und 21. Jahrhundert 43 1.6 Position V 50 1.6.1 Kurzcharakteristik 50 1.6.2 20. und 21. Jahrhundert 51 1.7 Zusammenfassung 66
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75 Lösungsvorschlag 2.1 Syntaktischer Klassifikationsansatz 76 2.1.1 Terminologische Vorbemerkungen 76 2.1.2 Definition der Klassifikationskriterien I–III 80 2.1.3 Konstitution der Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ 88 2.1.3.1 Kriterium I: Distribution 88 2.1.3.2 Kriterium II: Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale 100 2.1.3.3 Kriterium III: Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale 107 2.1.3.4 Analyseergebnisse 113 2.2 Wortarten im Sprachsystem 116 2.2.1 Vorbemerkungen 116 2.2.2. Lexikonmodell 118
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Inhalt
2.2.2.1 Theoretische Grundlagen 118 2.2.2.2 Modellbeschreibung 122 2.2.3 Lexikonmodell und Wortartenzuordnung 141 2.2.3.1 Wortarten in Grammatik und Lexikon 141 2.2.3.2 Wortarten und Wortartwechsel 150 2.2.3.3 Differenzierung in ‚Wortkategorien‘ und ‚Lexikalische Kategorien‘ 160 2.3 Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung 172 2.3.1 Vorbemerkungen 172 2.3.2 Ebenenspezifische Wortartenzuordnung 173 2.3.3 Konversionsregel 182 2.4 Zusammenfassung 188 3
191 Anbindung an den Forschungskontext 3.1 Theoretische Grundlagen 191 3.2 Umgang mit Problemfällen 194 3.2.1 Fallgruppe I: die rosa Blüten 194 3.2.2 Fallgruppe II: Die Frau ist schuld. 198 3.2.3 Fallgruppe III: der schrittweise Aufbau 204 3.2.4 Fallgruppe IV: der schnell zufriedene Mann 208 3.3 Zusammenfassung 214 Resümee und Ausblick Literatur
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Sachregister
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Einleitung Handelt es sich bei Wörtern wie schnell und schön im Deutschen tatsächlich um Adjektive? Vergleichsweise unstrittig mag diese Wortartenzuordnung sein, wenn man Strukturen wie der schnelle Mann oder ein schönes Haus betrachtet. Daneben gibt es jedoch weitere zentrale Verwendungsweisen, die weniger klar sind. So zeigt sich u. a. für schnell und schön auch eine deutliche Ähnlichkeit mit Wörtern wie dort und sofort, die typischerweise als Adverbien bezeichnet werden: Der Mann kommt schnell. // Der Mann kommt sofort. Der Mann ist schön. // Der Mann ist dort. Der Mann ist schnell zufrieden. // Der Mann ist sofort zufrieden. Gibt es also möglicherweise gute Gründe, Wörter wie schnell und schön nicht nur einer Wortart zuzurechnen, sondern sie je nach Verwendung im Satz als Adjektive oder als Adverbien zu klassifizieren? Was aber würde das genau bedeuten – gäbe es Wörter wie schnell und schön dann zweimal bzw. in welcher Beziehung stünden die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘? Auf der Suche nach Antworten auf die damit angesprochene Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung stößt man in der Forschungsliteratur zunächst auf zahlreiche divergierende Positionen und erhält damit bereits einen deutlichen Hinweis auf den mit dieser Thematik verbundenen Problemgehalt. Wie zu zeigen sein wird, führt eine genauere Betrachtung der verschiedenen Positionen zu der Erkenntnis, dass diese Frage bisher tatsächlich noch keine umfassend zufriedenstellende Beantwortung erfahren hat. Die Gründe dafür dürften vornehmlich darin zu suchen sein, dass in diesem Zusammenhang bestimmte grundlegende Aspekte der Wortartenklassifikation, die v. a. Zielstellung, Gegenstand und Methodik betreffen, von zentraler Bedeutung sind und die allgemeine Wortartenforschung genau in diesen Bereichen die größten Probleme bestehender Klassifikationen konstatiert.¹ Beispielsweise wird in der Überblicksdarstellung von Knobloch / Schaeder (2000: 675) angeführt, dass bei einem Großteil der Klassifikationen Unklarheiten bestehen im Hinblick auf die zu klassifizierenden Einheiten und / oder in Bezug auf den theoretischen Status der postulierten Kategorien.
1 Die Liste der Arbeiten, die sich mit Problemen der Wortartenforschung beschäftigen, ist sehr umfangreich, verwiesen sei hier nur exemplarisch auf zentrale Arbeiten von Plank 1984; Ivo / Schlieben-Lange 1989; Knobloch / Schaeder 2000 und Rauh 2000.
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Einleitung
Auch das dort benannte methodische Problem der Heterogenität der Klassifikationskriterien ist für die Mehrheit der Klassifikationssysteme einschlägig. Anhand der Adjektiv-Adverb-Problematik wird dieser allgemeine Befund symptomatisch widergespiegelt. Nun ist verschiedentlich aufgezeigt worden, dass diese problematische Forschungssituation insbesondere damit zu erklären ist, dass in der Wortartenforschung „vor allem die Ordnungsterminologie als solche, nicht so sehr die Verfahren […] samt den Begründungen“ (Plank 1984: 490) tradiert wurden und deshalb auch im 21. Jahrhundert überwiegend Bezug genommen wird auf Wortarten und Zuordnungen, die in der griechisch-römischen Antike v. a. von Dionysios Thrax geprägt wurden. In der vorliegenden Arbeit sollen nun bewusst grundlegende Fragen ausführlicher thematisiert werden. Angesichts der o. g. Problemursachen gilt es dabei, die bisher tradierten (Wortarten-)Zuordnungen für Wörter wie schnell und schön, aber auch für Wörter wie sofort und dort einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und in erster Linie die Wörter an sich, das „sprachliche Rohmaterial“, wie Plank (1984: 490) es nennt, wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Das Besondere an Wörtern wie schnell und schön besteht darin, dass bestimmte Veränderungen in der deutschsprachigen Forschung spätestens seit dem 18. Jahrhundert zu Unsicherheiten in der Kategorisierung geführt haben und nachfolgend zu zahlreichen divergierenden Ansichten, was die Abgrenzung zwischen den dabei relevanten Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ betrifft. Auf der Ebene der Terminologie ist in diesem Zusammenhang v. a. darauf zu verweisen, dass die Wortart ‚Adjektiv‘ erst im Laufe des 18. Jahrhunderts als eine eigenständige Kategorie etabliert wurde und damit – im Gegensatz zum griechischen Vorbild – die Notwendigkeit entstand, Adjektive und Adverbien gegeneinander abzugrenzen.² Andererseits gewinnt die Abgrenzungsfrage für das Deutsche aufgrund sprachhistorischer Entwicklungen an Brisanz. Neben Veränderungen im Flexionsverhalten der Adjektive, die im Neuhochdeutschen i. d. R. nur noch innerhalb von Determiniererphrasen (= DP) flektieren, entfällt für einen Großteil der sog. deadjektivischen Adverbien die ursprünglich morphologische Kennzeichnung, die in älteren Sprachstufen noch systematisch erkennbar war, und zwar in aller Regel durch Suffigierung auf /-o/ im Althochdeutschen bzw. auf /-ə/ im
2 In der Systematik nach Thrax bildet das ‚Adjektiv‘ keine gesonderte Kategorie. Betreffende Wörter wurden v. a. zu den ‚Nomina‘ gezählt. Die Zusammenfassung von Wörtern zu dieser Kategorie beruhte auf dem Vorhandensein gleichlautender Kasusendungen (vgl. genauer dazu u. a. Schmid 2001: 181).
Einleitung
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Mittel- und Frühneuhochdeutschen (vgl. z. B. snell-o > snell-e > schnell).³ Dadurch kommt es im Neuhochdeutschen zu einem systematischen formalen Zusammenfall von Einheiten wie snel und snello, die ursprünglich als unterschiedliche Wörter betrachtet und verschiedenen Wortarten zugeordnet wurden. Vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten wird einmal mehr deutlich, dass die Frage der Wortartenzuordnung bzw. die Frage der Unterscheidbarkeit zwischen den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ für das Neuhochdeutsche unweigerlich gestellt werden muss. Die Notwendigkeit, innerhalb von Gesamtsystematiken entsprechende Antworten zu finden, hat – wie bereits erwähnt – in der Wortartenliteratur zur Herausbildung zahlreicher divergierender Positionen geführt, allerdings zumeist ohne die erforderliche Thematisierung grundlegender Aspekte der Wortartenforschung. Bei der folgenden Beschäftigung mit der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung im Deutschen soll der Fokus aber genau darauf liegen, um eine konstruktive Auseinandersetzung mit den o. g. Kritikpunkten der allgemeinen Wortartenforschung zu ermöglichen. Die Ziele der vorliegenden Arbeit lassen sich deshalb folgendermaßen formulieren: Es soll der Versuch unternommen werden, auf die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung eine wissenschaftstheoretisch konsistente Antwort zu geben, indem – ausgehend von prototypischen Vertretern wie schnell und sofort und unter Berücksichtigung und Präzisierung der notwendigen theoretischen Grundlagen – entsprechende Definitionen für die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ erarbeitet werden. Zugleich ist es das Ziel, in diesem Zusammenhang die oben angesprochene Beziehung zwischen den beiden Wortarten genauer zu erläutern. Mit der Präsentation eines Lösungsvorschlags für die Adjektiv-AdverbProblematik wird letztlich auch angestrebt, einen Beitrag zur allgemeinen Wortartenforschung zu leisten. Um diese Zielsetzungen zu erreichen, erscheint es sinnvoll, an die Thematik auf die o. g. Weise heranzutreten, d. h. unter besonderer Berücksichtigung theoretischer Aspekte eine genauere Untersuchung bisheriger Ansätze vorzunehmen und grundsätzlich die Wörter an sich und ihre Eigenschaften in den Mittelpunkt zu stellen. Vom Aufbau her erwächst daraus eine Gliederung der Arbeit in drei große Teile: In einem ersten, forschungsgeschichtlichen Kapitel erfolgt die Auseinandersetzung mit bisherigen Positionen zur Adjektiv-Adverb-Problematik. Ausgehend von prototypischen Adjektiven wie schnell bzw. schön und prototypischen Adverbien wie sofort wird es primär darum gehen, die verschiedenen
3 In anderen europäischen Sprachen werden deadjektivische Adverbien bis in die Gegenwart auf diese deutlich sichtbare Weise markiert (vgl. u. a. für das Englische die Suffigierung mit /-li/ bzw. im Französischen mit /-mã/).
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Einleitung
Zuordnungsentscheidungen im Hinblick auf ihre Begründbarkeit zu analysieren und Anknüpfungspunkte für die eigene Untersuchung zu ermitteln. Gegenstand des zweiten Kapitels wird dann die Darstellung eines eigenen Lösungsvorschlags zur Adjektiv-Adverb-Problematik sein. Zunächst gilt es dabei, die beiden Wortarten zu definieren. Auch hier werden prototypische Vertreter als Ausgangspunkt der Untersuchung dienen. Darüber hinaus bilden die aus dem ersten Kapitel hervorgegangenen Erkenntnisse zur theoretischen Fundierung eine wichtige Voraussetzung für die Konstituierung des eigenen Ansatzes. Auf eine Verortung des Lösungsvorschlags in einem spezifischen theoretischen Rahmen wird jedoch bewusst verzichtet. Dies ist in erster Linie damit zu begründen, dass die Wortartenthematik zu den Kerngebieten der Linguistik gehört, die theorieübergreifend von besonderer Bedeutung ist. Der hier präsentierte Vorschlag soll daher möglichst theorieneutral formuliert werden, nicht zuletzt um möglichst allgemein zugänglich zu sein.⁴ Präsentiert wird ein homogen-syntaktischer Klassifikationsansatz, bei dem drei ausschließlich syntaktisch basierte Kriterien zum Einsatz kommen und eine stringent begründete Zuordnung für Wörter wie schnell, schön und sofort ermöglichen sollen. Die dabei getroffene Entscheidung, für Wörter wie schnell und schön tatsächlich in Abhängigkeit von der Verwendungsweise eine Zuordnung zur Wortart ‚Adjektiv‘ oder ‚Adverb‘ vorzunehmen, führt zu der bereits o. g. Frage nach der Beziehung zwischen den beiden Wortarten. Im Sinne einer adäquaten Beantwortung ist v. a. zu berücksichtigen, dass Wortarten an der Schnittstelle von Grammatik und Lexikon anzusiedeln sind und die daraus abgeleitete Konsequenz neuerer Publikationen, zwischen Wortarten auf syntaktischer und lexikalischer Ebene zu unterscheiden (vgl. u. a. Meibauer 2 2007; Duden 4 82009), als wesentlich einzuschätzen ist. Aus diesem Grund erfolgt im Anschluss an die Erarbeitung der Wortartendefinitionen eine Betrachtung der Wortartenthematik im Gesamtzusammenhang des Sprachsystems. Von Bedeutung wird dabei v. a. die Darstellung eines spezifischen Lexikonmodells sein, denn erst dadurch wird u. a. eine konkrete Verortung der Zuordnungsebenen ermöglicht. Durch Vernetzung von Erkenntnissen aus der Wortarten-, Lexikon- und Wortbildungsforschung soll dann ein Konzept der Wortartenzuordnung (weiter-)entwickelt werden, mithilfe dessen nicht nur eine eindeutige und begründete Wortartenzuordnung zu erreichen ist, sondern zugleich auch eine Klärung der fraglichen Beziehung zwischen Adjektiven und Adverbien.
4 Bestimmte grammatiktheoretische Vorentscheidungen sind jedoch notwendig, so werden in Kapitel 2 v. a. prototypentheoretische Vorstellungen zugrunde gelegt sowie ein allgemein generatives Herangehen.
Einleitung
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Schließlich dient das dritte und letzte Kapitel der Arbeit dazu, die ersten beiden Kapitel der Arbeit zusammenzuführen. So wird der erarbeitete Lösungsvorschlag einer abschließenden Betrachtung unterzogen, mit dem Ziel, diesen in den Forschungskontext entsprechend einzuordnen. Im Besonderen gilt es dabei, die Vorteile des neu erarbeiteten Ansatzes durch eine vergleichende Gegenüberstellung mit bisherigen Ansätzen herauszustellen.
1 Forschungsgeschichte Im vorliegenden Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit den in der Wortartenliteratur vertretenen Kategorisierungsmöglichkeiten für Wörter wie schnell, schön und sofort.¹ Im Fokus steht dabei die Frage, wie man in bisherigen Publikationen zwischen den traditionellerweise als ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ bezeichneten Wortarten unterscheiden kann. Einerseits ist das Ziel der Darstellung dabei von wissenschaftsgeschichtlicher Art, d. h. es sollen diesbezüglich erkennbare Forschungslinien herausgearbeitet und analysiert werden.² Andererseits dienen insbesondere die zusammenfassenden Bemerkungen in Kapitel 1.7 dazu, den Problemgehalt der Adjektiv-Adverb-Frage vor dem Hintergrund der allgemeinen Wortartenforschung zu verdeutlichen und – in Vorbereitung auf den im Anschluss darzustellenden eigenen Lösungsvorschlag – gewinnbringende Ansatzpunkte bisheriger Veröffentlichungen aufzuzeigen.
1.1 Methodische Vorbemerkungen Bevor auf die einzelnen Forschungspositionen eingegangen wird, erscheint es notwendig, einige grundlegende Überlegungen zu der in Kapitel 1 gewählten Darstellungsweise und Terminologie voranzustellen. Bereits im Rahmen der Einleitung wurde aufgezeigt, dass die Adjektiv-Adverb-Thematik von zahlreichen divergierenden Positionen geprägt ist. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert haben sich speziell zur Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung unterschiedliche Ansichten herausgebildet, die mehrheitlich bis in die Gegenwart Bestand haben. Sowohl die Ausprägung der verschiedenartigen Positionen als auch die differierenden Herangehensweisen innerhalb einzelner Positionen haben ihre Ursache in den verschiedenen Entstehungszusammenhängen. So kommt es entscheidend darauf an, zu welchem Zeitpunkt und in welchen wissenschaftstheoretischen Kontexten die Arbeiten entstanden sind, da damit die Möglichkeiten und Grenzen der Auf-
1 Angesichts der Tatsache, dass unterschiedlichste Publikationen zu berücksichtigen sind, soll der im Folgenden häufig zu verwendende Begriff ‚Wort‘ zunächst in einem allgemeinen, unspezifischen Sinne verwendet werden. Eine differenziertere Auseinandersetzung und Spezifizierung des Wortbegriffs erfolgt im Zusammenhang mit der Darstellung des eigenen Lösungsvorschlags in Kapitel 2.1. 2 Vgl. dazu die Kapitel 1.2–1.6. Diese Art der Aufarbeitung unterschiedlicher Forschungsstränge in der Adjektiv-Adverb-Frage ist in dieser Form m. E. noch nicht geleistet worden. Zu nennen wären allenfalls Härd 1976 und Forsgren 2008, die jedoch primär zentrale Autoren in chronologischer Abfolge betrachten und weniger die Entwicklung der Forschungslinien aufzeigen.
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Forschungsgeschichte
fassungen abgesteckt werden. Besonders zentral erscheinen dabei die grammatiktheoretischen Vorentscheidungen. Ein Beispiel aus dem Bereich der Wortartkriterien mag dies verdeutlichen: Inwiefern beispielsweise syntaktische Kriterien für die Unterscheidung der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ eine Rolle spielen können, hängt sowohl vom Stand der Grammatiktheorie insgesamt als auch von den (grammatiktheoretischen) Vorentscheidungen eines jeden Autors ab. So waren die Möglichkeiten einer syntaktisch motivierten Unterscheidung insbesondere in den Anfängen der deutschen Grammatik sehr begrenzt. Erst mit der einsetzenden Differenzierung zwischen Form und Funktion im 19. Jahrhundert und den Erkenntnissen des Strukturalismus im 20. Jahrhundert änderten sich die theoretischen Voraussetzungen für syntaktisch bedingte Argumentationen in Bezug auf derartige Wortartenfragen.³ Trotz dieser grammatiktheoretischen Entwicklungen finden sich bis in die Gegenwart zahlreiche Arbeiten, die syntaktische Kriterien bei der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung kaum einbeziehen. Dafür dürften insbesondere Faktoren wie die Verortung der Arbeiten in bestimmten theoretischen Rahmen bzw. wissenschaftlichen Traditionslinien, das Verfolgen spezifischer Zielstellungen, aber auch die mutmaßliche „Unübersichtlichkeit“ des zentralen syntaktischen Kriteriums ‚Distribution‘ verantwortlich sein. Für die vorliegende Darstellung besteht die Schwierigkeit nun darin, dass sowohl die Entstehungshintergründe für die einzelnen Arbeiten zu verdeutlichen sind als auch Spektrum und Inhalte der unterschiedlichen Positionen. Beide Aspekte eignen sich prinzipiell als zentrale Gliederungskriterien. Da der Fokus des vorliegenden Kapitels besonders auf den Entwicklungen und Kontinuitäten der einzelnen Positionen liegen soll, wird primär nach Positionen gegliedert. Angesichts der Tatsache, dass in den Arbeiten jedoch nicht immer explizit Erläuterungen zur Abgrenzungsentscheidung gegeben werden, erfolgt die Zusammenfassung verschiedener Arbeiten zu einer bestimmten Position auf der Basis zentraler Beispiele, d. h. entscheidend ist der Umgang der Autoren mit den für die Abgrenzung relevanten Wörtern wie schnell, schön und sofort. Insgesamt lassen sich auf diese Weise fünf verschiedene Forschungsmeinungen zur Abgrenzung von ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ identifizieren.⁴ Diese vordergründige Gliederung
3 Mit Erkenntnissen des Strukturalismus sind hier v. a. die Erkenntnisse des amerikanischen Strukturalismus gemeint und dabei insbesondere die Arbeiten von Fries 1952 und Gleason 1965 (vgl. dazu u. a. Rauh 2001: 26). 4 Zu diesem Ergebnis kommt auch Härd (vgl. Härd 1976: 59). Anders Vonhoegen, die von mindestens sechs Positionen ausgeht, jedoch letztlich nur sechs aufführt und dabei Härd 1976 als gesonderte Position nennt (vgl. Vonhoegen 1994: 51). M. E. deutet Härd 1976 einen eigenen Lösungsansatz nur an, welcher zugleich einer der fünf angesetzten Positionen, und zwar der in Kapitel 1.6 betrachteten Position V, zugeordnet werden kann.
Methodische Vorbemerkungen
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nach Positionen berücksichtigt in der weiteren Untergliederung zugleich aber auch die jeweiligen Entstehungshintergründe der Arbeiten. So werden in der Darstellung die Positionen I–V einerseits in der Reihenfolge ihres Entstehens angeordnet, andererseits intern in chronologischer Form nachgezeichnet, indem die jeweiligen Vertreter in zwei große Zeitabschnitte eingeordnet sind. Sinnvoll erscheint letzteres vornehmlich in Anbetracht grundlegender Veränderungen in der Grammatiktheorie. Zum einen werden diejenigen Arbeiten zusammenfassend betrachtet, die vom 17. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts publiziert wurden, und zum anderen jene, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind, einem Zeitpunkt, in dem auch im deutschsprachigen Raum die Auswirkungen der sog. modernen Linguistik spürbar wurden.⁵ Neben diesen Fragen zur allgemeinen Gliederung des forschungsgeschichtlichen Kapitels gilt es zudem, die Kriterien für die inhaltliche Analyse festzulegen und zu begründen. Grundlage für die Untersuchung aller fünf Forschungsstränge sollen Kriterien bilden, die potenziell zur Definition und Abgrenzung der Wortarten eingesetzt werden. Es handelt sich hierbei vorrangig um Kriterien semantischer, morphologischer und syntaktischer Art, die im vorliegenden Kapitel folgendermaßen verstanden werden: Mit semantischen Kriterien sollen sowohl diejenigen Merkmale erfasst werden, die sich auf die lexikalisch-denotative Bedeutung der Wörter beziehen, als auch die semantisch-logischen Merkmale, die auf die Funktion in logischen Urteilen abheben.⁶ Morphologische Kriterien hingegen betreffen die Bildung verschiedener Wortformen, d. h. die Flexion einschließlich der Komparation. Schließlich sollen als syntaktische Kriterien solche gelten, die auf die Position, Distribution, syntaktische Funktion, Substitution oder Kombinationsfähigkeit der Wörter Bezug nehmen. Von diesen drei Wortartkriterien getrennt werden solche Merkmale besprochen, die diesen nicht eindeutig zugeordnet werden können oder als eigenständige Kriterien gelten können.⁷ Der Vergleich der verschiedenen Arbeiten und Positionen mithilfe der o. g. Kriterien und Beschreibungskategorien ist nicht unproblematisch, da mit einer Begrifflichkeit gearbeitet werden muss, die zum Entstehungszeitpunkt bestimmter Arbeiten noch inexistent war. Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, dass das Streben nach einer klaren Trennung und Definition der Kriterien über-
5 Vgl. genauer dazu u. a. Öhlschläger 2001. 6 Damit wird einer in der Forschung vertretenen Auffassung gefolgt, die logische Kriterien zu den semantischen zählt (vgl. u. a. Knobloch / Schaeder 2000: 679). 7 Den genannten Kriterienarten häufig nicht eindeutig zuzuordnen ist beispielsweise das relationale Merkmal ‚Bezug‘, das zahlreiche Darstellungen nutzen, um Adjektive und Adverbien zu charakterisieren (eine Extrastellung dieses Merkmals findet sich u. a. auch bei Rauh, vgl. 2001: 24). Als eigenständige Kriterien werden z. B. etymologische Kriterien betrachtet.
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Forschungsgeschichte
haupt erst zum Ende des 19. Jahrhunderts einsetzt. Es kann daher besonders in zuvor erschienenen Arbeiten vorkommen, dass die Kriterien eng miteinander verwoben und oftmals nicht leicht dem in diesem Kapitel angesetzten Kriterienkatalog zuzuordnen sind. Darüber hinaus variieren u. U. in den einzelnen Arbeiten Verständnis und Bewertung der Beschreibungskriterien. Dieser Problematik eingedenk scheint es dennoch unumgänglich, diese – in der Wortartenforschung übliche – Vergleichsgrundlage zu verwenden, denn auf diese Weise können z. T. die Ursachen für unterschiedliche Positionen herausgestellt und Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Abgrenzungsbegründung besonders plastisch herausgearbeitet werden. Gemäß der soeben ausgeführten methodischen Vorentscheidungen weisen die Kapitel 1.2–1.6 folgende Gliederung auf: Einer kurzen Charakterisierung der jeweiligen Position schließt sich eine Analyse exemplarisch ausgewählter Arbeiten an. Neben Aufsätzen, die sich speziell mit dem Problem der AdjektivAdverb-Abgrenzung auseinandersetzen, stehen v. a. Grammatiken unterschiedlicher Prägung und wissenschaftliche Einführungsliteratur im Fokus.⁸ Vorrangiges Ziel der Analyse ist es, den Zusammenhang zwischen Wortartendefinition und Abgrenzungsentscheidung zu beleuchten, denn idealiter sollte aus der Wortartendefinition die Abgrenzung zu anderen Wortarten resultieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Definition von Wortarten nicht automatisch übereinstimmt mit deren Beschreibung. Beispielsweise werden Wortarten in der Grammatik von Helbig / Buscha grundsätzlich auf der Basis syntaktischer Kriterien definiert (vgl. Helbig / Buscha 2001: 19). Darüber hinaus erfolgt aber auch eine Beschreibung morphologischer und / oder semantischer Eigenschaften, ohne dass diesen wortartkonstitutiver Charakter zugeschrieben wird (vgl. ebd.). Eine derartige Differenzierung zwischen konstitutiven und beschreibenden Merkmalen ist in der Literatur allerdings nicht durchgängig anzutreffen. Im Gegenteil – häufig lassen sich Wortartendefinition und Wortartenbeschreibung in den untersuchten Darstellungen gerade nicht klar voneinander abgrenzen. Deshalb erfolgt in der vorliegenden Darstellung jeweils eine knappe Zusammenfassung der gesamten Wortartenbeschreibungen mithilfe der zugrunde gelegten Kriterien und Beschreibungskategorien (jeweils in der o. g. Reihenfolge Semantik >
8 Es erfolgt demnach eine zusammenfassende Betrachtung von Arbeiten mit unterschiedlichem Anspruch (schulgrammatisch, hochschuldidaktisch und / oder grammatiktheoretisch). Damit wird bewusst ein einheitlicher Wortartenbegriff zugrunde gelegt. Hintergrund dafür ist der Ansatz, demzufolge schulgrammatisch oder hochschuldidaktisch konzipierte Texte mehr Vereinfachungen aufweisen können bzw. sollten als rein wissenschaftliche Texte, alle Publikationen jedoch auf einem theoretisch konsistenten Wortartenbegriff basieren sollten.
Position I
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Morphologie > Syntax > Weiteres). Die sich daran anschließende Betrachtung der Abgrenzungsentscheidung sowie der entsprechenden Argumentationsgänge dient dann dazu, einerseits auf Schwierigkeiten insbesondere in der Anwendung des jeweiligen Ansatzes hinzuweisen, andererseits konstruktive Anknüpfungspunkte für die Erarbeitung eines eigenen Lösungsansatzes herauszustellen.
1.2 Position I 1.2.1 Kurzcharakteristik Als erste große Forschungslinie lässt sich eine Position benennen, die seit den Anfängen der deutschen Wortartenforschung vertreten wird. Entsprechend zeigt diese Position ein relativ großes Spektrum an Darstellungsweisen und Begründungszusammenhängen. Kennzeichnend für diese Art der Adjektiv-AdverbAbgrenzung ist die folgende grundlegende Fallunterscheidung: Für Wörter wie schnell oder schön wird in Verwendungen wie in (1)–(2) von Adjektiven ausgegangen, während man in (3) Adverbien annimmt. Zur Klasse ‚Adverb‘ werden darüber hinaus auch Wörter wie sofort in (4) gezählt. (1) (2) (3) (4)
Der schnelle Mann kommt. // Sie beobachtet den schönen Vogel. Der Mann ist schnell. // Der Vogel ist schön. Der Mann kommt schnell. // Der Vogel singt schön. Der Mann kommt sofort.
Diese Art der Kategorisierung steht im Einklang mit Einteilungen in der lateinischen Grammatik und findet sich seit den Anfängen der deutschen Grammatikschreibung (vgl. u. a. Ölinger 1574; Claius 1578; Kromayer 1618; Aichinger 1754). Sie wird bis in die gegenwärtige Forschung vertreten (vgl. u. a. Helbig 1977; Helbig 1984; Helbig / Buscha 2001; Schmid 2001; Grewendorf et al. 132003; Clément 2005; Meibauer et al. 22007), dominierte in Theorie und Praxis jedoch vorrangig im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert (vgl. u. a. Becker 1836 / 37; Heyse 51838 / 49; Becker 1848; Blatz 31895 / 96; Grimm 21898; Paul 1919; Behaghel 1923 / 24).⁹
9 So auch Naumann, der zumindest angibt, dass sich diese Auffassung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgesetzt hat (vgl. Naumann 1986: 167). Allerdings fand die These, dass diese Auffassung auch gegenwärtig in Grammatiken dominiert (vgl. so u. a. Motsch 22004: 159), im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine Bestätigung.
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Forschungsgeschichte
1.2.2 16. bis 20. Jahrhundert In diesem Abschnitt sollen die unter 1.2.1 genannten Arbeiten analysiert werden, die im Zeitraum vom 16. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts erschienen sind. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Grammatiken, da diese für den Zeitraum das zentrale Medium der Sprachforschung bzw. -lehre darstellen. Das Spektrum der ausgewählten Darstellungen reicht von den ältesten Grammatiken des Deutschen bis zu den historischen und pädagogischen Grammatiken des 19. / 20. Jahrhunderts. Angesichts des vergleichsweise geringen Maßes an Erläuterungen in den ältesten Grammatiken wird der Fokus der Darstellung jedoch primär auf Arbeiten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts liegen. In der Analyse der Wortartenbeschreibungen zeigt sich, dass die Semantik i. d. R. von zentraler Bedeutung ist. Nicht immer referieren die Grammatiken auf die lexikalisch-denotative Bedeutung (vgl. u. a. Behaghel 1923). Wenn jedoch diesbezügliche Angaben gemacht werden, bezeichnet man Adjektive meist als ‚Beiwörter‘, die vorzugsweise dem Ausdruck von Eigenschaften bzw. Beschaffenheiten von Gegenständen dienen (vgl. Heyse 51838: 556), oder als ‚Merkmalswörter‘, die das Substantiv näher bestimmen (vgl. Blatz 31895: 351). Adverbien sind zumeist als ‚Umstandswörter‘ benannt, die einen Vorgang oder Zustand hinsichtlich der Art und Weise, der Zeit, des Ortes, des Grundes charakterisieren (vgl. u. a. Blatz 31895: 580) oder als ‚selbstständige Bestimmwörter‘, die die Art und Weise eines Tuns bzw. einer Eigenschaft ausdrücken (vgl. u. a. Heyse 51838: 559). Besonders die Arbeiten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts verwenden darüber hinaus zur Charakterisierung von Wortarten häufig eine semantischlogische Begrifflichkeit, die in diesem Zeitraum v. a. mit der beginnenden Entwicklung der deutschen Satzgliedlehre Verbreitung erfährt (vgl. so u. a. Heyse 5 1838 / 48; Becker 61848; Grimm 21898).¹⁰ Relevant für die Adjektiv-AdverbProblematik sind v. a. der vom Prädikatsbegriff abgeleitete Terminus ‚prädikativ‘,
10 Meist wird K. F. Becker als Begründer der deutschen Satzgliedlehre angeführt (vgl. ausführlich dazu Glinz 1947, relativierend Forsgren 1992). Die Satzgliedlehre hat ihren Ursprung in der Logik, sodass sie im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert primär logisch-semantisch geprägt ist. Beckers Klassifizierung stellt demnach eine semantisch-logische dar. Dies wird u. a. deutlich anhand des Attributbegriffs, der in logisch-philosophischer Tradition benutzt wird (vgl. u. a. Becker 1836: 22). Wenngleich insbesondere in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erste Ansätze zur Formalisierung festzustellen sind, etablieren sich derartig syntaktisch geprägte Operationalisierungen der Satzgliedlehre erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Hier zeigt sich beispielhaft die enge Verknüpfung semantischer und syntaktischer Kriterien. Da die Terminologie bis zum 20. Jahrhundert primär semantisch geprägt zu sein scheint, werden die entsprechenden Angaben der Arbeiten, soweit nicht anders vermerkt, im Bereich der semantischen Kriterien aufgeführt.
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der seit dem 19. Jahrhundert zunehmend stärker formal definiert wurde als ‚der dem finiten Verb folgende Prädikatsteil‘ (in- oder exklusive Infinitiv) sowie der in der Scholastik geprägte Terminus ‚Attribut‘, zu verstehen als ‚das wesentliche Merkmal‘.¹¹ Man unterscheidet auf dieser Grundlage meist zwischen attributiven (vgl. (5)) und prädikativen (vgl. (6)) Adjektiven. Während letztere verstanden werden als vom Substantiv unabhängige Wörter, die diesem erst als Urteil zugeordnet werden, beschreibt man attributive Adjektive als dem Substantiv „einverleibte“ Einheiten, d. h. attributives Adjektiv und Substantiv bilden gemeinsam einen Begriff (vgl. u. a. Heyse 51838: 557). Außerdem heben einige Darstellungen hervor, dass Adjektive auch in einer Art Zwischenposition auftreten können (vgl. u. a. (7)), als neben der „mit dem Prädikate verbundene[n] Thätigkeit“ (Becker 6 1848: 309), als „prädikativer Zusatz“ (Heyse 51849: 400) bzw. als „prädikatives Attribut“ (Paul 1919: 95). (5) (6) (7)
Der schnelle Mann kommt. Der Mann ist schnell. Mein Freund liegt krank. (Heyse 51849: 400)
In Bezug auf die Wortart ‚Adverb‘ verwenden nur einige Grammatiken die o. g. Terminologie, ohne sie jedoch für die weitere Beschreibung der Wortart einzusetzen. Heyse spricht u. a. von Bestimmwörtern des Prädikats (vgl. Heyse 51838: 795), Grimm bezeichnet Adverbien als Teile des Prädikats (vgl. Grimm 21898: 1107) und Becker differenziert die Klasse der Adverbien in drei Gruppen: in (a) prädikative Adverbien (Die Arbeit ist vergebens.; Becker 1837: 15), (b) attributive Adverbien bei Substantiven (Gott allein; Becker 61848: 255) und (c) Adverbien der Art und Weise, die er als „Attribute der Tätigkeit“ bezeichnet (Er steht mir treulich bei.; Becker 1836: 22). Neben den genannten semantischen bzw. semantisch-logischen Merkmalen finden in den Arbeiten vornehmlich morphologische Eigenschaften Erwähnung. Es zeigt sich, dass diesbezügliche Merkmale insgesamt über einen hohen Stellenwert in den Wortartenbeschreibungen verfügen. Relevant ist dies v. a. für die Klasse der Adjektive. In Abhängigkeit von der Terminologie der jeweiligen Grammatik differieren die Angaben zur Verteilung der Adjektivflexion. Meist wird jedoch unterschieden zwischen attributiven Adjektiven, die i. d. R. flektiert werden, und prädikativen Adjektiven, die i. d. R. unflektiert erscheinen
11 Vgl. ausführlich zum Attributbegriff Glinz 1947; zur Geschichte des Prädikativbegriffs Kaufmann 1967.
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(vgl. u. a. Heyse 51838; Becker 61848; Grimm 21898).¹² Dass prädikative Adjektive unflektiert auftreten, wird beispielsweise bei Heyse mit der – im Vergleich zum attributiven Adjektiv – größeren Unabhängigkeit des prädikativen Adjektivs vom Substantiv erklärt (vgl. Heyse 51838: 557). Verwendungen mit abweichendem Flexionsverhalten wie in (8) werden meist als poetisch, idiomatisiert oder veraltet beschrieben. (8)
gut Ding will Weile haben // zart Gedicht (Behaghel 1923: 180)
In einigen Arbeiten findet außerdem das Flexionsverhalten beim Auftreten mehrerer attributiver Adjektive Erwähnung. Die Beobachtung, dass ersteres Adjektiv unflektiert sein kann, führt zu Unsicherheiten bei der Wortartenzuordnung. Blatz bringt als zusätzliches Unterscheidungskriterium deshalb die Betonungsverhältnisse zum Einsatz (vgl. Blatz 31896: 201). So liegt seiner Meinung nach ein Adjektiv vor, wenn die betreffenden Wörter gleichmäßig betont werden (z. B. mondlos in (9)), ein Adverb hingegen, wenn die unflektierte Form überwiegend betont wird (z. B. schwer in (10)). Behaghel verwendet dieses Kriterium nicht, er geht vielmehr davon aus, dass diese unflektierten Wörter im Neuhochdeutschen zu Adverbien geworden sind (vgl. u. a. (11)). (9) (10) (11)
in móndlos stíllen Nächten (A) (Blatz 31896: 201) eine schwér verständliche Sache (Adv) (Blatz 31896: 201) mit langsam trägem Schritt (Adv) (Behaghel 1923: 211)
Als weiteres morphologisches Merkmal des Adjektivs gilt die allgemeine Komparationsfähigkeit. Einschränkungen bei der Komparation werden auf die Semantik zurückgeführt (vgl. u. a. Heyse 51838: 580). Auch ein Teil der Adverbien (insbesondere von Adjektiven abgeleitete Adverbien) wird als komparationsfähig charakterisiert, wobei z. T. darauf hingewiesen wird, dass sich der Superlativ von dem der Adjektive meist unterscheidet (vgl. (12)). Diese Aussage lässt sich nur vor dem Hintergrund verstehen, dass Superlativbildungen wie in (13) bei Adjektiven als fehlerhaft bezeichnet werden (vgl. Heyse 51838: 581). Abgesehen
12 Von dieser Terminologie weichen besonders die ältesten Grammatiken ab. Den sog. attributiven Adjektiven entsprechen dort meist zwei Gruppen: Adjektive mit vorangehendem definitem Artikel und solche mit indefinitem Artikel (vgl. u. a. Claius 1578: 21). Den sog. prädikativen Adjektiven entspricht die Gruppe der absoluten Adjektive (vgl. ebd.). Anders auch z. B. Aichinger, der die Terminologie ‚attributiv‘ vs. ‚prädikativ‘ nicht verwendet. Er gibt an, dass Adjektive flektiert werden und bezeichnet als Ausnahme die unveränderten Adjektive „an Stelle des praedicati“ (Aichinger 1754: 193).
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von diesen wenigen Anmerkungen zum morphologischen Verhalten der Adverbklasse, erfolgen keine weiteren Ausführungen. Blatz u. a. stellen lediglich fest, dass sich Adverbien der morphologischen Beschreibung entziehen, da sie generell indeklinabel sind (vgl. u. a. Blatz 31895: 581). (12) (13)
Er schreibt am schönsten. (Heyse 51838: 581) Er ist am besten. (Heyse 51838: 581)
Im Gegensatz zu den o. g. semantischen und morphologischen Kriterien lässt sich der Einsatz syntaktischer Kriterien zur Wortartenbeschreibung in den Abhandlungen nur ansatzweise feststellen. Insgesamt beschränkt man sich eher darauf, das Verwendungsspektrum durch vielfältige Beispiele zu veranschaulichen. In einigen Grammatiken werden teilweise Angaben gemacht zu typischen Positionen im Satz (vgl. u. a. Aichinger 1754; Heyse 51838), zu besonderen Verwendungen (z. B. Substantivierungen, vgl. u. a. Behaghel 1923: 152) oder zu wortartspezifischen Ergänzungsmöglichkeiten (vgl. Behaghel 1923: 149 f.). Mit der aufkommenden Satzgliedlehre im 19. Jahrhundert und der daraus entstehenden Möglichkeit zur Trennung von Form und Funktion sind besonders ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts terminologische Modifizierungen zu verzeichnen. Zunehmend finden dann ursprünglich semantisch-logische Termini als syntaktisch-formalisierte Begriffe Eingang in Wortartendefinitionen (vgl. v. a. Blatz 31895 / 96). Betroffen sind davon v. a. die Bezeichnungen ‚attributiv‘ und ‚prädikativ‘, die als funktionale Begriffe und in konsequenterer Trennung von Form und Funktion definiert werden.¹³ Vereinzelt findet sich der Terminus ‚Adverbiale‘, jedoch i. d. R. nicht in klarer Abgrenzung zur Kategorie ‚Adverb‘ (vgl. u. a. Blatz 31896: 19 f.). Eine bemerkenswerte Ausnahme im Hinblick auf syntaktische Beschreibungsweisen bilden die Ausführungen von Behaghel. Anhand von Beispielen werden dort mögliche Ergänzungen von Adjektiven in Form von Substantiven, präpositionalen Ausdrücken, Adverbien, Infinitiven oder ganzen Sätzen angeführt (vgl. (14)–(18), zitiert aus: Behaghel 1923: 149 f.). Diese Angaben können bereits als eine Art distributionelles Kriterium gewertet werden. Allerdings ist die konsequente Anwendung eines solchen Kriteriums auf alle Wortarten nicht festzustellen, insbesondere in Bezug auf die Adverbklasse finden sich keine entsprechenden Ausführungen.
13 ‚Attribut‘ beispielsweise wird dann gefasst als Bestimmung eines Substantivs repräsentiert durch Adjektive, Adverbien, Nomen, Sätze etc. (vgl. Blatz 31896: 32 f.).
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(14) (15) (16) (17) (18)
dem Adler gleich zu allem bereit sehr schön ungeduldig […] zu sehen sicher, dass […]
Neben den genannten Kriterien versucht man, die Kategorien durch weitere Merkmale präzisier zu fassen. Zum einen bedient man sich sehr häufig der ‚Bezugsform‘ bzw. der Redeweise ‚bezieht sich auf‘, um die Relationen zwischen den Wortarten aufzuzeigen (vgl. u. a. Aichinger 1754: 136; Blatz 31895: 580). Nicht selten vergleicht man dabei die beiden Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘: Festzuhalten ist: durch das Adverb wird dem Verbalinhalt, durch das Adjektiv dem Substantiv oder dessen Vertreter eine Eigenschaft beigelegt. (Blatz 31895: 581)
Diese exemplarisch zitierte Aussage kann sich jedoch nur auf bestimmte Verwendungen im Satz beziehen, denn in den Grammatiken werden weitere Bezugsformen aufgeführt (v. a. der Bezug von Adverbien auf Adjektive, Substantive etc.). Relevant ist diese Verallgemeinerung insbesondere im Hinblick auf sog. ‚halbprädikative Adjektive‘ (vgl. u. a. krank in (7)), denn hier bildet die Identifizierung der Grundrelation zwischen den Einheiten die Voraussetzung für eine Zuordnung zu einer der beiden Wortarten (vgl. u. a. für ermattet in (19)). Einige Autoren räumen jedoch ein, dass die ‚Bezugsform‘ nicht immer zweifelsfrei feststellbar (vgl. u. a. (20)) und eine Wortartenzuordnung entsprechend problematisch ist (vgl. u. a. Heyse 51849: 391; Blatz 31895: 581).¹⁴ (19)
Der Wanderer setzte sich ermattet nieder. (Blatz 31895: 581) > der ermattete Wanderer ≠ ermattet niedersetzen
(20) Der Graf trat vergnügt ein. (Blatz 31895: 581) > der vergnügte Graf vs. vergnügt eintreten Weiterhin spielen etymologische Fakten in den meisten Darstellungen eine Rolle. Für ältere Sprachstufen wird aufgezeigt, dass Adjektive und Adverbien jeweils spezifische formale Kennzeichnungen aufweisen. Besonders in den jeweiligen
14 Die Autoren stellen eine Ambiguität fest, wie sie häufiger in der deutschen Sprache zu finden ist. Nach heutiger Auffassung stellt dies jedoch kein Problem der Wortartenlehre dar. Vielmehr können derartige Erscheinungen unter dem Phänomen der syntaktischen Ambiguität gefasst werden.
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Adverbkapiteln wird z. T. ausführlich erläutert, wie Adverbien regelhaft aus (flektierten) Formen anderer Wortarten – u. a. aus Adjektiven – entstanden sind (vgl. u. a. Becker 1836: 319 f.; Blatz 31895: 586 f.). Die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung findet in den meisten Grammatiken zumindest Erwähnung (vgl. u. a. Blatz 31895; Behaghel 1924; Paul 1919). Mehrheitlich zeigt sich dies in der Feststellung, dass unflektierte Adjektive und deadjektivische Adverbien im Neuhochdeutschen formal weitgehend übereinstimmen. Teilweise wird dies sogar als spezifisches Abgrenzungsproblem thematisiert (vgl. u. a. Blatz 31895: 581; Grimm 21898: 1109).¹⁵ Meist stehen die ausführlichen semantischen und morphologischen Angaben jedoch unkommentiert nebeneinander und zeigen in der Gesamtheit eher die Überschneidungsbereiche der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ auf, anstatt eine plausible Abgrenzung zu ermöglichen.¹⁶ Aber auch das Ernstnehmen einzelner Merkmalsarten führt nicht zu der gewünschten Abgrenzungsbegründung. Die semantische Beschreibung zeigt dies beispielhaft: So dienen Adverbien nicht nur zur näheren Bestimmung von Zuständen und Vorgängen, sondern können auch – wie in den Darstellungen übrigens an anderer Stelle meist erwähnt – lexikalische Einheiten näher bestimmen, die z. B. Gegenstände bezeichnen (vgl. (21)). Umgekehrt können Adjektive u. a. auch Zustände näher bestimmen (vgl. (22)). (21) der Schrank dort (22) eine tiefe Verzweiflung Dadurch ergibt sich auf semantischer Ebene ein diffuser Überschneidungsbereich zwischen Adjektiven und Adverbien. Die semantischen Gesichtspunkte, die die Arbeiten meist an erster Stelle anführen, können folglich für die Wortartenzuordnung keine entscheidende Rolle spielen. Die Termini ‚attributiv‘ und ‚prädikativ‘ eignen sich, unabhängig davon, ob sie semantisch oder syntaktisch verstanden werden, ebenfalls nicht zur Abgrenzung der beiden Wortarten, denn sowohl Adjektive als auch Adverbien weisen jeweils beide Verwendungsweisen auf. Zu ähnlich negativen Ergebnissen kommt man jedoch auch in Bezug auf die morphologischen Merkmale, da Unflektiertheit nicht nur auf Adverbien, sondern auf zahlreiche Einheiten zutrifft, die anderen Wortarten zugeordnet werden (vgl. u. a. Wörter wie bei, denn oder ob), u. a. aber auch auf bestimmte Verwendungen von
15 Diese Tatsache ist insofern bemerkenswert, als die älteren Grammatiken i. d. R. einen eher geringen Grad an Explizitheit aufweisen. 16 Syntaktische Beschreibungsmerkmale sind nicht systematisch genug in den Beschreibungen enthalten, sodass sie i. d. R. nicht als Mittel der Abgrenzung dienen können.
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Adjektiven (vgl. dazu (7)–(9)). Desgleichen eignet sich die Komparationsfähigkeit nicht als differenzierendes Kriterium, da – wie in den Beschreibungen z. T. auch angeführt – Vertreter beider Wortarten darüber verfügen. Die Autoren verweisen daher, wenn sie sich explizit zur Abgrenzungsfrage äußern, mehrheitlich auf andere Beschreibungsmerkmale. Einerseits dienen der sichtbare Zusammenhang zwischen den Wortarten in früheren Sprachstufen des Deutschen (sowie rudimentär im Neuhochdeutschen) und die deutliche formale Trennung in anderen Sprachen offenbar als Indiz dafür, die Wortartenunterscheidung im Neuhochdeutschen in gleicher Weise anzunehmen (vgl. u. a. Heyse 5 1838: 559). Während Heyse nur erwähnt, dass jedes Adjektiv zum qualitativen Adverb gemacht werden kann (vgl. Heyse 51838: 285), gibt beispielsweise Becker explizit an, dass ein Ableitungsverhältnis zwischen Adjektiv und Adverb auch im Neuhochdeutschen besteht, allerdings ohne formale Kennzeichnung (vgl. u. a. Becker 61848: 172). Wie die folgenden Zitate zeigen, lassen bestimmte Formulierungen dennoch eine gewisse Unsicherheit oder zumindest fehlende terminologische Präzision erkennen: Die meisten adjectiva werden zugleich als aduerbia gebraucht […]. (Aichinger 1754: 350; Hervorhebungen C. T.) Die meisten Adjektiven und auch diejenigen Partizipien, welche gänzlich zu Adjektiven geworden, und nicht mehr die Bedeutung eines Mittelwortes haben, können als Adverbien der Weise gebraucht werden. (Becker 61848: 173; Hervorhebungen C. T.)
Die Frage, ob sich mit dem ‚Gebrauch‘ eines Wortes in einer anderen Wortart automatisch die Klassenzugehörigkeit ändert, wird letztlich nur implizit bejaht durch die jeweiligen Beispielzuordnungen in den Grammatiken.¹⁷ Für eine Differenzierung der Wortarten führen einige Grammatiken andererseits die unterschiedlichen ‚Bezugsformen‘ an. Allerdings erhellt sich auch hier die Abgrenzungsentscheidung der Autoren bestenfalls aus den angeführten Beispielen, erscheint aber – wie in den folgenden, m. E. gleichartigen Beispielen – nicht immer nachvollziehbar (vgl. (23)–(24)). (23) Die Rose blüht roth. (Adv) (Heyse 51838: 285) (24) Der Freund liegt krank. (A) (Heyse 51849: 400)
17 Letztendlich ergeben sich durch diese Formulierungen sogar Widersprüche in der Darstellung: Betrachtet man Beckers Ausführungen zu den Adjektiven, so fällt auf, dass er substantivisch gebrauchte Adjektive weiterhin zu den Adjektiven zählt (vgl. Becker 61848: 7), während dies bei den als Adverb gebrauchten Adjektiven nicht der Fall zu sein scheint (vgl. u. a. Becker 61848: 21).
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Schließlich können auch die Betonungsverhältnisse, die zumindest bei Blatz zur Unterscheidung angeführt werden (vgl. dazu die Erläuterungen zu (9)–(10)), nicht als wortartunterscheidendes Kriterium gelten, denn prosodische Merkmale kommen in den betreffenden Arbeiten nicht systematisch zum Einsatz, sondern nur für den spezifischen Fall, dass mehrere attributive Einheiten vor das Substantiv treten. Inwieweit die vorgebrachten Begründungen zur Abgrenzung der beiden Wortarten angemessen sind, wird von den Autoren selbst unterschiedlich beurteilt. In der Zusammenschau ergibt sich ein bemerkenswert breites Spektrum auf der Ebene der Bewertung des Problems. Während beispielsweise Blatz lediglich darauf verweist, dass die Unterscheidung von Adjektiv und Adverb „bisweilen“ schwierig sei (Blatz 31895: 581), heißt es bei Grimm, dass „[…] die scheidewand zwischen adv. und adj. immer mehr ein[reißt]“ (Grimm 21898: 1109). Man kann daher differenzieren zwischen Autoren, die von der vorgelegten Abgrenzung überzeugt sind (vgl. u. a. Heyse 51838: 559 und Blatz 31895: 581 bzw. das unten stehende erste Zitat) und solchen, die zumindest Zweifel an der Begründbarkeit haben und auf differierende Einteilungen oder Lösungsmöglichkeiten hinweisen (vgl. u. a. Becker 1836: 319 und Grimm 21898: 1108 bzw. das unten stehende zweite Zitat). Namentlich haben einige Grammatiker nach Adelung’s Vorgang, das prädicative Adjectiv für ein Adverbium erklärt und somit die wesentlich verschiedene grammatische Bedeutung von „er spricht klug“ und „er ist klug“ u. dgl. völlig verkannt. (Heyse 51838: 559) Statt seines irrigen Satzes […] hätte Adelung mit mehr fug behaupten können, daß die nhd. adverbia zu adjectiven geworden sind. auch dies wird sich zwar nicht streng durchführen lassen […] augenscheinlich hat sich aber im nhd. das gefühl für den adverbialen ausdruck geschwächt. (Grimm 21898: 1108)
Die unterschiedlichen Einschätzungen der Autoren verdeutlichen bereits den Problemgehalt der Abgrenzungsthematik. Zumindest teilweise können sie auch als Ansatzpunkte für die Entwicklung anderer Positionen betrachtet werden.¹⁸ Insgesamt muss man einräumen, dass es der traditionellen Grammatik nicht gelingt, die angesetzte Abgrenzungsentscheidung synchron nachvollziehbar und anwendbar zu machen. Positiv hervorzuheben ist jedoch – v. a. angesichts der Entstehungszeit – der differenzierte Blick auf die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten der Wörter. Dennoch fehlt es an stichhaltigen Kriterien, die die angesetzte Wortartenabgrenzung für das Neuhochdeutsche legitimieren.
18 Vgl. v. a. die in Kapitel 1.6 dargestellte Position V.
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Diese mit der Abgrenzungsentscheidung verbundenen Schwierigkeiten waren zumindest einigen Autoren bewusst. Dass man an der Einteilung trotz z. T. massiver Zweifel festhält, mag daran liegen, dass die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung nicht primär aus den verfügbaren Kriterien resultiert, sondern anderweitig motiviert ist. Hier sind wohl vorrangig die Priorität etymologischer Kriterien zu nennen, das Anknüpfen an die lateinische Grammatiktradition sowie der Mangel an überzeugenden Alternativlösungen.
1.2.3 20. und 21. Jahrhundert Im diesem Teilkapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit Arbeiten, die seit den 1970er Jahren erschienen sind und die die in 1.2.1 genannte Position bezüglich der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ vertreten. Eingang in die Analyse finden einerseits Aufsätze, die sich explizit mit der spezifischen Abgrenzungsproblematik auseinandersetzen (Helbig 1977; Helbig 1984; Schmid 1986; Schmid 2001), andererseits wissenschaftliche Einführungsliteratur (vgl. Clément 2005; Meibauer et al. 22007) sowie eine umfassendere Grammatik (Helbig / Buscha 2001). Für den angegebenen Zeitraum kann insbesondere Helbig als prominenter Vertreter dieser Position gelten. Die Untersuchung der jeweiligen Wortartenbeschreibungen zeigt zunächst, dass im Gegensatz zu den in Kapitel 1.2.2 betrachteten Arbeiten i. d. R. auf semantische Kriterien verzichtet wird, um die Wortarten ‚Adverb‘ und ‚Adjektiv‘ zu definieren. Lediglich Schmid bezieht in seiner Matrix von 1986 das Merkmal ‚± SEM‘ ein und charakterisiert damit Adjektive und Adverbien als Einheiten, die sich auf Lebewesen, Gegenstände oder Sachverhalte beziehen können und deren Bedeutung im Lexikon angegeben werden kann (vgl. Schmid 1986: 89).¹⁹ Außerdem beruht in den Arbeiten Helbigs bzw. Helbig / Buschas die Ausgliederung des ‚Modalworts‘ aus der Klasse ‚Adverb‘ primär auf semantischen Kriterien (vgl. Helbig 1977: 110; Helbig / Buscha 2001: 432).²⁰ Meist wird jedoch nur darauf ver-
19 Während Schmid 1986 noch auf der Grundlage von ± SEM zwischen den Wortarten ‚Adverb‘ (dazu z. B. schnell, geschickt, wahrscheinlich) und ‚Proadverb‘ (dazu z. B. heute, jetzt, bald, dann) differenziert, scheint er in seinem neueren Aufsatz die entsprechenden Einheiten alle zur Klasse der Adverbien zu zählen (vgl. Schmid 2001: 182). Außerdem muss erwähnt werden, dass Schmid das ‚Kardinalzahlwort‘ als gesonderte Klasse annimmt und strikt von den Adjektiven trennt (vgl. Schmid 1986: 369 ff.). 20 Den Autoren zufolge zeigt sich der Unterschied darin, dass Modalwörter im Gegensatz zu Adverbien keine Merkmale des Geschehens, sondern eine subjektive Einstellung zum Geschehen ausdrücken (vgl. Helbig / Buscha 2001: 432). Anhand verschiedener Tests versucht man, diese
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wiesen, dass man semantische Gesichtspunkte für die Wortartenbeschreibung bewusst ausklammert (vgl. u. a. Clément 2005: 89), wobei diese Vorgehensweise z. T. auch mit der gegenwärtig verbreiteten Ansicht begründet wird, dass sich derartige Kriterien insgesamt nur bedingt zur Wortartenklassifikation eignen (vgl. Meibauer et al. 22007: 133).²¹ Etwas anders gestaltet sich die Lage in Bezug auf morphologische Kriterien. Sie kommen zumindest bei Meibauer et al. als definitorische Kriterien zum Einsatz, indem das Merkmal ‚Flektierbarkeit‘ dazu genutzt wird, die Wörter des Deutschen in flektierbare und nicht flektierbare Wortarten zu unterteilen (vgl. Meibauer et al. 22007: 131). Demgegenüber stehen jedoch mehrheitlich Arbeiten, die morphologische Zusammenhänge als definitorische Kriterien ablehnen, da sich zahlreiche Einheiten des deutschen Wortschatzes diesbezüglich indifferent zeigen (vgl. allgemein Helbig / Buscha 2001: 19; zumindest für die Adverbklasse: Schmid 2001: 182; Clément 2005: 90). Allerdings erfolgt auch in diesen Darstellungen die Beschreibung des morphologischen Verhaltens der jeweiligen Wortklassen (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 273-279, 305 f.) oder zumindest eine Auseinandersetzung mit möglichen morphologischen Kriterien (Schmid 2001: 182; Clément 2005: 88 ff.). So führen die Arbeiten in Bezug auf die Adjektivklasse aus, dass die jeweilige Form eines Adjektivs von der syntaktischen Umgebung abhängig ist (vgl. u. a. Schmid 1986: 93; Clément 2005: 88). Während Adjektive in prädikativer Verwendung generell unflektiert erscheinen (nicht besprochen in Meibauer et al. 2 2007), sind sie in attributiver Verwendung nach Kasus, Numerus und Genus flektiert (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 273 ff.; Clément 2005: 88). In der ausführlicheren Darstellung von Helbig / Buscha werden zudem attributive, endungslose Formen aufgeführt (vgl. (25)–(26)), die zumindest teilweise als Relikte älteren
Wortartenunterscheidung syntaktisch zu begründen (z. B. das differierende Verhalten von Negationswörtern: Er kommt pünktlich / vermutlich. > Er kommt nicht pünktlich. // Er kommt vermutlich nicht.) (vgl. ebd.). Die Annahme der Wortart ‚Modalwort‘ erfolgte in der DDR-Linguistik (vgl. u. a. Helbig 1977; Starke 1977; Flämig 1991) offenbar unter Einfluss der Russistik und blieb in der BRD weitgehend unbeachtet. Abgesehen v. a. von Helbig / Buscha 2001 subsumieren aktuelle Darstellungen entsprechende Wörter in aller Regel unter die Wortart ‚Adverb‘. Die Unterscheidung Adverb – Modalwort soll daher in der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt werden, zumal die hier fokussierte Problematik der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung auch ohne Berücksichtigung dieser Fälle besteht. 21 Davon unberührt ist die Tatsache, dass in einigen Arbeiten semantische Merkmale z. T. detailliert betrachtet werden, da sie nicht explizit für die Definition der Wortarten verwendet werden, sondern NACH deren Etablierung lediglich der weiteren Charakterisierung der jeweiligen Wortart dienen (vgl. beispielsweise zum Adverb: Helbig / Buscha 2001: 310–314).
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Sprachgebrauchs (in literarischen Texten oder festen Wendungen) gelten können (vgl. (26)). (25) ein extra Zimmer // von zwanzig Staaten (Helbig / Buscha 2001: 284) (26) Karpfen blau // O Täler weit, o Höhen (Helbig / Buscha 2001: 273) Darüber hinaus erfolgt meist der Hinweis, dass Adjektive „oft komparierbar“ sind (Meibauer et al. 22007: 133).²² Adverbien werden hingegen als nicht flektierbare Wortart charakterisiert (vgl. u. a. Meibauer et al. 22007: 131). Die Komparationsfähigkeit als einzige Form der Veränderlichkeit beim Adverb findet zumeist Erwähnung. Nach Ansicht von Helbig / Buscha beschränkt sie sich – abgesehen von einzelnen anderen Adverbien – auf diejenigen Adverbien, zu denen parallel formgleiche Adjektive existieren (vgl. Helbig / Buscha 2001: 305).²³ Die Mehrheit der Arbeiten setzt folglich morphologische Merkmale nur zur weiteren Beschreibung der Wortarten ein. Hingegen weist man syntaktischen Kriterien übereinstimmend definitorischen Status zu.²⁴ Die Distribution kann dabei als das wichtigste Kriterium gelten. Daneben finden weitere Kriterien Berücksichtigung, die Bezug nehmen auf syntaktische Funktionen, die Kombinationsfähigkeit mit anderen Einheiten sowie – bei Helbig bzw. Helbig / Buscha – auf die Transformierbarkeit zur Ermittlung zugrunde liegender syntaktischer Strukturen. Die Distribution von ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ ist bei Helbig / Buscha mit dem höchsten Grad an Explizitheit erläutert worden. Dabei werden die in (27)–(28) genannten syntaktischen Rahmen angegeben, um die typischen Positionen der jeweiligen Wortart darzustellen. (27)
Adjektivrahmen (Helbig / Buscha 2001: 280): I der … Mann II der Mann ist …
22 Ähnlich Clément 2005, die ihren Fokus jedoch eher darauf richtet, zu zeigen, dass Komparierbarkeit kein geeignetes Kriterium ist, um Adjektive zu definieren (vgl. Clément 2005: 88). 23 Andere Arbeiten erwähnen nur allgemein die Komparationsfähigkeit bei einem Teil der Adverbien, ohne diesen Teil genauer zu charakterisieren (vgl. Clément 2005: 90). 24 Unterschiede finden sich dann im Hinblick auf die konkrete Wertigkeit, also im Hinblick darauf, ob ausschließlich syntaktische Kriterien der Wortartendefinition dienen oder nur in – möglicherweise gewichteter – Kombination mit anderen Kriterienarten. Beispielsweise verwenden Meibauer et al. syntaktische Kriterien, allerdings nur als den morphologischen Kriterien nachgeordnete Kriterien zur Definition der sog. nicht flektierbaren Wortarten (vgl. Meibauer et al. 22007: 131).
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(28) Adverbrahmen (Helbig / Buscha 2001: 306 f.): I Der Mann arbeitet … (Variante: der … arbeitende Mann) II Der Mann ist … III Der Mann … arbeitet den ganzen Tag. Auch Clément und Meibauer et al. sprechen von Distribution bzw. charakteristischen Positionen, jedoch erfolgen dazu – sicher auch geschuldet der Textsorte ‚Einführungsliteratur‘ – nur wenige Angaben und zudem ausschließlich in Bezug auf die Klasse der Adverbien.²⁵ Hingewiesen sei jedoch darauf, dass Meibauer et al. für die positionale Deskription von Adverbien die topologische Terminologie nutzen. So wird als typische Adverbposition das alleinige Auftreten im Vorfeld angegeben, wodurch sich das Adverb von anderen nicht flektierbaren Wortarten abgrenzen lässt (vgl. Meibauer et al. 22007: 132).²⁶ Als weiteres syntaktisches Kriterium verwenden die Autoren mehrheitlich funktionale Merkmale und referieren zumeist auf die Satzgliedterminologie. Die Adjektivklasse wird dabei durch das Auftreten in attributiver und / oder prädikativer Funktion gekennzeichnet (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 273; Clément 2005: 88).²⁷ Für die Adverbklasse bezeichnen einige Darstellungen die syntaktische Funktion ‚Adverbial‘ als charakteristisch bzw. konstitutiv (vgl. Schmid 2001: 183; Clément 2005: 92; Meibauer et al. 22007: 132), während Helbig bzw. Helbig / Buscha den adverbialen, attributiven und prädikativen Gebrauch gleichberechtigt nebeneinander aufführen (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 309). Meibauer et al. 22007 verweisen zudem darauf, dass Adverbien in Attributfunktion nur postnominal auftreten können (vgl. (29)), es sei denn, es handelt sich bei dem Bezugsnomen um ein konvertiertes Adjektiv (vgl. Beschäftigten in (30)). (29) * der dort Mann vs. der Mann dort (30) die damit Beschäftigten (Meibauer et al. 22007: 130).
25 Man beschränkt sich – vermutlich nicht zuletzt angesichts des begrenzten Umfangs – darauf, aufzuzeigen, dass Wörter wie schnell in typischen Adverb-Positionen stehen können, vergleichbar mit Wörtern wie immer bzw. dort (vgl. Clément 2005: 91; Meibauer et al. 22007: 132). 26 Vergleichbares postuliert auch Helbig, indem er das Adverb von den Partikeln und Modalwörtern durch seine Erststellenfähigkeit bei hervorhebender Satzgliedstellung im Verbzweitsatz abgrenzt (vgl. Helbig 1984: 100). 27 Schmid nutzt eine andere Terminologie und definiert Adjektive negativ als Einheiten, die keinen eigenen Satzteil bilden können (vgl. Schmid 2001: 184). Dabei fehlt es allerdings an einer präzisen Definition des Begriffs ‚Satzteil‘. Man kann nur vermuten, dass damit die Übernahme der syntaktischen Funktion ‚Adverbial‘ gemeint ist (vgl. Schmid 2001: 183).
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Letzterer Bemerkung sind zugleich Hinweise zur Kombinationsfähigkeit des ‚Adverbs‘ zu entnehmen, d. h. je nach Position sind Adverbien nur mit bestimmten Arten von Substantiven kombinierbar. Auch in Bezug auf Adjektive wird das Kombinieren mit anderen Einheiten thematisiert und zwar insbesondere die Rektionsfähigkeit von Adjektiven, wie sie exemplarisch in (31)–(32) dargestellt ist (vgl. Helbig / Buscha 2001: 288–290; andeutungsweise auch: Schmid 1986: 94). (31) Sie ist ihm dankbar. (32) Sie sind froh über diese Entwicklung. Neben den bereits erläuterten syntaktischen Kriterien ist gesondert auf die Arbeiten von Helbig und Helbig / Buscha hinzuweisen, die zwischen Oberflächenstruktur und zugrunde liegenden Strukturen differenzieren (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 20). Der Übergang von der Oberflächen- zur Tiefenstruktur mithilfe bestimmter Arten von Transformation (vgl. u. a. (33)–(34)) ermöglicht es, spezifische Abhängigkeitsstrukturen des ‚Adverbs‘ zu verdeutlichen und damit für bestimmte Fälle eine trennscharfe Abgrenzung vom ‚Adjektiv‘ zu erreichen (vgl. Helbig / Buscha 2001: 307). (33) Der Mann kommt gesund an. = Der Mann kommt an und ist gesund. (A) ≠ das gesunde Ankommen (≠ Adv) (34) Der Lehrer spricht schnell.
= das schnelle Sprechen (Adv)
Abgesehen von den erörterten Kriterien aus den Bereichen Semantik, Morphologie und Syntax lässt sich lediglich bei Schmid 1986 ein weiteres Kriterium finden, das mit ‚± PRAG‘ bezeichnet ist. Schmid charakterisiert sowohl Adjektive als auch Adverbien als sprachliche Einheiten, die einen Bezug zum Sprecher oder zur Sprechsituation herstellen. Er referiert damit auf die Bühlersche Ausdrucksfunktion (vgl. Schmid 1986: 89). Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Wortartenbeschreibungen stellt sich nun die Frage nach der Abgrenzung zwischen Adjektiv und Adverb. Diese wird in den untersuchten Darstellungen einerseits als spezifisches Problem der Wortartenlehre betrachtet (vgl. u. a. Clément 2005; Meibauer et al. 22007), andererseits nicht eigens problematisiert (vgl. Helbig / Buscha 2001; Schmid 2001). Diese unterschiedlichen Einschätzungen ergeben sich sowohl aus der methodischen Herangehensweise als auch aus der Darstellungsart. Beispielsweise muss in dem Einführungsbuch von Meibauer et al. die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung zwangsläufig als ein schwieriges Problem erscheinen, da man grundsätzlich morpho-
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logische und syntaktische Kriterien für die Wortartenklassifikation einsetzt (vgl. Meibauer et al. 22007: 130 f.), die gerade in diesem Punkt zu divergierenden Ergebnissen führen. Anders stellt sich die Situation in Arbeiten Helbigs dar, der primär syntaktisch klassifiziert und davon ausgeht, dass die angegebenen Kriterien ausreichen, um eine trennscharfe Abgrenzung der beiden Wortarten zu ermöglichen (vgl. Helbig 1977 ff.). Die Begründungen, die in den Arbeiten dann letztlich angeführt werden, um die Zuordnung von Wörtern wie schnell oder schön in (35) zur Klasse ‚Adverb‘ zu legitimieren, nehmen alle Bezug auf syntaktische Kriterien. Welche syntaktischen Merkmale dabei relevant sind, wird unterschiedlich bewertet. Gemeinsam ist allen Arbeiten das Nennen funktionaler Merkmale. So wird angenommen, dass ein Wort, das syntaktisch als Adverbial fungieren kann, der Wortart ‚Adverb‘ zuzuordnen ist (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 306; Schmid 2001: 184 f.; Clément 2005: 92; Meibauer et al. 22007: 132). In diesem Zusammenhang verweisen einige Autoren zugleich auf distributionelle Merkmale wie Vorfeldfähigkeit (vgl. für vorsichtig in (36)) oder auf typische syntaktische Umgebungen für Adverbien (vgl. v. a. die Umgebung in (37), vgl. Helbig / Buscha 2001: 306; Meibauer et al. 22007: 132). (35) Der Mann kommt schnell. // Der Vogel singt schön. (36) Vorsichtig streichelt Valentine die Katze. (Meibauer et al. 22007: 132) (37) Der Student arbeitet schnell / dort / sofort. Mit diesen Angaben sind zentrale syntaktische Eigenschaften der Adverbklasse benannt. Allerdings lässt sich die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung auf dieser Grundlage dennoch nicht hinreichend lösen, weil einerseits die funktionalen und distributionellen Merkmale von Adverbien damit nicht erschöpfend erfasst sind und andererseits die angeführten distributionellen Merkmale nicht ausschließlich auf die Klasse ‚Adverb‘ zutreffen (vgl. v. a. Rahmen II bei Helbig / Buscha 2001: 306). Die Überschneidungsbereiche mit der Wortart ‚Adjektiv‘ treten besonders deutlich hervor, wenn man die Adjektivklasse konsequenterweise mit den gleichen Kriterien definiert und entsprechend distributionelle und funktionale Eigenschaften zum Einsatz bringt (vgl. Helbig / Buscha 2001: 280; Clément 2005: 93). Exemplarisch zeigt sich das Problem für dort, schön und prima in (38). (38) Der Mann ist dort / schön / prima. Die angeführten Beispielwörter treten hier in einer Position auf, die i. d. R. als eine adjektivtypische Position charakterisiert wird, in der die Wörter die adjektivtypische Funktion des Prädikativs übernehmen (vgl. u. a. Helbig / Buscha
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2001: 280).²⁸ Folglich müsste man jeweils eine Zuordnung zur Adjektivklasse vornehmen. Zumindest bei Helbig / Buscha wird die o. g. syntaktische Umgebung aber auch explizit als eine mögliche Adverbumgebung bezeichnet (vgl. Helbig / Buscha 2001: 306). Außerdem können Wörter wie dort, schön und prima auch in der zumeist als typisch bezeichneten Adverbumgebung (vgl. (35)) auftreten, allein im Vorfeld stehen und als Adverbial fungieren. Dies wiederum spricht für eine Zuordnung zur Klasse der Adverbien. Darin zeigt sich, dass eine trennscharfe und eindeutige Wortartenzuordnung allein anhand der o. g. syntaktischen Kriterien ‚Distribution‘ und / oder ‚syntaktische Funktion‘ für das Auftreten der Wörter in (38) nicht gegeben ist.²⁹ Doch auch die Vorgehensweise in Meibauer et al., Adjektive nicht primär syntaktisch, sondern über ihre Flektierbarkeit zu definieren, nutzt für die Beurteilung von Verwendungen wie in (38) wenig, da Adjektive in prädikativer Verwendung nicht flektiert werden. Meint Flektierbarkeit jedoch die prinzipielle Möglichkeit zur Flexion, so müsste man für Wörter wie prima aufgrund der grundsätzlichen Nichtflektierbarkeit und angesichts der syntaktischen Verwendungsmöglichkeiten eigentlich die Wortart ‚Adverb‘ ansetzen. Dies stünde jedoch u. a. im Widerspruch zu den Angaben, die bezüglich der Distribution von attributiven Adverbien gemacht werden (vgl. dazu die Erläuterungen zu den Verwendungen in (29)–(30) bzw. Meibauer et al. 22007: 130). Weitere und über die bisher aufgezeigten Abgrenzungsmechanismen hinausgehende Bemerkungen zur Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung finden sich einzig in den Aufsätzen von Helbig sowie in der Grammatik von Helbig / Buscha. Zwar ist dort v. a. die bereits benannte Dopplung der Distributionsrahmen kritisch zu beurteilen (vgl. Rahmen II, wiedergegeben in (27)–(28)), es erfolgt aber zumindest explizit der Hinweis, dass Wörter wie schön und prima in prädikativer Verwendung aufgrund der Abhängigkeitsstrukturen zu den Adjektiven, Wörter wie dort hingegen zu den Adverbien zu zählen sind (Helbig / Buscha 2001: 310). Eine weitere Schwierigkeit stellen auch die sog. ‚freien Prädikative‘ dar, die über die Distribution als Adverbien identifiziert würden.³⁰ Helbig begründet die Zugehö-
28 Nicht alle Arbeiten bezeichnen die Verwendung von dort im vorliegenden Beispielsatz funktional als Prädikativ (vgl. aber u. a. Helbig / Buscha 2001: 306; implizit auch: Meibauer et al. 2 2007: 157). Zumindest ist in keiner der untersuchten Darstellungen explizit die Rede davon, dass dort in dieser Umgebung als Adverbial fungiert, sodass nicht nur von einer distributionellen, sondern auch von einer funktionalen Überschneidung auszugehen ist. 29 Hinzu kommt, dass in der o. g. Position von dort, schön bzw. prima auch lexikalische Einheiten wie Philosoph auftreten können (Der Mann ist Philosoph.), sodass sich die Definition des Adjektivs über den syntaktische Rahmen II bzw. über die prädikative Verwendung nicht nur in Abgrenzung zum ‚Adverb‘, sondern auch zu anderen Wortklassen als ungünstig erweist. 30 Anstelle des in der vorliegenden Arbeit verwendeten Terminus ‚freies Prädikativ‘ verwendet
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rigkeit dieser Einheiten zur Adjektivklasse jedoch schlüssig über das sog. ‚syntaktische Kriterium B‘, das durch syntaktische Transformation die jeweiligen Abhängigkeitsstrukturen verdeutlicht (vgl. u. a. Helbig 1984: 100 bzw. die Erläuterungen zu (33)–(34)). Insgesamt heben sich die Arbeiten von Helbig bzw. Helbig / Buscha mit diesen detaillierten Ausführungen deutlich von den anderen untersuchten Darstellungen ab. Sie ermöglichen die wohl trennschärfste Abgrenzung von Adjektiv und Adverb im Rahmen der hier benannten Position. Der Tatsache, dass zahlreiche Wörter wie schön und schnell in Abhängigkeit von der Verwendung folglich als Adjektiv oder als Adverb klassifiziert werden, versuchen Helbig bzw. Helbig / Buscha terminologisch durch die Bezeichnung ‚Adjektivadverb‘ gerecht zu werden. Demnach würde man schön in einem Satz wie Der Vogel singt schön. als Adjektivadverb bezeichnen. Dies lässt auf eine enge Verbindung zwischen den beiden Wortarten schließen. Allerdings geben die Autoren diesbezüglich keine näheren Erläuterungen bzw. Begründungen, sodass diese kategorienverbindende Bezeichnung m. E. eher zu einer terminologischen Verunsicherung führt. Im Hinblick auf eine möglicherweise systematisch bestehende Beziehung zwischen den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ sind jedoch neuere Veröffentlichungen interessant, die zwei Ebenen der Wortartenzuordnung unterscheiden und dabei auch die in diesem Zusammenhang zentrale Frage nach dem theoretischen Status von Wortarten aufgreifen (vgl. Clément 2005; Meibauer et al. 2 2007).³¹ Demnach können Wörter einerseits als Einheiten des Lexikons (vgl. Meibauer et al. 22007: 130) bzw. als morphologisch definierte Einheiten (vgl. Clement 2005: 81) verstanden und bestimmten Wortarten zugeordnet werden. Andererseits erscheint es den Autoren notwendig, davon die sog. ‚syntaktischen Wörter‘ (Clément 2005: 81) abzugrenzen, die ebenso bestimmten Klassen bzw. ‚lexikalischen Kategorien‘ (vgl. Meibauer et al. 22007: 130) zugeordnet werden
Helbig zur Beschreibung dieses Phänomens den Begriff ‚prädikatives Attribut‘ (vgl. u. a. Helbig 2001: 464 ff.). 31 Diesbezüglich sei auf einige weitere Autoren verwiesen, die in ähnlicher Weise zwei Ebenen der Kategorisierung postulieren: Zum einen ist Gallmann zu nennen, der in der aktuellen Ausgabe der Dudengrammatik zwischen sog. ‚lexikalischen Wortarten‘ und sog. ‚syntaktischen Wortarten‘ unterscheidet, ohne jedoch beide Ebenen in der Wortartenklassifikation einzusetzen (vgl. Duden 4 82009: 132 f.; vgl. genauer dazu Kapitel 1.6.2). Zum anderen proklamiert Rauh die Notwendigkeit, im Rahmen der Wortartendiskussion zwischen lexikon- und grammatikbezogener Kategorisierung zu differenzieren, referiert dabei jedoch auf die Unterscheidung von kognitiver und grammatischer Ebene (vgl. u. a. Rauh 2000, 502). Darüber hinaus lässt sich u. a. auch bei Erben ein vergleichbarer Ansatz zu einer Ebenendifferenzierung finden, indem in Abhängigkeit von der Verwendung im Satz zwischen primären und sekundären Wortarten unterschieden wird (vgl. genauer dazu Kapitel 1.5.2).
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können, und zwar auf der Grundlage der konkreten syntaktischen Position. Wenngleich die Kategorisierungen beider Ebenen oftmals übereinstimmen, gibt es doch zahlreiche Beispiele wie in (39), die diese Differenzierung motivieren. (39) Das Nachdenken strengt sie an. > Wortart: V > lexikalische Kategorie: N Nicht zuletzt versucht man auf diese Weise, auch die Adjektiv-Adverb-Beziehung zu erklären. Während Clément ausschließlich sog. ‚Wortarten‘ im syntaktischen Sinne bestimmt und für Wörter wie schnell von homonymen Adjektiven und Adverbien ausgeht (vgl. Clément 2005: 92), begreift man in Meibauer et al. Einheiten wie schnell als der Wortart ‚Adjektiv‘ zugehörig, die jedoch in bestimmten syntaktischen Umgebungen (vgl. v. a. die unter (36) genannte) der sog. lexikalischen Kategorie ‚Adverb‘ zuzuordnen sind (vgl. Meibauer et al. 22007: 132). Elegant scheint besonders letzterer Vorschlag, da auf diese Weise tatsächlich eine Beziehung zwischen den beiden Wortarten etabliert werden könnte, und zwar ohne zahlreiche Homonymien annehmen zu müssen. Allerdings bleibt im Rahmen eines solchen Ansatzes v. a. zu klären, wie Wortarten für Wörter i. S. v. Lexikoneinheiten bestimmt werden und wie man sich die Beziehung zwischen den zwei Ebenen der Wortartenzuordnung vorzustellen hat. Insgesamt wird in der Analyse deutlich, dass die Autoren aus sehr unterschiedlichen Gründen zu der besagten Abgrenzungsauffassung gelangen. So ist beispielsweise die Abgrenzung von Schmid v. a. vor dem Hintergrund der Indogermanistik zu verstehen, d. h. sprachübergreifende und sprachhistorische Beweggründe und weniger operational-syntaktische dürften hier Priorität haben. Den Einführungstexten von Clément und Meibauer et al. ist hingegen anzumerken, dass man versucht, die Wortartenthematik mit Erkenntnissen der Syntaxforschung in Einklang zu bringen. Im Vergleich mit den älteren, in Kapitel 1.2.2 untersuchten Arbeiten zeigt sich insofern eine Weiterentwicklung, als man mehrheitlich die Notwendigkeit einer grammatisch fundierten Begründung der Abgrenzungsentscheidung erkennt und primär die seit dem 20. Jahrhundert verfügbaren syntaktischen Kriterien zum Einsatz bringt. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die mehrheitlich vorgeschlagenen Abgrenzungs- bzw. Zuordnungsmechanismen in der Anwendung dennoch nicht zu der erwünschten trennscharfen und eindeutigen Zuordnung für alle möglichen Verwendungskontexte führen. Am differenziertesten erweisen sich die Ausführungen von Helbig und Helbig / Buscha; offen bleibt hier v. a. die Frage nach dem Bezug zwischen den beiden Wortarten, die jedoch möglicherweise durch den Einbezug der o. g. neuesten Ansätze zu einer Ebenendifferenzierung eine Beantwortung finden können.
