Didaktik der Mehrsprachigkeit [1. Aufl.] 9783631585696


296 52 13MB

German Pages 185 Year 2009

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds001
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds001a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds002
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds002a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds003
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds003a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds004
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds004a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds005
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds005a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds006
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds006a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds007
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds007a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds008
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds008a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds009
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds009a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds010
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds010a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds011
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds011a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds012
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds012a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds013
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds013a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds014
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds014a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds015
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds015a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds016
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds016a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds017
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds017a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds018
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds018a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds019
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds019a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds020
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds020a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds021
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds021a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds022
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds022a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds023
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds023a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds024
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds024a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds025
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds025a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds026
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds026a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds027
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds027a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds028
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds028a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds029
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds029a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds030
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds030a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds031
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds031a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds032
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds032a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds033
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds033a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds034
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds034a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds035
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds035a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds036
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds036a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds037
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds037a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds038
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds038a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds039
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds039a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds040
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds040a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds041
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds041a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds042
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds042a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds043
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds043a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds044
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds044a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds045
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds045a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds046
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds046a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds047
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds047a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds048
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds048a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds049
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds049a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds050
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds050a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds051
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds051a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds052
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds052a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds053
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds053a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds054
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds054a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds055
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds055a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds056
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds056a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds057
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds057a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds058
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds058a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds059
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds059a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds060
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds060a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds061
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds061a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds062
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds062a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds063
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds063a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds064
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds064a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds065
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds065a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds066
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds066a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds067
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds067a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds068
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds068a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds069
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds069a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds070
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds070a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds071
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds071a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds072
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds072a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds073
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds073a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds074
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds074a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds075
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds075a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds076
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds076a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds077
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds077a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds078
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds078a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds079
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds079a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds080
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds080a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds081
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds081a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds082
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds082a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds083
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds083a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds084
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds084a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds085
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds085a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds086
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds086a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds087
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds087a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds088
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds088a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds089
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds089a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds090
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds090a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds091
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds091a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds092
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds092a
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds093
Zellerhoff__Didaktik der Mehrsprachigkeit_ds093a
Recommend Papers

Didaktik der Mehrsprachigkeit [1. Aufl.]
 9783631585696

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Didaktik der Mehrsprachigkeit

Europäische Hochschulschriften Publications Universitaires Europeennes European University Studies

Reihe XI

Pädagogik Serie XI Series XI Pedagogie Education

Bd.Nol. 978



PETER LANG

Frankfurt am Main · Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Wien

Rita Zellerhoff

Didaktik der Mehrsprachigkeit Didaktische Konzepte zur Förderung der Mehrsprachigkeit bei Kindern und Jugendlichen Schulformübergreifende Konzepte unter besonderer Berücksichtigung des Förderschwerpunktes Sprache

PETER LANG

Internationaler Verlag der Wissenschaften

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier.

- Ufii< Übertragung erlernter Lesestrategien auf die Aneignung weiterer Sprachen ..................................................................................................... 114>< Zusammenfassung und didaktische Implikationen .................................... 114 Textrezeption und Textproduktion ............................................................ 115 Mündlichkeit und extraverbale Kommunikation ....................................... 115 Mündliches Erzählen ................................................................................. 115 Mündliches Erzählen in unterschiedlichen Kulturen ................................. 115 Entwicklung der mündlichen Erzählfähigkeit ........................................... 116 "Grammatik der Phantasie" (Rodari) ......................................................... 118 Texttransfonnation in szenisches Spiel ..................................................... 118 Konkrete Poesie ......................................................................................... 118 Zum Schreiben anregen ............................................................................. 119 ,,Sätze statt Aufsätze" (Gössmann) ............................................................ 119 Kreatives Schreiben ................................................................................... 119 Personales und personal-kreatives Schreiben ............................................ 120 Schreibkonferenzen .................................................................................... 120 Schreibwerkstätten ..................................................................................... 120 Multikulturelle Auswahlkriterien für Kinder- und Jugendliteratur ........... 121 Entwicklungssensitive Kriterien filr die Textauswahl ............................... 121 Texttransfonnation und Textentlastung ..................................................... 121 Zusammenfassung und didaktische Implikationen .................................... 122

10

7

7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.4 7.4.1 7.4.2 ';J.4.3 - 7.4.4 7.4.5 7.4.6

> 7.4.7

'7.4.8 7.5 7.5.1 7.5.1.1 7.5.1.2 7.5.1.3 7.5.2 7.5.2.1 7.5.2.2 7.5.3 7.6 7.6.1 - 7.6.2 /7.6.3 7.6.4

7.7

"-.:7.7.1

'7.7.2 7.7.3 7.7.4 7.7.5 7.7.7

Methodische Überlegungen ....................................................................... 123 Passung von Perspektiven, Inhalten und Methoden .................................. 123 Sich als Kinder dieser einen Erde erleben ................................................. 123 Exkurs: Mindestzahlen, Mindestanforderungen ........................................ 123 Ausgrenzung vom schulischen Religionsunterricht .................................. 124 Sich als Gruppe erleben ............................................................................. 124 Sich als wichtige Mitglieder der Schulgemeinde erleben .......................... 126 Zusammenfassung ...................................................................................... 126 Semantik und Lexikon ............................................................................... 127 Das semantische Dreieck ........................................................................... 127 Didaktisches Triangulieren ........................................................................ 127 Fächerübergreifende Aneignung von Semantik und Lexik ....................... 128 Zur Arbeit mit dem Grundwortschatz ........................................................ 12S Zusammenfassung ...................................................................................... 13C Fonetik und Phonologie ............................................................................. 130 Die Klanggestalt von Gedichten und Versen ............................................. 130 Förderung der phonologischen Bewusstheit- Reimwörter ....................... 130 Cross-linguales Reimen ............................................................................. 131 Unterschiede in der Realisation gespannter und ungespannter Vokale ..... 131 Der Einfluss der Koartikulation auf die auditive Wahrnehmungdialektale Besonderheiten .......................................................................... 132 "Plätzchen backen, kann das therapeutisch sein?" .................................... 132 ,,Drachen brauchen Liebe"- psycholinguistischer Sprachunterricht.. ...... 133 Zusammenfassung ...................................................................................... 134 Syntax und Morphologie ............................................................................ 135 Verbzweitstellung im deutschen Hauptsatz und Verbklammer ................. 135 Topikalisierung .......................................................................................... 137 Lexikalk1ammer ......................................................................................... 13 7 Kopulaklammer und weitere Klammern .................................................... 138 Artikelzuordnung im Deutschen ................................................................ 13 8 Artikelzuordnung mit Hilfe eines Bild-Wort-Schatzes ............................. 139 Artikelformen bei Komposita .................................................................... 140 Zusammenfassung ...................................................................................... 140 Pragmatik .................................•................................................................. 140 " ...ganz unwichtig sein, wenn die Dinge sprechen" ................................. 141 ,,Rund um den Biggesee"- Sprache als Handlung erfahren ..................... 142 Informationen fiir Kinder und von Kindern fiir Kinder ............................. l43 Zusammenfassung ...................................................................................... 143 Schrift als sekundäres Symbolsystem ........................................................ 144 ,,Ay~e, du hörst es richtig!"- Kontrast zur türkischen Schrift .................. l44 Revisionsgefahr ähnlicher Buchstabenkombinationen .............................. 145 Phonogrammhefte als Lernhilfe fiir mehrgliedrige Buchstabenkomplexe 145 Bedeutungsveränderung durch den Austausch von Graphemen ............... 146 Zur Arbeit mit dem Rechtschreib-Wortschatz ........................................... 146 Zusammenfassung ...................................................................................... l47

11

7.8 7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.8.4

Rezeptive und produktive Textarbeit.. ....................................................... 148 Textentlastung und Texttransformation ..................................................... 148 Kinder brauchen Bücher ............................................................................ 148 Kinder brauchen Märchen .......................................................................... 149 Zusammenfassung ...................................................................................... 151

8

Zusammenfassung und Ausblick ............................................................... 153

9

Literaturverzeichnisse ................................................................................ 15 5

9.1 9.2 9.3 9.4

Fachliteratur ............................................................................................... 155 Vorlesungs- und Vortragsmanuskripte ...................................................... 171 Elektronische Publikationen ...................................................................... 171 Sonstiges, Fibeln, Medien, Bilderbücher, Musikkassetten, ...................... 173

Tabellen 1 2

Anteil ausländischer Schüler/innen und Aussiedler/innen in NRW ............ 59 Verbklammern in Anlehnung an Weinrieb (vgl. 1993) ............................... 98

Anlagen 1 2 3a 3b 4a 4b 4c, 4d

Sprachstandsdiagnose im kindlichen Zweitspracherwerb ......................... 175 Analyse exemplarisch ausgewählter Beispielsätze mit Verbklammer ...... 176 Auditive Differenzierung plus/ minus voice: [v] versus [f] ....................... 178 Gedichtsauswahl ........................................................................................ 179 Auditive Differenzierung /ax/-Text: "Drachen brauchen Liebe" .............. 180 Auditive Differenzierung: Spiel mit Sprache ............................................ 181 Häufigkeitswörter zum lax/ (Pregel/Rickheit) ........................................... 182 Beispielwörter zum lax/ (Susanne Paulsen) ............................................... 184

Vorbemerkung Manuskripte, elektronische Publikationen und Medien sind im Anschluss an das Verzeichnis der Fachliteratur in Kursivschrift verzeichnet

13

Einleitung Die Entstehung dieses Buches war ein Prozess, der sich wechselweise aus meiner beruflichen Tätigkeit und aus meiner Freude an der Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragestellungen speiste. Eine Didaktik der Mehrsprachigkeit zu entwickeln heißt für mich, Theorie und Praxis zu verschränken. 1.1

Problemstellung

Mit einer amüsanten Schilderung der italienischen Journalisten Franca Magnani möchte ich beginnen, das breite Spektrum der Sprachaneignung unter mehrsprachigen Bedingungen aufzuzeigen. Franca Magnani berichtet in ihrer Autobiografie: "Eine italienische Familie", dass sie während des Zweiten Weltkrieges im Alter von dreieinhalb Jahren von ihren Großeltern aus Sizilien zu ihren Eltern nach Marseille gekommen sei, die dort bereits zwei Jahre im Exil lebten. Dort habe sie von einem Balkon aus mit Kindem der Hafenstadt Tauschgeschäfte gemacht und ganz nebenbei deren. Sprache erworben. Sie schreibt: "Die Sprache erlernte ich schnell dank eines zwanglosen Intensivkurses .... Durch die Gitterstäbe hatte ich meine ersten sozialen Kontakte ohne Mittelspersonen. Meine Altersgenossen waren muntere, flinke und fröhliche Kinder, die aus ihren Häusern rannten, sobald sie mich auf meinem Balkon erblickten. Es erstand ein umfangreicher Tauschhandel mit verschiedenen Waren: Figuren, Buntstiften, zin-zin-gommes (wie damals die Kaugummis genannt wurden), Abziehbildern etc. Im Handumdrehen lernte ich Französisch oder vielmehr Marseillisch." (Magnani 1994,36)