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1.3 Position II 1.3.1 Kurzcharakteristik Als zweite Forschungslinie wird eine Position betrachtet, die chronologisch als die erste Gegenposition zu lateinkonformen Einteilungen gelten kann. Den Ausgangspunkt für diese Position bilden Formulierungen in der „Grammatica Germanicae Linguae“ von Claius (vgl. Jellinek 1914: 383). Dort werden flexionslose Adjektive beschrieben als Einheiten, die ohne Artikel und an der Stelle des Prädikats erscheinen (vgl. Claius 1578: 21). Daraus folgern besonders die Grammatiker des 17. und 18. Jahrhunderts, dass es sich bei diesen Wörtern um Adverbien handeln müsse, da Adverbien i. d. R. als Teile des Prädikats verstanden wurden. Kennzeichnend für diese Art der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung ist die folgende Fallunterscheidung: Für Wörter wie schnell oder schön wird nur noch in Verwendungen wie in (40) von Adjektiven ausgegangen, während man in (41)–(42) Adverbien annimmt. Zur Klasse ‚Adverb‘ werden darüber hinaus auch Wörter wie sofort in (43) gezählt. (40) (41) (42) (43)
Der schnelle Mann kommt. // Sie beobachtet den schönen Vogel. Der Mann ist schnell. // Der Vogel ist schön. Der Mann kommt schnell. // Der Vogel singt schön. Der Mann kommt sofort.
Erste Ansätze zu dieser Forschungsauffassung finden sich bereits im 17. Jahrhundert (vgl. v. a. Schottelius 1663). Besonders im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde diese Position erörtert (vgl. u. a. Bödiker 1746; Funk 1763; Adelung 1781 / 1782; Schmitthenner 1828), wobei sie hauptsächlich durch Adelung größere Verbreitung fand. Vereinzelt wird die Auffassung jedoch auch noch im 20. Jahrhundert vertreten (vgl. u. a. Weinrich 1967; Droescher 1974; Bergenholtz / Schaeder 1977; Rolland 1999).
1.3.2 17. bis 19. Jahrhundert In diesem Abschnitt sollen die unter 1.3.1 genannten Arbeiten analysiert werden, die im Zeitraum vom 17. bis 19. Jahrhundert publiziert wurden. Es handelt sich vorrangig um Grammatiken, dem damals zentralen Medium der Sprachforschung bzw. -lehre. Zudem wird ein Aufsatz von Funk 1763 einbezogen, der speziell die Abgrenzungsfrage thematisiert.
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In die Wortartenbeschreibungen beziehen alle untersuchten Grammatiken semantische Gesichtspunkte ein. Adjektive bezeichnet man als ‚Beywörter‘, die Eigenschaften und Zufälligkeiten der Dinge anzeigen (vgl. Bödiker 1746: 139) oder als ‚Eigenschaftswörter‘, die das Mannigfaltige benennen, das an dem Ding befindlich bzw. demselben einverleibt ist (vgl. Adelung 1782 I: 607). Adverbien hingegen benennt man häufig als ‚Nebenwörter‘ oder ‚Zuwörter‘, die gewisse Umstände der Zeit, des Ortes, der Art und Weise u. Ä. anzeigen (vgl. Schottelius 1663: 656; Bödiker 1746: 244). Eine differenziertere Untergliederung führt Adelung für die Wortart ‚Adverb‘ an: Er definiert Adverbien als ‚Redetheile‘, die eine Beschaffenheit als unselbstständig, aber für sich selbst betrachtet darstellen (vgl. Adelung 1781: 322). Diese semantische Gruppe wird untergliedert in zwei Subklassen: in sog. ‚Umstandswörter / Adverbia circumstantiae‘ (z. B. heute oder überall) und in sog. ‚Beschaffenheitswörter / Adverbia qualitatis‘ (z. B. schwarz oder gut) (vgl. ebd.: 322 f.).³² Vereinzelt wird darüber hinaus mit den semantisch-logischen Begriffen ‚Subjekt‘ und ‚Prädikat‘ gearbeitet. Diese werden eingesetzt, um zu unterscheiden zwischen Adjektiven, die als Bestimmungen des Subjekts erscheinen und Adverbien, die als Prädikat stehen (vgl. u. a. Schmitthenner 1828 II: 31). Morphologische Kriterien spielen in den analysierten Arbeiten ebenfalls eine zentrale Rolle. Während Adverbien als unwandelbar bzw. unabänderlich in der Form bezeichnet werden, charakterisiert man Adjektive als Wörter, die Flexionsendungen aufweisen.³³ Teilweise wird dafür die Begründung gegeben, dass „Eigenschaftswörter, […] mit einem gewissen Zeichen, dem Laute der dunklen Empfindung der Beylegung oder Einverleibung“ (Adelung 1782 I: 610) versehen werden müssen.³⁴ Adjektive, die unflektiert auftreten, erklärt man als Besonderheiten bzw. Abweichungen. Davon betroffen sind Verbindungen von zwei Adjektiven wie in (44), in denen das erstere Adjektiv oftmals ohne Flexionsendung erscheint.
32 Laut Adelung ist jedoch eine exakte Unterscheidung zwischen Umstands- und Beschaffenheitswörtern nicht in allen Fällen möglich (vgl. Adelung 1782 II: 81). Für die Annahme Härds, dass mit Beschaffenheitswörtern nur Einheiten in prädikativer Verwendung gemeint seien (vgl. Härd 1976: 22) ließen sich in den Arbeiten Adelungs keine Anhaltspunkte finden. Einleuchtender scheint der Hinweis von Jellinek, dass die Zusammenfassung der Beschaffenheits- und Umstandswörter zu einer Wortart v. a. funktional motiviert sei und somit eine Vermischung semantischer und grammatischer Aspekte vorliege (vgl. Jellinek 1914: 117). 33 Die Bezeichnungen variieren: Beispielsweise spricht Adelung von „Concretionssylben“ (Adelung 1781: 211), Schmitthenner von „Biegungslauten“ (Schmitthenner 1828 II: 31) und Bödiker von „Endungen“ (Bödiker 1746: 138). 34 Hierin zeigt sich wiederum die enge Verknüpfung semantisch-logischer und morphologischer Aspekte.
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(44) ein roth- und weisses Gesicht (Adelung 1782 I: 638) Derartige Verwendungen werden als unerwünschte Abweichungen bezeichnet, die vornehmlich vertrauter Kommunikation vorbehalten sind (vgl. Adelung 1782 I: 638). Hinweise erfolgen weiterhin v. a. für Zahlwörter, von denen einige regulär unflektiert auftreten (vgl. u. a. Bödiker 1746: 163 ff.), sowie im Hinblick auf weitere, unflektierte Adjektive, wie ganz im folgenden Beispiel. (45)
ganz Deutschland (Adelung 1781: 223)
In den meisten Darstellungen (v. a. Schottelius 1663; Bödiker 1746; Adelung 1781) wird zudem die Komparation als eine besondere Art der Veränderung erwähnt. Allerdings differieren die Anschauungen darüber, welche Wortarten komparationsfähig sind. Die Ursache dafür findet sich in den verschiedenen Auffassungen zur Relation zwischen ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘. Insbesondere Adelung nimmt hier eine Sonderstellung ein, denn er betrachtet Adjektive als Ableitungen von Beschaffenheitswörtern mittels „Concretionssylbe“ und bezeichnet Adverbien generell als deren „Stammwörter“ (Adelung 1781: 211).³⁵ Er postuliert dabei, dass Adjektive keine eigenen Komparationsformen bilden, sondern aus komparierten Adverbformen durch Anfügen der entsprechenden Flexionsendung entstehen (vgl. Adelung 1781: 342). In anderen Arbeiten findet die Komparation jedoch vornehmlich im Zusammenhang mit der Beschreibung der Wortart ‚Adjektiv‘ Erwähnung (vgl. u. a. Schottelius 1663: 246 ff.; Bödiker 1746: 243) und man geht im Gegensatz zu Adelung davon aus, dass Adjektive die Grundlage für einen Großteil der Adverbbildung darstellen (vgl. u. a. Bödiker 1746: 244). Im Gegensatz zu den anderen Kriterienarten finden syntaktische Kriterien nur sehr marginal Berücksichtigung in den Wortartenbeschreibungen, hauptsächlich nur in Verbindung mit der Adjektivklasse. So charakterisiert u. a. Schottelius Adjektive im Hinblick auf positionale Eigenschaften, indem er angibt, dass man davor Wörter wie der, die bzw. das und dahinter Wörter wie Mann, Frau bzw. Ding setzen kann (vgl. Schottelius 1663: 233 f.). Adjektive wie seliger in (46), die als dem Substantiv nachgestellt erscheinen, werden zumeist als veraltete Konstruktionen bezeichnet.
35 Adelung nimmt an, dass prinzipiell alle Beschaffenheitswörter zu Adjektiven werden können (vgl. Adelung 1782 II: 80). Er verweist darauf, dass Umstandwörter jedoch zunächst zu Beschaffenheitswörtern werden müssen (vgl. 1782 II: 80), ohne zu präzisieren, wie das geschehen soll. Nicht adjektivierbare Adverbien (z. B. hin, vielleicht, feind) werden eigens aufgelistet (vgl. Adelung 1781: 336–338).
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(46) mein Vater seliger (Adelung 1781: 419) Ansonsten lassen sich lediglich bei Adelung vergleichsweise detaillierte Hinweise finden, die auf weitere distributionelle Eigenschaften der relevanten Wörter Bezug nehmen. So werden besondere Verwendungen der beiden Wortarten behandelt, indem aufgezeigt wird, dass sowohl Adjektive wie schöne in (47) als auch Adverbien wie schwarz in (48) als Substantive gebraucht werden können (vgl. Adelung 1781: 231). (47) die Schöne (Adelung 1781: 232) (48) das Schwarz (Adelung 1781: 231) Als weiteres kategorienbildendes Merkmal findet sich bei Adelung und Bödiker die ‚Bezugsform‘, und zwar v. a. im Zusammenhang mit der Adverbdefinition. Dort wird angegeben, dass Adverbien vorrangig auf Verben bezogen sind (vgl. u. a. Adelung 1781: 476). Zudem benennen die betreffenden Grammatiken die Wortarten ‚Substantiv‘ (vgl. Wein in (49)) und ‚Adjektiv‘ (vgl. schön in (50)) als weitere Bezugswortarten des Adverbs. (49) ein Glas voll Wein (Adelung 1781: 475) (50) sehr schön (Bödiker 1746: 244) Die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung wird in den untersuchten Grammatiken nicht ausführlicher thematisiert. Zumindest wird die Zuordnung zur Adverbklasse bei Wörtern wie schön in Kopulakonstruktionen teilweise kurz begründet (vgl. Schottelius 1663: 242; Bödiker 1746: 161). Man ist bei der Suche nach Argumenten für die Abgrenzungsentscheidung demnach in erster Linie auf die Wortartenbeschreibungen angewiesen. Dabei zeigt sich, dass die semantische Charakteristik zwar als zentraler Gesichtspunkt in der Beschreibung fungiert, diesem aber dennoch explizit kein wortartenunterscheidender Wert beigemessen wird. Adelung macht sogar darauf aufmerksam, dass der Unterschied zwischen ‚Eigenschaft‘ und ‚Beschaffenheit‘ sehr fein sei (vgl. Adelung 1781: 212 ff.). Die Arbeiten verweisen vielmehr auf das morphologische Kriterium der ‚Flektiertheit‘. Entweder erfolgt dabei die Anmerkung, dass es sich bei Wörtern wie schön in (51) um Adverbien handelt, weil die Wörter „unwandelbar“ sind (vgl. Schottelius 1663: 242; Bödiker 1746: 161). Oder aber diese Wortartenzuordnung ergibt sich nur implizit aus der Formulierung, dass Adjektive bestimmte Flexionsendungen aufweisen (vgl. Schottelius 1663: 233 f.; Bödiker 1746: 138; Adelung 1782 I: 610). Folgerichtig bezeichnet Adelung gut, brav und ehrlich in (52) als Adverbien.
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(51) (52)
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Der Vogel ist schön. ein gut brav ehrlich Mann (Adelung 1782 I: 610)
Konsequenterweise müsste man dann jedoch alle Adjektive, die unflektiert sind (vgl. u. a. auch ganz im o. g. Beispiel (45)), zu den Adverbien zählen. Da derartige Fälle jedoch als Adjektive aufgefasst werden, kann die Flektiertheit allein nicht entscheidend sein. Allerdings werden in den Grammatiken keine weiteren Unterscheidungsmerkmale oder -hinweise angegeben, sodass in diesem und in ähnlichen Fällen die Wortartenzuordnung willkürlich erscheint. Bei der Beurteilung der untersuchten Arbeiten muss berücksichtigt werden, dass die Frage der Abgrenzung von ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ in engem Zusammenhang mit Emanzipationsbestrebungen innerhalb der deutschsprachigen Grammatikschreibung steht. Denn besonders seit dem 17. Jahrhundert nehmen die Bestrebungen zu, sich erkennbar von dem am Lateinischen orientierten Beschreibungssystem zu lösen und eine Grammatik(-terminologie) zu erarbeiten, die in erster Linie der Spezifik des Deutschen Rechnung trägt.³⁶ Vor diesem Hintergrund waren einige Grammatiker dazu übergegangen, unflektierte Adjektive in prädikativer Verwendung zu den Adverbien zu zählen und dies als eine besondere Gegebenheit der deutschen Sprache zu bezeichnen (vgl. u. a. Schmitthenner 1828 II: 31). Bereits Schottelius nimmt diese vom Lateinischen abweichende Unterscheidung vor, wenngleich seine Formulierungen auf Unsicherheiten hinweisen: daß ein jedes beystendiges / […] nur in seinen Stammletteren verbleibe / denn es nimt solcher massen gleichsam die Art des Zuwortes (Adverbii) an sich: als: der Mann ist stark […]. (Schottelius 1663: 242; Hervorhebungen C. T.)
Eine Reihe von Grammatikern vertritt im 18. Jahrhundert diese Adjektiv-AdverbAbgrenzung, wobei nur selten der Versuch unternommen wird, diese Position tatsächlich näher zu begründen. Eine Ausnahme bildet v. a. Funk, der sich in einem gesonderten Aufsatz ausführlicher zu dieser Problematik äußert. Seine Argumentation beruht v. a. auf einer Frageprobe, die er als ausschlaggebend ansetzt. Demnach müssen der ‚Hauptbegriff der Frage‘ und die zu erfragende Einheit hinsichtlich der Wortart übereinstimmen (vgl. Funk 1763: 160 f.). In einem Satz wie Gott ist gut. kann man nach gut mit dem Adverb wie fragen, sodass davon auszugehen ist, dass es sich bei gut eindeutig um ein Adverb handelt (vgl. ebd.).
36 Das ist zugleich auch ein zentraler Ausgangspunkt für die Entwicklung der Auffassungen, die in den Kapiteln 1.4 und 1.6 dargestellt werden. Vgl. ausführlicher zur Emanzipation und Entwicklung der Grammatikographie im deutschsprachigen Raum u. a. Cherubim 1980.
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Aus heutiger Sicht ist diese primär semantische Vorgehensweise in verschiedener Hinsicht zu hinterfragen. Ohne an dieser Stelle genauer darauf eingehen zu können, sei zumindest exemplarisch auf eines hingewiesen: Mithilfe der o. g. Methode gerät man bereits in Schwierigkeiten bei der naheliegenden Frage, mithilfe welcher Mittel man bei dem Wort wie zur Kategorienzuordnung ‚Adverb‘ kommen möchte – sie ist mittels der o. g. Frageprobe nicht schlüssig zu beantworten. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass man mit der vorgestellten Abgrenzungsauffassung auf spezifische Gegebenheiten der deutschen Sprache eingehen und sich dabei zugleich von der griechisch-lateinischen Grammatiktradition abheben möchte. Dennoch knüpft man mit der Begrifflichkeit und den gewählten Beschreibungskriterien sehr stark an diese Tradition an. Daraus resultiert m. E. auch der Fokus auf Kriterien wie ‚Flektiertheit‘, denn darauf basieren auch die Wortartendefinitionen der griechisch-lateinischen Grammatik. Die untersuchten Arbeiten können mit ihrer neuartigen Einteilung letztlich nicht überzeugen, weil sie an der morphologischen und / oder semantischen Oberfläche verharren und in der Anwendung zu widersprüchlichen oder grammatisch kaum verwertbaren Ergebnissen führen.³⁷ Nicht zuletzt aus diesem Grund ist besonders im 19. Jahrhundert vielfach auf Adelungs Darstellung verwiesen worden, und zwar i. d. R. mit dem Hinweis, dass diese Abgrenzungsmöglichkeit grammatisch nicht korrekt sei (vgl. u. a. Heyse 51838: 559; Grimm 21890: 110 f. hingegen ohne negative Wertung: Becker 1836: 319 f.).
1.3.3 20. Jahrhundert Auch im 20. Jahrhundert finden sich – zumindest vereinzelt – Publikationen, die die in 1.3.1 benannte Position zur Adjektiv-Adverb-Abgrenzung vertreten.³⁸ Exemplarisch seien hier Arbeiten von Weinrich 1967, Rolland 1997 und Rolland 1999 analysiert. Während Weinrich nur indirekt im Zusammenhang mit Stellungseigenschaften französischer Adjektive auf die Wortart ‚Adjektiv‘ im Deutschen eingeht, beschäftigt sich der Aufsatz von Rolland 1999 speziell mit der Abgrenzungsthematik.
37 Vgl. u. a. auch die fehlende Differenzierung zwischen Kopulaverben und anderen Verben. 38 Ein direkter Bezug auf Grammatiken des 17.–19. Jahrhunderts ist in den neueren Arbeiten nicht festzustellen. Lediglich Rolland verweist darauf, dass ältere Grammatiken diese Auffassung bereits vertraten (vgl. Rolland 1999: 106).
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Die untersuchten Arbeiten erweisen sich in Bezug auf semantische Gesichtspunkte insofern unterschiedlich, als Weinrich keine diesbezüglichen Angaben macht, während Rolland – v. a. aufgrund ihrer theoretischen Verortung in der inhaltsbezogenen Grammatik (vgl. Rolland 1997: IV) – die inhaltliche Gerichtetheit von Wortarten als ausschlaggebendes Merkmal erachtet (vgl. Rolland 1997: 39). Unter Bezug auf Weisgerber postuliert sie, dass die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ gleichartig sind, weil sie in ihrer inhaltlichen Ausrichtung übereinstimmen (vgl. Rolland 1999: 105, 108). In den Wortartenbeschreibungen erscheint die Semantik zumindest indirekt als relevantes Kriterium, da Rolland in Bezug auf Adjektive Form und Funktion sehr eng verknüpft, wenn nicht sogar gleichsetzt, und den Attributbegriff stark semantisch definiert: Das Charakteristische der Wortart Adjektiv ist es, im Satz als spezielles Satzglied, nämlich als Attribut fungieren zu können. […] Attribute sind ausschließlich die Wörter, die die einen bestimmten Zustand ausdrückende Beifügung zum Substantiv (a) bzw. Adjektiv (b) darstellen, z. B. […] das schöne (b), neue (a) Buch. (Rolland 1999: 105; Hervorhebungen C. T.)
Morphologische Merkmale erweisen sich in allen betrachteten Arbeiten als zentrale Beschreibungsmomente. Demnach zeichnen sich Adjektive durch Flektiertheit aus, sodass es als sinnvoll erachtet wird, diese prinzipiell in flektierter Form (z. B. schöne) anzugeben (vgl. Weinrich 1967: 126; Rolland 1999: 108).³⁹ Rolland bezieht in ihrer Beschreibung dabei explizit die Komparationsfähigkeit als eine Art von Flexion ein. Sie betont für die Wortart ‚Adjektiv‘ die notwendige Verbindung von Komparation und Deklination, wobei Komparation als integrierter Bestandteil der Deklination aufgefasst wird (vgl. Rolland 1999: 107).⁴⁰ Das Auftreten unflektierter Adjektive wird in Fällen wie in (53) als Ausnahme poetischer Sprache bezeichnet bzw. in Fällen wie in (54) als „Grenzfall“ (Rolland 1999: 108). (53) (54)
kein schöner Land // Jung Siegfried (Rolland 1999: 109) das lila Kleid // der Bonner Löwe (Rolland 1999: 108)
39 Vor diesem Hintergrund erscheint es konsequent, Zahlwörter, die mehrheitlich nicht flektierbar sind, zu einer anderen Wortart zu rechnen (vgl. so zumindest explizit Rolland 1999: 105). 40 Gemäß Rolland sind Deklination und Komparation beim Adjektiv miteinander verknüpft, weil sie in ihrer Gesamtheit zu einer einheitlichen Wortform führen, z. B. in das neuere Kleid (vgl. Rolland 1999: 107). Damit begründet Rolland u. a. auch die Abgrenzung zur Wortart ‚Substantiv‘, die im Gegensatz zur Wortart ‚Adjektiv‘ nur über eine sog. ‚reine‘ Deklination verfügt (vgl. ebd.).
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In Bezug auf die Wortart ‚Adverb‘ erfolgt bei Weinrich lediglich der Hinweis, dass Vertreter dieser Wortart grundsätzlich in unveränderter Form auftreten (Weinrich 1967: 126). Etwas anders äußert sich Rolland. Vor dem Hintergrund der soeben erwähnten Auffassung, Deklination und Komparation als zwei verschiedene Arten der Flexion zu betrachten, kommt sie zu dem Schluss, Adverbien als flektierte, undeklinierte Einheiten zu charakterisieren, deren spezifisches Flexionssystem die sog. ‚reine Komparation‘ (d. h. eine Komparation ohne Deklination) ist (vgl. Rolland 1999: 108, 112). Neben den o. g. morphologischen Kriterien legen die untersuchten Arbeiten außerdem besonderen Wert auf syntaktische Kriterien in Form von (syntaktischen) Funktionen und positionalen Merkmalen. Betrachtet man zunächst die Wortart ‚Adjektiv‘, so zeigt sich, dass die syntaktische Funktion ‚Attribut‘ als konstitutiv angesehen wird (vgl. Weinrich 1967: 126; Rolland 1999: 105). Hinsichtlich der Position von Adjektiven benennt man die pränominale Stellung wie in (55) als einzig mögliche (vgl. Weinrich 1967: 127; Rolland 1999: 108 f.). (55)
Der schnelle Mann kommt.
Die Wortart ‚Adverb‘ wird nur bei Rolland im Hinblick auf mögliche Satzgliedfunktionen charakterisiert, und zwar als Subjekt (vgl. (56)), Objekt (vgl. (57)) bzw. Umstandsbestimmung (vgl. (58)).⁴¹ Bei Verbindungen aus Adverb und Kopulaverb wie in (59) nimmt Rolland an, dass diese gemeinsam das Prädikat bilden (vgl. Rolland 1999: 115). (56) (57) (58) (59)
Schneller wäre besser gewesen. (Rolland 1999: 119) Er hat nicht darüber nachgedacht. (Rolland 1999: 119) Gestern hat es geregnet. (Rolland 1999: 119) Das Kleid ist rosa. (Rolland 1999: 109)
Bezüglich der Stellung von Adverbien werden in beiden Arbeiten zwei grundlegende Positionen benannt: die pränominale und die postverbale (vgl. (60)–(61)). Die Nachstellung von Umstandsbestimmungen findet ebenfalls Erwähnung, sie wird allerdings unterschiedlich erklärt. Während Rolland von Verkürzungen
41 Strittig ist insbesondere die Frage, ob Adverbien tatsächlich als ‚Subjekt‘ fungieren können. In der Literatur wird dies vereinzelt angenommen, zugleich verweist man jedoch auch auf die Möglichkeit, bei derartigen Konstruktionen von elliptischen Konstruktionen auszugehen (vgl. u. a. Duden 4 82009: 811).
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ausgeht (vgl. (62)), spricht Weinrich von poetischen Abweichungen ursprünglich pränominaler Stellungen (vgl. (63)). (60) (61) (62) (63)
ein gut Teil // aus halb Deutschland (Rolland 1999: 109) Klein Hänschen ist klein. // Er denkt klein. (Weinrich 1967: 127) Schauma mild > Schauma ist mild. (Rolland 1999: 109) Hänschen klein > Klein Hänschen (Weinrich 1967: 127)
Für die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung nehmen die Autoren explizit Bezug auf die Wortartenbeschreibung und führen entsprechend morphologische und / oder funktionale Merkmale an. Weinrichs Argumentation beruht vorrangig auf der augenfälligen morphologischen Unterscheidbarkeit zwischen flektierten Adjektiven und unflektierten Adverbien, die lediglich durch die Dominanz des Lateinischen keine Beachtung gefunden habe (vgl. Weinrich 1967: 126). Zumindest nachvollziehbar wird diese Argumentation, wenn man sich – wie auch Weinrich – allein auf die beiden Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ konzentriert.⁴² Allerdings kann dem zweiten Argument, man könne mit dieser Kategorisierungsauffassung die Beschreibung der Stellungseigenschaften vereinfachen (vgl. ebd.: 127), m. E. nicht gefolgt werden, denn gemäß der o. g. Wortartenbeschreibung konkurrieren Vertreter beider Wortarten durchaus in der pränominalen Stellung (vgl. für lila und klein in (64)). Zugleich erweist sich diese pränominale Position, die für die Adverbklasse als eine typische Stellung angesetzt wird, für zahlreiche Adverbien sogar als ungrammatisch (vgl. (65)). Die anvisierte Vereinfachung der Stellungseigenschaften geht demnach zulasten einer differenzierten Betrachtung der Adverbdistribution und löst zudem den Überschneidungsbereich zum ‚Adjektiv‘ nicht auf. (64) das lila Kleid (A) vs. mein klein Hänschen (Adv) (65) klein Hänschen ABER *sofort Hänschen // *wann Hänschen Etwas anders argumentiert Rolland. Zwar beschreibt auch sie die Unterscheidung von Adjektiv und Adverb auf der Grundlage der Deklination, allerdings beruft sie sich zur Unterscheidung letztlich auf die Satzgliedfunktion:
42 Schwierigkeiten würden erst erkennbar, wenn man diese Argumentation im Kontext einer Wortarten-Gesamtsystematik betrachtet und bei der vorgeschlagenen Adverbdefinition die Gruppe der Adverbien immens vergrößert würde, da sie alle unflektierten Wörter des Deutschen umfassen müsste, was aus heutiger Sicht als zu undifferenziert bezeichnet werden kann.
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[…] aber nicht die Form ist entscheidend, sondern die Funktion des Adjektivs als Attribut. (Rolland 1999: 108)
Eine vergleichbare Zuschreibung für die Wortart ‚Adverb‘ fehlt allerdings, was vermutlich damit zu erklären ist, dass Adverbien Satzgliedfunktionen übernehmen, die auch durch Wörter anderer Wortarten repräsentiert werden können. Für Adverbien scheint demnach doch die Undekliniertheit konstitutiv zu sein, denn nur damit wären Adverbien von Wörtern abgrenzbar, die die gleichen Satzgliedfunktionen übernehmen können. In jedem Fall scheint das funktionale Kriterium demnach nicht konsequent zum Einsatz zu kommen. Vielmehr nennt Rolland ein weiteres, damit im Zusammenhang stehendes Kriterium, und zwar die „Frage nach dem Satzglied“ (Rolland 1999: 108). Demnach kann man nach Adjektiven mit dem Wort welche und nach Adverbien mit wie fragen (vgl. Rolland 1999: 108 f.).⁴³ Auf die grundlegenden Schwierigkeiten, die mit derartigen, Semantik, Form und Funktion vermischenden Proben verbunden sind, ist bereits in Kapitel 1.3.2 der vorliegenden Arbeit hingewiesen worden. Dass die genannten Argumente von Rolland und Weinrich insgesamt nicht ausreichen, um die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung plausibel zu begründen, lässt sich u. a. anhand bestimmter Zuordnungen verdeutlichen, die in der Zusammenschau willkürlich erscheinen und nicht zuletzt divergierende Ergebnisse der Autoren demonstrieren: So bleibt u. a. ungeklärt, aus welchen Gründen man pränominale, unflektierte Wörter wie jung bzw. klein in (66)–(67) unterschiedlichen Wortarten zuordnet. (66) Jung Siegfried > A (Rolland 1999: 109) (67) Klein Hänschen > Adv (Weinrich 1967:127) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das grundlegende Problem der analysierten Arbeiten wohl darin besteht, dass man von einem relativ engen Adjektiv-Begriff ausgeht und die Adverbdefinition nur sehr vage, vorrangig in Abgrenzung zur Adjektivklasse formuliert, ohne die Gesamtklassifikation zu berücksichtigen. Das führt v. a. dazu, dass bei Dominanz des Merkmals ‚Flektiertheit‘ eine grammatisch äußerst heterogene Wortart ‚Adverb‘ angenommen werden muss. Insgesamt ist im Vergleich mit älteren, in Kapitel 1.3.2 untersuchten Arbeiten zumindest im Bereich der Abgrenzungsbegründungen keine entschei-
43 Die Parallelen zu Funk 1763 (vgl. dazu Kapitel 1.3.2) sind unübersehbar, wenngleich Rolland sich nicht explizit darauf bezieht.
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dende Entwicklung zu konstatieren.⁴⁴ Sicher nicht zuletzt aus diesen Gründen findet die untersuchte Position kaum Resonanz in der gegenwärtigen Linguistik. Weinrich entschied sich sogar für einen Positionswechsel (vgl. Weinrich 32005).⁴⁵
1.4 Position III 1.4.1 Kurzcharakteristik Die Herausbildung einer dritten Position zur Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung basiert auf einer primär semantischen Differenzierung, wie sie v. a. in Arbeiten von Adelung angenommen wurde. Demnach wird unterschieden zwischen Eigenschafts-, Beschaffenheits- und Umstandswörtern (vgl. u. a. Adelung 1782). Im Gegensatz zu Adelung fasst man jedoch Beschaffenheits- und Umstandswörter nicht zu einer Klasse zusammen, sondern postuliert drei Wortarten. Diese Herangehensweise wurde im 19. Jahrhundert von verschiedenen Schulgrammatikern vertreten (vgl. u. a. Reinbeck 1802; Bernhardt 1825; Berndt 31842) und entstand ebenfalls aus dem Bestreben, sich von der lateinischen Tradition zu emanzipieren. Allerdings hat die Position in der Forschung keine Breitenwirkung entfalten können und ist gegenwärtig primär von wissenschaftshistorischem Interesse. Charakteristisch ist die folgende Fallunterscheidung: Für Wörter wie schnell und schön nimmt man in Verwendungen wie in (68) ‚Eigenschaftswort‘ an, für Verwendungen wie in (69) hingegen ‚Beschaffenheitswort‘. Das Auftreten von Wörtern wie schnell, schön und sofort in (70) bzw. (71) fasst man zusammen zum sog. ‚Umstandswort‘. (68) (69) (70) (71)
Der schnelle Mann kommt. // Sie beobachtet den schönen Vogel. Der Mann ist schnell. // Der Vogel ist schön. Der Mann kommt schnell. // Der Vogel singt schön. Der Mann kommt sofort.
44 Am ehesten besteht ein Unterschied im Hinblick auf den Grad an Explizitheit. 45 Und vertritt seither eine Position, die in der vorliegenden Arbeit als Position V bezeichnet wird (vgl. genauer dazu Kapitel 1.6).
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1.4.2 19. Jahrhundert Für die folgende Analyse werden exemplarisch die Arbeiten von Reinbeck 1802 und Berndt 31842 betrachtet. Beide Autoren haben ihre Grammatiken vorrangig für den schulischen Unterricht konzipiert. Bei der Betrachtung der Wortartenbeschreibungen zeigt sich, dass semantische Gesichtspunkte besonders zentral sind, da sie mit den Wortartenbenennungen korrelieren. So bezeichnen ‚Eigenschaftswörter‘ Eigenschaften, und zwar als an einem Ding befindlich (vgl. Reinbeck 1802: 37; Berndt 31842: 8), während ‚Beschaffenheitswörter‘ eine nähere Beschaffenheit eines Gegenstandes allgemein beschreiben, ohne mit demselben unzertrennlich verbunden zu sein (vgl. u. a. Berndt 31842: 10). Dabei betrachten die Autoren Beschaffenheitswörter als Grundlage für die Bildung von Eigenschaftswörtern (vgl. Reinbeck 1802: 53; Berndt 31842: 9). Schließlich wird für ‚Umstandwörter‘ angegeben, dass sie Zeit, Ort sowie Art und Weise von Handlungen bezeichnen (vgl. Berndt 31842: 29). Reinbeck ergänzt abgrenzend zu den anderen Wortarten, dass Umstandswörter keine näheren Erklärungen zu Substantiven darstellen können (vgl. Reinbeck 1802: 38). Außerdem werden bei Berndt Fragen bzw. Fragewörter erwähnt, mithilfe derer man Beschaffenheitswörter (Wie ist?) und Umstandswörter (Wann?, Wie? bzw. Wo?) ermitteln soll (vgl. Berndt 31842: 9, 29).⁴⁶ Die Morphologie wird als Beschreibungsebene im Zusammenhang mit den beiden Wortarten ‚Eigenschaftswort‘ und ‚Beschaffenheitswort‘ benutzt. Dabei wird die Wortart ‚Eigenschaftswort‘ dadurch charakterisiert, dass sie im Gegensatz zu den beiden anderen Wortarten das Merkmal der Deklination aufweist. Reinbeck benennt das konstitutive Suffix ‚-e‘ und verwendet dafür die Bezeichnung „Einverleibungs e“ (Reinbeck 1802: 53).⁴⁷ Die Komparation als weitere Form der morphologischen Veränderlichkeit findet ebenfalls Erwähnung. Diese Fähigkeit wird grundlegend der Wortart ‚Beschaffenheitswort‘ zugeschrieben (vgl. u. a. Reinbeck 1802: 35 f.), nicht jedoch der Wortart ‚Eigenschaftswort‘. Zu erklären ist dies mit der Annahme, dass Eigenschaftswörter nicht an sich komparierbar sind, sondern aus den entsprechend komparierten Formen von Beschaffenheitswörtern abgeleitet werden (vgl. Rein-
46 Die Fragemethode wird als semantischer Gesichtspunkt aufgefasst, da keinerlei Hinweise auf funktionale Zusammenhänge erfolgen, die eine andere kriteriale Einordnung motivieren könnten. 47 Vergleichbar mit anderen Arbeiten des 18. bzw. 19. Jahrhunderts (vgl. u. a. Adelung 1782; Heyse 51838) zeigt sich in dieser Terminologie wiederum die enge Verknüpfung semantischlogischer und morphologischer Aspekte.
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beck 1802: 37; Berndt 31842: 57).⁴⁸ Umstandswörter kennzeichnet man ebenfalls als komparierbar, allerdings gibt zumindest Reinbeck an, dass nur wenige über diese Fähigkeit verfügen (Reinbeck 1802: 38). Syntaktische Kriterien spielen in den Darstellungen nur in Ansätzen eine Rolle. Allenfalls könnte man hier einige Angaben zu Stellungseigenschaften und Kombinationsmöglichkeiten von Eigenschafts- und Beschaffenheitswörtern anführen. Eigenschaftswörter können demnach typischerweise vor das Substantiv positioniert werden bzw. wie gute in (72) auch danach, wenn keine Form von sein dazwischensteht (vgl. Berndt 31842: 8). (72)
Der redliche Mann, der gute […] (Berndt 31842: 8)
Die Wortart ‚Beschaffenheitswort‘ wird dadurch charakterisiert, dass sie nur in Kombination mit dem Verb sein auftritt (vgl. Reinbeck 1802: 37; Berndt 31842: 10). Bei Berndt finden sich zudem einige Bemerkungen zur Rektionsfähigkeit von Beschaffenheitswörtern (vgl. (73)), die ebenfalls als Angaben zur Kombinationsfähigkeit gewertet werden können. (73)
des Geldes bedürftig > Genitivrektion (Berndt 31842: 93)
Als weiteres Kriterium findet man die ‚Bezugsform‘. Sowohl Eigenschaftswörter als auch Beschaffenheitswörter beziehen sich Berndt zufolge auf Substantive, während Umstandswörter „größtentheils“ (Berndt 31842: 8; 29) auf Verben bezogen sind. Die Besonderheit der Beschaffenheitswörter besteht gemäß der Autoren jedoch darin, dass der Bezug indirekt über das Verb sein hergestellt wird (vgl. Reinbeck 1802: 37; Berndt 31842: 10). Die Frage der Abgrenzung zwischen den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ wird in den Darstellungen kaum thematisiert. Unter Berufung auf Adelung bemüht man sich lediglich, die Annahme des Beschaffenheitswortes als eigenständiger Kategorie zu rechtfertigen. Bis Adelung war dieser Redetheil ganz unbeachtet geblieben, obgleich solche Eigenthümlichkeiten einer Sprache ganz besonders geschätzt und berücksichtigt werden sollten (Berndt 31842: 10).
48 Diese Annahme hat sicher mit der Reihenfolge der morphologischen Prozesse zu tun (Komparation > syntaktisch wechselnde Flexion [Kasus, Numerus, Genus]). Zugleich ist darin deutlich die Orientierung an Adelung zu erkennen, der ebenfalls davon ausgeht, dass Komparation keinen am Adjektiv stattfindenden Prozess darstellt (vgl. dazu Kapitel 1.3.2).
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Da die Frage, wie zwischen den drei Wortarten unterschieden werden kann, nicht eigens problematisiert wird, müsste sie allein aus den Wortartenbeschreibungen hervorgehen. Da sich nur auf der Ebene der Semantik und der Bezugsform Anmerkungen zu allen drei Wortarten finden, ist davon auszugehen, dass die Kategorienbildung vorrangig dadurch motiviert ist.⁴⁹ Weniger problematisch scheint dies für die Klasse ‚Umstandswort‘ zu sein. Allerdings wären allein mit diesen Kriterien die Unterscheidung von Eigenschafts- und Beschaffenheitswörtern kaum zu legitimieren. Man verwendet diesbezüglich weitere Kriterien und versucht, die Unterschiede über die differierende äußere Form und die Stellungs- bzw. Kombinationseigenschaften zu begründen (vgl. Reinbeck 1802: 53; Berndt 31842: 8; 10). Diese Vorgehensweise ist einerseits aufgrund der Art der verwendeten Kriterien problematisch, andererseits aufgrund ihrer Heterogenität. Man fokussiert den Zusammenhang von Semantik und Wortart und nimmt zugleich an, dass mehrere Kriterien für eine sinnvolle Abgrenzung notwendig sind. Daraus ergeben sich schwerwiegende Unstimmigkeiten, die exemplarisch vorgeführt werden sollen. Wenn man annimmt, dass alle genannten Merkmale für eine Wortartenzuordnung erfüllt sein müssen, dann könnte man bestimmte Wörter wie rosa in (74), die von der Semantik, der Bezugsform und Stellung als ‚Eigenschaftswort‘ zu kategorisieren wären, aufgrund ihrer Nichtflektierbarkeit nicht als solche bestimmen. Gleichermaßen wäre eine Zuordnung zu den Beschaffenheits- oder Umstandswörtern nicht möglich, da die syntaktischen und semantischen Kriterien sowie die Bezugsform nicht erfüllt sind. Berücksichtigt man hingegen nicht alle Kriterien in gleichem Maße, so könnte man u. a. auch Wörter wie dort in (75) aufgrund der Stellungs- und Bezugsmerkmale als sog. ‚Eigenschaftswort‘ klassifizieren. (74) (75)
Der rosa Stoff gefällt ihm. das Fahrzeug dort
Dies stünde jedoch im Widerspruch zu den Angaben in den untersuchten Grammatiken, die das Wort dort als Umstandswort klassifizieren (vgl. u. a. Berndt 3 1842: 5; 29). Die wenigen Bemerkungen genügen bereits, um zu verdeutlichen, dass die Verschiedenartigkeit der Kriterien zu Widersprüchen führt, potenziert durch die Art der Kriterien. So muss beispielsweise die Priorität semantischer Kriterien (zumindest in der hier verwendeten Form) aus heutiger Sicht eher als
49 Das scheint zumindest für semantische Kriterien auch dadurch bestätigt, dass man Zahlwörter nicht einer der drei Wortarten zuordnet, sondern dafür eine eigene Wortart ansetzt (vgl. u. a. Berndt 31842: 1).
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problematisch eingeschätzt werden. Insgesamt lassen die heterogenen Kriterien sowie die Inkonsequenz der Anwendung vermuten, dass die dargelegten Zuordnungskriterien nur nachträglich hinzugefügt wurden, um eine bereits vorgenommene Einteilung zu legitimieren. Folglich gestaltet sich eine Anwendung der vorgeschlagenen Wortartendifferenzierung als sehr problematisch. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Ansatz weder in Praxis noch Forschung Breitenwirkung entfalten konnte und besonders in der modernen Sprachwissenschaft nicht wieder aufgegriffen wurde.
1.5 Position IV 1.5.1 Kurzcharakteristik Im Gegensatz zu der im vorangegangenen Kapitel analysierten Position, die sich durch die Annahme von drei verschiedenen Wortarten auszeichnet, betont man im Rahmen der vierten Forschungslinie die Gemeinsamkeiten der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ und fasst sie daher zu einer Wortart zusammen. Folglich lässt sich diese Position dadurch charakterisieren, dass Wörter wie schnell, schön und sofort in (76)–(79) einer einheitlichen Wortart zugeordnet werden. Je nach Autor wird diese als ‚Adjektiv‘, ‚Beiwort‘ oder ‚Eindruckswort‘ bezeichnet. (76) (77) (78) (79)
Der schnelle Mann kommt. // Sie beobachtet den schönen Vogel. Der Mann ist schnell. // Der Vogel ist schön. Der Mann kommt schnell. // Der Vogel singt schön. Der Mann kommt sofort.
Erste Hinweise für eine derartige Kategorisierung finden sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Ammann (vgl. Ammann 1925: 126). Besonders in den 1950er und 1960er Jahren ist diese Position erörtert worden (vgl. u. a. Erben 1958 ff.; Jung 1966) und wird von einzelnen Sprachwissenschaftlern bis in die Gegenwart vertreten (vgl. v. a. Motsch 22004; Erben 52006).
1.5.2 20. und 21. Jahrhundert Im Folgenden sollen zwei zentrale Publikationen einer exemplarischen Analyse unterzogen werden. Einerseits wird die zu Studienzwecken konzipierte Grammatik von Erben 121980 im Mittelpunkt stehen, da der Autor als Begründer der vorliegenden Adjektiv-Adverb-Position gelten kann. Andererseits findet ein Text
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von Motsch – einem weiteren aktuellen Vertreter dieser Position – mit seinen Ausführungen in der Wortbildungslehre „Deutsche Wortbildung in Grundzügen“ Berücksichtigung. Die Untersuchung der Arbeiten lässt zunächst erkennen, dass semantische Gesichtspunkte von zentraler Bedeutung sind. Dies äußert sich beispielsweise bei Motsch in der allgemeinen, primär semantischen Grundorientierung, sollen doch in der gesamten Darlegung semantische (Wortbildungs-)Muster im „Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen“ (Motsch 22004: 2). In beiden Arbeiten finden sich aber auch im Zusammenhang mit den Wortartenbeschreibungen ausführlichere Bemerkungen zur Semantik.⁵⁰ Laut Erben besteht die Leistung des sog. ‚Beiworts‘ darin, „das ausgesagte Geschehen / Sein bzw. daran beteiligte Größen“ zu charakterisieren (Erben 121980: 59), Motsch hingegen geht vorerst allgemein davon aus, dass „Adjektiven typischerweise Eigenschaften zugeordnet sind“ (Motsch 22004: 161), die dann unter Berücksichtigung von Kontextbedingungen näher beschrieben werden (vgl. v. a. ebd.: 161–165). Beide Autoren setzen im Weiteren eine Korrelation zwischen Semantik und Syntax an und differenzieren die genauere semantische Beschreibung primär nach syntaktischen Subklassen. Exemplarisch sei hier die Einteilung von Erben wiedergegeben, der die Semantik attributiver, prädikativer und adverbialer Beiwörter sowie einer vierten, syntaktisch nicht näher benannten Subklasse von Beiwörtern erörtert.⁵¹ Demzufolge bestimmen attributive Beiwörter Größen „hinsichtlich Wesen oder Zustand, Verhalten, Zugehörigkeit und Stellung, Eignung, Wert oder Wirkung“ (Erben 121980: 171), während prädikative Beiwörter ein Sein, einen bestehenden oder eintretenden Zustand charakterisieren (vgl. ebd.: 175). Das adverbiale Beiwort hingegen kennzeichnet laut Erben die „Art und Weise, in der das Geschehen vor sich geht, Umfang oder Intensität, örtliche und zeitliche Umstände, äußere und innere (subjektive) Bedingungen […] Berechtigung oder Erfolg“ (Erben 121980: 177 f.). Schließlich soll die vierte Subklasse diejenigen Beiwörter fassen, die Art oder Grad eines Beiwortbegriffs bezeichnen (vgl. ebd.: 182 ff.).⁵²
50 Hingewiesen sei nochmals darauf, dass die Autoren unterschiedliche Termini zur Bezeichnung der hier fokussierten Wortart nutzen – während Erben den Terminus ‚Beiwort‘ verwendet, wählt Motsch den Terminus ‚Adjektiv‘. 51 Vom Ansatz her vergleichbar stellt auch Motsch eine Korrelation zwischen Semantik und Syntax her, indem er die Beschreibung der Adjektivsemantik untergliedert nach ‚prädikativer / attributiver Verwendung‘, ‚restriktiver / appositiver Verwendung‘ und ‚adjunktiver Verwendung‘ (vgl. genauer dazu Motsch 22004: 169–174). 52 Kritisch anzumerken an Erbens Subklassifikation ist zum einen, dass man hier Satzgliedterminologie (‚attributiv‘, ‚prädikativ‘, ‚adverbial‘) und Semantik (die vierte, nicht näher syntaktisch bezeichnete Subklasse der ‚gradierenden‘ Wörter) nebeneinander stellt und damit sugge-
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Im Gegensatz zu semantischen Kriterien finden morphologische Kriterien nicht in gleichem Umfang in beiden Darstellungen Berücksichtigung. Motsch beschränkt sich auf kurze Angaben zur ‚Gradierbarkeit‘ von Adjektiven, die u. a. durch Komparativ- oder Superlativformen wie älter bzw. älteste erreicht werden kann (vgl. Motsch 22004: 165). Ausführlicher im Hinblick auf morphologische Eigenschaften ist die Grammatik von Erben. Offensichtlich wird diesen Kriterien sogar wortartkonstitutiver Charakter zugewiesen. So werden Beiwörter abgrenzend zu Verb und Substantiv gefasst als eine „Wortklasse mit Steigerungsformen und der grundsätzlichen Kombinierbarkeit mit davortretenden Gradbezeichnungen wie sehr, allzu, überaus, mehr (als)“ (Erben 121980: 58). Wenngleich nicht alle Mitglieder der Wortart über diese Fähigkeit zur Komparation verfügen, so wird dennoch davon ausgegangen, dass man eine vergleichbare Stufung i. d. R. durch vorangestellte Komparative wie mehr in (80) oder durch intensivierende Beiwörter wie dunkel- oder gift- in (81) erreichen kann.⁵³ (80) Er ist mehr tot als lebendig. (Erben 121980: 187) (81) dunkel- / gift-grün (Erben 121980: 187) Im Hinblick auf weitere Flexionseigenschaften erfolgen bei Erben insbesondere ausführlichere Angaben zu attributiven Beiwörtern. Sie werden dadurch charakterisiert, dass sie mit dem Substantiv kongruieren und flektiert werden (vgl. Erben 12 1980: 171). Zugleich thematisiert Erben auch Sonderfälle von Beiwörtern, die attributiv unflektiert erscheinen (vgl. ebd.: 172) und verweist außerdem darauf, dass auch alle anderen, nichtattributiven Beiwörter regulär keine „flexivischen Funktionszeichen“ (ebd.: 179) aufweisen. Betrachtet sei weiterhin der Umgang mit syntaktischen Kriterien. Auch diesbezüglich verhalten sich die Arbeiten unterschiedlich. Während syntaktische Gesichtspunkte bei Erben nur in begrenztem Maß Berücksichtigung finden, spielen sie bei Motsch eine entscheidende Rolle. So beschränken sich in der Grammatik von Erben die syntaktischen Angaben einerseits auf die bereits im Zusammenhang mit semantischen Kriterien genannte Subklassifikation, die auf die attributive, prädikative und adverbiale Funktion rekurriert. Andererseits
riert, dass sich die Begriffe auf einer Ebene befinden. Zum anderen verwendet Erben eine unpräzise Terminologie (vgl. etwa ‚adverbal‘ neben ‚adverbial‘ (vgl. Erben 121980: 175, 179) oder ‚adverbial‘ synonym zu ‚Attribut zum Verb‘ (vgl. ebd.: 177)), die teilweise an Grammatiken des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts orientiert zu sein scheint. 53 Ähnlich führt auch Motsch – abgesehen von den o. g. Angaben – weitere Möglichkeiten der Gradierbarkeit auf, v. a. durch Lexikoneinheiten wie sehr in sehr alt oder durch Ergänzungen wie drei Meter in drei Meter lang (vgl. Motsch 22004: 165).
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erfolgen einige Angaben zu positionalen Merkmalen. Dabei wird das attributive ‚Beiwort‘ als eine typischerweise dem Substantiv vorangestellte Einheit bezeichnet (vgl. ebd.: 175), wobei zugleich Bemerkungen zu Ausnahmen angefügt sind (vgl. u. a. die in (82) angeführten Fälle). In Bezug auf prädikative und adverbiale Beiwörter wird zusammenfassend dargelegt, dass in Sätzen mit neutraler Wortstellung wie in (83) die betonte Endstellung als typische Position zu benennen ist (vgl. ebd.: 177). Darüber hinaus finden Besonderheiten wie sog. ‚freie Prädikative‘ und hervorhebende Wortstellungen wie in (84) Erwähnung (vgl. ebd.: 177).⁵⁴ (82) die Leute hier // die Wissenschaft allein // Gäste, junge und alte (Erben 121980: 175) (83) Er arbeitet schnell. // Er ist krank (gewesen). (Erben 121980: 177; 179) (84) Heiß muß man die Suppe servieren. (Erben 121980: 177) In der Darstellung von Motsch werden Adjektive ebenfalls im Hinblick auf positionale und / oder funktionale Merkmale näher charakterisiert. So legt Motsch den Fokus bei der Beschreibung syntaktischer Eigenschaften primär auf mögliche Verwendungsweisen von Adjektiven und fasst diese zu fünf verschiedenen Funktionen zusammen.⁵⁵ Es handelt sich dabei um die sog. attributive, appositive, prädikative, adjunktive und adjektivmodifizierende Verwendung, für die in (85)–(89) exemplarisch Beispiele aus Motsch (22004: 158 f.) angeführt sind. (85) (86) (87) (88) (89)
ein auserlesener (Aattributiv ) Geschmack Sein Geschmack, auserlesen (Aappositiv ), hindert ihn an […]. Sein Geschmack ist auserlesen (Aprädikativ ). Er greift plötzlich (Aadjunktiv ) an. stark (Aadjektivmodifizierend ) verschmutzt
Im Vergleich mit den Ausführungen von Erben sind diese syntaktischen Angaben insofern von besonderer Bedeutung, als die Definition der Wortart explizit auf diese fünf Verwendungen bzw. Funktionen Bezug nimmt. So wird postuliert, dass die Wortart ‚Adjektiv‘ „die Wörter umfasst, die alle fünf syntaktischen
54 Neben dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten Terminus ‚freie Prädikative‘ verwendet Erben zur Beschreibung dieses Phänomens weitere Begriffe, ohne sie gegeneinander abzugrenzen: ‚halbprädikative Adjektive‘, daneben auch ‚subjektbezogenes Prädikativ‘ sowie ‚Objektsprädikativ‘ (vgl. u. a. Erben 121980: 177, 306). 55 Es sei darauf hingewiesen, dass Motsch in Bezug auf die o. g. Adjektivpositionen sowohl die Begriffe ‚Verwendung‘ (vgl. u. a. ebd.: 158) als auch ‚Funktion‘ (vgl. u. a. ebd.: 160) nutzt und diese offensichtlich synonymisch zu verstehen sind.
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Funktionen ausüben können“ (Motsch 22004: 160). Zugleich verweist Motsch in diesem Zusammenhang aber auch auf Verwendungsbeschränkungen, die jeweils lexemspezifisch verzeichnet werden müssen (vgl. ebd.: 159 f.). Als Konsequenz aus diesen Beschränkungen lassen sich bestimmte Subklassen ermitteln. So werden beispielsweise Adjektive wie dort, heute oder morgen, die laut Motsch ausschließlich in adjunktiver Verwendung auftreten, als Subklasse ‚Adverb‘ geführt (vgl. ebd.: 160). Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die sog. ‚Satzadverbien‘ nicht zu den Adjektiven gezählt werden, sondern eine „selbständige syntaktische Klasse“ (ebd.) bilden.⁵⁶ Abgesehen von dieser zentralen Einteilung bzw. Subklassifizierung nach syntaktischer Verwendung erfolgen in der Wortbildungslehre zumindest knappe Anmerkungen zur Kombinationsfähigkeit von Adjektiven, indem im Zusammenhang mit der attributiven und prädikativen Verwendung darauf verwiesen wird, dass bestimmte Adjektive wie frei oder froh in (90) über weitere Argumentstellen verfügen können (vgl. ebd.: 169). Außerdem erfolgen, ähnlich wie bei Erben, einige Angaben zu sog. ‚freien Prädikativen‘ (vgl. (91)), wobei diese syntaktisch dennoch unter adjunktiver Verwendung geführt und folglich mit Verwendungen wie in (92) zusammengefasst werden (vgl. ebd.: 172 f.).⁵⁷ (90) frei von (NP, x) // froh über (NP / Satz, x) (Motsch 22004: 169) (91) Er trinkt den Kaffee kalt. (Motsch 22004: 172) (92) Er trinkt den Kaffee hastig. (Motsch 22004: 173) Abschließend sei ein weiteres Wortartkriterium benannt, das in der Wortartenbeschreibung von Erben zum Einsatz kommt. Es handelt sich um die sog. ‚Bezugsform‘, die Erben an der Grenze von Semantik und Syntax verortet (vgl. Erben 121980: 58) und dabei angibt, dass Beiwörter eine Bindung zu Verben, Substantiven oder anderen Beiwörtern aufweisen können. Aufgrund der Stellungsgleichheiten von prädikativen und adverbialen Beiwörtern zeigt Erben an Beispielen auf, dass der Bezug z. T. nur über den ‚Sinnbezug‘ erkennbar wird oder an sich ambig bleibt (vgl. ebd.: 179). Sog. ‚Sondergruppen‘ der Beiwörter wie Satzadverbien oder Partikeln werden ebenfalls durch die Bezugsform
56 Insbesondere die Annahme der Subklasse ‚Adverb‘ bzw. der Wortart ‚Satzadverb‘ begründet Motsch vor dem Hintergrund der Wortbildung und der Existenz jeweils spezifischer Wortbildungsmuster (vgl. Motsch 22004: 160). 57 Eine gesonderte Bezeichnung für die Phänomene, die unter dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten Terminus ‚freie Prädikative‘ zusammengefasst werden, findet sich bei Motsch nicht, was damit zu erklären sein dürfte, dass er diese unter dem Begriff ‚adjunktive Verwendung‘ fasst.
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charakterisiert, und zwar durch ihre vorrangige Verbindung zu Verben (vgl. ebd.: 178). Betrachtet man die Zusammenfassung der Wortartenbeschreibung, so wird in erster Linie deutlich, dass in den genannten Arbeiten keine völlig neue Wortart kreiert wird, sondern die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ lediglich entweder auf der Basis der sog. ‚Grundfunktion‘ (Erben121980: 57) oder auf der Basis von Verwendungsweisen (vgl. Motsch 22004: 160) zusammengefasst werden.⁵⁸ Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Inhalte der Wortartenbeschreibungen denen anderer Auffassungen ähneln. In diesem Zusammenhang hervorzuheben ist allerdings das in der Grammatik von Erben vertretene allgemeine Konzept, zwischen primären und sekundären Funktionen von Wortklassen zu differenzieren (Erben 12 1980: 57 f.). Erben postuliert dabei, dass Wörter vorrangig einer bestimmten Wortart angehören, in Satzkonstruktionen jedoch auch in anderen Funktionen erscheinen können. So kann ein Wort wie pflügen primär der Wortart ‚Verb‘ zugeordnet werden, sekundär aber u. a. auch als Substantiv erscheinen (vgl. (93)). (93) Der Bauer pflügt. > das Pflügen des Bauern (Erben 121980: 57) Leider kommt diese Differenzierung in der hier betrachteten Wortartenbeschreibung nicht zum Tragen, denn Wörter wie (das) Einfachste werden – ohne weiteren Kommentar – zu den Beiwörtern gerechnet (vgl. ebd.: 186), obwohl Parallelen zu (das) Pflügen in (93) durchaus erkennbar sind. Dennoch kann man im Gesamtkonzept bereits die Idee erkennen, zwei grundlegende Ebenen der Wortartenzuordnung (lexikalisch vs. syntaktisch) zu differenzieren, wobei Erben interessanterweise den Aspekt der Wortbildung betont (vgl. ebd.: 60).⁵⁹ Die Kritik an der vorgestellten Wortarteneinteilung richtet sich jedoch nicht primär gegen die unzureichende Ausarbeitung und Umsetzung einer derartigen Ebenendifferenzierung, sondern setzt vielmehr auf der Ebene der Klassifikationskriterien an. Zunächst ist dabei kritisch anzumerken, dass in den Darstellungen unterschiedliche Kriterienarten benannt werden (v. a. semantische und syntaktische bzw. semantische und morphologische), deren jeweilige Relevanz für die Wortartendefinitionen z. T. schwer einzuschätzen ist, da nicht immer zweifelsfrei differenziert wird zwischen wortartkonstitutiven und -beschreibenden Aussagen.
58 Allerdings wird zumindest der Funktionsbegriff bei Erben nicht weiter präzisiert (vgl. kritisch dazu auch Helbig 1977: 102); Offenbar spielen semantische und grammatische Aspekte eine Rolle. 59 Vgl. zu ähnlichen Ansätzen in der Forschungsliteratur, zwei Ebenen der Wortartenzuordnung zu differenzieren, Kapitel 1.2.3 und Kapitel 1.6.2.
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Exemplarisch lässt sich dies anhand der semantischen Kriterien veranschaulichen. Wie im vorangegangenen Abschnitt ausgeführt wurde, weisen beide Arbeiten semantischen Gesichtspunkten grundsätzlich eine zentrale Bedeutung zu. Allerdings macht keine der Darstellungen explizit, welche Rolle semantische Kriterien bei der Konstitution der Wortart letztlich spielen sollen. Nimmt man an, dass es sich bei den genannten semantischen Eigenschaften um definitorisch relevante Merkmale handelt, dann wäre beispielsweise an den Ausführungen von Erben zu beanstanden, dass Wörter wie mein, Güte oder Treue, die explizit zu anderen Klassen gezählt werden, dennoch den semantischen Angaben der Wortart ‚Beiwort‘ entsprechen (vgl. z. B. mein zum Ausdruck einer Zugehörigkeit). Umgekehrt erscheint für einige Beiwörter (vgl. u. a. für denn, äußerst oder auch dort) die Klassenzugehörigkeit semantisch zumindest unplausibel. Aber auch im Hinblick auf morphologische Kriterien, denen zumindest Erben (und zwar im Gegensatz zu Motsch) ganz offensichtlich wortartkonstitutive Funktion zuweist, kommt es zu Schwierigkeiten bei der Wortartenzuordnung. So ist v. a. in Bezug auf das von Erben eingesetzte Kriterium der ‚Steigerung‘ zu kritisieren, dass der Begriff ‚Steigerung‘ nicht auf die Komparation beschränkt, sondern sehr weit gefasst wird. Demnach ist eine Abgrenzung insbesondere zu Substantiven wie Erzfeind oder Unmenge in (94) m. E. nicht mehr gegeben. (94) Erz-feind // Un-menge Im Zusammenhang mit syntaktischen Kriterien weisen die gewählten Formulierungen darauf hin, dass es sich zumindest bei Motsch um konstitutive Kriterien handelt (vgl. Motsch22004: 158 f.). Folgt man dieser Annahme, so wäre v. a. im Hinblick auf das bei Motsch genannte Kriterium ‚Verwendung‘ zu kritisieren, dass die fünf angeführten Verwendungsarten nicht erschöpfend sind, sondern darüber hinaus mindestens eine weitere grundlegende Verwendungsweise zu konstatieren ist (vgl. (95)). Zugleich sind die genannten adjektivspezifischen Verwendungen nicht auf Vertreter der Wortart ‚Adjektiv‘ beschränkt, denn beispielsweise in prädikativer Verwendung sind auch Wörter wie Lehrer möglich (vgl. (96)). (95) dort / direkt auf dem Platz (96) Der Mann ist schnell / Lehrer. Diese wenigen Anmerkungen sollen exemplarisch verdeutlichen, dass bereits die einzelnen Kriterien, wenn man sie denn als konstitutive Kriterien auffasst, jeweils als problematisch einzuschätzen sind. Auch wenn Erben einräumt, dass nur ein „Kernbestand der Beiwörter“ (Erben 121980: 184, Hervorhebung C. T.) über die
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angeführten Merkmale verfügt, bzw. bei Motsch der Hinweis erfolgt, dass „viele der üblicherweise als Adjektiv klassifizierten Wörter“ (Motsch 22004: 158, Hervorhebung C. T.) in den fünf ermittelten Verwendungen auftreten können, so erklärt dies noch nicht, anhand welcher Kriterien die Wortart ‚Beiwort‘ bzw. ‚Adjektiv‘ letztlich etabliert werden soll. Die Praktikabilität und Anwendbarkeit der Wortartendefinitionen muss demnach stark bezweifelt werden. Im Ergebnis entsteht eine äußerst heterogene Wortart, die Wörter umfasst, die traditionellerweise zu den Wortarten ‚Adjektiv‘, ‚Adverb‘ und ggf. ‚Partikel‘ gezählt werden. Nicht von der Hand zu weisen ist zwar die Tatsache, dass durch die Annahme einer gemeinsamen Wortart die Frage der Abgrenzung zwischen den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ nicht mehr in der Weise gestellt werden muss. Allerdings scheint dieses Vorgehen lediglich dazu zu führen, dass die Abgrenzungsproblematik in die Subklassen „verschoben“ wird. Beispielsweise kann auch hier nicht abschließend erklärt werden, worin sich genau Wörter wie barfuß oder dort, die verschiedenen Subklassen zugeordnet werden (‚nur prädikativ verwendbare Adjektive‘ bzw. ‚Adverb‘), unterscheiden, denn für beide ist ein Auftreten in prädikativer und adjunktiver Verwendung durchaus möglich (vgl. (97)–(98)). (97) Der Mann ist barfuß / dort. (98) Die Kinder laufen barfuß / dort. Insgesamt ist die im vorliegenden Kapitel vorgestellte Position aus den genannten Gründen kritisch zu betrachten und hat zumindest in der deutschsprachigen Wortartenforschung bisher keine Breitenwirkung entfalten können.
1.6 Position V 1.6.1 Kurzcharakteristik Schließlich lässt sich in der Grammatik- und Forschungsliteratur eine fünfte große Forschungslinie feststellen. Sie hat ihren Ursprung in der Überlegung, Adjektive primär nach ihrer jeweiligen Verwendung zu differenzieren. So findet sich bereits im 19. Jahrhundert eine Einteilung in ‚adnominale‘, ‚prädikative‘, ‚adverbiale‘ und ‚substantivische‘ Adjektive (vgl. Mager 1841: 353). Besonders durch die Arbeiten von Glinz 1952 und Paraschkewoff 1974, die eine sprachgeschichtlich bzw. am Lateinischen orientierte Untergliederung für das Neuhochdeutsche als „bloße Fiktion“ (Glinz 1952: 193) ablehnten, entwickelte sich dann eine neue Position zur Adjektiv-Adverb-Abgrenzung. Diese lässt sich durch folgende grundlegende Fallunterscheidung kennzeichnen:
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Für Wörter wie schnell oder schön wird in Verwendungen wie in (99)–(101) von Adjektiven ausgegangen, während man den Adverbbegriff beschränkt auf Wörter wie sofort in (102). (99) (100) (101) (102)
Der schnelle Mann kommt. // Sie beobachtet den schönen Vogel. Der Mann ist schnell. // Der Vogel ist schön. Der Mann kommt schnell. // Der Vogel singt schön. Der Mann kommt sofort.
Wie bereits in Kapitel 1.2.2 erwähnt wurde, finden sich für die Entwicklung einer solchen Position bereits im 19. Jahrhundert erste Hinweise (vgl. u. a. Paul 1886: 312 ff.; Grimm 21898: 1108 f.). Besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert hat sich diese Position dann etabliert und dominiert in Theorie und Praxis bis in die Gegenwart (vgl. u. a. Glinz 61973; Paraschkewoff 1974; Flämig 1977; Starke 1977; Grundzüge 1981; Flämig 1991; Zifonun et al. 1997; Eisenberg 2002; Hentschel / Weydt 32003; Engel 2004; Weinrich 32005; Trost 2006; Hoffmann 2007; Duden 4 82009; Eisenberg 42013). Zu dieser Position gerechnet werden demnach auch die Darstellungen von Zifonun et al. 1997 und Hoffmann 2007. Sie heben sich von den erwähnten Arbeiten nur insofern ab, als sie neben der o. g. Zuordnung noch eine weitere Untergliederung vornehmen: Aus der Klasse der ‚Adjektive‘ werden Wörter wie quitt, schuld und spitze ausgegliedert, die nicht in Verwendungen wie in (99) erscheinen können, sondern typischerweise bei Kopulaverben wie in (103) auftreten (vgl. Zifonun et al. 1997: 55 f.). Man fasst sie zu einer eigenständigen Klasse zusammen und bezeichnet sie als ‚Adkopula‘. (103) Wir sind quitt. // Er ist schuld. // Das ist spitze.
1.6.2 20. und 21. Jahrhundert Für die folgende Analyse wurden mehrheitlich Grammatiken zugrunde gelegt (Glinz 61973; Grundzüge 1981; Flämig 1991; Zifonun et al. 1997; Hentschel / Weydt 3 2003; Weinrich 32005; Duden 4 82009; Eisenberg 42013), darüber hinaus Monographien zum Themenbereich Wortarten (Trost 2006; Hoffmann 2007) sowie Aufsätze, die sich speziell mit der Adjektiv-Adverb-Problematik auseinandersetzen (Paraschkewoff 1974; Flämig 1977; Starke 1977; Eisenberg 2002). Trotz der gemeinsamen Adjektiv-Adverb-Auffassung zeichnen sich die Arbeiten v. a. im Detail durch eine große Vielfalt in der Darstellung aus. Um grundlegende Aspekte der hier angesetzten Forschungslinie herauszuarbeiten, genügt es jedoch auch hier,
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eine überblicksartige Zusammenfassung der jeweiligen Wortartenbeschreibungen und Abgrenzungsmechanismen vorzunehmen. Betrachtet sei zunächst der Umgang mit semantischen Kriterien. Dabei zeigt sich, dass in den untersuchten Darstellungen unterschiedliche Einstellungen zu dieser Kriterienart existieren. Einige Autoren lehnen semantische Kriterien explizit ab (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 488 f.), andere hingegen setzen sie bewusst ein (vgl. u. a. Starke 1977; Zifonun et al. 1997; Hentschel / Weydt 32003). Allerdings ist nicht immer zweifelsfrei zu erkennen, inwiefern semantischen Merkmalen wortartkonstitutiver Charakter zukommt, wenn sie im Zusammenhang mit der Wortartenbeschreibung genannt werden (vgl. u. a. Flämig 1991: 484; Duden 4 82009: 570; Eisenberg 42013 II: 212). Wenn semantische Merkmale angeführt werden, fasst man die Adjektivklasse lexikalisch-denotativ als Wortart, deren Leistung darin besteht, Substantive zu charakterisieren (vgl. u. a. Paraschkewoff 1974: 288) bzw. die Art, Eigenschaften oder Merkmale von Gegenständen, Vorgängen u. Ä. zu bezeichnen (vgl. u. a. Glinz 6 1973: 190; Eisenberg 2002: 63; Hentschel / Weydt 32003: 201; Hoffmann 2007: 163; Zifonun et al. 1997: 46).⁶⁰ Für die Wortart ‚Adkopula‘ wird in den betreffenden Arbeiten keine gesonderte semantische Beschreibung gegeben. Es ist anzunehmen, dass sie mit der Semantik von Adjektiven übereinstimmt, denn zumindest bei Hoffmann findet sich der Hinweis, dass Adkopula der Darstellung von Eigenschaften im prädikativen Raum dienen (vgl. Hoffmann 2007: 149). Weitaus häufiger spielen semantische Gesichtspunkte (ebenfalls i. S. v. lexikalisch-denotativen Merkmalen) für die Charakterisierung der Adverbien eine Rolle. Zumeist beschreibt man Adverbien als Umstandsbezeichnungen (vgl. u. a. Hentschel / Weydt 32003: 260; Duden 4 82009: 570) bzw. als Wörter, die der Situierung oder Spezifizierung in Bezug auf Raum, Zeit u. Ä. dienen (vgl. u. a. Glinz 61973: 206; Grundzüge 1981: 685; Hoffmann 2007: 259; Eisenberg 42013 II: 212). Zudem ist es üblich, Adverbien auf der Grundlage ihrer Semantik in Subklassen (z. B. ‚Temporaladverbien‘) einzuteilen (vgl. u. a. Starke 1977: 201; Weinrich 32005: 556; Duden 4 82009: 575 ff.). Anders als bei den o. g. semantischen Kriterien bilden morphologische Kriterien mehrheitlich eine entscheidende Grundlage zur Wortartendefinition. So werden Adjektive definiert als flektierbare Wörter, die hinsichtlich Kasus, Numerus und Genus variieren (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 603; Zifonun et al. 1997:
60 Aus semantischen Gründen betrachtet man vereinzelt ‚Numeralia‘ als gesonderte Wortart (vgl. v. a. Hentschel / Weydt 32003: 256–259).
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46; Duden 4 82009: 338).⁶¹ Die Angaben zur Verteilung der Adjektivflexion basieren zumeist auf der Verknüpfung von morphologischer Struktur und syntaktischer Funktion: Während Adjektive in attributiver Verwendung i. d. R. flektiert werden, treten sie in prädikativer und adverbialer Funktion unflektiert bzw. in der sog. Kurzform auf (vgl. u. a. Paraschkewoff 1974, 290; Grundzüge 1981, 603; Eisenberg 42013 I: 171). Ausnahmen von dieser Regel (vgl. (104)–(106)) finden häufig gesondert Erwähnung, wobei zumindest Beispiele wie in (104) teilweise als „Reste eines früher weit verbreiteten Sprachgebrauchs“ (Duden 4 82009: 343) gekennzeichnet werden. (104) auf gut Glück // Whisky pur (Duden 4 82009: 343, 346) (105) Elsässer, Mannheimer (Zifonun et al. 1997: 47) (106) mit rosa / lila Blüten (Grundzüge 1981: 626) Darüber hinaus wird die Komparationsfähigkeit als weiteres morphologisches Merkmal entweder als klassenbildend bezeichnet (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 603; Flämig 1991: 487; Eisenberg 42013 I: 171) oder zumindest als eine für zahlreiche Adjektive typische Form der Veränderung benannt (vgl. u. a. Glinz 61973: 196; Duden 4 82009: 338), die vorrangig semantischen Restriktionen unterliegt (vgl. u. a. Hoffmann 2007: 154; Eisenberg 42013 I: 177). Adverbien werden hingegen als unflektierbare Einheiten definiert (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 684; Weinrich 32005: 547; Duden 4 82009: 569; Eisenberg 4 2013 II: 212), ebenso wie die Klasse der Adkopula, falls sie als gesonderte Wortart betrachtet wird (vgl. v. a. Zifonun et al. 1997: 55). Meist verweist man in den Arbeiten darauf, dass eine geringe Anzahl von Adverbien Komparationsformen bilden kann (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 690; Weinrich 32005: 551; Eisenberg 42013 I: 176).⁶² Dabei wird angenommen, dass diese Erscheinung aufgrund der Marginalität definitorisch vernachlässigt werden kann (vgl. u. a. Zifonun et al. 1997: 54; Hentschel / Weydt 32003: 261). Syntaktische Kriterien finden in den meisten Arbeiten ebenfalls Berücksichtigung. Allerdings verwendet man diese in Kombination mit semantischen und / oder morphologischen Kriterien und bezweifelt oder verneint z. T. explizit
61 Häufig findet in diesem Zusammenhang der Terminus ‚Deklination‘ Verwendung (vgl. u. a. Flämig 1977: 44; Hentschel / Weydt 32003: 210; Trost 2006: 6). 62 Die Formulierung bei Hoffmann schließt eigentlich die Komparationsfähigkeit bei Adverbien aus, denn dort heißt es, dass Adverbien Formen haben, die der Komparation nur „nahekommen“ (Hoffmann 2007: 224).
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die Möglichkeit einer rein syntaktischen Klassifikation (vgl. u. a. Flämig 1977: 43; Starke 1977: 197; Hentschel / Weydt 32003: 16). Am häufigsten erfolgen Bemerkungen zu funktionalen Merkmalen. So charakterisiert man einen Großteil der Adjektive unter Bezug auf syntaktische Funktionen als attributiv, prädikativ und adverbial verwendbar (vgl. u. a. Flämig 1991: 486; Hentschel / Weydt 32003: 203; Weinrich 32005: 477 f.). Neben Anmerkungen zu Distributionsbeschränkungen (vgl. u. a. Starke 1977: 200; Grundzüge 1981: 604 f.; Hentschel / Weydt 32003: 208 f.) wird in diesem Zusammenhang zumeist auch hingewiesen auf die Verwendung von Adjektiven wie müde und blank in (107)–(108), die als sog. ‚freie Prädikative‘ fungieren (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 601; Duden 4 82009: 352 f.; Eisenberg 42013 II: 229 ff.).⁶³ (107) Peter schläft müde ein. (Grundzüge 1981: 601) (108) Helga hat die Scheiben blank geputzt. (Grundzüge 1981: 250) Die Dudengrammatik nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als man hier primär nach Gebrauch differenziert und neben den o. g. syntaktischen Funktionen explizit auch den sog. ‚substantivierten Gebrauch‘ von Adjektiven (vgl. (109)) in die Darstellung einbezieht. (109) das Neue, etwas Gutes, alles Brauchbare (Duden 4 82009: 349) In einigen Arbeiten wird die attributive Funktion als prototypisch für die Adjektivklasse hervorgehoben (vgl. u. a. Zifonun et al. 1997: 46) oder sogar als konstitutives Merkmal dieser Wortart bezeichnet (Weinrich 32005: 478; Hoffmann 2007: 157). Zumindest in den Darstellungen von Zifonun et al. 1997 und Hoffmann 2007 erklärt sich diese Generalisierung durch die Annahme der Wortart ‚Adkopula‘, denn zu dieser Klasse rechnen die Autoren insbesondere Wörter, die in attributiver Verwendung nicht möglich sind.⁶⁴ In Bezug auf Adkopula wird konstatiert, dass Wörter dieser Wortart wie in (110) „nur prädikativ“ (Hoffmann 2007: 149) bzw. primär in prädikativer Funktion auftreten (vgl. Zifonun et al. 1997: 55).
63 Statt des in der vorliegenden Arbeit verwendeten Terminus ‚freie Prädikative‘ finden sich in den untersuchten Arbeiten andere Begriffe, v. a. ‚prädikatives Attribut‘ und ‚Objektsprädikativ‘ oder ‚Subjekts- und Objektsprädikativ‘ (in der Dudengrammatik differenzierter als subjekt- oder objektbezogene ‚depiktive Prädikative‘ und zumeist objektbezogene ‚resultative Prädikative‘ (vgl. Duden 4 82009: 352 f.)). 64 Die Mehrheit der Arbeiten nimmt für derartige Fälle hingegen keine gesonderte Wortart an, sondern behandelt sie als distributionell eingeschränkte Adjektive (vgl. u. a. Starke 1977: 200).
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Zifonun et al. weisen außerdem darauf hin, dass Adkopula z. T. auch als Adverbial fungieren können (vgl. (111)). (110) Plötzlich tat Gauß ihm leid. (Hoffmann 2007: 149) (111) barfuß gehen (Zifonun et al. 1997: 55) Für die Klasse der Adverbien finden sich nicht in allen Arbeiten Ausführungen zu möglichen syntaktischen Funktionen.⁶⁵ Während einige Arbeiten allgemein den potenziellen Satzgliedwert von Adverbien hervorheben (vgl. v. a. Glinz 1973: 205; Flämig 1977: 45; Duden 4 82009: 570), präzisieren andere, dass Adverbien vorrangig als Adverbial (vgl. (112)), daneben aber auch als Prädikativ (vgl. (113)) und / oder nachgestelltes Attribut (vgl. (114)) fungieren können (vgl. Starke 1977: 201; Weinrich 32005: 547 f.; Hoffmann 2007: 223).⁶⁶ Vereinzelt wird angegeben, dass Adverbien auch in Funktion des Objekts (vgl. (115)) oder Subjekts (vgl. (116)) auftreten können. (112) (113) (114) (115) (116)
Der Mann läuft dort. Er ist dort. der Mann dort Peter achtet darauf. (Grundzüge 1981: 689) Morgen ist besser als heute. (Hoffmann 2007: 223)
Auch im Hinblick auf die Adverbklasse differenziert die Dudengrammatik nach Gebrauch und hebt sich damit von anderen Darstellungen ab. Neben den syntaktischen Funktionen ‚Adverbial‘ und ‚Attribut‘ erwähnen die Autoren deshalb den Gebrauch von Wörtern wie zeitweise in (117), versehen mit dem Kommentar, dass „es auch möglich (aber insgesamt weniger üblich) [sei], Adverbien adjektivisch zu verwenden“ (Duden 4 82009: 571). (117) das zeitweise Fehlen (Duden 4 82009: 571) Als weiteres syntaktisches Kriterium setzen einige Arbeiten positionale Merkmale an. In Bezug auf Adjektive wird dabei die Position zwischen (definitem)
65 So u. a. Hentschel / Weydt, die nur allgemein das syntaktische Verhalten betrachten, um auf dieser Basis zu Subklassen wie Modaladverbien, Satzadverbien etc. zu gelangen (vgl. Hentschel / Weydt 32003: 263). 66 Vereinzelt werden Distributionsbeschränkungen für Adverbien in prädikativer und / oder attributiver Funktion aufgezeigt (vgl. u. a. Starke 1977: 201; Eisenberg 42013 II: 217).