Mag die Erinnerung Magnanis auch aus der langjährigen Rückschau verbrämt sein, so vermittelt sie doch glaubhaft, dass sie als kleines Kind die Sprache ihrer Umgebung ohne Anstrengung erworben hat. Wie Magnani waren im 20. Jahrhundert Millionen von Menschen durch Flucht, Vertreibung oder Okkupation genötigt, sich mit fremden Sprachen und Kulturen auseinander zu setzen. Durch Wanderungsbewegungen infolge von Anwerbung und Reintegration der Wanderarbeiter kam es ebenfalls für große Bevölkerungsgruppen zur Konfrontation mit Mehrsprachigkeit. Es wäre jedoch eine starke Vereinfachung, wollte man nur die sozialen Bedingungen der Mehrsprachaueignung betrachten; sie sind ein wichtiger Faktor, aber für sich allein gesehen noch keine hinreichende Bedingung für ein Gelingen oder Misslingen der Aneignung von Sprachen. Es gibt offensichtlich sprachlich begabte Kinder, die wie Magnani mit Leichtigkeit auch ohne intentionale Unterweisung eine weitere Sprache erwerben und andererseits Kinder, die hierbei trotz umfassender Hilfsangebote besondere Schwierigkeiten haben. Auch ist es nicht unerheblich, ob die zu erwerbenden Sprachen einander ähnlich sind, wie z.B. im Faife-Magtianis, die, des Italienischen mächtig, eine weitere romanische Sprache erwa.r~, wobei das okzitanische noch stärker· als das Französische Gemeinsamkeiten rriit dem Italienischen aufweist; oder ob die anzueignenden Sprachen stark divergieren, wie z.B. das Türkische und Deutsche. In meiner Arbeit an einer Schule für Sprachbehinderte wurde ich schon in meinem ersten Berufsjahr, vor mehr als dreißig Jahren, mit der Aufgabe befasst, die

14

Sprachentwicklung eines Mädchens zu begutachten, das als Kind italienischer Eltern beim Erlernen des Deutschen im Vergleich zu anderen italienischen Kindem außerordentliche Schwierigkeiten zeigte. Es stellte sich mir die Frage, ob sich die Probleme dieses Kindes primär aus seiner Zweisprachigkeit oder aus weiteren Bedingungen, z .. B. einer psycho-sozialen Mangellage, ergaben oder ob sie auf generelle Beeinträchtigungen des Spracherwerbs zurückzufUhren waren, die sich dann auch in der Primärsprache des Kindes gezeigt hätten. Aus kontrastiven Sprachbeschreibungen glaubte ich Hinweise über erwartbare Schwierigkeiten des Mehrspracherwerbs zu gewinnen, um sie von möglichen Störungen abzugrenzen (vgl. Zellerhoff 1992). Bei dem Vergleich der Sprachen machte ich mich mit ihren unterschiedlichen Strukturprinzipien vertraut und erarbeitete grundlegende linguistische Fragestellungen. In der Sprachbehindertenpädagogik beschrieb Gregor Dupuis die Notwendigkeit sprachtherapeutischer Hilfen fiir Kinder ausländischer Arbeitnehmer, wobei er zunächst die Störungen der Ausgangssprache der Kinder im Blick hatte (vgl. Dupuis 1987). Mit einem Ausbau der Schulen fiir Sprachbehinderte (hier synonym: Sprachheilschulen, Förderschulen Sprache, Schulen mit dem Förderschwerpunkt Sprache) wurden dann zunehmend auch mehrsprachige Kinder aufgenommen. Für die Diagnose der Sprachbehinderung war es notwendig, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Problemen des Mehrspracherwerbs zu leisten. In einem ersten Aufsatz machte ich auf die Notwendigkeit einer Legitimation sonderpädagogischer Hilfen ftir Kinder ausländischer Arbeitnehmer aufmerksam (vgl. Zellerhoff 1989). In der Folge beschäftigte ich mich zunehmend mit Fragen des Mehrspracherwerbs unter den nicht-privilegierten Bedingungen der Migration, denn die Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen kulturellen, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen erschien mir als hilfreich fiir die Einschätzung ihrer Lern- und Lebensbedingungen und damit ihrer Chancen zum Erwerb sprachlicher Fähigkeiten zu sein. In jedem einzelnen Fall war es notwendig zu untersuchen, inwieweit den Kindem in der Regelschule ausreichende schulische Unterstützung zuteil wurde, ob in ihrem Umfeld ein hinreichendes Sprachangebot bestand und ob die Kinder und ihre Familien ggf. weitere sozialpsychologische oder pädagogische Hilfestellungen erhielten. Die Rezeption unterschiedlicher Untersuchungen zum kindlichen Mehrspracherr werb machte mir die Vielfaltigkeit de~~ren fiiE_Ql:\~ Qelingen_rukr_jylJ~~J.i_l1_g~~ des Aneignungsprozesses deutlich. Neben den ~~!}lidlen,.. s_cb;yJi~ql}en_lJ!lQ _so.~~ultu­ rellen_Aspekten war auch relev~Che111 Alte~_ e.i11. Killd mit de11 UI1t~rschiedli­ chen __ Sprachen ii1_ ~OJ1t~t.!siDJJ., insb.esondere:·~ob ...es_~-berehs _auf ei~~ _.liiJ)rclchend entw1cke~te ~r.i~~tsp~~-?~~-~~.Q?!!~~H...~~!ID!.e. Die ~..Regab~ung des Kindes, se1ii~~~91iyatlmi und seine G~le._g_~!!h~it..~l!l:.~J2r_l:l~.h~2Q!~kt .h~!m111~el1_~ie Ane~~-: nung der Sprachen ebenfalll:;. Die Einschätzung dieser Variablen ist selbst fiir Primärsprachler, wie etwa fiir Lehrer des "Muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts" recht schwierig. Es hängt davon ab, ob sie über Kenntnisse des Spracherwerbsprozesses und über ein hinreichendes Beschreibungswissen der sprachlichen Entwicklung verfUgen. Darüber hinaus erschweren Minderheitensprachen oder Dialektvarianten oft die Verständigung. So konnte ein Psychologe des Italienischen Konsulates in Köln, der mich bei der Sprachüberprüfung eines Kindes unterstützen wollte, weder das Kind noch dessen Eltern verstehen, die aus der Stiefelspitze Italiens stammten. ,,Auf Sizilien spre-

15 chen sie eine andere Sprache", meinte der Psychologe, so dass nicht zu klären war, ob die sprachlichen Auffalligkeiten des Kindes dialektbedingt waren. Wenn ein Kind nicht auf meine Sprachanregungen reagierte, so stellte sich die Frage, ob es nicht sprach, weil es noch über zu wenig Sprachkenntnisse verfügte oder weil es sich seiner unzureichenden Fähigkeiten bewusst war und sich deswegen zurückhielt; oder gar weil es glaubte, durch eine Sprachverweigerung seine Lebenssituation zu verbessern, etwa in dem es hoffte, seine Familie zur Heimkehr zu bewegen (vgl. Bahr 2002). In der Deutschdidaktik wie auch in der allgemeinen Didaktik spielten mehrsprachige Themen ein Schattendasein. Die Sprachenvielfalt der Schüler war ftir die allgemeine Schule eine Herausforderung, der sie sich aber in vielen Bundesländern nur zögerlich stellte. Der "monolinguale Habitus" der deutschen Schule verhinderte, dass die Sprachenvielfalt für alle Schüler gewinnbringend genutzt werden konnte (vgl. Gogolin 1994). Nach den angloamerikanischen und skandinavischen Ländern hat sich die Auseinandersetzung mit der Mehrsprachigkeit auch bei uns intensiviert. Vor über dreißig Jahren hat die Forschungsstelle Alpha der Pädagogischen Hochschule Rheinland, Abt. Neuß, mit der Forschungsarbeit begonnen. Mit der Auflösung der Abteilung verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt auf unterschiedliche Hochschulstandorte (Hamburg, Köln, Landau, Wuppertal). Die Einftihrung des Studienganges Deutsch als Fremdsprache hat zu einer intensiven Forschungstätigkeit geführt. Von Vertretern der Fremdsprachendidaktik wurde unter didaktisch-methodischen Gesichtspunkten eine Einbindung der "vorhandenen natürlichen Mehrsprachigkeit in das schulische (Fremd-) Sprachenlernen" gefordert (vgl. Bausch 2003). Die Eigendynamik der Aneignungsprozesse und die Entwicklung von Lernersprachen kamen stärker in den Blick. Mit der Intensivierung des e.Yrfm~.i§,2h~P. Einigun~sprozesse~ ~erd~n die .f\tlstrengun-

~~·~~~tt~~~~O~}t.~~g?J~~~iäC~~Jr~;::

, bracht. Portfofioi sollen den Steilenwert der sprachlichen Bildung der jungen Europäer

belegen.

Sind mehrsprachige Kinder jedoch sprachbehindert, so sollten ihnen die notwendigen sprachbehinderten-pädagogischen Hilfen nicht vorenthalten werden. Vergleicht man jedoch die Anteile ausländischer Kinder an unterschiedlichen Sonderschulen, so fallt auf, dass diese an Schulen des Förderschwerpunktes Sprache erheblich unterrepräsentiert sind. Meines Erachtens darf die Schwierigkeit der Diagnoseerstellung bei mehrsprachigen sprachbehinderten Kindem jedoch nicht dazu fUhren, dass ihnen sprachbehinderten-pädagogische Hilfen verwehrt werden. 1.2

Thematische Eingrenzung

In dieser Arbeit soll eine Didaktik der Mehrsprachigkeit entwickelt werden, die zum Ziel hat, die Schüler in ihrer Sprachfähigkeit und in ihrer Gesamtpersönlichkeit zu fordern. Es werden grundlegende Theorien zum Erst- und Mehrspracherwerb diskutiert und Erkenntnisse der Grundschuldidaktik und der Didaktiken der Schulen mit den

16

Förderschwerpunkten Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung mit einbezogen. Das Schwergewicht bilden das Fach Deutsch und der Lernbereich Sachunterricht. Im genetischen Sachunterricht lassen sich die Bildungsaufgaben miteinander verknüpfen (vgl. Soostmeyer 2002). Nach dem Prinzip: 'Sprachunterricht in allen Fächern' werden aber auch weitere Fachdidaktiken zum Tragen kommen. Die hier referierten Erkenntnisse sollten auf andere Fächer und Lernbereiche übertragbar sein. Meine Bezugswissenschaften sind die allgemeine Didaktik und die Didaktiken der Unterrichtsfächer, die Sprach- und Sprechwissenschaft, insbesondere die vergleichende Sprachwissenschaft, die Germanistik und die Linguistik. Im Hinblick auf die Frage der Aneignung von Mehrsprachigkeit werden Erkenntnisse der Sprachpsychologie einbezogen. Ebenfalls soll erörtert werden, inwieweit Erkenntnisse der Fremdsprachendidaktik und der ,,Deutsch als Fremdsprache"-Didaktik fiir die Alleignung von Mehrsprachigkeit im schulischen Kontext genutzt werden können. Ausklammern möchte ich Fragestellungen zur Alleignung von Mehrsprachigkeit bei Schülern, deren sprachliche Schwierigkeiten durch weitere Behinderungen überlagert werden. In der Zeit, in der ich am Studienseminar in Düsseldorf mit der Leitung eines Deutsch- und eines Hauptseminars beauftragt war, erkannte ich, dass auch mehrsprachige Schüler mit geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen in ihrer gesamten Sprachfähigkeit gefördert werden müssen. Aber hier reicht meine kursorische Beschäftigung mit der Problemstellung nicht aus, um qualifizierte Aussagen machen zu können.

1.3

Perspektiven

Ziel dieses Buches ist die Entwicklung einer Didaktik, die Erkenntnisse aus den oben genannten Wissenschaftsfeldern bündelt und zu einer Gfl!ndlage fiir die Entscheidung über die Auswahl der Inhalte des mehrsprachigen Unterrichts macht. Beispiele aus der schulischen Praxis der Grundschulen und aus Schulen mit dem Förderschwerpunkt Sprache sollen exemplarisch die didaktischen Entscheidungen veranschaulichen, die sich sowohl im Unterricht, in Unterrichtsprinzipien als auch in individuellen Lernwegsberatungen manifestieren und die sich an den F örderbedürfnissen je spezifischer Schüler oder Schülergruppen orientieren. Erst in zweiter Linie geht es um die Vorstellung von Materialsammlungen, Medien und Unterrichtsbeispielen.

1.4

Aufbau des Buches

Die Arbeit ist in acht Kapitel gegliedert. Nach dieser Einleitung wird im zweiten Kapitel die Theorie des Spracherwerbs in ihrer mehrperspektivischen Sicht dargestellt und die Erklärungsmächtigkeit der Theorien fiir die Alleignung der Sprache in den Aspekten Phonetik, Semantik, Grammatik, und Pragmatik geklärt. Nach von Humboldts erweitertem Sprachbegriff kommt auch der Schrift eine wesentliche Bedeutung bei der Entwicklung von Sprachen zu, deshalb ist hier eine kurze Abhandlung mit besonderer Berücksichtigung der Alphabetschriften angefiihrt (vgl. von Humboldt in Hoffmann 2000).

17

Nach einem ideengeschichtlichen Rückblick wird der Begriff M~hrspra~J:IJgk~itYQ!Il 1 Unabhängig von dem Grad der Verwendung von Sprachen und ihrer Beherrschung wird hier Mebrsprachigkeit als ~in~ Lefi1b_edingung des lebensweltli] Laut realisiert (vgl. Doneux 2001). Das Polnische hat ein sehr differenziertes Konsonantensystem, hingegen ist das Vokalsystem deutlich eingeschränkt. So gibt es im Polnischen neben dem kurzen ungespannten oralen o-Laut [:>] nur noch die nasalisierte Variante. Der orale o-Laut wird als geschrieben, der nasalisierte o-Laut als ]

Ofen, Tor, so Boot Lohn

Hotel, Lokomotive

oft, hoffen

Es gibt weitere seltene Längezeichen, wie das Dehnungs- in GREVENBROICH oder das Dehnungs- in den Ortsnamen der ehemals slawischen Siedlungsgebiete, wie z.B. GÜSTROW, PANKOW etc.

2.3.3

Prinzipien der Verschriftlichung des Deutschen

Die Aneignung der Schriftsprache des Deutschen ist zu etwa achtzig Prozent regelgeleitet. Sie ist sehr komplex, weil sie nach unterschiedlichen Schreibprinzipien erfolgt. Das phonemische Grundprinzip der Schrift wird durch weitere Prinzipien ergänzt, manchmal auch durchkreuzt. Die Prinzipien werden hier aufgelistet und jeweils durch Beispiele illustriert: Phonologisches Prinzip Ein wesentliches Prinzip der deutschen Sprache ist die Phonem- Graphemkorrespondenz, die sich im 18. Jahrhundert durchsetzte. Durch die neueste Rechtschreibreform wurde die Gültigkeit dieses Prinzips erweitert. Die deutsche Orthographie ist Oberwiegend phonemisch und nicht fonetisch orientiert, deshalb " ... wird von dem Kind eine erhebliche Abstraktionsleistung dahingehend gefordert, dass es die Phoneme als abstrakte Einheiten erkennen und differenzieren kann." (Sassenroth 2003, 28) Auch wenn die Phoneme durch unterschiedliche Allofone realisiert werden, bleibt das Graphem gleich, z.B.: Hund [hunt] -Hunde [hunda]. Umgekehrt gibt es ftlr lange gespannte und kurze ungespannte Laute keine speziellen Grapheme, obwohl sie in phonologischer Opposition zueinander stehen. Länge und Gespanntheit versus KUrze und Ungespanntheit der Vokale oder Umlaute sind nicht eindeutig zu bestimmen. So haben viele Wörter mit langem

34 Vokal kein Dehnungszeichen. Wiederum erfolgt bei einigen kurzen Wörtern nach dem ungespannten Vokal kein Kürzungszeichen, wie z.B. bei im oder in. Bei langen gespannten Lauten versus kurzen gespannten Lauten, wie z.B. ändert sich die Bedeutung des Stammes nicht, was als Indiz daftlr gilt, dass insbesondere das Merkmal plus I minus Gespanntheit bedeutungsunterscheidend ist. Die Länge der geschlossenen Vokalphoneme erscheint in der akzentuierten Silbe (vgl. Martens C. und P. 1988). Bei den kurzen Wörtern am, das (Artikel), es, hat, im, in, mit, ob, um, zum und bei den Präfixen ver- und zer- wird auf eine Verdopplung des Vokals verzichtet. Etymologisches (morphembezogenes ) Prinzip: Semantisch verwandte Wörter oder Wortstämme werden gleich, respektive mit dem entsprechenden Umlaut geschrieben. Nach der neuen Rechtschreibung gibt es weiterhin Ausnahmen des etymologischen Prinzips, wie z.B. ELTERN, das von ALT abgeleitet werden kann. Da das Wort ELTERN aber vielfaltige weitere Konnotationen hat, gilt die alte Schreibung weiterhin ohne Alternative. Silbisches Prinzip Es gibt Korrespondenzen zwischen Silbenanzahl, Silbenstrukturen (geschlossen versus offen), Betonung und Vokallänge sowie Relationen, die in Bezug auf die Gliederung von Wörtern in Anfangsrand und Reim gelten. Silbenstrukturen unbetonter und betonter Silben unterscheiden sich im Deutschen nach regelhaften Prinzipien. Als Beispiel sei hier auf die Besonderheit des Silbengelenks hingewiesen, aufdas ich in 6.7.2.3 noch zurückkomme.



Logisches oder semantisches Prinzip: Um semantisch differierende, aber lautgleiche Wörter schriftsprachlich unterscheiden zu können, werden sie unterschiedlich geschrieben, z.B.: LIED- LID Ästhetisches oder graphisch formales Prinzip Formen werden um der Ästhetikwillen angeglichen. So wird der lang gesprochene i-Laut [i:] in 78 % der Fälle als realisiert (vgl. Naumann 1999). Dies betrifft auch die Schriftform der Kurzwörter wie FEE, SEE, TEE oder VIEH, die jeweils nur aus zwei Lauten bestehen und die daher einen "optischen Längenausgleich" erhalten (vgl. Eisenberg 1998). Grammatisches Prinzip Das grammatische Prinzip ist ftlr die Groß- und Kleinschreibung wie auch ftlr getrennte Schreibung oder für Zusammenschreibungen verantwortlich. Auch die Zeichenregeln sind hier kodifiziert. Das grammatische Prinzip unterstützt die kongruente Schreibung der Suffixe, z.B.: statt:*< Sie ist gehgangen>- . Kongruenzbeziehungen zwischen Subjekt und Verb, zwischen Subjekt und Adjektiv sowie in der Fallsetzung sind Phänomene, die geübten Schreibern Hinweise geben (vgl. Geier und Schuppener 2004).

Weitere Prinzipien der Verschriftlichung werden z. T. in anderer Terminologie beschrieben Mit den hier aufgelisteten Prinzipien dürfte der überwiegende Teil der Rechtschreibregelungen abgedeckt sein. Allerdings gilt es zu beachten: "Keines der genannten Prinzipien ist in der deutschen Rechtschreibung konsequent verwirklicht, was insbesondere auch aus der historischen Entwicklung bis zur heutigen Orthographie resultiert." (Geier und Schuppeuer 2004, lOS)

2.3.4

Normierung der Schrift

Die Normierung der deutschen Rechtschreibung begann im 15. Jahrhundert mit der Übersetzung der Bibel in die Volkssprache. Die Schreibung erfolgte nicht immer kongruent. Allmählich bildeten sich jedoch Schreibschulen mit je eigenen Wörterlisten

35

heraus. 1793 brachte Adelung sein grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart heraus, das wegweisend war. Ein Faksimile liegt nun in digitalisierterFassungder Digitale(n) Bibliothek Berlin vor (vgl. Adelung 2001). Nach einer Kodifizierung der Rechtschreibung an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert übernahm das Deutsche Institut in Mannheim die Herausgabe des Dudens, der mit jeder weiteren Auflage kontinuierlich revidiert wurde und so die allmählichen Veränderungen der Schreibgewohnheiten, aber auch des Registers widerspiegelt. Die Schreibnorm richtete sich nach der Hochsprache. Bei der neuesten Reform wurde von staatlicher Seite versucht, strukturelle Prinzipien der Rechtschreibung stringenter zu handhaben. An diesem Prozess waren Vertreter alle deutschsprachigen Länder und Sprachminderheiten aus Dänemark, Italien und Polen beteiligt.

2.3.5

Zusammenfassung

Von Humboldt sieht die Schriftsprache und ihre Erzeugnisse als Gegenstände der Sprachwissenschaft. Die Vielfalt der Schriftentwicklung findet ihre Entsprechung in der Ausdifferenzierung der Sprachen. Schriften korrespondieren mit unterschiedlichen Sprachstrukturen; z.B. sorgen Schrift-Wort-Symbole bei Sprachen mit eingeschränkter Laut- und Silbenkombinatorik (z.B. Chinesisch) fiir eine eindeutige Kodierung. Die hier vorgestellten Schriften stellen ein doppeltes Symbolsystem dar, das eine hohe Abstraktionsfähigkeit erfordert. In jedem Falle ist das Erlernen eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die eine hohe Abstraktionsleistung und eine hohe Gedächtnisleistung verlangt. Da sich die Schrift an der Hochsprache orientiert, müssen Dialektsprecher eine weitere Abstraktion leisten.

2.4.

Mehrsprachigkeit- terminologische Abgrenzung

Unter Mehrsprachigkeit wird in dieser Arbeit die Tatsache verstanden, dass ein Mensch neben seiner Erst- oder Primärsprache (Ll) mit einer weiteren Sprache oder mit mehreren Sprachen konfrontiert wird. Mehrsprachigkeit bezieht sich also auf zwei oder mehrere Sprachengebilde des Komplexitätsgrades, wie er in 2.2.3 beschrieben wurde. Allein die Tatsache, dass in der Umgebung des Kindes Dialekt gesprochen wird, soll in dieser Arbeit nicht als Mehrsprachigkeit gelten, gleichwohl werden einzelne Einflüsse von Dialekten in den didaktischen Fragestellungen berücksichtigt. In dieser Arbeit werde ich die Termini Erst- oder Primärsprache und L 1 synonym verwenden, für jede weitere Sprache L2 - Ln. Die Nummerierung bezeichnet nur die zeitliche Abfolge der Sprachaneignung. Eine Rangfolge im Sinne einer höheren Sprachkompetenz ist nicht intendiert, noch eine Technisierung der Sprache, sondern lediglich eine Verkürzung bei komplexen Ausdrücken.