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Artikelwort und Substantiv (vgl. (118)) als die charakteristische bezeichnet (vgl. u. a. Trost 2006: 5; Duden 4 82009: 338). Diese Distribution findet in der Dudengrammatik zugleich Anwendung als sog. Einsetzprobe, die u. a. der Identifizierung von Adjektiven dienen soll (vgl. u. a. Duden 4 82009: 338). Für Adverbien wird in einigen Darstellungen angegeben, dass sie – wie beispielsweise dort in (119) – allein das Vorfeld besetzen können (vgl. u. a. Zifonun et al. 1997: 54; Eisenberg 2002: 62; Duden 4 82009: 570). (118) die … Ausstellung (119) Dort wohnt sie. (Duden 4 82009: 570) Neben Funktion und Position beziehen sich mehrere Arbeiten auch auf die Kombinationsfähigkeit mit anderen Einheiten. Dabei erfolgen vornehmlich Aussagen zur Valenz von Adjektiven. In Abhängigkeit von der grammatiktheoretisch bestimmten Terminologie differenziert man in null- bis dreiwertige Adjektive (vgl. für überlegen in (120); in dieser Weise u. a. Grundzüge 1981: 618 ff.; Weinrich 3 2005: 514 ff.; Duden 4 82009: 361). Oder aber man stellt die Fähigkeit bestimmter Adjektive dar, Leerstellen für Komplemente zu eröffnen (vgl. für böse in (121); in dieser Weise u. a. Zifonun et al. 1997: 48). (120) jemand (ist) jemandem in etwas überlegen > dreiwertig (121) seinem Vater böse > Dativkomplement Bei Zifonun et al. werden auch Adkopula im Hinblick auf ihre Kombinationsfähigkeit charakterisiert (vgl. Zifonun et al. 1997: 55 f.). Einerseits verweist die Bezeichnung bereits darauf, dass derartige Wörter typischerweise in Kombination mit Kopulaverben auftreten. Andererseits können Adkopula – ebenso wie Adjektive – Köpfe von Phrasen bilden und z. T. Leerstellen für Komplemente aufweisen (vgl. (122)). Außerdem wird gezeigt, dass sie mit Adjektiven koordinierbar sind (vgl. (123)). (122) ihrer eingedenk > Genitivkomplement (Zifonun et al. 1997: 56) (123) pleite und fertig (Zifonun et al. 1997: 55) Für die Adverbklasse erfolgen im Rahmen der Wortartenbeschreibung i. d. R. keine Angaben zur Kombinationsfähigkeit mit anderen Einheiten. Lediglich vereinzelt wird der Hinweis gegeben, dass Adverbien keinen Kasus regieren können (vgl. u. a. Hoffmann 2007: 224; Eisenberg 42013 II: 214). Neben semantischen, morphologischen und syntaktischen Kriterien verwenden einige Arbeiten auch die Bezugsform zur Wortartenbeschreibung. Angaben
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erfolgen am häufigsten für Adverbien (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 685; Hentschel / Weydt 32003: 260; Weinrich 32005: 547; Duden 4 82009: 569). Demnach zeigen Vertreter dieser Wortart typischerweise verbalen Bezug, können sich zudem aber auch auf Adjektive, Adverbien, Substantive oder Sätze beziehen. Falls die Bezugsformen von Adjektiven dargelegt werden (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 601; Hentschel / Weydt 32003: 203 ff.), so wird angegeben, dass Adjektive i. d. R. zu Substantiven und Verben treten, daneben auch zu Adjektiven und Adverbien. Schließlich muss erwähnt werden, dass im Zusammenhang mit den Wortartenbeschreibungen vereinzelt auch Betonungsverhältnisse Berücksichtigung finden, und zwar im Zusammenhang mit der Adverbdefinition. Dabei wird aufgezeigt, dass Adverbien akzentuierbar sind (vgl. u. a. Hoffmann 2007: 224; Duden 4 8 2009: 570). Zu vermuten ist, dass mithilfe dieses Kriteriums eine Abgrenzung zur Klasse der Partikeln erreicht werden soll.⁶⁷ Die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung wird in den untersuchten Arbeiten in unterschiedlichem Ausmaß thematisiert. Die Mehrheit der Arbeiten expliziert ihre Position samt einer kurzen Begründung (nicht so: v. a. Starke 1977; Zifonun et al. 1997). Eine etwas ausführlichere Problematisierung erfolgt v. a. in den Grundzügen 1981 und bei Eisenberg 42013, sodass im Folgenden insbesondere diese Arbeiten Berücksichtigung finden sollen. Zunächst ist bei der Analyse der untersuchten Arbeiten zu erkennen, dass morphologische Kriterien für die Abgrenzungsauffassung von entscheidender Bedeutung sind. So benennen alle Arbeiten die prinzipielle Flektierbarkeit von Adjektiven als „praktikables Abgrenzungskriterium“ (Grundzüge 1981: 622), da Adverbien laut Definition über dieses Merkmal nicht verfügen (vgl. exemplarisch (124); in dieser Weise u. a. Glinz 1973: 191; Weinrich 32005: 549; Eisenberg 42013 II: 227). Einige Darstellungen verwenden für die Abgrenzung darüber hinaus die systematische Komparierbarkeit von Adjektiven, da für die Wortart ‚Adverb‘ eine derartig systematische Fähigkeit ausgeschlossen wird (vgl. exemplarisch (125); in dieser Weise u. a. Grundzüge 1981: 603; Eisenberg 42013 I: 171). In den Grundzügen wird in diesem Zusammenhang auch die gleichartige Formenbildung des Superlativs bei Kopula- und anderen Verben (vgl. (126)) als Argument dafür gewertet, für Wörter wie klug verwendungsunabhängig eine einheitliche Wortart anzunehmen (vgl. Grundzüge 1981: 622). (124) der schnelle Mann (A) // *der hiere Mann (Adv)
67 Darauf lässt zumindest der Umstand schließen, dass Betonungsverhältnisse bei sog. flektierbaren Wortarten, also u. a. auch beim Adjektiv, nicht in derselben Weise Berücksichtigung finden.
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Forschungsgeschichte
(125) Der Mann läuft schneller. (A) // *Der Mann läuft hierer. (Adv) (126) Er ist / handelt am klügsten. (A) (Grundzüge 1981: 622) Bei strikter Befolgung dieser Kriterien müsste man alle Wörter, die grundsätzlich nicht flektierbar sind, aus der Klasse der Adjektive ausschließen und sie der Adverbklasse zuweisen (vgl. u. a. auch Wörter wie lila oder schuld in (127)–(128)). Die Wortart ‚Adverb‘ wiederum dürfte ausschließlich aus Wörtern bestehen, die prinzipiell nicht flektierbar sind (folglich nicht Wörter wie schrittweise und oft in (130)–(131)).⁶⁸ Wie die unten stehenden Angaben in Klammern widerspiegeln, zeigt sich in den untersuchten Arbeiten allerdings folgendes Bild (vgl. (127)– (131)):⁶⁹ (127) (128) (129) (130) (131)
Sie probiert das lila Kleid an. (A, unflektierbar) Er ist schuld. (A / Adkopula, unflektierbar) Er versendet die fünfte Bewerbung. (A / Numerale, nicht komparierbar) Sie ist mit dem schrittweisen Aufbau zufrieden. (Adv / A, flektierbar) Er möchte öfter kommen. (Adv, komparierbar)
Mehrheitlich bezeichnet man Beispiele wie die soeben angeführten als Sonderfälle bzw. weniger übliche Fälle (vgl. Duden 4 82009: 343, 571) und thematisiert sie im Rahmen der Wortartendarstellung mehr oder weniger ausführlich.⁷⁰ Problematisch an dieser Vorgehensweise ist, dass durch Auflistung von Sonderfällen bzw. Ausnahmen zwar eine Wortartenzuordnung gewährleistet wird, diese allerdings morphologisch nicht begründet werden kann. Folglich müssen andere Kriterien für die Kategorisierung ausschlaggebend sein, die jedoch mehrheitlich nicht genannt werden.
68 Hier sei verwiesen auf die grundlegenden Schwierigkeiten, die mit morphologischen Klassifikationskriterien im Deutschen verbunden sind. Flektierbarkeit als Kriterium würde zur Folge haben, dass die unflektierbaren Wörter undifferenziert eine Gruppe bilden. Um eine Untergliederung der Nichtflektierbaren zu ermöglichen, verfolgen die Darstellungen einen heterogenen Klassifikationsansatz und ziehen weitere Kriterien hinzu, um Adverbien von anderen nichtflektierbaren Wortarten zu unterscheiden. Dass ein heterogenes Vorgehen u. a. in der Anwendung zu Schwierigkeiten führt, wird in den folgenden Ausführungen exemplarisch vorzuführen sein. 69 Die Mehrfachzuordnungen in den folgenden Beispielen dokumentieren die verschiedenen Wortartenzuordnungen in den untersuchten Arbeiten. 70 Lediglich Zifonun et al. 1997 und Hoffmann 2007 wählen im Hinblick auf Fälle wie schuld oder auch leid, quitt, spitze etc. eine andere Erklärung, indem sie für die i. d. R. als Ausnahmen deklarierten Wörter eine gesonderte Kategorie ansetzen.
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Ganz offensichtlich ist ein Großteil der wiedergegebenen Zuordnungen in (127)–(131) durch syntaktische Kriterien motiviert, und zwar v. a. im Bereich der Adjektivklasse. So lassen sich u. a. die Adjektiv-Kategorisierungen für lila und fünfte in (127) bzw. (129) zweifelsfrei über syntaktische Kriterien erklären, denn diese Wörter treten hier genau in der syntaktischen Position und Funktion auf, die für prototypische Vertreter der Wortart ‚Adjektiv‘ angegeben wird. Ebenso deutlich ist die Differenzierung zwischen den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adkopula‘ in den Arbeiten von Zifonun et al. 1997 und Hoffmann 2007 syntaktisch motiviert, weil die Zuordnung davon abhängig gemacht wird, ob das betreffende Wort in attributiver Funktion auftreten kann oder nicht. Derartige Erklärungsweisen erscheinen, wenn sie explizit gemacht werden, an sich noch nicht problematisch, sondern erst angesichts der Tatsache, dass man die zugrunde liegenden Kriterien nicht systematisch anwendet. Wenn man positionale und / oder funktionale Merkmale als ausschlaggebend für die Klassifikation von Wörtern wie lila, schuld oder fünfte erachtet, sollten diese Kriterien für den gesamten Untersuchungsgegenstand der Wortartenlehre von gleichrangiger Bedeutung sein. Nur dann kann ein Wortartenmodell als wissenschaftstheoretisch konsistent gelten. Offensichtlich erfolgt die Anwendung der genannten syntaktischen Kriterien jedoch nur partiell. Das mag auch daran liegen, dass die angegebenen positionalen und / oder funktionalen Merkmale nur bedingt dazu geeignet sind, die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ bzw. ggf. auch ‚Adkopula‘ voneinander abzugrenzen. Sie verdeutlichen eher die Überschneidungsbereiche zwischen den jeweiligen Wortarten, denn laut o. g. Wortartenbeschreibung konkurrieren Vertreter aller betreffenden Wortarten in positionaler und funktionaler Hinsicht (vgl. (132)–(133) bzw. nur in funktionaler Hinsicht (134)).⁷¹ (132) Er ist schön (A) / schuld (A / Adkopula) / dort (Adv). (133) Er läuft öfter (Adv) / schneller (A) / barfuß (A / Adkopula). (134) das schöne Haus (A) // das Haus dort (Adv) Die Abgrenzungsfrage wird außerdem dadurch verschärft, dass man Adjektive i. d. R. subklassifiziert in attributiv, prädikativ und adverbial verwendete Adjekti-
71 Dem Hinweis von Eisenberg, dass Wörter wie schnell keine Adverbien sein können, da sie nicht alle Stellungsmöglichkeiten von Adverbien teilen (vgl. Eisenberg 42013 II: 227), ist entgegenzuhalten, dass Vertreter der Adverbklasse prinzipiell ein sehr heterogenes Stellungsverhalten zeigen und es vermutlich aus diesem Grund – meines Wissens nach – bisher keinen Ansatz gibt, demzufolge nur diejenigen Wörter als Adverbien bezeichnet werden, die alle Stellungsmöglichkeiten teilen.
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ve.⁷² Problematisch ist diese Untergliederung v. a. durch die Bezeichnung ‚adverbiales Adjektiv‘, da der Begriff ‚adverbial‘ eine bedeutsame, häufig jedoch nicht reflektierte Ambiguität aufweist. Einerseits kann man diesen Terminus in der Wortartenlehre benutzen, und zwar in der Bedeutung ‚wie ein Adverb‘. Dementsprechend würden zu den adverbialen Adjektiven Wörter zählen, die sich wie Adverbien verhalten, sodass die Annahme eines Wortartwechsels zur Wortart ‚Adverb‘ naheliegt. Dies stünde jedoch im Widerspruch zu der o. g. Abgrenzungsauffassung und wird in den Darstellungen folglich nicht angenommen. Andererseits lässt sich mit ‚adverbial‘ im Rahmen der Satzgliedterminologie die Bedeutung ‚in der Funktion eines Adverbials‘ zum Ausdruck bringen. Mehrheitlich stellen die untersuchten Arbeiten auch explizit eine Relation zwischen der Wortart ‚Adjektiv‘ und den syntaktischen Funktionen ‚Attribut‘, ‚Prädikativ‘ und ‚Adverbial‘ her (vgl. u. a. Flämig 1977: 46; Eisenberg 42013 I: 171). Diese Form und Funktion verbindende Terminologie ist auch insofern kritisch zu betrachten, als es Vorkommensweisen von Wörtern wie schnell, tief und direkt gibt, die keiner der genannten Funktionen zuzuordnen sind (vgl. (135)–(137)). (135) der schnell zufriedene Mann (136) Der Schatz liegt tief unten. (137) Er arbeitet direkt hinter der Grenze. Wenn in den untersuchten Arbeiten auf derartige Fälle explizit eingegangen wird, dann ist entweder die Rede von ‚adverbialen Adjektiven‘ (vgl. v. a. Duden 4 82009: 354 f.), obgleich die betreffenden Wörter – zumindest im mehrheitlich vertretenen Begriffsverständnis – allein keinen Satzgliedstatus haben und daher nicht als ‚Adverbial‘ fungieren.⁷³ Oder aber man nimmt an, dass es sich um attributive Adjektive handelt (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 602; Hentschel / Weydt 3 2003: 207 f.) und legt damit einen nicht unproblematischen, sehr weiten Attri-
72 In der Dudengrammatik wird darüber hinaus als vierte Subklasse der substantivierte Gebrauch genannt. Detailliertere Bemerkungen zur Subklassifikation in der Dudengrammatik erfolgen in einem gesonderten Abschnitt. Dies erscheint notwendig aufgrund der dort angesetzten, neuartigen Differenzierung in zwei Ebenen der Wortartenzuordnung, die den Argumentationszusammenhang deutlich beeinflussen. In den anderen Arbeiten findet sich diese Differenzierung nicht – zunächst erfolgen daher allgemeine Betrachtungen, die auf alle anderen untersuchten Arbeiten zutreffen. 73 Ohne an dieser Stelle genauer darauf eingehen zu können, sei zumindest darauf hingewiesen, dass die Annahme der Funktion ‚Adverbial‘ in den o. g. Fällen nicht völlig ausgeschlossen ist, sondern mithilfe eines weiter gefassten, allerdings nicht unproblematischen Adverbialbegriffs, wie er beispielsweise von Pittner 1999 vertreten wird, durchaus begründet werden könnte.
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butbegriff zugrunde.⁷⁴ Möchte man die Satzgliedterminologie nicht ad absurdum führen, dürfte man die genannten Vorkommen in (135)–(137) keiner der drei Adjektiv-Subklassen zuweisen und müsste in der Konsequenz eine andere Wortart und damit eine andere Position zur Abgrenzung von Adjektiven und Adverbien ansetzen.⁷⁵ Etwas anders stellt sich die Situation in der Dudengrammatik dar, da hier differenziert wird zwischen lexikalischen Wortarten (bezogen auf Lexikoneinheiten) und syntaktischen Wortarten (bezogen auf Wortformen im Satz).⁷⁶ Bezugspunkt der Wortartenlehre sind die sog. ‚lexikalischen Wortarten‘, die Bezug nehmen auf Lexeme i. S. v. Lexikoneinheiten und die auf der Grundlage ihrer Flexionsmerkmale zu Klassen zusammengefasst werden (vgl. Duden 4 82009: 132). Zugleich wird angenommen, dass man für den Gebrauch einzelner Flexionsformen ebenfalls Wortarten, und zwar ‚syntaktische Wortarten‘ bestimmen kann, die jedoch Bezugspunkt der Satzlehre sind (vgl. ebd.: 133 f.). Gemäß dieser Differenzierung könnte man die Subklassifikation der Dudengrammatik im Teilkapitel „Zum Gebrauch des Adjektivs im Satz“ (ebd.: 340 f.) auch verstehen als Angaben zu den möglichen ‚syntaktischen Wortarten‘ von Adjektiven. Einleuchtend erscheint dies im Hinblick auf die Subklassen des sog. ‚substantivierten Gebrauchs‘ und ‚adverbialen Gebrauchs‘: die lexikalische Wortart ‚Adjektiv‘ würde demnach in bestimmten Verwendungen den syntaktischen Wortarten ‚Substantiv‘ bzw. ‚Adverb‘ zuzuordnen sein (vgl. (138)–(139)): (138) Er ist der Schnellste der Klasse. > lexikalische Wortart: A > syntaktische Wortart: N?
74 Sollen also auch die o. g. Fälle schnell, tief und direkt erfasst werden, so wäre dafür eine sehr weiter Attributbegriff notwendig, der in den Arbeiten jedoch meist nicht so vertreten wird (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 827 ff.; Duden 4 82009: 772 f.; Eisenberg 42013 II: 238 ff.; ABER: Hentschel / Weydt 32003: 392 ff.), weil dies u. a. die syntaktisch problematische Konsequenz hätte, auch Artikelwörter als Attribute bezeichnen zu müssen. Dieser Hinweis mag an dieser Stelle genügen, da eine tiefgründige Problematisierung im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden kann. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass die zunehmend in der Forschung vertretene, operationalisierte Satzglied-Begrifflichkeit m. E. lediglich folgende Analyse erlaubt: In der Gesamtheit sind schnell zufriedene und tief unten als Attribut bzw. kurz hinter der Grenze als Adverbial zu bestimmen und in der internen Struktur nicht weiter differenzierbar. 75 Vgl. zum Umgang mit derartigen Fällen auch die vergleichende Analyse in Kapitel 3.2.4. 76 Vgl. zu ähnlichen Ansätzen in der Forschungsliteratur, zwei Ebenen der Wortartenzuordnung zu differenzieren, Kapitel 1.2.3 und Kapitel 1.5.2.
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Forschungsgeschichte
(139) Er kann schnell schreiben. > lexikalische Wortart: A > syntaktische Wortart: Adv? Dementsprechend wäre für ‚adverbial‘ in der Bezeichnung ‚adverbialer (Gebrauch)‘ die o. g. wortartenbezogene Lesart ‚wie ein Adverb‘ möglich. Allerdings ist dies nicht vereinbar mit den zwei anderen Subklassen des sog. ‚attributiven Gebrauchs‘ und ‚prädikativen Gebrauchs‘, denn diese sind ausschließlich funktional zu interpretieren. Wenn ‚adverbial‘ allerdings i. S. v. ‚syntaktische Funktion des Adverbials‘ zu verstehen ist, dann gilt für die Dudengrammatik analog die bereits oben angeführte Kritik (vgl. die Ausführungen zu (135)–(137)). Erschwerend käme hinzu, dass die Subklassifikation der Dudengrammatik bei funktionaler Interpretation von ‚attributiv‘, ‚prädikativ‘ und ‚adverbial‘ dennoch durch die Klasse des sog. ‚substantivierten Gebrauchs‘ heterogen ist und eine problematische Vermischung von Form und Funktion darstellt. Es zeigt sich, dass v. a. die funktionalen syntaktischen Kriterien auf einer problematischen Begrifflichkeit basieren, die die o. g. Abgrenzungsentscheidung in Frage stellen oder zumindest Uneindeutigkeiten an entscheidenden Punkten hervorrufen. Ungeachtet dieser Tatsache erlauben die genannten syntaktischen Kriterien aber auch in ihrer Gesamtheit keine Erklärung für alle angeführten Wortartenzuordnungen in den Sätzen (127)–(131) (insbesondere für die Kategorisierung von schrittweise in (130) als Adverb), sodass davon auszugehen ist, dass noch weitere Kriterien ausschlaggebend sind. Neben morphologischen und syntaktischen Kriterien scheinen auch semantische Merkmale relevant zu sein, wenngleich in den Wortartenbeschreibungen dieser Kriterienart nur teilweise explizit konstitutiver Charakter beigemessen wird. Besonders offensichtlich ist der Einfluss semantischer Kriterien bei der Annahme der Kategorie ‚Numeralia‘, die jedoch nur in wenigen Arbeiten angenommen wird (vgl. Hentschel / Weydt 32003: 256 ff.).⁷⁷ Aber auch einige andere Arbeiten beziehen insbesondere bei der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung semantische Argumente ein. Hier wird angegeben, dass die in allen Vorkommensweisen konstante semantische Leistung von Wörtern wie schnell auf das Vorhandensein einer gemeinsamen Wortart hinweist (vgl. Eisenberg 42013 II: 228) bzw. nur bei Bedeutungsunterschieden wie im Falle von natürlich in (140) verschiedene Kategorien i. S. v. Homonymen anzusetzen sind (vgl. Duden 4 82009: 569).
77 Interessanterweise ziehen Hentschel / Weydt für die Abgrenzung von Adjektiv und Adverb explizit v. a. syntaktische Kriterien heran und lassen die ansonsten als zentral erachteten semantischen Aspekte unberücksichtigt (vgl. Hentschel / Weydt 32003: 205 ff.).
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(140) eine natürliche Ernährung (A) // Das geht natürlich nicht. (Adv) (Duden 4 82009: 569) Vor diesem Hintergrund seien exemplarisch die verschiedenen Kategorisierungen von Wörtern wie schrittweise in (130) betrachtet. Zum einen findet sich die Annahme der Wortart ‚Adverb‘ (vgl. u. a. Weinrich 32005: 1030; Duden 4 82009: 571). Diese Zuordnungsentscheidung ist mittels des o. g. Kriteriums der ‚semantischen Leistung‘ durchaus plausibel zu erklären, da unabhängig vom Vorkommen die semantische Leistung von Wörtern wie schrittweise als konstant bezeichnet werden kann. In Klassifikationen ohne eine Differenzierung in verschiedene Ebenen der Wortartenzuordnung (vgl. alle hier untersuchten Arbeiten außer der Dudengrammatik) resultiert aus dieser Zuordnung allerdings, dass man die Existenz flektierbarer Adverbien anerkennt. Damit wäre das Kriterium der Flektierbarkeit, das in den meisten Arbeiten zur Unterscheidung der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ genannt wird, entwertet zugunsten nicht stringent angewendeter semantischer Argumente.⁷⁸ Im Gegensatz dazu bestünde in der Dudengrammatik zumindest die Möglichkeit, die Zuordnung von schrittweise zur Klasse der Adverbien zu deuten als Angabe der lexikalischen Wortart. Gemäß der Differenzierung in lexikalische und syntaktische Wortarten wäre es theoretisch denkbar, auf lexikalischer Ebene von Adverbien auszugehen, die syntaktisch u. a. auch als Adjektive auftreten können. Dieser Lösungsansatz erscheint sehr elegant, jedoch ergeben sich Probleme auf der Ebene der Begrifflichkeit, denn die Ebenendifferenzierung wird offensichtlich nur auf flektierbare Wörter bezogen, soll doch eine Zuordnung jeweils auf der Basis von Flexionsformen erfolgen (vgl. Duden 4 8 2009: 132 f.). Demnach ist davon auszugehen, dass eine Anwendung auf Wörter wie schrittweise eigentlich nicht vorgesehen ist.⁷⁹ Die zweite Möglichkeit der Wortartenzuordnung besteht darin, für Wörter wie schrittweise in der vorliegenden Verwendung in (130) eine Kategorisierung als Adjektiv vorzunehmen (vgl. Grundzüge 1981: 607; Eisenberg 42013 II: 222). Auf diese Weise wird zumindest erreicht, dass das o. g. Abgrenzungskriterium der Flektierbarkeit nicht verletzt wird, allerdings zeigt sich hier, dass das Krite-
78 So geben nur einige Autoren explizit an, die Wortartenkategorien primär auf der Grundlage semantischer Kriterien zu etablieren (vgl. v. a. Hentschel / Weydt 32003: 22). 79 So ist anhand der Ausführungen nicht nachzuvollziehen, wie man zu einer lexikalischen Wortart ‚Adverb‘ kommen soll. Da für die Zuordnung zu lexikalischen und syntaktischen Wortarten die Flexionsformen ausschlaggebend sein sollen (vgl. Duden 4 82009: 132 f.), dürfte man eigentlich nur eine lexikalische Wortart ‚Nichtflektierbare‘ ohne weitere Differenzierung erhalten. Vgl. genauer zur Ebenendifferenzierung in der Dudengrammatik die Ausführungen in Kapitel 2.2.3.1.
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Forschungsgeschichte
rium der ‚semantischen Leistung‘ nur punktuell im Bereich der Adjektivklasse und nicht systematisch eingesetzt wird. Zudem besteht Erklärungsbedarf, warum die als prototypisch geltenden Adverbien auf -weise hier plötzlich als Adjektive kategorisiert werden. Allein Eisenberg versucht dafür eine Erläuterung zu geben: So müssen derartige, seiner Ansicht nach stilistisch fragwürdige Konstruktionen wie in (130) als deadverbale Wortbildungen bzw. – genauer – als Konversionen erklärt werden (vgl. (141)), wenn man die Adverbdefinition in der o. g. Form aufrechterhalten möchte (vgl. Eisenberg 42013 II: 222). (141) schrittweise aufbauen (Adv) → ein schrittweiser Aufbau (A) Diese Erklärung wird vom Autor folglich eher als Ausweg denn als systematische Möglichkeit erachtet. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht wäre eine konsequente Anwendung auf vergleichbare Phänomene jedoch notwendig für die Akzeptanz der Argumentation. Nimmt man also im o. g. Fall Wortartwechsel an und denkt diesen Ansatz Schritt für Schritt weiter, so müsste man auch im parallelen Fall verschiedener Vorkommensweisen von schnell einen Wortartwechsel ansetzen (vgl. (142)). (142) ein schneller Aufbau (A) – schnell aufbauen (Adv) Das würde allerdings bedeuten, dass die in den Darstellungen favorisierte Position zur Abgrenzung von Adjektiv und Adverb nicht mehr in der Form aufrecht zu erhalten wäre. Vielmehr noch: Ein gleichzeitiges Festhalten an der Abgrenzungsentscheidung würde – darauf sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen – einen deutlichen Widerspruch innerhalb der Gesamtklassifikation provozieren. Dennoch wird diese methodische Parallele in den untersuchten Arbeiten abgelehnt (vgl. v. a. Trost 2006: 9; Duden 4 82009: 355) oder schlichtweg nicht in Betracht gezogen (vgl. u. a. Eisenberg 42013 II: 227 ff.).⁸⁰ Stattdessen beruft man sich im Wesentlichen auf zwei andere Argumente, um die angesetzte AdjektivAdverb-Abgrenzung zu begründen. Zum einen spielt die Vorstellung eines Modells zur Speicherung von Wörtern dabei eine Rolle, indem man darauf verweist, dass bei einer Kategorienunterscheidung wie in (142) von Homonymen ausgegangen werden müsse (vgl. v. a. Grundzüge 1981: 622; Eisenberg 42013 II: 227), was u. a. die Eigenständigkeit der
80 Zumindest Eisenberg 42013 und die Grundzüge 1981 müssen sich demnach aufgrund ihrer Annahmen zu Wörtern wie schrittweise den o. g. Vorwurf der Widersprüchlichkeit gefallen lassen. Vgl. zum Umgang mit derartigen Fällen auch die vergleichende Analyse in Kapitel 3.2.3.
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Adjektivklasse als einer der Hauptwortarten in Frage stellen würde (vgl. Eisenberg 42013 II: 228). Wenn man jedoch Wortbildungsprozesse zur Erklärung heranzieht, muss eine Kategorienunterscheidung wie in (142) nicht zwangsläufig mit einer doppelten Speicherung verbunden sein.⁸¹ Weiterhin geben einige Darstellungen an, dass aus formaler Sicht kein Grund (mehr) vorliege, je nach Vorkommen unterschiedliche Kategorien anzusetzen (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 622; Eisenberg 2002: 73; Trost 2006: 9; Duden 4 82009: 354 f.).⁸² Dieser vermutlich sprachhistorisch oder sprachvergleichend motivierten Aussage ist entgegenzusetzen, dass das Vorhandensein formaler Übereinstimmung in der Sprachwissenschaft nicht automatisch den Schluss zulässt, eine einheitliche Kategorie anzusetzen. Verwiesen sei hier auf das spätestens in den 1980er Jahren etablierte Prinzip der „Sichtbarkeit des Unsichtbaren“. Demzufolge sind für die Annahme unterschiedlicher Kategorien nicht nur formal sichtbare Unterschiede ausschlaggebend. Vielmehr ist zu prüfen, inwiefern im Fall formaler Übereinstimmung spezifische Auswirkungen sichtbar gemacht werden können, die die Annahme einer Unterscheidung dennoch rechtfertigen. Im Resümee zeigt sich, dass die Zuordnungen zu den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ (sowie ‚Adkopula‘) und die sich daraus ergebenden Wortartenabgrenzungen in den untersuchten Darstellungen nicht durch ein einheitliches Kriterium erklärt werden können. Die Arbeiten betonen zwar ausnahmslos die entscheidende Bedeutung morphologischer Kriterien zur Abgrenzung von Adjektiven und Adverbien. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass diese Kriterien letztlich doch nicht in besagter Weise ernst genommen werden. Hingegen setzt man weitere, häufig nicht genannte Kriterien an, die offenbar fallspezifisch zum entscheidenden Kriterium erhoben werden. So kommt es zu Kategorisierungen, die nicht oder zumindest schwer nachvollziehbar sind. Doch auch bei Explizierung der zusätzlichen Kriterien (vgl. v. a. die Ausführungen zu syntaktischen Kriterien) ist die inkonsequente Handhabung derselben kritisch zu betrachten. Festzuhalten bleibt, dass die vorgestellte Adjektiv-Adverb-Auffassung vornehmlich in der Anwendung zu ausdrücklichen Schwierigkeiten führt.
81 Vgl. genauer zu einer diesbezüglichen Möglichkeit den folgenden Lösungsvorschlag, v. a. die Ausführungen in Kapitel 2.2.2.2 und Kapitel 2.2.3.2. 82 Besonders Paraschkewoff argumentiert, dass die formale Unterscheidung durch eine funktionale Differenzierung ersetzt worden sei, sodass man von attributiven, prädikativen und adverbialen Adjektiven ausgehen müsse (vgl. Paraschkewoff 1974: 290). Zur Kritik an dieser funktionalen Differenzierung s. o. die Anmerkungen zum Terminus ‚adverbiale Verwendung‘.
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Forschungsgeschichte
1.7 Zusammenfassung In den vorangegangenen Kapiteln 1.2–1.6 erfolgte eine Auseinandersetzung mit bisher erschienenen Publikationen, die sich mit den traditionellerweise als ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ bezeichneten Wortarten im Deutschen beschäftigen. In Bezug auf die entscheidende Frage, welche Wortarten für prototypische Vertreter wie schnell, schön und sofort angesetzt werden sollen, ließen sich fünf verschiedene Positionen ermitteln. Dabei war es das primäre Ziel, diese Positionen zur Adjektiv-Adverb-Abgrenzung zu Forschungslinien zusammenzufassen und unter Einbezug der jeweiligen Entwicklungs- und Wirkungszusammenhänge genauer zu analysieren. Mit dieser Art der forschungsgeschichtlichen Darstellung konnte gezeigt werden, dass die Herausbildung unterschiedlicher Positionen zu diesem Thema in besonderem Maße geknüpft ist an eine Auseinandersetzung mit der Kategoriensystematik, die von den Griechen entwickelt und über die lateinische Sprache auch für das Deutsche in Grundzügen tradiert wurde und wird. Insbesondere mit dem im 18. Jahrhundert einsetzenden Diskurs über Wortarten und der Entwicklung deutschsprachiger Grammatikforschung ist auch der Beginn einer intensiven Diskussion über die Angemessenheit einer am Lateinischen orientierten Adjektiv-Adverb-Abgrenzung für das Deutsche zu beobachten. Diese Debatte findet u. a. in der Entwicklung der in Kapitel 1.3–1.6 betrachteten Positionen II–V ihren Niederschlag und ist in engem Zusammenhang mit emanzipatorischen Bestrebungen deutschsprachiger Grammatikschreibung zu sehen. Betrachtet man nun zusammenfassend die fünf dargestellten Forschungslinien, so zeigt sich in einem ersten Überblick, dass in allen untersuchten Arbeiten die Gruppe der erfassten Wörter tatsächlich identisch oder zumindest sehr ähnlich ist.⁸³ Auch weisen die Wortartenbeschreibungen eine bemerkenswerte Vergleichbarkeit auf. Es erfolgen immer wieder – positionsübergreifend und über die Jahrhunderte hinweg – ähnliche Aussagen v. a. zur Semantik, Morphologie und Syntax
83 Bezüglich der Gruppe von erfassten Wörtern ist festzustellen, dass in allen Darstellungen neben schnell, schön und sofort u. a. Wörter wie allein, dort, froh, gut, heute, klug oder krank betrachtet werden. Schwankungen ergeben sich v. a. im Hinblick auf Wörter wie denn und sehr, die mehrheitlich nicht einbezogen werden, z. T. aber neben den o. g. Wörtern gleichfalls Betrachtung finden (vgl. u. a. Erben 121980). Darüber hinaus gibt es Unterschiede im Hinblick auf Wörter wie freundlicherweise und vermutlich bzw. drei und vierte, die i. d. R. in den Arbeiten neben Wörtern wie schnell, schön und sofort erfasst werden, vereinzelt aber auch explizit ausgeklammert werden (vgl. in Bezug auf Wörter wie freundlicherweise die Arbeiten von Helbig, Helbig / Buscha 2001 oder Motsch 22004; in Bezug auf Wörter wie drei v. a. Rolland 1999; Hentschel / Weydt 32003).
Zusammenfassung
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der betreffenden Wörter. Beispielsweise werden auf semantischer Ebene Wörter wie froh, gut oder schnell häufig als Wörter zum Ausdruck von Eigenschaften beschrieben (vgl. u. a. Bödiker 1746; Heyse 51838; Hentschel / Weydt 32003), während Wörter wie dort, heute oder sofort zumeist als Umstandbezeichnungen gefasst werden (vgl. u. a. Adelung 1781; Berndt 31842; Blatz 31895; Erben 121980; Duden 4 82009). Gleichfalls finden sich auf morphologischer Ebene vergleichbare Anmerkungen, und zwar vornehmlich zur Flexion von Wörtern wie froh, gut oder schnell und z. T. auch zur Formunveränderlichkeit von Wörtern wie dort, heute oder sofort (vgl. u. a. Heyse 51838 bzw. Blatz 31895; Meibauer et al. 22007; Duden 4 82009). Auch auf syntaktischer Ebene sind zumindest bestimmte Gemeinsamkeiten festzustellen. So wird u. a. immer wieder ausgeführt, inwiefern Wörter wie dort, froh, schnell oder sofort im Satz als ‚Attribut‘, ‚Prädikativ‘ oder ‚Adverbial‘ fungieren können bzw. welche syntaktische(n) Funktion(en) diese Wörter typischerweise übernehmen (vgl. u. a. Erben 121980; Rolland 1999; Helbig / Buscha 2001; Meibauer et al.22007; Duden 4 82009; mit anderer Terminologie auch Motsch 22004). Bedenkt man, dass in den untersuchten Arbeiten eine Unterscheidung zwischen ausschließlich beschreibenden und für die Wortart konstitutiven Angaben mehrheitlich nicht klar erkennbar ist (vgl. u. a. die in Kapitel 1.2.2, 1.4.2 und 1.5.2 betrachteten Arbeiten) und somit der Eindruck entsteht, dass genau auf Merkmale wie die o. g. Bezug genommen wird, um das jeweilige Wortartenverständnis zu begründen, so kann es doch wenigstens als erstaunlich gelten, dass man im Hinblick auf die Adjektiv-Adverb-Frage zu einer derartigen Vielfalt an Positionen gelangt. Wie die folgende Übersicht zu den jeweils angeführten Klassifikationskriterien zeigt, lässt sich diese Tatsache zumindest teilweise mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Schwerpunktsetzungen erklären. So wird beispielsweise erkennbar, dass in Arbeiten der Position V der Schwerpunkt auf morphologischen Kriterien, v. a. auf dem Kriterium ‚Flektierbarkeit‘ liegt, während Arbeiten der Position I primär syntaktische Kriterien anführen, um zwischen Adjektiven und Adverbien zu unterscheiden. Übersicht 1: Gesamtheit bisher angeführter Klassifikationskriterien Kriterienart
Kriterium
Relevanz
semantisch
lexikalisch-denotative Bedeutung
v. a. in Positionen II–IV z. T. in Positionen I und V
logische Bedeutung
v. a. in Position II z. T. in Position I (16.–20. Jh.)
Frageprobe mit „Wie?“
z. T. in Positionen II und III
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Forschungsgeschichte
Kriterienart
Kriterium
Relevanz
morphologisch
Flektierbarkeit
v. a. in Position V z. T. in Position I (16.–20. Jh.)
Flektiertheit
in Positionen II–III
Komparierbarkeit
v. a. in Positionen II–V z. T. in Position I
Distribution
v. a. in Position I z. T. in Positionen II, III, V
syntaktische Funktion
v. a. in Positionen I, IV z. T. in Position II, V
Komplement- / Rektionsfähigkeit
v. a. in Position I z. T. in Positionen III–V
Kriterium B: Transformation
in Position I (Helbig 1984 ff.)
Betonungsverhältnisse im Satz
z. T. in Positionen I,V
Bezug (auf andere Wortarten)
z. T. in Positionen I–V
syntaktisch
phonologisch
Abgesehen von wenigen Ausnahmen ist jedoch zu beobachten, dass man positions- und zeitpunktunabhängig immer wieder auf das o. g. Kriterieninventar zurückgreift, das nicht sehr umfangreich und stark an griechischen und lateinischen Beschreibungstraditionen orientiert ist. Eine umfassende empirische und begriffliche Neuorientierung wird letztlich in keiner der Arbeiten vollzogen. Letzterer Befund ist v. a. deshalb in besonderer Weise hervorzuheben, als er nicht nur auf die beiden hier fokussierten Wortarten zutrifft. Vielmehr spiegelt sich darin symptomatisch wider, was in der allgemeinen Wortartenforschung zurecht als eines der zentralen Probleme benannt wird. Beispielsweise verweist Plank darauf, dass man „die empirischen Gegebenheiten der Sprachen […] stets als bereits geordnet vorgefunden [hat] und in der Tat nicht mehr anders wahrnehmbar und beschreibbar, als durch das tradierte Begriffsraster vorgezeichnet“ (1984: 490). Diese und ähnliche Feststellungen finden demnach in der vorliegen-
84 Für das Kriterium ‚Bezug‘ erfolgt keine Zuordnung zu einer bestimmten Kriterienart, da in den meisten Arbeiten unspezifiziert bleibt, was genau unter ‚Bezug‘ zu fassen ist, eine semantische, syntaktische oder möglicherweise eine völlig anders geartete Eigenschaft.
Zusammenfassung
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den Analyse der Forschungsgeschichte zu den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ erneut Bestätigung und sind für jede weitere Auseinandersetzung mit der Wortartenproblematik ausdrücklich zu berücksichtigen. Besagter Mangel an empirischer und methodischer Weiterentwicklung manifestiert sich in der vorgelegten Analyse primär in den deutlich herausgestellten Schwierigkeiten, die mit der Beziehung zwischen Abgrenzungsentscheidung und den zur Begründung implizit oder explizit angeführten Kriterien verbunden sind. Ein erstes zentrales Problem bildet der Einsatz heterogener Kriterien, der sehr häufig beobachtet wurde und – von den Anfängen bis in die Gegenwart – wohl auch auf eine Orientierung an vorgefundenen Wortartenbeschreibungen zurückzuführen sein dürfte.⁸⁵ Das Problem lässt sich noch einmal anhand eines Beispiels aus aktuellen Publikationen vergegenwärtigen: So benennen die in Position V untersuchten Arbeiten als entscheidendes Kriterium zur AdjektivAdverb-Abgrenzung das morphologische Kriterium ‚Flektierbarkeit‘, nutzen jedoch dann in der weiteren Argumentation auch andere Kriterien, u. a. semantische (vgl. u. a. Duden 4 82009; Eisenberg 42013). Wie u. a. in Bezug auf das Beispiel schrittweise in Verwendungen wie mit dem schrittweisen Aufbau gezeigt werden konnte, führt der Versuch einer konsequenten Anwendung verschiedener – also beispielsweise morphologischer und semantischer – Kriterien allerdings zu divergierenden Ergebnissen, da erstere eine Zuordnung zur Wortart ‚Adjektiv‘ nahelegen, während die angeführten semantischen Kriterien eine Zuordnung zur Wortart ‚Adverb‘ nachvollziehbar machen.⁸⁶ In der vorliegenden Darstellung war in dieser oder ähnlicher Weise für zahlreiche Fälle – und zwar in Arbeiten aller fünf Forschungslinien – zu konstatieren, dass der Einsatz unterschiedlicher Arten von Kriterien in der Anwendung zu Widersprüchen oder zumindest zu Zuordnungsunsicherheiten führt. Die Betrachtung der Adjektiv-Adverb-Problematik spiegelt hier in besonderer Weise ein grundlegendes methodisches Problem der allgemeinen Wortartenforschung wider, das i. d. R. unter dem Stichwort ‚Heterogenität der Kriterien‘ gefasst wird und insofern weitreichende Folgen hat, als es zur Inkonsistenz des Gesamtsystems führt (vgl. u. a. Knobloch / Schaeder 2000: 675). In der allgemeinen Wortartenforschung hat man die Reichweite dieses Problems spätestens seit Beginn des 20. Jahrhundert erkannt und u. a. in folgender Weise beschrieben:
85 Von einem Einsatz heterogener Kriterien wird ausgegangen, wenn explizit verschiedene Arten von Kriterien benannt werden, aber auch wenn aufgrund der Darstellungsweise davon auszugehen ist, dass unterschiedliche Arten von Kriterien Verwendung finden. 86 Vgl. genauer dazu Kapitel 1.6.2.
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Forschungsgeschichte
Bisher hatte man in der Sprachlehre hergebrachterweise 9–10 Wortarten unterschieden […] Diese Einteilung ist deswegen (wissenschaftlich) nicht haltbar, weil ihr kein einheitliches Einteilungskriterium zugrunde liegt. Bald ist die Form des Wortes, die Flexion oder Beugbarkeit, maßgebend (z. B. beim Verbum), bald die Bedeutung an sich (z. B. beim Pronomen und beim Zahlwort), bald seine Bedeutung und Verwendung im Satze (bei Adverb, Präposition, Konjunktion und Artikel). Man kann aber jeweils nur nach dem einen dieser drei Gesichtspunkte einteilen. (Sütterlin 1918: 97)
Dass dennoch bis in die Gegenwart heterogene Klassifikationsansätze dominieren, erklärt sich z. T. dadurch, dass in der Literatur das Etablieren homogener Ansätze als unmöglich oder unangemessen eingeschätzt wird.⁸⁷ Der Einsatz heterogener Kriterien scheint m. E. jedoch sehr viel stärker motiviert durch ein weiteres Problem der Wortartenforschung, das der Kriterienwahl. So wurde für die Kriterien, die in den untersuchten Arbeiten eingesetzt werden, ausnahmslos aufgezeigt, dass diese – für sich genommen – jeweils keine trennscharfe Abgrenzung der betreffenden Wortart(en) erlauben. Die Gründe für diesen negativen Befund sind unterschiedlicher Art. In Bezug beispielsweise auf die angesetzten semantischen und morphologischen Kriterien sind sie primär in der Kriterienart begründet, wird doch in der Wortartenforschung seit Längerem darauf hingewiesen, dass diese Kriterien für eine Wortartenklassifikation im Deutschen deshalb ungeeignet sind, weil sie sich einer konsequenten Anwendung auf den gesamten Untersuchungsgegenstand widersetzen (vgl. u. a. Helbig 1968: 1; Helbig / Buscha 2001: 19).⁸⁸ Während der Einsatz semantischer Kriterien nicht zuletzt aus diesen Gründen in aktuelleren Arbeiten zurückgegangen ist oder zumindest als Problem erkannt wird (vgl. v. a. die Angaben in Kapitel 1.2.3 und 1.6.2), finden morphologische Kriterien nach wie vor verbreitet Anwendung. Anhand der Adjektiv-Adverb-
87 So wird in älteren Veröffentlichungen z. T. explizit angegeben, dass es grundsätzlich nicht möglich sei, ein logisch und stringent gegliedertes Kategoriensystem zu etablieren (vgl. u. a. Paul 1886: 299). Bis in die Gegenwart wird außerdem immer wieder darauf verwiesen, dass eine homogene Klassifikation im Widerspruch zur Komplexität der Sprache stehen würde (vgl. u. a. Forsgren 2008: 25). Dieser Ansicht kann entgegnet werden, dass damit eine Korrelation zwischen Methode und Gegenstand postuliert wird, jedoch von den Eigenschaften des Untersuchungsgegenstandes grundsätzlich nicht auf die wissenschaftliche Methode geschlossen werden sollte. 88 Als Gründe dafür wird angegeben, dass nicht alle Wortarten einen direkten Wirklichkeitsbezug bzw. eine Formveränderlichkeit aufweisen (vgl. Helbig / Buscha 2001: 19). Ohne dass in der Literatur auf phonologische Kriterien und auf das Kriterium ‚Bezug‘, das in den untersuchten Arbeiten zumindest zur Beschreibung der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ häufig eingesetzt wird, eingegangen wird, könnte vermutlich in ähnlicher Weise begründet werden, warum diese als Kriterien für die Klassifikation des gesamten Untersuchungsgegenstandes ebenfalls nicht geeignet sind.
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Problematik kann allerdings in besonderem Maße verdeutlicht werden, dass auch diese Kriterienart für das Etablieren einer Wortartenklassifikation nicht geeignet ist. So lässt sich ein entscheidender Teil der hier untersuchten Wörter gerade nicht im Hinblick auf morphologische Kriterien genauer charakterisieren, da es sich bei Wörtern wie allein, dort und sofort aber auch bei Wörtern wie fünf, lila oder prima in (143)–(144) um Einheiten handelt, die grundsätzlich keine Formveränderlichkeit aufweisen und demnach in Bezug auf morphologische Kriterien indifferent sind. (143) Der Mann kommt allein / dort / sofort. (144) Die fünf / lila / prima Bücher liegen auf dem Tisch. Möchte man dem somit begründeten Vorwurf, dass morphologische Kriterien nicht auf den gesamten Untersuchungsgegenstand anwendbar sind, begegnen, so gelingt dies wohl am ehesten unter der Prämisse, mithilfe des Begriffspaars ‚flektierbar – unflektierbar‘ zu operieren. Auf diese Weise können alle unveränderlichen Wörter zwar nicht näher charakterisiert, aber zumindest mit der Eigenschaft ‚unflektierbar‘ beschrieben werden. In der Konsequenz führt das jedoch u. a. zu der grammatisch nicht besonders zufriedenstellenden Annahme einer sehr umfangreichen und äußerst heterogenen Wortart ‚Nichtflektierbare‘, die neben Wörtern wie bei, ob, sehr, sofort und und auch Wörter wie lila, prima u. a. umfassen würde. Wie anhand der Adjektiv-Adverb-Frage exemplarisch dargelegt wurde, gibt es allerdings aus grammatischer Sicht durchaus gute Gründe für eine andere und differenziertere Klassifikation, da u. a. Wörter wie lila und prima ein Verhalten zeigen, das eher mit Wörtern wie schnell und schön vergleichbar ist. Dass diese Beobachtung für lila und prima konsensfähig ist, zeigt sich u. a. darin, dass letztlich auch Arbeiten, die primär morphologische Kriterien zugrunde legen, für jene Wörter eine andere Zuordnung als zu den ‚Nichtflektierbaren‘ wählen (vgl. u. a. in Kapitel 1.3 und 1.6 untersuchten Arbeiten). Diese Zuordnung lässt sich jedoch nicht auf der Grundlage morphologischer Kriterien begründen, sodass i. d. R. eine Stufung von Kriterien vorgenommen wird, um nach Anwendung morphologischer Kriterien weitere Kriterienarten (v. a. syntaktische) einbeziehen zu können. Sieht man von dieser wissenschaftstheoretisch problematischen Stufung ab und konzentriert sich auf die hier fokussierten morphologischen Kriterien, so zeigt sich Folgendes: Mithilfe der Dichotomie ‚flektierbar – unflektierbar‘ kann die Anwendbarkeit morphologischer Kriterien auf den gesamten Gegenstand durchaus hergestellt werden. Allerdings gelingt es unter dieser Prämisse dennoch nicht, homogen begründete und grammatisch zweckmäßige Klassen zu etablieren. Morphologische Kriterien erscheinen dann als zu undifferenziert, was letztlich zu der eingangs benannten Grundposition zurück-
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Forschungsgeschichte
führt, auch diese Kriterienart als grundsätzlich wenig geeignet zu betrachten für die Klassifikation von Wörtern im Deutschen. Grundlegend anders stellt sich die Situation im Hinblick auf syntaktische Kriterien dar, denn alle Wörter des Deutschen treten in syntaktischen Strukturen auf und können folglich dahingehend näher charakterisiert werden, über welche „Stellenwerte [sie] im internen Relationsgefüge des Satzes“ (Helbig / Buscha 2001: 19) verfügen. Demnach ist die Anwendbarkeit auf den gesamten Untersuchungsgegenstand in jedem Fall gegeben. Dennoch wurde in der vorgelegten Analyse beobachtet, dass auch diese Kriterien, zumindest in der bisher angesetzten Form, keine zufriedenstellende Lösung der Adjektiv-Adverb-Frage hervorbringen. Gründe dafür sind in den Kriterien selbst zu suchen. Beispielsweise bleibt festzuhalten, dass die Wahl des Kriteriums ‚Satzgliedfunktion / syntaktische Funktion‘ insofern problematisch ist, als mit dem zentralen Terminus ‚adverbiale Verwendung‘ eine problematische Ambiguität verbunden ist (‚wie ein Adverb‘ vs. ‚in Funktion eines Adverbials‘) und bei der scheinbar dominierenden funktionalen Interpretation des Begriffs nicht alle Verwendungsweisen der hier untersuchten Wörter wie sofort oder direkt problemlos erfasst werden können.⁸⁹ Vor allem aber werden für Wörter wie schnell und sofort deutliche Überschneidungen in Attribut- und Adverbialfunktion bzw. für Wörter wie dort, Lehrer und schnell in Prädikativfunktion erkennbar, die die jeweiligen Abgrenzungsentscheidungen eher infrage stellen, anstatt sie zu legitimieren.⁹⁰ Die Analyse der Adjektiv-AdverbAbgrenzung verdeutlicht somit einmal mehr, dass im Deutschen keine direkte Korrelation zwischen Form und Funktion besteht (vgl. u. a. auch Meibauer et al. 2 2007: 153 f.) und das Kriterium ‚Satzgliedfunktion / syntaktische Funktion‘ sich nicht zuletzt auch aus diesem Grund für die Wortartenzuordnung von Wörtern wie schnell und sofort als ungünstig erweist.⁹¹ Zielführender scheinen die Entwicklungen in der Anwendung positionaler Kriterien, wobei besonders die Etablierung des Kriteriums ‚Distribution‘ durch die Arbeiten von Helbig bzw. Helbig / Buscha hervorzuheben ist. Zwar wurde auch hier kritisiert, dass sich für Wörter wie dort, Lehrer und schnell
89 Gemeint sind hier Fälle wie das Auftreten von Wörtern wie sofort oder schnell in Konstruktionen wie der sofort / schnell zufriedene Mann, die für eine funktionale Beschreibung zumindest problematisch sind. Vgl. genauer dazu Kapitel 1.6.2 bzw. die verschiedene Herangehensweisen vergleichende Analyse in Kapitel 3.2.4. 90 Vgl. genauer dazu die diesbezüglichen Ausführungen in Kapitel 1.2.3, 1.3.3, 1.5.2 und 1.6.2. 91 Folglich bringen Arbeiten, die dieses Kriterium verwenden, weitere Kriterien (v. a. morphologischer und semantischer Art) zum Einsatz und sind deshalb als heterogene Ansätze zu bezeichnen (vgl. u. a. die Mehrheit der in Kapitel 1.6.2 untersuchten Arbeiten).
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Überschneidungen ergeben.⁹² Im Gegensatz zu dem o. g., auf der Satzgliedterminologie basierenden Kriterium bietet der Einsatz positionaler Kriterien aber den entscheidenden Vorteil, dass die Verwendungsweisen von Wörtern terminologieunabhängig und vollständig erfasst werden können und damit eine Art Grundlage liefern für die Anwendung weiterer syntaktischer Kriterien (vgl. etwa das bei Helbig angesetzte ‚syntaktische Kriterium B‘). Somit bieten positionale Kriterien in besonderer Weise Entwicklungspotenzial für künftige syntaktisch basierte Klassifikationsansätze, die zugleich der methodischen Forderung nach kriterialer Homogenität nachkommen können. Im Rahmen des vorliegenden forschungsgeschichtlichen Kapitels konnte zumindest im Vergleich mit bisher erschienen Publikationen herausgearbeitet werden, dass die Arbeiten von Helbig bzw. Helbig / Buscha, die genau dieses syntaktische Kriterium der Distribution in den Mittelpunkt stellen, bemerkenswerterweise in der Frage der Adjektiv-AdverbAbgrenzung am differenziertesten und überzeugendsten erscheinen. Insgesamt machen die vorangegangenen Ausführungen deutlich, dass zentrale Probleme der allgemeinen Wortartenforschung, die aus der Wahl der Kriterien bzw. Kriterienart resultieren, besonders deutlich anhand der AdjektivAdverb-Problematik zum Ausdruck kommen – zeigen sich doch exemplarisch die unüberwindlichen Schwierigkeiten, die einerseits durch die Anwendung heterogener Kriterien entstehen und andererseits beim Versuch, mithilfe semantischer oder morphologischer Kriterien homogen zu klassifizieren. Speziell für die Lösung der Adjektiv-Adverb-Frage kann daraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Notwendigkeit, homogen zu klassifizieren, zugleich den Einsatz syntaktischer Kriterien nahelegt, die im Gegensatz zu anderen Kriterienarten zumindest das dafür notwendige Potenzial bieten.
92 Vgl. v. a. die Anmerkungen zum Distributionsrahmen II in Kapitel 1.2.3.
2 Lösungsvorschlag Nachdem im Rahmen des forschungsgeschichtlichen Kapitels in besonderer Weise der Problemgehalt herausgestellt wurde, der bis in die Gegenwart mit der Kategorisierung von Wörtern wie schnell, schön und sofort im Deutschen verbunden ist, erfolgt im vorliegenden Kapitel die Präsentation eines eigenen Vorschlags zur Lösung dieser essenziellen Zuordnungsfrage. Dabei ist es angesichts der Analyseergebnisse aus Kapitel 1 das primäre Ziel, einen wissenschaftstheoretisch konsistenten, d. h. methodisch stringenten und anwendbaren Klassifikationsansatz zu erarbeiten. Aus diesem Grund wird eine homogen syntaktische Herangehensweise gewählt, die im Gegensatz zu anderen Ansätzen das dafür notwendige Potenzial bietet.¹ Anknüpfend an bisherige Möglichkeiten zur syntaktischen Beschreibung, insbesondere aber in Orientierung an der primär syntaktischen Vorgehensweise von Helbig bzw. Helbig / Buscha (vgl. Kapitel 1.2.3), wird in Kapitel 2.1 eine Weiterentwicklung des Kriterieninventars vorgestellt, auf dessen Grundlage dann die Konstitution der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ erfolgen soll. Wie zu zeigen sein wird, ermöglicht dieser Klassifikationsansatz tatsächlich eine begründete und eindeutige Wortartenzuordnung für die betreffenden Wörter im Satz, führt aber für bestimmte Wörter wie schnell und schön zu der bereits im Rahmen der Forschungsgeschichte angesprochenen Mehrfachkategorisierung. Letzteres ist jedoch nicht nur spezifisch für primär syntaktische Klassifikationsansätze, sondern u. a. auch für die im forschungsgeschichtlichen Teil betrachteten Positionen II und III zu beobachten, wobei u. a. darauf hingewiesen wurde, dass die in diesem Zusammenhang berechtigten Fragen nach dem theoretischen Status von schnellA und schnellAdv und speziell nach der Beziehung zwischen diesen mehrfach kategorisierten Wörtern möglicherweise eine Beantwortung erfahren können durch neuere Ansätze der Wortartenforschung zur Unterscheidung zweier verschiedener Ebenen der Wortartenzuordnung (vgl. v. a. Meibauer et al. 2 2007; Duden 4 82009). Zur Klärung dieses Sachverhalts erfolgt in Kapitel 2.2 eine Einbettung der Thematik in den Gesamtzusammenhang des Sprachsystems, wobei zunächst ein Lexikonmodell vorgestellt wird, auf dessen Grundlage die Rolle von Wortarten im Sprachsystem näher bestimmt sowie die Parameter für eine Ebenendifferenzierung der Wortartenzuordnung weiterentwickelt und ausgearbeitet werden können. Nach Erarbeitung dieses theoretischen Rahmens wird in Kapitel 2.3 die Adjektiv-Adverb-Frage einer erneuten Betrachtung unterzogen. Dabei soll
1 Vgl. zur Begründung Kapitel 1.7.
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Lösungsvorschlag
gezeigt werden, dass der vorgestellte syntaktische Klassifikationsansatz unter Zuhilfenahme dieses differenzierenden Wortartenkonzepts eine entscheidende Präzisierung erfährt und v. a. die Frage nach der Beziehung zwischen den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ schlüssig beantwortet werden kann.
2.1 Syntaktischer Klassifikationsansatz 2.1.1 Terminologische Vorbemerkungen Der folgende Klassifikationsansatz basiert auf einer primär syntaktischen Herangehensweise und trägt damit den Ergebnissen Rechnung, die aus der Auseinandersetzung mit bisherigen Ansätzen hervorgegangen sind. Demnach eignen sich syntaktische Kriterien v. a. deshalb für die Erstellung einer Wortartensystematik, weil sie – im Gegensatz zu anderen Kriterienarten – auf den gesamten Untersuchungsgegenstand anwendbar sind und eine homogene, d. h. wissenschaftstheoretisch konsistente Klassifikation erlauben. Allerdings konnten nicht alle syntaktischen Kriterien, die in der Literatur angeführt werden, als gleichermaßen praktikabel bewertet werden. Der Auswahl der im Folgenden verwendeten Kriterien werden deshalb drei Bedingungen zugrunde gelegt: Ein Kriterium soll dann als ein syntaktisches gelten, wenn es syntaktisch relevant ist, d. h. wenn es auf Eigenschaften rekurriert, die für den Aufbau syntaktischer Strukturen von Bedeutung sind. Zugleich sollen jedoch nur diejenigen syntaktischen Kriterien zum Einsatz kommen, die sich auf distinktive Merkmale von Wörtern beziehen, d. h. auf Merkmale, die es erlauben, Wörter möglichst eindeutig voneinander zu unterscheiden bzw. einander zuzuordnen.² Nicht zuletzt sollen die gewählten Kriterien es ermöglichen, eine grammatisch relevante und praktisch anwendbare Klassenbildung und -abgrenzung zu etablieren. Bevor näher auf diese Klassifikationskriterien und ihre Anwendung eingegangen werden kann, müssen zunächst auch – im Sinne einer Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes – einige Bemerkungen zum Wortbegriff erfolgen. Bekanntlich ist dieser nur schwer zu fassen. Die Frage, was ein Wort ist, lässt
2 Aus diesen Gründen wird u. a. das in der Literatur verschiedentlich angeführte Kriterium ‚syntaktische Funktion‘ nicht zum Einsatz kommen. Wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde, stellt es kein distinktives Merkmal dar, da zwischen Form und Funktion keine direkte Korrelation besteht. So kann man beispielsweise nicht verlässlich davon ausgehen, dass Wörter in Attributfunktion einer bestimmten Wortart (z. B. Adjektiv) zuzuordnen sind, da darüber hinaus auch Wörter diese Funktion im Satz übernehmen können (z. B. dort in: Das Haus dort gefällt mir.), die sich ansonsten jedoch anders verhalten.
Syntaktischer Klassifikationsansatz
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sich – so der Konsens in der Forschungsliteratur – nur ebenenspezifisch beantworten und z. T. auch nur in Abhängigkeit vom theoretischen Rahmen (vgl. u. a. Gallmann 1999: 271; Fuhrhop 2008: 189). Für den folgenden Klassifikationsansatz wird das syntaktische Wort eine zentrale Rolle spielen, das man als „Grundeinheit des Satzes“ (Fuhrhop 2008: 192) definieren und anhand verschiedener Kriterien wie syntaktische Mobilität, syntaktische Erweiterbarkeit etc. näher bestimmen kann.³ Zumeist werden in der Literatur syntaktische Wörter gleichgesetzt mit Wortformen im Satz (vgl. u. a. Meibauer et al. 22007: 129; Duden 4 82009: 133; Eisenberg 42013 I: 17).⁴ Dies soll in der vorliegenden Darstellung jedoch nicht geschehen, weil mit dem Begriff ‚syntaktisches Wort‘ Bezug genommen werden soll auf Einheiten, die als Ausgangspunkt für die Wortartenklassifikation dienen. Im Rahmen des gewählten syntaktischen Klassifikationsansatzes sind das gerade nicht einzelne Wortformen, sondern alle – bei konstant bleibender lexikalischer Bedeutung – potenziell zusammengehörigen Wortformen. Die Begriffsbestimmung wird daher in folgender Weise modifiziert: Ein syntaktisches Wort ist eine im Satz vorkommende Grundeinheit, die über eine spezifische lexikalische Bedeutung verfügt und durch eine oder mehrere formale Ausprägung(en) im Satz repräsentiert werden kann.⁵
Syntaktische Wörter in diesem Sinne sollen den Ausgangspunkt für die Wortartenklassifikation bilden, d. h. diese Wörter werden im Hinblick auf ihr syntaktisches
3 Die Bestimmung dieser Grundeinheiten mag bei Einheiten wie schnell unproblematisch sein, weniger klar erscheinen jedoch Fälle wie auf Grund / aufgrund. Fuhrhop weist darauf hin, dass Kriterien wie Verschiebbarkeit, Vorfeldfähigkeit etc. zumindest Hinweise geben auf die Interpretierbarkeit bestimmter Einheiten als selbstständige Wörter (vgl. Fuhrhop 2007: 192 f.). 4 Der Terminus ‚syntaktisches Wort‘ wird vereinzelt auch zur Bezeichnung spezifischer grammatischer Ausprägungen von Wörtern genutzt (vgl. v. a. Linke et al. 52004: 57). Vgl. genauer dazu die folgenden Ausführungen zum ‚morphosyntaktischen Wort‘. 5 Damit orientiert sich die Definition für syntaktisches Wort auch an einem Lexembegriff, demzufolge Lexeme abstrakte Einheiten darstellen, die das den verschiedenen formalen Ausprägungen Gemeinsame umfassen. Dass der Begriff ‚syntaktisches Wort‘ dennoch als eigener Terminus zum Einsatz kommt, ist damit zu begründen, dass der Lexembegriff nicht als Ausgangspunkt für eine syntaktische Untersuchung dienen kann, sondern letztlich erst im Zuge der Analyse erkennbar wird, ob es sich bei dem betreffenden syntaktischen Wort um mehr als ein Lexem handelt (wie es z. B. im Fall von schnell zu zeigen sein wird). Dies wiederum hängt damit zusammen, dass für die Annahme eines Lexems u. a. auch Merkmale wie Wortartenzugehörigkeit konstitutiv sind (vgl. dazu auch die Darstellung der Wortbildungsregeln in Kapitel 2.2.2.2). Folglich können und sollen Lexeme für die Wortartenklassifikation gerade nicht vorausgesetzt werden.
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Lösungsvorschlag
Verhalten detailliert untersucht. Insbesondere Eigenschaften wie das syntaktische Verwendungspotenzial und die Fähigkeit zur Ausprägung spezifischer grammatischer Merkmale im Satz stehen dabei im Fokus.⁶ Um speziell die letztgenannte Eigenschaft präzise erfassen zu können, soll zusätzlich eine Spezifizierung des Wortbegriffs einbezogen werden, die der Flexionsmorphologie entstammt. Sie sieht eine terminologische Differenzierung des Wortbegriffs in ‚Lexem‘, ‚Wortform‘ und ‚morphosyntaktisches Wort‘ vor (vgl. u. a. Bauer 1988: 9; Spencer 1991: 45; Anderson 1992: 85 ff.; Radford / Atkinson et al. 1999: 169; Linke et al. 52004: 63).⁷ Während – im Anschluss an Öhlschläger – ‚Lexem‘ verstanden wird als abstrakte Einheit, die das unterschiedlichen formalen Ausprägungen Gemeinsame umfasst, bezeichnet man mit ‚Wortform‘ die jeweilige formale Ausprägung, d. h. die Ausdrucksseite des Lexems (vgl. Öhlschläger 2011: 96). Neu an dieser Differenzierung ist der dritte Terminus: ‚morphosyntaktisches Wort‘. Er rekurriert auf die spezifischen grammatischen Ausprägungen von Lexemen und ermöglicht eine eindeutige Zuordnung zwischen einer Wortform und den syntaktisch motivierten grammatischen Merkmalen dieser Wortform im Satz. Bezogen auf den hier gegebenen Zusammenhang sind speziell die Begriffe ‚Wortform‘ und ‚morphosyntaktisches Wort‘ von Nutzen, weil aus dieser begrifflichen Differenzierung die Möglichkeit erwächst, eine Aussage allein darüber zu treffen, inwiefern Wörter im Satz spezifische grammatische Merkmale ausprägen, unabhängig von potenziellen Veränderungen der Wortform. Damit ist eine Trennung von syntaktisch relevanten und morphologisch sichtbaren Eigenschaften gegeben, was für einen homogen-syntaktischen Ansatz zur Wortartenklassifikation, der allein auf syntaktisch relevante Eigenschaften Bezug nehmen soll, von entscheidender Bedeutung ist. Die begriffliche Differenzierung sei deshalb etwas genauer anhand von drei Beispielen verdeutlicht: Das syntaktische Wort Koffer kann durch unterschiedliche Wortformen realisiert werden (Koffer, Koffers, Koffern). Während in den Sätzen (1)–(2) die Wortformen Koffers und Koffern ihre jeweiligen grammatischen Merkmale durch spezifische Formenbildungen (Suffigierungen) zum Ausdruck bringen, stellt die Wortform Koffer einen Synkretismus dar und repräsentiert je nach syntaktischer Struktur unterschiedliche
6 Es sei darauf hingewiesen, dass die in dieser Arbeit eingesetzte Redeweise von ‚Verwendung‘, ‚Vorkommen‘, ‚Vorkommensweisen‘ u. Ä. nicht Bezug nimmt auf die Ebene der Parole (vielmehr würde dafür der Terminus ‚Äußerung‘ genutzt), sondern ausschließlich auf die Ebene der Langue. 7 Die Bezeichnungen für ‚morphosyntaktisches Wort‘ variieren in der Literatur. Es werden u. a. auch verwendet: ‚grammatisches Wort‘ (vgl. Bauer 1988) und ‚syntaktisches Wort‘ (vgl. Linke et al. 52004).
Syntaktischer Klassifikationsansatz
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grammatische Merkmale (z. B. Akkusativ, Singular, Maskulinum oder Nominativ, Plural, Maskulinum in (3)–(4)). (1) (2) (3) (4)
Er erinnerte sich des Koffer-s. Das schadet den Koffer-n. Er sieht den Koffer. Die Koffer sieht man gut.
In den vier o. g. Sätzen wird das Wort Koffer durch insgesamt drei verschiedene Wortformen realisiert. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass vier (und nicht nur drei) verschiedene morphosyntaktische Wörter vorliegen, wobei die morphosyntaktischen Merkmale jeweils durch die syntaktische Beziehung zum Verb motiviert sind. Ähnlich stellt sich die Situation für das syntaktische Wort Ferien dar. In Abhängigkeit von der syntaktischen Struktur (hier ebenfalls motiviert durch das jeweilige Verb) kann die Wortform Ferien verschiedene morphosyntaktische Wörter repräsentieren (vgl. (5)–(7): Nominativ, Plural; Akkusativ, Plural; Genitiv, Plural). Im Unterschied zum ersten Beispiel werden alle morphosyntaktischen Wörter jedoch durch eine einzige Wortform realisiert. (5) (6) (7)
Die Ferien beginnen nächste Woche. Sie braucht eindeutig Ferien. Es bedarf endlich der Ferien.
Anders verhält es sich mit dem syntaktischen Wort von. Es wird ebenfalls nur durch eine Wortform realisiert. Allerdings repräsentiert die Wortform von im Normalfall kein morphosyntaktisches Wort, denn es gibt keinerlei Hinweise auf syntaktisch motivierte grammatische Merkmale (vgl. u. a. (8)).⁸ (8)
Er kommt von der Schule.
Die Beispiele zeigen einerseits, dass die Fähigkeit zur Ausprägung spezifischer grammatischer Merkmale im Satz nicht an die Existenz unterschiedlicher Wortformen gebunden ist (vgl. Ferien in (5)–(7)). Andererseits ist festzustellen, dass die jeweiligen morphosyntaktischen Merkmale nicht ohne weiteres anhand der Wortform erkennbar sind (vgl. Koffer und Ferien in (3)–(7)). Für eine syntak-
8 Gemeint ist hier die typische Verwendungsweise von Wörtern wie von. Nicht berücksichtigt ist die seltene, jedoch nicht völlig ausgeschlossene substantivierte Verwendung (vgl. u. a.: Er will das Von immer hören.).
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Lösungsvorschlag
tisch begründete Wortartenzuordnung genügt es folglich nicht, die jeweilige(n) Wortform(en) als Ausdrucksseite syntaktischer Wörter im Satz zu analysieren. Vielmehr erscheint es notwendig, den Terminus ‚morphosyntaktisches Wort‘ einzusetzen, denn er bietet die Möglichkeit, sich von der formalen Oberfläche zu lösen und merkmalsorientiert vorzugehen, d. h. syntaktisch motivierte grammatische Eigenschaften syntaktischer Wörter präzise zu erfassen. In welchem Verhältnis stehen nun diese verschiedenen Termini bzw. inwiefern sind sie für die hier fokussierte Wortartenthematik von Relevanz? Für eine Wortartenzuordnung im angesetzten Rahmen ist jeweils eine syntaktische Analyse durchzuführen. Ausgangspunkt dabei ist immer das syntaktische Wort im o. g. Sinn, das durch eine oder mehrere Wortform(en) im Satz realisiert werden kann. Im Rahmen einer syntaktischen Untersuchung ist u. a. auch die Frage zu beantworten, ob und v. a. in welchen Zusammenhängen derartige Wortformen morphosyntaktische Wörter repräsentieren können. Entscheidend ist allerdings nicht, ob ein syntaktisches Wort durch mehr als eine Wortform realisiert werden kann, sondern allein die Tatsache, ob es spezifische grammatische Ausprägungen ausbilden kann. In der Konsequenz bedeutet das, dass jedes morphosyntaktische Wort durch eine bestimmte Wortform repräsentiert wird und diese wiederum eine Realisierung eines syntaktischen Wortes darstellt. Hingegen ist der umgekehrte Schluss nicht möglich, d. h. ein syntaktisches Wort wird nicht zwangsläufig durch ein morphosyntaktisches Wort repräsentiert (vgl. u. a. das Wort von in (8)). Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass für die folgenden Ausführungen zur Wortartenklassifikation der Begriff ‚Wort‘ i. S. v. ‚syntaktischem Wort‘ zugrunde gelegt wird und dieser in bestimmten Untersuchungszusammenhängen (und zwar speziell bei der Frage nach der Fähigkeit von Wörtern, im Satz grammatische Ausprägungen aufzuweisen) spezifiziert wird unter Rückgriff auf die Termini ‚Wortform‘ und ‚morphosyntaktisches Wort‘.⁹ 2.1.2 Definition der Klassifikationskriterien I–III ¹⁰ Auf der Grundlage der in Kapitel 2.1.1 getätigten Festlegungen können drei syntaktische Kriterien für die Wortartenklassifikation angesetzt werden. Sie betref-
9 Wenn demnach im folgenden Kapitel 2.1 der Begriff ‚Wort‘ Verwendung findet, dann ist damit, sofern keine anderen Angaben folgen, jeweils ‚Wort‘ i. S. v. ‚syntaktisches Wort‘ gemeint. 10 Grundlage für die folgenden Ausführungen zu den syntaktischen Kriterien für die Wortartenbestimmung bildet der Klassifikationsansatz von Öhlschläger (unveröffentlichte Skripten und Seminarunterlagen 2006–2012).
Syntaktischer Klassifikationsansatz
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fen positionale Merkmale von Wörtern sowie bestimmte Dependenzbeziehungen innerhalb syntaktischer Strukturen und sollen folgendermaßen bezeichnet werden: I II III
Distribution Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale.
Wie auch in anderen syntaktischen Wortartenklassifikationen (vgl. für das Deutsche v. a. Helbig / Buscha 2001) bildet die Distribution das primäre und zentrale Kriterium, denn alle Wörter des Deutschen lassen sich im Hinblick auf ihr Vorkommen in syntaktischen Strukturen charakterisieren.¹¹ Gegenstand der Distributionsanalyse sind syntaktische Wörter, deren Verwendungspotenzial unter Berücksichtigung der Grammatikalität erfasst wird. Neben der Erfassung der möglichen syntaktischen Umgebungen untersucht man die Substituierbarkeit des betreffenden Wortes durch andere Wörter. Ziel ist es, für Wörter mit gleichen oder ähnlichen Stellungseigenschaften die charakteristischen Positionen zu bestimmen und diese in sog. Distributionsrahmen zu operationalisieren (vgl. für Wörter wie Mann, Lehrer und Vertrag den Rahmen in (9)). (9)
Der neue … kommt heute.
Bekanntermaßen gibt es jedoch Fälle, in denen die alleinige Distributionsanalyse zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Auch die hier untersuchte Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung ist ein typisches Beispiel dafür.¹² Wenngleich die ‚Distribution‘ von zentraler Bedeutung ist, kann sie nicht als hinreichendes Klassifikationskriterium gelten. Ergänzend werden deshalb die Kriterien ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ einbezogen. Da diese Kriterien in der Wortartenforschung neuartig oder zumindest nicht etabliert sind, bedürfen sie zunächst einer etwas ausführlicheren Begründung und Einordnung als syntaktische Kriterien. Beide Kriterien basieren auf der Beobachtung, dass ein Zusammenhang besteht zwischen syntaktischen Dependenzbeziehungen, zu denen hier ‚Sub-
11 Das Kriterium der Distribution hat für das Deutsche v. a. durch Helbig 1966 ff. Verbreitung gefunden. 12 Vgl. u. a. Wörter wie schön, prima oder dort, für die in Sätzen wie Der Mann ist schön / prima / dort. keine eindeutige Kategorisierung möglich ist. Vgl. genauer dazu Kapitel 1.2.3 und 1.7 bzw. im Rahmen des eigenen Lösungsvorschlags Kapitel 2.1.3.1.
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Lösungsvorschlag
kategorisierung‘, ‚Rektion‘ und ‚Kongruenz‘ gezählt werden, und dem Auftreten morphosyntaktischer Wörter. Gemeint ist damit die Tatsache, dass bestimmte Dependenzbeziehungen im Satz das Auf- bzw. Zuweisen spezifischer grammatischer Merkmale motivieren.¹³ Dies soll in einem Exkurs zum Verständnis der einzelnen Dependenzbeziehungen präzisiert und veranschaulicht werden. Eine erste zentrale Dependenzbeziehung ist die Subkategorisierung. Sie bezeichnet die Fähigkeit von Wörtern, sowohl die Kategorienzugehörigkeit anderer Einheiten (vgl. (10)–(13)) als auch deren Anzahl zu bestimmen (vgl. v. a. (14)–(15)).¹⁴ So ist beispielsweise das Wort Lust in (10) dafür verantwortlich, dass nachfolgend eine (und zwar genau eine) Einheit in Form einer Präpositionalphrase erscheinen kann, nicht jedoch in beliebiger Form (vgl. u. a. (11)). (10) (11) (12) (13) (14) (15)
Ich habe Lust auf Sektfrühstück. * Ich habe Lust, dass der Sekt fließt. Der Mann kennt das Gelände. * Der Mann kennt hinter dem Bahnhof. Die Frau gibt seinem Freund das Geld. * Die Frau gibt seinem Freund.
Zweifelsohne liegen in (10), (12) und (14) Abhängigkeitsbeziehungen vor. Allerdings meint Subkategorisierung zunächst nur, dass bestimmte Einheiten (kennen, Lust, geben) Einfluss nehmen auf die Art der Kategorien anderer Einheiten (wie VP, PP oder CP), nicht jedoch auf die spezifisch grammatischen Merkmale dieser Einheiten. Daher besteht zwischen Subkategorisierung und dem Auf- bzw. Zuweisen von morphosyntaktischen Merkmalen keine direkte Relation. Maßgeblich für den oben postulierten Zusammenhang sind vielmehr die Rektions- und Kongruenzbeziehungen, die beide auf morphosyntaktische oder ähnliche Eigenschaften von Wörtern abheben. Rektion wird (abgrenzend zu Subkategorisierung) definiert als die Fähigkeit von Wörtern, die formalen oder ähnlich gearteten Eigenschaften anderer Einheiten festzulegen (vgl. (16)–(23)).¹⁵ Der prototypische Fall im Deutschen ist die
13 Daneben gibt es weitere Auswirkungen syntaktischer Dependenzbeziehungen, beispielsweise Wortstellungsphänomene (vgl. u. a. Jung 2003: 283). 14 Subkategorisierung wird in der Literatur i. d. R. anhand von Verben erläutert, ohne dass die Subkategorisierungsfähigkeit anderer Kategorien explizit ausgeschlossen wird (vgl. u. a. Grewendorf / Hamm / Sternefeld 32003: 182 ff.). In der vorliegenden Darstellung wird diese Dependenzbeziehung daher nicht auf Verben beschränkt. 15 Im Deutschen überlagern sich Subkategorisierung und Rektion häufig. Wenn beispielsweise ein Verb eine Nominalphrase subkategorisiert, regiert es zugleich auch immer den Kasus. Diese
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Kasusrektion. In ihr manifestiert sich die Relation zwischen Rektion und morphosyntaktischen Wörtern besonders deutlich, denn das regierende Wort bedingt, dass andere Einheiten spezifische Kasusmerkmale aufweisen (vgl. u. a. (16) und (18)). Darüber hinaus gibt es weitere Arten der Rektion (vgl. u. a. die Präpositionalkasusrektion in (20) und (22), die als Parallelfall zur Kasusrektion gelten kann (vgl. dazu u. a. Helbig / Buscha 2001: 255)). (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23)
Der Mann kennt das Gelände. * Der Mann kennt dem Gelände. Er spielt mit dem Kind. * Er spielt mit den Kind. Er erinnert sich an ihre Worte. * Er erinnert sich von ihren Worten. Er ist stolz auf seine Erfahrung. * Er ist stolz über seine Erfahrung.
Eine dritte Art der Abhängigkeitsbeziehung im Deutschen ist die Kongruenz. Im Unterschied zu Subkategorisierung und Rektion konstituiert sich diese Abhängigkeitsbeziehung nicht einseitig durch eine Einheit, die die Merkmale anderer Einheiten festlegt, sondern durch Merkmalsübereinstimmung zwischen den Einheiten. Als Kongruenzerscheinungen werden demnach Fälle bezeichnet, bei denen Einheiten im Hinblick auf bestimmte morphosyntaktische Merkmale übereinstimmen.16 Wie die folgenden Beispiele zeigen, handelt es sich dabei um eine zentrale Dependenzbeziehung im Deutschen (vgl. (24)–(29)). Die fehlende Grammatikalität etwa in (25) ergibt sich aus dem Verstoß gegen die elementare Kongruenzregel, derzufolge die Einheiten der Mann und schläft hinsichtlich Person und Numerus übereinstimmen müssen. (24) Der Mann schläft. (25) * Der Mann schläfst.
Termini sind dennoch strikt zu trennen, da es einerseits Fälle gibt, in denen Subkategorisierung auftritt, ohne dass von Rektion gesprochen wird (vgl. u. a. Der Mann verspricht, zu kommen. > versprechen subkategorisiert einen infiniten Satz, regiert aber keine formalen Eigenschaften im engeren Sinne). Andererseits tritt Rektion auch auf, ohne dass Subkategorisierung angenommen wird; vgl. v. a. Präpositionen wie auf in auf dem Hof, die den Kasus der nachfolgenden Phrase regieren und die kategoriale Eigenschaft aufweisen, mit Nominalphrasen aufzutreten. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine mit Verben vergleichbare Subkategorisierungseigenschaft. 16 Diese Definition orientiert sich am Kongruenzbegriff, wie er u. a. in Helbig / Buscha Verwendung findet (vgl. Helbig / Buscha 2001: 536).
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Lösungsvorschlag
(26) Er ist Lehrer. (27) * Er ist Lehrern. (28) Der große Mann schläft. (29) * Der großes Mann schläft. Die vorangegangenen Ausführungen haben veranschaulicht, dass das Zu- bzw. Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale im Satz i. d. R. durch die syntaktischen Dependenzbeziehungen ‚Rektion‘ oder ‚Kongruenz‘ motiviert werden kann.17 Diese Erkenntnis ist von entscheidender Bedeutung, denn die Untersuchung spezifischer grammatischer Ausprägungen von Wörtern in syntaktischen Strukturen fällt somit in den Bereich der Syntax.18 Die Kriterien ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ sind demnach als syntaktische, die ‚Distribution‘ ergänzende Wortartkriterien zu betrachten. Sie werden im Folgenden näher erläutert. Das Kriterium ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ untersucht die Fähigkeit der Wörter, im Satz spezifische grammatische Merkmale auszuprägen. Für die Klassifikation ist dabei die Frage zu beantworten, in welchen Positionen Wörter morphosyntaktische Merkmale aufweisen können und von welcher Art diese Merkmale sind. Wenn Wörter in einer bestimmten syntaktischen Umgebung auftreten (z. B. Wort und Buch in Er sucht ein bestimmtes Wort. bzw. Das schadet dem Buch.) und dabei gleichartige morphosyntaktische Merkmale tragen können (hier: jeweils im Hinblick auf Kasus, Numerus, Genus), kann das als Indiz für die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Kategorie gewertet werden. Ausdrücklich hingewiesen sei darauf, dass das Kriterium ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ nicht gleichzusetzen ist mit dem Kriterium ‚Flektierbarkeit‘, welches u. a. in morphologisch basierten Klassifikationen einge-
17 In der Literatur wird z. T. darauf hingewiesen, dass Flexion das Vorhandensein von Dependenzbeziehungen anzeigt (vgl. u. a. Jung 2003: 283). Diese Tatsache wird in der vorliegenden Darstellung insofern modifiziert, als der Zusammenhang nicht nur zwischen Flexion und syntaktischen Beziehungen angesetzt wird, sondern zwischen morphosyntaktischen Merkmalen und Dependenzbeziehungen. Denn Dependenzbeziehungen liegen auch vor, wenn entsprechende morphosyntaktische Merkmale nicht durch Flexion realisiert werden (vgl. u. a. Ich sehe die lila Kuh: Es besteht eine Kongruenzbeziehung zwischen lila und Kuh – sie wird durch entsprechende morphosyntaktische Merkmale [Akkusativ, Singular, Femininum] ausgedrückt, die an der Wortoberfläche nicht eigens durch eine spezifische Wortform gekennzeichnet sind). 18 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt man u. a. auch in der IDS-Grammatik. Dort wird zumindest angegeben, dass es sich bei Kasus um eine syntaktische und nicht um eine morphologische Kategorisierung handelt (vgl. Zifonun et al. 1997: 1290). Vgl. auch die Differenzierung der generativen Grammatik in abstrakten vs. morphologischen Kasus.
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setzt wird. Zwar beziehen sich beide Kriterien auf Kategorien wie beispielsweise Kasus oder Numerus, die häufig durch unterschiedliche Wortformen ausgedrückt werden. Der signifikante Unterschied besteht jedoch darin, dass bisherige Klassifikationsansätze, die morphologische Wortartkriterien einsetzen, nicht von morphosyntaktischen Merkmalen ausgehen, sondern die formal sichtbare Realisierung dieser Merkmale als Ausgangspunkt wählen. Sie betrachten demnach die Fähigkeit von Lexemen, unterschiedliche Wortformen auszuprägen, und zwar als grundsätzliche Eigenschaft oder speziell in der konkreten Verwendung im Satz.19 Bei der vorliegenden Herangehensweise liegt der Fokus hingegen auf dem Vorhandensein morphosyntaktischer Merkmale in syntaktischen Strukturen. Von Bedeutung ist folglich nicht, ob das betreffende Wort formverändert oder auch nur potenziell formveränderlich ist, sondern allein die Tatsache, ob es sich im Satz in einer Position befindet, in der es spezifische grammatische Merkmale aufweist. Beispielsweise ist es in Bezug auf ein Wort wie lila irrelevant, dass es in (30) unverändert auftritt bzw. grundsätzlich formunveränderlich ist. Vielmehr zeigt die Untersuchung der syntaktischen Beziehungen in diesem Satz eindeutig, dass lila in dieser Position spezifische morphosyntaktische Merkmale aufweist (Akkusativ, Singular, Femininum). (30) Ich sehe die lila Kuh. Wie lässt sich aber verifizieren, ob morphosyntaktische Wörter vorliegen, wenn diese nicht notwendigerweise morphologisch sichtbare Kennzeichen aufweisen? Aufschluss darüber kann die Untersuchung der syntaktischen Beziehungen geben, denn morphosyntaktische Merkmale sind satzintern i. d. R. durch syntaktische Beziehungen zu anderen Wörtern motiviert. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Auffinden von Wörtern, die in der betreffenden Position morphosyntaktische Merkmale durch spezifische formale Ausprägungen ausdrücken. Dieser sog. Ersetzungstest liefert ein Indiz dafür, dass in dieser Position grundsätzlich morphosyntaktische Wörter auftreten. Das konkrete Vorgehen sei anhand der folgenden Fälle exemplarisch vorgeführt. (31) (32) (33) (34) (35)
Ich helfe der Frau. Ich helfe dem Kunden / dem Referenten. Er hat einen prima Gedanken. Er hat einen großen / guten Gedanken. Er schreibt und denkt.
19 Vgl. insbesondere die Arbeiten in den in Kapitel 1.3, 1.4 und 1.6 betrachteten Forschungslinien.
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Lösungsvorschlag
(36) * Er schreibt Bruder / Bruders / Brüder denkt. (37) Er schreibt aber / oder denkt. Betrachten wir zunächst Frau in (31). Die Untersuchung der syntaktischen Beziehungen zeigt, dass (die) Frau durch helfen nicht nur subkategorisiert, sondern zugleich kasusregiert wird, sodass davon auszugehen ist, dass Frau spezifische morphosyntaktische Merkmale trägt. Nachweisbar wird diese Annahme durch das oben erwähnte Ersetzungsverfahren: Anstelle von Frau können Wörter wie Kunde oder Referent vorkommen, die in dieser Position spezifische Wortformen für die geforderten morphosyntaktische Merkmale ausprägen (vgl. (32)). Auch in Beispiel (33) besteht eine Dependenzbeziehung zwischen dem Wort prima und dem Wort Gedanken. Sie ist jedoch von anderer Art, und zwar gilt innerhalb von DPs im Deutschen grundsätzlich eine Kongruenzforderung, sodass beide Wörter im Hinblick auf ihre morphosyntaktischen Merkmale übereinstimmen. Folglich tragen Wörter wie prima in dieser Position morphosyntaktische Merkmale. Deutlich erkennbar wird dies bei Ersetzung von prima durch Wörter wie groß oder gut. Sie realisieren die kongruenzgeforderten morphosyntaktischen Merkmale im Gegensatz zu prima durch spezifische Wortformen (vgl. (34)). Abschließend sei das Wort und in (35) erwähnt. Die Untersuchung der syntaktischen Beziehungen führt hier zu dem Ergebnis, dass weder Rektions- noch Kongruenzbeziehungen zu den anderen Einheiten des Satzes (er, schreiben bzw. kennen) vorliegen. Darüber hinaus verdeutlicht die Anwendung des Ersetzungstests, dass in dieser Position ausschließlich Wörter auftreten können, die prinzipiell keine syntaktisch motivierten grammatischen Merkmale ausbilden können (vgl. (36) vs. (37)). Es ist daher davon auszugehen, dass Wörter wie und in dieser Position keine morphosyntaktischen Merkmale aufweisen. Das dritte Kriterium ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ nimmt insbesondere Bezug auf den Zusammenhang zwischen Rektion und morphosyntaktischen Merkmalen. Für die Klassifikation ist dabei zu klären, inwiefern Wörter in Abhängigkeit von der Distribution in der Lage sind, anderen Einheiten spezifische morphosyntaktische oder ähnlich geartete Merkmale zuzuweisen.20 Wenn sich Wörter in vergleichbarer Distribution gleichartig verhalten, liefert dies ein Indiz für das Vorliegen einer gemeinsamen Wortart.
20 Diese Fähigkeit bestimmter Wörter wird im Folgenden auch als Komplementfähigkeit bezeichnet. Dabei wird der Komplementbegriff syntaktisch verstanden, d. h. Komplemente sind Einheiten, die strukturell von anderen Einheiten bestimmt sind, und zwar durch syntaktische Beziehungen der Subkategorisierung und / oder Rektion. Damit orientiert sich die vorliegende Darstellung v. a. an Jacobs 1994 und Jacobs 2003.
Syntaktischer Klassifikationsansatz
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Methodisch ist dabei ähnlich vorzugehen, wie bei der Anwendung des Kriteriums ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘, d. h. man untersucht das Vorhandensein von syntaktischen Beziehungen, die eine Zuweisung morphosyntaktischer Merkmale motivieren könnten. Entscheidend ist ebenfalls die Anwendung des Ersetzungstests, der wichtige Hinweise für das Vorliegen spezifischer syntaktischer Beziehungen liefert. Zu prüfen ist, ob im Zusammenhang mit einem Wort beliebige andere Einheiten im Satz auftreten können oder nur solche mit bestimmten morphosyntaktischen oder ähnlich gearteten Eigenschaften. In letzterem Fall spricht dies dafür, dass das betreffende Wort tatsächlich anderen Einheiten spezifische Merkmale zuweist. Auch hier sollen Beispielanalysen die Vorgehensweise veranschaulichen. (38) Sie lernt mit Freunden. (39) * Sie lernt mit Freunde. (40) Er erinnert diesen Vorfall. (41) * Er erinnert diesem Vorfall. (42) Er erinnert sich an diesen Vorfall. (43) * Er erinnert sich von diesem Vorfall. (44) Er arbeitet nach dem Abendessen. (45) Er arbeitet vor dem Essen / seit drei Jahren / immer. Für das Vorhandensein einer Dependenzbeziehung zwischen mit und Freunden in (38) spricht die von mit ausgehende Kasusforderung an die nachfolgende Einheit. Ersetzt man Freunden durch Einheiten mit anderen grammatischen Merkmalen, dann entstehen ungrammatische Strukturen (vgl. u. a. (39)). Folglich ist davon auszugehen, dass Wörter wie mit in dieser Position über die Fähigkeit verfügen, anderen Einheiten spezifische morphosyntaktische Merkmale zuzuweisen. Ganz ähnlich stellt sich die Situation in den beiden nächsten Beispielen dar. Hier scheint eine vom Verb ausgehende Dependenzbeziehung vorzuliegen, denn erinnern regiert den Kasus von diesen Vorfall (vgl. (40)) bzw. den Präpositionalkasus der Einheit an diesen Vorfall (vgl. (42)). Die Existenz dieser Abhängigkeitsbeziehung zeigt sich bei Ersetzung, denn die Wahl des Kasus (vgl. u. a. (41)) bzw. der Präposition (vgl. u. a. (43)) ist nicht beliebig. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass das Wort erinnern die Fähigkeit hat, anderen Einheiten spezifische morphosyntaktische bzw. ähnlich geartete Eigenschaften zuzuweisen. Ein anderer Fall liegt in (44) vor. Man könnte annehmen, dass das Wort arbeiten die nachfolgende Einheit nach dem Abendessen regiert und ein analoger Fall zu (42) anzusetzen ist. Es besteht jedoch keine solche Dependenzbeziehung zwischen den genannten Einheiten. Dies zeigt der Ersetzungstest, denn in dieser
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Lösungsvorschlag
Position können sowohl verschiedene Präpositionalphrasen stehen als auch weitere Einheiten, die keine morphosyntaktischen oder ähnlich gearteten Eigenschaften aufweisen können (vgl. (45)). Folglich ist davon auszugehen, dass arbeiten der Einheit nach dem Abendessen keine spezifischen morphosyntaktischen oder ähnlich gearteten Merkmale zuweist. Zusammenfassend zeigt sich, dass die angesetzten Wortartkriterien I ‚Distribution‘, II ‚Morphosyntaktische Merkmale aufweisen‘ und III ‚Morphosyntaktische Merkmale zuweisen‘ auf positionale Merkmale bzw. auf bestimmte syntaktische Beziehungen abzielen und damit die verschiedenen, syntaktisch relevanten Aspekte syntaktischer Wörter beleuchten. Erst in der Gesamtheit ergibt sich ein umfassendes Bild bezüglich des syntaktischen Verhaltens von Wörtern, sodass für die Zuordnungsentscheidung immer alle Kriterien Anwendung finden sollen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Berücksichtigung der o. g. Kriterienhierarchie. Dies wird besonders deutlich am Beispiel des Kriteriums ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘: Obgleich Wörter wie mit und erinnern im Hinblick auf das Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale ein gleichartiges Verhalten zeigen, würde man sie dennoch nicht einer Kategorie zuordnen, weil sie völlig unterschiedliche Distributionen haben und sich auch im Hinblick auf die Fähigkeit, morphosyntaktische Merkmale aufzuweisen, konträr verhalten. Eine Anwendung des Kriteriums ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ ist folglich erst vor dem Hintergrund der Distributionsanalyse sinnvoll. Insgesamt ist deshalb festzuhalten, dass der hier angesetzte Kriterienapparat ausdrücklich mit einer hierarchischen Ordnung verbunden ist. Die Analyse der Distribution als primärem Kriterium bildet die Voraussetzung für die Anwendung der anderen beiden Kriterien. Die Erfassung aller Merkmale soll es dann im Gesamtbild ermöglichen, Wörter mit gleichem oder ähnlichem Verhalten begründetermaßen zu Kategorien zusammenzufassen.
2.1.3 Konstitution der Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ 2.1.3.1 Kriterium I: Distribution Die in Kapitel 2.1.2 erläuterten Kriterien sollen im Folgenden auf Wörter wie schnell und sofort angewendet werden. Ziel ist es, auf diese Weise wissenschaftstheoretisch konsistente Zuordnungsentscheidungen zu erarbeiten. In der Darstellung des Untersuchungsprozesses wird dabei bewusst auf die Kategorienbezeichnungen ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ verzichtet. Grund dafür ist die u. a. auch von Plank zurecht hervorgehobene Tatsache, dass Kategorien nicht die Voraussetzung,
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sondern vielmehr das Resultat der zu leistenden empirischen Arbeit bilden (vgl. Plank 1984: 490). Es wird daher immer die Rede von „Wörtern (wie)“ sein und deren syntaktischem Verhalten im Hinblick auf die angesetzten Kriterien. Erst in der Zusammenfassung erfolgt dann die Klassenbildung und -bezeichnung. Zunächst steht das Kriterium I ‚Distribution‘ im Vordergrund. Ausgangspunkt der Untersuchung sind die grundlegenden Verwendungsweisen der Wörter schnell und sofort, die als prototypische Beispielwörter gelten können und deshalb auch in Kapitel 1 schon zur Charakterisierung der Forschungslinien genutzt wurden. In der nachstehenden Übersicht sind dafür die charakteristischen syntaktischen Umgebungen vergleichend herausgearbeitet und schematisch zusammengefasst.21 Dabei ist festzuhalten, dass schnell und sofort jeweils über ein relativ umfangreiches Verwendungspotenzial verfügen. Anhand der Übersicht ist dabei rasch zu erkennen, dass beide Wörter einerseits Vorkommensmöglichkeiten teilen, andererseits signifikante Unterschiede aufweisen. Die weitere distributionelle Untersuchung, die v. a. auf die Substituierbarkeit von schnell und sofort abzielt, führt zu folgenden Erkenntnissen: Einerseits zeigt sich, dass die o. g. Datenlage für einen Großteil der mit schnell und sofort vergleichbaren Wörter repräsentativ ist. Zugleich wird jedoch auch deutlich, dass der Sachverhalt weitaus komplexer ist als in der tabellarischen Darstellung. Es erscheint deshalb notwendig, im Folgenden auf die einzelnen syntaktischen Umgebungen genauer einzugehen.
21 Aufgeführt werden hier folglich nicht alle Verwendungsmöglichkeiten, sondern ausschließlich diejenigen, die für Wörter wie schnell und sofort charakteristisch bzw. grundlegend und im Hinblick auf die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung relevant sind. So wird u. a. die Verwendung in substantivischer Umgebung (Er kennt das neue Schnelle / Sofort.) nicht erwähnt. Diese Distribution ist vielmehr charakteristisch für Wörter wie Lehrer oder Haus. Zugleich können in dieser Position zahlreiche Wörter des Deutschen stehen (vgl. u. a. aber, Blau, Jetzt, Kämpfen, Kontra, Schnelle), die sich ansonsten sehr unterschiedlich verhalten. Insbesondere die Frage, wie man Wörter wie schnell in der o. g. Umgebung kategorisieren sollte, wird in der Forschung unterschiedlich beantwortet (vgl. ausführlicher dazu u. a. Vater 1987; Olsen 1988; Bhatt 1990; Helbig / Buscha 2001; Barz 2002). Aus o. g. Gründen wird auch die Binnenstruktur von Präpositionalphrasen nicht dezidiert thematisiert (vgl. u. a.: von früh bis spät bzw. ab sofort). Zum einen kann das Auftreten von Wörtern wie früh oder spät in dieser Position nicht als charakteristisch bezeichnet werden, da es sich vornehmlich um idiomatische Wendungen handelt. Zum anderen finden sich dort nur bestimmte Wörter wie hier, oben oder sofort mit temporaler bzw. lokaler Semantik. Typischerweise treten in dieser Position jedoch Einheiten wie (von) diesem Seminar auf. Für die Abgrenzungsproblematik von Adjektiv und Adverb sind diese Fälle daher nicht von besonderer Bedeutung und können hier vernachlässigt werden.
90
Lösungsvorschlag
Übersicht 2: Grundlegende Distributionen von schnell und sofort syntaktische Umgebung
schnell
sofort
a
der … (-e) 22 Mann
+
–
b
Ich halte den Mann für …
+
–
c
Der Mann sieht … aus.
+
–
d
Der Mann ist …
+
–
e
… kommt der Mann.
+
+
f
Der … zufriedene Mann kommt.
+
+
g
… nach dem Seminar arbeitet er.
–
+
Umgebung (a): der … (-e) Mann Für die erstgenannte Umgebung ist festzuhalten, dass dort Wörter wie alleinig, damalig, direkt, kurz, Leipziger23, lila, prima, reif, schnell, stolz, väterlich, verletzend, verliebt oder vierte auftreten können. Wörter wie dort, gerne oder sofort sind i. d. R. blockiert – abgesehen von wenigen Ausnahmen, die im Zusammenhang mit deverbalen Substantiven auch in Umgebung a einsetzbar sind (vgl. u. a. leihweise, schrittweise oder teilweise in (46)).²⁴ (46) Mit der schrittweisen Einführung der Gesetze […]
Umgebungen (b)–(c): Ich halte den Mann für … // Der Mann sieht … aus. Die syntaktischen Umgebungen b–c werden in der vorliegenden Arbeit aufgrund ihrer Bedeutung für die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung als eigenständige 22 Die Notation „(-e)“ berücksichtigt die Tatsache, dass Wörter in dieser syntaktischen Umgebung zumeist in einer spezifischen Wortform (graphisch durch Anfügung von bzw. phonologisch durch Anfügen von / ə / ) auftreten; allerdings ist dies nicht immer der Fall (vgl. u. a. Leipziger, lila, prima und vierte in der Beispielauflistung zu Umgebung a). 23 Einzig aus Gründen der besseren Erfassbarkeit und Lesbarkeit werden die Wortbeispiele im Folgenden unter Berücksichtigung der aktuellen orthographischen Regelung notiert. 24 Es handelt sich vornehmlich um Bildungen auf -weise (vgl. u. a. Duden 4 82009: 571). Andere Autoren verzeichnen weitere Bildungen auf -lich oder -los wie vermutlich, angeblich oder zweifellos (vgl. u. a. Eisenberg 42013 II: 222).
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Verwendungsweisen aufgeführt. Es handelt sich jeweils um spezifische Konstruktionen, die an das Auftreten bestimmter Verben geknüpft sind (vgl. für b Verben wie betrachten (als), finden, halten (für), nennen oder schimpfen; für c Verben wie aussehen, gelten (als), klingen, schmecken oder wirken).²⁵ Bezüglich der Distribution sind Ähnlichkeiten zu Umgebung a zu konstatieren, da die dort einsetzbaren Wörter zumeist auch in den Rahmen b–c möglich sind (vgl. u. a. Wörter wie direkt, kurz, lila, prima, reif, schnell, stolz oder verliebt; ausgenommen: Wörter wie alleinig, damalig, Leipziger, vierte)²⁶. Zugleich sind Wörter wie sofort im Allgemeinen blockiert.²⁷ Weiterhin ist zu beobachten, dass Wörter wie Lehrer nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern in bestimmten Konstruktionen durchaus grammatisch sind (vgl. (47)–(48)).²⁸ Sie unterscheiden
25 Wenn auf die in den Umgebungen b und / oder c zusammengefassten Fälle in der Literatur eingegangen wird, dann wird zumeist angegeben, dass es sich um eine kleine Gruppe von Verben handelt, die diese Art von Konstruktion erfordern (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 378 f.; Helbig / Buscha 2001: 453; Duden 4 82009: 938). Welche Verben betroffen sind, wird i. d. R. nur exemplarisch dargestellt (so auch hier). Insbesondere die syntaktische Funktion von schnell in c (vgl. z. B. Er sieht schnell aus.) ist strittig: Es werden adverbiale (vgl. u. a. Pittner 1999: 95; Helbig / Buscha 2001: 280) oder prädikative Strukturen (vgl. u. a. Eisenberg 42013 II: 80) angesetzt. Zu Umgebung b: Vgl. außer den o. g. Verben auch: bezeichnen (als), schelten (Er schalt ihn töricht.), heißen (Ich heiße ihn meinen Freund / launisch.), stimmen (Ich stimme ihn fröhlich). Zu Umgebung c: Vgl. außer den o. g. Verben auch: sich anstellen, auftreten, sich benehmen, sich dünken, sich gebärden, heißen, riechen. 26 Analog zu alleinig und damalig verhalten sich u. a. auch: derzeitig, erstmalig, jeweilig, sofortig, vorherig. Leipziger oder Vierte sind zwar in den syntaktischen Umgebungen b–c nicht prinzipiell blockiert. Es handelt sich allerdings dann um andere Wörter als in Umgebung a, da sie über andere Bedeutungen (v. a. Personenbezeichnungen oder Sachbezeichnungen) verfügen und sich zudem (morpho-)syntaktisch anders verhalten (nämlich eher wie Lehrer). Weiterhin sind sememspezifische Blockierungen zu beobachten. So sind Wörter wie eisern, französisch, städtisch oder väterlich nur in übertragener bzw. modaler Bedeutung möglich (vgl. Ich halte ihn für eisern. = Er ist m. E. beharrlich. ABER ≠ Er ist m. E. aus Eisen.). Vgl. ausführlicher dazu u. a. Duden 4 82009: 356 ff. 27 Vgl. auch: dann, dort, gerne, leider, möglicherweise, nachts, wohin. Vereinzelt sind in b–c sofort-ähnliche Wörter wie so oder irgendwie möglich (vgl. u. a. Er sieht so aus.). M. E. befinden sich so oder irgendwie hier jedoch nur in einer Platzhalterfunktion (vgl. Er sieht irgendwie aus. > Er sieht müde aus. // Er sieht so aus, als wäre er müde. // Er sieht aus, als wäre er müde.). Dies würde erklären, dass nur semantisch relativ unspezifische Wörter wie so oder irgendwie auftreten können und ansonsten mit so bzw. irgendwie vergleichbare Wörter wie sofort blockiert sind. 28 Ebenfalls grammatisch ist die Verwendung von pleite (Ich bezeichne ihn als pleite. // Er sieht pleite aus. // Die Firma gilt als pleite. etc.), ein Wort, das ansonsten nur in Umgebung d möglich ist. Allerdings ist diese Beobachtung nicht verallgemeinerbar, denn distributionell vergleichbare Wörter wie schuld, angst oder feind sind in b–c blockiert.
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Lösungsvorschlag
sich jedoch von Wörtern wie schnell v. a. dadurch, dass sie typischerweise in a und e–g blockiert sind. (47) Ich betrachte den Mann als Lehrer. (48) Der Mann gilt als Lehrer.
Umgebung (d): Der Mann ist … In dieser syntaktischen Umgebung kann ein Großteil der unter a–c aufgeführten Wörter stehen (vgl. u. a. Wörter wie direkt, kurz, lila, prima, reif, schnell, stolz, väterlich, verletzend oder verliebt).²⁹ Dennoch können nicht alle Wörter, die in a möglich sind, auch in d auftreten, wobei das Blockierungsverhalten interessanterweise mit dem in b–c übereinstimmt (vgl. Wörter wie alleinig, damalig, Leipziger, vierte). Charakteristisch für die Umgebung d ist weiterhin, dass sich auch Wörter wie schuld³⁰, Lehrer oder dort³¹ einsetzen lassen. Sie sind von schnell, verliebt etc. vornehmlich durch ihre Blockierung in a zu unterscheiden. Wörter wie schuld und Lehrer ergeben ebenso in e–g keine grammatischen Konstruktionen. Sie differieren jedoch in ihrem Verhalten in d: Während Wörter wie Lehrer in d problemlos zu komplexen Konstituenten erweitert werden können, ist dies für schuld, entzwei, egal etc. nicht möglich (vgl. (49)–(51)).³² Diesbezüglich besteht eine Analogie zwischen Wörtern wie schnell und schuld, sodass hier eine Gemeinsamkeit zu konstatieren ist.³³ Damit liegen für die untersuchte
29 Im gegebenen Rahmen ist es nicht möglich, genauer auf Zuordnungsprobleme von Wortformen wie gesucht, verliebt, videoüberwacht etc. einzugehen. Das Auftreten derartiger Wortformen in Umgebung d wirft bekanntermaßen die Frage auf, wie sie im Vergleich zu Wörtern wie schnell und verlieben zu kategorisieren sind. Diese Frage ist jedoch nicht entscheidend für die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung, da das Abgrenzungsproblem auch ohne Berücksichtigung dieser Fälle besteht. Vgl. ausführlicher zur Kategorisierung von Partizipien u. a. Lenz 1993 und Maienborn 2007. 30 Vgl. auch: angst, egal, ernst, feind, gram, leid, pleite, quitt, recht, wert, wohlauf. Darüber hinaus werden in der Literatur Wörter wie bange, barfuß, klasse oder zugetan angegeben (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 287). Sie sind m. E. jedoch nicht mit schuld gleichzusetzen, da sie im Gegensatz zu Wörtern wie schuld auch in Umgebung a und / oder e möglich sind. 31 Vgl. auch: allein, draußen, hier, oben, nirgends, so, überall. Es handelt sich vornehmlich um Wörter, die über lokale oder temporale Semantik verfügen, vereinzelt auch modal. 32 Zu ähnlichem Ergebnis kommt u. a. auch Fuhrhop: „[…] so kann man sagen er empfindet tiefen Gram, aber nicht *er ist tiefen Gram / *tiefer Gram.“ (Fuhrhop 22009: 50). 33 Es sei darauf hingewiesen, dass ein anderer Fall vorliegt, wenn schnell-ähnliche Wörter nicht in der o. g. Position von Umgebung d auftreten, sondern parallel zu Wörtern wie Lehrer Verwen-
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Position mindestens zwei unterschiedliche Arten syntaktischen Verhaltens vor (Wörter wie schnell, schuld vs. Wörter wie Lehrer), die darauf hinweisen, dass im Rahmen d verschiedenartige Wörter auftreten können. (49) Der Mann ist Lehrer. > Der Mann ist ein guter Lehrer. (50) Der Mann ist schuld. > * Der Mann ist die neue Schuld. (51) Die Hose ist entzwei. > * Die Hose ist das neue Entzwei. Weiterhin bedarf das Auftreten von dort einer Erläuterung, denn dieses Wort ist distributionell eher mit sofort vergleichbar: Neben dem Vorkommen in e und f, lässt sich auch eine Parallelkonstruktion zu der noch zu betrachtenden Umgebungen g bilden (vgl. (52)). Daneben verfügt dort über zwei weitere Vorkommensmöglichkeiten, in denen sofort blockiert ist (vgl. (53)–(54)). (52) (53) (54)
Dort auf dem Berg arbeitet er. Den Mann dort kenne ich. Der Mann ist dort. (Umgebung d)
Eine genauere Betrachtung der zwei zuletzt genannten Verwendungsmöglichkeiten zeigt, dass abgesehen von dort jeweils weitere Wörter erscheinen können, die typischerweise wie sofort Verwendung finden. (vgl. für (53) u. a. Wörter wie da, hier, morgen; für (54) u. a. Wörter wie allein, draußen, hier, nirgends, überall). Trotz Blockierungen für zahlreiche Wörter wie sofort, möglicherweise und gerne³⁴ handelt es sich bei dort folglich nicht um einen Einzelfall. Demnach stellt die in (53) angeführte Umgebung eine weitere grundlegende Verwendung für bestimmte, ansonsten sofort-ähnliche Wörter dar (vgl. (55), im Folgenden bezeichnet als Umgebung h). (55)
Den Mann … kenne ich. ( = Umgebung h)
Im Gesamtvergleich wird zudem ersichtlich, dass Wörter wie schnell im Gegensatz zu Wörtern wie dort in (53) prinzipiell blockiert sind, sodass keine gleich-
dung finden (vgl. z. B. Der Mann ist Verantwortlicher. // Der Mann ist der neue Verantwortliche). Es handelt sich dann um abgeleitete Strukturen, die nicht im Rahmen der vorliegenden Erfassung grundlegender Strukturen betrachtet werden. 34 Vgl. auch: anfangs, beispielsweise, bergab, dennoch, deshalb, eben, gezwungenermaßen, hierhin, neuerdings, querfeldein, schlimmstenfalls, stets, trotzdem, weiterhin, zuerst.
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Lösungsvorschlag
artige Distribution für Wörter wie schnell und dort vorliegt.³⁵ Anders stellt sich die Situation in (54) dar, denn diese entspricht zweifellos der Umgebung d. Dort können – wie bereits in diesem Abschnitt ausgeführt – Wörter wie schnell problemlos auftreten. Somit ist zumindest für bestimmte Wörter wie schnell und dort eine distributionelle Gemeinsamkeit für d festzustellen.
Umgebung (e): … kommt der Mann. Der in e genannte Rahmen repräsentiert die typische Umgebung für Wörter wie sofort (vgl. u. a. auch für dann, dort, gerne, hierher, leider, möglicherweise, nachts, schlimmstenfalls, trotzdem, vielleicht, vorher, wann, warum, wohin).³⁶ Zugleich zeigt sich eine weitere Gemeinsamkeit mit Wörtern wie schnell, denn es können zahlreiche Wörter eingefügt werden, die – im Gegensatz zu den soeben aufgeführten – auch in der unter a verzeichneten Position auftreten (vgl. u. a. Wörter wie früh, häufig, kurz, schnell, stolz, täglich, wahrscheinlich). Allerdings gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Positionen, denn bestimmte, in a mögliche Wörter sind in e generell blockiert (vgl. u. a. Wörter wie dortig, Leipziger, rot, vierte).³⁷ Bei der Beurteilung dieser Vorkommensmöglichkeit muss insbeson-
35 Hingewiesen sein darauf, dass Umgebung h zu unterscheiden ist von Fällen, in denen Wörter wie blau, pur oder auch Wein postnominal auftreten (vgl. u. a. Forelle blau, Whisky pur bzw. das Glas Wein). Ersichtlich wird der Unterschied v. a. in der Kombinierbarkeit statt Ersetzbarkeit der betreffenden Wörter, vgl. u. a. folgende Konstruktion: Ich hätte gern etwas von der Forelle blau dort. Es handelt sich demnach um verschiedene Positionen. Speziell das postnominale Auftreten von Wörtern wie blau oder pur kann als eine Variante zu Umgebung a betrachtet werden, die jedoch in der Gegenwartssprache auf bestimmte Fälle älteren Sprachgebrauchs und auf feste Wendungen beschränkt ist (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 273) und deshalb im Rahmen der Arbeit nicht ausführlicher thematisiert werden soll. Ebenfalls nicht zu verwechseln ist die o. g. Umgebung h mit Konstruktionen, die Wörter wie schnell und flink in folgender Weise enthalten: Der Mann, schnell und flink, kommt. (vgl. genauer dazu Helbig / Buscha 2001: 306). 36 Und berücksichtigt zugleich die potenzielle Vorfeldfähigkeit der Wörter, die auch in bisherigen Darstellungen häufig Erwähnung findet. 37 Die Blockierungen lassen sich folgendermaßen präzisieren: Vgl. analog zu dortig auch: alleinig, damalig, jenseitig, sofortig, vorherig (mehrheitlich Wörter, die in systematischem Zusammenhang zu formal und semantisch ähnlichen Wörtern stehen, die in Umgebung e unproblematisch sind; z. B. Dort arbeitet er vs. *Dortig arbeitet er.). Vgl. analog zu Leipziger auch: Berliner, Frankfurter, Kölner (Herkunftsbezeichungen auf -er). Vgl. analog zu rot auch: grün, lila, rosafarben (Farbqualitäten > nur als ‚freie Prädikative‘ möglich). Vgl. analog zu vierte auch: fünf, einhundert, fünfzigste (Kardinal- und Ordinalzahlen). Blockiert sind zudem bestimmte Sememe von Wörtern; vgl. u. a. Wörter, die semantisch eine Relation angeben (z. B. eisern, französisch, väterlich). Unproblematisch sind diese Wörter in
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dere berücksichtigt werden, dass die Umgebung e nicht zu verwechseln ist mit Strukturen wie in (56). (56)
Gesund kommt der Mann zum Treffen.
Sätze wie in (56) basieren auf zwei Grundstrukturen, wobei Einheiten wie gesund frei hinzufügbar sind und eine eigene Grundstruktur aufweisen, die auf eine Kopulakonstruktion zurückzuführen ist. Derartige Vorkommensweisen von Wörtern wie gesund werden in der vorliegenden Arbeit deshalb als ‚freie Prädikative‘ bezeichnet.³⁸ Der Unterschied zwischen ‚freien Prädikativen‘ und der Umgebung e kann i. d. R. mithilfe von Umformungen verdeutlicht werden (vgl. (57)–(58)).³⁹ (57)
Schnell kommt der Mann zum Treffen. = das schnelle Kommen des Mannes > vgl. e
(58) Gesund kommt der Mann zum Treffen. = Der Mann ist gesund, als er kommt. > ‚freies Prädikativ‘; Rückführung auf Umgebung d
Umgebung (f): Der … zufriedene Mann kommt. Die hier aufgeführte syntaktische Umgebung rekurriert auf eine der Möglichkeiten, zufriedene zu einer komplexen Konstituente zu erweitern (vgl. (59)). Dies ist zum einen deutlich zu trennen von Fällen, in denen Wörter als unabhängige Konstituenten in einem koordinierten oder subordinierten Verhältnis mit zufriedene stehen (vgl. dazu (60)–(61)). Zum anderen ist Umgebung f nicht zu verwechseln mit Konstruktionen, die als abgeleitete Strukturen der Umgebungen b–d zu gelten haben (vgl. u. a. (62)–(64)). (59) der schnell zufriedene Mann (60) der schnelle, zufriedene Mann
modaler Bedeutung (vgl. z. B. Er arbeitet eisern.). Offensichtlich muss eine Kompatibilität mit der Semantik von Vollverben vorliegen, um in Umgebung e auftreten zu können. 38 Damit orientiert sich die vorliegende Darstellung u. a. an Pittner 1999. Die Terminologie variiert in der Literatur relativ stark, wobei jeweils unterschiedliche Aspekte des Phänomens durch die Bezeichnung akzentuiert werden; vgl. u. a. ‚secondary predication‘ (z. B. Rosengren 1995; Steube 1994; Winkler 1997), ‚Prädikatives Attribut‘ (z. B. Helbig / Buscha 2001). 39 Vgl. zu dieser Methode v. a. Helbig / Buscha 2001: 307.
96
Lösungsvorschlag
(61) (62) (63) (64)
der schnelle zufriedene Mann der für schnell gehaltene Mann der schnell aussehende Mann der verrückt gewordene Mann
Die Analyse der Umgebung f ergibt ein mit Umgebung e vergleichbares Bild: Typischerweise erscheinen hier Wörter wie sofort (vgl. u. a. Wörter wie dort, ebenfalls, immer, leider, oft, seither, stets oder vielleicht), wobei bestimmte Einheiten wie wann, wo, wie etc. in dieser Position m. E. nur in sog. Echofragen möglich sind (vgl. u. a. Der wann zufriedene Mann?). Zudem können auch zahlreiche Wörter auftreten, die sich ansonsten wie schnell verhalten (vgl. u. a. kurzfristig, mäßig, rasch; nicht: Wörter wie heutig, Leipziger).⁴⁰ Damit ist auch für Umgebung f eine distributionelle Überschneidung von Wörtern wie sofort und schnell festzustellen.⁴¹
Umgebung (g): … nach dem Seminar arbeitet er. Die in Übersicht 2 zuletzt aufgeführte syntaktische Umgebung stellt eine Form der Linkserweiterung von Präpositionalphrasen wie nach dem Seminar dar. Die Analyse derartiger Konstruktionen ist insofern nicht unproblematisch, als Wörter, die in dieser Erweiterungsmöglichkeit vorkommen können, i. d. R. auch eigenständige Konstituenten bilden können.⁴² Ein Unterschied ergibt sich jedoch im Bezugsbereich, denn im Gegensatz zu eigenständigen Konstituenten (vgl. (65)) beschränkt sich dieser in Umgebung g ausschließlich auf die entsprechende Präpositionalphrase (vgl. (66)). (65) Möglicherweise treffen sie eine Entscheidung nach dem Seminar. (66) Möglicherweise nach dem Seminar treffen sie eine Entscheidung.
40 Vgl. analog zu kurzfristig u. a. auch Wörter wie angeblich, langsam, lange, sicher, wahrscheinlich. Die Blockierungen schnell-ähnlicher Wörter in f deckt sich mit denen in Umgebung e. 41 Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass Wörter wie sehr oder sogar nicht in der hier untersuchten Position vorkommen, sondern eine Erweiterungsmöglichkeit für die betreffende Konstituente darstellen (vgl. der sehr schnell zufriedene Mann bzw. der schnell sehr zufriedene Mann). 42 Diese Problematik verweist auf das Phänomen sog. Adverbialkombinationen und die u. a. damit verbundene Frage, ob und inwiefern im Deutschen mehrfache Vorfeldbesetzung möglich ist (vgl. genauer dazu u. a. Dürscheid 1989: 106 ff.; Pittner 1999: 188 ff.; Müller 2005). Verwiesen sei zudem darauf, dass Wörter wie sogar nicht in der untersuchten Position in g erscheinen, sondern eine zusätzliche Erweiterungsmöglichkeit für die Konstituente darstellen (vgl. z. B. Sogar sofort nach dem Seminar arbeitet der Mann.).
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Die Analyse der Umgebung g zeigt, dass ein Großteil der in e genannten Wörter wie sofort, dann oder morgen auftreten kann (vgl. u. a. Wörter wie dort, ebenfalls, immer, oft, seither, stets oder vielleicht).⁴³ Allerdings sind bestimmte sofort-ähnliche Wörter wie leider, wann oder wie m. E. blockiert bzw. nur in sog. Echofragen möglich (vgl. u. a. Sie treffen wann nach dem Seminar eine Entscheidung?). Daneben können in g Wörter wie direkt, exakt oder kurz eingesetzt werden, die zugleich in a–d möglich sind.⁴⁴ Die Beschränkungen für schnell-ähnliche Wörter sind dabei stärker als in den Umgebungen e und f (blockiert sind u. a. Wörter wie fünf, gestrig, Leipziger, lila, lustig, väterlich).⁴⁵ Außerdem können in g auch bestimmte Lehrer-ähnliche Wörter wie Stunden, Tage oder Wochen sowie Phrasen wie drei Tage oder zwei Meter erscheinen. Es handelt sich jedoch nur um wenige Fälle, die semantisch eine temporale oder lokale Einordnung betreffen und zumeist in Form von komplexen Phrasen auftreten (vgl. (67)–(68)). (67) (Drei) Tage nach dem Seminar arbeitet er. (68) Er wohnt zwei Meter über dem Meeresspiegel. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die soeben dargelegten Analyseergebnisse nicht nur auf die Linkserweiterung von Präpositionalphrasen zutreffen, sondern ebenso auf Konstruktionen, in denen bestimmte sofort-ähnliche Wörter wie danach, dahinter, damit, daneben oder vorher den Phrasenkopf bilden (vgl. (69)– (71)). Sie können als von Umgebung g abgeleitete Strukturen gelten.⁴⁶ (69) Sofort danach treffen sie eine Entscheidung. (70) Er wohnt direkt darüber. (71) (Drei) Tage danach arbeitet er.
43 Vgl. auch: allein (z. B. Allein durch diese Maßnahme wird es nicht besser.), gestern, hierher (z. B.: Hierher auf den Berg sollst du kommen.), lange, oben, rechts (z. B.: Rechts von der Tür steht er.), schlimmstenfalls. 44 Vgl. auch: deutlich (z. B.: Deutlich über den Richtwerten liegen die europäischen Firmen.), dicht (z. B.: Dicht vor ihren Augen erschien seine Gestalt.), genau, knapp, klar, prinzipiell, schräg (z. B.: Schräg unter ihm knackte es.), tief (z. B. Tief unter der Erde wohnt er.), unmittelbar, unverzüglich, wahrscheinlich. 45 Vgl. auch: dritte, freundlich, groß, hamburgisch, rot, siebzehn, verdächtig. Nicht zu verwechseln sind diese Konstruktionen mit anderen Phrasentypen (vgl. u. a. Er ist verantwortlich für dieses Gesetz. > verantwortlich als Kopf der Phrase). 46 In der Literatur werden die betreffenden Wörter als Präpositional- oder Pronominaladverbien bezeichnet (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 308; Duden 4 82009: 579) und z. T. aufgrund ihres Verhaltens als sog. Pro-Wörter aus der Klasse der Adverbien ausgeschlossen (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 308).
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Lösungsvorschlag
Eine genauere Untersuchung dieser und vergleichbarer Fälle zeigt allerdings, dass – zumindest teilweise – auch andere Wörter wie oben, unten oder morgen in der o. g., durch danach und ähnliche Wörter besetzten Kopfposition auftreten können. Zwar sind speziell die Wörter schnell und sofort dabei als Erweiterungen blockiert (vgl. (72)–(73)). Jedoch können einige andere, ansonsten mit sofort oder schnell vergleichbare Wörter wie dort, hier, immer bzw. weit, tief oder direkt als Erweiterung fungieren (vgl. (74)–(76)).⁴⁷ Die Beschränkungen scheinen auch hier deutlich stärker zu sein als in den Umgebungen a bzw. e, wobei eine Beurteilung z. T. jedoch schwierig ist (vgl. (77)–(78)).⁴⁸ (72) * Sofort morgen verreisen sie. (73) * Schnell morgen verreisen sie. (74) Der Mann arbeitet dort / weit oben. (75) Der Schatz liegt hier / tief unten. (76) Immer / Direkt wieder stellt sie diese Frage. (77) Gleich morgen verreisen sie. (78) ?? Dann morgen verreisen sie. Ohne im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Klärung der diesbezüglichen Problemfälle leisten zu können, bleibt dennoch festzuhalten, dass es offensichtlich einige klare Fälle wie in (74)–(76) gibt, in denen eine Linkserweiterung von sofort-ähnlichen Wörtern wie oben, unten oder morgen möglich ist, und zwar sowohl durch ansonsten mit sofort vergleichbare Wörter wie dort als auch durch Wörter wie weit, die sich ansonsten eher wie schnell verhalten. Da für phrasale Köpfe wie oben keine mit danach vergleichbare formal und semantische Beziehung zu Präpositionalphrasen besteht, scheint es angezeigt, zumindest für diese Fälle eine eigene grundlegende syntaktische Umgebung wie in (79) anzusetzen (im Folgenden bezeichnet als Umgebung i).
47 Vgl. analog zu dort auch Wörter wie rechts oder links; analog zu tief auch Wörter wie genau, schräg oder unmittelbar. 48 Insgesamt gestaltet sich die Analyse hier noch komplexer als in Bezug auf Präpositionalphrasen, da neben dem dort benannten Problem, dass Wörter, die in dieser Erweiterung auftreten, auch eigenständige Konstituenten bilden können, darüber hinaus weitere Schwierigkeiten bestehen, insbesondere bei der Abgrenzung zu Partikeln (vgl. u. a. Schon stellt er die Frage wieder. (schon i. S. v. ‚bereits‘) vs. Er stellt die Frage schon wieder. (schon i. S. v. ‚bereits‘ oder als Fokuspartikel); Er singt außergewöhnlich laut. // Er singt sehr laut. vs. ??Er singt sehr außergewöhnlich laut.) und bei der Abgrenzung zu Einheiten, die nicht als eigenständige Phrasen, sondern auch als Verbbestandteile fungieren können (vgl. u. a. Er kommt dann wieder. > dann wiederkommen und nicht: dann wieder).
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(79) Der Mann arbeitet … oben. (= Umgebung i) Für die Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung ist die Annahme einer weiteren grundlegenden syntaktischen Umgebung insofern von Bedeutung, als nach der vorangegangenen Analyse festzuhalten ist, dass zumindest in bestimmten Fällen sowohl für g als auch für i eine distributionelle Gemeinsamkeit für sofort- und schnell-ähnliche Wörter vorliegt. Die Ergebnisse der obigen Distributionsanalyse können nun folgendermaßen zusammengefasst werden: Zunächst ist zu konstatieren, dass für Wörter, die mit schnell oder sofort vergleichbar sind, insgesamt neun grundlegende Distributionen ermittelt wurden (Umgebungen a–i). Dabei hat die genauere Untersuchung gezeigt, dass distributionelle Gemeinsamkeiten nicht nur für die in Übersicht 2 erkennbaren Umgebungen e und f bestehen, sondern auch in den Rahmen d, g und i sowie vereinzelt in Rahmen a. Zugleich ist erkennbar, dass Wörter wie schnell typischerweise in der syntaktischen Umgebung a auftreten und sich damit signifikant von Wörtern wie sofort unterscheiden. Wenngleich für Wörter wie sofort aufgrund der Überschneidungen in d–g und i keine vergleichbare distinktive Position vorliegt, weisen doch die Beobachtungen zum Blockierungsverhalten der Wörter darauf hin, dass insbesondere die Umgebung e für Wörter wie sofort typisch ist.⁴⁹ Diese grundlegend unterschiedlichen Präferenzen geben Anlass zu der Hypothese, zwei Kategorien anzusetzen und die Rahmen a und e jeweils als wortartenkonstitutive syntaktische Umgebungen zu betrachten. Folglich könnte man alle Wörter, die in a auftreten, der Wortart ‚Adjektiv‘ zuordnen, und diejenigen Wörter, die in e erscheinen, als Vertreter der Wortart ‚Adverb‘ bestimmen. Diese strikte Orientierung an der syntaktischen Umgebung würde in der Konsequenz für Wörter wie schnell zu einer – für syntaktische Ansätze nicht untypischen – Mehrfachkategorisierung führen, zugleich aber auch die angestrebte, eindeutige Zuordnungsentscheidung für a und e ermöglichen. Doch auch bei Bestätigung der o. g. Hypothese ist eine Definition der beiden Wortarten allein auf Grundlage der Distribution nicht gegeben, weil die Frage der Wortartenabgrenzung nicht vollständig gelöst ist. Es bleibt ungeklärt, wie die Vorkommen in b–d, f–g und i zu beurteilen sind. Die Distributionsanalyse ermöglicht hier keine zweifelsfreie Zuordnungsentscheidung, denn anhand des Kriteriums ‚Distribution‘ ist nicht zu entscheiden, inwiefern die anderen Vorkommensweisen die Annahme weiterer Kategorien erfordern oder die Zuord-
49 Die Beobachtungen für die Umgebungen a und e bestätigen somit die Angaben bisheriger Publikationen. Vgl. genauer dazu Kapitel 1.
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Lösungsvorschlag
nung zu einer der soeben angesetzten Kategorien (für Umgebung a und e) zulassen.⁵⁰ Eine diesbezügliche Klärung soll auf der Grundlage der anderen syntaktischen Kriterien erfolgen, die auf das morphosyntaktische Verhalten der Wörter in den unterschiedlichen syntaktischen Umgebungen abzielen.
2.1.3.2 Kriterium II: Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Distribution von Wörtern wie schnell und sofort detailliert erläutert wurde, soll es im Folgenden um die Frage gehen, ob Wörter in den ermittelten grundlegenden Distributionen (Umgebung a–i) morphosyntaktische Merkmale aufweisen und inwiefern darin ein konstitutives Merkmal zur Definition der Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ zu sehen ist. Ausgangspunkt ist dabei die aus der Distributionsanalyse gewonnene Hypothese, für schnell in (80) eine andere Wortart anzunehmen als für schnell bzw. sofort in (81). Es wird daher zunächst erörtert, ob diese Unterscheidung durch das Kriterium ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ Bestätigung findet. (80) Umgebung a: Der schnelle Mann kommt. (81) Umgebung e: Schnell / Sofort kommt der Mann. Die Betrachtung von Umgebung a in (80) zeigt, dass das Wort schnell innerhalb einer DP auftritt, in der im Deutschen grundsätzlich Kongruenzforderung besteht. Folglich ist davon auszugehen, dass alle Einheiten der Phrase dieselben morphosyntaktischen Merkmale hinsichtlich Kasus, Genus und Numerus aufweisen (Nominativ, Singular, Maskulinum). Im konkreten Fall liefert darüber hinaus die spezifische morphologische Kennzeichnung von schnell (Exponent: ) ein weiteres Indiz für das Vorliegen morphosyntaktischer Merkmale. Es bleibt daher festzuhalten, dass sich schnell in einer Position befindet, in der Wörter – bedingt durch die syntaktische Beziehung der Kongruenz – grundsätzlich morphosyntaktische Merkmale aufweisen. Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt die Untersuchung von schnell bzw. sofort in der in (81) wiedergegebenen Umgebung e. Einerseits sind keine syntaktischen Beziehungen zu anderen Wörtern im Satz zu ermitteln, die morphosyntaktische Merkmale motivieren könnten. So werden schnell bzw. sofort weder von
50 Vgl. zu dieser erklärungsbedürftigen Tatsache auch die Ausführungen im forschungsgeschichtlichen Teil der Arbeit, v. a. in Kapitel 1.2.3 sowie 1.7.
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kommt noch von der Phrase der Mann subkategorisiert oder regiert. Auch liegen zu diesen Einheiten keine Kongruenzbeziehungen vor. Andererseits zeigt der Ersetzungstest, dass Wortformen, die das Tragen morphosyntaktischer Merkmale durch spezifische Kennzeichnung auf der formalen Oberfläche ausdrücken, in dieser syntaktischen Umgebung prinzipiell blockiert sind (vgl. u. a. (82)). Deshalb ist davon auszugehen, dass schnell bzw. sofort in e eine Position besetzen, in der Wörter keine morphosyntaktischen Merkmale aufweisen. (82) *Schnelle / *Lehrern kommt der Mann. Der signifikante Unterschied zwischen den syntaktischen Umgebungen a und e besteht folglich darin, dass Wörter wie schnell in a aufgrund von Kongruenzbeziehungen morphosyntaktische Merkmale aufweisen, während sie dies in der anderen syntaktischen Umgebung nicht tun. Darin ist ein weiterer Anhaltspunkt für die o. g. Hypothese der Kategorienunterscheidung zu sehen. Der entscheidende Punkt ist nun, dass dieses Kriterium nicht nur für die in a und e genannten Distributionen distinktiv ist, sondern auch eine Beurteilung der anderen Vorkommensweisen von Wörtern wie schnell und sofort ermöglicht. Dabei zeigt sich, dass diese Umgebungen – bis auf eine Ausnahme (vgl. d) – jeweils eindeutig einem der beiden Fälle zugeordnet werden können (vgl. (80)–(81)). In der nachstehenden Übersicht sind diese Zuordnungen angegeben; eine entsprechende Begründung folgt im Anschluss. Übersicht 3: Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale
Ohne morphosyntaktische Merkmale
a: Der schnelle Mann kommt.
e: Schnell kommt der Mann. Sofort kommt der Mann.
b: Ich halte den Mann für schnell.
d: Der Mann ist dort.
c: Der Mann sieht schnell aus. d: Der Mann ist schnell.
f: Der sofort zufriedene Mann kommt. Der schnell zufriedene Mann kommt. g: Sofort nach dem Seminar arbeitet er. Direkt 51 nach dem Seminar arbeitet er. h: Den Mann dort 52 kenne ich. i: Der Mann arbeitet dort 53 oben. Der Mann arbeitet weit oben.
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Lösungsvorschlag
Betrachtet werden zunächst die Fälle, in denen die betreffenden Wörter morphosyntaktische Merkmale aufweisen und darin ein analoges Verhalten zu Umgebung a dokumentieren. In der syntaktischen Umgebung b besteht zwischen den Einheiten schnell und den Mann eine spezifische syntaktische Beziehung. Sie entsteht durch das Verb des Satzes (hier: halten [für] ⁵⁴ ), das nicht nur das Auftreten von zwei Komplementen fordert (hier: den Mann und für schnell), sondern zugleich auch Kasuskongruenz zwischen diesen Einheiten. Dass tatsächlich eine Kongruenzbeziehung vorliegt, lässt sich zwar nicht anhand von Wörtern wie schnell aufzeigen, da diese hier keine spezifischen Formen zum Ausdruck grammatischer Merkmale ausbilden. Doch belegt der Ersetzungstest für b, dass in der Position von schnell auch Einheiten wie einen Nachkommen, eine kluge Rednerin oder einen Feigling stehen können (vgl. u. a. (83)–(86)).⁵⁵ (83) Ich halte den Mann für schnell / einen Nachkommen. (84) * Ich halte den Mann für ein Nachkomme. (85) Ich nenne sie schnell / eine kluge Rednerin. (86) Sie heißt ihn schnell / einen Feigling. Anhand von Einheiten wie einen Nachkommen kann sichtbar gemacht werden, dass eine durch das jeweilige Verb motivierte Kongruenzbeziehung vorliegt. So weisen sie z. T. spezifische Wortformen für die jeweils geforderten Merkmale auf (vgl. hier: Nachkommen mit Exponent für Akkusativ und Plural) bzw. erlauben nur bestimmte Wortformen in dieser Position (vgl. die fehlende Grammati-
51 Wenngleich schnell in Umgebung g nicht möglich ist, sind nicht alle schnell-ähnlichen Wörter in dieser Position blockiert. Als typischer Vertreter kann u. a. das hier genannte Wort direkt gelten, für das in g eine distributionelle Gemeinsamkeit mit Wörtern wie sofort nachgewiesen wurde (vgl. Kapitel 2.1.3.1). 52 Wenngleich sowohl schnell als auch sofort in Umgebung i nicht möglich sind, so sind nicht alle schnell- bzw. sofort-ähnlichen Wörter in dieser Position blockiert. Als typische Vertreter können u. a. die hier genannten Wörter dort bzw. weit gelten, für die in i eine distributionelle Gemeinsamkeit nachgewiesen wurde (vgl. Kapitel 2.1.3.1). 53 Wenngleich sofort in Umgebung h nicht möglich ist, sind nicht alle sofort-ähnlichen Wörter in dieser Position blockiert. Als typischer Vertreter kann u. a. das hier ausgewählte Wort dort gelten (vgl. Kapitel 2.1.3.1). 54 Das Auftreten von für bzw. als im Zusammenhang mit Verben wie halten bzw. gelten ist als eine Besonderheit der jeweiligen Verben zu betrachten, die ohne weiteren Einfluss auf die Syntax oder Semantik bleibt (vgl. ebenso u. a. Helbig / Buscha 2001: 453). 55 Vgl. zu dieser Methode, Kongruenz für das Deutsche nachzuweisen, u. a. Staudinger 1997: 215.
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kalität in (84)). Der Ersetzungstest stützt damit die Analyse der syntaktischen Beziehungen. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass Wörter wie schnell in Umgebung b prinzipiell morphosyntaktische Merkmale aufweisen. Die Untersuchung der syntaktischen Umgebung c führt zu der Ansicht, ebenso wie für Umgebung b von kopulaähnlichen Konstruktionen auszugehen (vgl. ebenso u. a. Eisenberg 42013 II: 80). Diese Annahme beruht vornehmlich darauf, dass durch die jeweiligen Verben – ebenso wie schon in b – Kasuskongruenz zwischen Einheiten schnell und der Mann hergestellt wird. Demnach weisen Wörter wie schnell in dieser Position die gleichen morphosyntaktischen Merkmale auf wie die als Subjekt fungierende Phrase.⁵⁶ Als Anhaltspunkt dafür kann – wie schon in Umgebung b – der Ersetzungstests angeführt werden. So können Verben wie gelten (als) neben Wörtern wie schnell auch Einheiten wie Betrüger bzw. großer Betrüger subkategorisieren (vgl. (87)). Am Beispiel von großer Betrüger lässt sich wiederum zeigen, dass Kasuskongruenz zu der Mann besteht, denn eine morphologisch sichtbare Veränderung der Kasusmerkmale in der betreffenden Position ergibt eine ungrammatische Konstruktion (vgl. (88)). Demnach tragen Wörter in dieser Position spezifische, durch Kongruenz zugewiesene morphosyntaktische Merkmale (vgl. analog (89)–(92)). Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass Wörter wie schnell auch in der Umgebung c morphosyntaktische Merkmale aufweisen. (87) Der Mann gilt als schnell / Betrüger / großer Betrüger. (88) * Der Mann gilt als großen Betrügers. (89) Ihre Feststellung dünkt mich richtig / eine vage Behauptung. (90) * Ihre Feststellung dünkt mich einer vagen Behauptung. (91) Dieser Stern heißt ungewöhnlich / Großer Bär. (92) * Dieser Stern heißt Großen Bären. Für Umgebung b–c wurde von kopulaähnlichen Konstruktionen ausgegangen. Tatsächlich als Kopulakonstruktionen werden hier Konstruktionen mit den
56 M. E. handelt es sich demnach um Subjektsprädikative. Nicht von prädikativen Strukturen geht hingegen Pittner aus: Sie betrachtet Wörter wie schnell in derartigen Konstruktionen als obligatorische Adverbiale. Bezüglich der Wortartenfrage scheint Pittner dennoch Adjektive anzusetzen (vgl. Pittner 1999: 95). Noch anders entscheiden u. a. Helbig / Buscha, die nur im Zusammenhang mit Kopulaverben Subjektsprädikative annehmen und die vorliegenden Fälle nicht gesondert betrachten. Offensichtlich werden parallele Fälle zu Umgebung f angesetzt, da bezüglich der Wortart im vorliegenden Beispiel schnell als Adverb bestimmt wird (vgl. Helbig / Buscha 2001: 280). Nicht berücksichtigt wird damit allerdings die o. g. syntaktische Beziehung zwischen den Phrasen der Mann und schnell.
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Lösungsvorschlag
Verben sein, bleiben und werden betrachtet (vgl. Umgebung d). Es sind dabei zwei Fälle zu unterscheiden: Zum einen treten im Zusammenhang mit Kopulaverben Einheiten wie der Mann und schnell auf. Eine genauere Untersuchung führt zu der Annahme, dass Kopulaverben – ebenso wie kopulaähnliche Verben – über die Eigenschaft verfügen, das Auftreten zweier Komplemente zu fordern, die kasuskongruent sein müssen. Bestätigt wird dies – wie bereits für Umgebung b und c – durch Ersetzung (vgl. (93–(94) bzw. analog auch (95)–(98)). (93) Der Mann ist schnell / Betrüger / ein großer Betrüger. (94) * Der Mann ist eines großen Betrügers. (95) Sein Sohn bleibt alt / Lehrer. (96) * Sein Sohn bleibt Lehrers. (97) Der Beitrag wird gut / ein Erfolg. (98) * Der Beitrag wird einem Erfolg. Daraus kann abgeleitet werden, dass Wörter wie schnell oder Betrüger in der vorliegenden Position morphosyntaktische Merkmale aufweisen.⁵⁷ Explizit hingewiesen sei darauf, dass daraus gleichermaßen resultiert, Wörter wie schuld in dieser Position ebenfalls als Träger morphosyntaktischer Merkmale aufzufassen. Zum anderen ist zu beobachten, dass im Zusammenhang mit Kopulaverben auch Einheiten wie dort oder morgen auftreten können (vgl. (99)–(100)). Im Gegensatz zu den o. g. Fällen von Prädikation dokumentieren diese prädikativen Konstruktionen die Existenz weiterer Lesarten der Kopulaverben. So können sein und bleiben auch in der Bedeutung ‚sich befinden‘ verwendet werden, sein darüber hinaus auch i. S. v. ‚stattfinden‘. Diese semantischen Differenzierungen ermöglichen das Auftreten bestimmter Wörter wie dort oder morgen in (99)–(100), die eine Lokalisierung bzw. temporale Verortung angeben und sich damit von Wörtern wie schnell oder Betrüger deutlich abheben. Sichtbar wird dies u. a. in der fehlenden Kombinierbarkeit von dort mit dem Verb werden, das diese lokale Lesart nicht zulässt (vgl. (101)). Auch lassen sich für komplexe Phrasen mit vergleichbarer semantischer Leistung wie dort keine Dependenzbeziehungen zu der als Subjekt fungierenden Phrase nachweisen (vgl. (102)).
57 Einen weiteren Hinweis darauf, dass Wörter wie schnell in dieser Position tatsächlich morphosyntaktische Merkmale aufweisen, liefern einige Varietäten des Deutschen, in denen bis in die Gegenwart Wörter wie schnell oder nass auch in den o. g. Kopulakonstruktionen flektiert werden (vgl. z. B. im Höchstalemannischen: wül er nassa isch > weil er nass ist (vgl. Bucheli Berger / Glaser 2004: 195)).
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(99) Der Mann ist / bleibt dort. (100) Die Hochzeit ist morgen. (101) * Der Mann wird dort. (102) Der Mann ist auf der Straße. Diese Beobachtungen sprechen m. E. gegen das Vorliegen einer Kongruenzbeziehung zwischen Einheiten wie der Mann und dort und zugleich für die Notwendigkeit, in Abhängigkeit von der Kopula-Lesart ein unterschiedliches syntaktisches Verhalten anzusetzen. Während also Wörter wie dort in der Umgebung d keine morphosyntaktischen Merkmale aufweisen und deshalb mit dem Vorkommen in Umgebung e vergleichbar sind, weisen Wörter wie schnell und Betrüger in d kongruenzbedingt morphosyntaktische Merkmale auf und zeigen darin eine Vergleichbarkeit mit Umgebung a. Für Umgebung d ergibt sich daraus die Besonderheit, dass keine direkte Korrelation zwischen der Position in d und dem Auftreten morphosyntaktischer Wörter angegeben werden kann. Die übrigen o. g. Vorkommensmöglichkeiten von Wörtern wie schnell bzw. sofort (vgl. Umgebung f–i) zeigen ein syntaktisches Verhalten, das dem in Umgebung e entspricht. So lassen sich in keinem der aufgeführten Fälle syntaktische Dependenzbeziehungen zu anderen Einheiten im Satz aufzeigen, die das Vorliegen morphosyntaktischer Wörter in den jeweiligen Positionen motivieren könnten. Etwas differenzierter müssen die Hinweise betrachtet werden, die sich auf der Grundlage der Wortformenanalyse ergeben. In den Umgebungen f, h und i sind Wortformen, die morphosyntaktische Merkmale morphologisch sichtbar zum Ausdruck bringen, prinzipiell blockiert (vgl. (103)–(105)) bzw. wären nur grammatisch, wenn andere, koordinierte bzw. subordinierte Konstruktionen zugrunde liegen (vgl. schnelle in (103) bzw. die Ausführungen zu Umgebung f in Kapitel 2.1.3.1). Ganz ähnlich gestaltet sich die Sachlage für Umgebung g, d. h. auch hier sind Wortformen wie schnelle, die morphosyntaktische Merkmale sichtbar zum Ausdruck bringen, grundsätzlich blockiert (vgl. (106)). Allerdings können trotz der genannten Blockierung und trotz fehlender syntaktischer Beziehungen zur Motivation entsprechender Merkmale vereinzelt dennoch Wortformen wie Stunden auftreten. Diese weisen dann auch eindeutig morphosyntaktische Merkmale auf (vgl. u. a. in (107) die Merkmale: Akkusativ, Plural, Femininum für Stunden). (103) (104) (105) (106) (107) (108)
* Der Lehrers / schnelle (,) zufriedene Mann kommt. * Den Mann Lehrern / schnelle kenne ich. * Der Mann arbeitet Lehrern / schnelle oben. * Schnelle nach dem Seminar arbeitet er. Stunden nach dem Seminar arbeitet er. Er arbeitet zwei Stunden.
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Lösungsvorschlag
Dies ist m. E. so zu erklären, dass Wörter wie Lehrer, Stunde oder Meter über die spezifische Eigenschaft verfügen, in allen syntaktischen Umgebungen – so u. a. auch in weitaus häufigeren Konstruktionen wie in (108) – morphosyntaktische Merkmale aufzuweisen. Folglich kann allein aus dem vereinzelten Auftreten morphosyntaktischer Wörter wie Stunden in g nicht geschlussfolgert werden, dass es sich hier um eine Position handelt, in der Wörter prinzipiell morphosyntaktische Merkmale aufweisen.⁵⁸ Insgesamt führt dies deshalb zu der Annahme, die Umgebungen f–i als syntaktische Umgebungen zu bezeichnen, in denen Wörter i. d. R. keine morphosyntaktischen Merkmale aufweisen. Die vorangegangenen Ausführungen demonstrieren, dass die Anwendung des syntaktischen Kriteriums ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ zu zentralen Einsichten führt im Hinblick auf die Zuordnungsentscheidung von Wörtern wie schnell und sofort. Zum einen konnten die Ergebnisse der Distributionsanalyse insofern Bestätigung finden, als sich die Umgebungen a und e auch in Bezug auf dieses Kriterium signifikant unterscheiden. Zum anderen konnten die anderen Verwendungsweisen von schnell und sofort diesen beiden Fällen zugeordnet werden, sodass ein stichhaltiges Argument für die Aufgliederung in die zwei Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ vorliegt und kein Grund zur Annahme weiterer Kategorien besteht. Demnach sind Wörter wie schnell in den Umgebungen a–c prinzipiell der Wortart ‚Adjektiv‘ zuzuordnen, da sie, bedingt durch die syntaktische Beziehung der Kongruenz, morphosyntaktische Merkmale aufweisen, während Wörter wie schnell bzw. sofort in den Umgebungen e–i keine derartigen Merkmale tragen und deshalb der Wortart ‚Adverb‘ zugerechnet werden. Allein für Umgebung d muss man differenzieren zwischen Wörtern wie schnell, die sich analog zu a–c verhalten und infolgedessen als Adjektive zu bestimmen sind, und einer geringen Anzahl an Wörtern wie dort, die keine morphosyntaktischen Merkmale aufweisen und somit den Adverbien zugerechnet werden. Mit dieser Fallunterscheidung liegt zugleich ein Argument dafür vor, Wörter wie schuld der Kategorie ‚Adjektiv‘ zuzuordnen. Sie stehen nämlich analog zu Wörtern wie schnell in einer spezifischen Beziehung der Prädikation zu einer anderen Phrase im Satz, die sich syntaktisch in einer vom Kopulaverb geforderten Kongruenzbeziehung widerspiegelt. Folglich ist davon auszugehen, dass Wörter wie schuld im Satz morphosyntaktische Merkmale aufweisen und der Wortart ‚Adjektiv‘ zuzuordnen sind.
58 Selbst wenn man eine Analogie zwischen Wörtern wie kurz und Stunde in Umgebung g herstellen wollen würde, wäre es im Fall von kurz unmöglich, die morphosyntaktischen Merkmale zu benennen. M. E. liegt dies am Fehlen entsprechender motivierender syntaktischer Beziehungen.
Syntaktischer Klassifikationsansatz
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Im Resümee lässt sich feststellen, dass das Kriterium ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ von zentraler Bedeutung für die Konstitution der Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ ist, da es eine eindeutige Zuordnungsentscheidung für die einzelnen Distributionen erlaubt und infolgedessen als ein distinktives Kriterium bezeichnet werden kann.
2.1.3.3 Kriterium III: Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale Obgleich die Anwendung der ersten beiden syntaktischen Kriterien bereits zu einer Möglichkeit geführt hat, die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ als eigenständige Kategorien zu etablieren, soll in einem dritten Schritt das Kriterium ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ eingesetzt werden. Dies ist einerseits erforderlich, um Widersprüche in der Klassifikation auszuschließen. Andererseits ist zu prüfen, inwiefern die angesetzte Kategorienbildung durch dieses Kriterium gestützt werden kann. Zunächst lässt sich dabei erkennen, dass ein Teil der bisher untersuchten Wörter komplementfähig ist (vgl. die bereits genannten reif, stolz, verliebt sowie Wörter wie klar, sicher oder verantwortlich), d. h. derartige Wörter verfügen über die Fähigkeit, den (Präpositional-)Kasus bzw. ähnlich geartete Eigenschaften anderer Einheiten zu regieren (vgl. u. a. (109)–(111)).⁵⁹ Andere Wörter hingegen sind prinzipiell nicht befähigt, Komplemente zu sich zu nehmen (vgl. u. a. dort, direkt, möglicherweise, sofort, väterlich). (109) auf ihren Erfolg stolz (110) dem Leser klar (111) verantwortlich für dieses Ergebnis Im Zentrum der Untersuchung stehen v. a. die rektionsfähigen Wörter und deren syntaktisches Verhalten. Dabei bilden ebenfalls die Ergebnisse der Distributionsanalyse den Ausgangspunkt, sodass zu Beginn die syntaktischen Umgebungen betrachtet werden, die Anlass für die dort angeregte Kategorienunterscheidung waren (vgl. (112)–(113)). 59 Zum Komplementbegriff vgl. Kapitel 2.1.2. Bei dieser Art der Komplementfähigkeit handelt es sich um eine idiosynkratische Eigenschaft der jeweiligen Wörter. Vgl. neben den angeführten Beispielen auch: über diesen Vorfall ärgerlich, auf eine Sache aufmerksam, bei ihnen beliebt, fünf Meter breit, diesem Mann feind, von Vorurteilen frei, zu ihr freundlich, einer Sache gewiss, an einer Sache interessiert, die Streitigkeiten leid, mit ihm quitt, an dem Unfall schuld, drei Kilo schwer, in ihrem Fachbereich tüchtig. Vgl. für ausführlichere Listen u. a. Helbig / Buscha 2001: 288 f.
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Lösungsvorschlag
(112) Umgebung a: Der … (-e) Mann kommt. (113) Umgebung e: … kommt der Mann. In Umgebung a sind rektionsfähige Wörter problemlos einsetzbar, wobei die regierte Einheit meist fakultativ ist und dem regierenden Wort vorangestellt wird. Es gibt keinerlei Beschränkungen, d. h. alle Wörter, die in dieser syntaktischen Umgebung auftreten können, können dies auch mit dem entsprechenden Komplement (vgl. u. a. (114)–(119)). Es handelt sich demnach um eine syntaktische Umgebung, in der Wörter wie stolz, klar oder verantwortlich anderen Einheiten morphosyntaktische Merkmale zuweisen können. (114) (115) (116) (117) (118) (119)
die auf ihren Erfolg stolze Frau die dem Leser klaren Sätze der für die Planung verantwortliche Mitarbeiter die vor Gefahr sichere Frau der zu allen freundliche Mann der für Unstimmigkeiten empfindliche Kollege
Konträr dazu stellt sich die Situation in (113) dar: Wenn Wörter, die in der Umgebung a rektionsfähig sind, in der Umgebung e auftreten, zeigen sie ein abweichendes syntaktisches Verhalten: Sie können nur ohne das von ihnen in anderen Kontexten regierte Komplement erscheinen.⁶⁰ So lassen sich beispielsweise stolz und klar in einer zu e analogen Umgebung einsetzen, sodass Bedeutungen wie ‚stolz laufen‘ und ‚klar formulieren‘ erzeugt werden, jedoch nur unter Weglassung der entsprechenden Komplemente (vgl. (120)–(123) sowie analog dazu (124)–(135)).⁶¹ (120) Stolz läuft sie durch die Eingangshalle. (121) * auf den Erfolg stolz laufen (122) Klar formuliert sie ihre Sätze. (123) * dem Leser klar formulieren (124) Verantwortlich sollte er jetzt handeln. (125) * für die Planung verantwortlich handeln
60 Zu diesem Ergebnis kommt u. a. auch Flösch in ihrer Untersuchung zum prädikativen Adjektiv (vgl. Flösch 2007: 32). 61 Vgl. auch: aufgebracht reden, aufmerksam lesen, bedacht vorgehen, begierig trinken, frei vortragen, hart urteilen, konzentriert arbeiten, tüchtig arbeiten, weit laufen.
Syntaktischer Klassifikationsansatz
109
(126) Sicher läuft die Frau auf dem Gehweg. (127) * vor Gefahr sicher laufen (128) Freundlich antwortet er ihr. (129) * zu ihr freundlich antworten (130) Empfindlich reagierte sie auf dieses Wetter. (131) * für diese Temperaturen empfindlich reagieren (132) Günstig kauft er gerne ein. (133) * für ihn günstig einkaufen (134) Begeistert klatscht er nach dem Konzert. (135) * von ihrem Gesang begeistert klatschen Verwendungsweisen mit Komplement ergeben dennoch keine ungrammatischen Sätze. Vielmehr liegt dann ein anderer Konstruktionstyp vor, in dem die betreffenden Einheiten als ‚freie Prädikative‘ zu interpretieren sind. Wie bereits in Kapitel 2.1.3.1 kurz erläutert wurde, müssen derartige Konstruktionen jedoch konsequent von Umgebung e unterschieden werden. Einheiten wie stolz auf ihren Erfolg sind in diesen Fällen auf eine Grundstruktur zurückzuführen, die Umgebung d entspricht (vgl. (136)–(140)). (136) Stolz auf ihren Erfolg läuft sie durch die Eingangshalle. = Sie läuft durch die Eingangshalle und ist stolz auf ihren Erfolg. (137) Dem Leser klar formuliert sie ihre Sätze. = Sie formuliert ihre Sätze, sodass sie dem Leser klar sind. (138) Verantwortlich für die Planung sollte er jetzt handeln. = Er sollte jetzt handeln, weil er für die Planung verantwortlich ist. (139) Sicher vor Gefahr läuft die Frau auf dem Gehweg. = Die Frau läuft auf dem Gehweg und ist sicher vor Gefahr. (140) Begeistert von ihrem Gesang klatscht er nach dem Konzert. = Er klatscht […], weil er von ihrem Gesang begeistert ist. Aus dieser Analyse geht hervor, dass Wörter, die in anderen syntaktischen Umgebungen rektionsfähig sind, über diese Fähigkeit in der Umgebung e offensichtlich nicht verfügen. Darin ist eine Parallele zu anderen, in dieser syntaktischen Umgebung typischerweise auftretenden Wörtern wie dann, möglicherweise oder sofort zu sehen, die prinzipiell keine Komplemente zu sich nehmen können (vgl. ebenso Maas 1992: 170). Dies lässt den Schluss zu, dass Wörter in Position e nicht
110
Lösungsvorschlag
fähig sind, anderen Einheiten morphosyntaktische Merkmale zuzuweisen. Somit ergibt sich ein signifikanter Unterschied im Vergleich zu Umgebung a, sodass die durch die Distributionsanalyse aufgestellte Hypothese zur Wortartenunterscheidung in a und e auch durch dieses Kriterium Bestätigung findet. Im Folgenden sollen die Ergebnisse für die übrigen syntaktischen Umgebungen b–d bzw. f–i betrachtet und in Bezug zu den Umgebungen a und e gesetzt werden. Insgesamt zeigt sich dabei, dass ein Vergleich zumindest teilweise erschwert wird, weil zahlreiche Blockierungen für rektionsfähige Wörter vorliegen. Dennoch können einige Aussagen getroffen werden. So lassen sich für die Umgebungen b–d Parallelen zu a feststellen (vgl. (141)–(143)). (141) (142) (143)
Umgebung b: Ich halte den Mann für … Umgebung c: Der Mann sieht … aus. Umgebung d: Der Mann ist …
Für die Umgebungen b–c ist zu beobachten, dass komplementfähige Wörter durchaus auch in diesen Positionen möglich sind (vgl. (144)–(148))⁶². In anderen Fällen erscheint das Auftreten mit Komplement allerdings ungewöhnlich, wenn nicht z. T. ungrammatisch (vgl. (149)–(150)). Diesbezügliche Beschränkungen scheinen jedoch vom Verb auszugehen und konzeptueller Art zu sein. Da Komplementfähigkeit in b–c nicht prinzipiell ausgeschlossen ist, erscheint es m. E. sinnvoll, eine Parallele zu Umgebung a (und nicht zu e) anzunehmen. (144) (145) (146) (147) (148) (149) (150)
Sie wirkt stolz auf ihren Erfolg. Er dünkt sich verantwortlich für dieses Ergebnis. Ich halte den Mann für seiner Frau treu. Ich betrachte dich als frei von aller Schuld. Er gilt als hundert Kilo schwer. ?? Ich nenne den Mann stolz auf seinen Erfolg. ?? Der Mann sieht seiner Frau treu aus.