2.4.1

Abgrenzung von dem Begriff "Muttersprache"

Der Terminus Muttersprache wird in dieser Arbeit vermieden, weil er in mehrfacher Hinsicht als problematisch erachtet wird, denn auch die Sprache des Vaters kann eine Primärsprache sein. Der Terminus ist im Hinblick auf deutschstämmige Aussiedler aus Polen und Russland unzutreffend, da ihre Primärsprache eben nicht Deutsch, die Primärsprache ihrer Eltern oder Großeltern sein durfte. Sodann ist der Begriff durch die Weißgerber'sche These von dem Weltbild der Sprache, durch die Rezeption der Na-

36

ziideologie im Sinne einer Rassenhybris missbraucht worden und daher negativ konnotiert (vgl. Kracht 2000). Obwohl der Autor seine These selbst in Frage stellte (vgl. Weißgerber 1966), wurde sie noch bis in die achtziger Jahre rezipiert. Schließlich kann der Begriff 'Muttersprache' durch sehr unterschiedliche Kriterien bestimmt werden; so weist die Definition von Tove Skutnabb-Kangas vier unterschiedliche Gesichtspunkte auf: Je nach den gewählten Kriterien der Herkunft, der Kompetenz, der Funktion sowie der internen und externen Identifikation zeigt der polyglotte Sprachforscher an seine eigenen Sprachbiographie auf, dass er vier unterschiedliche Sprachen als seine 'Muttersprache' bezeichnen könnte (vgl. Skutnabb-Kangas 1992). 2.4.2

Lebensweltliche Konfrontation mit Mehrsprachigkeit

Die Konfrontation eines Menschen mit zwei oder mehr Sprachen wird unabhängig vom Grad oder vom Umfang der. Sprachbeherrschung betrachtet. Entscheidend ist die lebensweltliche Konfrontation der Heranwachsenden mit Mehrsprachigkeit. Gogolin (1988) hat den Terminus "Lebensweltliche Zweisprachigkeit" vorgeschlagen, um das Konglomerat an Sprachbesitz zu bezeichnen, über das die Kinder aus sprachlichen Minderheiten verfUgen. Es handelt sich um ein Kompositum aus emigrantensprachlichen Mitteln und aus den besonderen Fähigkeiten der Zweisprachigen, mit denen sie in der zweisprachigen Umwelt bestehen können. Dazu gehört die Fähigkeit zur "linguistic awareness", der besonderen Aufinerksamkeit, die sich aus dem Vergleicfi'Oef ~eiden Sprachen ergibt (vgl. Rastner 2002). Zwei- oder Mehrsprachigkeit kann damit keine konstante Größe sein, sondern hat sich an der Faktizität der je unterschiedlichen Lebensbedingungen der Menschen zu orientieren. "Die Bestimmung von Zweisprachigkeit muß berücksichtigen, daß sie sich je nach der Bedeutung in der Lebenswelt des betreffenden Menschen, also entsprechend den Notwendigkeiten, die sprachlich bewältigt werden müssen, sich unterschiedlich entwickelt beziehungsweise· entwickelt hat." (Kracht 2000, 133)

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Zahl der Schüler, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, beständig gestiegen. Es handelt sich um Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern aus anderen Ländern zugereist sind, um zeitweise in unserem Land zu leben, oder die aus gemischt-nationalen Familien stammen, oder deren Familien zugewandert oder umgesiedelt sind sowie um Bürgerkriegsflüchtlinge, denen ein Bleiberecht zugebilligt wurde oder um Asylsuchende, deren rechtlicher Status ungewiss ist.' In der letzten Gruppe gibt es auch Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern in unser Land gekommen sind, um Asyl zu beantragen. Sie alle haben im Rahmen der gesetzmäßigen Bestimmungen ein Recht auf Schulbildung. Für Asylsuchende ist dieses Recht im Land NRW erst seit 2004 verbrieft. Kinder und Jugendliche, deren L 1 Deutsch ist, treten mit diesen Kindem in Kontakt. In der Schule sind sie unmittelbar durch ihre mehrsprachig aufwachsenden Mitschüler mit dem Phänomen konfrontiert. Es gibt jedoch Regionen, in denen der Anteil an mehrsprachigen Schülern sehr gering ist, wie in den neuen Bundesländern, in denen die Arbeitsmigration eine untergeordnete Rolle spielte. Zuwanderer wurden hier überwiegend perZuweisungaufgenommen (vgl. idw 22.11.05). Dennoch haben heutzutage alle Kinder die Möglichkeit, sich im Rahmen des Programms Kontaktsprachen

37

oder innerhalb des Fremdsprachenunterrichts mit weiteren Sprachen auseinanderzusetzen (vgl. Meißner, 2003). In den grenznahen Regionen zu Frankreich besteht eine lange Tradition der Förderung der Nachbarschaftssprache. Nach der Öffnung der Ostgrenzen gibt es eine intensive Kooperationen mit Polen, nicht nur durch die Buropauniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder, sondern auch durch grenznahe Schulpartnerschaften. Kontakte zu Schriftstellern können ebenfalls sprachenübergreifend sein. Das weltweite Netz stellt eine Plattform fiir Kontakte in die ganze Welt dar, das im Fremdsprachenunterricht genutzt werden kann. Die Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung ausländischer Schüler (RAA) und viele Verlage bieten mehrsprachige Arbeitsmaterialien an (vgl. RAA Essen 2002).Auch im außerschulischen Umfeld setzen sich Heranwachsende mit weiteren Sprachen auseinander, sei es in der Musikszene oder in der Werbung oder in fremdsprachig beherrschten Domänen, wie z.B. bei Computerspielen oder beim Surfen im Internet. So hat Richard Glahn z.B. den starken Einfluss des Englischen auf das 'Fernsehdeutsch' untersucht (vgl. Glahn 2000). I

2.4.3

Sozioökonomische Einflüsse auf die Mehrsprachigkeit

Zweitsprachigkeit ist eine Chance, die in Ländern mit zwei oder mehr Nationalsprachen den Kindem von klein auf zuteil wird. Die Sprachen der weiteren Nationalitätengruppen werden dann entweder spontan und ungelenkt als Zweitsprache angeeignet oder gelenkt als Fremdsprache erlernt. Die Chance der unmittelbaren Konfrontation mit einer Zweitsprache kann zurückgehen, wenn Menschen ausgegrenzt werden oder wenn sie sich selbst abkapseln. Heute wird beobachtet, dass selbst die Kinder der 2. und 3. Generation wenig oder keine Chancen hatten, sich sprachlich zu integrieren, weil sie in Quartieren oder Trabantenstädten aufwachsen, in denen kaum mehr autochthone Gruppen leben. Skutnabb-Kangas und Toukomaa (1977) sehen die sprachlichen Schwierigkeiten von Migrantenkindern im Zusammenhang mit den sozioökonomischen Lebensbedingungen, mit dem zugeschriebenen Status und mit kulturellen Unterschieden. Die Marginalisierung von Bildungschancen vor dem Hintergrund der Migration deckt sich mit meinen konkreten Erfahrungen: In Schulen fiir Lernbehinderte, die in den Arbeitervierteln der Groß- und der Mittelstädte im Ballungsraum Rhein/Ruhr oft sogar von einer Mehrheit von mehrsprachigen Schülern besucht werden, wurde mir regelmäßig auf die Frage nach der Berücksichtung der Primärsprache der Schüler zur Antwort gegeben, dass dies wenig Sinn habe, da alle Schüler aus einem anregungsarmen sprachlichen Milieu kämen. Unter dem Einfluss der Umgebungssprache kann sich die Sprache von Sprachminderheiten in zweifacher Hinsicht ändern: Durch den fehlenden Kontakt zur Sprache des Heimatlandes werden sie von dem fortschreitenden Wandlungsprozess ihrer Nationalsprache abgeschnitten, sodass sie sich im Ursprungsland ihrer Familie als Fremde fiihlen oder sogar wie Fremde behandelt werden. Die Entfremdung vom Heimatland kann zum Verlust des sprachlichen Formenreich!Yl!!~ fiihren, so wie es der Iraner Abdolreza Madjdery befiirchtet:

38

Brief Immer wenn ich nach Hause schreibe hab ich Angstblumen am Herzen: Vielleicht werden sie diesmal noch nicht merken an meinen Sätzen wie viele Muttersprachjuwelen ich schon verloren habe. (Jn: Ackermann 1992, 211).

Green (1998) nennt diese Phänomen~ Es ist ein Verlust des Einzelnen, dessen Sprache sich "abreibt" (vgl. Riehl2004). Die Sprache der Minderheit kann sich infolge dessen zu einer Sprachvariante mit eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln. So weicht die Sprache der türkischen Minderheit in Deutschland spezifisch von dem Türkeitürkisch ab. Die jugendkulturellen Varietäten 'Atak' oder Tarzanca', stellen jedoch eher Abgrenzungsphänomene dar, auf die ich in 2.5.4.3 näher eingehen werde. Abweichungen der Primärsprache hat Brons-Albert auch bei Deutschen festgestellt, die in den Niederlanden leben und dort überwiegend Niederländisch sprechen. Brons-Albert schließt aus den lexikalischen Fehlern bei lautähnlichen Wörtern, dass sie einen gemeinsamen mentaler Speicher nutzen (vgl. Brons-Albert 1992). Ebenso wie eine Sprache untergeht, so kann auch die Primärsprache eines Menschen an Bedeutung verlieren, wenn er sich vollständig assimiliert, wie etwa die Hugenotten, die nach der Verfolgung durch den Sonnenkönig in einer zwanzig Jahre währenden Konfessionsmigration aus Frankreich flüchteten und als geschätzte Handwerker in Brandenburg aufgenommen wurden (vgl. Bade 2004, Klingebiet 2005, Beneke und Ottomeyer 2005). Wenn auch das Französische als Identifikationselement, besonders als lingua sacra im Gottesdienst erhalten blieb, setzte sich der Erosionsprozess des Französischen fort (vgl. Hartweg 2005). Heute gibt es jedoch durch die Omnipräsenz der Medien und die große Mobilität der Menschen die Möglichkeit, parallel in mehreren Sprachen zu leben.

39

2.4.4

Taxonomien der Mehrsprachigkeit

Die Taxonomisierung der Mehrsprachigkeit berücksichtigt den graduellen Umfang der Beherrschung beider Sprachen, wobei es zwischen den beiden Extremen der minimalen Mehrsprachigkeitsformen (incipient bilinguals) (vgl. Baetens Beardsmore 1986) und der maximalen Mehrsprachigkeitsformen ('nativelike' or 'near nativeness') (vgl. Bloomfield 1999) viele Abstufungen gibt. Bei der asymmetrischen Mehrsprachigkeit zeigen sich graduelle Unterschiede in der Sprachbeherrschung von Primärsprache und Zweitsprache. ,Mit "Semilingua_fu_mus'~--~~!~~l!_f'OJ!llen b_~~~!!l~be~.l-lle.L.de.nen. _4ie Spre~h~~- --~~- Y~~g!~i~h_:z.!!_Eins.Prl!~lJ.ig~g .ill. ~e.!~~~--§P~'l.~~e.ll Re.:fi.~i!~J!U:f\:veis.e.n, _sog~s ~~e. ~&: jnJ?e..!4e..!1.§P!~chen über alltäg!!2!'t_e.J!!h~l!~L~Erechen ~Q.I!P.:e.J1, .·sichaber

~t~h.tkont~xtm~ll~h~g!g__~t,I_(~~!i.~~-~:gi~~~pfue.U . ~~h!:1fi~pr.a!;liHcfi~ii.)~Uxe.~!l.:"Y~i~!IDillt~t, denn es r 1 ist auf das besondere Interesse seiner Eltern al1gewiesen. ])~r \\'l!D$gh Jl~~li:Zug~h9.:::, ; ;' rigkeit ist ein starke~Motiv,fiir die integrative Orienti~ru11g (vgl. Gardner und Lambert

1972):'''

,,,. '

.