Die stärkste Parallele zu Umgebung a zeigt das Verhalten der betreffenden Wörter in Umgebung d. Alle Wörter, die in a rektionsfähig sind, lassen sich auch in Umgebung d mit Komplement einsetzen, wobei die Position zumindest von Präpositionalphrasen variabler ist (vgl. (151)–(155)). Darüber hinaus ist erkennbar,
62 Vgl. u. a. auch: Er bezeichnet die Veranstaltung als dem Anlass angemessen. // Sie dünken sich frei von Vorurteilen. // Er wirkt zwei Meter lang. // Sie wirkt erfahren in diesen Dingen. // Er gilt als zu allem fähig.
Syntaktischer Klassifikationsansatz
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dass auch Wörter wie egal, leid oder schuld, die ausschließlich in Umgebung d auftreten, mehrheitlich rektionsfähig sind (vgl. (156)–(158)).⁶³ (151) (152) (153) (154) (155) (156) (157) (158)
Sie ist stolz auf den Erfolg. Ihre Sätze sind dem Leser klar. Er ist für die Planung verantwortlich. Die Frau ist vor Gefahr sicher. Der Mann ist freundlich zu allen. Das ist ihm egal. Der Mann ist dieses Spiel leid. Der Mann ist an dieser Pleite schuld.
Schwieriger gestaltet sich der Vergleich mit den weiteren Vorkommensmöglichkeiten in den Umgebungen f–i (vgl. (159)–(162)), da ein Großteil der in a komplementfähigen Wörter hier gänzlich blockiert ist. (159) (160) (161) (162)
Umgebung f: Umgebung g: Umgebung h: Umgebung i:
Der … zufriedene Mann kommt. … nach dem Seminar arbeitet er. Den Mann … kenne ich. Der Mann arbeitet … oben.
Es ist festzustellen, dass komplementfähige Wörter wie sicher am ehesten in f auftreten können, allerdings ausschließlich ohne Komplement (vgl. (163)–(166)). In den Umgebungen g–i hingegen sind derartige Wörter offenbar prinzipiell blockiert, auch wenn sie ohne entsprechendes Komplement erscheinen (vgl. (167)– (171)). Wenngleich der Verlust der Komplementfähigkeit folglich nur für bestimmte Wörter in Umgebung f gezeigt werden kann, so ist doch nicht zu bestreiten, dass Wörter, die in den Umgebungen f–i auftreten können, anderen Einheiten grundsätzlich keine morphosyntaktischen Merkmale zuweisen können. Somit sind die Distributionen mit Umgebung e vergleichbar. (163) der sicher versteckte Schatz (164) * der vor Gefahr sicher versteckte Schatz (165) der verdächtig schnelle Mann (166) * der des Betrugs verdächtig schnelle Mann (167) * (Zu allen) freundlich nach dem Seminar arbeitet er.
63 Die Komplemente sind bei derartigen Wörtern meist obligatorisch (vgl. u. a. für leid: *Der Mann ist leid.; nicht so u. a. schuld).
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Lösungsvorschlag
(168) (169) (170) (171)
* Stolz (auf seinen Erfolg) nach dem Seminar arbeitet er. * Ich kenne den Mann verantwortlich (für die Planung).⁶⁴ * Der Mann arbeitet (zu allen) freundlich oben.⁶⁵ * Der Mann arbeitet stolz (auf seinen Erfolg) oben.
Die Anwendung des Kriteriums ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ lässt sich daher folgendermaßen zusammenfassen: Es konnte gezeigt werden, dass ein Teil der mit schnell vergleichbaren Wörter in der Lage ist, anderen Einheiten spezifische morphosyntaktische Merkmale zuzuweisen. Diese Fähigkeit ist jedoch auf die Distributionen a–d beschränkt, d. h. in anderen Vorkommensweisen (e–i) haben derartige Wörter diese Komplementfähigkeit nicht oder sind gänzlich blockiert.⁶⁶ Von Bedeutung für die Abgrenzung der Wortarten ist dabei die Beobachtung, dass bestimmte komplementfähige Wörter je nach Vorkommen im Satz unterschiedliche Eigenschaften zeigen. So können Wörter wie stolz, verantwortlich oder treu in den Umgebungen a und d problemlos Komplemente aufweisen, teilweise auch in b–c, keinesfalls jedoch in e–i. Für diese Fälle ist eine Korrelation zwischen Rektionsfähigkeit und Distribution zu konstatieren, die auf das Vorliegen unterschiedlicher Kategorien hindeutet. Wenngleich dieses Ergebnis mit den Erkenntnissen der Distributionsanalyse und der Untersuchung zum Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale größtenteils korrespondiert, kann die Komplementfähigkeit nicht als konstitutiv für die Definition der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ gelten. Konstitutiv könnte dieses Merkmal nur sein, wenn für alle Wörter eine Korrelation zwischen Komplementfähigkeit und Distribution bestünde. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn Wörter wie direkt, rasch und unmittelbar sind weder in a–d noch in e–i komplementfähig. Allerdings lässt sich aus der Beobachtung, dass Wörter in den Umgebungen e–i prinzipiell nicht komplementfähig sind, durchaus schließen, dass diese einer gemeinsamen Wortart angehören. Umgekehrt kann die Möglichkeit, morphosyntaktische Merkmale zuzuweisen (im Sinne einer Kann-Regel), als Hinweis
64 Grammatisch wäre dieser Satz nur, wenn man die Phrase verantwortlich für die Planung als ‚freies Prädikativ‘ interpretiert. Dann liegt jedoch nicht die hier fokussierte Grundstruktur von Umgebung h vor. 65 Grammatisch wären dieser und der folgende Satz nur, wenn man freundlich bzw. stolz nicht als Teil der Phrase oben betrachtet, sondern als eigenständige Phrasen. 66 Vor dem Hintergrund dieser Untersuchungsergebnisse wird auch verständlich, dass beispielsweise Motsch in seiner Darstellung die Komplementfähigkeit von Wörtern wie frei oder froh ausschließlich im Rahmen der attributiven und prädikativen Verwendung thematisiert (vgl. Motsch 22004: 169). Vgl. genauer zur Position von Motsch Kapitel 1.5.2.
Syntaktischer Klassifikationsansatz
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gewertet werden, die Distributionen a–c zu einer Wortart zusammenzufassen. Problematisch ist jedoch die Umgebung d: Wenngleich hier zahlreiche komplementfähige Wörter auftreten und zugleich ein weiteres Argument geliefert wird, Wörter wie schuld zu der Wortart in a–c zu zählen, ist allein anhand dieses Kriteriums eine Unterscheidung von schnell und dort in dieser Position nicht gegeben. Aus diesem Grund wird das Kriterium ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ erst nach Anwendung der anderen Kriterien und nur ergänzend einbezogen.
2.1.3.4 Analyseergebnisse Wie anhand der vorangegangenen Teilkapitel erkennbar ist, wurden für die Konstitution der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ die im Vorfeld definierten syntaktischen Klassifikationskriterien zugrunde gelegt und ausgehend von prototypischen Beispielen auf den Untersuchungsgegenstand angewendet. Dabei konnte gezeigt werden, dass das Kriterium ‚Distribution‘ zentral, jedoch nicht hinreichend für die Definition der beiden Wortarten ist.⁶⁷ Erst unter Hinzuziehung des Kriteriums ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ bietet sich die Möglichkeit, die Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ konsistent zu definieren und voneinander abzugrenzen. Durch das Kriterium ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ konnte dieses Ergebnis größtenteils bestätigt werden, wobei zu beachten ist, dass diesem Kriterium aus dargelegten Gründen keine konstitutive Funktion im Hinblick auf die Adjektiv-Adverb-Problematik zukommt. In der Gesamtheit lassen sich die Ergebnisse wie folgt zusammenfassen: Die für die Definition der Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ konstitutiven und distinktiven syntaktischen Merkmale wurden am deutlichsten erkennbar anhand von zwei Verwendungsweisen (Umgebung a und e). Diese werden folglich als Distributionsrahmen angesetzt. Entscheidend dabei ist, dass Wörter in der prototypischen Umgebung des Adjektivs morphosyntaktische Merkmale aufweisen, während sie dies in der typischen Adverbdistribution nicht tun. Vor diesem Hintergrund sind die weiteren Vorkommensweisen zu beurteilen und gemäß der Prototypentheorie zuzuordnen. In der nachfolgenden Übersicht sind diese Ergebnisse nochmals zusammengefasst und nachfolgend durch Beispielzuordnungen veranschaulicht.
67 Darin finden die Ergebnisse des forschungsgeschichtlichen Kapitels erneut Bestätigung.
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Lösungsvorschlag
Übersicht 4: Konstitution der Adjektiv- und Adverbdefinition Adjektiv
Adverb
typische syntaktische Umgebung:
typische syntaktische Umgebung:
der … Mann
… kommt der Mann.68
Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale: – hinsichtlich Kasus, Numerus und Genus – begründet in Kongruenzforderung (ausgehend von N0 oder V0)
kein Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale
Beispiele:
Beispiele:
der schnelle Mann die klugen Kinder eine prima Geschichte ein lila Kleid der Berliner Bürgermeister das getaufte Kind Er spricht vor laufender Kamera. Der Mann ist prima. Die Kinder sind fleißig. Deine Meinung ist mir egal. Du bist schuld. Ich nenne den Mann treu. Die Suppe schmeckt gut. Sie wirkt angespannt.
Sofort kommt der Mann. Der Mann kommt schnell. Möglicherweise kommt der Mann. Woher kommt der Mann? der fleißig arbeitende Mann die dort ansässige Firma Er liegt deutlich über dem Grenzwert. Er überholte kurz hinter der Ampel. Sie rief ihn sofort nach dem Seminar an. Der Schatz liegt tief unten. Die Vase steht doch dort hinten. Das Auto ist hier. Haben sie die Feier morgen abgesagt? Der Film gestern gefiel mir.
Der vorliegende Ansatz ermöglicht in Abhängigkeit von der konkreten Verwendung im Satz eine eindeutige Zuordnung von Wörtern wie schnell und sofort zu den Kategorien ‚Adjektiv‘ oder ‚Adverb‘. Eine Besonderheit ergibt sich dabei im Hinblick auf zahlreiche Wörter wie früh, prima, schnell, stolz, wahrscheinlich etc., denn sie sind je nach syntaktischer Umgebung und dem damit verbundenen (morpho-)syntaktischen Verhalten entweder als Adjektive oder als Adverbien zu klassifizieren. Diese Art der Mehrfachkategorisierung ist – wie bereits mehrfach betont wurde – nicht neu, wird in
68 Mit dem angesetzten Distributionsrahmen findet einerseits die in bisherigen Ansätzen als typisch bezeichnete Umgebung für Adverbien Berücksichtigung (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001: 306). Zugleich wird durch die Topikalisierung des Adverbs auch die Eigenschaft der Vorfeldfähigkeit, die ebenfalls häufig als typisches positionales Merkmal angeführt wird, erfasst (vgl. u. a. Zifonun et al. 1997: 54; Meibauer 22007: 132; Duden 4 82009: 570).
Syntaktischer Klassifikationsansatz
115
der Forschung z. T. aber kritisch beurteilt. Wie in Kapitel 1 aufgezeigt wurde, ist sie in jedem Fall erklärungsbedürftig, und zwar insofern, als die betreffenden Wörter – abgesehen von den syntaktisch motivierten Differenzen – sehr starke Ähnlichkeiten oder sogar vollständige Übereinstimmung in Bezug auf ihre phonologische bzw. graphematische Form und ihre Semantik zeigen.⁶⁹ Während also syntaktische Merkmale eindeutig dafür sprechen, eine Unterscheidung zwischen schnell und schnell anzu nehmen, suggerieren die formalen und semantischen Merkmale, nur ein Wort schnell anzusetzen. Mit jeweils unterschiedlicher Fokussetzung findet man in der Literatur beide Ansätze (vgl. zu ersterem v. a. Clément 2005 [betrachtet in Kapitel 1.2.3]; zu letzterem u. a. Eisenberg 42013 II: 227 ff. [besprochen in Kapitel 1.6.2]). Beide Ansätze haben aber den entscheidenden Nachteil, dass sie durch die Akzentuierung eines Aspekts den jeweils anderen vernachlässigen und somit keine gesamtsystematische Erklärung liefern können. Für die Beantwortung der Frage, ob für Einheiten wie schnell ein oder mehr als ein Wort (i. S. v. Lexem) anzusetzen ist, reicht m. E. eine bereichsspezifische Betrachtung nicht aus. Vielmehr scheint es von zentraler Bedeutung, den Gesamtzusammenhang des Sprachsystems zu berücksichtigen. Dabei wird erkennbar, dass Wortarten an der Schnittstelle von Grammatik und Lexikon anzusiedeln sind, denn Wörter fungieren einerseits als minimale Einheiten in syntaktischen Strukturen; andererseits stellen sie Einheiten des Wortschatzes dar, die – so die herrschende Meinung in der Forschung – im Hinblick auf ihre Kategorie eindeutig spezifiziert sind. Wie bereits in Kapitel 1 dargelegt, versucht man dieser sog. Doppelfunktion von Wortarten (vgl. u. a. Rauh 2000: 487) in neueren Publikationen durch die Trennung von zwei verschiedenen Ebenen der Wortartenzuordnung (syntaktisch vs. lexikalisch) gerecht zu werden (vgl. v. a. Meibauer et al. 2 2007; Duden 4 82009). Damit ist ein zentraler Schritt in der Wortartenforschung unternommen worden, der die Möglichkeit bieten könnte, die o. g. Beobachtungen aus Syntax und Form / Semantik in Einklang zu bringen und dabei sowohl dem in der Wortartenforschung allgemein verbreiteten Bestreben nach einer eindeutigen und begründeten Wortartenzuordnung nachzukommen als auch eine gesamtsystematische Erklärung für die beobachteten Mehrfachkategorisierungen zu erreichen. Allerdings wurde bereits erwähnt, dass es sich um einen Ansatz
69 Am häufigsten wird als Argument gegen eine derartige Mehrfachkategorisierung angeführt, dass sie eine unnötige Erweiterung des Lexikons nach sich ziehen würde (vgl. u. a. Eschenlohr 1999: 49). In Bezug auf die Adjektiv-Adverb-Frage wird zudem darauf hingewiesen, dass die Adjektivklasse als eine der vier sog. Hauptwortarten dadurch ihre Selbstständigkeit verlieren würde (vgl. Eisenberg 42013 II: 228).
116
Lösungsvorschlag
handelt, dessen umfassende Ausarbeitung gegenwärtig aussteht. Im Folgenden gilt es daher, einen entsprechenden Vorschlag zur Ausarbeitung dieser Ebenendifferenzierung zu präsentieren.
2.2 Wortarten im Sprachsystem ⁷⁰ 2.2.1 Vorbemerkungen Im vorliegenden Kapitel erfolgt eine allgemeine Betrachtung der Wortartenthematik im Gesamtzusammenhang des Sprachsystems. Primäres Ziel ist es, das in der Wortartenforschung vorgeschlagene Konzept zur Differenzierung zweier Ebenen der Wortartenzuordnung entsprechend weiterzuentwickeln und zu präzisieren, und zwar vorerst unabhängig von der hier fokussierten Adjektiv-AdverbProblematik. Neben der Wortartenforschung werden dabei insbesondere Erkenntnisse der Lexikon- und Wortbildungsforschung einbezogen. So soll zunächst mit der Darstellung eines Lexikonmodells die Voraussetzung für eine Konkretisierung des differenzierenden Wortartenkonzepts geschaffen werden. In einem zweiten Schritt wird eine Verortung der Wortartebenen im Lexikonmodell erarbeitet, und zwar primär anhand ähnlich komplexer, aber im Vergleich zu schnell deutlich besser erforschter Fälle wie lesen / (das) Lesen. Dabei wird zu zeigen sein, dass die Beantwortung der in diesem Zusammenhang ebenfalls zu klärenden Frage nach der Beziehung zwischen den Ebenen der Wortartenzuordnung mithilfe der Wortbildung erreicht werden könnte. Allerdings ist die Annahme der dabei besonders zentralen Konversionsregeln in der Wortbildungsforschung umstritten. Bevor also in Kapitel 2.2.3.3 eine detaillierte Darstellung des differenzierenden Wortartenkonzepts erfolgt, wird zuvor noch eine etwas ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Wortartwechsels und speziell mit dem Konversionsbegriff eingefügt. In der Gesamtheit dient Kapitel 2.2 dazu, einen stimmigen und überzeugenden Erklärungsansatz insbesondere für komplexere Fälle der Wortartenzuordnung wie lesen / (das) Lesen (oder auch geputzt in Verwendungen wie: Er hat geputzt. / das geputzte Zimmer) zu liefern, deren kategorielle Zuordnung aufgrund
70 Da es im vorliegenden Kapitel 2.2 – ebenso wie in Kapitel 1 – in verschiedener Hinsicht auch um die Wiedergabe von Forschungsliteratur geht (Bereich Lexikonforschung und Wortbildungsforschung), soll der Wortbegriff – abweichend von Kapitel 2.1 und soweit nicht anders vermerkt – in einem allgemeinen, unspezifischen Sinne Verwendung finden.
Wortarten im Sprachsystem
117
unterschiedlicher (morpho-)syntaktischer Verhaltensweisen erschwert wird. Vor allem aber sollen die entsprechenden theoretischen Grundlagen geschaffen werden, um vor diesem Hintergrund in Kapitel 2.3 einen vergleichbaren Lösungsansatz für die Adjektiv-Adverb-Problematik entwickeln zu können. Wie aus den vorangegangenen Bemerkungen erkennbar wird, ist das differenzierende Wortartenkonzept erst vor dem Hintergrund eines konkreten Lexikonmodells verständlich. Da in der Lexikonforschung jedoch sehr unterschiedliche Ansätze und entsprechend zahlreiche Modellvorstellungen existieren, erscheint es notwendig, das für die vorliegende Arbeit angesetzte Lexikonmodell sowohl theoretisch einzuordnen als auch in seinen Grundzügen darzustellen.⁷¹ Im Folgenden sollen dabei primär zwei Dinge geleistet werden: Einerseits soll ein Mechanismus aufgezeigt werden, der grammatische Sätze des Deutschen erzeugen und zugleich allgemeine Regeln und systematische Vorgänge explizit machen kann.⁷² Andererseits soll durch das Modell die Möglichkeit gegeben werden, Wortarten zu verorten und möglichst widerspruchsfrei zu definieren. Im Vordergrund steht vornehmlich die Frage, welche Rolle Wortarten bei der Erzeugung grammatischer Sätze des Deutschen spielen. Explizit hingewiesen sei darauf, dass der Begriff ‚Erzeugung‘ hier nicht kognitiv oder psychologisch gemeint ist, sondern ausschließlich in einem theoretischen Sinne generativ.⁷³ Das im Folgenden darzustellende Lexikonmodell ist demnach – wie auch die gesamte vorliegende Arbeit – im Rahmen der theoretischen Linguistik angesiedelt, die mit der „Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten des sprachlichen Systems […] also den Prinzipien, die dieses System determinieren“ (Bierwisch 1982: 144), befasst ist. Diese Gesetzmäßigkeiten sollen in einem Lexikonmodell im Sinne eines Kompetenzmodells zusammengeführt werden. Dass derartige linguistisch-theoretische Modelle strikt zu trennen sind von solchen innerhalb der Kognitionswissenschaften oder Psycholinguistik, wird in der Forschungsliteratur des Öfteren betont (vgl. u. a. Bierwisch 1966: 122 f., Chesterman 1980; Bierwisch 2002: 156 ff.; Neef / Vater 2006: 31; Meibauer et al. 22007: 14; Eisenberg 42013 I: 208).⁷⁴ Begründet ist dies primär in der Verschiedenartigkeit der Fragestellungen: Während die theoretische Linguistik das
71 Begründet ist dies einerseits in der Beteiligung unterschiedlicher Forschungszweige (v. a. Linguistik, Kognitionswissenschaften, Psychologie), andererseits in der Vielfalt theoretischer Rahmenbedingungen. 72 Als allgemeine Regeln werden alle Regeln bezeichnet, die nicht lexemspezifisch sind. 73 Vgl. in dieser Forschungstradition u. a. die linguistisch-generativen Ansätze von Chomsky 1965; Aronoff 1976; Anderson 1992 bzw. speziell für das Deutsche von Bierwisch 1983. 74 Vgl. weiterführend zum Wesen theoretischer Modelle v. a.: Felix 1987:17 ff.; Fanselow / Felix 1993 I: 14 ff.
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Lösungsvorschlag
Sprachsystem auf abstrakter Ebene untersucht, fragt man in den Kognitions- und Neurowissenschaften nach den tatsächlichen Prozessen, die bei der Sprachproduktion und / oder -rezeption kognitiv ablaufen. Zur Veranschaulichung dieses prinzipiellen Unterschieds werden zumeist Beispiele aus dem Bereich der Naturwissenschaften genutzt; stellvertretend sei hier ein sehr anschaulicher Vergleich von Grammatik und Arithmetik aus Bierwisch (1966: 122) zitiert: Die Multiplikations- oder Additionsgesetze legen formal fest, wie das Produkt oder die Summe beliebiger Zahlen gebildet wird. Die mindestens unbewusste Kenntnis dieser Gesetze ist Voraussetzung für jede Rechenoperation, sie müssen wie die Grammatik im Gehirn präsent sein. Wie aber die Einzeloperationen beim Kopfrechnen ausgeführt werden, hängt von einer psychologischen Rechenstrategie ab, die nicht zur Arithmetik gehört.
Demnach geht es in der Arithmetik – wie in der theoretischen Linguistik – um das systematische Erfassen von (mathematischen) Gesetzmäßigkeiten und Regeln unabhängig von der Frage der kognitiven Umsetzung. In Bezug auf Sprache erfolgt diese Regelerfassung mithilfe eines theoretischen Lexikonmodells als Kompetenzmodell, das in sich schlüssig und widerspruchsfrei sein muss und allein danach zu beurteilen ist, inwiefern es in der Lage ist, die Grammatikalität von Sätzen zu erklären. Dieser substanziellen Differenzierung eingedenk wird in Kapitel 2.2.2 ein theoretisches Lexikonmodell dargestellt, das sich im zuletzt genannten Sinne und speziell im Hinblick auf die Wortartenfrage bewähren soll. Der Fokus in der Darstellung wird folglich auf der Verortung und Funktionszuweisung von Wortarten im Sprachsystem liegen, um vor diesem Hintergrund die Wortartenthematik und speziell die Idee eines differenzierten Wortartenbegriffs betrachten zu können. Letzteres geschieht in Kapitel 2.2.3, in dem die in der Wortartenliteratur angesetzte Unterscheidung in zwei verschiedene Ebenen der Wortartenzuordnung näher erläutert und maßgeblich präzisiert wird.
2.2.2. Lexikonmodell 2.2.2.1 Theoretische Grundlagen Wenngleich das Interesse am Wortschatz einer Sprache über eine lange Tradition verfügt, spielen lexikalische Untersuchungen in der modernen Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts zunächst keine prominente Rolle (vgl. Schwarze / Wunderlich 1985: 7). Vielmehr widmet man sich primär dem Erforschen allgemeiner Regularitäten bei der Kombination von Einheiten zu größeren Einheiten und arbeitet hauptsächlich satzbezogen, wobei man „die Existenz der
Wortarten im Sprachsystem
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Wörter mehr oder weniger voraussetzte“ (Schwarze / Wunderlich 1985: 7). Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Grammatik, dem Ort allgemeiner Regeln, und Lexikon, einer Art Liste spezifischer Informationen, die nicht durch Regeln erfassbar sind (vgl. Aronoff 2000: 344).⁷⁵ Damit gehören u. a. auch morphologische Phänomene selbstverständlich zur Grammatik; mehrheitlich werden Morphologie und Syntax sogar als eine gemeinsame Komponente der Grammatik betrachtet (vgl. ebd.: 345). In den 1970er Jahren führen insbesondere die Spezifik wortbildungsmorphologischer Prozesse und ein neues Verständnis von Syntax zu einer Revision bisheriger Annahmen (vgl. ebd.). Ein Resultat dieser Entwicklung ist die Herausbildung des sog. Lexikalismus, dessen zahlreiche Ausprägungen darin eine Gemeinsamkeit aufweisen, dass auch für das Lexikon eine spezifische Struktur angesetzt und bestimmte Regularitäten (ggf. in modifizierter Form) aus der Grammatik in das Lexikon verlagert werden. Spätestens seit den 1980er Jahren avanciert das Lexikon dann auch in der Sprachtheorie zu einem zentralen Forschungsgegenstand (vgl. u. a. Schwarze / Wunderlich 1985: 8; Aronoff 1994: 16).⁷⁶ Inzwischen hat die Lexikonforschung im Bereich der theoretischen Linguistik eine Vielzahl an Modellen hervorgebracht. Diese kompetenzbasierten Theorien zeichnen sich durch das gemeinsame Ziel aus, ein Modell zu konzipieren, anhand dessen man die Erzeugung grammatischer Sätze erklären kann. Dabei wird an das Modell jeweils der Anspruch der (explanativen) Beschreibungsadäquatheit gestellt (vgl. u. a. Bierwisch 2002: 158 f.), d. h. die durch das Modell erzeugten Sätze sollten optimalerweise im Einklang stehen mit empirisch nachweisbaren Grammatikalitätsurteilen und im Fall von explanativ orientierten Modellen zudem Kompatibilität mit Universalien zeigen.⁷⁷
75 Insbesondere durch die Arbeiten Baudouins und Bloomfields etablierte sich im 20. Jahrhundert die Auffassung, nicht Wörter, sondern Morpheme als Lexikoneinheiten anzusehen (vgl. Aronoff 2000: 345). 76 Nicht unproblematisch ist die Tatsache, dass der Begriff ‚Lexikon‘ dabei in lexikalistischen Ansätzen stillschweigend modifiziert wurde (vom permanenten Lexikon zum potenziellen Lexikon). Ohne an dieser Stelle genauer auf dieses Problem eingehen zu können, sei zumindest darauf verwiesen, dass bis in die Gegenwart der Terminus zumeist Verwendung findet, ohne dass das jeweilige Verständnis von ‚Lexikon‘ dargelegt wird (vgl. dazu v. a. Aronoff 1994: 16 ff.; Aronoff 2000: 345). 77 Es sei nochmals darauf verwiesen, dass im Folgenden Performanzmodelle ausgeblendet werden und ausschließlich theoretische Kompetenzmodelle Berücksichtigung finden. Für einen ausführlicheren forschungsgeschichtlichen Überblick zu kompetenzbasierten Lexikontheorien sei v. a. auf die Darstellung von Neef / Vater 2006 verwiesen. Speziell zur Entwicklung lexikalistischer Ansätze vgl. Scalise / Guevara 2005 (mit besonderer Berücksichtigung der Verortung von Morphologie).
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Lösungsvorschlag
Die meisten Lexikontheorien teilen nach wie vor die grundlegende Vorstellung, dass das Sprachsystem aufgegliedert ist in eine Lexikon- und eine Grammatikkomponente.⁷⁸ Differenzen zwischen den Modellen ergeben sich dann v. a. durch die unterschiedlich motivierten Annahmen zur Struktur und Funktion dieser beiden Komponenten und dem daraus resultierenden Verhältnis von Lexikon und Grammatik zueinander. Anhand der Lexikonkomponente lässt sich dies exemplarisch verdeutlichen: Neben der Vorstellung, dass das Lexikon als Subkomponente der Grammatik bzw. Syntax fungiert (vgl. v. a. Chomsky 1965), steht die deutlich häufiger vertretene Ansicht, es als eigenständigen Bereich neben der Grammatik zu betrachten (vgl. u. a. Bloomfield 1933; Chomsky 1981; Neef 2005). Auch im Hinblick auf die Lexikonstruktur ist ein breites Spektrum an Auffassungen zu beobachten. Sie reichen von der Annahme eines Lexikons als einer bloßen Liste idiosynkratischer Einheiten (vgl. u. a. Bloomfield 1933; Di Sciullo / Williams 1987) bis zu der Position, ein komplex strukturiertes Lexikon anzusetzen, das neben lexikalischen Einheiten auch wortbildungs- und flexionsmorphologische Regeln umfasst (vgl. u. a. Halle 1973; Lapointe 1980; Lieber 1981; Selkirk 1982). Gegenwärtig stehen in der theoretischen Linguistik unterschiedliche Modelle nebeneinander, ohne dass eines bisher endgültig widerlegt werden konnte. In der vorliegenden Arbeit wird für die Lösung der Adjektiv-Adverb-Problematik ein Lexikonmodell Verwendung finden, das im Rahmen einer generativen derivationellen Grammatik entwickelt wurde.⁷⁹ Die theoretischen Grundlagen dafür liefern vornehmlich lexikalistische Ansätze, die dem sog. ‚Weak-Lexicalism‘ zuzuordnen sind (vgl. u. a. Matthews 1974; Aronoff 1976; Anderson 1982; Anderson 1992; Meibauer et al. 22007), sowie der modulare Ansatz von Bierwisch 1983. Grundlegend ist die Tatsache, dass die Lexikonkomponente als Speicher- und Erzeugungssystem charakterisiert wird, d. h. es umfasst neben einer strukturierten Menge lexikalischer Einheiten auch eine Menge allgemeiner wortbezogener
78 Wunderlich gibt an, dass die Aufgliederung in Lexikon und Grammatik allen Modellen gemeinsam ist (vgl. u. a. Wunderlich 2006: 1). Allerdings wird diese strikte Trennung v. a. in konstruktionsgrammatischen Ansätzen nicht mehr zwangsläufig angenommen (vgl. u. a. Fischer / Stefanowitsch 2006: 4). 79 Das Modell in seiner spezifischen Ausprägung ist – wie auch die gesamte vorliegende Arbeit – bewusst keiner spezifischen Theorie zuzuordnen (vgl. dazu die Anmerkungen in der Einleitung). Das Lexikonmodell basiert jedoch auf Anregungen von Öhlschläger, die im Rahmen der akademischen Lehre gegeben wurden (vgl. entsprechende Vorlesungsskripten von Öhlschläger verfügbar unter www.uni-leipzig.de / ~oehl [1. 6. 2012]). In Kapitel 2.2.2.2 soll der Versuch unternommen werden, dieses Modell auszuformulieren sowie in einigen Punkten detailliert auszuarbeiten.
Wortarten im Sprachsystem
121
Regeln, sog. Wortbildungsregeln. Die Integration eines spezifischen Regelsystems in die Lexikonkomponente ermöglicht es, das Wissen um die Beziehungen zwischen lexikalischen Einheiten sowie um die Bildung neuer Wörter systematisch an der Stelle zusammenzuführen, an der auch die deutliche Mehrheit der von diesen Regeln betroffenen Einheiten verortet wird. Reguläres und idiosynkratisches lexikalisches Wissen können somit als sich ergänzende Teilbereiche in der Lexikonkomponente angesiedelt werden. Die daraus resultierende Trennung der Wortbildungsregeln von der grammatischen Komponente erscheint auch deshalb sinnvoll, weil die Bildung lexikalischer Einheiten nicht vollständig oder nur unter starker Ausweitung und Modifikation grammatischer bzw. syntaktischer Regeln zu erfassen wäre.⁸⁰ Mit der genannten Verortung von Wortbildung wird zugleich auch die Auffassung vertreten, Flexion und Wortbildung voneinander zu trennen, denn Flexion wird nicht der Lexikon-, sondern der Grammatikkomponente zugeordnet. Wenngleich Flexionsmorphologie ebenso wie Wortbildungsmorphologie auf die Wortebene abzielt, gibt es dennoch Gründe, sie als Teil der Grammatik bzw. Syntax zu betrachten. Das vorliegende Modell orientiert sich hier primär an Anderson 1992, der im Rahmen einer regelbasierten Morphologie annimmt, dass Flexionsformen eine spezifische Konsequenz syntaktischer Strukturbildung darstellen (vgl. Anderson 1992: 184).⁸¹ Exemplarisch dafür sei auf Kongruenzphänomene im Deutschen verwiesen. Sie sind syntaktisch bedingt und haben i. d. R. eine spezifische Formenbildung zur Folge bzw. kommen darin (häufig sichtbar) zum Ausdruck.⁸² Wenn beispielsweise innerhalb einer Nominalphrase ein Wort wie schnell als Adjunkt zum Nomen auftritt, besteht syntaktisch die Notwendigkeit, dass es mit dem nominalen Kopf kongruiert, d. h. beide Wörter müssen im Hinblick auf ihre morphosyntaktischen Merkmale übereinstimmen. Erst nach
80 Diese Beobachtungen haben bekanntermaßen zu Beginn der 1970er Jahre überhaupt erst zur Entwicklung der lexikalistischen Ansätze geführt (vgl. v. a. Chomsky 1970; Halle 1973). Ein überzeugender Versuch, regelbasierte Wortbildung ausschließlich im Rahmen der Syntax zu erklären, steht wohl noch aus (vgl. zur Kritik entsprechender Versuche Scalise / Guevera 2005: 176 ff.). Vielmehr scheint eine erneute Orientierung an den Anfängen des Lexikalismus vorzuliegen (vgl. u. a. Chomsky 1995: 133). 81 Damit hebt sich Anderson v. a. von Modellen des sog. ‚Strong Lexicalism‘ ab, wonach Flexionsregeln in der Lexikonkomponente verortet werden (vgl. u. a. Lapointe 1980; Lieber 1981; Selkirk 1982). 82 Vgl. genauer zu dem in der vorliegenden Arbeit angesetzten Begriff ‚Kongruenz‘ Kapitel 2.1.2. Verwiesen sei außerdem darauf, dass die in der vorliegenden Arbeit angesetzten Wortartkriterien genau auf diesen prinzipiellen Zusammenhang zwischen Syntax und (Flexions-)Morphologie abheben.
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Lösungsvorschlag
Festlegung dieser syntaktischen Position für schnell und dem dadurch kongruenzbedingten Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale kann die Bildung der entsprechenden Wortform erfolgen. Im vorliegenden Satz werden diese syntaktisch motivierten Merkmale beispielsweise durch die spezifische Wortform schnelle deutlich sichtbar angezeigt. (172) Ich höre gerne schnelle Musik. Entscheidend für die Verortung der Flexionsmorphologie ist demnach, dass es sich im Gegensatz zu Wortbildungsprozessen nicht um Lexembildung handelt, sondern um morphologische Prozesse zur Realisierung syntaktisch relevanter Merkmale, die durch ein System von Regeln beschrieben werden können (vgl. Anderson 1992: 183). Für das im Folgenden zu beschreibende Lexikonmodell wird deshalb angenommen, dass Flexionsmorphologie als Teil der grammatischen Komponente anzusehen und damit von lexikoninhärenten Wortbildungsregeln abzuheben ist.
2.2.2.2 Modellbeschreibung a) Überblick Für den vorliegenden Lösungsvorschlag zur Adjektiv-Adverb-Problematik wird ein Lexikonmodell angesetzt, dessen theoretische Verortung in Kapitel 2.2.2.1 erläutert wurde. Es ist in der unten stehenden Übersicht dargestellt und berücksichtigt speziell die Gegebenheiten des Deutschen.⁸³ Folglich hat es keinen universalen Anspruch, wenngleich dieser nicht prinzipiell ausgeschlossen werden soll. Wie in den theoretischen Grundlagen in Kapitel 2.2.2.1 angegeben, soll die Entstehung grammatischer Sätze mithilfe eines derivationellen Ansatzes erfasst werden. Diese Herangehensweise zeichnet sich primär dadurch aus, dass im Sprachsystem ein dynamischer Erzeugungsvorgang mit mehreren Repräsentationsebenen angenommen wird, an dessen Ende – im sog. Output – grammatische Sätze stehen.⁸⁴ Im vorliegenden Modell wird dabei das Sprachsystem in zwei sepa-
83 Vgl. daher u. a. die Berücksichtigung der Graphematik. 84 Derivationellen Theorien gemeinsam ist außerdem die Vorstellung, dass ein System von Prinzipien, Filtern, Regeln o. Ä. dazu führt, dass ungrammatische Sätze eliminiert werden (vgl. insbesondere die generativen Ansätze des Government and Binding und des Minimalismus). Derartige Regeln können ebenenspezifisch (d. h. auf den Ebenen der Syntax, Morphologie etc.)
Wortarten im Sprachsystem
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Übersicht 5: Lexikonmodell
SPRACHSYSTEM LEXIKALISCHES SYSTEM
GRAMMATISCHES SYSTEM Syntax
Lexikon
Morphologie Phonologie
Wortbildungsregeln
Semantik Graphematik
rate, in sich geschlossene Systeme unterteilt: in ein lexikalisches und ein grammatisches System. Beide Systeme haben einen spezifischen Aufbau und weisen eine charakteristische Struktur auf, die es im Folgenden detaillierter zu betrachten gilt. Zuvor sei jedoch für ein grundlegendes Verständnis des Lexikonmodells eine überblicksartige Darstellung zur Zusammenwirkung beider Systeme gegeben.⁸⁵ Diese lässt sich folgendermaßen beschreiben: Das lexikalische System stellt für die Erzeugung grammatischer Sätze lexikalisches Material und damit primär spezifische Informationen zur Verfügung. Hingegen sind im grammatischen System allgemeine Regeln verortet, und zwar Regeln auf den Ebenen der Syntax, Morphologie, Phonologie, Semantik und Graphematik, die zur Erzeugung grammatischer Sätze notwendig sind. Aus der sukzessiven und ebenenspezifischen Zusammenführung der jeweils relevanten spezifischen und allgemeinen Informationen ergeben sich dann grammatische Sätze als Output des Sprachsystems. Entscheidend in diesem Zusammenhang sind die sog. lexikalischen Einsetzungsregeln. Sie operieren auf syntaktischer Ebene und steuern merkmalsbasiert den
angesetzt werden. Vgl. genauer dazu die folgenden Ausführungen. 85 Vgl. dazu auch Bierwisch, der darauf hinweist, dass die Zusammenwirkung der Teilsysteme (gemeint sind hier: phonologisches, morphologisches, syntaktisches, semantisches und lexikalisches System) einen zentralen Aspekt des Gesamtsystems darstellt (vgl. Bierwisch 1983: 66).
124
Lösungsvorschlag
Aufbau syntaktischer Strukturen, d. h. sie bewirken das Zusammenspiel von spezifisch syntaktischen Eigenschaften des lexikalischen Materials und allgemeinen syntaktischen Regeln des grammatischen Systems. Das Ergebnis der lexikalischen Einsetzung sind abstrakte syntaktische Strukturen mit entsprechender lexikalischer Belegung. Diese Strukturen bilden den Ausgangspunkt für eine weitere Spezifizierung auf den Ebenen der Morphologie, Phonologie, Semantik und Graphematik. Auch hier werden jeweils spezifische Eigenschaften des ausgewählten lexikalischen Materials und allgemeine Regeln des grammatischen Systems zusammengeführt bzw. miteinander abgeglichen. Erst nach Durchlaufen aller relevanten grammatischen Bereiche bzw. der Zusammenführung der jeweils relevanten spezifisch lexikalischen Eigenschaften mit allgemeinen Regularitäten liegen grammatische Sätze des Deutschen als sog. Output vor.⁸⁶ Gemäß der vorangegangenen Beschreibung besteht die entscheidende Verbindung zwischen lexikalischem und grammatischem System im Prozess der lexikalischen Einsetzung (= lexical insertion).⁸⁷ Diesen Prozess hat man sich als eine Art Merkmalsabgleich auf syntaktischer Ebene vorzustellen. Zur Veranschaulichung sei an dieser Stelle ein vereinfachtes Beispiel zur Bildung von Adjektivphrasen angeführt: Beim Aufbau einer Adjektivphrase muss in einem ersten Schritt die Kopfposition, d. h. die A0-Position, lexikalisch belegt werden. Dafür kommen ausschließlich solche Elemente aus dem lexikalischen System in Betracht, die das entsprechende Kategorienmerkmal ‚A‘ für Adjektiv aufweisen (z. B. die Lexeme SCHNELL, STOLZ, ZUFRIEDEN). Nach erfolgreichem Merkmalsabgleich und entsprechender Einsetzung bildet dann ein Lexem mit dem Merkmal ‚A‘ den Kopf der Adjektivphrase und nimmt aufgrund seiner lexemspezifischen syntaktischen Eigenschaften Einfluss auf die weitere Phrasenstruktur (Projektion). In Abhängigkeit von der Belegung des Phrasenkopfes ist zu entscheiden, ob und wie eine Phrasenerweiterung möglich bzw. nötig ist. Nimmt man beispielsweise an, dass das o. g. Lexem STOLZ den Kopf der Phrase bildet, dann wäre die Erweiterung der Adjektivphrase um eine Präpositionalphrase möglich, weil STOLZ die Fähigkeit hat, eine Präpositionalphrase als Komplement zu subkategorisieren und zu regieren. Ein entsprechender Merkmalsabgleich zwischen möglicher syn-
86 Es sei an dieser Stelle bereits erwähnt, dass grundsätzlich zyklische Prozesse für das Lexikonmodell angenommen werden und u. a. der sog. Output regulär wieder Eingang in das lexikalische System finden kann. Vgl. genauer dazu v. a. die folgenden Ausführungen zu den Wortbildungsregeln. 87 Die Grundidee lexikalischer Einsetzungsregeln findet sich bereits in Chomskys „Syntactic Structures“ (vgl. u. a. Chomskys 1957: 39 ff.).
Wortarten im Sprachsystem
125
taktischer Struktur und lexikalischen Eigenschaften wäre erfolgreich, sodass die Struktur der Adjektivphrase dahingehend spezifiziert werden könnte, dass in Komplementposition eine Präpositionalphrase auftritt. Für die lexikalischen Einsetzungsregeln ist dabei zu berücksichtigen, dass beispielsweise die Belegung der P0-Position nicht nur durch das kategorielle Merkmal ‚P‘ eingeschränkt wird, sondern zugleich durch die syntaktischen Eigenschaften des Phrasenkopfes (so ist u. a. für eine Adjektivphrase mit STOLZ in Kopfposition nur das Lexem AUF einsetzbar). Für eine erfolgreiche Einsetzung muss demnach eine Merkmalsübereinstimmung in Bezug auf die jeweilige Kategorie vorliegen (A, P etc.) und zugleich eine Kompatibilität mit den syntaktischen Eigenschaften des phrasalen Kopfes. Anhand dieses vereinfachten Beispiels zeigt sich, dass die lexikalischen Einsetzungsregeln als Entsprechungsregeln aufzufassen sind, die der Verbindung von lexikalischem und grammatischem System dienen. Erst nach ihrer Anwendung liegen entsprechende syntaktische Strukturen vor, die die Voraussetzung bilden, weitere Repräsentationsebenen (Morphologie, Phonologie etc.) bis zum Output durchlaufen zu können, bei denen ebenfalls jeweils lexemspezifische Informationen und allgemeine Regeln zusammenspielen. Die hier skizzierte Zusammenwirkung innerhalb des Sprachsystems setzt eine spezifische Struktur sowohl des lexikalischen als auch des grammatischen Systems voraus. Diese sollen nun in ihrer Konzeption etwas genauer betrachtet werden, wobei der Fokus aufgrund der Themenstellung der vorliegenden Arbeit auf dem lexikalischen System liegen wird.
b) Das lexikalische System Das lexikalische System enthält das gesamte lexikalische Material (des Deutschen) und ist gegliedert in einen Speicher und einen Regelapparat, die in einer sich gegenseitig ergänzenden Beziehung stehen. Das Lexikon fungiert als Speicher spezifisch lexikalischer Informationen und umfasst zu diesem Zweck eine strukturierte Menge an Lexikoneinträgen. Lexikoneinträge dienen der systematischen Erfassung aller Informationen, die spezifisch bzw. idiosynkratisch für die jeweiligen lexikalischen Einheiten sind und nicht auf der Grundlage allgemeiner Regeln erklärt werden können. Im Gegensatz dazu ist es Aufgabe der Wortbildungsregeln, das systematische, übereinzelwortspezifische Wissen zur Beziehung und Bildung von Wörtern anhand allgemeiner Regeln abzubilden und damit zugleich das Lexikon zu ergänzen und zu entlasten. Wie man sich diese Ergänzung bzw. Entlastung vorzustellen hat, soll durch eine etwas genauere Betrachtung der Lexikoninhalte geklärt werden. Auf die Frage, für welche Einheiten Lexikoneinträge anzunehmen sind, finden sich in
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Lösungsvorschlag
der Forschungsliteratur divergierende Antworten. Es kann laut Aronoff grundlegend unterschieden werden zwischen sog. Minimalisten, die die Anzahl der Lexikoneinträge möglichst gering halten wollen, und sog. Maximalisten, die das Lexikon stark ausweiten und Redundanzen in der Struktur bewusst einbeziehen (vgl. Aronoff 2000: 348).⁸⁸ Darüber hinaus ist bei dieser Frage von zentraler Bedeutung, ob man eine morphem- oder wortbasierte Morphologie vertritt, da daraus resultiert, von welcher Art die Lexikoneinträge überhaupt sein können. Das vorliegende Lexikonmodell orientiert sich an Minimalvorstellungen zur lexikalischen Speicherung, wie sie speziell im Rahmen lexikalistischer Ansätze expliziert wurden (vgl. u. a. Aronoff 1976: 43 ff.; Selkirk 1982: 10; Aronoff 1994: 22).⁸⁹ Demnach werden ausschließlich solche lexikalischen Einheiten gespeichert, die in mindestens einer Hinsicht idiosynkratische Merkmale aufweisen, d. h. deren lexikalische Bedeutungen und / oder grammatisches Verhalten nicht vollständig aus allgemeinen (Kombinations-) Regeln resultieren. Da in der vorliegenden Arbeit außerdem eine wortbasierte Morphologie nach Aronoff 1976 zugrunde gelegt wird, soll es sich bei diesen Lexikoneinträgen ausschließlich um Wörter oder größere (phraseologische) Einheiten handeln. Auf semantischer Ebene lässt sich dies recht einfach verdeutlichen: Wörter wie Elchtest (i. S. v. ‚Sicherheitstest‘), besuchen (i. S. v. ‚jmdn. / etw. aufsuchen‘) oder Rennen (i. S. v. ‚sportlicher Wettbewerb‘) sind aufgrund ihrer spezifischen Semantik eindeutig im Lexikon gespeichert, während Wörter wie Warentest,
88 In den letzten Jahren scheinen die sog. Maximalisten an Bedeutung gewonnen zu haben, die davon ausgehen, dass neben idiosynkratischen Einheiten mindestens auch usuelle reguläre Bildungen im Lexikon gespeichert sein können. Begründet wird diese Vorstellung zumeist damit, dass man usuelle reguläre Bildungen beim Sprechen offenbar als Ganzes abruft und nicht jeweils neu bildet (vgl. u. a. Meibauer et al. 22007: 40 f.). Diese Argumentation beruht m. E. jedoch auf dem Irrtum, Argumente der Sprachproduktionsforschung für die Legitimation von Modellen innerhalb der theoretischen Lexikonforschung verwenden zu wollen (vgl. genauer dazu Kapitel 2.2.1). Vielmehr wäre auf theoretischer Ebene zu diskutieren, inwiefern das Zulassen von Redundanzen in der Theoriebildung vermeidbar, notwendig oder gewinnbringend ist (vgl. kritisch dazu Anderson 1985; Anderson 1992: 194 f.). Eine solche Auseinandersetzung soll und kann jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden. Das Ziel, ein möglichst einfaches Modell vorzulegen, führt hier zu der Überzeugung, Redundanzen in der Theoriebildung möglichst zu vermeiden. 89 Die Vorstellung, nur solche Einheiten im Lexikon zu speichern, die in bestimmter Hinsicht als Ausnahmen zu gelten haben, findet sich explizit in der modernen Linguistik seit Bloomfield (vgl. u. a. Bloomfield 1933: 269; Chomsky 1965: 87; Di Sciullo / Williams 1987: 3 f.). Dabei wird jedoch das Lexikon ausschließlich als Speicher ohne weitere Struktur betrachtet. Im Gegensatz dazu wird im vorliegenden, an Aronoff 1976 orientierten lexikalistischen Ansatz das Lexikon um einen Regelteil erweitert und als lexikalisches System bezeichnet.
Wortarten im Sprachsystem
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befragen oder (das) Leuchten anhand allgemeiner Regeln erschlossen werden können und deshalb nicht im Lexikon verzeichnet werden müssen. Vielmehr besteht die Möglichkeit, ihre Bildung mithilfe von Wortbildungsregeln zu erklären bzw. die Wörter als Resultat des Wortbildungsteils zu verstehen.⁹⁰ Hingewiesen sei darauf, dass Einheiten wie be- im o. g. Beispiel befragen nicht über einen gesonderten Lexikoneintrag verfügen, d. h. Affixe sind aufgrund der theoretischen Verortung in einer wortbasierten Morphologie prinzipiell nicht Gegenstand des Lexikons. Sie spielen dennoch eine Rolle im lexikalischen System, da sie an Wortbildungsregeln beteiligt sind. Das hat u. a. den Vorteil, dass die formale, grammatische und / oder semantische Leistung eines Affixes unmittelbar im Kontext der relevanten Wortbildungsregeln erfasst werden kann und komplexe Einträge zu jedem Affix mit einer Auflistung aller modellspezifischen Merkmale im Lexikon entfallen können.⁹¹ Aus diesen Annahmen zu Lexikoneinträgen wird das spezifische Verhältnis zwischen Wortbildungsregeln und Lexikon im lexikalischen System ersichtlich: Zum einen ermöglichen die Regeln, dass usuelle, regulär gebildete komplexe Wörter nicht im Lexikon gespeichert werden müssen, was zu einer Entlastung des Lexikons führt. Zum anderen sind nur im Wortbildungsteil Affixe i. S. v. phonologischen Einheiten enthalten, sodass auch dadurch die Speicherkomponente ergänzt bzw. entlastet wird. Festzuhalten bleibt, dass sich im Lexikon ausschließlich Wörter und phraseologische Einheiten befinden. Dabei werden Wörter nicht als Wortformen gespeichert, sondern als Lexeme, d. h. als abstrakte Einheiten, die das den verschiedenen formalen Ausprägungen Gemeinsame umfassen. Für die im Rahmen der Arbeit diskutierte Wortartenthematik ist nun von Bedeutung, wie Lexikoneinträge von Wörtern aufgebaut sind bzw. inwiefern Wortarten dabei eine Rolle spielen.⁹² Vornehmlich im Anschluss an Bierwisch 1983 und Meibauer et al. 22007 wird angenommen, dass Lexikoneinträge in spezifischer Weise strukturiert sind und Angaben zu Syntax (= SYN), Morphologie
90 Diese Position wird zugrunde gelegt, wohl wissend, dass dies einerseits im Hinblick auf Komposita wie Warentest strittig ist, die in der Literatur z. T. nicht den lexikoninhärenten Wortbildungsregeln zugerechnet werden (vgl. u. a. Anderson 1992: 184, 292 ff.; Aronoff 1994: 16). Andererseits werden Fälle wie (das) Leuchten z. T. nicht als Wortbildungen betrachtet (vgl. u. a. Eisenberg 42013 I: 280 f.). Bezogen auf Fälle wie (das) Leuchten vgl. insbesondere die Begründung der hier vertretenen Auffassung in Kapitel 2.2.3.2. 91 Vgl. zur Diskussion, ob auch Affixe als Lexikoneinträge fungieren können, den Überblick in Scalise / Guevara 2005: 171 f. sowie die dort angegebene Literatur. 92 Im Folgenden werden ausschließlich Lexikoneinträge für Lexeme betrachtet, da phraseologische Einheiten nicht im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen.
128
Lösungsvorschlag
(= MORPH), Phonologie (= PHON), Semantik (= SEM) und / oder Graphematik (= GRAPH) enthalten können.⁹³ Eine solche Struktur für Lexikoneinträge findet ihre Entsprechung im Aufbau des grammatischen Systems, das die Module ‚Syntax‘, ‚Morphologie‘, ‚Phonologie‘, ‚Semantik‘ und ‚Graphematik‘ aufweist (vgl. Übersicht 5). Diese architektonische Parallele ist notwendig, um das beschriebene ebenenspezifische Zusammenwirken der beiden Teilsysteme des Sprachsystems zu ermöglichen. Im Lexikoneintrag verzeichnet werden jeweils diejenigen Merkmale, die wortspezifisch sind und nicht aus allgemeinen Regeln resultieren (vgl. u. a. Bierwisch 1983: 69). Als solche Merkmale gelten prinzipiell die Angaben zur Wortart, Phonemstruktur und lexikalischen Bedeutung. Für bestimmte Wortarten sind außerdem Informationen zu (grammatischem) Genus, Subkategorisierungs- und Rektionseigenschaften und / oder Flexionsart obligatorisch.⁹⁴ Darüber hinaus müssen im Lexikoneintrag alle weiteren Merkmale angeführt werden, die nicht allgemeinen Regeln entsprechen, wie beispielsweise wortspezifische Flexionen oder Schreibungen (vgl. z. B. die wortspezifischen Flexionsformen des Lexems DENKEN oder die wortspezifische Schreibung des Lexems VATER). Die folgenden Übersichten zeigen exemplarisch und etwas vereinfacht, wie Lexikoneinträge für Lexeme aussehen könnten:⁹⁵
93 Anders als in den angegebenen Arbeiten wird hier als zusätzliche Ebene die Graphematik eingeführt, da Schreibung als systemimmanent betrachtet wird. Bei Bierwisch wird hingegen nur angenommen, dass die Menge lexikalischer Einheiten im lexikalischen Teilsystem durch phonologische, syntaktische, morphologische und semantische Informationen charakterisiert werden (vgl. 1983: 69). Meibauer et al. gehen davon aus, dass in Lexikoneinträgen darüber hinaus auch pragmatische Informationen zur Kennzeichnung stilistischer Markierungen enthalten sind (vgl. 22007: 41). Aus Gründen der Vereinfachung werden pragmatische Informationen hier jedoch vernachlässigt. 94 Vgl. u. a. die obligate Angabe zum Genus für Wörter wie Brot oder Suche, die gemeinhin der Wortart ‚Substantiv‘ zugeordnet werden, sowie die obligatorischen Angaben zum Subkategorisierungs- und Rektionsverhalten für Wörter wie fragen und laufen, die relativ unstrittig der Kategorie ‚Verb‘ angehören. Zur Flexionsart von Substantiven und Verben erfolgen jedoch nur dann Angaben, wenn sie nicht dem Defaultfall entsprechen. So werden für Einheiten der Wortart Substantiv nur dann Angaben gemacht, wenn die Flexion nicht den sog. Grundregeln der Flexion entsprechen, z. B. gemischte Flexion bei Maskulina wie im Fall von (der) Name (vgl. ausführlicher dazu Helbig / Buscha 2001: 211 ff. sowie die Vorlesungsskripten von Öhlschläger unter www.uni-leipzig.de / ~oehl / SS2011VorlesungSystem030511.pdf [vom 3.8.2011]). Für Einheiten der Wortart Verb erfolgt nur dann obligatorisch eine Angabe zur Flexionsart, wenn es sich nicht um den Defaultfall der schwachen Flexion handelt, z. B. für rufen. 95 Da nur das Grundprinzip der strukturierten Lexikoneinträge verdeutlicht werden soll, genügt eine vereinfachte Darstellung.
Wortarten im Sprachsystem
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Übersicht 6: Lexikoneintrag für Freund FREUND 96 Freund97 SYN
N
MORPH
Maskulinum
PHON
/frɔind/ 98
SEM
Freund1 Freund2 Freund3
‚männliche Person, die jemandem in Freundschaft verbunden‘ ‚männliche Person, die mit jemandem zusammen ist bzw. -lebt‘ ‚Person, die etwas schätzt, fördert oder eine Gesinnung teilt‘
GRAPH
Übersicht 7: Lexikoneintrag für kaufen KAUFEN kaufSYN
kauf1 kauf2
V [DPNom, (DPDat / PPfür), DPAkk, [DPNom, DPAkk, ]
]
MORPH PHON SEM
/kaʊf/ kauf1 kauf2
‚etwas gegen Bezahlung erwerben‘ ‚jemanden bestechen‘
GRAPH
Lexikalische Einheiten, die einen derartigen Lexikoneintrag aufweisen, können nun unter Berücksichtigung der jeweils relevanten Merkmale entweder direkt die
96 In dieser Zeile erfolgt jeweils die Angabe des Lexems (immer in Großbuchstaben) in der üblichen Zitierform. 97 In dieser Zeile erfolgt ggf. die Angabe des Wortstamms. Wortstamm wird hierbei im Anschluss an Öhlschläger als der Teil eines Lexems verstanden, der den Ausgangspunkt für die Flexionsmorphologie bildet (vgl. Öhlschläger 2011: 102). 98 Die Transkription der Diphtonge orientiert sich an Hall 2000.
130
Lösungsvorschlag
Basis für die lexikalischen Einsetzungsregeln bilden oder aber den Input für Wortbildungsprozesse innerhalb des lexikalischen Systems. Letzteres geschieht durch die Anwendung von Wortbildungsregeln, die im Folgenden genauer betrachtet werden sollen. Ähnlich den Lexikoneinträgen soll auch für Wortbildungsregeln eine spezifische Struktur angenommen werden unter Bezug auf phonologische, syntaktische, morphologische, semantische und graphematische Eigenschaften. Im Anschluss an Anderson (vgl. 1992: 184 ff.) werden sie als abstrakte, wortbasierte Regeln betrachtet. Von zentraler Bedeutung ist zunächst die Frage, mit welchen Einheiten diese Regeln arbeiten. Der Input kann unterschiedlicher Art sein. Zum einen sind Einheiten des lexikalischen Systems möglich, und zwar neben lexikalischen Einheiten des Lexikons (s. o.) auch Resultate aus Wortbildungsprozessen, die nicht im Lexikon gespeichert sind (vgl. v. a. reguläre, usuelle Bildungen wie LESER, VERKAUFEN, WASCHBAR oder reguläre Neu- und Ad-hoc-Bildungen wie BACHELORISIEREN, REDBAR, VERSCHWEBEN). Zum anderen wird angenommen, dass darüber hinaus auch Einheiten, die nicht Teil des lexikalischen Systems sind, als Input für Wortbildungsregeln fungieren können. Es handelt sich dabei um flektierte Wortformen und Phrasen, die als Output des Sprachsystems zu gelten haben (vgl. z. B. die flektierten Einheiten laufen (Vinf ), gelesen (VPart II), den Grundstein legen (VP), warm duschen (VP)).⁹⁹ Basierend auf dem jeweiligen Input führen verschiedene Regeln dann zur Lexembildung, d. h. zur Bildung abstrakter Einheiten, die die den ggf. unterschiedlichen formalen Ausprägungen gemeinsamen Merkmale umfassen.¹⁰⁰ Im Gegensatz zum Input ist der Output demnach nur von einer bestimmten Art: Als Resultat von Wortbildungsprozessen erhält man ausnahmslos Lexeme. Neben der kategoriellen Festlegung von In- und Output sind für einen Wortbildungs-
99 Lexikalisches und grammatisches System interagieren im vorliegenden Lexikonmodell also insofern, als der Output des Sprachsystems potenziell einen Input für das lexikalische System darstellen kann und beispielsweise Einheiten, die das gesamte Sprachsystem bereits durchlaufen haben, Eingang in Wortbildungsregeln finden können. Es wird demnach bewusst nicht angenommen, dass die Wortbildungsregeln dem Modul Morphologie nachgeordnet sind oder eine Interaktion zwischen lexikalischem System und Syntaxmodul stattfindet. 100 Der Terminus ‚Lexem‘, wie er hier Verwendung findet, ist deutlich zu unterscheiden von anderen Lexem-Definitionen innerhalb der Wortbildungsforschung – vgl. etwa die Definition des Lexems als „kleinster selbstständiger Bedeutungsträger“ (Duden 4 82009: 652) oder als „im Lexikon aufgeführte Einheit“ (Meibauer et al. 22007: 349). Genauer zum Lexembegriff vgl. die folgenden Ausführungen.
Wortarten im Sprachsystem
131
prozess verschiedene, weitere Aspekte bzw. Bedingungen zu berücksichtigen, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen: ¹⁰¹ I.
Inputbedingungen: Sie präzisieren den Wirkungsbereich von Wortbildungsregeln auf formal-struktureller, syntaktischer und / oder semantischer Ebene, d. h. sie machen Angaben darüber, von welcher Art der Input sein muss, um eine bestimmte Wortbildungsregel durchlaufen zu können. •
•
•
Formal-strukturelle Aspekte (= FORM): Sie betreffen die Struktur des Inputs (d. h. dessen phonologische und flexions- bzw. wortbildungsmorphologische Beschaffenheit), die für das Durchlaufen der jeweiligen Wortbildungsregel gegeben sein muss (z. B. spezifische Akzentverhältnisse oder die morphologische Komplexität des Inputs).¹⁰² Syntaktische Aspekte (= SYN): Sie geben an, welche syntaktischen Merkmale der Input aufweisen muss, um die jeweilige Wortbildungsregel durchlaufen zu können (v. a. Angaben zu Kategorie und Subkategorisierungsverhalten des Inputs; vgl. u. a. in unten stehender Übersicht 9). Semantische Aspekte (= SEM): Sie bestimmen die semantischen Eigenschaften des Inputs (z. B. Angaben zum Abstraktionsgrad der Inputsemantik; vgl. u. a. in unten stehender Übersicht 8).
II. Outputbedingungen: Sie konkretisieren den Wortbildungsprozess auf phonologischer, syntaktischer, morphologischer, semantischer und graphematischer Ebene, indem sie die regelinhärenten Prozesse beschreiben bzw. die Merkmale, die den Output systematisch kennzeichnen. •
Phonologische Aspekte (= PHON): Sie betreffen die Hinzufügung phonologischen Materials (z. B. Affigierung) sowie die Anwendung allgemeiner phonologischer Regeln (= PR; z. B. Tilgungsregeln oder Umlautregeln).
101 Gemäß Anderson ist die Bestimmung und Formulierung von Bedingungen für Wortbildungsprozesse von zentraler Bedeutung und steht in engem Zusammenhang mit Produktivität. Die Aussage, dass insbesondere in diesem Bereich noch Forschungsbedarf besteht (vgl. Anderson 1992: 197), hat offensichtlich bis in die Gegenwart Gültigkeit. So wird auch im Folgenden nicht der Anspruch auf eine umfassende und abschließende Darstellung erhoben. 102 So müssen beispielsweise bei der Partikelverbbildung bestimmte Akzentverhältnisse des Inputs gegeben sein (vgl. Duden 4 82009: 697) bzw. bei substantivischer Derivation auf -/za:l/ wie in Labsal, Mühsal oder Rinnsal eine bestimmte morphologische Komplexität (nämlich: Simplizia) des Inputs (vgl. Fleischer / Barz 42012: 221).
132 •
•
•
•
Lösungsvorschlag
Syntaktische Aspekte (= SYN): Wie bereits aufgezeigt, ist die zentrale Bezugsgröße auf syntaktischer Ebene die Wortart der durch die Regel gebildeten Lexeme. Des Weiteren spielen andere syntaktische Eigenschaften der Wortbildungen eine Rolle (z. B. Subkategorisierungsfähigkeit). Morphologische Aspekte (= MORPH): Gemeint sind damit regelspezifisch auftretende morphologische Eigenschaften der Wortbildungen (z. B. bezüglich Genus oder Pluralfähigkeit). Semantische Aspekte (= SEM): Sie beziehen sich vornehmlich auf die Beschreibung der semantischen Veränderungen durch den Wortbildungsprozess (z. B. ‚Tätigkeit‘ → ‚Nomen acti‘). Graphematische Aspekte (= GRAPH): Erwähnung finden schließlich auch graphematische Merkmale, die sich nicht allein auf der Basis allgemeiner Regeln ergeben und alle von dieser Wortbildungsregel erfassten Wortbildungen betreffen (v. a. spezifische Schreibungen von Affixen wie z. B. ).
Gemäß der hier vertretenen Vorstellung von Wortbildungsregeln sind von den o. g. Aspekten die Angaben zur Wortart bzw. Phrasenkategorie obligatorisch, und zwar für In- und Output. Darüber hinaus werden zu den verschiedenen Aspekten nur dann Angaben gemacht, wenn es sich um systematisch beobachtbare Eigenschaften handelt. Speziell bei den Outputbedingungen sind das zum einen Veränderungen im Vergleich zum Input (z. B. ein verändertes Subkategorisierungsverhalten) und zum anderen Eigenschaften, die für die Anwendung allgemeiner grammatischer Regeln notwendig sind (z. B. die Genusangabe bei Substantiven für die Anwendung von Flexionsregularitäten). In den folgenden Übersichten sind zur Veranschaulichung zwei Beispiele in vereinfachter Form angeführt, und zwar zum einen die Wortbildungsregel, die Wörtern wie Äpfelchen, Bötchen, Füßchen, Kästchen, Körbchen, Sächelchen, Seelchen, Tischchen etc. zugrunde liegt (vgl. Übersicht 8), und zum anderen die Regel, die die Bildung von Wörtern wie bedienen, bedrohen, belügen, bekämpfen, besiegen etc. angibt (vgl. Übersicht 9).
Wortarten im Sprachsystem
133
Übersicht 8: Wortbildungsregel für Äpfelchen , Füßchen, Tischchen etc. / xN / → / xçənN / Inputbedingungen
Outputbedingungen
FORM SYN
xN
SEM
im Defaultfall: xKonkreta
PHON
– PR Umlaut – PR Tilgung von /ə(n)/ im Stammauslaut, falls x auslautend auf /ə(n)/ – Modifikation /ç(ə)/ → /çəl/ im Stammauslaut, falls x auslautend auf /ç(ə)/
SYN
xN
MORPH
Neutrum
SEM
Diminution der in x ausgedrückten Semantik
GRAPH
Übersicht 9: Wortbildungsregel für bedienen, bedrohen, besiegen etc. / x V / → / bəx V / Inputbedingungen
FORM SYN
xV [+ Vintrans]
SEM Outputbedingungen
PHON SYN
xV [DPNom, DPAkk,
]
MORPH SEM
in x ausgedrückte Semantik fokussiert auf Person, Objekt o. Ä.
GRAPH
Wie aus diesen Erläuterungen zum Wesen von Wortbildungsregeln ersichtlich wird, stehen die genannten Aspekte zunächst einmal nebeneinander, ohne dass automatisch Korrelationen zwischen einzelnen Aspekten angenommen werden. So können beispielsweise – wie in den aufgezeigten Regeln – im Output
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Lösungsvorschlag
phonologische, syntaktische, morphologische und semantische (Übersicht 8) oder syntaktische und semantische Aspekte (Übersicht 9) eine Rolle spielen. Allerdings ist daraus nicht zu schließen, dass bestimmte Aspekte einander zugeordnet sind. Insbesondere die häufig angesetzte Beziehung zwischen (phonologischer) Form und Semantik wird bei wortbasierten Regeln bewusst nicht vorausgesetzt. Vielmehr bietet der wortbasierte Ansatz die Möglichkeit, diese oftmals nicht zutreffende Idealisierung aufzubrechen. Ein Beispiel dafür ist die Wortbildungsregel, die Wörtern wie Lauf, Einkauf, Ruf etc. zugrunde liegt.¹⁰³ Aus den Lexemen LAUFEN, EINKAUFEN und RUFEN entstehen ohne phonologische Veränderung neue Lexeme mit einem modifizierten syntaktischen und – daraus resultierend – veränderten morphologischen Verhalten sowie der Zugehörigkeit zu einer anderen semantischen Klasse.¹⁰⁴ Auch der umgekehrte Fall ist im Deutschen existent, d. h. Wortbildungsregeln, die zwar phonologische (und ggf. weitere), aber keine semantischen Modifikationen aufweisen. Ein Beispiel dafür bietet die Bildung von Wörtern wie BLZ, LKW oder WM: Aus den Lexemen BANKLEITZAHL, LASTKRAFTWAGEN bzw. WELTMEISTERSCHAFT entstehen durch eine phonologische Tilgungsregel neue Lexeme, ohne dass regulär semantische Veränderungen auszumachen sind (vgl. u. a. Duden 4 82009: 668).¹⁰⁵ Damit sind zwei mögliche Konstellationen angeführt, die gegen die Annahme einer 1:1-Beziehung von Form und Bedeutung sprechen.¹⁰⁶ Wenn allgemein für die Outputbedingungen keine Korrelationen zwischen einzelnen Aspekten angenommen werden sollen, so stellt sich dennoch die Frage, welche Merkmale für einen Wortbildungsprozess konstitutiv sind. In der vorliegenden Arbeit soll für das Deutsche Folgendes postuliert werden: Ein Prozess wird genau dann als Wortbildungsprozess bezeichnet, wenn er der systematischen Bildung von Lexemen dient und dabei eine der folgenden Minimalbedingungen erfüllt:
103 Dass es sich hierbei um Wortbildungen handelt, wird zumindest mehrheitlich in der Wortbildungsforschung angenommen (vgl. dazu Kapitel 2.2.3.2). 104 I. d. R. wird von deverbalen Substantiven ausgegangen, die sich syntaktisch und morphologisch wie prototypische Substantive verhalten. Die Semantik dieser Wortbildungen ist dabei vielfältig (vgl. Fleischer / Barz 42012: 269). In den vorliegenden Beispielen handelt es sich um ‚Nomen actionis‘ bzw. ‚Nomen acti‘. 105 Neben der phonologischen Modifikation kommt es durch den Wortbildungsprozess auch zu einem veränderten morphologischen Verhalten, da die neu gebildeten Lexeme i. d. R. eine Pluralbildung auf -s aufweisen. 106 Vgl. allgemein zur Kritik an morphembasierten Ansätzen in der Morphologie, die eine solche 1:1-Beziehung voraussetzen u. a. Aronoff 1976; Anderson 1992; Janda 1994.
Wortarten im Sprachsystem
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Der Output weist im Vergleich zum Input eine syntaktische Modifikation auf (z. B. [das] Lesen > Auftreten in einer anderen syntaktischen Position [in N0-Position]). oder Der Output weist im Vergleich zum Input eine phonologische und eine semantische Modifikation auf (z. B. frei → unfrei oder geöffnet → ungeöffnet > Hinzufügung von /ʊn/ auf phonologischer Ebene sowie des Merkmals ‚Antonymie‘ auf semantischer Ebene). oder Der Output weist im Vergleich zum Input eine phonologische und eine morphologische Modifikation auf (z. B. Transformator → Trafo oder Lastkraftwagen → LKW > Tilgung auf phonologischer Ebene und veränderte Pluralbildung auf morphologischer Ebene).
Bei den genannten Bedingungen handelt es sich um Minimalbedingungen, d. h. es liegt auch dann ein Wortbildungsprozess vor, wenn im Zuge der Lexembildung weitere, über die genannten hinausgehende Veränderungen zwischen In- und Output auftreten. Man denke etwa an den im Deutschen wohl häufigsten Fall, bei dem neben syntaktischen, morphologischen und semantischen zugleich auch phonologische Modifikationen vorliegen (z. B. bei den Wortbildungen Übung, Lehrer, waschbar). Mit den vorliegenden Ausführungen zur Architektur des lexikalischen Systems konnte gezeigt werden, dass sowohl das Lexikon bzw. die darin gespeicherten Einheiten als auch die Bildung lexikalischer Einheiten (im Wortbildungsteil) in spezifischer Weise strukturiert sind. In der Darstellung wurde der Fokus dabei auf eine bestimmte Art von lexikalischen Einheiten gelegt, und zwar auf die in beiden Bereichen zu verortenden Lexeme. Terminologisch lässt sich für den auch im Folgenden zentralen Lexembegriff nun eine wichtige Präzisierung vornehmen: Lexeme sind abstrakte Einheiten des lexikalischen Systems, die das den verschiedenen formalen Ausprägungen Gemeinsame umfassen und entweder im Lexikon gespeichert sind oder durch Wortbildungsregeln repräsentiert werden.
c) Das grammatische System Nach der detaillierten Darstellung des lexikalischen Systems soll nun ein Überblick zum grammatischen System erfolgen. Im Unterschied zum lexikalischen System, das neben allgemeinen Wortbildungsregeln vornehmlich lexemspezifische Informationen aufweist, enthält das grammatische System ausschließlich
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Lösungsvorschlag
allgemeine Regeln. Diese allgemeinen Regeln stehen jedoch in enger Verbindung zu lexemspezifischen Informationen, da u. a. von letzteren maßgeblich abhängt, welche Regeln des grammatischen Systems jeweils relevant sind. Beispielsweise können in Bezug auf Substantive die entsprechenden allgemeinen morphologischen Regeln nur dann ausgewählt werden, wenn auch die lexemspezifischen Informationen zu Genus und Flexionsart vorliegen. Innerhalb des grammatischen Systems ist außerdem zu beachten, dass die einzelnen Bereiche (Syntax, Morphologie, Phonologie, Semantik, Graphematik) in sich geschlossene Module bilden und Ergebnisse aus dem Durchlaufen bestimmter Module die Voraussetzung für das Durchlaufen weiterer Module sind. Bezogen etwa auf Substantive bedeutet das, dass für die Anwendung allgemeiner morphologischer Regeln neben lexemspezifischen Informationen auch die syntaktische Struktur bekannt sein muss, in der das jeweilige Substantiv auftritt, d. h. das Modul Syntax muss bereits durchlaufen worden sein. Die für die grafische Darstellung des Lexikonmodells gewählte Reihenfolge der Module – begonnen beim Modul Syntax – ist folglich bewusst gewählt (vgl. Übersicht 5). Es handelt sich allerdings nicht um eine strikte Hierarchie, zumal eine Interaktion zwischen Ergebnissen einzelner Module prinzipiell möglich ist – v. a. Gründe zur Annahme zyklischer Prozesse zwischen den Modulen Morphologie und Phonologie sind in der Literatur bereits ausführlicher dargestellt worden (vgl. u. a. Anderson 1992: 224 ff.). Das Zusammenwirken einzelner Module innerhalb des grammatischen Systems sowie die Verbindung zwischen lexikalischem und grammatischem System sollen es ermöglichen, die Entstehung grammatischer Sätze des Deutschen zu erklären. Dies wird im Folgenden etwas genauer darzustellen sein, indem v. a. die Inhalte und Vorgänge der einzelnen Module knapp erläutert und anhand des Beispielsatzes in (173) veranschaulicht werden.¹⁰⁷ (173) Der Freund des Vaters besucht seinen neuen Stammkunden. Den zentralen Ausgangspunkt für die Erzeugung von Sätzen bildet im grammatischen System das Modul Syntax. Es enthält alle syntaktischen Regularitäten, die für den Aufbau komplexer syntaktischer Strukturen relevant sind. Gemeint sind damit Regeln, die Bezug nehmen auf die syntaktischen Beziehungen der Linearität (Wortabfolge), der Konstituenz (Aufbau komplexer Einheiten von X0 bis XP) oder der Dependenz (Subkategorisierung, Rektion, Kongruenz). Durch das Zusammen-
107 Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass hier lediglich eine überblicksartige Darstellung zum grammatischen System gegeben werden soll, da für die Themenstellung der vorliegenden Arbeit primär das lexikalische System im Fokus steht, nicht jedoch das grammatische System.
Wortarten im Sprachsystem
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spiel dieser Regeln mit syntaktischen Informationen, die durch die Einheiten aus dem lexikalischen System gegeben sind, werden im Prozess der sog. lexikalischen Einsetzung abstrakte, lexikalisch spezifizierte Satzstrukturen erzeugt. Demnach kommt es auf der Ebene der Syntax zu der ersten und entscheidenden Vernetzung der beiden Teilssysteme des Sprachsystems.¹⁰⁸ Der zentrale Bezugspunkt für die lexikalischen Einsetzungsregeln sind Kategorien, die man üblicherweise als Wortarten bezeichnet, sowie die damit verbundenen Merkmale. So haben Wortarten in beiden Teilsystemen des Sprachsystems Relevanz: Sie werden einerseits im lexikalischen System für alle Lexeme verzeichnet (und zwar für jedes Lexem im Merkmalsbereich ‚Syntax‘). Andererseits sind sie von Bedeutung für den Aufbau syntaktischer Strukturen mithilfe der o. g. Regeln des Syntaxmoduls, da Wortarten in syntaktischen Strukturen auf der niedrigsten syntaktischen Ebene (X0) auftreten, auf der auch die Einsetzungsregeln operieren. Beim Prozess der Einsetzung kommt es zu einem Merkmalsabgleich, d. h. die Wortart der syntaktischen Struktur und die des einsetzbaren Lexems müssen übereinstimmen. Darüber hinaus sind weitere, mit der Wortart verbundene syntaktische Merkmale zu berücksichtigen, v. a. die Tatsache, dass Lexeme in Abhängigkeit von der Wortart über die Fähigkeit verfügen, die Eigenschaften komplexer Phrasen zu beeinflussen (Projektion). Mit der Wahl eines Lexems wird folglich bereits bestimmt, wie die jeweilige syntaktische Struktur im Weiteren spezifiziert werden kann und welche Positionen lexikalisch zu belegen sind bzw. belegt werden können. So projiziert beispielsweise in dem o. g. Satz (173) das Lexem BESUCHEN in V0-Position in der Weise, dass eine syntaktische Struktur nur dann grammatisch ist, wenn sie mit den entsprechenden Subkategorisierungseigenschaften von BESUCHEN kompatibel ist. Mit der merkmalsbasierten Einsetzung der lexikalischen Einheiten und dem sukzessiven Aufbau syntaktischer Strukturen greifen dann auch alle weiteren, o. g. allgemeinen Regeln des Syntaxmoduls. Als Beispiel wären hier etwa die Dependenzregeln zu nennen, die zu einer abschließenden Spezifizierung der morphosyntaktischen Merkmale innerhalb der syntaktischen Struktur führen (vgl. u. a. die Anwendung der Kongruenzregel auf die Lexeme NEU und STAMMKUNDE).¹⁰⁹ Nach der Festlegung auf bestimmte Lexeme und eine entsprechende syntaktische Satzstruktur sind die Bedingungen für den Übergang zu weiteren Repräsentationsebenen gegeben. So liegen nun spezifische syntaktische Beziehungen vor sowie konkrete morphosyntaktische Merkmale für bestimmte Lexeme, die
108 Vgl. genauer zur sog. lexikalischen Einsetzung die Erläuterungen zu Beginn von Kapitel 2.2.2.2. 109 Es handelt sich um eine abschließende Präzisierung, da bei der Ausprägung morphosyntaktischer Merkmale auch andere Faktoren semantisch-pragmatischer Art eine Rolle spielen (vgl. u. a. die Wahl des morphosyntaktischen Merkmals Numerus für STAMMKUNDE in Satz (173)).