.

' '

In dem Wunsch der Kinder nach Kontakt mit Freunden und Peergroups braucht die Vielfalt der Sprachen kein Hindernis zu sein. In ungesteuerten Situationen verständigen sich Kinder oft über mehrere Sprachen hinweg. Das zentrale Motiv ist der Wunsch nach Integration, die ungeachtet sozialer und ethnischer Grenzen den sprachlichen Austausch leitet. 3 In der Regel orientiert sich das Kind am kommunikativen Erfolg - weniger an der grammatischen Richtigkeit. Es gibt aber auch Kinder, die den Kontakt mit unvertrauten Menschen vermeiden. In den frühen Einzelfallstudien der Sprachforscher ist von einer besonderen Beachtung der sprachlichen Leistungen ihrer mehrsprachigen Kinder auszugehen. Es ist zu vermuten, dass die Eltern durch die große Aufmerksamkeit, die sie dem Spracherwerb und der Persönlichkeitsentwicklung ihres Kindes entgegenbringen, dieses zum sprachlichen Austausch motivieren. Es kann jedoch sein, dass sich ein Kind stärker mit einem Elternteil identifiziert, so dass es dessen Sprache bevorzugt. So berichtete Porsche, dass sein Sohn sich mit ihm identifizierte, worin er noch zusätzlich von seinen Eltern unterstützt wurde, während die Töchter eher zu den Großeltern mütterlicherseits tendierten (Porsche, 1983). Das integrative Motiv wurde in diesem Fall zusätzlich extrinsisch verstärkt. Apeltauer bezeichnet den Wunsch des Menschen, Sprache aus Praktikabilitätserwägungen zu erlernen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, als instrumentale Motivation (vgl. Apeltauer 1998). Der Wunsch der Eltern, ihre Kinder durch positive Verstärkung, wie z.B. ideelle oder materielle Verstärker zu Leistungen anzuregen, stellt ein extrinsisches Motiv dar. Instrumentelle Motivation kann jedoch auch intrinsisch sein, wenn zum Beispiel ein Mensch Freude an einer Tätigkeit hat, die ihm Befriedigung bringt, wie z.B. das Flow-Erleben oder die von Montessori beobachtete Polarisation der Aufmerksamkeit, auf die ich in 2.6.1 noch näher eingehen werde. Extrinsisch motiviert sind junge Menschen, die eine Sprache erlernen, um den Übergang auf eine weiterfUhrende Schule zu schaffen, weil sie sich dadurch bessere 3

Als wir mit unseren Kindem das erste Mal einen Monat lang bei der Familie meiner Tante in Polen zu Besuch waren, war unser Tochter zehn Jahre alt. Sie hatte keine Scheu, mit den etwa gleichaltrigen Kindem meines Cousins zu spielen oder angeln zu gehen und lernte von ihnen alles, was es dabei zu beachten gab. Die Verständigung gelang auf Deutsch, Englisch und Polnisch, beim gemeinsamen Tun durch Vormachen und Nachahmen, Gestik mit Händen und Füßen, mit viel Mimik und viel fröhlichem Kinderlachen.

46 Bildungs- und Berufschancen erhoffen. In der Regel werden sie durch das nachhaltige Interesse ihrer Eltern in diesem Impuls unterstützt (vgl. List 2003). Extrinsische.Meti.. vation kann zwar die Leistungen steigern, kann aber auch die intrinsische Motivation zerstören. Im Sinne einer Misserfolgsorientierung kann es zu traumatischenErfanrungen kommen, die möglicherweise einen negativen Transfer auf andere Leistungsbereiche ausüben. Fthenakis vermutet, das ein circulus faustus entstehen könne (vgl. Fthenakis et al 1995). Auch die Eltern von Migrantenkindern sind am Sprachenlernen ihrer Kinder interessiert. Dies gilt sowohl fiir die Aneignung des Deutschen als Zweitsprache als auch fiir den Fremdsprachenunterricht Es gibt viele erfolgreiche mehrsprachige Menschen, die das Deutsche ,,native-like" beherrschten z.B. im Projekt Merhaba, der ThomasMorus-Akademie in Bensberg (Rhld.), das vor kurzem sein zehnjähriges Jubiläum feierte (vgl. merhaba 2008). Allerdings gibt es auch Eltern, die nicht in der Lage sind, ihre Kinder konkret zu unterstützen. Dies kann sowohl an ökonomischen Mangellagen als auch an der Tatsache liegen, dass sie selbst nur über eine unzureichende Ausbildung in der deutschen Sprache verfUgen (vgl. Müller, R. 1996). Nach Boos-Nünning motivieren die Migranten ihre Kinder in ideeller Weise zu einer fundierten schulischen Ausbildung, indem sie Wert auf gute Noten legen. Dies gilt explizit auch für Mädchen, obwohl sich diesbezüglich hartnäckig gegenteilige Einschätzungen halten (vgl. BoosNünning u. a. 2005). 2.5.4.1

Wechsel der Orientierung und Verlust der Motivation

Das integrative Motiv fruchtet nicht, wenn der Wunsch nach Kontakt nicht auf die Offenheit der Mehrheitsbevölkerung stößt. Wenn die Gruppe einer Sprachminderheit von der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert wird, so wird sie kaum Chancen zu sprachlichen Kontakten haben. Unsicherheiten im Umgang miteinander können letztendlich weitere Kontakte vereiteln (vgl. Romain 1995). Fehlendes Selbstvertrauen in die Beherrschung der L2 beeinflusst die Leistung in der Zweitsprache möglicherweise im Sinne einer negativen 'fulfilling prophecy '. Das integrative Motiv kann auch verloren gehen, wenn ein Mensch dadurch zu sehr vereinnahmt wird. So berichtete meine Klassenkameradin, die mit einem Sorben verheiratet ist, dass die Einbindung ihres Sohnes in 'das Sorbenturn' ihres Mannes den Jungen anfänglich sehr motiviert, ihn schließlich aber so sehr beansprucht habe, dass ihm zu wenig Zeit fiir Kontakte zu seinen Klassenkameraden und Freunden blieb. Er habe mutistische Züge entwickelt. Andererseits kann sich eine instrumentelle Orientierung auch zu einer intrinsischen Motivation entfalten, wenn die Freude, die jemandem durch positive Bewertung zuteil wird, ihn so beflügelt, dass er sich intensiv mit einer Sache auseinandersetzt oder gar in ihr aufgeht. 2.5.4.2

Dissonanzerfahrung als mögliche emotionale Blockade

Zwischen den Denkprozessen und der Motivation bestehen drei konzeptionelle Beziehungen: die Attributionstheorie, die erlernte Hilflosigkeit und die Selbsteffizienz

47 (vgl. Weiner 1994). Einer erlebten Inferiorität bei einem hohen Leistungsanspruch an sich selber könnten die folgenden Gedankengänge zugrunde liegen: 'Weil ich weiß, dass ich das, was ich weiß, nicht so ausdrücken kann, wie ich es möchte, halte ich mich lieber zurück, damit andere nicht meinen, dass ich dumm sei.' Nach der Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger wäre es dann möglich, dass Bildungsinhalte abgewertet werden und dass analog zur Fabel 'Der Fuchs und die Trauben' das, von dem man glaubt, es nicht sicher erreichen zu können, als 'sauer', also nicht erstrebenswert bewertet wird (vgl. Festinger 1978; vgl. Six 2000). Diese negative Selbstattribuierung könnte dann zu einer 'erlernten Hilflosigkeit' fUhren (vgl. Seligmann 1991 ). Notwendig sind vertrauensstiftende Kontakte, die sich eng an den Inhalten orientieren sowie an den kommunikativen Bedürfnissen. In Zellerhoff 1990 berichte ich von einem meiner Schüler, der mit seiner Familie ein Jahr lang in den USA gelebt hatte. In der Vorschule, erlernte er mit sehr gutem Erfolg die Landessprache, er weigerte sich aber strikt, sich weder mit seinem amerikanischen Kindermäd- · chen noch mit amerikanischen Freundinnen seiner Schwester zu unterhalten. Als die Familie nach Deutschland zurückkehrte, zeigte er auch in der Primärsprache eine Sprachverweigerung, die mutistische Züge aufwies. Das Phänomen des Mutismus wird bei mehrsprachigen Kindem gehäuft beobachtet. Reiner Bahr berichtete über eine Vielzahl ausländischer Kinder, deren elektives Schweigen er als eine Bewältigungsstrategie gegen die sprachliche Überforderung wertet (vgl. Bahr 2002). Ähnlich sieht Katz-Bemstein die Mehrsprachigkeit als einen Risikofaktor an, der signifikant zur Auslösung von Mutismus beitragen kann (vgl. Katz-Bemstein 2005).

2.5.4.3

Indikator des Fremden- der fremde Akzent

Bereits in der Bibel wird berichtet, dass die Zugehörigkeit zu einer Volks- und Sprachgruppe durch ein Passwort überprüft wurde (vgl. altes Testament, Richter 12, Vers 5 ft). Die als 'Schibboleth-Funktion' bekannte Tatsache hat im letzten Weltkrieg in den Niederlanden zur Enttarnung deutscher Spione gefilhrt, wenn sie das Wort Scheveningen nicht korrekt aussprechen konnten (vgl. Kniffka 1991). Durch Interferenzen mit der Primärsprache kann es zu einem fremden Akzent kommen, der auch heute noch zu Ausgrenzungen ftlhren kann. Meine Nachbarin, eine sehr gebildete Frau, die als Deutsche in Prag aufgewachsen ist, bat mich, filr sie bei einer Behörde anzurufen, weil sie wegen ihres fremden Akzentes bei Telefonaten regelmäßig sehr herablassend behandelt werde. Als ihre Tochter auf das Gymnasium kam, berichtete auch diese von Ausgrenzung durch negative Bemerkungen wegen ihrer 'komischen Aussprache'. Sie bat mich, ihr den im Rheinland üblichen, 'richtigen' r - Laut beizubringen, damit sie nicht so auffalle. Ich konnte sie davon überzeugen, dass ihr Zungenspitzen-[r] der korrekten hochdeutschen Lautung entspräche und sie froh sein könne, diese allofonischeVariante zu beherrschen, da sie in vielen Fremdsprachen obligatorisch sei. Bloomfield spricht von einer "geographischen Variante desselben Phonems" (vgl. Bloomfield 2001). "In den slawischen Sprachen ebenso wie im Italienischen, Spanischen, Ungarischen und Neugriechischen gilt das Zungeu-r als Norm, und das Zäpfchen-r wird als eine pathologische Ab-

48 weichung oder als ein Merkmal einer snobistischen Affektion, . . . gewertet." (Trubetzkoy 2000, 301)

Der fremde Akzent signalisiert, dass der Sprecher eine andere sprachlich€;: Herkunft als die einheimische Bevölkerung hat. Wenn ein Mensch sich sprachlich assimilieren wollte, so könnte er den fremden Akzent ablegen (vgl. Hirschfeld 2001). Wieweit sprachliche Nuancen gepflegt werden, ist den Sprechern vielleicht nicht einmal bewusst. Dass sie toleriert werden, erachte ich als eine Bereicherung. Anders ist es bei den jugendkulturellen Varietäten 'Atak' oder 'Tarzanca', die zwar aus dem Türkischen gespeist werden, bei denen es sich jedoch eindeutig um ein Abgrenzungsphänomen handelt, dessen sich neben den türkischen auch deutsche und anderssprachige Jugendliche bedienen. Durch Fernsehen und Comic wird die soziolektaleVariante auftypische Weise stilisiert z. B. durch den Comedy-Star Kaya Yanar (vgl. Androutsopoulos 2001; vgl. Keim 2002; vgl. Dirim 2004). Inzwischen wurde sie zur kultigen Sprache der Jugendlichen (vgl. Rösch 2005).