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Lösungsvorschlag
die Grundlage bilden für die Anwendung allgemeiner morphologischer Regeln des Moduls Morphologie. Es handelt sich dabei um allgemeine Regularitäten der Flexionsmorphologie zur Bildung von Wortformen. In erster Linie sind davon Lexeme betroffen, die in einer syntaktischen Struktur aufgrund der dort bestehenden syntaktischen Beziehungen morphosyntaktische Merkmale zugewiesen bekommen, d. h. alle morphosyntaktischen Wörter.¹¹⁰ Ob und welche allgemeinen morphologischen Regeln zur Anwendung kommen, ist dabei sowohl abhängig von den Ergebnissen des syntaktischen Moduls als auch von lexemspezifischen morphologischen Informationen.¹¹¹ Bezogen auf den Beispielsatz aus (173) könnte dies in folgender Weise verdeutlicht werden: Die Formenbildung für das Lexem BESUCHEN wird zum einen bestimmt durch die Ergebnisse des Syntaxmoduls, die den Bereich der relevanten morphologischen Regeln (Verbflexion) und die konkreten morphosyntaktischen Merkmale (3. Person, Singular, Präsens, Indikativ) vorgeben. Zum anderen ist die Information zur Flexionsart aus dem Lexikoneintrag von BESUCHEN von entscheidender Bedeutung (keine gesonderte Angabe, d. h. Defaultfall: schwache Flexion). Auf dieser Grundlage können die allgemeinen Regeln zur Flexion schwacher Verben ausgewählt und auf BESUCHEN angewendet werden, was im konkreten Fall regulär zu einer Affigierung am Wortstamm führt. Inhalt des Moduls Phonologie sind die allgemeinen phonologischen Regeln, die die Lautstruktur auf Wort- und Satzebene betreffen (vgl. u. a. Regeln zur Auslautverhärtung, zu den /ç/-Allophonen oder zu Wort- und Satzakzent). Nach Anwendung dieser Regeln sind demnach alle Informationen für eine lautliche Realisierung der betreffenden syntaktischen Struktur gegeben. Voraussetzung für den Einsatz phonologischer Regeln sind die Ergebnisse aus dem Modul Syntax, Ergebnisse bzw. Teilergebnisse aus dem Modul Morphologie sowie Angaben zur Phonemstruktur der eingesetzten Lexeme aus dem lexikalischen System.¹¹²
110 Vgl. zum Begriff ‚morphosyntaktisches Wort‘ Kapitel 2.1.1. 111 Letztlich ist es abhängig von lexemspezifischen Eigenschaften, ob ein Lexem, das morphosyntaktische Merkmale aufweist, allgemeinen Flexionsregularitäten unterworfen ist. Nicht betroffen von allgemeinen Regularitäten sind Lexeme, die nicht regulär flektieren (vgl. u. a. [ich] bin), sowie Lexeme, die morphosyntaktische Merkmale aufweisen, aber prinzipiell nicht flektieren (vgl. u. a. prima). 112 Dass aus dem Modul Morphologie ggf. nur Teilergebnisse vorliegen, verweist darauf, dass insbesondere zwischen den Modulen Morphologie und Phonologie Interaktion stattfinden kann. So lässt sich beispielsweise bei der Bildung des Partizips II für das Lexem BESUCHEN eine Interaktion zwischen den genannten Modulen beobachten, denn die zunächst im Modul Morphologie regulär gebildete Form /gəbəzu:çt/ wird aufgrund allgemeiner Betonungsregeln im Modul
Wortarten im Sprachsystem
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Exemplarisch lässt sich dies anhand der Regel zur Auslautverhärtung zeigen, die im Beispielsatz (173) in Bezug auf das Lexem FREUND von Bedeutung ist. Die wortspezifische Phonemstruktur von FREUND verfügt im Auslaut über einen stimmhaften Plosiv, der potenziell Gegenstand der phonologischen Regel ‚Auslautverhärtung‘ ist. Dass diese Regel im vorliegenden Beispielsatz tatsächlich zur Anwendung kommt, entscheidet sich jedoch erst vor dem Hintergrund der konkreten syntaktischen Struktur sowie der in diesem Zusammenhang notwendigen Wortform. Wäre statt der hier vorliegenden Nominativ-Singular-Form beispielsweise eine Wortform von FREUND im Genitiv erforderlich, würde die Regel zur Auslautverhärtung nicht greifen. Als weiteres Teilsystem erscheint das Modul Semantik. Es enthält allgemeine, kompositionale Regeln zur Erzeugung der Bedeutung(en) komplexer Ausdrücke (Satzsemantik), da sich satzsemantische Zusammenhänge nicht automatisch aus der Summe von Einzelbedeutungen ergeben. Voraussetzung für die Anwendung allgemeiner semantischer Regeln sind neben der Semantik der eingesetzten Einheiten aus dem lexikalischen System die Ergebnisse des Moduls ‚Syntax‘. Auch dies sei anhand des o. g. Beispielsatzes (173) aufgezeigt. Aus den Bedeutungen der in diesem Satz verwendeten Lexeme kann u. a. bereits erschlossen werden, dass – vereinfacht formuliert – ‚eine Person eine andere für eine begrenzte Zeit aufsucht‘. Jedoch ergibt sich die konkrete Satzbedeutung (die Festlegung von Agens, Patiens etc.) erst auf der Grundlage der konkreten syntaktischen Struktur nach dem Prozess der lexikalischen Einsetzung. Unter Verwendung identischen lexikalischen Materials wäre nämlich u. a. auch folgender Satz denkbar, der eine völlig andere Satzbedeutung aufweist: (174) Der Vater des neuen Stammkunden besucht seinen Freund. Somit zeigt sich, dass neben wortsemantischen Angaben aus dem lexikalischen System die Ergebnisse des syntaktischen Moduls vorliegen müssen, damit allgemeine semantische Regeln angewendet werden können und sich die Bedeutung des Satzes (173) ergibt. Die vier bisher dargestellten Module des grammatischen Systems würden in Zusammenwirkung mit dem lexikalischen System bereits ausreichen, um die Entstehung grammatischer Sätze des Deutschen zu erklären. Allerdings bliebe dabei unberücksichtigt, dass in Sprachen wie dem Deutschen neben der laut-
Phonologie modifiziert zu /bəzu:çt/. Erst dann liegt die korrekte Wortform als Endergebnis des Morphologie-Moduls vor und kann Gegenstand anderer Regularitäten sein (u. a. auch erneut der Regularitäten des Moduls Phonologie).
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Lösungsvorschlag
lichen Realisierung von Sprache auch eine schriftliche Realisierung existiert. Da die Schreibung als systemimmanent aufgefasst wird und allgemeine Regeln aufweist, soll das Modul Graphematik ebenfalls Gegenstand des grammatischen Systems sein. Inhalt dieses Moduls sind alle allgemeinen graphematischen Regeln, die der Schreibung von Wörtern und Texten zugrunde liegen (vgl. für das Deutsche u. a. die Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln, allgemeine Regeln zum silbischen und morphologischen Prinzip, graphematische Regeln zur Großund Kleinschreibung und zur Zeichensetzung). Voraussetzung für die Anwendung dieser Regeln bilden – in Abhängigkeit vom Regeltyp – unterschiedliche Angaben, die zwischen Phonem- und Textebene angesiedelt sind. Beispielsweise basieren die Regeln zum silbischen Prinzip auf allgemeinen phonologischen Regeln und auf Angaben zur lexemspezifischen Phonemstruktur, während für Regeln der Groß- und Kleinschreibung die Ergebnisse des syntaktischen Moduls sowie textuelle Phänomene (wie Textanfang u. Ä.) ausschlaggebend sind. Exemplarisch soll die Anwendung graphematischer Regeln am Beispiel der Wortschreibung verdeutlicht werden. Für das Deutsche gilt dabei, dass Schreibungen nach den Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln überwiegen (vgl. in Beispielsatz (173) die Schreibung aller Wörter außer und ). Allein mit diesen Regeln nicht erklärbare Schreibungen sind entweder wortspezifisch und im lexikalischen System gespeichert (vgl. in (173) das Lexem VATER) oder erfordern die Anwendung weiterer graphematischer Regeln. Letzteres sei am Beispiel des Lexems STAMMKUNDE aufgezeigt: Voraussetzung für den Einsatz graphematischer Regeln sind Angaben zur Phonemstruktur von STAMMKUNDE aus dem lexikalischen System sowie die Ergebnisse der Module Syntax, Morphologie und Phonologie. Relevant sind im vorliegenden Fall vier unterschiedliche graphematische Regeltypen, wobei die Graphem-PhonemKorrespondenzregeln Priorität haben. Sie führen zu der Schreibung . Durch eine Anwendung der Regeln zum silbischen Prinzip (Regel zur /ʃ /-Schreibung und Silbengelenkschreibung) und morphologischen Prinzip (Erhaltung von Silbengelenkschreibung) sowie der Regeln zur Groß- und Kleinschreibung entsteht die Schreibung . Es zeigt sich, dass die Schreibung des Lexems demnach regulär ist und nicht gespeichert werden muss. Sie kann nach Durchlaufen der graphematischen Regeln vollständig angegeben werden.
Wortarten im Sprachsystem
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2.2.3 Lexikonmodell und Wortartenzuordnung 2.2.3.1 Wortarten in Grammatik und Lexikon Mit der Darstellung des obigen Lexikonmodells wurde aufgezeigt, wie lexikalisches und grammatisches Wissen strukturiert und miteinander vernetzt sein könnten, um grammatische Strukturen bzw. grammatische Sätze (des Deutschen) auf lautlicher und schriftlicher Ebene erzeugen zu können. Damit sind die wichtigsten Voraussetzungen geschaffen, um eine gezielte Vernetzung der Lexikon- und Wortartenforschung vorzunehmen und die Wortartenthematik im Gesamtzusammenhang des Sprachsystems betrachten zu können. Letztlich gilt es, ein Konzept auszuarbeiten, das auch einen Beitrag zur Lösung der AdjektivAdverb-Problematik leistet. Aus der Lexikondarstellung wird dabei zunächst erkennbar, dass Wortarten im Sprachsystem v. a. für drei Bereiche von zentraler Bedeutung sind: •
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•
zum einen für das Syntaxmodul des grammatischen Systems, das Wortarten konstitutiv am Aufbau syntaktischer Strukturen beteiligt, da hier auf der niedrigsten Ebene (X0) vorrangig mit wortartspezifischen Kategorien gearbeitet wird, zum zweiten für das Lexikon des lexikalischen Systems, weil dort Lexeme gespeichert sind, deren Wortart obligatorisch im jeweiligen Lexikoneintrag verzeichnet ist, und schließlich für die ebenfalls im lexikalischen System angesiedelten Wortbildungsregeln, denn die dort gebildeten Lexeme werden obligatorisch einer Wortart zugeordnet.¹¹³
Für das vorliegende Modell kann demnach festgehalten werden, dass Wortarten sowohl im grammatischen als auch im lexikalischen System eine essenzielle Rolle spielen. Bevor jedoch im Folgenden die anvisierte Vernetzung der Wortartenthematik mit diesem konkreten Lexikonmodell erarbeitet werden soll, sei zunächst der Blick auf bisherige Ansätze gerichtet. Denn insbesondere die
113 Davon unberührt ist die Tatsache, dass Wortarten darüber hinaus auch bei den lexikalischen Einsetzungsregeln sowie in weiteren Modulen des grammatischen Systems (v. a. Morphologie und Graphematik) von Bedeutung sind, indem die betreffenden Regeln auf der Basis von Wortarten operieren. Der Unterschied zu den o. g. Bereichen besteht jedoch darin, dass diese nicht selbst über die entsprechenden Informationen verfügen, sondern dort lediglich auf Wortartinformationen des lexikalischen Systems und / oder des Syntaxmoduls zurückgegriffen wird.
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Lösungsvorschlag
Annahme, Wortarten in Grammatik und Lexikon anzusiedeln, ist nicht an das hier vorgelegte Lexikonmodell gebunden, sondern eine eher allgemeine Position, auf die man u. a. auch in der gegenwärtigen Wortartenforschung Bezug nimmt (vgl. v. a. Meibauer et al. 22007: 129 f.; Duden 4 82009: 132 ff.). Hintergrund dafür ist die dort ebenfalls getätigte Beobachtung, dass die eindeutige Zuordnung von Wörtern zu Wortarten in bestimmten Fällen genau dadurch erschwert wird, dass Wörter in beiden Zusammenhängen – in Grammatik und Lexikon – eine konstitutive Rolle übernehmen. So kommt es ggf. dazu, dass Wörter, wenn sie in syntaktischen Strukturen auftreten (im Bereich Grammatik), aufgrund ihrer Eigenschaften bestimmten Wortarten zuzuordnen wären, die jedoch nicht mit denen übereinstimmen, die mehrheitlich für die entsprechenden Lexikoneinheiten (im Bereich Lexikon) angegebenen werden (vgl. Meibauer et al. 22007: 130). Beispielsweise würde man für ein Wort wie lesen i. d. R. eine Lexikoneinheit mit der Wortart ‚Verb‘ ansetzen. Zu dieser Wortartenzuordnung führt zwar die Analyse zahlreicher syntaktischer Strukturen, in denen Wortformen dieses Lexems Verwendung finden (vgl. u. a. (175)–(177)). Allerdings kommen darüber hinaus auch Sätze vor, in denen formal und semantisch gleiche bzw. sehr ähnliche Wortformen wie Lesen oder gelesenen auftreten, die jedoch – zumindest aus syntaktischer Perspektive – weniger Eigenschaften eines Verbs, sondern eher die eines Substantivs bzw. Adjektivs aufweisen (vgl. (178)–(179)). (175) (176) (177) (178) (179)
Er liest mal wieder die Wohnungsanzeigen. Sie lesen gerne Krimis. Du hast heute noch keine einzige Zeile gelesen. Das Lesen bereitet ihm Schwierigkeiten. Sie sprechen über den gelesenen Text.
Die Annahme der Wortart ‚Verb‘ für Lesen bzw. gelesenen in (178)–(179) stünde demnach im Widerspruch zu den konkreten Verwendungen; die Annahme der Wortarten ‚Substantiv‘ bzw. ‚Adjektiv‘ würde den Bezug zu der verbalen Lexikoneinheit LESEN trotz der offenkundigen formalen und semantischen Parallele nicht unmittelbar erkennbar machen und die Frage nach den zugrunde liegenden Lexikoneinheiten neu stellen. Ein möglicher Ausweg für dieses Zuordnungsproblem könnte darin bestehen, je nach syntaktischer Verwendung tatsächlich unterschiedliche Wortarten anzusetzen (Verb, Substantiv bzw. Adjektiv) und zugleich auch jeweils eigenständige Lexikoneinheiten, sodass beispielsweise für die o. g. Fälle drei homonyme Lexikoneinheiten LESEN V, LESENN und LESENA vorliegen würden, die sich primär hinsichtlich der Wortart unterscheiden. Damit könnte zumindest der o. g. klassifikatorische Widerspruch vermieden und eine eindeutige Wortartenzuordnung in Grammatik und Lexikon ermöglicht werden.
Wortarten im Sprachsystem
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Allerdings würde dieses Vorgehen in der Konsequenz zu einer gewaltigen Ausweitung des Lexikons führen, verursacht allein durch die Speicherung zahlreicher Homonyme. Zudem würden systematisch bestehende Zusammenhänge zwischen bestimmten Wortarten nicht erkennbar, wie sie jedoch u. a. durch Wortformen wie lesen – Lesen oder gelesen – gelesenen bzw. anhand zahlreicher vergleichbarer Beispiele nahegelegt werden.¹¹⁴ Insgesamt erscheint dieser Ansatz im Sinne einer ökonomischen und eleganten Theoriebildung daher wenig attraktiv.¹¹⁵ Anhand der knappen Ausführungen zu lesen wird die Parallele zu den Beobachtungen erkennbar, die am Ende von Kapitel 2.1 im Hinblick auf Wörter wie schnell, stolz oder wahrscheinlich getätigt wurden. Es handelt sich demnach um ähnlich komplexe Fälle der Wortartenzuordnung, die in der Wortartenforschung jedoch weitaus häufiger im Zusammenhang mit Zuordnungsproblemen Erwähnung finden. Deshalb sollen diese im Weiteren genauer betrachtet werden, verbunden mit dem o. g. Ziel, ein gesamtsystematisches Wortartenkonzept zunächst unabhängig von der Adjektiv-Adverb-Problematik zu erarbeiten. Wie bereits in Kapitel 1 hervorgehoben wurde, bietet dabei eine Herangehensweise, die explizit auf die Rolle von Wortarten in Grammatik und Lexikon Bezug nimmt, entscheidendes Lösungspotenzial. Vorgeschlagen wird eine Differenzierung des Wortartenbegriffs, derzufolge unterschieden werden soll zwischen Wortarten bezogen auf die syntaktische Ebene (Bereich Grammatik) und Wortarten bezogen auf die lexikalische Ebene (Bereich Lexikon) (vgl. Meibauer et al. 22007: 129 f.; Duden 4 82009: 132 ff.). Wenngleich sich dabei häufig eine Übereinstimmung der jeweiligen Kategorisierungen ergibt (vgl. u. a. (180)–(181)), so sind doch unterschiedliche Klassifikationsergebnisse je nach Zuordnungsebene möglich und zulässig. Beispielsweise würde man im Fall von Lesen in (182) auf syntaktischer Ebene eine Zuordnung zur Wortart ‚Substantiv‘ vornehmen und für die zugrunde liegende Lexikoneinheit LESEN die Wortart ‚Verb‘ ansetzen (vgl. Meibauer et al. 22007: 130). Vor dem Hintergrund der
114 Vgl. etwa die Auswahl der folgenden Beispiele, die das Vorhandensein einer systematischen Beziehung stützen: ahnen – (das) Ahnen, buchen – (das) Buchen, hören – (das) Hören, machen – (das) Machen, suchen – (das) Suchen bzw. beantwortet – beantwortetes (Schreiben), gehört – gehörte (CD), getragen – getragene (Kleidung), verarbeitet – verarbeitetes (Fleisch), verlegt – verlegter (Roman). 115 Tatsächlich wird in der Literatur die Frage nach systematischen Homonymien im Zusammenhang mit Wortartenklassifikationen zumeist nicht genauer thematisiert. Einerseits scheint man, im Sinne einer ökonomischen Theoriebildung, derartige Homonymien abzulehnen (vgl. explizit dazu u. a. Eisenberg 42013 II: 227), andererseits gibt es vereinzelt durchaus die oben beschriebene Auffassung, durch Wortartunterschiede motivierte Homonymien bewusst anzunehmen (vgl. u. a. Clément 2005).
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Lösungsvorschlag
Differenzierung ist darin kein klassifikatorischer Widerspruch zu sehen, sondern vielmehr das Resultat zweier verschiedener Zuordnungen. (180) Er liest mal wieder die Wohnungsanzeigen. syntaktisch: V¹¹⁶ lexikalisch: V (181) Das Haus gehört seiner Familie. syntaktisch: N lexikalisch: N (182) Das Lesen bereitet ihm Schwierigkeiten. syntaktisch: N lexikalisch: V Durch diese Herangehensweise gelingt es demnach, die beschriebenen klassifikatorischen Schwierigkeiten durch eine ebenenspezifische Zuordnung aufzulösen und dabei zugleich den theoretischen Status der zu kategorisierenden Einheiten zu präzisieren. So wird einerseits auf syntaktischer Ebene eine verwendungsspezifische Kategorisierung von Wörtern in syntaktischen Strukturen ermöglicht, andererseits lässt sich auf lexikalischer Ebene eine eindeutige Klassifikation von Lexikoneinheiten vornehmen, und zwar unter Vermeidung eines – zumindest theoretisch – unnötigen Nebeneinanders homonymer Formen. Damit finden zentrale Anliegen der Wortartenforschung Berücksichtigung, sodass eine derartige Differenzierung des Wortartenbegriffs nicht nur als vorteilhaft bezeichnet werden kann; vermutlich ist darin sogar ein entscheidender Impuls für die gegenwärtige Wortartenforschung zu sehen. Allerdings – auch darauf wurde bereits im Rahmen des forschungsgeschichtlichen Kapitels hingewiesen – wirft diese Herangehensweise einige grundlegende Fragen auf, denn es handelt sich hier um ein bisher nicht umfassend ausgearbeitetes Konzept der Wortartenforschung. So besteht u. a. Klärungsbedarf in Bezug auf die exakte Vorgehensweise, wie man jeweils zu Kategorien gelangt.¹¹⁷
116 Die Angaben zur Wortart bzw. Kategorie nehmen jeweils Bezug auf das kursiv gesetzte Wort im dazugehörigen Beispielsatz. 117 So nennen bisherige Ansätze zwar jeweils Kriterien, die sie für die Wortartenbestimmung zugrunde legen (vgl. Duden 4 82009: 132 f.; Meibauer et al. 22007: 131), allerdings wird nicht explizit aufgezeigt, wie man anhand der genannten Kriterien genau zu zuordnungsspezifischen Klassifikationsergebnissen gelangt.
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Von besonderem Interesse ist außerdem die Frage nach der Beziehung zwischen den Wortartenzuordnungen auf lexikalischer und syntaktischer Ebene, denn das Fehlen einer spezifischen Beziehung wäre insofern unbefriedigend, als damit zu wenig Zusammenhänge geschaffen würden, vergleichbar mit der oben erwähnten Annahme von Homonymen. Man hätte zwei voneinander unabhängige Zuordnungen und würde damit beispielsweise ein unabhängiges Nebeneinander der verbalen Lexikoneinheit LESEN und des Substantivs (das) Lesen in Satz (182) suggerieren, was jedoch als nicht zutreffend bezeichnet werden kann. Auch wenn ein systematischer Bezug zwischen den Zuordnungen bisher nicht explizit dargestellt wurde, so bietet die beschriebene Differenzierung m. E. doch das dafür notwendige Potenzial, da die zwei strikt voneinander getrennten Wortartenzuordnungen auf eine spezifische Weise in Verbindung gesetzt werden können.¹¹⁸ In der Umsetzung könnte man dann beispielsweise eine Erklärung geben für die Beziehung zwischen dem verbalen Lexem LESEN und dem Substantiv Lesen in (182). Ziel müsste es sein, im Rahmen der Zuordnungsdifferenzierung v. a. Fragen wie die folgende zu beantworten: Wie genau kommt es dazu, dass eine Wortform wie Lesen im Satz an substantivischer Position (N0) auftritt, obwohl die zugrunde liegende Lexikoneinheit die Wortart ‚Verb‘ und nicht ‚Substantiv‘ aufweist? Wenngleich die bisher maßgeblichen Darstellungen in der Dudengrammatik bzw. in dem Einführungsbuch von Meibauer et al. diesbezüglich keine umfassende Antwort liefern, so stellt sich dennoch die Frage nach möglichen Anknüpfungspunkten. Die beiden Ansätze sollen deshalb noch einmal etwas genauer in den Blick genommen werden. Betrachtet sei zuerst die Dudengrammatik: Hier wird unterschieden zwischen sog. ‚lexikalischen Wortarten‘ und ‚syntaktischen Wortarten‘. Während erstere Lexikoneinheiten bzw. Lexeme zum Gegenstand haben, nehmen syntaktische Wortarten Bezug auf Flexionsformen von Lexemen (vgl. Duden 4 82009: 133). Das o. g. mögliche Auftreten einer Abweichung zwischen lexikalischer und syntaktischer Wortart wird als systematisch bezeichnet und anhand des Beispiels (der) bellende (Hund) folgendermaßen beschrieben: „Das Partizip bellende ist hier ein adjektivisches syntaktisches Wort, das zu einem verbalen Lexem gehört.“ (Duden 4 82009: 133). M. E. lässt sich diese Formulierung nur so interpretieren, dass die adjektivische Wortform bellende zum Paradigma des verbalen Lexems BELLEN gehört. Allgemein formuliert heißt das, dass auch Wortformen, die nichts mit der Wortart des zugrunde liegenden Lexems zu tun haben, zum Paradigma dieses Lexems zu zählen sind. Man hätte also beispielsweise ein Lexem BELLEN, zu dem
118 Darin ist der entscheidende Unterschied zu der o. g. einfachen Annahme von Homonymien zu sehen, denn dort besteht gerade kein vergleichbares Erklärungspotenzial.
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Lösungsvorschlag
neben verbalen Wortformen auch adjektivische und substantivische Wortformen gerechnet würden (vgl. z. B. die Wortformen bellenden und Bellens in: Ich kenne den Besitzer des bellenden Tieres. // Er ist des Bellens müde.). Damit würden sich jedoch Paradigmen ergeben, die nicht nur unnötig aufgebläht, sondern auch in sich widersprüchlich wären. Allein aus diesem Grund erscheint es wenig aussichtsreich, eine an der Dudengrammatik orientierte Weiterentwicklung der Zuordnungsdifferenzierung vorzunehmen, um dabei insbesondere der o. g. Frage nach der Beziehung zwischen den Zuordnungen nachzugehen. Zu einem anderen Ergebnis führt die Auseinandersetzung mit der Zuordnungsdifferenzierung bei Meibauer et al. Dort wird zunächst analog, aber unter Verwendung einer anderen Terminologie unterschieden zwischen ‚Wortarten‘ bezogen auf Lexikoneinheiten und ‚lexikalischen Kategorien‘ bezogen auf Wortformen im Satz (vgl. Meibauer et al. 22007: 129). Auch hier wird der Fall einer Kategoriendifferenz zwischen den Zuordnungen dargestellt. Im Unterschied zur Dudengrammatik wird dabei aber nicht angenommen, dass das Paradigma einer Lexikoneinheit ggf. auch Wortformen umfasst, die nicht zu der im Lexikon angegebenen Wortart gehören. Vielmehr wird für den Unterschied zwischen ‚Wortart‘ und ‚lexikalischer Kategorie‘ ein Kategorienwechsel verantwortlich gemacht (vgl. Meibauer et al. 22007: 130), d. h. man geht beispielsweise im Fall von Lesen in (182) davon aus, dass ein Wechsel von einer verbalen Wortform zu einer substantivischen stattgefunden hat und man deshalb je nach Zuordnung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Unabhängig von der genauen Verortung und den Bedingungen für einen Kategorienwechsel bleibt festzuhalten, dass die grundlegende Idee, Zuordnungsunterschiede mithilfe von Wortartwechselprozessen zu erklären, deutlich attraktiver erscheint. Zu zeigen gilt es, inwiefern dadurch die Beziehung zwischen den Zuordnungen tatsächlich präzisiert werden kann. Zunächst aber kann das Fazit gezogen werden, dass in dem Erklärungsansatz von Meibauer et al. ein vielversprechender Anknüpfungspunkt erkennbar wird. Demgemäß orientieren sich die folgenden Ausführungen primär an der Konzeption in Meibauer et al. und aus den o. g. Gründen explizit nicht an der Dudengrammatik.¹¹⁹ Bevor in Kapitel 2.2.3.3 der Versuch unternommen wird, die o. g. grundlegenden Fragen an ein Konzept der differenzierenden Wortartenzuordnung zu beantworten, sollen zuvor einige zentrale Rahmenbedingungen näher bestimmt
119 Dass im Folgenden vergleichsweise häufig aus dem Einführungsbuch von Meibauer et al. 2 2007 zitiert wird, ist allein darauf zurückzuführen, dass es von diesen Autoren bisher keine anderen wissenschaftlichen Publikationen zu diesem relativ neuen und vielversprechenden Differenzierungsansatz gibt.
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werden. Von essenzieller Bedeutung ist dabei in erster Linie das Verorten der beiden Wortartenzuordnungen im Gesamtsystem. In den bisherigen Darstellungen zur Zuordnungsdifferenzierung konnten u. a. auch deshalb keine ausführlicheren Antworten auf die o. g. Fragen gegeben werden, weil man sich nur ganz allgemein auf die Trennung von Grammatik und Lexikon bezieht. Dies genügt jedoch nicht, wenn das Ziel darin besteht, die Zuordnungen zueinander in Beziehung zu setzen und beispielsweise genauere Aussagen darüber zu machen, ob und wie Wortartwechselprozesse stattfinden können bzw. wie sie zu modellieren sind. Für die Beantwortung derartiger Fragen bildet die genauere Bestimmung von Grammatik und Lexikon im Gesamtzusammenhang eine entscheidende Voraussetzung. Es ist deshalb notwendig, den Ansatz der Zuordnungsdifferenzierung stärker mit dem zuständigen Forschungsbereich – der Lexikonforschung – zu vernetzen. Erst durch die Anbindung an ein konkretes Lexikonmodell kann eine entsprechende substanzielle Präzisierung des Ansatzes erfolgen. In der vorliegenden Arbeit wurde aus diesem Grund im Vorfeld ein Lexikonmodell erarbeitet, mithilfe dessen nun eine entsprechende Konkretisierung der Zuordnungsdifferenzierung erfolgen kann. Dass Wortarten in diesem Lexikonmodell an verschiedenen Stellen von zentraler Bedeutung sind, wurde bereits zu Beginn des Kapitels ausgeführt. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Zuordnungsdifferenzierung zeigt sich dabei nun Folgendes: Die Wortartenzuordnung, die zunächst ganz allgemein als Zuordnung auf lexikalischer Ebene bezeichnet wurde, hat zum Ziel, alle Lexikoneinheiten mit Wortstatus im Hinblick auf ihre Wortart zu klassifizieren. Im vorliegenden Lexikonmodell werden derartige Lexikoneinheiten als Lexeme im Lexikon des lexikalischen Systems gespeichert. Demzufolge lässt sich eine direkte Verbindung zwischen der lexikalisch orientierten Wortartenzuordnung und den Lexemen im Lexikon des lexikalischen Systems etablieren. Die davon zu unterscheidende Wortartenzuordnung, die vorerst nur als Zuordnung auf syntaktischer Ebene bezeichnet wurde, ist hingegen befasst mit der Klassifikation von Wörtern in syntaktischen Strukturen. Es stellt sich demnach die Frage, an welcher Stelle im angesetzten Lexikonmodell die für den Aufbau syntaktischer Strukturen relevanten Lexeme zu verorten sind. Entscheidend dabei ist die Betrachtung der lexikalischen Einsetzungsregeln, denn sie bewirken den sukzessiven Aufbau lexikalisch spezifizierter syntaktischer Strukturen. Stark vereinfacht lässt sich dies so umschreiben, dass Wörter bzw. – genauer – Lexeme als Basis für die Einsetzungsregeln fungieren und an entsprechender Stelle in der syntaktischen Struktur erscheinen. Damit sind diejenigen Lexeme benannt, auf die diese zweite Art der Wortartenzuordnung Bezug nehmen soll. Im Unterschied zu bisherigen Darstellungen wird die Zuordnung demnach nicht erst auf der Ebene der Wortformen angesetzt (das wäre im vorliegenden Modell frühestens
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nach Durchlaufen des Morphologiemoduls möglich), sondern konsequenterweise direkt mit dem Aufbau (zunächst abstrakter) syntaktischer Strukturen.¹²⁰ Die regelbasierte Einpassung von Lexemen in syntaktische Strukturen wählt als Ausgangspunkt Lexeme, die entweder im Lexikon gespeichert oder durch Wortbildungsregeln repräsentiert werden. Folglich lässt sich für das vorliegende Lexikonmodell festhalten, dass grundsätzlich eine direkte Verbindung zwischen den Lexemen des lexikalischen Systems und der syntaktisch orientierten Wortartenzuordnung besteht. Soll vor dem Hintergrund dieser Verortung im Gesamtsystem nun eine Beziehung zwischen den Wortartenzuordnungen etabliert werden und dabei der in Meibauer et al. postulierte Wortartwechsel als Erklärungsansatz eingebunden werden, gilt es zunächst zu prüfen, an welchen Stellen im Lexikonmodell die Bedingungen für Wortartwechselprozesse gegeben sind. Hierbei zeigt sich, dass der Ansatz von Meibauer et al., an den hier angeknüpft wird, nicht ohne Weiteres in der dargestellten Weise übernommen werden kann, denn dort wird ein Kategorienwechsel auf der Ebene der Wortformen angesetzt (vgl. Meibauer et al. 2 2007: 130). Gemäß der vorliegenden Lexikonkonzeption sind jedoch im Zusammenhang mit der Bildung von Wortformen (im grammatischen System) keinerlei Regeln für Wortartwechselprozesse vorgesehen; vielmehr bildet die Festlegung der Wortart die Voraussetzung für die Anwendung der Regeln zur Wortformenbildung.¹²¹ Aufschluss darüber, wo im vorliegenden Lexikonmodell Wortartwechselprozesse tatsächlich verortet werden können, liefert hingegen eine genauere Betrachtung der lexikalischen Einsetzungsregeln. Sie bewirken, dass eine lexikalische Einheit nur dann als Kandidat für eine bestimmte syntaktische Position infrage kommt, wenn sie das dort geforderte kategorielle Merkmal aufweist. Da
120 In den bisherigen Darstellungen ist hingegen bei der Zuordnung auf syntaktischer Ebene die Rede von Wortformen, die in der Satzlehre thematisiert werden sollen (vgl. Duden 4 82009: 133) bzw. von Wortformen, die im Satz zu den einfachen Konstituenten gehören (vgl. Meibauer et al. 22007: 129). Vor dem Hintergrund des angesetzten Lexikonmodells wird jedoch deutlich, dass Sätze bzw. syntaktische Strukturen bereits vor der Bildung von Wortformen vorliegen und zunächst mit Lexemen lexikalisch belegt werden, die erst beim Durchlaufen des Morphologieund Phonologiemoduls spezifische Wortformen für den Output des Sprachsystems ausbilden. 121 Zu begründen ist dies v. a. damit, dass man Regeln benötigen würde, mithilfe derer man den Übergang von einer, bereits im Hinblick auf Wortformen spezifizierten syntaktischen Struktur zu einer anderen, aus der Kategorienveränderung resultierenden Struktur erklärt. Derartige Regeln sind m. E. bisher jedoch nicht erarbeitet worden, vgl. genauer dazu Kapitel 2.2.2.2 und 2.2.3.2. Darüber hinaus würde eine Verortung von Wortartwechselprozessen in der Morphologie bzw. in deren Nachgang dazu führen, dass sich die Beziehung zwischen den Wortartenzuordnungen gerade nicht durch Wortartwechsel erklären ließe, da der Übergang von der einen zur anderen Zuordnungsebene vor Durchlaufen des Morphologiemoduls stattfindet.
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es sich bei den Einsetzungsregeln um reine Entsprechungsregeln handelt, wird damit impliziert, dass die lexikalische Einheit bereits beim Verlassen des lexikalischen Systems die entsprechende Wortart aufweisen muss, um eine erfolgreiche Einsetzung in die ausgewählte syntaktische Struktur zu gewährleisten. Angesichts dieser Konzeption ist es zumindest für das hier angesetzte Lexikonmodell notwendig, einen Wechsel der Wortart schon im lexikalischen System anzusetzen, d. h. vor Anwendung der lexikalischen Einsetzungsregeln und dem Aufbau syntaktischer Strukturen. Und tatsächlich sind die Bedingungen für Wortartwechselprozesse im lexikalischen System gegeben, und zwar in dem Bereich, der neben Lexikon und Syntaxmodul als besonders bedeutsam für Wortarten bezeichnet wurde – dem Bereich der Wortbildungsregeln. Dieser enthält u. a. spezifische Regeln, die eine Kategorienveränderung herbeiführen (vgl. u. a. Fälle deverbaler Wortbildung wie Lehrer, Übung, waschbar). Der gewünschte Mechanismus wäre somit im Sprachsystem bereits existent und müsste nicht neu etabliert werden. Zugleich wären damit Wortartwechselprozesse an einer Stelle im Lexikonmodell verortet, die wie eine Art Scharnier zwischen den beiden Wortartenzuordnungen fungieren könnte. Für den oben dargestellten Fall, dass ein Unterschied zwischen der Wortart der Lexikoneinheit und der Wortart im Satz auftritt, könnte in der Tat eine Erklärung mithilfe von Wortartwechsel im Rahmen der Wortbildung gegeben werden. Zugleich ließe sich das Ziel, die Beziehung zwischen den Wortartenzuordnungen durch Wortbildungsregeln zu präzisieren, auf einfache und elegante Weise erreichen.¹²² Zu prüfen bleibt jedoch, inwiefern die fraglichen Fälle wie lesen V / Lesen N, gelesen V / gelesenenA u. Ä. tatsächlich durch entsprechende Wortbildungsregeln erfasst werden können. Diese Frage führt zur Vernetzung mit einem weiteren Forschungsbereich: dem der Wortbildungsforschung. Hier wird entsprechend kontrovers diskutiert, welche Funktionen man der Wortbildung zuordnen soll und inwiefern bestimmte Phänomene als Wortbildungen gelten können. Gemäß den in der Forschungsliteratur dargestellten Ansätzen wäre es beispielsweise für den o. g. Fall von (das) Lesen durchaus vorstellbar, dass die verbale Form lesen eine spezifische Wortbildungsregel durchlaufen hat, wodurch u. a. der Wortartwechsel zum Substantiv erreicht wird.¹²³ Mit Verlassen des lexikalischen Systems würde
122 In dieser Annahme findet einerseits die allgemeine Position Bekräftigung, derzufolge Wortbildung u. a. eine Art Schnittstelle zwischen Syntax und Lexikon darstellt (vgl. Fleischer / Barz 4 2012: 1). Andererseits wird damit in gewisser Weise eine Idee von Erben aufgenommen (vgl. 12 1980: 60), der im Zusammenhang mit einer ähnlichen Grundkonzeption zur Ebenendifferenzierung den Aspekt der Wortbildung hervorhebt (vgl. genauer zu diesem Ansatz auch die Ausführungen in Kapitel 1.5.2). 123 Bei der hier genannten verbalen Form lesenInfinitiv handelt es sich gemäß der vorliegenden
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es sich dann um eine lexikalische Einheit mit der Wortart ‚Substantiv‘ handeln, die in syntaktischen Strukturen ausschließlich in N0-Positionen auftreten kann. Einen derartigen Vorgang könnte man nach Fleischer / Barz als Wortbildungsprozess bezeichnen, und zwar als Konversion (vgl. u. a. Fleischer / Barz 42012: 88).¹²⁴ Allerdings ist es in der Wortbildungsforschung bekanntermaßen umstritten, ob Konversion als Wortbildungsprozess zu betrachten ist bzw. – falls ein solcher angesetzt wird – welche Phänomene genau unter diesem Begriff zu subsumieren sind. Da die Annahme des o. g. Konversionsbegriffs jedoch nicht nur für eine gesamtsystematische Erläuterung der soeben ausführlicher betrachteten Fälle wie lesen / (das) Lesen von entscheidender Bedeutung ist, sondern zugleich auch für die in der vorliegenden Arbeit fokussierte Adjektiv-Adverb-Frage, soll im folgenden Abschnitt ein Exkurs zum Phänomen des Wortartwechsels bzw. speziell eine Auseinandersetzung mit dem Konversionsbegriff eingefügt werden. Es soll dabei jedoch keine Aufarbeitung der kaum überschaubaren Forschungsliteratur geleistet werden.¹²⁵ Vielmehr wird es darum gehen, den für den vorliegenden Zusammenhang favorisierten Ansatz nach Fleischer / Barz vor dem Hintergrund des Sprachsystems näher zu betrachten und speziell die Vorteile im Vergleich zu einer anderen, u. a. von Eisenberg vertretenen Position herauszuarbeiten. Im Anschluss daran kann dann durch eine Zusammenführung der Erkenntnisse aus der Wortarten-, Wortbildungs- und Lexikonforschung die Darstellung eines differenzierenden Konzepts der Wortartenzuordnung erfolgen mit dem Ziel, die benannten grundlegenden terminologischen und methodischen Fragen umfassend zu beantworten.
2.2.3.2 Wortarten und Wortartwechsel Wenn im Folgenden das Phänomen ‚Wortartwechsel‘ vor dem Hintergrund des soeben thematisierten differenzierenden Konzepts der Wortartenzuordnung Betrachtung findet, geschieht dies im Rahmen der allgemein üblichen und auch
Lexikonkonzeption um eine Einheit aus dem Output des Sprachsystems. Es wird also – darauf sei an dieser Stelle nochmals hingewiesen – insofern eine Interaktion zwischen lexikalischem und grammatischem System angenommen, als der Output des Sprachsystems grundsätzlich auch als Input für den Bereich der Wortbildungsregeln fungieren kann; vgl. genauer dazu Kapitel 2.2.2.2. 124 Auch wenn im Folgenden fast ausschließlich aus neueren und neuesten Publikationen von Barz zitiert wird, soll der Ansatz als Ansatz „nach Fleischer / Barz“ bezeichnet werden, da er insbesondere durch die gemeinsam erarbeitete Wortbildungslehre von Fleischer / Barz Verbreitung gefunden hat bzw. damit in der Forschung in Verbindung gebracht wird. 125 Vgl. für einen umfassenden Forschungsüberblick u. a. Vogel 1996.
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in der vorliegenden Arbeit vertretenen Position, Lexeme als eindeutig wortartmarkiert anzusehen.¹²⁶ Die Idee, für Wortformen wie (das) Lesen oder (den) gelesenen (Text) einen Wortartwechsel vom Verb zum Substantiv bzw. zum Adjektiv anzunehmen, ist primär darin begründet, dass trotz offenkundiger Gemeinsamkeiten mit verbalen Wortformen im Satz zugleich deutliche grammatische Unterschiede vorliegen (vgl. (183)–(184)). (183) Er möchte etwas lesen. – Das Lesen bereitet ihm Schwierigkeiten. (184) Sie haben den Text gelesen. – Sie sprechen über den gelesenen Text. Folglich ist zu prüfen, ob Wortformen wie lesen – (das) Lesen möglicherweise durch einen Wortartwechsel in spezifischer Weise aufeinander zu beziehen sind und dadurch die Annahme von verschiedenen Lexemen (z. B. LESENV und LESENN) motiviert werden kann.¹²⁷ Betrachtet seien im Folgenden die Fälle (185)– (194), die in der Forschungsliteratur typischerweise im Zusammenhang mit Wortartwechsel diskutiert werden:¹²⁸ (185) (186) (187) (188) (189) (190) (191) (192)
Sie lehrt an der Uni. – Er ist Lehrer. Das kann man waschen. – Das ist waschbar. Er sah den Staub auf den Büchern. – Das muss man entstauben. Schick mir bitte ein Fax. – Er faxt den Antrag. Ich meine diese grüne Wiese. – Es grünt. Musst du so schreien? – Plötzlich gab es einen lauten Schrei. Kannst du das bitte lesen? – Das Lesen fällt ihm schwer. Ich habe Gemüse bestellt. – Dort liegt das bestellte Gemüse.
126 Vgl. zur Begründung für diesen Ansatz u. a. Barz 2002: 658 und Eisenberg 42013 I: 282. Als Vertreter der Gegenposition wird für das Deutsche zumeist nur auf Bergenholtz / Mugdan 1979 verwiesen (vgl. u. a. Vogel 1996: 29; Eisenberg 42013 I: 282). Es sei an dieser Stelle nochmals auf die hier vertretene Lexemdefinition hingewiesen, wonach Lexeme verstanden werden als abstrakte Einheiten, die das verschiedenen formalen Ausprägungen Gemeinsame umfassen und die entweder im Lexikon gespeichert oder durch Wortbildungsregeln erfasst sind (vgl. dazu Kapitel 2.2.2.2). 127 Für den Fall, dass ein Wortartwechsel bestätigt werden kann, wird hier davon ausgegangen, dass nicht nur ein Lexem, sondern verschiedene Lexeme vorliegen. Diese Auffassung ist u. a. auch kompatibel mit der Position der Dudengrammatik, die für Wortformen wie lesen – (das) Lesen gerade nicht verschiedene Lexeme ansetzt, aber zugleich auch nicht von einem Wortartwechsel ausgeht. Vgl. jedoch zur kritischen Beurteilung der Dudenauffassung Kapitel 2.2.3.1. 128 Aus Gründen der Vereinfachung werden v. a. Fälle wie Babysitting – babysitten hier nicht aufgeführt, da sie einerseits nicht mehrheitlich im Zusammenhang mit Wortartwechsel thematisiert werden und andererseits – angesichts der vorliegenden Themenstellung – nicht im Fokus der folgenden Ausführungen stehen werden.
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Lösungsvorschlag
(193) Er wurde dazu befragt. – Die Befragten hoffen auf Besserung. (194) Das ist eine schöne Feier. – Das ist das Schöne daran. Für die zuerst genannten Beispiele in (185)–(187) herrscht weitgehend Konsens, dass ein Wortartwechsel vorliegt (z. B. in (185) vom Verb zum Substantiv), der mithilfe des prototypischen Wortbildungsverfahrens ‚Derivation‘ zu erfassen ist. Die mehrheitlich vertretene Annahme, von zwei verschiedenen Lexemen auszugehen, scheint v. a. in den deutlich sichtbaren Unterschieden auf phonologischer, semantischer und grammatischer Ebene begründet zu sein. Weitaus problematischer gestaltet sich der Umgang mit den Beispielen in (188)–(194), da im Gegensatz zu den o. g. Fällen v. a. deutliche phonologische Unterschiede fehlen und semantische und grammatische Eigenschaften der betreffenden Wortformen unterschiedlich bewertet werden. Es ist demnach strittig, ob ein Wortartwechsel vorliegt und somit verschiedene Lexeme angesetzt werden können. Entsprechend vielfältig und divergierend sind die Ansätze in der Forschung beim Umgang mit derartigen Fällen, wobei unterschiedliche Termini wie ‚Konversion‘, ‚Nullableitung‘, ‚Umkategorisierung‘ etc. Verwendung finden, ohne dass damit zwingend auf dieselben Fälle referiert wird (vgl. u. a. Vogel 1996: 2; Barz 2002: 658). Diese schwierige und unübersichtliche Forschungslage ist m. E. vornehmlich auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen ist man bei der Untersuchung von Wortartwechsel auf bestimmte theoretische Grundannahmen unterschiedlicher Forschungsbereiche angewiesen, die zumindest als kontrovers gelten müssen. Man denke beispielsweise an die Schwierigkeiten bei der Definition des Wortbegriffs oder an die problematische Forschungssituation in der Wortartenlehre (vgl. u. a. Plank 1984; Knobloch / Schaeder 2000). Es ist daher durchaus zu erwarten, dass sich bei der Betrachtung von Wortartwechselphänomenen nicht nur zahlreiche divergierende Positionen ergeben, sondern möglicherweise auch Schwierigkeiten, die bereits aus den Grundannahmen resultieren und fortgeführt werden. Ein weiterer Grund für die schwierige Forschungssituation besteht darin, dass das Phänomen ‚Wortartwechsel‘ nicht eindeutig einem bestimmten Forschungsbereich zugeordnet werden kann, mindestens die Wortarten- und die Wortbildungsforschung sind thematisch beteiligt. Diese Zuordnungsunsicherheit spiegelt sich forschungsgeschichtlich darin wider, dass insbesondere die Fälle (188)–(194) einmal im Rahmen der Syntax, einmal im Rahmen der Wortbildung oder aber in beiden Bereichen abgehandelt werden (vgl. dazu Vogel 1996: 20 ff.). Gegenwärtig erfolgt eine Auseinandersetzung mit Wortartwechselphänomenen in aller Regel in der Wortbildungsliteratur. Allerdings werden je nach Ansatz einige der o. g. Fälle aus der Wortbildung in den Bereich der Syntax verwiesen, ohne dass dort tatsächlich eine ausführlichere Thematisierung zu konstatieren ist.
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Angesichts dieser Schwierigkeiten wird es als besonders wichtig erachtet, die Thematik nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Wenn im Folgenden für eine bestimmte Auffassung von Wortartwechsel und speziell für einen Konversionsbegriff plädiert wird, wie er v. a. von Fleischer / Barz etabliert wurde, geschieht dies deshalb unter Berücksichtigung und Vernetzung der Wortarten-, Wortbildungs- und Lexikonforschung. Im Fokus stehen dabei aktuell vorherrschende Auffassungen zum Thema Wortartwechsel bzw. Konversion: die o. g. Position nach Fleischer / Barz sowie eine darauf Bezug nehmende Gegenposition, wie sie von Eisenberg und anderen vertreten wird.¹²⁹ Neben einer kritischen Betrachtung der jeweils angeführten Argumente soll v. a. gezeigt werden, inwiefern die favorisierte Auffassung mit den im Rahmen der vorliegenden Arbeit bereits problematisierten und explizierten Grundannahmen in Einklang gebracht werden kann – insbesondere mit den Kriterien zur Wortartenbestimmung und mit der Vorstellung zum Aufbau des Sprachsystems. Zunächst sei in aller Kürze die Position nach Fleischer / Barz dargestellt. Zentraler Bezugspunkt für diese Konversionsauffassung ist die Annahme, Wortartwechselphänomene prinzipiell im Rahmen der Wortbildung zu erfassen (vgl. v. a. Barz 2002: 657; Duden 4 82009: 648). So wird dem Wortartwechsel – und damit indirekt auch der Wortbildung – die Funktion zugewiesen, „Wörter einer Wortart für ihre Verwendung in anderen Wortarten verfügbar zu machen“ (Duden 4 82009: 649). Im Sinne einer adäquaten Betrachtung verweist Barz explizit auf die Bedeutung der Prototypentheorie, da im Hinblick auf Wortartenzugehörigkeit u. U. verschiedene Typikalitätsgrade zu beobachten sind (vgl. Barz 2002: 658, 661). Als relevante Wortbildungsarten für derartige Wechselprozesse werden vornehmlich die Derivation und die Konversion genannt (vgl. u. a. ebd.: 658 f.). Konversion wird dabei definiert als „eine Wortbildungsart, bei der ein Wort in eine andere Wortart umgesetzt oder eine syntaktische Fügung in ein Substantiv verwandelt wird, und zwar ohne Beteiligung von Affixen“ (Duden 4 82009: 667). In neueren Publikationen unterscheidet auch Barz – gemäß der inzwischen verbreiteten Differenzierung – zwischen morphologischer und syntaktischer Konversion, betrachtet diese jedoch explizit als zwei Subklassen von Konversion (vgl. ebd.; Fleischer / Barz 42012: 88). Demnach haben die Wortformen faxt, grünt,
129 Nicht betrachtet werden im Folgenden Ansätze zur Nullderivation, da sich das Konzept des Nullmorphems laut Vogel für das Deutsche nicht durchsetzen konnte (vgl. Vogel 1996: 29) und zudem im Rahmen der in der vorliegenden Arbeit postulierten wortbasierten Herangehensweise vernachlässigt werden kann (vgl. zu diesem Ansatz im Deutschen v. a. Olsen 1990 sowie zur kritischen Beurteilung u. a. Meibauer et al. 22007: 65 f.). Unberücksichtigt bleiben außerdem weitere, vereinzelt vertretene Positionen, u. a. die Auffassung, Wortartwechsel im Rahmen der Flexion anzusiedeln (vgl. Haspelmath 1996 sowie kritisch dazu Eschenlohr 1999: 47 f.).
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Lösungsvorschlag
Schrei, Lesen, bestellte, Befragten und Schöne aus den o. g. Fallbeispielen (vgl. (188)–(194)) allesamt als Konversionen zu gelten, sodass diese Auffassung von Konversion im Vergleich zu anderen Positionen als eine weit gefasste bezeichnet werden kann.¹³⁰ Die Begründungen, die für diese Position angeführt werden, sind von zweierlei Art. Zum einen wird in der Neubearbeitung der Wortbildungslehre Bezug genommen auf besonders strittige Fälle wie die der substantivierten Infinitive und Adjektive (vgl. Fleischer / Barz 42012: 88 f.). Dass mit Einheiten wie (das) Lesen und (das) Schöne, die gemeinhin der sog. syntaktischen Konversion zugerechnet werden, nicht mehr verbale bzw. adjektivische Lexeme, sondern Wortbildungen mit eigenem Lexemstatus vorliegen, wird in erster Linie damit begründet, dass diese Einheiten über ein anderes, wortartgerechtes Flexionsparadigma verfügen (z. B. die substantivische Flexion von (das) Lesen) bzw. wenigstens morphosyntaktische Merkmale der Zielwortart übernehmen und zudem potenziell lexikalisierbar sind (z. B. (der) Angestellte) (vgl. dazu ebd.: 89). Leider erfolgen insbesondere keine detaillierten Erläuterungen dazu, was genau unter der Übernahme morphosyntaktischer Eigenschaften der Zielwortart zu verstehen ist.¹³¹ Nimmt man an, dass damit allgemein auf (morpho-)syntaktische Eigenschaften Bezug genommen wird, lassen sich auch im Fall von (das) Schöne entsprechende Argumente für das Vorliegen eines Konversionsprozesses angeben, da hier zwar keine Übernahme der substantivtypischen morphosyntaktischen Merkmale erfolgt (diese sind nach wie vor adjektivisch), wohl aber andere syntaktische Eigenschaften für einen Wortartwechsel angeführt werden könnten (z. B. die substantivtypische Fähigkeit zur Subkategorisierung bzw. Rektion von Nominalphrasen im Genitiv wie in (195)).¹³²
130 Neben den genannten Fällen werden als Konversionen auch deverbale Bildungen wie Trank / Trunk und aus syntaktischen Fügungen gebildete Wörter wie (das) So-tun-als-ob bezeichnet (vgl. Duden 4 82009: 667). Im vorliegenden Zusammenhang ist der Umgang mit derartigen Fällen nicht entscheidend und soll daher aus Gründen der Vereinfachung vernachlässigt werden. 131 Dies ist v. a. deshalb gesondert anzumerken, weil dieses Kriterium für die Annahme von Konversion letztlich konstitutiv zu sein scheint. Weder das Vorliegen eines wortartgerechten Paradigmas noch Lexikalisierbarkeit können als notwendige Kriterien für die Zuordnung von Einheiten zur Wortbildungsart ‚Konversion‘ gelten. Andernfalls dürften strittige Fälle wie (das) Simsen oder (eine) Unersetzliche gerade nicht als Konversionen bezeichnet werden, da sie unabhängig von ihrer Lexikalisierbarkeit auch als unmittelbar transparente Bildungen aufgefasst werden können bzw. müssen (vgl. genauer dazu u. a. Eisenberg 42013 I: 281) und darüber hinaus zumindest Lexeme wie (eine) Unersetzliche kein wortartgerechtes Paradigma aufweisen. 132 An dieser Stelle soll jedoch keine vertiefende Diskussion dieser mit Fällen wie (das) Schöne verbundenen Problematik erfolgen (sie bietet Stoff für eine eigene Arbeit), es sei lediglich auf die
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(195) das Schöne des Mannes In vorangegangenen Publikationen von Barz findet sich eine Argumentation in dieser Explizitheit noch nicht. Dass vermutlich bereits dort v. a. die o. g. (morpho-) syntaktischen Eigenschaften zur Beurteilung der fraglichen Fälle herangezogen werden, zeigt sich nur implizit in der Betonung der verschiedenen Funktionen von Wortbildung. So wird im Rahmen einer polyfunktionalen Auffassung von Wortbildung dafür argumentiert, dass Wortbildung nicht ausschließlich der Wortschatzerweiterung dient, sondern darüber hinaus verschiedene weitere Funktionen zu erfüllen hat – u. a. auch eine syntaktische Funktion: Bildungsergebnisse mit dominant syntaktischer Funktion nicht als Wortbildungsprodukte zu klassifizieren hieße, Wortbildung zu einseitig als Verfahren der Lexikonerweiterung zu sehen und möglicherweise auch andere Bildungstypen aus der Wortbildung auszuschließen. Immerhin kann der gesamten Gruppe grammatischer Abstrakta – Derivaten auf -ung, -ation, -(er)ei, Ge- … -e, -nis, -er, -e und der Verbstammkonversion – primär syntaktische Funktion zugeschrieben werden. (Barz 1998: 58)
Mit dieser Argumentation wird nicht nur für Einheiten wie (das) Lesen oder (das) Schöne eine Zuordnung in den Bereich der Wortbildung legitimiert, sondern zugleich auch für weitere Fälle wie (der) Schrei, die ebenfalls als primär syntaktisch motivierte Bildungen bezeichnet werden können.¹³³ Nun richtet sich die zweite der hier zu betrachtenden Konversionsauffassungen nicht grundsätzlich gegen eine syntaktische Funktion von Wortbildung. Allerdings wird die Position vertreten, dass bestimmte Erscheinungen – und zwar genau diejenigen, die unter dem Begriff ‚syntaktische Konversion‘ gefasst werden (hier wiederholend dargestellt in (196)–(199)) – dennoch nicht im Rahmen der Wortbildung Behandlung finden sollten, sondern in der Syntax (vgl. v. a. Meibauer et al. 22007: 63 f.; Eisenberg 42013 I: 281).
entsprechende Debatte in der Literatur verwiesen (vgl. u. a. Vater 1987; Olsen 1988; Bhatt 1990; Helbig / Buscha 2001; Barz 2002). 133 Vgl. dazu u. a. den Ansatz von Motsch, der als konstitutiv für Wortbildungsregeln eine semantische und / oder phonologische Veränderung ansieht, nicht jedoch syntaktische Veränderungen (vgl. Motsch 22004: 17). Aus diesem Grund werden u. a. Wörter wie Schrei explizit nicht als Wortbildungen betrachtet, da laut Motsch weder eine semantische noch eine phonologische Veränderung anzunehmen ist (vgl. ebd.: 324). Dass Wörter wie (das) Lesen dennoch als Wortbildungen verstanden werden, hat damit zu tun, dass sie im gegebenen Rahmen über eine phonologische Veränderung als Derivationen auf -en betrachtet werden (vgl. ebd.: 329; kritisch dazu u. a. Fleischer / Barz 42012: 88).
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(196) (197) (198) (199)
Kannst du das bitte lesen? – Das Lesen fällt ihm schwer. Ich habe Gemüse bestellt. – Dort liegt das bestellte Gemüse. Er wurde dazu befragt. – Die Befragten hoffen auf Besserung. Das ist eine schöne Feier. – Das ist das Schöne daran.
Begründet wird das Ausklammern der genannten Fälle damit, dass Wörter wie (das) Lesen oder (das) Schöne ein Verhalten zeigen, das sich deutlich von Wortbildungen wie faxen, grünen oder (der) Schrei abhebt. Man bezieht sich hierbei zum einen auf Flexionseigenschaften. Typischerweise entsprechen diese der Zielwortart des Wortbildungsprozesses, so wie im Fall von faxen, grünen oder (der) Schrei, die eindeutig verbal (faxen, grünen) bzw. substantivisch (Schrei) flektieren. Wörter wie (das) Lesen oder (das) Schöne weisen jedoch weiterhin bestimmte Merkmale der Ausgangswortart auf (vgl. zusammenfassend Eisenberg 42013 I: 280 f.): So bleiben entweder Flexionselemente der Ausgangswortart erhalten (vgl. z. B. das ursprünglich verbale Flexionsaffix -en in (das) Lesen) oder es wird sogar die gesamte Flexionsart beibehalten (vgl. z. B. die adjektivische Flexion von (das) Schöne in (199)). Argumentiert wird außerdem mit dem Verhalten der Wörter in syntaktischen Strukturen. Im Gegensatz zu anderen Wortbildungen wie (der) Schrei lassen sich für Wortformen wie (das) Lesen oder bestellt Überlappungen in syntaktischen Kontexten beobachten (vgl. Meibauer et al. 22007: 63 sowie Eisenberg 42013 I: 281), die eine eindeutige Wortartenzuordnung und damit die Beurteilung zum Vorliegen eines Wortartwechsels durch Konversion erschweren. Beispielsweise treten verbale und substantivierte Infinitive in gleichartigen Umgebungen auf (vgl. u. a. die bei Eisenberg 42013 I: 281 angeführten Beispiele leben / Leben / Milch und Bier trinken / Biertrinken in (200)–(201)). Vergleichbares lässt sich auch für verbale und adjektivische Wortformen wie bestellt / frisch feststellen (vgl. (202)–(203)). (200) (201) (202) (203)
Sie will leben. – Sie will Leben. – Sie will Milch. Bier trinken ist gesund – Biertrinken ist gesund. Das Gemüse wird bestellt. – Das Gemüse ist bestellt. Das Gemüse ist bestellt. – Das Gemüse ist frisch.
Diese und weitere Eigenschaften¹³⁴ werden angeführt, um zu zeigen, dass im Vergleich zu anderen Wortbildungen wie (der) Schrei die Annahme von zwei, durch
134 Als weitere Argumente gegen die Annahme von Konversion in den genannten Fällen werden Eigenschaften wie uneingeschränkte Produktivität und geringe Tendenz zu Lexikalisierung aufgeführt, die für Wortbildungen allgemein untypisch sind (vgl. u. a. Eschenlohr 1999: 47). Al-
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Wortbildung aufeinander bezogenen Wörtern in (196)–(199) zumindest bezweifelt werden kann. In der von Eisenberg, Meibauer et al. und anderen vertretenen Konversionsauffassung wird die Konsequenz gezogen, diese Fälle zwar als Wortartwechselphänomene zu betrachten, sie jedoch aus der Wortbildung auszuklammern und als sog. ‚syntaktische Konversionen‘ in den Bereich der Syntax zu verweisen (vgl. u. a. Eisenberg 42013 I: 281). Lediglich Wortartwechselphänomene wie faxen, grünen oder (der) Schrei werden der Wortbildung zugeordnet und als sog. ‚morphologische Konversionen‘ bezeichnet. An dieser Stelle könnte nun eine genauere Analyse der einzelnen Argumente der zwei soeben dargestellten Konversionsauffassungen erfolgen. Wie zu Beginn des Kapitels dargelegt, steht jedoch eine gesamtsystematische Betrachtung der Konversionsthematik im Mittelpunkt des Interesses. Daher sei der Blick im Folgenden nicht auf einzelne Argumente, sondern primär auf das Sprachsystem als Ganzes gerichtet, verbunden mit der Frage, inwiefern die Konversionsauffassungen mit Vorstellungen zum Aufbau und Funktionieren des Sprachsystems bzw. mit der hier angesetzten Vorstellung vereinbar sind. In Bezug auf den zuletzt dargestellten Konversionsbegriff, der u. a. von Eisenberg und Meibauer et al. vertreten wird, ist vornehmlich zu fragen, ob die angeführten Argumente tatsächlich eine Ausklammerung bestimmter Wortartwechselphänomene aus der Wortbildung rechtfertigen. So besteht eine zentrale, nicht unproblematische Auswirkung des engeren Konversionsbegriffs darin, dass Wortartwechselphänomene nicht nur in der Wortbildung, sondern auch in der Syntax bzw. Grammatik stattfinden müssen.¹³⁵ Allerdings lassen sich weder in der Syntax- noch in anderen Bereichen der Grammatikforschung detailliertere Ausführungen zum Thema ‚Wortartwechsel‘ bzw. ‚syntaktische Konversion‘ finden, sodass ungeklärt bleibt, wie man sich einen Umkategorisierungsprozess innerhalb der Syntax vorzustellen hat.¹³⁶ Das mag zum einen daran liegen, dass die Problematisierung von Wortartwechsel in der Wortbildungsforschung das Problem aus der Syntax verdrängt hat. Andererseits ist es durchaus üblich, in der Syntax die Bestimmbarkeit von Wortartkategorien als minimalen syntaktischen Einheiten vorauszusetzen, um auf diese Weise ein möglichst einheitliches und ökonomisches Regelsystem zu etablieren.¹³⁷ Demnach würde sich – um es vor-
lerdings stehen diese Merkmale der Position von Barz 1998 nicht entgegen, da nicht behauptet wird, dass es sich bei den genannten Fällen um typische Wortbildungen handelt. 135 Vgl. u. a. auch Olsen, die annimmt, dass Bildungen wie (das) Wollen oder verärgert „auf einer höheren, die Flexion einschließenden Ebene der Grammatik vorgenommen werden muß“ (Olsen 1990: 186). 136 Zu diesem Schluss kommt u. a. auch Eschenlohr in ihrer Analyse (vgl. Eschenlohr 1999: 47). 137 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung des sog. Lexikalismus in
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Lösungsvorschlag
sichtig zu formulieren – eine Vernetzung mit anderen Forschungsbereichen bei dieser Konversionsauffassung wenigstens als problematisch erweisen. Grundlegend anders stellt sich die Situation im Hinblick auf den Konversionsbegriff nach Fleischer / Barz dar, denn eine Konzentration aller Wortartwechselphänomene im Bereich der Wortbildung führt nicht zu den o. g. Schwierigkeiten im Gesamtsystem, da Wortartwechsel gerade nicht in der Syntax bzw. Grammatik erklärt werden muss. Die Prüfung der Vereinbarkeit des weiten Konversionsbegriffs nach Fleischer / Barz mit dem Gesamtsystem zeigt darüber hinaus Folgendes: Die Möglichkeit zu einer gesamtsystematischen Betrachtung ist bereits angelegt in der o. g. Position, Wortartwechsel im Rahmen einer polyfunktional verstandenen Wortbildung zu betrachten, denn auf diese Weise wird eine Vernetzung mit anderen Forschungsbereichen wie Lexikologie, Semantik, Syntax etc. nahegelegt. Tatsächlich finden bei der Betrachtung von Wortartwechsel u. a. auch Erkenntnisse der Wortartenforschung Berücksichtigung, indem beispielsweise die Bedeutsamkeit der Prototypentheorie bei der Definition von Wortarten hervorgehoben wird. Darüber hinaus wird, bezogen auf Wortartkriterien, zumindest allgemein nicht nur auf morphologische, sondern auch auf syntaktische Kriterien verwiesen (vgl. Duden 4 82009: 649). Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass es primär syntaktische bzw. (morpho-)syntaktische Eigenschaften sind, die für die hier betrachteten strittigen Fälle zu einer Annahme von Wortartwechsel durch Wortbildung führen (vgl. v. a. Fleischer / Barz 42012: 89). In jedem Fall steht bei dieser Herangehensweise einer engeren Verknüpfung von Wortbildungs- und Wortartenforschung nichts entgegen. Es bietet sich sogar die Möglichkeit, den weiten Konversionsbegriff zu verbinden mit einer primär syntaktisch orientierten Wortartenklassifikation, wie sie in der vorliegenden Arbeit vertreten wird. Darin ist ein entscheidender Vorteil zu sehen. Zudem kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit zumindest betont werden, dass die Konversionsauffassung nach Fleischer / Barz sehr gut mit dem in Kapitel 2.2.2.2 erarbeiteten Lexikonmodell in Einklang gebracht werden kann und darin ein wesentlicher Vorzug im Sinne einer gesamtsystematischen Betrachtung der Wortartenthematik zu sehen ist. Das betrifft zunächst die im Lexikonmodell formulierte Konzeption von Wortbildungsregeln, die besagt, dass diese Regeln der Lexembildung dienen und eine von drei Minimalbedingungen erfüllen müssen, um als Wortbildungsregel gelten zu können. Die Konversionsauffassung nach Fleischer / Barz ermöglicht es, Konversion als Wortbildungsart zu integrieren, wenn – gemäß der
der generativen Grammatik (vgl. dazu Kapitel 2.2.2.1), motiviert v. a. durch die scheinbar nicht lösbaren Schwierigkeiten, Wortbildungsprozesse sinnvoll im Rahmen der Syntax bzw. Grammatik zu erfassen.
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o. g. Interpretation der Argumente – (morpho-)syntaktische Veränderungen des Inputs als konstitutiv für Konversionsregeln erachtet werden (vgl. Fleischer / Barz 4 2012: 89). Damit wird die erstgenannte Bedingung erfüllt, derzufolge mindestens eine syntaktische Veränderung vom In- zum Output vorliegen muss. Abgesehen von dieser Möglichkeit zur reibungslosen Integration in den Bereich der Wortbildungsregeln ist in besonderer Weise hervorzuheben, dass die Konversionsauffassung zugleich auch kompatibel ist mit der Gesamtstruktur des vorliegenden Lexikonmodells. Entscheidend dafür ist die Fleischer / Barz’sche Auffassung, jegliche Form von Wortartwechsel im Rahmen der Wortbildung zu erklären. Folglich können im vorliegenden Lexikonmodell alle wortartverändernden Prozesse im lexikalischen System bzw. – genauer – in den dort lokalisierten Wortbildungsregeln verortet werden. Darin zeigt sich zum einen die Vereinbarkeit mit der Vorstellung zum Aufbau und Funktionieren des grammatischen Systems (so u. a. mit der dort zugrunde liegenden, allgemein üblichen Vorstellung, Wortartkategorien im Modul Syntax vorauszusetzen). Zum anderen kann den lexikalischen Einsetzungsregeln die spezifische Bedeutung beigemessen werden, auf der Basis von Wortartkategorien als entscheidende Verbindung zwischen den Teilsystemen des Sprachsystems zu fungieren. Die bisher dargestellte Verbindbarkeit der Konversionsauffassung nach Fleischer / Barz mit dem hier angesetzten Lexikonmodell ist an sich bereits als besonders vorteilhaft zu bewerten. Darüber hinaus birgt diese Zusammenführung von Wortbildungs- und Lexikonforschung noch einen weiteren entscheidenden Vorzug. So wird in der ‚Konversionsdebatte‘ häufig – und zwar vornehmlich bei Berücksichtigung der Speicherungsproblematik – die Kritik geäußert, der weite Konversionsbegriff nach Fleischer / Barz würde „auf jeden Fall zu einer Aufblähung des Lexikons mit homonymen Formen“ (Eschenlohr 1999: 49) führen. Dieses Argument lässt sich jedoch im Rahmen des hier angesetzten Lexikonmodells mühelos entkräften. Dort sollen Lexeme nämlich nur dann im Lexikon gespeichert werden, wenn sie idiosynkratische Eigenschaften aufweisen. Folglich würden die umstrittenen Fälle von Konversion wie (das) Lesen, (das) Schöne etc. im gegebenen theoretischen Rahmen gerade nicht zu der o. g. unnötigen Erweiterung des Lexikons führen, sondern lediglich durch entsprechende Wortbildungsregeln repräsentiert werden. In Vernetzung mit dem hier angesetzten Lexikonmodell erweist sich die favorisierte weite Auffassung von Konversion damit wiederum als äußerst konstruktiv. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Auseinandersetzung mit aktuellen Konversionsauffassungen insbesondere vor dem Hintergrund des Sprachsystems verschiedene bedeutsame Argumente dafür liefert, in der vorliegenden Arbeit einen weiten Konversionsbegriff in der Tradition von Fleischer / Barz zu favori-
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Lösungsvorschlag
sieren. Es bietet sich damit – und zwar im deutlichen Gegensatz zu anderen Konversionsbegriffen – die Möglichkeit, Erkenntnisse aus Wortarten-, Wortbildungsund Lexikonforschung auf stimmige und gewinnbringende Weise miteinander zu verbinden. Von Interesse ist dieser Umstand besonders für den Ausgangspunkt der dargestellten ‚Konversionsdebatte‘: So wurde im vorangegangenen Kapitel 2.2.3.1 die These formuliert, die Beziehung zwischen den zwei Wortartenzuordnungen könne im Falle einer kategoriellen Diskrepanz über Wortartwechsel auf der Basis von Wortbildungsregeln präzisiert werden. Dies kann nun vor dem Hintergrund der dargestellten Argumentation bestätigt werden, und zwar mithilfe des weiten Konversionsbegriffs in der Tradition von Fleischer / Barz. Somit lässt sich eine der zentralen Ausgangsfragen, wie genau es dazu kommt, dass eine Wortform wie Lesen im Satz an substantivischer Position auftritt, obwohl die zugrunde liegende Lexikoneinheit die Wortart ‚Verb‘ aufweist, folgendermaßen beantworten: Bevor das substantivische Lexem LESENN, das ausdrücklich nicht im Lexikon gespeichert ist, das lexikalische System verlässt, finden Wortbildungsregeln Anwendung, die mindestens einen Wortartwechsel bewirken. Im Fall von (das) Lesen handelt es sich dabei um eine Konversionsregel, durch die aus dem Infinitiv des im Lexikon gespeicherten verbalen Lexems LESENV ein substantivisches Lexem LESENN gebildet wird, sodass letzteres entsprechend in N0-Position erscheinen kann.¹³⁸ Den Wortbildungsregeln im Sprachsystem und insbesondere auch der Wortbildungsart ‚Konversion‘ im weiten Verständnis von Fleischer / Barz kommt demnach eine bedeutsame Funktion zu. Im Folgenden gilt es, diese Erkenntnis im Kontext einer detaillierteren Darstellung der Zuordnungsdifferenzierung adäquat umzusetzen.
2.2.3.3 Differenzierung in ‚Wortkategorien‘ und ‚Lexikalische Kategorien‘ Insbesondere in Kapitel 2.2.3.1 wurde aufgezeigt, dass zwischen Wortarten im Lexikon und Wortarten im Satz unterschieden werden muss und somit eine Differenzierung der Wortartenzuordnung nicht nur sinnvoll, sondern grundsätzlich notwendig wird. Mit dem Ziel, diesen neueren Ansatz der Wortartenforschung auszuarbeiten, wurden zunächst die wichtigsten Rahmenbedingungen für eine derartige Zuordnungsdifferenzierung dargestellt. Dabei erwies sich v. a. die Anbindung der Wortartenthematik an ein bestimmtes Lexikonmodell sowie die
138 Im Fokus steht hier allein die Frage der Wortartenzuordnung. Nicht erläutert werden andere mögliche Veränderungen (in der Semantik, Morphologie etc.), die damit jedoch nicht negiert werden sollen.
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Festlegung auf eine bestimmte Auffassung von Wortbildung bzw. – genauer – von Konversion als wesentlich, um die Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung und Präzisierung eines differenzierenden Konzepts der Wortartenzuordnung zu erreichen. Nach Klärung dieser Grundannahmen ist es nun möglich, die terminologischen und methodischen Konsequenzen für die Wortartenforschung zusammenfassend darzustellen und auf grundlegende Fragen genauer einzugehen, die in bisherigen Ansätzen zur Zuordnungsdifferenzierung nicht bzw. nicht ausreichend geklärt wurden. Zunächst sind damit Fragen der Bezeichnung und Definition angesprochen. So bedarf der Begriff ‚Wortart‘ ausdrücklich einer Spezifizierung, war doch bisher bewusst nur allgemein von Wortarten auf lexikalischer oder syntaktischer Ebene die Rede. Als terminologische Vorlage dient auch hier der Ansatz von Meibauer et al., wonach der Wortartenbegriff differenziert wird in ‚lexikalische Kategorie‘ (bezogen auf Wortformen im Satz) und ‚Wortart‘ (bezogen auf Lexikoneinheiten) (vgl. Meibauer et al. 22007: 129).¹³⁹ Der Terminus ‚lexikalische Kategorie‘ erweist sich v. a. deshalb als zutreffend auch für die hiesige Konzeption, weil damit auf Kategorien des lexikalischen Systems Bezug genommen wird und genau Wörter in diesem Sinne sollen – verstanden als Lexeme – Gegenstand der syntaktisch orientierten Wortartenzuordnung sein.¹⁴⁰ Zugleich ist mit dieser Bezeichnung die ebenfalls angestrebte Integration in die Terminologie der Syntax gegeben, da es sich bei ‚lexikalischen Kategorien‘ (analog zu den ‚phrasalen Kategorien‘) um eine zentrale Art von ‚syntaktischen Kategorien‘ handelt. Hingegen erscheint die Wahl des Begriffs ‚Wortart‘ als Oberbegriff für die Kategorien auf lexikalischer Ebene weniger günstig. Auch wenn tatsächlich zu beobachten ist, dass der Begriff ‚Wortart‘ häufig im Zusammenhang mit Wörtern i. S. v. Lexikoneinheiten Verwendung findet,¹⁴¹ so würde eine Beschränkung
139 Vgl. genauer zur Begründung der Orientierung an Meibauer et al. 22007 Kapitel 2.2.3.1. 140 In der Festlegung, den Terminus ‚lexikalische Kategorie‘ auf Lexeme in syntaktischen Strukturen zu beziehen, ist eine inhaltliche Abweichung von Meibauer et al. zu sehen, die sich im Zusammenhang mit ‚lexikalischen Kategorien‘ auf Wortformen und nicht auch auf abstrakte Lexeme beziehen (vgl. Meibauer et al. 22007: 129). Gründe für eine davon abweichende Position wurden in Kapitel 2.2.3.1 dargelegt. 141 So wird u. a. in der Dudengrammatik explizit darauf hingewiesen: „In der Wortlehre steht die Wortart im lexikalischen Sinn […] im Zentrum …“ (Duden 4 82009: 133). Auch in anderen Grammatiken wird die Systematisierung in Wortarten als eine Klassifikation des Vokabulars bzw. Wortbestandes aufgefasst (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 488; Zifonun et al. 1997: 23; Eisenberg 42013 II: 13;). Allerdings ist dies nicht ausschließlich der Fall, vgl. u. a. den syntaktischen Ansatz von Clément, der auf die Verwendung von Wörtern im Satz Bezug nimmt und dennoch mit dem Begriff ‚Wortart‘ arbeitet (vgl. Clément 2005: 80 ff.).
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dieses Begriffs auf die lexikalisch orientierte Zuordnung u. a. auch dazu führen, dass etablierte Termini wie ‚Wortartenlehre‘, ‚Wortartenforschung‘, ‚Wortartenproblematik‘, ‚Wortartenzuordnung‘ oder auch ‚Wortartwechsel‘ nur in diesem eingeschränkten Sinne aufzufassen wären. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der allgemein üblichen und auch in der vorliegenden Arbeit vertretenen Verwendung der Begriffe. Offensichtlich handelt es sich bei der Bezeichnung ‚Wortart‘ eher um eine Art Kennmarke, die extensional definiert ist und über eine lange, nur schwer aufzubrechende Tradition verfügt. Es erscheint m. E. daher sinnvoll, den Terminus ‚Wortart‘ vorerst nicht in dieser eingeschränkten Weise als Oberbegriff für Kategorien einer der beiden Zuordnungen einzusetzen, sondern ihn als einen allgemein tradierten Begriff für alle Ansätze der Wortartenforschung zu reservieren, unabhängig davon, ob eine begriffliche Differenzierung vorgesehen ist oder nicht.¹⁴² Folglich findet in der vorliegenden Arbeit der Terminus ‚Wortart‘ in diesem allgemeinen Sinne Verwendung, sodass Begriffe wie ‚Wortartwechsel‘ oder ‚Wortartenzuordnung‘ weiterhin in der deutlich üblicheren, nicht differenzierenden Bedeutung zu verstehen sind. Für die terminologische Gestaltung der Zuordnungsdifferenzierung resultiert daraus jedoch die Notwendigkeit, eine andere Bezeichnung für die Wortarten auf lexikalischer Ebene zu finden. Vorgeschlagen wird hier die Einführung des Begriffs ‚Wortkategorie‘.¹⁴³ Damit erfolgt einerseits eine Anknüpfung an den von Meibauer et al. eingeführten und hier aufgenommenen Terminus ‚lexikalische Kategorie‘, nicht zuletzt um mit dieser Parallele eine Akzentuierung der inhaltlichen Komplementarität der zwei Begriffe zu erreichen. Andererseits ist in der Bezeichnung ‚Wortkategorie‘ eine Anlehnung an den Terminus ‚Wortklasse‘ zu sehen, der von Helbig / Buscha im Rahmen eines primär syntaktischen Klassifikationsansatzes eingeführt wurde, was dem theoretischen Rahmen der vorliegenden Arbeit sehr nah kommt (vgl. Helbig / Buscha 2001: 19). Im angesetzten Rahmen soll der allgemein tradierte Begriff ‚Wortart‘ folglich spezifiziert werden in ‚lexikalische Kategorie‘ und ‚Wortkategorie‘. Diese Begriffe sind vor dem Hintergrund der dargelegten Rahmenbedingungen nun in folgender Weise zu definieren:
142 Vgl. in ähnlicher Weise u. a. Helbig / Buscha, die den Terminus ‚Wortart‘ für die Bezeichnung der allgemein tradierten Begrifflichkeit verwenden und, davon abhebend, in der spezifischeren Bedeutung ‚Wortart im syntaktischen Sinne‘ den Terminus ‚Wortklasse‘ einführen (vgl. Helbig / Buscha 2001: 19). 143 Die denkbare und inhaltlich unmittelbar nahe liegende Bezeichnung ‚Lexikonkategorie‘ wurde v. a. aufgrund der zu starken Nähe zum Begriff ‚lexikalische Kategorie‘ ausgeschlossen.
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Lexikalische Kategorien sind Kategorien der syntaktischen Zuordnungsebene. Sie beziehen sich auf Lexeme des lexikalischen Systems, die beim Aufbau syntaktischer Strukturen als Basis für die lexikalischen Einsetzungsregeln fungieren. Wortkategorien sind Kategorien der lexikalischen Zuordnungsebene. Sie beziehen sich auf Lexikoneinheiten – genauer – auf alle Lexeme, die im Lexikon des lexikalischen Systems enthalten sind.