2.5.5

Lernstile als Faktor der Sprachaneignung

Tests zur intellektuellen Leistungsfiihigkeit zeigen bei Problemlösungen unterschiedliche Vorgehensweisen, die als kognitive Stile beschrieben werden. Tendenziell wird zwischen zwei polaren Stilen unterschieden: dem eher introvertierten, reflexiven und dem eher extrovertierten, impulsiven LernstiL Klein wendet das Konzept der kognitiven Stile auch auf die Aneignung von Mehrsprachigkeit an. Bei einem impulsiven Lernstil vermutet er, dass die Erstsprache auf die Zweitsprache "durchschlägt" und es dadurch zu höheren Interferenzen kommt als beim reflexiven Lernstil (vgl. Klein 1987). Eine höhere Ambiguitätstoleranz des impulsiven Lernstils verstärkt diese Tendenz, weil die Lerner Unsicherheiten tolerieren und sprachliche Mittel verwenden, über die sie noch nicht korrekt verfiigen. Ein weiteres Kriterium für die Unterschiedlichkeit der Lernstile sind die Merkmale der Feldabhängigkeit versus Feldunabhängigkeit Feldabhängige Menschen haben die gesamte Kommunikationssituation im Blick und achten daher seltener auf die Korrektheit von Einzelheiten als feldunabhängige Personen. Man kann davon ausgehen, dass Menschen, die eher feldabhängig lernen, sich unbekümmerter in eine Kommunikationssituation wagen, während feldunabhängige Menschen einen höheren Anspruch der sprachlichen Korrektheit an sich selbst stellen, was aber gleichzeitig bedeutet, dass sich damit die Chance zur Erprobung ihrer sprachlichen Fähigkeiten verringert (vgl. Apeltauer 1987).

2.5.6

Intellektuelle Leistung und Mehrsprachaneignung

Die Erkenntnis, dass es sprachlich autonome Prozesse gibt, zeigt sich in der Tatsache, dass auch Menschen mit geistiger Behinderung die Grammatik einer zweiten Sprache korrekt erwerben können. Die früher häufig vorgebrachte Sorge, dass sie durch die Mehrsprachigkeit überfordert seien, betrachtet Dupuis als Unsinn und Zynismus, denn:

49 "Sich "filr eine Sprache entscheiden" zu müssen bedeutet entweder die Abtrennung von den eigenen Eltern oder das Vorenthalten desFörder-und Bildungsangebots in deutschsprachigen Einrichtungen." (Dupuis 2000, 681)

Umgekehrt gibt es intellektuelle Erkenntnisweisen, die weitgehend abstrakt und ohne Versprachlichung ablaufen oder die nur mit einem unverhältnismäßig hohem Aufwand in eine sprachliche Form zu transformieren wären, wie etwa elektronische Schaltpläne, komplexe Bauzeichnungen oder chemische Formeln. Die sprachlichen als auch die bildliehen Zugangswege können miteinander interagieren. Die Theorie des "Dual Coding" geht von unterschiedlich involvierten Zugängen zum Sprach- und zum Bildmotiv aus, die sich gegenseitig ergänzen können. Offensichtlich gibt es Kinder, die durch Visualisierung Zusammenhänge leichter verstehen. Ich werde in 6.3.3 näher auf die Theorie des Dual-Coding eingehen. Generell gibt es jedoch die Gefahr, dass sich bild- oder modellhafte Vorstellungen so fest einprägen, dass sie neueren und/oder differenzierteren Erkenntnissen im Wege stehen. Romano Müller bestätigt mit seinen Untersuchungsergebnissen an mehrsprachigen Schweizer Schülern, dass sich die Mehrsprachigkeit positiv auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit auswirkt. Dabei hat er viele Variablen berücksichtigt, so die Tatsache, dass Schüler mit schneller Auffassungsgabe und hoher Motivation sowie durch förderliche Bedingungen ihres Elternhauses auch leichter Sprachen erlernen können. In seinen Untersuchungen, die in Basel durchgeftihrt wurden, konnte er auch bei Migrantenkindern eine hohe Motivation fUr die Aneignung von Sprachen feststellen. Ebenfalls beobachtete er ein nachhaltiges Interesse der Eltern am Schulerfolg ihrer Kinder. Ausschlaggebend fiir den Schulerfolg der Kinder war jedoch die Bedingung, dass ihre Primärsprachen im schulischen Kontext gefördert wurden (vgl. Müller, R. 1996). 2.5.7

Ähnlichkeiten und Unterschiede des Sprachenangebotes

Sind die anzueignenden Sprachen strukturell ähnlich, so können morphologische und syntaktische Regeln mit Gewinn aus der Primärsprache in die Sekundärsprache übertragen werden. So haben sich ähnliche syntaktische Strukturen zwischen dem Englischen und den nordischen Sprachen Dänisch, Isländisch, Norwegisch und Schwedisch als förderlich herausgestellt (vgl. Chilmonczik 2002). Die nordischen Sprachen ähneln sich so sehr, dass Dänen und Schweden einander gut verstehen, wenn jeder in seiner eigenen Landessprache spricht (vgl. Oksaar 2003). Vergleichende Untersuchungen zeigten eine Tendenz zur schnelleren Aneignung von Sprachen mit ähnlichen grammatischen Strukturen (vgl. Bremerich-Voß, 1999). Hingegen erfordern grammatische Differenz zwischen den germanischen und den slawischen Sprachen erhebliche syntaktische Transformationen. So verlangen Parametersetzungen (plus/minus Pro-dropParameter) im Deutschen ein obligatorisches Subjekt, während das Subjekt in der polnischen Sprache fakultativ ist. Gibt es Ähnlichkeiten in der Phonologie oder in der Semantik, so können diese gleichfalls ftir den Erwerbsprozess und die weitere Sprachaneignung hilfreich sein. Aber schon kleine Nuancierungen können zu Interferenzen fUhren, wie z.B. bei den

50

'falschen Freunden', die gleich oder ähnlich klingen aber doch eine andere oder abweichende Bedeutung haben. Sowohl strukturelle als auch semantische Ähnlichkeiten der Sprachen werden in dem Programm "Mehrsprachiges Buropa durch Intercomprehension in Sprachfamilien" (vgl. Kischel 2002) zum rezeptiven Verständnis ähnlicher Sprachen genutzt, das ich in 6.2.1 näher beschreiben werde. Der Unterricht in Fremd- oder Begegnungssprachen kann zu einer erfolgreichen Aneignung einer Sprache beitragen. 2.5 .8

Zusammenfassung

Die hier genannten Aspekte zeigen eine große Variationsbreite von lernbiologischen, intellektuellen, familiären, psychischen und motivationalen Lernvoraussetzungen, die bei der Aneignung von Mehrsprachigkeit bedeutsam sind. Integrativ oder instrumentell motivierte Lerner können sowohl intrinsisch als auch extrinsisch motiviert sein. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Grad der Ähnlichkeit der beteiligten Sprachen, in Bezug auf das Lebensalter der Schüler, die Lernzeit und die Intensität der Aneignung. Die Untersuchung von Rarnano Müller hat gezeigt, dass die schulische Förderung der Primärsprache eine besondere Rolle fiir die Aneignung der Mehrsprachigkeit spielt. Unter der Voraussetzung, dass die Primärsprache der Kinder in der Schule gefördert wird, gelingt der Erwerb von Zweisprachigkeit je eher, desto besser. Alle anderen Aspekte müssen differenziert betrachtet werden. Besonders die Tatsache, dass es unterschiedliche Lerntypen gibt, muss zur Folge haben, dass in einem binnendifferenzierten Unterricht den Schülern je spezifische Zugangsweisen eröf:fuet werden. Im Sinne der konstruktivistischen Unterrichtstheorie könnten die Schüler dann ihre individuellen Lernwege zur Aneignung der Sprachen erkunden. Diese Lernwege können mehrgleisig sein, wobei auch strukturierte Lernwege denkbar und erwünscht sind, sofern die anzueignenden Strukturen durch Einsicht zu erlernen sind. 2.. 6

Sprache und Selbstkonzepts

2.6.1

Die Ausbildung des Selbstkonzeptes als Interaktion

Nach George Mead entwickelt sich die Identität des Kindes (Seit) in der Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen und Bedür:fuissen (I) und den vom Individuum internalisierten Anforderungen der Gesellschaft (Me ). Dabei vermittelt die Sprache als symbolische Interaktion die notwendige Auseinandersetzung mit den übernommenen Wertvorstellungen der jeweiligen Kultur und den eigenen Bedürfnissen. Hierbei kann sich das einzelne Subjekt (I) hypothetisch selbst zum Objekt machen (Me), in dem es sich quasi von außerhalb mit den organisierten Haltungen Anderer betrachtet. Dies geschieht nach Mead durch sprachliche Symbole (vgl. Mead, 1968). Aus der Perspektive des symbolischen Interaktionismus gewinnt die Sprache also ihre besondere Bedeutung. als Medium der Identitätskonstruktion, wobei die kognitiven, abstrakten Leistungen der Sprache fiir die Bewusstwerdung der Identität betont werden (vgl. Schmidt, 2003).

51

Nach William I. Thomas entsteht die "dynamische Persönlichkeit" aus der Wechselwirkung von subjektiver Erfahrung mit sozialen Werten. Die Variationsbreite subjektiver Erfahrungen ermöglicht ebenso wie die divergierenden individuellen Interpretationen der objektiven Gegebenheiten eine Vielzahl von Situationen, die dadurch definiert werden, dass die beteiligten Individuen sich Klarheit über die Bedeutung und die Ziele der Interaktion schaffen. Damit erreichen sie eine 'Definition der Situation'; aber anders als bei Mead werden auch die konnotativen Aspekte der Kommunikation wie auch parasprachliche und extraverbale Mittel beachtet (vgl. Thomas, W. I. und Volkart 1965). In der Möglichkeit des Aushandeins der Situation wird bereits Krappmanns "lnteraktionsbalance" vorweggenommen. Der deutsche Soziologe Krappmann macht auf die Dynamik der Identitätsentwicklung des Menschen aufinerksam, die er in einem Abwägen zwischen den Anforderungen der Gesellschaft und den Wünschen des Individuums sieht. Diese Anforderungen können sprachlich nur bewältigt werden, wenn auch abstrakte Zusammenhänge wie e~a adversative oder analoge Beziehungen dargestellt werden können. Ziel der Identitätsentwicklung ist das Ausbalancieren zwischen der sozialen und der personalen Identität des Individuums, die Gewinnung der Ich-Identität (vgl. Krappmann 1978). Krappmann fiihrt "Grundqualifikationen des Rollenhandelns" auf, die in einer postulierten "herrschaftsfreien Interaktion" das Individuum zu einer Identitätsbalance fUhren sollen: Rollendistanz, Empathie, Ambiguitätstoleranz und Identitätsdarstellung als Fähigkeiten, sich selbst als Identität in den Interaktionsprozess einzubringen und sich als solche auch darzustellen (vgl. Krappmann 1978). Die Bildung von Ich-Identität ist demnach nur möglich, wenn es einen Spielraum der Interaktion gibt. In einem System der Gewalt oder des absoluten Gehorsams ist die Ich-Identität nach Krappmann nicht zu verwirklichen. Menschen können ihre Identität jedoch auch unter starken Einschränkungen zum Ausdruck bringen, wenn es ihnen gelingt, ihre Botschaften so zu verschlüsseln, dass sie nur durch Eingeweihte verstanden werden. In der akrylogischen Ausdrucksweise des Andeutens, der Metapher, der Fabel können auch geknechtete Menschen noch ihrer Identität Ausdruck verleihen. Der Begründer der rational-emotiven Theorie, A. El,lis, hat die Grundlagen seiner Theorie im Konzentrationslager entwickelt. Seine Vorstellungskraft befahigte ihn, sich gedanklich in eine Weltjenseits der menschenverachtenden Realität zu versetzen (vgl. Ellis 1979). In der tiefenpsychologischen Schule Ericksons wurde die Bedeutsamkeit zwischenmenschlicher Beziehungen fiir die Entwicklung der Identität dargestellt. Dabei wurde die Prozesshaftigkeit der Identitätsentwicklung betont. Erickson stellt in einem entwicklungspsychologischen Phasenmodell die Identitätsentwicklung des Menschen als einen lebenslangen Prozess dar, in dem es um die bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst geht. Anders als in der sozialanthropologischen Schule geht Erickson jedoch davon aus, dass auch die nicht-bewusstseinsträchtigen Erfahrungen des Menschen seine Identität formen. Nach Erickson stellen in Anlehnung an das psychoanalytische Entwicklungsmodell Freuds vor allem die Phas.en der fi.jlhen Kindheit und des Jugendalters "Brennpunkte. der Identitätsentwicklung" dar. Erickson erachtet das Gelingen der frühkindlichen Kindheitsidentifikationen als unabdingbare Voraussetzung fiir die Ausbildung der Ich-Identität, die sich dann auf der Stufe der