Nach Festlegung und Begründung dieser Terminologie können in einem nächsten Schritt methodische Aspekte der Zuordnungsdifferenzierung genauer dargestellt werden, und zwar speziell die Vorgehensweisen bei der Zuordnung von Wörtern zu lexikalischen Kategorien und zu Wortkategorien. Beide Vorgehensweisen stehen in einem besonderen Verhältnis, denn es besteht die Notwendigkeit, ein gestuftes Vorgehen anzusetzen. So muss zunächst eine Wortartenzuordnung auf syntaktischer Ebene erfolgen, bevor eine Kategorisierung auf lexikalischer Ebene vorgenommen werden kann, d. h. die Zuordnung von Wörtern zu lexikalischen Kategorien bildet die Voraussetzung für die Zuordnung zu Wortkategorien. Begründet ist dies vornehmlich darin, dass die Festlegung der Wortkategorie eine Analyse des gesamten Verwendungsspektrums voraussetzt und eine derartige Analyse Gegenstand der Wortartenzuordnung auf syntaktischer Ebene ist. Das konkrete methodische Vorgehen sei nun im Folgenden genauer erläutert, wobei es weniger um die Erfassung aller fallspezifischen Vorgehensweisen geht als vielmehr um die Darstellung des methodischen Grundprinzips, das u. a. auch für die in der vorliegenden Arbeit fokussierte Adjektiv-Adverb-Frage von Relevanz ist. Exemplarisch lässt sich dieses Grundprinzip anhand von Phänomenen verdeutlichen, die typischerweise im Zusammenhang mit der Zuordnungsdifferenzierung genannt werden – beispielsweise anhand des bereits ausführlich diskutierten Falls von lesen / (das) Lesen.¹⁴⁴ Zunächst steht die Wortartenzuordnung auf syntaktischer Ebene im Fokus. Die Wahl einer syntaktischen Herangehensweise sowie die einzelnen syntaktischen Klassifikationskriterien sind in Kapitel 2.1 begründet und erläutert sowie am Beispiel von Wörtern wie schnell und sofort im Einzelnen vorgeführt worden. An dieser Stelle sei jedoch noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass als Ausgangspunkt der Wortartenzuordnung nicht einzelne Wortformen, sondern sog. ‚syntaktische Wörter‘ dienen. Darunter zu verstehen sind im Satz vorkommende Grundeinheiten,
144 Eine Übertragbarkeit auf etwas anders gelagerte Fälle ist dennoch gegeben, beispielsweise für Fälle wie wasch(en) / waschbar, die sich im Gegensatz zu lesen / (das) Lesen deutlicher voneinander unterscheiden, für die aber durch die Zusammenschau beider Wortartenzuordnungen ebenfalls systematische Zusammenhänge erkennbar gemacht werden können.
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die sowohl über eine spezifische lexikalische Bedeutung verfügen als auch durch eine oder mehrere formale Ausprägung(en) im Satz repräsentiert werden können.¹⁴⁵ In diesem Sinne wird im Folgenden das syntaktische Wort les(en) betrachtet und mittels der angesetzten drei Klassifikationskriterien ‚Distribution‘, ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ in Bezug auf sein syntaktisches Verwendungspotenzial sowie im Hinblick auf ggf. spezifische morphosyntaktische Eigenschaften untersucht.¹⁴⁶ Da – wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt wurde – mit Kategorien letztlich auf Lexeme Bezug genommen wird, ist im Zuge der Analyse insbesondere auch zu eruieren, inwiefern für ein syntaktisches Wort aufgrund der Kategorienzugehörigkeit tatsächlich ein Lexem oder mehr als ein Lexem anzusetzen ist.¹⁴⁷ In einem ersten Schritt gilt es dabei, das Kriterium ‚Distribution‘ anzuwenden. Dabei ist für das syntaktische Wort les(en) ein relativ umfangreiches Verwendungspotenzial zu konstatieren. Exemplarisch seien in (204)–(209) bestimmte, für den Erklärungszusammenhang zentrale Verwendungen angeführt: (204) (205) (206) (207) (208) (209)
Er möchte etwas lesen. Ich lese das Buch seit mehreren Tagen. Das Buch wurde gelesen. Das Lesen bereitet ihm Schwierigkeiten. Er hat Probleme mit dem Lesen. Sie haben die Methodik des Lesens mühsam trainiert.¹⁴⁸
Vor dem Hintergrund der ermittelten Verwendungsmöglichkeiten ist in einem nächsten Schritt die Frage zu beantworten, ob sich die betreffenden Einheiten
145 Vgl. zur Begründung dieser Terminologie Kapitel 2.1.1. 146 Die Notation für das syntaktische Wort les(en) orientiert sich an der üblichen Zitierform im Deutschen. Als Hinweis darauf, dass es sich dabei nicht um eine bestimmte Wortform handelt, erscheint das Infinitivflexiv in Klammern. 147 Ergeben sich verschiedene Kategorisierungen, müssen auch verschiedene Lexeme angenommen werden. Grundlage dafür liefert die Annahme, Lexeme als eindeutig wortartmarkiert anzusehen. Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.3.2. 148 Die Annahme, dass es sich bei den exemplarisch aufgeführten Verwendungen von les(en) um ein und dasselbe syntaktische Wort handelt, wird mit der übereinstimmenden lexikalischen Bedeutung begründet, lässt sich doch beispielsweise in Sätzen wie Er lernt lesen / Lesen. m. E. in Bezug auf die lexikalische Bedeutung kein Unterschied zwischen lesen und Lesen feststellen. Vgl. u. a. auch Fleischer / Barz, die im Zusammenhang mit der Konversion des Infinitivs darauf verweisen, dass „kaum semantische Unterschiede fassbar werden“ (Fleischer / Barz 42012: 25) bzw. Motsch, der sogar für Wortpaare wie schreien – Schrei semantische Übereinstimmung annimmt (vgl. Motsch 22004: 324).
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in allen Umgebungen syntaktisch gleichartig verhalten oder signifikant unterschiedlich. In diesem Zusammenhang relevant sind die Ergebnisse, die sich aus dem Einsatz der weiteren genannten Klassifikationskriterien ergeben. Für die o. g. Beispiele zeigt sich dabei, dass nicht für alle Distributionen gleichartige syntaktische Eigenschaften vorliegen. Exemplarisch sei dies für das Kriterium ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ verdeutlicht. Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei allen o. g. Verwendungen von les(en) um morphosyntaktische Wörter handelt, d. h. um Wortformen mit spezifischer grammatischer Ausprägung. Allerdings unterscheiden sich die Verwendungen in (204)–(206) und (207)–(209) u. a. im Hinblick auf die durch die morphosyntaktischen Wörter ausgedrückten morphosyntaktischen Merkmale. Ohne an dieser Stelle auf weitere Details einzugehen, ist erkennbar, dass les(en) in (204)–(206) gleichartige morphosyntaktische Eigenschaften aufweist und abzuheben ist von den Verwendungen in (207)–(209). Letztere zeigen jedoch – für sich genommen – ebenfalls eine Übereinstimmung im Hinblick auf die Art der morphosyntaktischen Eigenschaften. Unabhängig von den jeweiligen Klassenbezeichnungen bzw. -definitionen ist folglich zu konstatieren, dass für das syntaktische Wort les(en) kein eindeutiges syntaktisches Verhalten, sondern mindestens zwei verschiedene nachzuweisen sind. Für die Wortartenzuordnung auf syntaktischer Ebene ist daraus zum einen die Konsequenz zu ziehen, dass für die betrachteten Verwendungen trotz formaler und semantischer Übereinstimmung bzw. Ähnlichkeit verschiedene Kategorien anzusetzen sind. Denn als zentraler Bezugspunkt für die Zuordnung zu lexikalischen Kategorien dienen die jeweils konkreten syntaktischen Eigenschaften im Satz, d. h. die jeweilige syntaktische Umgebung sowie die damit verbundenen (morpho-)syntaktischen Merkmale. Im Fall von les(en) bedeutet das, dass man in Abhängigkeit von der Verwendung in (204)–(206) eine lexikalische Kategorie annehmen würde, die üblicherweise als ‚Verb‘ bezeichnet wird, bzw. in (207)– (209) eine andere lexikalische Kategorie, die üblicherweise als ‚Substantiv‘ bezeichnet wird. Zum anderen resultiert aus dieser Annahme verschiedener Kategorien zugleich auch, dass zwei verschiedene Lexeme LESENV und LESENN anzusetzen sind, da für Lexeme jeweils eine eindeutige Kategorisierung zugrunde gelegt wird. Ein derartiges Nebeneinander von Lexemen erfordert insofern eine Erklärung, als starke Ähnlichkeiten auf der Ebene der Form und Semantik eine völlige Unabhängigkeit von LESENV und LESENN unplausibel erscheinen lassen. Möglicherweise systematisch bestehende Zusammenhänge lassen sich jedoch allein auf der syntaktischen Ebene der Wortartenzuordnung nicht angemessen zum Ausdruck bringen. Vielmehr gelingt eine Erfassung derartiger Zusammenhänge durch den Einbezug der Wortartenzuordnung auf lexikalischer Ebene. Dies gilt es, im Folgenden näher zu erläutern.
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Lösungsvorschlag
Ausgangspunkt der Wortartenzuordnung auf lexikalischer Ebene ist das Ergebnis der Zuordnung auf syntaktischer Ebene. Für das syntaktische Wort les(en) wurde dabei festgestellt, dass in Abhängigkeit von der Verwendung u. a. eine Zuordnung zur lexikalischen Kategorie ‚Verb‘ sowie eine Zuordnung zur lexikalischen Kategorie ‚Substantiv‘ erfolgen kann. Im Fall einer derartigen Konkurrenzsituation und der damit verbundenen Hypothese eines systematischen Zusammenhangs zwischen den Lexemen LESENV und LESENN ist zunächst zu prüfen, ob dieses Phänomen tatsächlich systematisch im Wortschatz auftritt. Für les(en) kann dies ohne Zweifel bejaht werden, vgl. etwa Wörter wie bastel(n), denk(en), erkrank(en), ermüd(en), frag(en), kauf(en), mal(en), ruf(en), sims(en), tanz(en), untersag(en) und wachs(en), die sich analog verhalten (vgl. exemplarisch (210)–(215)) und ebenfalls in Abhängigkeit von der Verwendung als Verb oder als Substantiv kategorisiert werden können. (210) Er möchte etwas basteln. (211) Das Basteln fällt ihm schwer. (212) Er wird noch erkranken. (213) Das Erkranken an Tuberkulose hat wieder zugenommen. (214) Sie wollte uns nicht ermüden. (215) Ein Ermüden während der Prüfung ist verhängnisvoll. Das Vorliegen einer solchen systematisch auftretenden Notwendigkeit zur Mehrfachkategorisierung verweist darauf, dass zwischen den betreffenden Vertretern dieser Kategorien eine spezifische Beziehung in Form eines Wortartwechsels bestehen könnte. Wie im vorangegangenen Kapitel 2.2.3.2 dargestellt wurde, steht zur Erläuterung derartiger Beziehungen grundsätzlich der Bereich der Wortbildungsregeln zur Verfügung. Bezogen auf den vorliegenden Fall wäre demnach zu prüfen, inwiefern eine spezifische Wortbildungsbeziehung zwischen den Infinitivformen der Lexeme LESENV, BASTELN V, ERMÜDENV etc. und den entsprechenden, formal identischen substantivischen Lexemen angenommen werden kann. Dabei zeigt sich, dass in der Wortbildungsliteratur – wie ebenfalls schon im vorangegangenen Kapitel deutlich wurde – eine entsprechende Wortbildungsregel bereits existiert und für eine Analyse auf der lexikalischen Ebene der Wortartenzuordnung genutzt werden kann (vgl. u. a. Fleischer / Barz 42012: 270 ff.). Da es im vorliegenden Zusammenhang jedoch um die Veranschaulichung des Grundprinzips geht, das insbesondere auch für Fälle zur Anwendung kommen soll, für die bisher keine entsprechende Wortbildungsregel etabliert wurde, wird
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im Folgenden dennoch die Herleitung derartiger Wortbildungsregeln anhand von lesen / (das) Lesen exemplarisch erläutert. Für das Etablieren einer Wortbildungsregel stellt sich insbesondere die Frage, welche der betreffenden Kategorien als Ausgangskategorie angesetzt werden soll, um daraus die jeweils andere Kategorie mithilfe entsprechender Regeln herleiten zu können. Die Festlegung der Gerichtetheit dieser (Wortbildungs-)Beziehung ist zum einen von zentraler Bedeutung für das Etablieren einer Wortbildungsregel. Darüber hinaus ist das Ermitteln der Gerichtetheit insofern wesentlich, als die Zuordnung von Lexemen zu Wortkategorien direkt damit in Zusammenhang steht. In der Konsequenz soll nämlich für ein Lexem wie LESEN nur ein Lexikoneintrag mit Angabe einer eindeutigen Wortkategorie angesetzt werden, während die daraus regulär abgeleiteten Lexeme (hier z. B. das zweite Lexem LESEN anderer Kategorie) nicht im Lexikon gespeichert, sondern ausschließlich im Rahmen der Wortbildung erfasst werden.¹⁴⁹ Ein essentieller Schritt für die Wortartenzuordnung auf lexikalischer Ebene ist demnach in der Festlegung der Ausgangskategorie bzw. in der damit in Zusammenhang stehenden Erarbeitung einer entsprechenden Wortbildungsregel zu sehen. Zu diesem Zweck müssen die jeweils konkurrierenden Kategorien genauer betrachtet werden. Lassen sich grammatische und / oder andere stichhaltige Indizien finden, die die Annahme einer gerichteten Beziehung rechtfertigen, so kann eine der beiden Kategorien als Ausgangskategorie für die Regelbildung festgelegt werden.¹⁵⁰ Für das vorliegende Beispiel lesen / (das) Lesen würde dies folgendermaßen aussehen: Relevant sind die Kategorien ‚Substantiv‘ und ‚Verb‘. Dabei ist für Fälle wie LESENN, BASTELNN oder WACHSENN festzustellen, dass sie sich im Vergleich zu anderen, prototypischen Vertretern der Substantivklasse wie ANGST, BLATT oder BUCH eher wie untypische Substantive verhalten, u. a. aufgrund „der im Normalfall fehlenden Pluralformen [und] der Einschränkungen beim Gebrauch bestimmter Artikelwörter […]“ (Barz 2002: 659). Hingegen können Lexeme wie LESENV, BASTELNV oder WACHSENV im Vergleich mit anderen Elementen der Verbklasse als prototypische Vertreter gelten, da sie keinerlei (morpho-)syntak-
149 Für Lexeme werden im vorliegenden Modell nur dann Lexikoneinträge angesetzt, wenn idiosynkratische Eigenschaften dies erforderlich machen. Vgl. genauer dazu Kapitel 2.2.2.2. 150 Zum Problem der Gerichtetheit derartig systematischer Beziehungen vgl. v. a. Literatur aus dem Bereich der Wortbildungsforschung. Dort werden zur Bestimmung der sog. Ableitungsrichtung v. a. morphologische und semantische Kriterien sowie das Produktivitätskriterium herangezogen (vgl. Vogel 1996: 44; Meibauer et al. 22007: 64 f.; Fleischer / Barz 42012: 268 f.). Darüber hinaus sollen auch allgemeine theoretische Überlegungen zur Bildung möglichst einfacher Regeln einbezogen werden, wie sie beispielsweise in der Phonologie zugrunde gelegt werden (vgl. u. a. Hall 2000: 64).
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Lösungsvorschlag
tische Besonderheiten oder Beschränkungen aufweisen. Darüber hinaus könnte man auch anführen, dass zwar alle typischen Vertreter der Verbklasse auch als untypische Substantive auftreten können, nicht jedoch umgekehrt. So können nicht alle typischen Vertreter der Substantivklasse zugleich auch als weniger typische Verben auftreten (vgl. ArbeitN / arbeitenV, aber: BlattN / *blattenV, Tisch N / *tischen V, LustN / *lustenV,). Folglich ist die Kategorie ‚Verb‘ als Ausgangskategorie anzusetzen und eine entsprechende Wortbildungsregel würde – stark vereinfacht – wie in (216) darzustellen sein.¹⁵¹ (216) VInfinitiv → N Der aus diesen Analyseschritten hervorgehende Erklärungszusammenhang ist für die Wortartenzuordnung auf lexikalischer Ebene nun insofern von Bedeutung, als man sehr häufig die Wortkategorie direkt aus der Ausgangskategorie ablesen kann. Dies ist beispielsweise der Fall für das hier untersuchte syntaktische Wort les(en): Als Ausgangskategorie fungiert hier die Kategorie ‚Verb‘, sodass auf lexikalischer Ebene grundsätzlich für alle Verwendungen von les(en) eine Zuordnung zur Wortkategorie ‚Verb‘ erfolgt (vgl. exemplarisch (204)–(209)). Allerdings kann dieses Vorgehen nicht als allgemeines Prinzip der Wortartenzuordnung gelten, weil Wortkategorien laut Definition nur in Bezug auf Lexikoneinheiten angegeben werden können und es eine lexemspezifische Frage ist, ob für das betreffende Lexem ein Lexikoneintrag angenommen wird oder nicht. So verfügt beispielsweise das Lexem LESEN über einen Lexikoneintrag, während dies für das Lexem ERKRANKEN nicht angenommen wird. Es sind daher grundsätzlich zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: Entweder kann die Zuordnung von Wörtern zu Wortkategorien unmittelbar auf der Grundlage der jeweils relevanten Wortbildungsregel erfolgen, d. h. die Wortkategorie entspricht der in diesem Zusammenhang ermittelten Ausgangskategorie bzw. ist daraus abzulesen (vgl. das o. g. Beispiel für les(en)). Oder – und das ist die zweite Möglichkeit – es muss zuvor eine weiterführende Untersuchung aller, auch der bereits vorangegangenen regulären Wortbildungsprozesse stattfinden, bis als Ausgangskategorie eine Einheit eruiert wird, die tatsächlich über einen Lexikoneintrag verfügt. Letzteres wäre beispielsweise für die syntaktischen Wörter erkrank(en) und ermüd(en) zutreffend, denn dem hier betrachteten Konversionsprozess vom verbalen Infinitiv erkranken bzw. ermüden zum Substantiv
151 Damit bestätigt sich die in der Wortbildungsliteratur etablierte Wortbildungsregel. Außerdem findet sich konform dazu auch die Bezeichnung derartiger Phänomene als Infinitivkonversion (vgl. u. a. Barz 1998).
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(das) Erkranken bzw. (ein) Ermüden ist bereits ein völlig regulärer Wortbildungsprozess vorausgegangen, bei dem aus den Lexikoneinheiten KRANK und MÜDE jeweils ein Verb gebildet wurde. Demnach handelt es sich bei der Ausgangskategorie ‚Verb‘ für diese Wörter nicht um die festzulegende Wortkategorie, sondern um einen wichtigen Zwischenschritt. So werden im Lexikon nicht etwa die völlig regulär gebildeten Lexeme ERKRANKEN bzw. ERMÜDEN verzeichnet, sondern nur die Lexeme KRANK bzw. MÜDE. Folglich wird für alle Verwendungen von erkrank(en) und ermüd(en) im Satz auf lexikalischer Ebene nur ein Lexem angesetzt, das der Wortkategorie ‚Adjektiv‘ zuzuordnen ist. Je nach zuzuordnender lexikalischer Kategorie muss darüber hinaus ein Zwischenschritt verzeichnet werden (vgl. z. B. (217)–(218)). (217) Das Erkranken an Tuberkulose hat wieder zugenommen. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: A; Zwischenschritt: V (218) Ein Ermüden während der Prüfung ist verhängnisvoll. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: A; Zwischenschritt: V (219) Sie wollte uns nicht ermüden. Lexikalische Kategorie: V Wortkategorie: A Außer bei diesen komplexen Fällen kann von derartigen Zwischenschritten jedoch prinzipiell abgesehen werden – etwa bei allen anderen o. g., mit les(en) vergleichbaren Beispielen. Hier kann die Wortkategorie jeweils direkt aus der Ausgangskategorie der oben betrachteten Wortbildungsregel abgelesen werden, denn die Lexeme BASTELN, MALEN, UNTERSAGEN etc. verfügen gemäß der vorliegenden Lexikonkonzeption über einen Lexikoneintrag. Folglich würde man für diese Fälle ebenso wie für les(en) die Wortkategorie ‚Verb‘ ansetzen (vgl. exemplarisch (220)–(225)). (220) Er hat Probleme mit dem Lesen. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: V (221) Das Basteln fällt ihm schwer. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: V
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Lösungsvorschlag
(222) Seine größte Leidenschaft ist das Malen unter freiem Himmel. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: V (223) Ich weiß nicht, ob es mit einem einfachen Untersagen getan ist. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: V (224) Er möchte etwas lesen. Lexikalische Kategorie: V Wortkategorie: V (225) Sie malen einfach den ganzen Tag. Lexikalische Kategorie: V Wortkategorie: V Die vorangegangenen Ausführungen demonstrieren exemplarisch, wie bei der Zuordnung von Wörtern zu lexikalischen Kategorien bzw. bei der Zuordnung von Wörtern zu Wortkategorien vorzugehen ist.¹⁵² Während auf syntaktischer Ebene die bereits in Kapitel 2.1 ausführlich dargestellten syntaktischen Kriterien entscheidend für die Zuordnung sind, erweisen sich auf lexikalischer Ebene darüber hinaus v. a. wortbildungsmorphologische Zusammenhänge als zentral. Insgesamt zeigt sich, dass je nach Art der Zuordnung unterschiedliche Vorgehensweisen angesetzt werden müssen, die allerdings primär durch das syntaktische Kriterieninventar, das für die Beurteilung auf beiden Ebenen relevant ist, in Bezug zueinander stehen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass mit der vorgelegten Beschreibung methodischer Aspekte einerseits ein Lösungsvorschlag unterbreitet wird für die grundlegende und in bisherigen Darstellungen ungeklärte Frage, wie man genau zu ebenenspezifischen Kategorisierungen gelangt. Andererseits wird eine Antwort gegeben auf die ebenfalls wesentliche Frage nach der Beziehung zwischen den beiden Wortartenzuordnungen. Dabei ist festzustellen, dass dem
152 Hingewiesen sei noch einmal darauf, dass hier lediglich die Darstellung des methodischen Grundprinzips im Mittelpunkt stand und folglich nicht alle Fälle erfasst wurden. Die Übertragbarkeit auf etwas anders gelagerte Fälle ist jedoch – mit geringen Modifikationen – durchaus gegeben. Vgl. u. a. Fälle wie wasch(en) / waschbar ess(en) / essbar oder sieg(en) / besieg(en), lüg(en) / belüg(en) oder klug / Klugheit, schön / Schönheit, bei denen statt eines syntaktischen Wortes mehrere untersucht werden und die systematisch zwischen ihnen bestehenden Zusammenhänge methodisch analog zu ermitteln sind.
Wortarten im Sprachsystem
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Bereich der Wortbildungsregeln die entscheidende Bedeutung zukommt. Denn es muss – ausgehend von der Wortartenzuordnung auf syntaktischer Ebene – jeweils geprüft werden, inwiefern Wortbildungszusammenhänge für die untersuchten Wörter relevant sind. Grundlegend sind dabei zwei Fälle zu differenzieren: Zum einen besteht die Möglichkeit, dass Wortbildungsregeln für Lexeme, die als Basis für die lexikalischen Einsetzungsregeln fungieren, keine Rolle spielen (z. B. für das Simplex LESENV ) bzw. neben dem Wirken von Wortbildungsregeln idiosynkratische Eigenschaften für die betreffenden Wörter festzustellen sind (z. B. auf der Ebene der Semantik für RENNENN i. S. v. ‚sportlicher Wettbewerb‘). In diesen Fällen ist die Existenz entsprechender Lexikoneinträge im lexikalischen System notwendig. Die Beziehung zwischen den beiden Wortartenzuordnungen ist dann von direkter Art, d. h. bei den Lexemen, die als Basis für lexikalische Einsetzungsregeln zum Aufbau syntaktischer Strukturen dienen, handelt es sich zugleich um Lexeme aus dem Lexikon des lexikalischen Systems. Es kann folglich verlässlich davon ausgegangen werden, dass für die betreffenden Wörter eine Übereinstimmung im Hinblick auf Wortkategorie und lexikalische Kategorie vorliegt (vgl. u. a. (226)–(228)). Die Beziehung der Zuordnungen ergibt sich folglich vor dem Hintergrund wortbildungsmorphologischer Untersuchungen, sie erfährt jedoch keine weitere Spezifizierung, da eine reine Übereinstimmung bezüglich der Kategorisierung vorliegt. (226) Er möchte etwas lesen. Lexikalische Kategorie: V Wortkategorie: V (227) Sie haben das Rennen knapp gewonnen. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: N (228) Das Auto hat den Elchtest bestanden. Lexikalische Kategorie: N Wortkategorie: N Die zweite und für die vorliegende Arbeit deutlich interessantere Möglichkeit besteht darin, dass für Wörter, die in syntaktischen Strukturen auftreten, Wortbildungszusammenhänge relevant sind und unmittelbar vor dem Einsetzen der Wörter in eine syntaktische Struktur mindestens ein völlig regulärer Wortbildungsprozess stattgefunden hat. Zutreffen würde dies etwa auf LESENN oder ERKRANKENN, die im gegebenen theoretischen Rahmen als Resultate eines regulären Konversionsprozesses vom Verb zum Substantiv betrachtet werden. Für
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Lösungsvorschlag
diese Fälle besteht keine Notwendigkeit, eigene Lexikoneinträge anzusetzen, da sie ausschließlich im Rahmen der Wortbildungsregeln im lexikalischen System erfasst werden können. In der Konsequenz bedeutet das, dass im Gegensatz zu dem zuerst dargestellten Fall nicht Lexikoneinheiten das lexikalische System verlassen, um in die entsprechenden syntaktischen Strukturen eingesetzt zu werden. Vielmehr müssen im Vorfeld Wortbildungsregeln durchlaufen worden sein, sodass die dadurch gebildeten Lexeme adäquater Kategorie Gegenstand der lexikalischen Einsetzungsregeln sein können (z. B. LESENN ). Diese Lexeme beruhen jedoch letztlich auf bestimmten Lexikoneinheiten (für das o. g. Beispiel: LESENV). Der Zusammenhang zwischen regulär wortgebildeten Lexemen ohne Lexikoneintrag und zugrunde liegenden Lexemen, die über einen Lexikoneintrag verfügen, wird dann aus der Zusammenschau der beiden Wortartenzuordnungen ersichtlich (vgl. u. a. (220)–(223)), wobei sich die Beziehung jeweils durch ein ‚Dazwischenschalten‘ entsprechender Wortbildungsregeln konstituiert. Neu an diesem Ansatz ist demnach, dass der Bereich der Wortbildungsregeln als eine Art Scharnier zwischen den beiden Wortartenzuordnungen fungiert und jeweils eine Erklärung für alle Fälle liefert, bei denen keine Übereinstimmung im Hinblick auf die zu kategorisierenden Einheiten in Lexikon und Satz zu konstatieren ist. Die grundlegende Frage nach der Beziehung zwischen den Wortartenzuordnungen lässt sich folglich durch den Einbezug der Wortbildungsregeln auf elegante Weise beantworten. Somit wird auch in dieser Hinsicht eine entscheidende Präzisierung der Zuordnungsdifferenzierung geleistet.
2.3 Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung¹⁵³ 2.3.1 Vorbemerkungen Nachdem in Kapitel 2.2 das Konzept einer differenzierenden Wortartenzuordnung vor dem Hintergrund eines spezifischen Lexikonmodells weiterentwickelt und im Hinblick auf zentrale Aspekte entscheidend präzisiert wurde, soll nun in Kapitel 2.3 eine Anwendung dieses Konzepts auf die hier fokussierte AdjektivAdverb-Problematik erfolgen. Hintergrund für die Ausarbeitung des Konzepts
153 Soweit nicht anders vermerkt, wird in Kapitel 2.3 – ebenso wie bereits in Kapitel 2.1 – der Begriff ‚Wort‘ i. S. v. ‚syntaktisches Wort‘ verwendet. Dabei wird syntaktisches Wort verstanden als eine in Sätzen vorkommende Grundeinheit, die über eine spezifische lexikalische Bedeutung verfügt und durch eine oder mehrere formale Ausprägung(en) im Satz repräsentiert werden kann. Vgl. genauer dazu Kapitel 2.1.1.
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
173
war die bereits im Zusammenhang mit anderen Ansätzen beobachtete Konsequenz einer Mehrfachkategorisierung für zahlreiche Wörter wie schnell, die auch auf den vorliegenden syntaktischen Ansatz zutrifft. Je nach Vorkommen im Satz kann demnach u. a. eine Zuordnung zur Wortart ‚Adjektiv‘ oder zur Wortart ‚Adverb‘ erfolgen (vgl. der schnelleA Mann vs. SchnellAdv kommt der Mann.), wobei diese Tatsache zumindest erklärungsbedürftig ist und insbesondere die Frage nach einer möglicherweise systematisch bestehenden Beziehung zwischen Adjektiven und Adverbien aufwirft. Daher erschien es zielführend, in Kapitel 2.2 eine gesamtsystematische Betrachtung der Wortartenthematik vorzunehmen. Das in diesem Zusammenhang erarbeitete differenzierende Konzept der Wortartenzuordnung, in dem sich insbesondere auch Wortbildungsprozesse als besonders zentral erwiesen, führte bereits dazu, für vergleichbar komplexe Fälle der Wortartenklassifikation wie (das) Lesen, (das) Malen oder (das) Rufen eine überzeugende Antwort auf die Frage nach der Wortartenzuordnung zu geben. Es stellt sich demnach die Frage, ob dieses Konzept tatsächlich auch auf Wörter wie schnell anwendbar ist. Hinweise darauf finden sich vereinzelt in der Literatur, indem die Adjektiv-Adverb-Frage u. a. auch im Zusammenhang mit der Differenzierung in zwei Ebenen der Wortartenzuordnung Erwähnung findet (vgl. v. a. Meibauer et al. 22007) und die Bedeutung von Ableitungs- bzw. Wortbildungsprozessen für die Präzisierung der Adjektiv-Adverb-Beziehung zumindest angedeutet wird (vgl. v. a. Becker 61848: 172; Erben 121980: 60; Vonhoegen 1994: 53 f.). Zur Klärung der Übertragbarkeit des Konzepts wird zunächst in Kapitel 2.3.2 der Versuch einer ebenenspezifischen Wortartenzuordnung unternommen. Insbesondere die Wortartenzuordnung auf lexikalischer Ebene, d. h. die Zuordnung von Wörtern zu Wortkategorien, bedarf dabei einer detaillierteren Betrachtung. Im Anschluss daran gilt es, im Sinne der zu etablierenden Adjektiv-Adverb-Beziehung den Bereich der Wortbildungsregeln genauer zu untersuchen, da dort die entscheidenden Wortartwechselprozesse erklärt werden müssten. Entsprechend wird in Kapitel 2.3.3 ausgeführt, wie eine Wortbildungsregel aussehen könnte, die die Beziehung zwischen Einheiten wie schnellA und schnellAdv adäquat zum Ausdruck bringen und es somit ermöglichen könnte, vor dem Hintergrund der Ebenendifferenzierung eine überzeugende gesamtsystematische Antwort auf die Adjektiv-Adverb-Frage zu geben.
2.3.2 Ebenenspezifische Wortartenzuordnung Das Ziel, mithilfe des angesetzten theoretischen Rahmens eine Adjektiv-AdverbBeziehung zu konstituieren, macht es erforderlich, in einem ersten Schritt für Wörter wie schnell, schön und sofort eine ebenenspezifische Wortartenzuordnung
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Lösungsvorschlag
vorzunehmen. Insbesondere eine Wortartenzuordnung auf syntaktischer Ebene muss jedoch nicht in aller Ausführlichkeit dargestellt werden, da die in Kapitel 2.1 detailliert erarbeitete und erläuterte Kategorisierung als eine Zuordnung auf syntaktischer Ebene zu betrachten ist. Es genügt demnach ein zusammenfassender Überblick über die relevanten Ergebnisse, um darauf basierend eine Zuordnung auf lexikalischer Ebene vorzunehmen. So wurde auf syntaktischer Ebene festgestellt, dass syntaktische Wörter wie schnell und sofort in zahlreichen Umgebungen auftreten (vgl. exemplarisch (229)(233)), wobei insgesamt neun grundlegende Distributionen ermittelt wurden.¹⁵⁴ (229) (230) (231) (232) (233)
Der schnelle Mann sitzt auf der Bank. Dieses Kleid ist rosa. Sofort rennt sie zur Tür. Der schnell beleidigte Onkel wird nicht eingeladen. Direkt nach dem Konzert fuhr er nach Hause.
Die weiterführende syntaktische Analyse in den Kapiteln 2.1.3.2 und 2.1.3.3 hat dann zu der Erkenntnis geführt, dass sich diese neun Distributionen aufgrund des jeweiligen syntaktischen Verhaltens der betreffenden Wörter zu zwei Gruppen zusammenfassen lassen und insgesamt zwei verschiedene Wortarten bzw. – genauer – zwei lexikalische Kategorien anzusetzen sind.¹⁵⁵ Insbesondere Wörter wie schnell sind dabei aus syntaktischen Gründen in (229) einer anderen lexikalischen Kategorie zuzuordnen als beispielsweise schnell in (232). Allerdings trifft diese Beobachtung nicht uneingeschränkt zu, denn neben Wörtern wie schnell finden sich auch Wörter wie rosa oder sofort in (230)–(231), die jeweils eindeutig der lexikalischen Kategorie ‚Adjektiv‘ oder der Kategorie ‚Adverb‘ zuzuordnen sind bzw. deren Verwendung in der jeweils anderen Kategorie zu ungrammatischen Strukturen führt (vgl. z. B. Sofort kommt der Mann. ABER *der sofort Mann bzw. ein rosa Mann ABER *rosa kommen). Damit sind entscheidende Ergebnisse aus der Zuordnung auf syntaktischer Ebene benannt, sodass nun eine Zuordnung auf lexikalischer Ebene, d. h. eine Zuordnung zu Wortkategorien erfolgen kann.¹⁵⁶ Betrachtet seien dabei zunächst Fälle wie rosa oder sofort, für die auf syntaktischer Ebene eindeutige Kategorisierungen vorgenommen wurden. Für eine Wortartenzuordnung auf lexikalischer Ebene ist diese beobachtete Eindeutigkeit insofern von Bedeutung, als sie
154 Vgl. genauer zur Distributionsanalyse Kapitel 2.1.3.1. 155 Vgl. zum Terminus ‚lexikalische Kategorie‘ Kapitel 2.2.3.3. 156 Vgl. zum Terminus ‚Wortkategorie‘ Kapitel 2.2.3.3.
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
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deutliche Hinweise auf die zu ermittelnde Wortkategorie liefert. So kann speziell für alle betreffenden Wörter, die über einen Lexikoneintrag verfügen (da idiosynkratische Merkmale dies erfordern), verlässlich von einer Übereinstimmung zwischen lexikalischer Kategorie und Wortkategorie ausgegangen werden (vgl. u. a. (234)–(235)). Die Zusammenschau beider Wortartebenen verdeutlicht demnach keine zusätzlichen Zusammenhänge bezüglich einer möglicherweise systematischen Adjektiv-Adverb-Beziehung, vielmehr entsteht durch das eindeutige Verwendungspotenzial der Eindruck eines unabhängigen Nebeneinanders der beiden lexikalischen Kategorien. (234) Sofort rennt sie zur Tür. Lexikalische Kategorie: Adv Wortkategorie: Adv (235) Dieses Kleid ist rosa. Lexikalische Kategorie: A Wortkategorie: A Allerdings ist zugleich zu beobachten, dass andere syntaktische Wörter wie schnell oder direkt in Abhängigkeit von der Verwendung gleichermaßen den lexikalischen Kategorien ‚Adjektiv‘ oder ‚Adverb‘ zuzuordnen sind und somit auf syntaktischer Ebene zwei verschiedene Lexeme anzusetzen sind (vgl. neben schnell und direkt u. a. auch schön, unmittelbar und zäh). Damit ist der zentrale Fall benannt, der die gesamtsystematische Betrachtung der Adjektiv-AdverbProblematik in Kapitel 2.2 motiviert und in den bisherigen Ausführungen unter dem Begriff ‚Mehrfachkategorisierung‘ erfasst wurde (vgl. z. B. der schnelleA Mann vs. SchnellAdv kommt der Mann.). Eine Wortartenzuordnung auf lexikalischer Ebene kann in diesen Fällen nicht ohne weiteres erfolgen, sondern bedarf einer genaueren Analyse. Es muss insbesondere eruiert werden, inwiefern die Annahme eines eindeutig kategorisierten Lexems auf lexikalischer Ebene gerechtfertigt ist, das als Grundlage für formal und semantisch gleichartige bzw. sehr ähnliche Lexeme unterschiedlicher Kategorie auf syntaktischer Ebene dienen kann. Gemäß der in Kapitel 2.2.3.3 dargelegten Vorgehensweise ist dabei zunächst zu prüfen, ob die beobachtete Mehrfachkategorisierung für Wörter wie schnell, direkt oder schön tatsächlich systematisch im Deutschen zu beobachten ist. Hierbei kann ebenfalls auf Erkenntnisse zurückgegriffen werden, die im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Wortartendefinitionen in Kapitel 2.1.3 gewonnen wurden. Dort ist bereits anhand zahlreicher Beispiele das Vorliegen einer systematischen Zuordnungskonkurrenz nachgewiesen worden. Es lassen sich jedoch darüber hinaus weitere Beispiele anführen, die gleichermaßen ver-
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Lösungsvorschlag
anschaulichen, dass bestimmte Wörter je nach Verwendung syntaktisch als Adjektiv oder als Adverb zu klassifizieren sind: (236) Das ist ja mal eine angenehme Nachricht. (A)¹⁵⁷ (237) Das hat uns angenehm überrascht. (Adv) (238) Diese Erfahrung war wirklich bitter. (A) (239) Ich werde das noch bitter bereuen. (Adv) (240) Einige Hotelgäste machten falsche Angaben. (A) (241) Sie ignoriert die falsch geparkten Autos. (Adv) (242) Sie hat eine liederliche Frisur. (A) (243) Wir sollten nicht liederlich arbeiten. (Adv) (244) Sie versuchten, ihn milde zu stimmen. (A) (245) Da kann ich nur milde lächeln. (Adv) (246) Die Veranstaltung ist öffentlich. (A) (247) Gestern hat er es zumindest öffentlich erklärt. (Adv) (248) Das ist wirklich ein reizendes Geschenk. (A) (249) Sie kann wirklich reizend lächeln. (Adv) (250) Sie betrachtet das Ergebnis als schlecht. (A) (251) Er kann ihre schlecht leserliche Schrift nicht leiden. (Adv) (252) Das ist eine gut überlegte Antwort. (A) (253) Man sollte jetzt überlegt reagieren. (Adv) (254) Ich fand das Gespräch sehr zäh. (A) (255) Die Verhandlungen kommen nur zäh voran. (Adv) Diese Beispielliste ließe sich ohne Schwierigkeiten beträchtlich erweitern, d. h. im deutschen Wortschatz ist für eine sehr umfangreiche Gruppe von Wörtern ein mehrdeutiges Verhalten auf syntaktischer Ebene zu konstatieren, das eine Mehrfachkategorisierung (hier: je nach Verwendung ‚Adjektiv‘ oder ‚Adverb‘) zur Folge
157 Die Angabe (A) bzw. (Adv) bezieht sich jeweils auf die lexikalische Kategorie.
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
177
hat. Darin ist eine deutliche Parallele zu dem in Kapitel 2.2.3.3 ausführlich dargelegten Fall von les(en) zu sehen, bei dem die fokussierte Kategorisierung als Verb und als Substantiv ebenfalls für zahlreiche Wörter nachgewiesen werden konnte. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass zwischen Adjektiven und Adverbien tatsächlich eine ähnlich geartete, systematische Ableitungsbeziehung besteht, wobei eine der beiden Kategorien als Grundlage zur Ableitung der anderen dient. Folglich gilt es, in einem nächsten Schritt, den Bereich der Wortbildungsregeln genauer zu betrachten und dabei die Gerichtetheit der Beziehung bzw. die Ausgangskategorie für Wörter wie schnell zu ermitteln, die für die Zuordnung von Wörtern wie schnell zu Wortkategorien eine notwendige Grundlage darstellt. Im Gegensatz zu dem in Kapitel 2.2.3.3 betrachteten Fall les(en) findet sich jedoch in der Wortbildungsliteratur keine entsprechende Regel zur Erklärung der vorliegenden Fälle.¹⁵⁸ Folglich muss an dieser Stelle eine etwas ausführlichere vergleichende Analyse der jeweils konkurrierenden Kategorien erfolgen. Bezugspunkt dafür ist die exemplarisch vorgeführte Analyse für Wörter wie les(en). Dort konnten insofern eindeutige Hinweise auf die Ausgangskategorie geliefert werden, als ein Vergleich von Fällen wie (das) Lesen mit prototypischen Substantiven zu der Erkenntnis führte, dass nur eine bedingte Integration dieser Fälle in die Substantivklasse stattfindet und demnach die Kategorie ‚Verb‘ als Ausgangskategorie fungieren muss.¹⁵⁹ Eine derartige Analyse führt für Wörter wie schnell jedoch nicht in derselben Weise zu einem Ergebnis. So fehlt es im Gegensatz zur sog. Infinitivkonversion an vergleichbaren grammatischen Indizien, die Hinweise auf die Ableitungsrichtung liefern. Zu erklären ist dies primär damit, dass es sich bei der Adjektiv-Adverb-Zuordnung nicht um ein graduelles Phänomen handelt, d. h. es sind diesbezüglich gerade keine Typikalitätsgrade zu unterscheiden. Vielmehr kann verwendungsspezifisch lediglich festgestellt werden, ob ein Lexem im Satz morphosyntaktische Merkmale aufweist oder nicht, d. h. es muss eine Entweder-Oder-Entscheidung getroffen werden. Aufschlussreich für die Frage nach der Ableitungsrichtung ist im vorliegenden Fall allerdings die Betrachtung von Verwendungsbeschränkungen für die beiden Kategorien. Hintergrund dafür ist die allgemeine theoretische Überlegung, dass ein Zusammenhang prinzipiell einfacher darzustellen ist, wenn die weniger beschränkte Klasse als Grundlage gewählt wird, weil dann nur für bestimmte Fälle Zusatzannahmen i. S. v. Blockierungen formuliert werden müssen. Würde
158 Vgl. genauer dazu Kapitel 2.3.3. 159 Eine Integration in die Zielwortart erfolgt insofern nur bedingt, als u. a. Merkmale wie Pluralfähigkeit nicht oder erst im Zuge von Lexikalisierungsprozessen entstehen (vgl. u. a. für (das) Schreiben i. S. v. ‚schriftlicher Mitteilung‘).
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Lösungsvorschlag
man die stärker beschränkte Klasse als Ausgangskategorie wählen, hätte man hingegen umfangreichere Blockierungsbedingungen zu präzisieren.¹⁶⁰ Die für die Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ konstitutiven Distributionsrahmen lassen prinzipiell zwei Möglichkeiten zu: Man könnte einerseits die Kategorie ‚Adverb‘ als die weniger beschränkte Klasse ansetzen und annehmen, dass Wörter, die in typischer Adverbposition möglich sind, in aller Regel auch in der typischen Adjektivposition sowie in weiteren Verwendungen beider Kategorien auftreten können.¹⁶¹ Als Ausgangskategorie würde dann die Adverbklasse fungieren. Für Wörter wie schnell, schlecht oder zäh wäre dies eine denkbare Lösung. Auch für bestimmte Wörter wie schrittweise oder dort, die neben adverbtypischen Verwendungen auch – zumindest einzelne – adjektivische Verwendungen aufweisen (vgl. (256)–(260)), wäre diese Option möglich. Allerdings zeigt sich insgesamt, dass eine recht große Gruppe von Wörtern auf Adverbpositionen beschränkt ist und in der typischen Adjektivposition sowie in weiteren Verwendungen (v. a. in Kopulakonstruktionen) prinzipiell ungrammatisch ist (vgl. u. a. (256)–(266)). (256) Schrittweise kommt der Mann. vs. das schrittweise Kommen (257) * das schrittweise Auto¹⁶² (258) * Der Aufbau ist schrittweise. (259) Dort kommt der Mann. vs. Der Mann ist dort.¹⁶³ (260) * der dort Mann (261) * der geradeheraus Mann (262) * der oft Mann
160 Vgl. zu diesem theoretischen Ansatz u. a. Vorgehensweisen in der Phonologie in Bezug auf die Konstitution von Phonemen. So wird nach Hall (vgl. 2000: 64) angenommen, dass als Phonem /ç/ angesetzt wird, weil [ç] in deutlich mehr Kontexten vorkommt als das dazugehörige kombinatorische Allophon [x]. Eine Regel für das Auftreten von [ç] lässt sich demnach einfacher bzw. unter Präzisierung von wenigen blockierten Distributionen (in denen stattdessen [x] auftritt) formulieren. 161 Die Annahme einer derartig gerichteten Beziehung – wenngleich diese anders motiviert ist – findet sich durchaus in der deutschsprachigen Wortartenforschung, und zwar bei Adelung 1781 und 1782. Vgl. genauer dazu die Ausführungen in Kapitel 1.3.2. 162 Es handelt sich dabei nur um eine bestimmte Gruppe von Wörtern v. a. auf -/waizə/ , die spezifische formale Anforderungen an das Substantiv stellen, mit dem sie kongruieren. Gemeint ist v. a. die notwendige Deverbalität des Substantivs, die deutlich auf die zugrunde liegende Verwendung der betreffenden Wörter in Adverbposition verweist. 163 Die Verwendung in Adverbposition und prädikativen Konstruktionen ist beschränkt auf einzelne, semantisch und formal-strukturell unterschiedliche Wörter wie allein, da, heute oder morgen.
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
(263) (264) (265) (266)
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* der zuerst Mann * Der Mann ist anfangs. * Der Mann bleibt neuerdings. * Der Mann ist schönstens.
Die beobachteten Blockierungen sind jedoch nicht nur umfangreich, sondern zugleich sowohl semantisch als auch formal-strukturell heterogen, sodass eine entsprechende Systematisierung schwierig oder zumindest wenig praktikabel wäre. Es sei daher zunächst die zweite Möglichkeit betrachtet, bei der die Kategorie ‚Adjektiv‘ als die weniger beschränkte Klasse und damit als Ausgangskategorie angesetzt würde. Verallgemeinernd könnte man annehmen, dass Wörter, die in der typischen Adjektivposition grammatisch sind, dies in aller Regel auch in der typischen Adverbposition sowie in weiteren Verwendungen beider Kategorien sind. Auch dieser Ansatz ist für Wörter wie schnell, schlecht oder zäh vorstellbar. Eine genauere Analyse der in der typischen Adjektivumgebung möglichen Wörter zeigt, dass eine umfangreiche Gruppe von Wörtern tatsächlich über das beschriebene Verwendungspotenzial verfügt (vgl. u. a. auch weitere Beispiele in (236)– (255)). Allerdings gilt auch diese Aussage nicht uneingeschränkt. Speziell für die Verwendung in der typischen Adverbumgebung sind Blockierungen zu beobachten, und zwar wenn eine Kompatibilität mit der Semantik von Vollverben nicht gegeben ist (z. B. *rot laufen, *vier kommen). Hier scheinen Beschränkungen für bestimmte semantische Gruppen von Adjektiven vorzuliegen. Die Distributionsanalyse in Kapitel 2.1.3.1 hat diesbezüglich bereits zu Erkenntnissen geführt (vgl. u. a. (267)–(270)): So sind in Adverbposition u. a. solche Wörter blockiert, die eine Farbqualität bezeichnen (z. B. gelb, fliederfarben, blau) oder eine relationale Semantik aufweisen (z. B. Münchner, bleiern, ärztlich). Außerdem sind Wörter wie alleinig, dortig oder vorherig blockiert, wobei diese Beschränkung durch formal und semantisch ähnliche Wörter (allein, dort, vorher) zu erklären ist, die in Adverbverwendungen unproblematisch sind und in systematischer Beziehung zu den blockierten Wörtern stehen. (267) Gelb kommt der Mann. ≠ *gelb kommen (268) * Münchner kommt der Mann. (269) * Vorherig kommt der Mann. (270) Vorher kommt der Mann. Die genannten Beschränkungen lassen sich also offensichtlich systematisieren. Zudem stehen die blockierten Wörter einer deutlich größeren Gruppe von Wörtern gegenüber, die diesen Verwendungsbeschränkungen nicht unterworfen
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Lösungsvorschlag
sind. Aus diesen Gründen wird die zweite Option favorisiert, d. h. die Adjektivklasse kann als die weniger (und offensichtlich systematisch) beschränkte Klasse gelten. Demzufolge fungiert die Kategorie ‚Adjektiv‘ als Ausgangskategorie für alle Wörter, die sich wie schnell verhalten und auf syntaktischer Ebene eine Mehrfachkategorisierung (als Adjektiv oder Adverb) erforderlich machen. Wenngleich mit der vorangegangenen Bestimmung der Ausgangskategorie noch keine entsprechende Wortbildungsregel vorliegt (vgl. dazu die ausführlichere Darstellung in Kapitel 2.3.3), so ist doch mit Benennung der Ausgangskategorie die notwendige Voraussetzung geschaffen, eine Zuordnung zu Wortkategorien auch für diejenigen syntaktischen Wörter vorzunehmen, die auf syntaktischer Ebene sowohl in Adjektiv- als auch in Adverbposition Verwendung finden. Dabei lässt sich die Wortkategorie für alle betreffenden Wörter, die über einen Lexikoneintrag verfügen, direkt aus der Ausgangskategorie ablesen. Dies ist beispielsweise der Fall für das untersuchte Wort schnell, das auf lexikalischer Ebene demnach der Wortkategorie ‚Adjektiv‘ zugeordnet wird, während auf syntaktischer Ebene charakteristischerweise eine Zuordnung zur lexikalischen Kategorie ‚Adjektiv‘ oder zur lexikalischen Kategorie ‚Adverb‘ erfolgen muss. Wie bereits ausgeführt, ist es jedoch eine lexemspezifische Frage, ob ein Lexikoneintrag angenommen wird.¹⁶⁴ Gemäß der hier angesetzten Lexikonauffassung werden u. a. adjektivische Lexeme wie ÜBERLEGT nicht im Lexikon gespeichert, weil sie völlig regulär auf der Basis von Wortbildungsregeln erfasst werden können (für Fälle wie ÜBERLEGT durch deverbale Konversion¹⁶⁵). In einem solchen Fall kann als Wortkategorie nicht ‚Adjektiv‘ angegeben werden, da Wortkategorien ausschließlich in Bezug auf Lexikoneinheiten anzusetzen sind und folglich das adjektivische Lexem ÜBERLEGT nicht Gegenstand dieser Zuordnung sein kann. Vielmehr muss die Kategorisierung Bezug nehmen auf ein Lexem, das als Ausgangspunkt aller regulären Wortbildungsprozesse dient; für ÜBERLEGTA wäre das Lexem ÜBERLEGEN zu nennen, das der Wortkategorie Verb zuzuordnen ist. Die Kategorie ‚Adjektiv‘ findet jedoch als Zwischenschritt Erwähnung, wenn auf syntaktischer Ebene eine andere Wortartenzuordnung als Adjektiv erfolgt (vgl. (271)).
164 Vgl. genauer dazu die Konzeption des lexikalischen Systems in Kapitel 2.2.2.2 bzw. die daraus entstehenden Konsequenzen für die Wortartenzuordnung in Kapitel 2.2.3.3. 165 Den Input für den Wortbildungsprozess bildet im konkreten Fall die Wortform überlegt (Partizip II zu dem verbalen Lexem ÜBERLEGEN) aus dem Output des Sprachsystems.
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
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(271) Man sollte jetzt überlegt reagieren. Lexikalische Kategorie: Adv Wortkategorie: V; Zwischenschritt: A (272) Das ist eine gut überlegte Antwort. Lexikalische Kategorie: A Wortkategorie: V Abgesehen von diesen komplexeren Fällen, die die Angabe eines oder mehrerer Zwischenschritte notwendig machen, zeigt sich der Zusammenhang zwischen den Kategorien Adjektiv und Adverb direkt aus den beiden Wortartenzuordnungen für die betreffenden Wörter – so etwa bei allen anderen o. g., mit schnell vergleichbaren Beispielen angenehm, bitter, falsch, liederlich, milde, öffentlich, reizend, schön, schlecht, unmittelbar, zäh. Sie sind auf lexikalischer Ebene jeweils der Wortkategorie ‚Adjektiv‘ zuzuordnen, während die Zuordnung auf syntaktischer Ebene verwendungsspezifisch variiert (vgl. exemplarisch (273)–(280)). (273) Der schnelle Mann kommt zum Treffen. Lexikalische Kategorie: A Wortkategorie: A (274) Schnell kommt der Mann zum Treffen. Lexikalische Kategorie: Adv Wortkategorie: A (275) Das ist ja mal eine angenehme Nachricht. Lexikalische Kategorie: A Wortkategorie: A (276) Das hat uns angenehm überrascht. Lexikalische Kategorie: Adv Wortkategorie: A (277) Sie kann wirklich reizend lächeln. Lexikalische Kategorie: Adv Wortkategorie: A (278) Das ist wirklich ein reizendes Geschenk. Lexikalische Kategorie: A Wortkategorie: A
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Lösungsvorschlag
(279) Die Verhandlungen kommen nur zäh voran. Lexikalische Kategorie: Adv Wortkategorie: A (280) Ich fand das Gespräch sehr zäh. Lexikalische Kategorie: A Wortkategorie: A Unabhängig davon, ob als Wortkategorie ‚Adjektiv‘ angegeben werden kann oder diese Kategorie nur als Zwischenschritt erscheint, wird aus der ebenenspezifischen Wortartenzuordnung in jedem Fall ein spezifischer Zusammenhang erkennbar. Für alle betreffenden Wörter wie schnell ist eine systematische Beziehung zwischen den Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ erkennbar, wobei Lexeme ersterer Kategorie die Grundlage bilden und daraus Lexeme der Kategorie ‚Adverb‘ abgeleitet werden. Dieser sog. Ableitungsprozess bedarf im Weiteren insofern einer Präzisierung, als eine Wortbildungsregel etabliert werden muss, mithilfe derer der erkennbare systematische Wortartwechsel vom Adjektiv zum Adverb entsprechend präzisiert und erklärt werden kann.
2.3.3 Konversionsregel Wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt wurde, lässt sich das Konzept einer differenzierenden Wortartenzuordnung sehr gut auch auf Wörter wie schnell, sofort oder stolz anwenden. Für das Etablieren einer Adjektiv-Adverb-Beziehung ist dabei insbesondere die Tatsache relevant, dass für eine umfangreiche Gruppe von Wörtern wie schnell auf syntaktischer Ebene eine Zuordnung zu verschiedenen Kategorien erfolgt (verwendungsabhängig zu den lexikalischen Kategorien ‚Adjektiv‘ oder ‚Adverb‘), während auf lexikalischer Ebene eine Einfachzuordnung (zur Wortkategorie ‚Adjektiv‘) angenommen wird. Von Vorteil ist diese Art der differenzierenden Zuordnung zunächst insofern, als dadurch für eine umfangreiche Gruppe von Wörtern eine syntaktisch stimmige Kategorisierung (z. B. der schnelleA Mann vs. SchnellAdv kommt der Mann zum Treffen.) vereinbar wird mit dem Ziel, homonyme Formen im Lexikon zu vermeiden, indem maximal ein wortartspezifizierter Lexikoneintrag angenommen wird (SCHNELLA). Die in diesem Zusammenhang erfolgte Festlegung der Kategorie ‚Adjektiv‘ als zugrunde liegende, sog. Ausgangskategorie wirft jedoch die Frage nach der genaueren Verortung und Operationalisierung eines derartigen Wortartwechsels auf. Gemäß der in Kapitel 2.2 erarbeiteten Gesamtkonzeption der Wortartenzuordnung im Kontext des Sprachsystems steht dafür der Bereich der Wortbildungs-
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
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regeln zur Verfügung. Relevant in diesem Zusammenhang wäre – wie auch schon im Fall von les(en) – die Wortbildungsart ‚Konversion‘ (SCHNELLA → Konversion → SCHNELLAdv). Wie bereits im vorangegangenen Kapitel 2.3.2 erwähnt wurde, ist allerdings in der Literatur eine diesbezügliche Konversionsregel bisher nicht etabliert worden, allenfalls werden Hinweise auf eine diesbezügliche Regel gegeben (vgl. Becker 61848: 172; Vonhoegen 1994: 53 f.). Das mag einerseits daran liegen, dass bestimmte Konversionsauffassungen einen derartigen, primär syntaktisch motivierten Wortartwechsel nicht im Rahmen der Wortbildung erfassen können bzw. sollen (vgl. u. a. Meibauer et al. 22007; Eisenberg 42013).¹⁶⁶ Andererseits ist das Fehlen einer solchen Konversionsregel zu erklären mit dem mehrheitlich in der Wortbildungsforschung zugrunde gelegten primär morphologischen Definitionsansatz für beide Wortarten. So nehmen u. a. Barz bzw. Fleischer / Barz, deren Konversionsauffassung eine entsprechende Wortbildungsregel durchaus ermöglichen würde, bei der Beschreibung der Adjektiv- und Adverbwortbildung Bezug auf primär morphologisch basierte Ansätze der Wortartenforschung, wonach Wörter wie schnell ausschließlich als Adjektive klassifiziert werden (vgl. v. a. Duden 4 82009: 759; Fleischer / Barz 42012: 360). Die Frage nach dem Umgang mit einer Mehrfachkategorisierung stellt sich demnach nicht. Folglich besteht auch kein Anlass zum Etablieren einer Konversionsregel vom Adjektiv zum Adverb. Nun sind jedoch in der vorliegenden Arbeit die grundlegenden Schwierigkeiten einer solchen morphologisch basierten Adjektiv- und Adverbdefinition, die einer konsistenten und stringenten Wortartenklassifikation entgegenstehen, detailliert aufgezeigt worden.¹⁶⁷ Vergleichbare grundlegende Probleme stellen sich hingegen nicht bei syntaktisch basierten Klassifikationsansätzen, allerdings tritt hier für Wörter wie schnell wiederum die Frage nach dem Umgang mit der o. g. Mehrfachkategorisierung in den Vordergrund. Die Idee, dafür prinzipiell eine Erklärung mithilfe eines Wortartwechsels im Bereich der Wortbildung zu geben, erwies sich insbesondere vor dem Hintergrund einer gesamtsystematischen Betrachtung als ein angemessener Lösungsvorschlag für den ähnlich komplexen Fall von (das) Lesen. Es soll daher im Folgenden der Versuch unternommen werden, eine entsprechende Konversionsregel für den Übergang vom Adjektiv zum Adverb zu etablieren. Dabei kann und soll im Rahmen der vorliegenden Darstellung keine abschließende und umfassende Erarbeitung einer solchen Regel geleistet werden. Vielmehr wird es darum gehen, erste Erkenntnisse darzustellen
166 Vgl. genauer zu dieser Konversionsauffassung Kapitel 2.2.3.2. 167 Vgl. dazu v. a. Kapitel 1.6 und Kapitel 1.7.
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Lösungsvorschlag
und zu systematisieren, die es in weiterführenden Untersuchungen zu präzisieren gilt. Die Darstellung der Konversionsregel orientiert sich konsequenterweise an den Grundannahmen für Wortbildungsregeln, die im Zusammenhang mit der Beschreibung des Lexikonmodells erarbeitet und ausgeführt wurden. Demnach handelt es sich um die Präsentation einer abstrakten, wortbasierten Regel, für die eine spezifische Struktur angenommen wird. Ziel ist es, den Wortbildungsprozess im Hinblick auf die systematisch beobachtbaren Eigenschaften des In- und Outputs näher zu bestimmen, um somit den Wirkungsbereich der Regel einerseits sowie die durch die Regel bewirkten Eigenschaften des Outputs andererseits spezifizieren zu können. Vor dem Hintergrund der bisherigen, in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse wäre eine Konversionsregel für Lexeme wie SCHNELL deshalb folgendermaßen anzugeben:¹⁶⁸ Übersicht 10: Konversionsregel Adjektiv → Adverb / xA / → / xAdv / Inputbedingungen
– deadverbale A auslautend auf /-ɪg/ – denominale AHerkunftsbezeichnung auslautend auf /-ər/
FORM
blockiert sind:
SYN
xA
SEM
x kompatibel mit VVollverb blockiert sind: – AFarb – AKardinalzahl – AOrdinalzahl – Arelational
Outputbedingungen
PHON SYN
xAdv [−komplementfähig]
MORPH SEM GRAPH
168 In der folgenden tabellarischen Übersicht finden ausschließlich systematisch beobachtbare Eigenschaften Erwähnung. Andernfalls bleiben die entsprechenden Zeilen leer.
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
185
Wie der tabellarischen Übersicht zu entnehmen ist, gestaltet sich die eigentliche Wortbildungsregel zunächst als sehr einfach; einzig der gerichtete, kategorielle Wechsel (xA → xAdv) muss operationalisiert werden. Darüber hinaus finden im Bereich der In- und Outputbedingungen bestimmte regelspezifische Aspekte Erwähnung. So wird mithilfe der Inputbedingungen präzisiert, von welcher Art der Input sein muss, um die Wortbildungsregel durchlaufen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Lexeme, die der Kategorie ‚Adjektiv‘ zuzuordnen sind (vgl. die Angabe unter SYN), tatsächlich als Input infrage kommen. Gemäß der Untersuchung in der vorliegenden Arbeit sind systematische Einschränkungen sowohl auf formal-struktureller als auch auf semantischer Ebene zu berücksichtigen. So darf es sich einerseits von der Lexemstruktur her (vgl. die Angaben unter FORM) nicht um Wortbildungen handeln, die von Adverbien abgeleitet werden und auf /-ɪg/ auslauten (z. B. dortig, gestrig, vorherig), bzw. um Wortbildungen, die zur Bezeichnung der Herkunft von Substantiven abgeleitet werden und auf /-ər/ auslauten (z. B. Berliner, Harzer, Stuttgarter). Andererseits werden spezifische Anforderungen an die Semantik des Inputs gestellt (vgl. die Angaben unter SEM). So muss in semantischer Hinsicht grundsätzlich eine Kompatibilität zwischen Lexemen der Kategorie ‚Adjektiv‘ (bzw. den Lesarten dieser Lexeme) und bestimmten Vertretern der Kategorie ‚Verb‘ (und zwar den Vollverben) gegeben sein. Beispielsweise können Lexeme wie FRÜH, GESUND, HÄUFIG, SCHNELL oder TÄGLICH als Input für die Konversionsregel fungieren, da sie mit mindestens einem Vollverb semantisch kompatibel sind (vgl. (281)–(282)).¹⁶⁹ In anderen Fällen muss nach Lesarten differenziert werden. So zeigt u. a. ein Lexem wie EISERN nur für die modale Lesart ‚unerbittlich, unerschütterlich‘ eine semantische Vereinbarkeit mit Vollverben, nicht jedoch für die relationale Lesart ‚aus Eisen bestehend‘ (vgl. (283)). (281) früh / häufig / schnell / täglich ↔ arbeiten, durchgreifen, gehen, lesen etc. (z. B. täglich arbeiten) (282) gesund ↔ leben, schlafen etc. (z. B. gesund schlafen, aber: *gesund kommen)
169 Quantitative Abstufungen sind möglich, vgl. etwa das Lexem gesund, das mit deutlich weniger verbalen Lexemen kompatibel ist als beispielsweise schnell. Entscheidend für die Inputbedingung ist jedoch allein die Tatsache, ob semantische Kompatibilität mit mindestens einem verbalen Lexem gegeben ist.
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Lösungsvorschlag
(283) eisern ↔ durchgreifen, schweigen etc. (z. B. eisern (= ‚unerbittlich‘, ≠ ‚aus Eisen bestehend‘) durchgreifen) Tatsächlich kann für bestimmte semantische Gruppen von Adjektiven (bzw. von Adjektivlesarten) eine Kompatibilität mit der Semantik von Vollverben prinzipiell nicht hergestellt werden, sodass systematische Blockierungen zu konstatieren sind. In der vorliegenden Arbeit wurden folgende Gruppen ermittelt: Adjektive, die eine Farbqualität bezeichnen (z. B. blau, lila, rot), Adjektive, die Kardinal- oder Ordinalzahlen bezeichnen (z. B. dritte, fünf, hundert) sowie Adjektive, die eine relationale Semantik aufweisen (z. B. ärztlich, hölzern, väterlich). Diese Lexeme bzw. die entsprechenden Lesarten adjektivischer Lexeme müssen deshalb, ebenso wie die o. g. Wortbildungen auf /-ɪg/ und /-ə/, von der Konversionsregel ausgeschlossen werden.¹⁷⁰ Mit den angeführten Inputbedingungen wird eine erste wichtige Konkretisierung des Wirkungsbereichs der Wortbildungsregel erreicht. Vermutlich lassen sich noch weitere und / oder detailliertere Bedingungen angeben. Da eine entsprechend umfassende Analyse im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht geleistet werden kann, muss dies weiterführenden Untersuchungen vorbehalten bleiben.¹⁷¹ Von entscheidender Bedeutung ist hier zunächst die Erkenntnis, dass offensichtlich ein Großteil der infrage kommenden Adjektive als Input für die Konversionsregel ‚A → Adv‘ fungieren kann, zugleich aber auch spezifische Inputbedingungen anzugeben sind und folglich für diese Wortbildungsregel keine uneingeschränkte Produktivität beobachtbar ist.
170 Vgl. zu den genannten Einschränkungen auch die Ausführungen in Kapitel 2.1.3 und 2.3.2 zu beobachteten Blockierungen in typischen Adverbpositionen. 171 So wurden bisher ausschließlich solche formal-strukturellen bzw. semantischen Inputbedingungen verzeichnet, die ausnahmslos zutreffen und die sich aus der in der Arbeit fokussierten Wortartenanalyse ergeben. In der Literatur werden zumeist im Zusammenhang mit Angaben zu Verwendungsbeschränkungen weitere Fälle angeführt, die jedoch nicht in derselben Form systematisierbar sind. Vgl. u. a. Fälle wie angst, ernst, feind, gram oder spitze, die i. d. R. auf die prädikative Verwendung beschränkt werden (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 604; Helbig / Buscha 2001: 287; Duden 4 82009: 360) und damit ebenfalls von der Konversionsregel auszuschließen wären. Zwar lassen sich diese Lexeme formal-strukturell zusammenfassen (als denominale Konversionen), allerdings zeigen sie ein heterogenes Verhalten im Hinblick auf die Konversionsregel (vgl. u. a. ernst > ernst sprechen; spitze > spitze spielen, ABER: *angst kommen / spielen / sprechen etc.). Insbesondere die genauere Untersuchung dieser und weiterer Lexeme bzw. Lexemgruppen dürften zur Formulierung genauerer Inputbedingungen beitragen. Auf die vorliegende Wortbildungsregel trifft folglich auch die Beobachtung zu, dass insbesondere bei der Bestimmung und Formulierung von Bedingungen für Wortbildungsprozesse weiterhin Forschungsbedarf besteht (vgl. so u. a. bereits Anderson 1992: 197).
Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung
187
Betrachtet seien nun die Outputbedingungen, die der Charakterisierung der regelinhärenten Prozesse dienen bzw. derjenigen Merkmale, die den Output systematisch kennzeichnen. Als relevant für die vorliegende Konversionsregel erweist sich dabei neben der Angabe der Output-Kategorie einzig das unter SYN angegebene Merkmal, das die Fähigkeit zum Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale betrifft. So ist festzustellen, dass keines der konvertierten Lexeme über die Fähigkeit verfügt, Komplemente zu sich zu nehmen. Dass es sich hierbei um eine mit dem Wortbildungsprozess im Zusammenhang stehende Eigenschaft handelt, wird anhand von adjektivischen Lexemen erkennbar, die komplementfähig sind, diese Fähigkeit jedoch mit Durchlaufen der Konversionsregel verlieren. Beispielsweise können die Lexeme STOLZA, VERANTWORTLICHA und VERDÄCHTIGA jeweils ein bestimmte Art von Komplement zu sich nehmen (vgl. u. a. (284)– (289)), nicht jedoch die davon durch die Konversionsregel abgeleiteten Lexeme STOLZAdv, VERANTWORTLICHAdv und VERDÄCHTIGAdv (vgl. (290)–(295)).¹⁷² (284) (285) (286) (287) (288) (289)
Die auf diesen Erfolg stolze Politikerin bedankt sich bei allen. Sie wirkt stolz auf ihren Erfolg. Der für diese Entscheidung verantwortliche Politiker kommt. Dieser Politiker dünkt sich verantwortlich für diese Entscheidung. Dort kommt der des Betrugs verdächtige Politiker. Sie sind des Betrugs verdächtig.
(290) Sie läuft stolz durch die Straßen. (291) * auf diesen Erfolg stolz laufen (292) Verantwortlich sollten die Politiker jetzt handeln. (293) * verantwortlich für diese Entscheidung handeln (294) der verdächtig zufriedene Politiker (295) * der des Betrugs verdächtig zufriedene Politiker Exemplarisch wird daran ersichtlich, dass sich durch den Wortbildungsprozess das morphosyntaktische Verhalten des Inputs hin zum Output entscheidend modifiziert. Alle ursprünglich komplementfähigen Lexeme verfügen demnach im Output – wie im Übrigen auch alle Vertreter der Wortart ‚Adverb‘ – grundsätzlich nicht über die Fähigkeit, Komplemente zu sich zu nehmen, d. h. das Merkmal ‚[– komplementfähig]‘ hat für den Output ausnahmslos Gültigkeit.
172 Vgl. genauer zur Komplementfähigkeit in Abhängigkeit von der syntaktischen Umgebung und insbesondere zu der dabei zentralen Unterscheidung zwischen Adverbien und Adjektiven in Funktion sog. ‚freier Prädikative‘ Kapitel 2.1.3.3.
188
Lösungsvorschlag
In Bezug auf die hier in Grundzügen erarbeitete Konversionsregel kann zusammenfassend festgehalten werden, dass es sich um eine abstrakte, wortbasierte Regel handelt, die der systematischen Bildung von Adverbien dient und dabei im Bereich der Outputbedingungen durch zentrale syntaktische Veränderungen gekennzeichnet ist. Somit wird eine der Minimalbedingungen für das Vorliegen eines Wortbildungsprozesses, wie sie in Kapitel 2.2.2.2 postuliert wurden, erfüllt. Im Rahmen des angesetzten Lexikonmodells erweist es sich demnach als unproblematisch, die hier vorgeschlagene Konversionsregel für den Übergang von einem Lexem der Kategorie ‚Adjektiv‘ zu einem Lexem der Kategorie ‚Adverb‘ in den Bereich der Wortbildungsregeln zu integrieren. Außerdem gelingt es vor dem Hintergrund einer ebenenspezifischen Wortartenzuordnung, die entscheidende, zu Beginn des Kapitels gestellte Frage nach der genauen Verortung des Wortartwechsels vom Adjektiv zum Adverb zu beantworten und die entsprechend notwendige Wortbildungsregel zu etablieren. Das Auftreten eines ursprünglich adjektivischen Lexems in Adverbposition im Satz wäre demnach auf folgende Weise zu erklären: Eine Lexikoneinheit wie SCHNELLA verlässt in diesem Fall nicht direkt das lexikalische System, sondern durchläuft zuvor die o. g Wortbildungsregel, um dann als Lexem der Kategorie ‚Adverb‘ das lexikalische System verlassen und im Satz in Adv0-Position eingesetzt werden zu können. Was die daraus erkennbare Adjektiv-Adverb-Beziehung betrifft, so ist festzuhalten, dass Adjektive als Vertreter einer der vier sog. Hauptwortarten die Grundlage bilden zur Ableitung der jeweils formal und semantisch gleichartigen bzw. ähnlichen Adverbien und diese Ableitungsbeziehung durch die o. g. Konversionsregel im Bereich der Wortbildungsregeln systematisch erfasst bzw. operationalisiert werden kann.
2.4 Zusammenfassung Mit der Konstitution einer Adjektiv-Adverb-Beziehung im vorangegangenen Kapitel 2.3 schließt die Darlegung des Lösungsvorschlags zur Adjektiv-AdverbProblematik und bietet damit insbesondere auch einen Erklärungsansatz für das grundlegende Verhältnis zwischen den beiden Wortarten im Deutschen. Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines eigenen Vorschlags war jedoch nicht primär die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Wortarten, sondern – angesichts der klassifikatorischen Schwierigkeiten bisheriger Ansätze – die Suche nach einer Möglichkeit, theoretisch konsistente und anwendbare Definitionen für die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ zu entwickeln. Aus der in Kapitel 1 erfolgten Auseinandersetzung mit der Wortartenliteratur war die Überzeugung hervorgegangen, zur Konstitution von Wortarten grund-
Zusammenfassung
189
sätzlich eine syntaktische Herangehensweise zu wählen. In einem ersten Schritt wurden dabei die Klassifikationskriterien vorgestellt, wobei die Kriterien ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ als eine Weiterentwicklung des bisher etablierten Kriterieninventars zu gelten haben und das Kriterium ‚Distribution‘ in entscheidender Weise ergänzen. Insgesamt konnte in Kapitel 2.1 gezeigt werden, dass es mithilfe der drei angesetzten Klassifikationskriterien tatsächlich gelingt, entsprechende Wortartendefinitionen zu erarbeiten, die jeweils begründete und eindeutige Wortartenzuordnungen erlauben. Die dabei beobachtete Konsequenz, Wörter wie schnell und schön in Abhängigkeit von der Verwendung der Kategorie ‚Adjektiv‘ oder der Kategorie ‚Adverb‘ zuzuordnen und somit verschiedene Lexeme anzusetzen, führte dann allerdings – wie schon im Zusammenhang mit anderen syntaktischen Ansätzen, die eine solche Mehrfachkategorisierung annehmen – zu der Frage nach der Beziehung zwischen Lexemen wie SCHNELLA und SCHNELLAdv sowie die damit verbundene allgemeine Frage nach dem theoretischen Status der zu kategorisierenden Einheiten. Angesichts dieser über die bloße Wortartenzuordnung hinausgehenden Fragen erschien es zielführend, die Thematik im Gesamtzusammenhang des Sprachsystems zu untersuchen. Insbesondere in Orientierung an neueren Ansätzen der Wortartenforschung, die durch die Unterscheidung zweier verschiedener Ebenen der Wortartenzuordnung entsprechendes Lösungspotenzial bieten (vgl. Meibauer 22007; Duden 4 82009), erfolgte in Kapitel 2.2 deshalb eine Weiterentwicklung bzw. umfassende Ausarbeitung dieses differenzierenden Konzepts der Wortartenzuordnung. Dabei zeigte sich, dass der Wortbildung, auf die in einigen Publikationen in diesem Zusammenhang hingewiesen wird (vgl. v. a. Erben 121980; Vonhoegen 1994), tatsächlich entscheidende Bedeutung zukommt, v. a. um die Beziehung zwischen den Zuordnungsebenen genauer angeben zu können. Insgesamt ist festzuhalten, dass Erkenntnisse aus der Lexikon-, Wortarten- und Wortbildungsforschung im Rahmen des gesamtsystematischen Konzepts auf konstruktive Weise miteinander verknüpft werden konnten. Die erneute Betrachtung der Adjektiv-Adverb-Problematik vor dem Hintergrund dieses Konzepts hat dann in Kapitel 2.3 zu erkennen gegeben, dass sich ein neuartiger Zugang insbesondere für komplexe Zuordnungsfälle wie schnell bietet und der in Kapitel 2.1 erarbeitete Klassifikationsansatz dabei durch Beantwortung der o. g. Fragen maßgeblich präzisiert werden kann. So wird zunächst mithilfe der Differenzierung in eine Wortartenzuordnung auf lexikalischer und syntaktischer Ebene der theoretische Status der zu kategorisierenden Einheiten konkretisiert, denn bereits anhand der Zuordnungsebene ist zu erkennen, ob auf Lexikoneinheiten oder auf Lexeme in syntaktischen Strukturen Bezug genommen wird. Zugleich wird auch bei dieser Art der Ebenendifferenzierung eines der zentralen
190
Lösungsvorschlag
Ziele der Wortartenforschung berücksichtigt, das darin besteht, Wörter jeweils begründet und eindeutig Kategorien zuzuordnen. Beispielsweise handelt es sich bei SCHNELL auf lexikalischer Ebene eindeutig um ein adjektivisches Lexem, während auf syntaktischer Ebene verwendungsspezifisch u. a. eine eindeutige Zuordnung zur Kategorie ‚Adjektiv‘ oder zur Kategorie ‚Adverb‘ erfolgt. Das Neue an der Konzeption ist zum einen darin zu sehen, dass die unnötige und vielfach kritisierte Existenz zahlreicher Homonymien (also beispielsweise ein Nebeneinander von SCHNELLA und SCHNELLAdv) vermieden werden kann und somit die Kategorie ‚Adjektiv‘ als eine der lexikalischen Hauptkategorien im Deutschen ihre – von Eisenberg geforderte – Eigenständigkeit behält und zugleich die v. a. bei Eschenlohr angeführte Kritik eines unnötig aufgeblähten Lexikons entkräftet wird (vgl. Eisenberg 42013 II: 228 bzw. Eschenlohr 1999: 49). Zum anderen werden durch die Ebenendifferenzierung, wie sie in der vorliegenden Arbeit erarbeitet wurde, systematische Bezüge zwischen Adjektiven und Adverbien erkennbar und mithilfe der Wortbildung vollständig erklärbar. Insgesamt kann der vorgelegte Klassifikationsansatz somit als eine Möglichkeit betrachtet werden, die AdjektivAdverb-Frage im Gesamtzusammenhang des Sprachsystems stimmig und umfassend zu beantworten.
3 Anbindung an den Forschungskontext Nachdem im Anschluss an die in Kapitel 1 dargelegte forschungsgeschichtliche Auseinandersetzung in Kapitel 2 ein eigener Vorschlag zur Lösung der AdjektivAdverb-Problematik vorgestellt wurde, gilt es nun, diesen Vorschlag im Kontext der Forschungsdiskussion zu betrachten. In erster Linie wird es darum gehen, eine Anbindung an den Forschungskontext in der Weise zu vollziehen, dass ein Vergleich mit bisherigen Klassifikationsansätzen angestellt wird. Dabei soll in Kapitel 3.1 zunächst eine Betrachtung auf der Ebene der allgemeinen theoretischen Grundlagen erfolgen. Im Anschluss daran wird insbesondere der Frage nachzugehen sein, inwiefern der vorgelegte Ansatz in der Lage ist, die in Kapitel 1 herausgestellten Klassifikationsprobleme überzeugender zu lösen als bisher. Eine diesbezügliche, fallorientierte Betrachtung erfolgt in Kapitel 3.2.
3.1 Theoretische Grundlagen Bevor im Rahmen der angestrebten vergleichenden Betrachtung genauer auf den Umgang mit konkreten Zuordnungsprobleme einzugehen ist, soll der Blick zunächst auf grundlegende Eigenschaften des Klassifikationsansatzes gerichtet werden. Zum einen zeichnet sich der vorliegende Ansatz durch seine homogen-syntaktische Herangehensweise aus, für die die drei Klassifikationskriterien ‚Distribution‘, ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ konstitutiv sind. Im Vergleich mit den meisten bisherigen Ansätzen bietet der vorliegende Ansatz damit einerseits den Vorteil, dass alle konstitutiven Kriterien klar benannt werden, die zur Klassifikation herangezogen werden, d. h. weder implizit noch explizit sollen weitere Klassifikationskriterien einbezogen werden.¹ Wenngleich der Anspruch an die vorliegende Arbeit (im Gegensatz zu den meisten ausführlicheren Grammatikdarstellungen) nicht darin besteht, zugleich auch eine umfassende Wortartenbeschreibung zu leisten, so stünde einer solchen – und zwar in deutlicher Abgrenzung zur Wortartendefinition – nichts entgegen. Das in anderen Publikationen z. T. verwirrende Nebeneinander von beschreibenden und
1 In bisherigen Ansätzen werden Kriterien entweder nicht in vergleichbarer Explizitheit benannt (vgl. u. a. Adelung 1782; Becker 61848; Motsch 22004) oder es werden darüber hinaus weitere Kriterien einbezogen, ohne dass diese als konstitutive Kriterien bezeichnet werden (vgl. u. a. Rolland 1999; Duden 4 82009). Vgl. genauer zum Problem der Unterscheidbarkeit zwischen konstitutiven und beschreibenden Merkmalen in bisherigen Ansätzen die zusammenfassenden Bemerkungen in Kapitel 1.7 sowie die Ausführungen in den dort angegebenen relevanten Kapiteln.