52

Adoleszenz ausbilden kann, um sich in den weiteren Lebensphasen zu konsolidieren. Die unterschiedlichen Identifikationen in der Entwicklung des Kindes sind Leistungen, an denen die primären Bezugspersonen entscheidenden Anteil haben. Folgt man der Theorie Ericksons, so kann die Ich-Entwicklung möglicherweise durch ungünstige Bedingungen erschwert sein, unter denen Kinder von Arbeitsimmigranten und Aussiedlem aufwachsen (vgl. Bohleher 1997). Der amerikanische Gesprächspsychotherapeut Rogers sieht die Identitätsbildung des Menschen ebenso wie Erickson als einen lebenslangen Prozess an. Er geht wie Thomas von einer Selbstaktualisierungstendenz des Menschen aus, einem Entwicklungsprozess, der durch Wachstum geprägt ist. Rogers betrachtet die Persönlichkeitsentwicklung eines jungen Menschen als ein Potential, das sich entfaltet, sobald nur die Mindestvoraussetzungen gegeben sind und er betont die Eigendynamik dieses Prozesses. Die Selbststruktur oder das Selbstkonzept ist ein gedankliches Konstrukt, das mit dem Begriff der Identität nach Mead vergleichbar ist. Wie Erickson betont auch Rogers die Notwendigkeit befriedigender Beziehungen des Kindes zu seinen primären Bezugspersonen. Das Forscherehepaar Csikszentmihalyi weist nach, dass ein sich Versenken und Sich-Eins-Fühlen mit einer Aufgabe zu einer positiven Selbstwahrnehmung fUhren kann. Das von ihnen beschriebeneflow-Erleben erweitert die Wahrnehmung und fUhrt zur Konstruktion und Erweiterung des Selbst (vgl. Massimini u. a. 1991). 2.6.2

Identitätsregulation-Identitätsdiffusion

Hauser zeigt in seinem Modell der Identitätsregulation den wechselseitigen Prozess, in dem die Generalisierung und Spezifizierung der drei Identitätskomponenten Selbstkonzept, Selbstwertgefiihl und Kontrollüberzeugung ineinander wirken. Situative Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und personale Kontrolle fUhren durch die Generalisierung über Bereiche und über die Zeit schließlich zu einer globalen und stabilen Identität (vgl. Hauser 1995 inhaltlich zit. nach Baudisch 2003). Mit seinem neuen Wissenschaftsverständnis des Konstruktionismus stellt Gergen jedoch die Stabilität und Kontinuität des Selbstkonzeptes in Frage. Er ersetzt das Konzept des stabilen Selbst (Erickson) durch die Konzeptualisierung eines veränderbaren Selbst. Im Zeitalter der Postmodeme sieht er den Menschen nicht als vorherbestimmt, sondern mit der Chance fiir neue Entwicklung- und vielfältige Kontaktmöglichkeiten ausgestattet. Individuen sind daher genötigt, in immer wieder neue (Teil)-Identitäten zu schlüpfen (vgl. Gergen 1995). Identitätsdiffusion wird als eine mögliche Reaktion auf diskrepante Erwartungen an Heranwachsende gesehen. Fehlende Anerkennung kann zu Konfliktverhalten fUhren, wie zu Machtdemonstrationen, mit denen Jugendliche versuchen, ihre soziale Unterlegenheit auszugleichen (vgl. Heitmeyer 2002). Andererseits zeichnen sich restriktive Tendenzen ab. Die Angst vor dem Verlust der kulturellen Identität stößt auf eine verbreitete Skepsis gegenüber Zuwanderung. So gibt es in 38 von 42 befragten Nationen große Mehrheiten, die eine Forderung nach einer restriktiveren Handhabung der Immigration unterstreichen (vgl. Boecker und Thränhardt 2003 ).

53

Parallel zu einer Identitätsdiffusion verschieben sich die Grenzen zum Anderen. Identität und Alterität, Abgrenzung und Nähe als sprachliche Konstruktionen sind Gegenstand aktueller Forschung z.B. von Frau Prof. Dr. Sabine Schwarze, Augsburg (vgl. Pistolesi, Schwarze, 2007). 2.6.3

Zur Übertragbarkeit der Identitätskonzepte

Im Folgenden möchte ich kritisch hinterfragen, ob die Ausbildung der Ich-Identität im Sinne Meads auf die Sozialisation von Kindern aus fremden Kulturkreisen übertragbar ist. Mead entwickelte seine Theorie fttr industrielle Gesellschaften und orientierte sich an Normen und Werten der Mittelschicht Schon aus diesem Grund ist seine Theorie nur bedingt übertragbar (vgl. Fthenakis u. a. 1985), denn es gibt andere Kulturen und Gesellschaften, die Gruppenkonzepte als hochrangiger erachten: 4 Die Identität des Einzelnen ist weniger gefragt, stattdessen wird die Identität als ein gemeinsames Merkmal einer Gruppe von Menschen gesehen (vgl. Chun 1983). Dies äußert sich nach Bosch auch in der Sprache, denn es gibt Kulturen, die über keine sprachliche Struktur verfttgen, die dem Begriff des "ich" vergleichbar ist, wie z.B. die altaische Sprachfamilie: "Die Ausdrücke filr "ich" und "mich" werden durch andere, wie etwa mein Sein, mein Wesen oder auch materieller als "mein Körper" ersetzt." (Bosch 1962, 68)

Diese "semantische Lücke" fttr den Terminus "ich", die nach Bosch auch in anderen Sprachen beobachtbar ist, muss natürlich nicht bedeuten, dass es bei den Sprechern dieser Sprachen keine Vorstellung von Individualität geben könne, da Sprache über sehr unterschiedliche Ausdrucksweisen verfügt, wie etwa die 'mein'-Struktur. So war es im Mittelalter Usus, das Selbst durch körperliche Metaphern, wie z.B. 'mein Arm' zu substituieren (vgl. Bloomfield 2001). In vielen japanischen Familien ist die Identifikation mit der Familiengruppe und mit der Tradition der Familie bedeutsam. Familiäre Strukturen gelten auch in der Wirtschaft; ausschlaggebend ist hier die Arbeit eines Teams fttr das Unternehmen als Ganzes. Auch in Südeuropa hat der Zusammenhalt der Familie Vorrang vor der individuellen Entfaltung des Einzelnen (vgl. Sassen 1984). Ob und inwieweit ein Mensch seine Identität "aushandeln" kann, ist in hohem Maße kultur- und schichtabhängig. In vielen Kulturen werden durch den Rang der Geburt Positionsrollen erzielt, die erheblichen Einfluss auf das Selbstkonzept haben dürften. Dabei spielt das Geschlecht eine bedeutende Rolle. Frauen und Mädchen in islamischen Gesellschaften orientieren sich in ihrer Lebensplanung durchgängig an anderen Aspekten als Frauen und Mädchen westlicher Industrienationen (vgl. Neumann 1981). Möglicherweise verstellt das Konstrukt der "Ich-Identität" in der sprachlich- kognitiven Bedeutung Meads wichtige Sichtweisen des menschlichen Zusammenlebens, wie z.B. Kooperation, Partnerschaft, Gruppenzusammenhalt oder Teamgeist. Es be4

Dass viele Deutsche im "Dritten Reich" ihre Identität dem ,.Volksinteresse", der "Volksmeinung" und dem "Volksempfinden" unterordneten, stellt eine schreckliche Pervertierung der Gruppenidentität dar und zeigt gleichzeitig mögliche Gefahren auf (vgl. Maas 1984).

54

steht die Gefahr, dass ein kulturabhängiges Verständnis der Ich-Entwicklung in ethnozentristischer Manier auf Menschen anderer Nationen oder anderer Bevölkerungsgruppen übertragen wird. 2.6.4

Mögliche Störungen der kindlichen Identitätsentwicklung im Zusammenhang der Migration

Kindem steht es in der Regel nicht frei, ihren Aufenthaltsort zu bestimmen. Ihre Chancen der Selbstentfaltung sind daher im hohen Maße von den Lebensvoraussetzungen ihrer Eltern abhängig. Viele Menschen sehen in der Migration die einzige Möglichkeit, sich vor Kriegsbedrohung oder Verfolgung zu retten, sich von Repressionen zu befreien oder ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Wenn der Elterngeneration dies gelingt, so kann eine gelungene Migration eine befreiende Wirkung haben und sich insgesamt günstig auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen auswirken: Man denke etwa an die Auswandererwellen der Europäer in die USA (vgl. van Stekelenburg 1991 ). Direkt oder indirekt verweisen viele Autoren auf die Bedeutung der Familie fiir die Ausbildung des Selbstkonzeptes. Nach Erickson kommt der Familie die Aufgabe zu, dem Kind durch die Kindheitskrisen zu helfen, in dem ihm die Familie einerseits genügend Sicherheit und Behütung und andererseits genügend Freiraum und Selbständigkeit gewährt. Wenn man wie Freud und Erickson davon ausgeht, dass die primären Erfahrungen von hoher Bedeutung fiir das Selbstkonzept eines Kindes sind, so ist es denkbar, dass Kinder auch trotz erschwerter Bedingungen infolge der Migration ein gutes Selbstkonzept entwickeln können. Es besteht jedoch eine sehr große Gefahr, dass die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Migration zu einer Destabilisierung der Familie fiihren, die sich mittelbar auf die Kinder auswirkt und diese in der Bewältigung ihrer Identitätstindung beeinträchtigt. Ch. Thomas hat am Beispiel spanischer Wanderarbeiter nachgewiesen, dass Arbeitslosigkeit und Binnenmigration bereits im Herkunftsland zu die Diffusion der familiären Strukturen fUhren kann (vgl. Thomas, Ch. 1988). Auch die Vorbereitung einerneuen Existenz kann eine Destabilisierung der Familie zur Folge haben, wenn etwa Kinder noch bei Freunden oder Verwandten im Ausgangsland bleiben müssen. Eine zeitweise Trennung der Eltern birgt die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Ehen in sich. Das Fehlen der Eltern in entscheidenden Lebensphasen kann zu einer erheblichen Verunsicherung fiihren. Wenn beide Elternteile berufstätig sein müssen, fiihrt dies häufig dazu, dass die Kinder über längere Zeit sich allein überlassen bleiben. Allerdings gibt es auch Hilfsangebote, wie z.B. die Aufuahme in eine Kindertageseinrichtungen. In meiner beruflichen Praxis habe ich erfahren, dass auf die besonderen Bedürfuisse von Migrantenkindern eingegangen wurde. Nach Freud besteht eine generelle Tendenz des Menschen, seine Kontakte unter seinesgleichen zu wählen, so dass die Gewähr einer gegenseitigen positiven Verstärkung gegeben ist und somit das Selbstkonzept nicht infrage gestellt wird. Die Diskrepanz zwischen Wert- und Normorientierungendes Gastlandes und der Herkunftskultur kann aber so groß sein, dass sie als bedrohlich erlebt wird. Durch die Verengung der Inter-