192
Anbindung an den Forschungskontext
konstitutiven Wortartenmerkmalen wird auf diese Weise vermieden und vereinfacht die Anwendbarkeit der Klassifikation in entscheidendem Maße. Andererseits ist ein wesentlicher Vorzug des Ansatzes in seiner Homogenität zu erkennen, denn der bereits in Kapitel 1.7 ausführlicher besprochene und fundamentale Kritikpunkt der allgemeinen Wortartenforschung, dass mithilfe heterogener Kriterien keine wissenschaftlich haltbare Systematik erzeugt werden kann (vgl. u. a. Knobloch / Schaeder 2000: 675), trifft angesichts der o. g. Kriterienwahl auf den vorliegenden Ansatz nicht zu. Es kommen ausschließlich Kriterien syntaktischer Art zum Einsatz. Zumindest aus wissenschaftstheoretischer Perspektive steht somit dem Etablieren einer konsistenten Klassifikation nichts entgegen, d. h. im Gegensatz zur deutlichen Mehrheit der bisher existenten Vorschläge zur Adjektiv-Adverb-Frage (vgl. u. a. Erben 121980; Zifonun et al. 1997; Rolland 1999; Duden 4 82009; Eisenberg 42013) sind die theoretischen Grundvoraussetzungen für das Etablieren jeweils konsistenter Wortartendefinitionen hier erfüllt. Einige Ansätze, die in Kapitel 1 untersucht wurden, bieten jedoch vergleichbare Vorzüge, indem sie ebenfalls homogen-syntaktisch klassifizieren und ebenso zu syntaktisch basierten Adjektiv- und Adverbdefinitionen gelangen (vgl. v. a. die Arbeiten von Clément und Helbig bzw. Helbig / Buscha in Kapitel 1.2.3). Stellt man einen Vergleich mit diesen Ansätzen an, so zeigen sich die Vorteile des neu erarbeiteten Ansatzes zum einen im Kriterieninventar. Dabei ist zunächst der Verzicht auf das in bisherigen Veröffentlichungen häufig angeführte, aber insbesondere auch bei der Adjektiv-Adverb-Frage problematische Kriterium ‚syntaktische Funktion‘ zu nennen.² Vielmehr stützt sich der vorliegende Ansatz auf das Kriterium ‚Distribution‘, das jedoch im Vergleich zu bisherigen Publikationen entscheidend ergänzt wird um die o. g. zwei neuartigen Kriterien ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘. Einen Gewinn stellt dies insofern dar, als auf diese Weise v. a. die distributionelle Überschneidung von Adjektiven und Adverbien in Kopulakonstruktionen differenzierter betrachtet und speziell die problematische Dopplung der bei Helbig bzw. Helbig / Buscha genannten Distributionsrahmen II für Adjektive und Adverbien (vgl. Kapitel 1.2.3) aufgelöst werden kann. (1) (2)
Adjektivrahmen II: Der Mann ist … Adverbrahmen II: Der Mann ist … .
(Helbig / Buscha 2001: 280) (Helbig / Buscha 2001: 306)
2 Vgl. genauer zum Problemgehalt dieses Klassifikationskriteriums die zusammenfassenden Bemerkungen in Kapitel 1.7 und die Ausführungen in den dort angegebenen Kapiteln. Darüber hinaus wird in Kapitel 3.2.4 zu zeigen sein, dass bestimmte Probleme durch Ausschluss dieses Kriteriums tatsächlich vermieden werden können.
Theoretische Grundlagen
193
Durch Hinzuziehen des Kriteriums ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ gelingt es, für alle relevanten, speziell aber auch für die in (1)–(2) genannte syntaktische Umgebung eine jeweils eindeutige und klar begründete Wortartenklassifikation zu leisten. So lassen sich für Wörter wie schnell in der o. g. Kopulakonstruktion aufgrund syntaktischer Beziehungen morphosyntaktische Merkmale nachweisen, während dies für Wörter wie dort nicht möglich ist.³ Somit liegt ein klares Argument vor, Wörter wie schnell in der o. g. Umgebung (1) bzw. (2) als Adjektive zu klassifizieren und Wörter wie dort hingegen als Adverbien. Dieses begründete Ergebnis gilt jedoch nicht nur für prototypische Fälle wie schnell oder dort, sondern auch – wie im folgenden Kapitel 3.2.2 aufzuzeigen sein wird – für weniger zentrale Fälle wie schuld. Der Vorteil des vorliegenden syntaktischen Ansatzes liegt demnach nicht zuletzt in der durch das Kriterieninventar motivierten deutlich trennschärferen Abgrenzung zwischen den beiden Wortarten als bisher. Im Vergleich mit anderen homogen-syntaktischen Klassifikationsansätzen ist ein weiterer entscheidender Vorteil des vorgelegten Lösungsvorschlags außerdem darin zu sehen, dass die – für syntaktisch basierte Klassifikationsansätze typische – Annahme, Wörter wie schnell in Abhängigkeit von der Verwendung im Satz als Adjektiv oder als Adverb zu kategorisieren, nicht ohne eine entsprechende Erläuterung bleibt. Während bisherige Ansätze entweder keine explizite Erläuterung für diese Art der Mehrfachkategorisierung geben (vgl. u. a. Helbig / Buscha 2001) oder Homonymien wie schnellA und schnellAdv bewusst in Kauf nehmen (vgl. u. a. Clément 2005), gelingt es im Rahmen des vorliegenden Ansatzes, eine umfassende, gesamtsystematische Erklärung zu geben, und zwar unter Berücksichtigung ökonomischer Bestrebungen innerhalb der Theoriebildung. Möglich wird dies durch die theoretische Verortung in einem differenzierenden Konzept der Wortartenzuordnung, wodurch nicht nur die Annahme zahlreicher Homonymien vermieden werden kann, sondern zugleich auch eine systematisch bestehende Beziehung zwischen Adjektiven und Adverbien aufgezeigt und mithilfe der Wortbildung präzise beschrieben wird. Wie in Kapitel 3.2.3 darzustellen ist, bietet dieses Konzept außerdem das Potenzial, Lösungsansätze auch für weitere, ähnlich gelagerte Problemfälle der Wortartenforschung zu liefern. Mit diesem Konzept könnte es demnach gelingen, weitere Kritikpunkte der allgemeinen Wortartenforschung, die die Anbindung an ein Grammatikmodell sowie den Status der postulierten Klassen betreffen (vgl. Knobloch / Schaeder 2000: 675), zu entkräften. Denn mithin wird nicht nur eine Präzisierung des Modells geleistet, in dessen Rahmen Wortarten
3 Vgl. genauer dazu die Ausführungen zu Umgebung d in Kapitel 2.1.3.2.
194
Anbindung an den Forschungskontext
etabliert werden sollen, sondern zugleich auch eine Präzisierung des theoretischen Status der jeweiligen Kategorien. Insgesamt erweist sich der vorliegende Ansatz deshalb als eine signifikante Weiterentwicklung bisher existenter syntaktischer Ansätze. Mit der vorangegangenen allgemeinen Betrachtung sind wesentliche Vorteile des vorgelegten Ansatzes im Vergleich mit anderen Ansätzen benannt. Sie beziehen sich primär auf theoretische Grundfragen. Letztlich bewähren muss sich ein Klassifikationsansatz jedoch immer in der Anwendung. Diesbezüglich konnte in Kapitel 2.3.2 bereits aufgezeigt werden, dass eine Anwendung in Bezug auf prototypische Fälle wie schnell sehr gut möglich ist und dabei insbesondere die soeben genannten Vorteile einer eindeutigen und konsistent begründeten Klassifikation zum Tragen kommen. Zugleich besteht die Möglichkeit, die systematisch bestehende Beziehung zwischen Adjektiven und Adverbien durch das Konzept einer differenzierenden Wortartenzuordnung adäquat zum Ausdruck zu bringen. Vornehmlich in letzterem ist ein entscheidender Vorteil im Vergleich zu allen bisherigen Ansätzen zu sehen. Von Interesse ist im Weiteren der Umgang mit solchen Fällen, die auf den ersten Blick weniger klar sind bzw. die in bisherigen Ansätzen notorisch zu Schwierigkeiten oder Unsicherheiten führen. Grund dafür ist die Tatsache, dass es letztlich immer Fälle an der Peripherie sind, anhand derer ersichtlich wird, inwiefern ein Ansatz tatsächlich dem Anspruch gerecht wird, eine grammatisch sinnvolle Klassifikation des gesamten Untersuchungsgegenstandes zu ermöglichen. Im Rahmen des forschungsgeschichtlichen Kapitels wurden aus diesem Grund u. a. auch derartige Fälle betrachtet und zur Einschätzung der bisherigen Klassifikationsvorschläge einbezogen. Im Folgenden gilt es, den erarbeiteten Lösungsvorschlag einer vergleichbaren Prüfung zu unterziehen. Anhand entsprechender Beispiele, die zu vier sog. Fallgruppen zusammengefasst sind, soll in den folgenden Kapiteln nun jeweils herausgestellt werden, inwiefern es mithilfe des vorliegenden Lösungsvorschlags gelingt, bestimmte Probleme überzeugender zu bewältigen bzw. zu lösen als bisher.
3.2 Umgang mit Problemfällen 3.2.1 Fallgruppe I: die rosa Blüten Die erste Fallgruppe setzt sich zusammen aus Wörtern wie prima, rosa oder zwanzig, die ebenso wie schnell, schwierig oder freundlich innerhalb einer DP zwischen Determinierer und Substantiv auftreten können. Die Besonderheit der zu Fallgruppe I zählenden Wörter besteht darin, dass sie ihre jeweiligen gram-
Umgang mit Problemfällen
195
matischen bzw. morphosyntaktischen Merkmale⁴ in dieser Position grundsätzlich nicht durch spezifische Wortformen zum Ausdruck bringen, obgleich dies im Deutschen typischerweise der Fall ist (vgl. (3)–(13)). (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13)
Er liebt schnelle Pferde. Sie streben ein schnelles Verfahren an. Er fragt nach schneller Musik. Sie stellt sich einer schwierigen Prüfung. Er stellt die schwierigeren Fragen. Das sind freundliche Kinder. Das ist ein freundliches Haus. Er fragt nach lustigen Filmen. Wir bevorzugen lustige Filme. Das ist ein erzwungenes Lächeln. Ich kenne kein erzwungeneres Lächeln als seines.
Die deutlich sichtbare Eigenschaft von Wörtern wie schnell, schwierig oder freundlich, ihre jeweiligen grammatischen Merkmale durch spezifische Wortformen auszudrücken (z. B. schnelle in (3)), hat letztlich in der Wortartenforschung dazu geführt, diese Art der Formveränderung in dem Merkmal ‚Flektiertheit‘ oder ‚Flektierbarkeit‘ zu operationalisieren und für die entsprechende Wortart ‚Adjektiv‘ z. T. als konstitutiv anzusetzen. Demnach werden diejenigen Wörter als Adjektive klassifiziert, die in der konkreten syntaktischen Umgebung flektiert werden (vgl. die in Kapitel 1 untersuchten Positionen II und III), oder aber diejenigen Wörter, die – unabhängig von der konkreten syntaktischen Umgebung – grundsätzlich die Eigenschaft zur syntaktisch wechselnden Flexion haben (vgl. v. a. die in Kapitel 1 untersuchte Position V). Wie im Rahmen des forschungsgeschichtlichen Kapitels aufgezeigt wurde, sind derartige Herangehensweisen jedoch in bestimmter Hinsicht problematisch. Bindet man die Wortartenzugehörigkeit tatsächlich an das Merkmal der Flektiertheit, so treten die damit verbundenen Schwierigkeiten bereits anhand von Fällen wie in (14)–(17) zutage, in denen Wörter aufgrund ihres Auftretens in spezifischen (festen, poetischen, veralteten o. ä.) Konstruktionen unflektiert erscheinen.⁵
4 Vgl. zu ‚morphosyntaktischen Merkmalen‘ bzw. zu dem damit verbundenen Begriff ‚morphosyntaktisches Wort‘ Kapitel 2.1.1. 5 Vgl. genauer zur Kritik an diesem Kriterium die Ausführungen in den Kapiteln 1.3.2, 1.3.3 und 1.4.2.
196 (14) (15) (16) (17)
Anbindung an den Forschungskontext
Gut Ding will Weile haben. Klein Hänschen // Jung Siegfried Sie spielt wieder lieb Kind. Sie widmet ihm ein zart Gedicht.
Legt man hingegen das Merkmal ‚Flektierbarkeit‘ zugrunde, dann lassen sich zumindest diese Fälle lösen, da Wörter wie gut oder lieb grundsätzlich flektiert werden können und es bei dieser Herangehensweise nicht von Bedeutung ist, ob es darüber hinaus für gut, lieb etc. weitere Verwendungen im Satz gibt, in denen die betreffenden Wörter unflektiert auftreten. Doch auch das Kriterium der Flektierbarkeit, das in der Wortartenliteratur gegenwärtig zu dominieren scheint, führt zu grundlegenden Schwierigkeiten, und zwar in Bezug auf eine nicht zu vernachlässigende Anzahl der hier fokussierten Wörter wie prima, rosa oder zwanzig, die – wie bereits oben erwähnt – grundsätzlich nicht über die Fähigkeit verfügen, morphosyntaktische Merkmale durch spezifische Formenbildung auszudrücken, insbesondere nicht beim Auftreten in der o. g. Position innerhalb von DPs (vgl. (18)–(27)).⁶ (18) (19) (20) (21) (22) (23) (24) (25) (26) (27)
Sie schmücken die Tische mit rosa Blüten. Der lila Dekostoff passt gut dazu. Er möchte ein extra Zimmer. Sie hatte gestern eine prima Idee. Das war eine super Flanke. Wir haben gestern eine klasse Vorstellung miterlebt. Gegen 10 Uhr verließ er die Leipziger Sparkasse. Sie orientieren sich am Stuttgarter Modell. Er beschäftigt sich damit seit den neunziger Jahren. Hier werden die Daten der zwanzig Mitglieder verwaltet.
Der Umgang mit diesen Fällen gestaltet sich in den betreffenden Ansätzen in der Weise, dass Wörter wie die o. g. zumindest teilweise aus der Wortart ‚Adjektiv‘ ausgeschlossen werden (vgl. v. a. für Wörter wie zwanzig in (27)). Zumeist aber werden implizit oder explizit weitere Kriterienarten (v. a. syntaktische) einbezogen und die Adjektiv-Zugehörigkeit der betreffenden Wörter wird außerdem durch Erwähnen im Rahmen sog. Sonderfall- oder Ausnahmelisten dokumentiert (vgl. u. a. Duden 4 82009: 341 ff.). Insbesondere mit letzterem wird zwar die
6 Vgl. genauer zu den mit dem Kriterium ‚Flektierbarkeit‘ verbundenen Schwierigkeiten die Ausführungen in Kapitel 1.6.2.
Umgang mit Problemfällen
197
gewünschte Wortartenzuordnung gewährleistet. Das Problem besteht jedoch darin, dass diese Zuordnung in keinem Fall anhand des als konstitutiv angeführten morphologischen Kriteriums begründet werden kann und durch den Einbezug weiterer Kriterienarten insbesondere der Vorwurf der Heterogenität bzw. der wissenschaftstheoretischen Inkonsistenz wirksam wird.⁷ Der entscheidende Vorzug des hier erarbeiteten syntaktischen Klassifikationsansatzes – sowie anderer primär syntaktischer Ansätze – ist nun darin zu sehen, dass im Gegensatz zu den o. g. primär morphologischen bzw. heterogenen Herangehensweisen bei einer Klassifikation von Wörtern wie prima, rosa oder zwanzig gerade keine vergleichbaren Schwierigkeiten entstehen. Vielmehr ergibt sich aus der jeweiligen Wortartendefinition für sämtliche in (3)–(27) aufgeführten Fälle eine Zugehörigkeit zur Kategorie ‚Adjektiv‘, wobei diese zugleich rein syntaktisch und somit wissenschaftstheoretisch konsistent begründet werden kann. Dies sei anhand des vorliegenden Klassifikationsansatzes verdeutlicht. Für eine Klassifikation als Adjektiv sind hier primär die Distributionseigenschaften ausschlaggebend sowie der Nachweis, dass die betreffenden Wörter morphosyntaktische Merkmale aufweisen. Dabei ist es irrelevant, ob diese Merkmale durch spezifische Wortformen zum Ausdruck gebracht werden oder nicht. Aus syntaktischer Sicht verhalten sich Wörter wie schnell bzw. ungezwungen und zart, rosa bzw. prima in den o. g. Beispielen gleichartig: Sie treten in einer mit dem Adjektivrahmen vergleichbaren Umgebung auf und können auch jeweils im konstitutiven Adjektivrahmen vorkommen (vgl. (28)). Dabei weisen sie in ihrer jeweiligen syntaktischen Umgebung spezifische morphosyntaktische Eigenschaften auf (vgl. (29)–(33)), die aus der syntaktischen Beziehung der Kongruenz innerhalb der DP resultieren.⁸ (28) (29) (30) (31) (32) (33)
der schnelle/ungezwungene / zarte / rosa / prima Mann Er liebt schnelle (Akkusativ, Plural, Neutrum) Pferde. Das ist ein erzwungenes (Nominativ, Singular, Neutrum) Lächeln. Sie widmet ihm ein zart (Akkusativ, Singular, Neutrum) Gedicht. Sie schmücken die Tische mit rosa (Dativ, Plural, Femininum) Blüten. Sie hatte gestern eine prima (Akkusativ, Singular, Femininum) Idee.
7 Vgl. genauer dazu v. a. Kapitel 1.7. 8 Angesichts der hier fokussierten Problemstellung sei an dieser Stelle nicht genauer thematisiert, dass für bestimmte Fälle wie zart oder prima neben der soeben erläuterten Adjektivklassifikation auch eine Klassifikation als Adverb möglich ist, und zwar beim Auftreten in anderen syntaktischen Umgebungen (z. B. Er kann prima singen.). Vgl. genauer dazu Kapitel 2.1.3.
198
Anbindung an den Forschungskontext
Dabei kann die Besonderheit von Wörtern wie zart, in bestimmten Kontexten Merkmale nicht sichtbar auszudrücken, bzw. die Besonderheit von Wörtern wie rosa, grundsätzlich nur über eine einzige Wortform zu verfügen, zwar erwähnt werden. Diese Eigenschaften sind jedoch für die Zuordnung nicht ausschlaggebend. Dass im Rahmen primär morphologisch basierter bzw. heterogener Klassifikationsansätze die Gemeinsamkeiten von Wörtern wie schnell und rosa ebenfalls erkannt wurden sowie die grammatischen Gründe für eine Zuordnung zu einer gemeinsamen Wortart, zeigt sich in der o. g. mehrheitlich vertretenen Klassifikationsentscheidung. Im Unterschied dazu leistet der vorliegende Ansatz jedoch nicht nur eine entsprechende Zuordnung, sondern ermöglicht durch den Einsatz homogener Kriterien zugleich eine wissenschaftstheoretisch konsistente Begründung sowie eine anhand der konstitutiven Kriterien nachvollziehbare Klassifikation, in der das aufgezeigte Verhalten von Wörtern wie rosa oder zart kein gesondert zu problematisierendes Phänomen mehr darstellt. Der Umgang mit der hier thematisierten Fallgruppe I kann demnach vornehmlich im Vergleich mit den gegenwärtig dominierenden morphologisch basierten bzw. heterogenen Ansätzen insofern als überzeugender bezeichnet werden, als mithilfe der angesetzten Klassifikationskriterien auch in Bezug auf Wörter wie rosa adäquate Gründe für die Klassifikationsentscheidung gegeben werden können, ohne dass eine Sonderbehandlung notwendig ist. Damit wird letztlich auch eine Reduktion sog. Problemfälle bewirkt.
3.2.2 Fallgruppe II: Die Frau ist schuld. In der zweiten Fallgruppe werden Wörter wie leid, quitt und schuld betrachtet. Es handelt sich um eine kleinere Gruppe von Wörtern, die in der gegenwärtigen Wortartenforschung mehrheitlich – und auch im vorliegenden Ansatz – der Wortart ‚Adjektiv‘ zugeordnet werden.⁹ Diese Zuordnung ergibt sich jedoch nicht ohne weiteres, denn im Vergleich mit prototypischen Adjektiven wie schnell oder schön zeigen sich signifikante Unterschiede. So sind Wörter wie schuld – ebenso wie die im vorangegangenen Kapitel betrachteten Wörter prima, rosa oder zwanzig – grundsätzlich formunveränderlich (vgl. exemplarisch (34)). Für alle primär morphologisch basierten Klassifikationsansätze stellt sich demnach das mit dem Kriterium ‚Flektierbarkeit‘ verbundene Problem in gleicher Weise, d. h.
9 Vereinzelt finden sich auch andere Kategorisierungen, vgl. v. a. die Ansätze von Zifonun et al. 1997 und Hoffmann 2007, die diese und weitere Wörter in einer gesonderten Klasse ‚Adkopula‘ zusammenfassen.
Umgang mit Problemfällen
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eine Klassifikation als Adjektiv lässt sich auch hier nicht über die Flektierbarkeit begründen, sondern allenfalls gewährleisten über den Einsatz weiterer Kriterienarten bzw. über sog. Sonderfall-Listen (vgl. in dieser Weise u. a. Duden 4 82009: 360).¹⁰ Im Gegensatz zu Wörtern wie prima, rosa oder zwanzig sind Wörter wie schuld darüber hinaus aber auch in der typischen Adjektivumgebung blockiert (vgl. (35)), denn ihre Distribution beschränkt sich auf Kopulakonstruktionen (vgl. u. a. (36)–(41)). (34) * der schulde Mann (35) * der entzwei / leid / schuld Mann (36) (37) (38) (39) (40) (41)
Wir sind quitt. Sie ist es leid. Die Frau ist schuld. Sie bleibt ihm weiterhin zugetan. Nun ist auch diese Firma pleite. Ihm wird ganz angst.
Betrachtet man diese Kopulakonstruktionen näher, dann ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der durch leid, quitt oder schuld besetzten Position durchaus auch um eine typische Position für Wörter wie schnell handelt (vgl. u. a. (42)– (48)). (42) (43) (44) (45) (46) (47) (48)
Sein Auto ist schnell. Die Frau ist stolz. Der Film soll spannend sein. Die Wahl soll vorerst geheim bleiben. Ich bleibe jung. Deine Präsentation wird gut. Sie wird wahnsinnig.
In der Möglichkeit zum Auftreten in Kopulakonstruktionen besteht demnach eine Gemeinsamkeit zwischen Wörtern wie schnell und schuld. In der Forschungsliteratur schlägt sich dies z. T. in der Weise nieder, dass die Distribution ‚der Mann ist …‘ als ein möglicher Adjektivrahmen aufgeführt wird (vgl. v. a. Helbig / Buscha 2001: 280). Somit wäre es zumindest in primär syntaktisch basierten Ansätzen
10 Vgl. dazu auch Kapitel 3.2.1. Vgl. ausführlicher zu den mit dem Kriterium ‚Flektierbarkeit‘ verbundenen Problemen v. a. Kapitel 1.7.
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Anbindung an den Forschungskontext
unproblematisch, für Wörter wie schuld eine Adjektivklassifikation anzunehmen. Schwierigkeiten, was die Zuordnungsbegründung betrifft, ergeben sich allerdings dadurch, dass in dieser syntaktischen Umgebung neben Wörtern wie schnell und schuld noch weitere Wörter wie dort und Lehrer auftreten können (vgl. (49)–(54)), die sich ansonsten anders verhalten und zumeist auch anderen Wortarten (Adverb bzw. Substantiv) zugeordnet werden. (49) Das Rad bleibt dort. (50) Die Hochzeit ist morgen. (51) Er ist wirklich überall. (52) (53) (54)
Der Mann ist Lehrer. Sie bleibt passionierte Malerin. Ich werde Arzt.
Entsprechend ergibt sich sowohl für heterogene als auch für bisher etablierte, primär syntaktisch basierte Ansätze das Problem, dass für diese Fälle über distributionelle Merkmale zwar Hinweise auf eine Klassifikation als Adjektiv gegeben werden, allerdings keine eindeutige und begründete Zuordnungsentscheidung herbeigeführt werden kann. Zieht man ausschließlich die Distribution in Betracht, dann könnte es sich bei Wörtern wie schuld aufgrund der o. g. distributionellen Überschneidungen theoretisch genauso gut um Adverbien oder Substantive handeln.¹¹ Abgesehen von problematischeren Fällen wie schuld ergibt sich aus syntaktischer Perspektive grundsätzlich das Problem, dass insbesondere zwischen Wörtern wie schnell und dort in dieser konkreten Umgebung rein distributionell nicht trennscharf unterschieden werden kann – womit wiederum die grundlegende Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung angesprochen ist. Für die hier thematisierte Fallgruppe bleibt aber in jedem Fall festzuhalten, dass mithilfe des hier angesetzten distributionellen Kriteriums zwar erste Indizien für eine Adjektivklassifikation von Wörtern wie schuld vorliegen – worin bereits ein entscheidender Unterschied zu morphologischen Kriterien zu sehen ist, die eine solche Klassifikation schlichtweg ausschließen.¹² Wie aus den wenigen Bemerkungen bereits hervorgeht, gelingt es bisherigen syntaktischen Herangehensweisen allerdings letztlich auch nicht, eine stichhaltige Begründung für die Zuordnung vorzulegen.
11 Dieses Problem wird auch nicht gelöst durch Ansetzen einer gesonderten Wortart ‚Adkopula‘, vielmehr verschärft es die distributionelle Konkurrenz. 12 Teilweise findet sich zumindest eine entsprechende Problematisierung der Zuordnungsentscheidung (vgl. u. a. Duden 4 82009: 359 f.).
Umgang mit Problemfällen
201
Im Folgenden gilt es, zu zeigen, inwiefern der vorliegende, neu erarbeitete Klassifikationsansatz in der Lage ist, überzeugender mit derartigen Problemfällen umzugehen. Ausgehend von der Adjektivdefinition gelangt man zunächst zu der Aussage, dass es sich bei Wörtern wie leid, quitt oder schuld nicht um Adjektive handeln kann, da ein Auftreten im konstitutiven Distributionsrahmen zu ungrammatischen Konstruktionen führt (vgl. (35)). Bei einer Wortartenanalyse im vorliegenden Ansatz sind jedoch immer auch die weiteren syntaktischen Eigenschaften der betreffenden Wörter in der konkreten syntaktischen Umgebung von zentraler Bedeutung. Betrachtet man diese genauer, dann lassen sich durchaus Argumente für eine Adjektivklassifikation ermitteln. So legt zunächst der Vergleich zwischen Wörtern wie schuld und Lehrer aufgrund der unterschiedlichen phrasenbildenden Eigenschaften eine kategorielle Unterscheidung nahe. Demnach verfügen Wörter wie schuld im Gegensatz zu Wörtern wie Lehrer in besagter syntaktischer Umgebung nicht über die Fähigkeit, komplexe Phrasen zu bilden (vgl. (55)–(56)). (55) (56)
Der Mann ist ein guter Lehrer. * Der Mann ist die neue Schuld.
Darin ist eine Parallele zu Wörtern wie schnell und dort zu sehen, die typischerweise ebenfalls keine derartigen Phrasenerweiterungen aufweisen. Somit ist zumindest ein klares Argument dafür gegeben, Wörter wie schuld kategoriell von Wörtern wie Lehrer abzuheben und eine Klassifikation als Substantiv auszuschließen.¹³ Mit dieser Abgrenzung ist allerdings eine eindeutige und begründete Klassifikation von Wörtern wie schuld noch nicht möglich, da im Rahmen der vorliegenden Arbeit detailliert erarbeitet worden ist, dass syntaktisch zwischen Wörtern wie schnell und dort unterschieden werden muss, die in der hier fokussierten Distribution ebenfalls konkurrieren. Es gilt demnach an dieser Stelle aufzuzeigen, inwiefern Wörter wie schuld eher mit Wörtern wie schnell vergleichbar sind und nicht mit Wörtern wie dort, um eine Klassifikation als Adjektiv zu begründen. Die Argumente, die diesbezüglich angeführt werden können, nehmen Bezug auf die neuartigen Klassifikationskriterien, die im Rahmen des Lösungsvorschlags in Kapitel 2 vorgestellt wurden. Die Anwendung des Kriteriums ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ hatte dabei zunächst zu der Erkenntnis geführt, dass Wörter wie schnell in prädizierenden Kopulakonstruktionen verbbedingt in einer Kongruenzbeziehung zur Bezugsphrase stehen und aus diesem Grund morphosyntaktische Merkmale aufweisen. Deutlich sichtbar wird dies für das Deutsche zwar nicht anhand von
13 Vgl. genauer dazu die Ausführungen zu Umgebung d in Kapitel 2.1.3.1.
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Anbindung an den Forschungskontext
Wörtern wie schnell, jedoch anhand von Wörtern wie Betrüger in analoger Verwendung (vgl. (57)–(58)). (57) Der Mann ist schnell / Betrüger. (58) * Der Mann ist Betrügers. Im Weiteren wurde dafür argumentiert, die soeben genannten Fälle zu unterscheiden von einem Auftreten von Wörtern wie dort oder morgen in (59)–(60). Grund dafür ist die Beobachtung, dass hier weitere Lesarten der Kopulaverben erkennbar werden, die eine spezifische Relation der Lokalisierung, temporalen Verortung o. Ä. zwischen der als Subjekt fungierenden Phrase und Wörtern wie dort oder morgen herstellen. Das Entscheidende daran ist nun, dass diese anderen Lesarten – wie der Ersetzungstest zeigt – offensichtlich nicht durch spezifische syntaktische Beziehungen zum Ausdruck gebracht werden (vgl. (61)– (62)). Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass Wörter wie dort auch in Kopulakonstruktionen keine morphosyntaktischen Merkmale aufweisen.¹⁴ (59) (60) (61) (62)
Der Mann ist dort. Die Feier ist morgen. Der Mann ist in der Werkstatt. Die Feier ist am Wochenende.
Betrachtet man vor diesem Hintergrund Wörter wie schuld, dann zeigt sich tatsächlich eher eine Vergleichbarkeit mit Wörtern wie schnell. So ist in (63) ganz deutlich eine durch das Kopulaverb bewirkte Eigenschaftszuschreibung festzustellen (und keine Lokalisierung, temporale Verortung o. Ä.), was in Analogie zu schnell in (64) dafür spricht, zwischen die Frau und schuld eine Kongruenzbeziehung anzunehmen. Folglich lassen sich für schuld die morphosyntaktischen Merkmale Nominativ, Singular, Femininum ermitteln (vgl. analog auch (65)–(67)). (63) (64) (65) (66) (67)
Die Frau ist schuld. Die Frau ist schnell. Ihm wird ganz angst (Dativ, Singular, Maskulinum). Wir sind quitt (Nominativ, Plural, Femininum). Nun ist auch diese Firma pleite (Nominativ, Singular, Femininum).
14 Vgl. genauer dazu Kapitel 2.1.3.2.
Umgang mit Problemfällen
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Auch das zweite Kriterium ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ liefert ein weiteres Argument dafür, Wörter wie schuld tatsächlich der Wortart Adjektiv zuzuordnen. So wurde in Kapitel 2.1.3.3 konstatiert, dass nicht alle (z. B. schnell), aber doch zahlreiche Adjektive (z. B. stolz) über die Fähigkeit verfügen, morphosyntaktische Merkmale zuzuweisen, während Wörter in Adverbpositionen (z. B. dort oder morgen aber auch stolz) dies grundsätzlich nicht können. Betrachtet man vor diesem Hintergrund Wörter wie leid, quitt oder schuld, so zeigt sich, dass ein mit Adjektiven vergleichbares Spektrum zu beobachten ist – es finden sich Wörter wie pleite, die keine morphosyntaktischen Merkmale zuweisen können, neben Wörtern wie leid oder schuld, die eindeutig DPs oder PPs regieren können und somit in der Lage sind, morphosyntaktische Merkmale zuzuweisen (vgl. u. a. (68)–(72)). (68) (69) (70) (71) (72)
Ich bin diese Sache leid. Sie ist schuld an diesem Unfall. Er ist mir gram. Wir sind ihm zugetan. Sie wurde seiner habhaft.
Es spricht demnach einiges dafür, anzunehmen, dass Wörter wie leid, quitt oder schuld in Kopulakonstruktionen morphosyntaktische Merkmale aufweisen und teilweise auch zuweisen können. Damit sind neben den distributionellen Indizien weitere Argumente dafür angeführt worden, Wörter wie schuld eher mit Wörtern wie schnell in einer Wortart zusammenzufassen. Wenngleich also ein Einsetzen in den typischen und auch im vorliegenden Ansatz als konstitutiv betrachteten Adjektivrahmen nicht möglich ist, so sprechen die dargelegten syntaktischen Eigenschaften dennoch dafür, Wörter wie leid, quitt oder schuld – auf prototypentheoretischer Grundlage – der Wortart ‚Adjektiv‘ zuzuweisen. Im Resümee zeigt sich, dass die hier betrachtete Fallgruppe auch im vorliegenden Ansatz nicht als unproblematisch gelten kann, d. h. es ergibt sich für Wörter wie leid, quitt oder schuld keine völlig reibungslose Klassifikationsentscheidung. Der Vorzug des vorliegenden Klassifikationsansatzes im Vergleich mit bisherigen Ansätzen besteht jedoch darin, dass trotz der beobachteten Blockierung im Adjektivrahmen einige stichhaltige syntaktische Argumente angeführt werden können, die eine Adjektivklassifikation motivieren bzw. begründen können. Folglich dokumentiert sich im angesetzten Rahmen ein überzeugenderer Umgang mit den vorliegenden Problemfällen als bisher.
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Anbindung an den Forschungskontext
3.2.3 Fallgruppe III: der schrittweise Aufbau In der dritten Fallgruppe werden Wörter wie schrittweise, leihweise und zeitweise betrachtet, die einerseits in Konstruktionen wie in (73)–(77) auftreten. Darüber hinaus finden sich jedoch weitere Verwendungsweisen im Satz (vgl. u. a. (78)– (82)), die in verschiedener Hinsicht deutlich von ersteren abzuheben sind.¹⁵ (73) (74) (75) (76) (77)
Das muss man schrittweise erlernen. Könntest du mir leihweise dieses Lehrbuch überlassen? Zeitweise hatten wir gar keinen Kontakt. Ansatzweise versteht sie schon, wovon wir reden. Möglicherweise kommt er heute eher nach Hause.
(78) (79) (80) (81) (82)
Der schrittweise Aufbau dieser Kompetenz ist von Vorteil. Das leihweise Benutzen der Räder ist gestattet. Wir müssen einen zeitweisen Veranstaltungsausfall verhindern. Mit der probeweisen Einführung dieser Gesetze wurde alles besser. Die portionsweise Verteilung der Hilfsgüter war schwierig.
Aus klassifikatorischer Perspektive sind die in (73)–(77) genannten Fälle zunächst weniger problematisch. Sie werden mehrheitlich als Adverbien klassifiziert, wenn auch je nach Ansatz aus unterschiedlichen Gründen.¹⁶ Weniger klar ist die Lage im Hinblick auf die Fälle in (78)–(82). Vornehmlich die in (80)–(81) aufgeführten Beispiele lassen deutlich erkennen, dass Wörter wie schrittweise in dieser Position u. U. flektiert werden. Folglich müsste man in den gegenwärtig vorherrschenden, primär morphologischen Ansätzen, die das Kriterium ‚Flektierbarkeit‘ zugrunde legen, Wörter wie schrittweise eigentlich grundsätzlich als Adjektive klassifizieren.¹⁷ Dies wäre zumindest die logische Konsequenz vor dem Hinter-
15 Zu nennen wäre zudem die ebenfalls weniger typische Verwendung im Satz Du musst das Schrittweise beachten. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit primär die Frage der AdjektivAdverb-Abgrenzung im Mittelpunkt steht, wird darauf im Folgenden jedoch nicht explizit eingegangen. 16 Nicht so in den in Ansätzen, die in Kapitel 1 unter Position IV zusammengefasst sind, die für alle o. g. Fälle eine Kategorisierung als ‚Beiwort‘ bzw. ‚Adjektiv‘ vorsehen. Vgl. genauer dazu Kapitel 1.5.2. 17 Das Problem stellt sich in ähnlicher Weise auch für andere primär morphologisch basierte Ansätze, die das Kriterium ‚Flektiertheit‘ zugrunde legen (vgl. die in Kapitel 1 unter Position II und III zusammengefassten Ansätze). Hier müsste man wenigstens in den Fällen, in denen flektierte Formen auftreten, eine Zuordnung zur Wortart ‚Adjektiv‘ vornehmen, was zumindest
Umgang mit Problemfällen
205
grund der Argumentation, die zumeist im Hinblick auf Wörter wie schnell erfolgt (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 622; Duden 4 82009: 338; Eisenberg 42013 II: 227 f.). Dort wird angegeben, dass Wörter wie schnell aufgrund ihrer grundsätzlichen Flektierbarkeit als Adjektive zu betrachten sind (vgl. (83)), auch wenn sie in bestimmten Umgebungen prinzipiell unflektiert erscheinen (vgl. (84)–(85)). (83) Der schnelle Aufbau dieser Kompetenz ist von Vorteil. (84) Das muss man schnell erlernen. (85) * Das muss man schnelle erlernen. Dass man diese Argumentation in den entsprechenden Arbeiten jedoch in aller Regel nicht auf Fälle wie schrittweise überträgt, ist wohl einerseits damit zu erklären, dass Wörter wie schrittweise – zugegebenermaßen – nicht typischerweise flektierbar sind und für die Wortartenklassifikation vermutlich das typische Verhalten von Wörtern zugrunde gelegt wird. Andererseits spiegelt sich hier das grundsätzliche Bestreben wider, Wörter möglichst nur einer Wortart zuzuordnen. So wird insbesondere bei der Frage der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung entsprechend dafür argumentiert, für Wörter wie schnell u. a. auch deshalb nur eine Wortart (Adjektiv) anzusetzen, weil die Annahme unterschiedlicher Wortarten unter der Prämisse einer eindeutigen Wortartenmarkierung nur durch Homonymien erklärt werden könne (vgl. u. a. Grundzüge 1981: 622; Eisenberg 42013 II: 227 f.) und dies zu unerwünschten Konsequenzen führen würde, v. a. im Hinblick auf die Eigenständigkeit der Kategorie ‚Adjektiv‘ als einer der Hauptwortarten (vgl. Eisenberg 42013 II: 228) und im Hinblick auf die Speicherung im Lexikon (vgl. u. a. Eschenlohr 1999: 49). Tatsächlich werden v. a. Fälle wie die in (78)–(82) genannten in den entsprechenden Arbeiten nicht unbedingt thematisiert (vgl. u. a. Hentschel / Weydt 3 2003), z. T. wird jedoch eine Adjektivklassifikation explizit ausgeschlossen (vgl. u. a. Duden 4 82009: 571) oder als eine Art Notlösung in Kauf genommen (vgl. Eisenberg 42013 II: 222). Zumindest in Bezug auf die beiden zuletzt genannten Herangehensweisen entstehen allerdings Widersprüche innerhalb der Gesamtklassifikation, denn man würde entweder die Existenz flektierbarer Adverbien innerhalb der als nichtflektierbar definierten Wortart ‚Adverb‘ annehmen (vgl. so
explizit jedoch nicht geschieht. Probleme würden sich hier v. a. dadurch ergeben, dass man schrittweise in der schrittweise Aufbau als Adverb klassifizieren müsste, in Konstruktionen wie mit dem schrittweisen Aufbau jedoch als Adjektiv, wenngleich die Parallelität der Konstruktionen auf der Hand liegt. Da diese Ansätze in der gegenwärtigen Wortartenforschung jedoch nicht dominieren, werden sie im Folgenden nicht genauer thematisiert.
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auch die Argumentation bei Eisenberg 42013 II: 222) oder aber unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Klassifikation von Wörtern wie schnell und schrittweise ansetzen, obgleich die Parallelen anhand der o. g. Beispiele unübersehbar sind (vgl. (73) vs. (84) und (78) vs. (83)).¹⁸ Derartige klassifikatorische Widersprüche sind hingegen in primär syntaktischen Ansätzen – wie auch dem hier vertretenen – nicht zu beobachten. Vielmehr erlauben die jeweils angesetzten Klassifikationskriterien auch für Wörter wie schrittweise in Abhängigkeit vom Auftreten im Satz eine jeweils begründete Klassifikation. Durch das Kriterium ‚Distribution‘ sowie – in Abhängigkeit vom Ansatz – durch Verwendung weiterer syntaktischer Kriterien (v. a. das Kriterium ‚syntaktische Funktion‘ bzw. im vorliegenden Ansatz die Kriterien ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘) gelangt man jeweils zu dem Ergebnis, Wörter wie schrittweise in (73)–(77) als Adverbien zu klassifizieren, während man in (78)–(82) Adjektive annehmen würde.¹⁹ Die daraus resultierende Mehrfachkategorisierung für Wörter wie schrittweise hat ihre Parallele in der in diesen Ansätzen ebenfalls vertretenen Mehrfachkategorisierung von Wörtern wie schnell, sodass ein entscheidender Vorteil syntaktischer Herangehensweisen im Vergleich zu den o. g. morphologischen Ansätzen zumindest darin zu sehen ist, dass in sich stimmige Gesamtklassifikationen vorliegen und Widersprüche vermieden werden können. Allerdings stellt sich hier – ebenso wie im Fall von schnell – die berechtigte und v. a. im Rahmen der o. g. morphologischen Ansätze thematisierte Frage nach dem Umgang mit derartigen Mehrfachkategorisierungen. Analog zu den in syntaktischen Ansätzen ebenfalls erklärungsbedürftigen Mehrfachkategorisierungen von Wörtern wie schnell müsste man im vorliegenden Fall das Verhältnis zwischen Wörtern wie schrittweiseAdv und schrittweiseA erklären. Zumindest explizit geschieht dies in bisherigen, syntaktisch orientierten Publikationen jedoch nicht. Der Vorteil des vorliegenden Klassifikationsansatzes besteht nun darin, dass durch Ausarbeitung bzw. Weiterentwicklung des – v. a. durch Meibauer et al. 2 2007 – angeregten Konzepts zur Differenzierung zweier verschiedener Ebenen der Wortartenzuordnung eine entsprechende Erklärung auch für die vorliegende
18 Vgl. zu diesem Problem auch Kapitel 1.6.2. 19 Vgl. genauer zum methodischen Vorgehen der Wortartenzuordnung Kapitel 2.1.3. Bei Einsetzen in die jeweiligen Distributionsrahmen sind auf den ersten Blick Wörter wie schrittweise im Adjektivrahmen ausgeschlossen (vgl. *der schrittweise Mann). Allerdings ist dies nicht grundsätzlich der Fall. Zu erklären ist die Blockierung vielmehr damit, dass Wörter wie schrittweise in dieser Position nur im Zusammenhang mit deverbalen Substantiven auftreten können. Dabei ist die Parallele zwischen Wörtern wie Mann und Aufbau gegeben, sodass ein geringfügig modifizierter Adjektivrahmen gebildet werden kann.
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Fallgruppe denkbar ist. Ohne an dieser Stelle eine ausführliche Analyse vorlegen zu können, sei das Grundprinzip dennoch in aller Kürze skizziert. Ausgangspunkt ist dabei die o. g. Feststellung, dass sich für Wörter wie schrittweise auf syntaktischer Ebene je nach Auftreten im Satz eine Klassifikation als Adverb oder als Adjektiv ergibt, obgleich formal und semantisch sehr starke Ähnlichkeiten bestehen. Letzteres verweist auf eine möglicherweise systematisch bestehende Beziehung zwischen Wörtern wie schrittweiseAdv und schrittweiseA und motiviert den Einbezug der lexikalischen Ebene der Wortartenzuordnung. Dabei gilt es zunächst, die für beide Kategorien relevanten Wortbildungszusammenhänge in Betracht zu ziehen. Es zeigt sich, dass in der bisherigen Wortbildungsliteratur allerdings keine entsprechende Wortbildungsregel für Wörter wie schrittweise etabliert worden ist, die die Kategorien ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ in entsprechender Weise in Bezug zueinander setzt. Analysiert man dennoch genauer die konkurrierenden Kategorien, um ggf. die zugrunde liegende, sog. Ausgangskategorie ermitteln zu können, so wird recht schnell erkennbar, dass für die betreffenden Wörter in der typischen Adjektivumgebung deutliche Blockierungen zu beobachten sind (vgl. dazu u. a. Eisenberg 42013 II: 222). So können Wörter wie schrittweise zum einen nur dann pränominal auftreten, wenn ein deverbales Substantiv folgt (vgl. die Blockierungen in (86)–(87)). Zum anderen sind bestimmte, mit schrittweise vergleichbare Wörter wie bedauerlicherweise grundsätzlich innerhalb von DPs blockiert (vgl. (88)–(89)). (86) (87) (88) (89)
* der schrittweise Lehrer * das probeweise Buch * der bedauerlicherweise Verlust (Eisenberg 42013 II: 222) * die unverhoffterweise Einführung der Gesetze
Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass es sich bei der vorliegenden Fallgruppe eher nicht um typische Adjektive handelt. Hingegen sind im Vergleich mit anderen typischen Adverbien keine vergleichbaren Blockierungen erkennbar. Wörter wie schrittweise verhalten sich in Adverbposition wie andere prototypische Adverbien. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die Kategorie ‚Adverb‘ als zugrunde liegende Kategorie fungiert und daraus die entsprechend formal und semantisch gleichartigen oder ähnlichen Adjektive abgeleitet werden. Da gemäß der hier erarbeiteten Konzeption eine Erläuterung derartiger Ableitungsprozesse grundsätzlich im Bereich der Wortbildungsregeln anzusiedeln ist, müsste man – ebenso wie im Fall von schnell – eine entsprechende Konversionsregel etablieren, um den Wortartwechsel adäquat zu operationalisieren. Interessanterweise findet in dieser Schlussfolgerung der von Eisenberg formulierte Erklärungsansatz, eine Adjektivklassifikation für Wörter wie schrittweise in
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(78)–(82) über Konversion zu erklären (Eisenberg 42013 II: 222), hier eine erste Bestätigung und müsste in weiterführenden Untersuchungen entsprechend ausgearbeitet werden. Im Unterschied zum Ansatz von Eisenberg würde im vorliegenden Klassifikationsansatz dann jedoch nicht die Rede von einer Notlösung sein. Vielmehr könnte eine systematische Erklärung im Rahmen eines syntaktischen Klassifikationsansatzes gegeben werden, die es nicht nur ermöglicht, derartige Mehrfachkategorisierungen auf syntaktischer Ebene adäquat zu begründen und zugleich Widersprüche in der Gesamtklassifikation zu vermeiden. Darüber hinaus könnte die Beziehung zwischen formal und semantisch sehr ähnlichen Einheiten unterschiedlicher Kategorien mithilfe der Wortbildung erläutert werden, und zwar – ebenso wie im Fall von schnell – ohne automatisch Homonyme und damit verbundene Vorbehalte hinnehmen zu müssen.²⁰ Der Umgang mit der hier thematisierten Fallgruppe kann im Vergleich zu bisherigen Ansätzen also insofern als überzeugender bezeichnet werden, als für Wörter wie schrittweise nicht nur eine widerspruchsfreie und begründete Wortartenzuordnung in Abhängigkeit vom Auftreten im Satz erreicht werden kann, sondern zugleich die Möglichkeit besteht, das vermutlich systematisch bestehende Verhältnis zwischen Wörtern wie schrittweiseAdv und schrittweiseA im Rahmen des Konzepts einer differenzierenden Wortartenzuordnung darzustellen und zu erklären.
3.2.4 Fallgruppe IV: der schnell zufriedene Mann Im Gegensatz zu den vorangegangenen Kapiteln, in denen der Umgang mit bestimmten Gruppen von Wörtern erörtert wurde, soll es abschließend um spezifische syntaktische Umgebungen gehen, die in Kapitel 2.1.3 erarbeitet und genauer analysiert wurden und in (90)–(92) nochmals aufgeführt sind. (90) Der … zufriedene Mann kommt. (91) … nach dem Seminar arbeitet er. (92) Der Mann arbeitet … oben. Im Mittelpunkt der Darstellung wird im Folgenden die syntaktische Umgebung in (90) stehen, anhand derer exemplarisch ein weiterer, für die gesamte Fallgruppe
20 So lassen sich alle Lexeme wie schrittweise, die auf syntaktischer Ebene als Adjektive zu klassifizieren sind, regulär über Wortbildungsregeln erklären, ohne dass damit im vorliegenden Konzept Homonymien oder eine doppelte Speicherung im Lexikon verbunden ist.
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gültiger Vorzug des vorgelegten Klassifikationsansatzes aufgezeigt werden kann. Wie in Kapitel 2 bereits dargestellt wurde, handelt es sich hier um eine syntaktische Umgebung, in der einerseits Wörter wie schnell (vgl. (93)–(97)) und andererseits Wörter wie sofort (vgl. (98)–(102)) auftreten können. (93) (94) (95) (96) (97)
Der schnell zufriedene Klient bekommt ein Geschenk. Die sicher einfachste Lösung ist bereits vorgeschlagen worden. Er ist der vermutlich ältere Kollege. Sie trägt ein kurz geschnittenes Kleid. Es war nur ein gut gemeinter Rat.
(98) (99) (100) (101) (102)
Er staunt über die sofort heiße Kochplatte. Ich treffe morgen den bald pensionierten Kollegen. Der möglicherweise schnellste Kopierer steht oben. Sie sind gern gesehene Gäste. Sie hilft ihrem stets freundlichen Nachbarn.
Die Frage, wie mit diesen Fällen klassifikatorisch umzugehen ist, wird je nach Ansatz unterschiedlich beantwortet. Grundsätzlich ist dabei festzustellen, dass die in (93)–(102) genannten Beispiele in der gegenwärtigen Wortartenliteratur vornehmlich dann als problematische Fälle zu gelten haben, wenn im Zusammenhang mit den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ die Satzgliedterminologie Verwendung findet. Besonders deutlich wird dies anhand der Ansätze, die in Kapitel 1 unter Position V subsumiert wurden.²¹ Dort wird die Klasse der Adjektive zumeist funktional subklassifiziert in attributive, prädikative und adverbiale Adjektive (vgl. u. a. Hentschel / Weydt 32003: 203; Duden 4 82009: 340; Eisenberg 4 2013 I: 171).²² Aber auch im Hinblick auf die Wortart ‚Adverb‘ erfolgen in aller Regel Angaben zu möglichen syntaktischen Funktionen von Adverbien (v. a. ‚Adverbial‘ und ‚Attribut‘), wobei die Adverbialfunktion z. T. als die typische
21 Auch für andere Ansätze ist die Annahme einer Form-Funktion-Beziehung, wie sie u. a. durch den Einsatz der Satzgliedterminologie entsteht, als problematisch einzuschätzen (vgl. u. a. zu Position I Clément 2005; zu Position II Rolland 1999; zu Position IV Motsch 22004). Wenngleich an dieser Stelle nicht auf alle betreffenden Arbeiten genauer eingegangen werden kann, so lässt sich die Problematik anhand der o. g. Ansätze (Position V) doch besonders deutlich aufzeigen, denn diese Position hat ihren Ursprung auch in der Überlegung, die ursprünglich formal motivierte Adjektivdefinition durch eine funktionale Differenzierung zu ersetzen (vgl. Paraschkewoff 1974: 290). 22 In der Dudengrammatik wird darüber hinaus der substantivierte Gebrauch von Adjektiven als weitere Subklasse angenommen (vgl. Duden 4 82009: 340).
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Funktion benannt wird (vgl. u. a. Hoffmann 2007: 223). Allerdings wird im Gegensatz zur Wortart ‚Adjektiv‘ zumeist keine erschöpfende Subklassifizierung angenommen (vgl. u. a. Duden 4 82009: 571). Nun wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, dass syntaktische Funktionen v. a. deshalb als kriteriale Grundlage für das Etablieren einer Wortartensystematik wenig geeignet sind, weil im Deutschen zwischen Form und Funktion keine direkte Korrelation angenommen werden kann.²³ Neben dem grundsätzlichen Problem, dass Vertreter der Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ funktionale Überschneidungen aufweisen, da sie u. a. sowohl in Attribut- als auch in Adverbialfunktion auftreten können, lässt sich anhand der hier betrachteten Fallgruppe eine weitere Dimension dieses Problems veranschaulichen. So ist festzustellen, dass Wörter, die in der o. g. syntaktischen Umgebung vorkommen, keiner der angeführten syntaktischen Funktionen bzw. postulierten Subklassen zugeordnet werden können, wenn man die mehrheitlich zugrunde gelegten Adverbial- bzw. Attributdefinitionen berücksichtigt.²⁴ Beispielsweise wird in der Dudengrammatik das Auftreten von Wörtern wie schnell in besagter Umgebung (der schnell zufriedene Klient) explizit aufgeführt, wobei eine Zuordnung von schnell zu den adverbialen Adjektiven erfolgt (vgl. Duden 4 82009: 340). Diese Zuordnung erweist sich u. a. deshalb als problematisch, weil die in der Dudengrammatik angesetzte Adverbialdefinition (vgl. Duden 4 82009: 781 ff.) in diesem Fall eine Analyse von schnell als Adverbial gar nicht zulässt und somit – bei der offenkundig funktional zu interpretierenden Bedeutung des Begriffs ‚adverbiales Adjektiv‘ (vgl. dazu Kapitel 1.6.2) – ein inhaltlicher Widerspruch provoziert wird. Da mit den angesetzten Adjektiv-Subklassen (in der Dudengrammatik: attributiver, substantivierter, prädikativer und adverbialer Gebrauch) jedoch eine exhaustive Klassifikation aller Adjektive suggeriert wird, ergibt sich daraus das Problem, dass Wörter wie schnell in den o. g. Konstruktionen – streng genommen – nicht als Adjektive klassifiziert werden dürften. Auch wenn, zumindest in der Dudengrammatik, das Auftreten von Wörtern wie sofort in der o. g. Konstruktion keine explizite Erwähnung findet, würde sich das
23 Vgl. dazu v. a. Kapitel 1.7. 24 Eine Ausnahme stellen dabei einerseits Arbeiten dar, die – wie beispielsweise Hentschel / Weydt – tatsächlich einen sehr weiten Attributbegriff ansetzen, um auch die hier betrachteten Fälle erfassen zu können (vgl. Hentschel / Weydt 32003: 392 ff.). Andererseits finden sich daneben aber auch einige Arbeiten, die diese Fälle durch das Etablieren eines weiteren Adverbialbegriffs zu erfassen suchen (vgl. u. a. Pittner 1999). Die Nachteile dieser unterschiedlichen Ansätze sind nicht primär auf Ebene der Wortartenforschung zu suchen, sondern im Bereich Syntax / Satzgliedterminologie, sodass an dieser Stelle keine vertiefenden Ausführungen erfolgen. Vgl. dazu auch die Anmerkungen in Kapitel 1.6.2.
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Problem dort in ähnlicher Weise stellen, d. h. mithilfe der in der Dudengrammatik vertretenen Satzgliedterminologie ließen sie auch die Fälle in (98)–(102) funktional nicht erfassen.²⁵ Die exemplarische Darstellung zeigt, dass der – in der Wortartenforschung weit verbreitete – Einsatz syntaktischer Kriterien zur Wortartendefinition oder -beschreibung auch unabhängig von funktionalen Überschneidungen zwischen verschiedenen Wortarten nicht zu vernachlässigende Probleme mit sich bringt. So ist man speziell mithilfe der gegenwärtig mehrheitlich vertretenen Satzgliedterminologie nicht in der Lage, alle Verwendungsmöglichkeiten für Wörter wie schnell und sofort im Satz adäquat zu erfassen – und zwar insbesondere die Verwendungen, die im vorliegenden Kapitel zu Fallgruppe IV zusammengefasst wurden. Nicht zuletzt aus diesem Grund verzichtet der hier erarbeitete Klassifikationsansatz bewusst auf dieses syntaktische Kriterium. Dies ist als ein entscheidender Vorteil im Vergleich mit den o. g. Ansätzen zu werten, denn insbesondere das soeben aufgezeigte Problem einer fehlenden oder widersprüchlichen Bezeichnung bzw. Zuordnung stellt sich im vorliegenden Ansatz nicht. Es gelingt also auch hier – wie bereits in Bezug auf die Fallgruppen I und II –, über die Kriterienwahl Probleme bisheriger Ansätze schlicht zu vermeiden. Der Umgang des hier erarbeiteten Klassifikationsansatzes mit der fokussierten Fallgruppe ist aber auch in anderer Hinsicht als vorteilhaft zu bezeichnen, und zwar im Vergleich mit Ansätzen, die ebenso primär distributionelle Kriterien ansetzen. Für das Deutsche sind dabei v. a. die Arbeiten von Helbig bzw. Helbig / Buscha relevant, die im Folgenden etwas genauer vergleichend betrachtet werden sollen. Charakteristisch für die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ ist dort jeweils das Nennen von Distributionsrahmen, wobei allerdings die zu Fallgruppe IV zusammengefassten syntaktischen Umgebungen (vgl. wiederholend in (103)–(105)) nicht bzw. nicht als eigenständige Distributionen aufgeführt werden. Lediglich im Zusammenhang mit der Wortart ‚Adverb‘ wird eine Variante zum Adverbrahmen I aufgeführt, die von der Struktur her der hier in den Mittelpunkt gestellten syntaktischen Umgebung der … zufriedene Mann entspricht (vgl. (106)). (103) Der … zufriedene Mann kommt. (104) … nach dem Seminar arbeitet er. (105) Der Mann arbeitet … oben.
25 Da in der Dudengrammatik primär morphologisch klassifiziert wird und in Bezug auf die Wortart ‚Adverb‘ keine vergleichbare exhaustive Subklassifikation angesetzt wird, führt eine Adverb-Klassifikation für Wörter wie sofort in der o. g. Umgebung zumindest nicht zu den im Zusammenhang mit schnell beobachteten Schwierigkeiten.
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Anbindung an den Forschungskontext
(106) Adverbrahmen (vgl. Helbig / Buscha 2001: 306 f.): I der Mann arbeitet … (Variante: der … arbeitende Mann) II der Mann ist … III der Mann … arbeitet den ganzen Tag. Im Gegensatz zu Helbig bzw. Helbig / Buscha wird in der vorliegenden Arbeit hingegen die Auffassung vertreten, dass es sich hierbei um eine eigenständige grundlegende Distribution handelt und nicht nur um eine von Rahmen I abgeleitete Struktur. Zu begründen ist dies v. a. damit, dass in der Position von arbeitende auch zahlreiche andere Wörter wie zufrieden, einfach oder alt auftreten können (vgl. u. a. (93)–(95)), die eindeutig nicht auf eine verbale Struktur zurückzuführen sind. Festzuhalten ist also zunächst, dass die hier als grundlegend erkannte Distribution in (103) nicht als solche erfasst wird und die beiden anderen Distributionen in (104)–(105) keine Erwähnung finden. Zum Problem wird das Fehlen diesbezüglicher Distributionsrahmen in den Arbeiten von Helbig bzw. Helbig / Buscha jedoch erst aufgrund der Tatsache, dass eine Wortartenzuordnung allein mithilfe des Kriteriums ‚Distribution‘ erfolgen soll. Orientiert man sich ausschließlich an den angegebenen Rahmen, dann könnte man konsequenterweise weder Wörter wie schnell noch Wörter wie sofort in den o. g. Fällen (93)–(102) als Adjektive oder Adverbien klassifizieren. Nimmt man an, dass es um die grundsätzliche Möglichkeit geht, Wörter wie schnell und sofort in den angegebenen Rahmen einzusetzen, dann lässt sich zumindest für Wörter wie schnell keine eindeutige Klassifikation vornehmen, da sie sowohl in den Adjektiv- als auch in den Adverbrahmen auftreten können und dies für die Beurteilung der konkreten Umgebung wenig Aussagekraft hat. Der Vorzug des vorliegenden Klassifikationsansatzes im Vergleich mit den o. g. Arbeiten ist nun einerseits darin zu sehen, dass für alle – auch für hier fokussierten – grundlegenden Umgebungen entsprechende Distributionsrahmen benannt werden und damit eine umfassendere Dokumentation der möglichen Distributionen für Wörter wie schnell und sofort erfolgt. Andererseits kommt auch hier – wie schon in Bezug auf die Fallgruppe II – der Vorteil zum Tragen, dass neben der Distribution die zwei neuartigen Kriterien ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ und ‚Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ Verwendung finden. Insbesondere genügt es dadurch, für die Kategoriendefinitionen jeweils nur einen Distributionsrahmen anzusetzen und davon abweichende Distributionen mithilfe der weiteren konstitutiven Merkmale zu untersuchen und der jeweils relevanten Wortart zuzuordnen. Exemplarisch sei dies anhand von (107) aufgezeigt.²⁶
26 Im Folgenden erfolgt nur eine verknappte Darstellung der Klassifikation auf syntaktischer
Umgang mit Problemfällen
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(107) Der schnell / sofort zufriedene Mann kommt. Ausgangspunkt ist auch hier die Analyse der distributionellen Eigenschaften. Nun wurde bereits mehrfach dargestellt, dass die Wörter schnell bzw. sofort grundsätzlich im konstitutiven Adverbrahmen auftreten können (vgl. (108)), schnell darüber hinaus auch im Adjektivrahmen (vgl. (109)). Eine genauere Untersuchung der konkreten syntaktischen Umgebung mithilfe des Klassifikationskriteriums ‚Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale‘ führt dann zu der Erkenntnis, dass sich für die zu analysierenden Wörter keinerlei syntaktische Beziehungen ermitteln lassen, die das Vorliegen morphosyntaktischer Merkmale motivieren könnten. Zudem sind Wörter wie schnelle oder Lehrer, die morphosyntaktische Merkmale durch spezifische Formenbildung zum Ausdruck bringen können, in der vorliegenden Position grundsätzlich blockiert (vgl. (110)). Folglich ist davon auszugehen, dass die Wörter schnell und sofort in dieser Position keine morphosyntaktischen Merkmale aufweisen und deshalb nicht als Adjektive, sondern als Adverbien zu klassifizieren sind. (108) Schnell / Sofort kommt der Mann. (109) der schnelle Mann (110) * Der schnelle / Lehrers zufriedene Mann kommt.²⁷ Diese verknappte Analyse verdeutlicht, dass im Rahmen des neu erarbeiteten Klassifikationsansatzes eine eindeutige und begründete Klassifikation für Wörter wie schnell und sofort beim Auftreten in der Umgebung der … zufriedene Mann möglich ist. Diese Schlussfolgerung trifft jedoch nicht nur auf diese Umgebung zu, sondern ist auf die gesamte Fallgruppe übertragbar. Dabei entstehen im Vergleich zu den Arbeiten von Helbig bzw. Helbig / Buscha v. a. aufgrund der erweiterten Distributionsanalyse und des Hinzuziehens der neuartigen Kriterien insbesondere keine Zuordnungsunsicherheiten in Bezug auf Wörter wie schnell. Dies ist als entscheidender Vorteil zu werten. Aber auch im Vergleich mit den zuvor betrachteten Arbeiten, die aufgrund der Satzgliedterminologie zumindest terminologisch in grundlegende Schwierigkeiten geraten, lassen sich hier keine vergleichbaren Probleme erkennen. Im Gegenteil, der vorliegende Ansatz bietet
Ebene, die für den vorliegenden Erklärungszusammenhang ausreichend ist. Vgl. genauer dazu Kapitel 2.1.3. 27 Dass es sich in Der schnelle (,) zufriedene Mann kommt. nicht um eine ungrammatische Struktur handelt, ist allein darauf zurückzuführen, dass eine andere als die hier thematisierte Konstruktion vorliegt, in der Adjektive koordiniert auftreten können.
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Anbindung an den Forschungskontext
nicht nur eine syntaktisch stimmige Klassifikation, sondern bietet angesichts der Differenzierung in zwei Ebenen der Wortartenzuordnung außerdem eine systematische Erläuterung für die Adverbklassifikation von Wörtern wie schnell in dieser Position – gemeint ist die in Kapitel 2.3 erarbeitete systematische Beziehung zu den formal und semantisch gleichartigen Adjektiven, aus denen die hier als Adverbien klassifizierten Lexeme mittels Wortbildung abgeleitet werden (vgl. (111)). (111) Der schnell zufriedene Mann kommt. Lexikalische Kategorie: Adv Wortkategorie: A Insgesamt kann deshalb festgehalten werden, dass sich der Umgang mit der zu Fallgruppe IV zusammengefassten syntaktischen Konstruktionen im vorliegenden Klassifikationsansatz insofern überzeugender darstellt, als es gelingt, wissenschaftstheoretisch konsistente Argumente für eine eindeutige Wortartenzuordnung auf syntaktischer Ebene zu liefern und damit letztlich auch – wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln – eine Reduktion von Problemfällen zu erreichen. Außerdem kommt auch hier der bereits verschiedentlich erwähnte Vorteil zum Tragen, dass mithilfe der angesetzten Ebenendifferenzierung zugleich die Möglichkeit besteht, für die Adverbklassifikation von Wörtern wie schnell in der vorliegenden syntaktischen Umgebung eine gesamtsystematische Erklärung zu geben.
3.3 Zusammenfassung Im vorangegangenen Kapitel 3 wurde der in Kapitel 2 erarbeitete Vorschlag zur Lösung der Adjektiv-Adverb-Frage insofern einer erneuten Betrachtung unterzogen, als durch einen Vergleich mit bisherigen Ansätzen eine Anbindung an den Forschungskontext vorgenommen wurde. Dabei konnte sowohl in Bezug auf die grundsätzliche Konzeption von Klassifikationsansätzen (vgl. Kapitel 3.1) als auch im Hinblick auf konkrete Fallbeispiele (vgl. Kapitel 3.2) zwischen dem neu erarbeiteten Ansatz und bisherigen Herangehensweisen z. T. sehr deutliche Unterschiede aufgezeigt werden. Entscheidend dabei ist zunächst die Erkenntnis, dass der vorliegende Ansatz angesichts der im Vorfeld bewusst erfolgten Auseinandersetzung mit theoretischen Grundfragen (Kriterienwahl, theoretischer Status der Kategorien u. Ä.) durch eine Herangehensweise gekennzeichnet ist, mithilfe derer es gelingt,
Zusammenfassung
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zentrale Kritikpunkte der allgemeinen Wortartenforschung zu entkräften.²⁸ Dies ist aus wissenschaftstheoretischer Perspektive ein großer Vorteil, den die meisten bisherigen Ansätze nicht teilen. Darüber hinaus demonstriert die vergleichende Darstellung zum Umgang mit Fällen, die in bisherigen Ansätzen teilweise zu grundlegenden Schwierigkeiten führen und somit als Problemfälle bezeichnet werden können, dass der vorgelegte Klassifikationsansatz auch in dieser Hinsicht klare Vorzüge bietet. So lässt sich zum einen eine deutliche Reduktion von Problemfällen beobachten, was primär mit der Kriterienwahl zu erklären ist. Fälle wie die rosa Blüten, der schrittweise Aufbau oder der schnell zufriedene Kunde stellen demnach keine gesondert zu thematisierenden Fälle mehr dar, sondern können mithilfe des angesetzten Kriterieninventars ohne weiteres eindeutig und begründet einer Kategorie zugeordnet werden. Zwar trifft diese Beobachtung auf Fälle wie Der Mann ist schuld. nicht zu – als Problemfälle haben diese auch im vorgelegten Ansatz zu gelten. Allerdings können im Vergleich zu bisherigen Ansätzen zumindest entscheidend mehr stichhaltige Gründe für eine eindeutige Adjektivklassifikation angeführt werden. Zum anderen zeigt sich anhand der sog. Problemfälle erneut der Vorzug eines gesamtsystematischen Klassifikationsansatzes, der aus der Differenzierung in zwei Ebenen der Wortartenzuordnung resultiert. So bietet sich nicht nur die Möglichkeit, für die Adverbklassifikation von Wörtern wie schnell auch in Fällen wie der schnell zufriedene Kunde eine gesamtsystematische Erklärung zu geben. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass auch für ähnlich gelagerte Fälle ein vergleichbarer Erklärungsansatz denkbar ist, und zwar im Besonderen für die Adjektivklassifikation von Wörtern wie schrittweise beim Auftreten in Umgebungen wie der schrittweise Aufbau. Diese Art einer umfassenden gesamtsystematischen Betrachtung findet sich in bisherigen Arbeiten nicht bzw. zumindest nicht in dieser Explizitheit. Insgesamt lässt sich demnach festhalten, dass der vorgelegte Klassifikationsansatz nicht nur als ein weiterer Ansatz zur Adjektiv-Adverb-Frage zu bezeichnen ist. Vielmehr konnte im Rahmen von Kapitel 3 aufgezeigt werden, dass dieser Ansatz aus einer konstruktiven Auseinandersetzung mit bisherigen Arbeiten hervorgegangen ist und im Vergleich zu diesen sowohl aus wissenschaftstheoretischer Sicht als auch aus der Perspektive der Anwendung bedeutsame Vorteile bietet.
28 Eine derartige Auseinandersetzung mit methodischen Grundfragen wird in der allgemeinen Wortartenforschung u. a. explizit von Plank gefordert (vgl. Plank 1984: 490).
Resümee und Ausblick Handelt es sich bei Wörtern wie schnell und schön im Deutschen tatsächlich um Adjektive? Oder gibt möglicherweise gute Gründe, diese Wörter nicht nur einer Wortart zuzurechnen, sondern sie je nach Verwendung im Satz als Adjektive oder als Adverbien zu klassifizieren? Was aber würde das genau bedeuten – gäbe es Wörter wie schnell und schön dann zweimal bzw. in welcher Beziehung stünden die Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘? Mit der vorliegenden Arbeit wurde versucht, auf diese eingangs formulierten Fragen überzeugende Antworten zu finden und damit zugleich auch einen Beitrag zur allgemeinen Wortartenforschung zu leisten. Denn insbesondere in der Auseinandersetzung mit bisherigen Ansätzen zur Frage der Adjektiv-AdverbAbgrenzung im Deutschen konnte aufgezeigt werden, dass die Schwierigkeiten dieser Ansätze in unmittelbarem Zusammenhang mit grundlegenden Problemen der allgemeinen Wortartenforschung stehen. Die Erarbeitung eines Lösungsvorschlags erfolgte deshalb bewusst unter Berücksichtigung und Präzisierung der relevanten theoretischen Grundlagen. Entwickelt wurde ein homogen-syntaktischer Klassifikationsansatz, der durch Einbezug des Gesamtzusammenhangs des Sprachsystems zu einem differenzierenden Konzept der Wortartenzuordnung ausgearbeitet wurde. Demgemäß werden bei der Wortartenklassifikation grundsätzlich zwei voneinander unabhängige, aber in einer spezifischen Beziehung zueinander stehende Zuordnungsebenen angesetzt, und zwar eine syntaktische und eine lexikalische Ebene der Wortartenzuordnung. Im Hinblick auf die o. g. Fragen erwächst daraus die Möglichkeit einer etwas differenzierteren Beantwortung: •
So konnte zunächst gezeigt werden, dass es tatsächlich gute Gründe gibt, Wörter wie schnell und schön je nach Verwendung im Satz als Adjektive oder als Adverbien zu klassifizieren. Durch die stringente Anwendung der angesetzten syntaktischen Klassifikationskriterien gelingt es, dafür wissenschaftstheoretisch konsistente Zuordnungsbegründungen zu geben. Auf der syntaktischen Zuordnungsebene resultiert daraus grundsätzlich die Notwendigkeit einer Mehrfachkategorisierung für Wörter wie schnell und schön.
•
Allerdings ist diese Art der Mehrfachkategorisierung weder mit der Annahme nicht eindeutig wortartspezifizierter Wörter (z. B. schnellA / Adv ) noch mit der Annahme zweier voneinander unabhängiger Wörter (z. B. schnell A und schnellAdv ) verbunden. Vielmehr ist es im Rahmen des angesetzten differenzierenden Wortartenkonzepts möglich, von eindeutig wortartmarkier-
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Resümee und Ausblick
ten Wörtern auszugehen und statt bloßer Homonymien eine systematisch bestehende Wortbildungsbeziehung zwischen den Wortarten ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ aufzuzeigen. So wird für Wörter wie schnell und schön angenommen, dass sie, wenn sie im Satz als Adverb Verwendung finden, mithilfe einer Konversionsregel aus den formal und semantisch gleichartigen bzw. ähnlichen Wörtern der Kategorie ‚Adjektiv‘ abgeleitet wurden. Da es sich um einen völlig regulären Ableitungsprozess handelt, besteht vor dem Hintergrund des hier angesetzten Lexikonmodells keine Notwendigkeit, Wörter wie schnell und schön zweimal zu speichern. •
Somit lässt sich in gewissem Sinne auch die zuerst gestellte Frage, ob es sich bei Wörtern wie schnell und schön im Deutschen tatsächlich um Adjektive handelt, positiv beantworten, denn auf lexikalischer Zuordnungsebene erfolgt für alle im Lexikon gespeicherten Wörtern wie schnell und schön (also z. B. auch für bitter, falsch, klug, neu, rasch oder zäh) grundsätzlich eine Zuordnung zur Wortart ‚Adjektiv‘.
Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass der vorliegende Klassifikationsansatz die Möglichkeit bietet, die mit der Adjektiv-Adverb-Abgrenzung verbundenen Schwierigkeiten durch eine syntaktisch basierte und ebenendifferenzierende Herangehensweise zu bewältigen. Denn im Unterschied zu bisherigen Ansätzen kann für Wörter wie schnell und schön aber auch für Wörter wie sofort und dort je nach Zuordnungsebene sowohl eine eindeutige als auch eine stringent begründete Wortartenzuordnung vorgenommen werden. Zudem lässt sich eine systematisch bestehende Beziehung zwischen Adjektiven und Adverbien aufzeigen und entsprechend erläutern. Allerdings wurde im Zusammenhang mit der dabei relevanten Konversionsregel erkennbar, dass das Ziel weiterführender Forschungen v. a. darin bestehen sollte, eine Präzisierung der Bedingungen zum Durchlaufen dieser Regel zu erreichen. Insgesamt aber scheint der vorliegende Ansatz tatsächlich über das Potenzial zu verfügen, einige zentrale Probleme der allgemeinen Wortartenforschung, die v. a. Zielstellung, Gegenstand und Methodik betreffen, zu lösen. Hervorzuheben ist dabei, dass speziell der gewichtige Vorwurf der Heterogenität der Klassifikationskriterien entkräftet werden könnte sowie die zum Status der klassifizierten Einheiten und zum Status der postulierten Kategorien angeführten Kritikpunkte behoben würden. Im Sinne einer Gesamtklassifikation wäre es daher erstrebenswert, die Übertragbarkeit des Ansatzes auf alle Wörter des Deutschen zu prüfen. Von besonderem Interesse wäre dabei die Untersuchung des Erklärungspotenzials für ähnlich komplexe Fälle der Wortartenzuordnung, die beispielsweise die
Resümee und Ausblick
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Beziehung zwischen Verben und Adjektiven (angemalt, geputzt, laufend) oder zwischen Präpositionen und Subjunktionen (anstatt, ohne, während) betreffen. Möglicherweise gelingt es auch hier, theoretisch konsistente und erklärungsadäquate Lösungen zu erarbeiten.
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Sachregister adverbiale Verwendung 23 ff., 44 f., 53 ff., 60, 72, 209 ff. Ableitungsrichtung 167 Attribut 12 f., 15, 23 f., 35 ff., 55, 61, 67, 72, 76, 209 f. Ausgangskategorie 167 ff. Distribution s. Klassifikationskriterien Distributionsrahmen 22 ff., 81, 113, 192, 201, 211 f. Ebenendifferenzierung 27, 48, 61 ff., 142 ff., 160 ff. Ersetzungstest 85 ff., 101 ff., 202 Flektierbarkeit s. Klassifikationskriterien Flektiertheit s. Klassifikationskriterien grammatisches System 123, 135 ff. Homonymien 28, 64 f., 143 ff., 193, 205, 208 Inputbedingungen für Wortbildungsregeln s. Wortbildungsregeln Klassifikationsansätze – ebenendifferenzierende 75 ff., 141 ff., 193 f. – heterogene 2, 42, 58 ff., 69 f., 197, 200 – homogene 70 ff., 75 ff., 191 f., 198 Klassifikationskriterien (für Wortarten) – konstitutive vs. beschreibende 10, 67 – Aufweisen morphosyntaktischer Merkmale 81, 84 f., 100 ff., 189, 191 ff. – Betonung 14, 57, 68 – Bezug(-sform) 9, 16, 32, 41, 47, 56, 68 – Distribution 22 f., 68, 72 f., 81, 88, 113 – Flektierbarkeit 21 ff., 57 ff., 68, 71, 84 f., 195 ff., 204 ff. – Flektiertheit 31, 35 f., 68, 195, 204 – Frageprobe 33 f., 38, 67 – Komparierbarkeit 14, 22, 31, 35, 40, 45, 49, 53, 57, 68 – Komplement- / Rektionsfähigkeit 24, 41, 56, 68, 107 ff.
– lexikalisch-denotative Bedeutung 12, 20, 30, 36, 40, 44, 52, 62 f., 67 – logische Bedeutung 12, 30, 67 – ‚± PRAG‘ 24 – syntaktische Funktion 23, 36, 54, 62, 68, 72, 77, 91, 210 ff. – Transformation (Kriterium B) 24, 27, 68 – Zuweisen morphosyntaktischer Merkmale 81, 86 f., 107 ff., 189, 191 ff., 203 Komplement 86 Kongruenz 83 Konversion – syntaktische vs. morphologische 153 ff. – deadjektivisch, adverbgerichtet 177 ff., 182 ff. – deadverbal, adjektivgerichtet 206 ff. – deverbal, nominalgerichtet 168 ff. kopulaähnliche Konstruktionen 103 Kopulakonstruktion 95, 103, 192 f., 199 ff. Kopulaverb 34, 36, 51 Kriterienarten für Wortarten 9, 66 ff., 75 f. Lexem 78, 130, 135 Lexemspeicherung 64 f., 126, 143, 159 f., 205 lexikalische Einsetzung (lexical insertion) 124, 136 f., 148 f. lexikalische Kategorie 28, 146, 161, 163 lexikalische Wortart 145 lexikalisches System 123, 125 ff. Lexikalismus (lexicalism) 119, 121, 157 f. Lexikon 119 f., 123, 125 ff. Lexikoneintrag 125 ff. Lexikonmodell, theoretisches 117 f. Mehrfachkategorisierung 114 f., 166, 193 f., 206 ff., 217 Minimalbedingungen für Wortbildung s. Wortbildungsregeln morphosyntaktische Merkmale 79 f. – Aufweisen von Merkmalen s. Klassifikationskriterien – Zuweisen von Merkmalen s. Klassifikationskriterien
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Sachregister
Outputbedingungen für Wortbildungsregeln s. Wortbildungsregeln Prädikativ 12 f., 25, 44 ff., 54 ff., 72, 103 – freies 24 ff., 46, 54, 95, 109 Rektion 82 Sprachsystem 116 ff., 123 Subkategorisierung 82 syntaktische (Dependenz-)Beziehungen 81 ff. syntaktische Funktion von Wortbildung 155 syntaktische Wortart 61 ff., 145 f. Wort 7, 76 ff., 80, 116, 172 – morphosyntaktisches 78 – syntaktisches 77
Wortart 27 f., 146, 161 f. Wortartenzuordnung, ebenendifferenzierende s. Ebenendifferenzierung wortbasierte Morphologie 126 f., 130, 134 Wortbildungsregeln 123, 125, 130 – Blockierungen 177 ff., 184 ff., 207 f. – Input 130 – Inputbedingungen 131 – Output 130 – Outputbedingungen 131 f. – Minimalbedingungen 134 f. Wortform 78 Wortkategorie 162, 163 Wortklasse 162 zyklische Prozesse im Sprachsystem 124, 130, 136, 138 f., 149