55 aktionunter ihres Gleichen kann es zu einer ,,Selektiven Interaktion" (vgl. Neubauer 1967) kommen, die zwar kurzfristig eine Entlastung darstellt, aber längerfristig durch die Einengung des Erfahrungsraumes zu Problemen fiihren kann. Dies kann zu einer Abkapselung fiihren, wie sie z.B. in hohem Maße bei muslimischen Mädchen geschieht. Durch eine Abschirmung werden diesen Mädchen viele Erfahrungen verwehrt, die sie zur Lebensbewältigung im Gastland benötigen (vgl. Sackmann 2005). Wie Brodmann am Beispiel des Suizidversuchs eines türkischen Mädchens gezeigt hat, können unbewältigte Konflikte sogar das Leben der Heranwachsenden gefiihrden (vgl. Brodmann 1988). In einer Anmerkung zu Brodmanns Aufsatz zeigen die Herausgeber anhand statistischer Angaben aus dem Rhein- Neckar- Kreis, dass die Suizidrate bei ausländischen Schülern dort etwa zehnmal so hoch ist wie bei der altersgleichen Gruppe deutscher Kinder und Jugendlicher. Die äußere Anpassung an die Lebensformen des Gastlandes bei gleichzeitigem Verharren an traditionellen Bräuchen und Ansichten fiihrt nach Gerhardt zu diskrepanten Erfahrungen, die zu Konflikten und Identitätsproblemen fiihren können ( vgl. Gerhardt 1992), wie etwa das Festhalten an. überkommenen Werten und Normen bei den deutschen Auswanderern in den USA im 19. Jahrhundert (vgl. Harzig 1992). Es besteht die Gefahr eines "clash ofcivilizations", jedoch fiihren die Unterschiede nicht zwangsläufig zu Konflikten, denn die Bildung einer Gruppenidentität muss nicht notwendigerweise exklusivistisch sein (vgl. Giesing 1999). Wenn die Ausbildung des Selbstkonzeptes eine hohe intellektuelle Anforderung ist, die von den Heranwachsenden eine Ausbalancierung von eigenen Wünschen und den Anforderungen der Gesellschaft erwartet, so gilt dies im besonderen Maß fiir mehrsprachige Kinder, die ihre Wünsche zwischen den Erwartungen unterschiedlicher Gesellschaftssysteme ausbalancieren müssen. Sowohl die Ausgangssprache als auch die Sprache des Gastlandes sind hierbei eine wichtige Hilfe (vgl. Quasthoff 1987). Damit der Heranwachsende ein Konzept seines Selbst bilden kann, ist ein hoher sprachlicher Abstraktionsgrad erforderlich, eine akademisch-kognitive Sprachfähigkeit, die eine Reflexion über selbstbezogene Vorstellungen ermöglicht. Deshalb ist fiir eine ausbalancierte Identitätsentwicklung dieJ~:Qr4~!J.l11g der Primärsprache auf"'~':V'>'H'."-••.~,.,.,.,..",_,.,,~.,..~'"-·-

67

4

Didaktik

4.1

Das Verhältnis von Didaktik und Diagnostik

Die Frage nach dem Primat von Didaktik oder Diagnostik wird kontrovers diskutiert. Schlee weist der Diagnostik eine dienende Funktion zu, denn nach seiner Auffassung liegen in der Didaktik die Möglichkeiten zur Veränderung, während Diagnostik diesen Prozess begleitet, ihn aber nicht anstößt (vgl. Schlee 2005). Dagegen spricht, dass Verfahren zur Erhebung diagnostischer Erkenntnisse auch "wachrütteln" können, wie dies etwa die deutsche Pisastudie gezeigt hat. Allerdings gab es auch Kritik an der Untersuchung (vgl. von Hentig 2003). Bei komplexen diagnostischen Fragestellungen scheuen sich Forscher, didaktische Folgerungen zu ziehen, zumal wenn die Ergebnisse uneindeutigen oder widersprüchlichen sind. Kinder in ihrem Hier - Sein und in ihrem So - Sein brauchen aber unmittelbar didaktische Entscheidungen. Didaktiker müssen daher oftmals vorläufige Entscheidungen treffen, die sie bei neuen diagnostischen Erkenntnissen ggf. revidieren müssen. 4.1.1

Diagnostik als Test- versus Förderdiagnostik

Diagnostik wurde in der Sonderpädagogik bis Ende der sechziger Jahre als Testdiagnostik propagiert und praktiziert. Im Rahmen der Einweisungsdiagnostik wurden normative Verfahren mit der Segregation in Sonderschulen in Verbindung gebracht. Diagnostik war lange Zeit defizitorientiert. So wurden die sprachlichen Leistungen der Kinder mit den Fähigkeiten von Erwachsenen verglichen. Demgegenüber stellte Kobi 1977 die Forderung nach einer Förderdiagnostik auf, die vielfältig aufgegriffen wurde. Mit dieser speziellen Diagnostik wollte man herauszufinden, welche besondern Voraussetzungen ein Kind mitbrachte und wie entsprechende Fördermaßnahmen abgeleitet werden konnten. 4.1.2

Optimierung der Diagnoseverfahren

Zu Beginn der neunziger Jahre wurde der Versuch unternommen, sowohl die Vorteile quantitativer als auch qualitativer Verfahren zu nutzen. Nach Jetter soll sich die Diagnostik am Leben orientieren. Zur Planung und Begleitung der pädagogisch-therapeutischen Arbeit wird die Diagnose auf das Kind in seiner Lebenswelt bezogen und kann daher niemals allein durch objektive Verfahren bestimmt werden (vgl. Jetter 1996). Qualitative Diagnostik kann Wissen um die Erkenntnis- und Erwerbsprozesse beisteuern. Sie erfasst sowohl individuelle als auch überindividuelle Entwicklungsprozessen, wie dies z. B. Clahsen fi1r den Erwerb der Grammatik vorgestellt hat. MüllerHeisrath setzte in Anlehnung an die Profilanalyse von Clahsen schon früh qualitative Untersuchungsmethoden im Spiel ein, denn sie folgerte, wenn Sprache handelnd erworben werde, sollte sie auch in Handlungszusammenhängen überprüft werden (vgl. Müller-Heisrath 1984). Diagnostik liefert damit Informationen, die helfen, didaktische Entscheidungen zu treffen, die auf der Stufe der nächsten Entwicklung liegen, damit Kinder die gestellten Anforderungen auch meistern können.

68

Heute gibt es in der Entwicklungspsychologie einen PerspektivwechseL Das Kind wird nicht länger als der unfertige Mensch gesehen, sondern in seinen Entwicklungspotentialen als 'kompetenter' Säugling mit hoher geistiger Flexibilität, Wissbegierde und schneller Auffassungsgabe. Sprachpsychologie und Sprachwissenschaft erforschen den begabten Embryo, der schon im Mutterleib die Intonation seiner LI erkennen kann (vgl. Siegier 2005). Die besondere Sprachbegabung des Kindes, die in der Fähigkeit besteht, alle Sprachen der Welt zu erwerben, wenn nur der entsprechende sprachliche Input bereitgestellt wird, findet zunehmend das Interesse der Entwicklungspsychologen und der Neurowissenschaftler. Entwicklung wird nicht mehr in Differenz zum Sollzustand gesehen, sondern als Prozess. Als Variablen für die Sprachentwicklung spielen viele Faktoren eine Rolle: neben der sprachlichen Begabung auch das Geschlecht und die mehr oder weniger starke Komplexität der zu erwerbenden Sprache sowie die sprachliche Zuwendung, wozu unbedingt auch das Zuhören gehört (vgl. Zellerhoff 2001 a). Mit der Erkenntnis, dass selbst bei eineiigen Zwillingen trotz identischen Erbgutes Unterschiede auftreten können, kommen auch epigenetische Aspekte wieder stärker in den Blick (vgl. Jablonka 1995). 4.1.3

Ineinandergreifen von Diagnostik und Didaktik

Prinzipiell kann nicht erwartet werden, dass sich die Wahl der didaktischen Mittel aus der Diagnose selbst ergibt. Dazu ist das Wissen um die Lernzugänge und Erkenntnisweisen von Kindem in ihrer je spezifischen Lebenswelt von großer Bedeutung. Diagnostik und Didaktik greifen in den systemischen Ansätzen ineinander. Das Kind wird in seiner gesamten Persönlichkeitsentwicklung gesehen, und seine Fähigkeit zur Eigenaktivität wird hervorhoben. Kretschmann möchte mit einer Förderungsdiagnostik eine individuelle Anpassung der Lernangebote oder der Interventionen ermöglichen. Dazu beachtet er die affektiven und motivationalen Einstellungen zum Lerngegenstand. Ferner werden der kognitive Stil, das Lernen und der Arbeitsstil beobachtet. Diagnostik erfiillt hierbei die Aufgabe einer prozessbegleitenden Beobachtung, bei der sowohl qualitative Verfahren als auch normierte Testverfahren eingesetzt werden (vgl. Kretschmann 1998). Bei den Überlegungen zum Therapieverlauf, wie sie z.B. von Knebel fiir die Einzeltherapie eines sprachentwicklungsverzögerten Kindes beschreibt, stehen didaktische Überlegungen im Vordergrund, sie greifen aber auf diagnostische Erkenntnisse zurück (vgl. von Knebel 2005). Der Didaktik stellt sich die Aufgabe, die exemplarischen Inhalte auszuwählen, die richtigen Zeitpunkte aufzuspüren und die geeigneten Methoden bereitzustellen. Die Diagnostik stellt die Lernvoraussetzungen und die verschiedenen Lernzuwächse zu den unterschiedlichen Bedingungen fest. Dabei bedient sie sich immer differenzierterer Methoden. Selbst hirnphysiologische Untersuchungen steuern wichtige Erkenntnisse bei. Häufig bestätigen sich dabei Erkenntnisse, fiir die es auf der Verhaltensebene schon seit vielen Jahren kongruente Beobachtungen gibt.

69

4.1.4

Zusammenfassung

Veränderungen, Perspektiven- und Paradigmenwechsel haben in Bezug auf Lern- und Erwerbsprozesse zu einer neuen Diagnostik geftihrt. Daten werden prozessorientiert erhoben. Nicht der Vergleich mit einem Standard ist ausschlaggebend, sondern die Entwicklungsdynamik, die prozessbegleitend zu beobachten ist. Bei den didaktiktischen Entscheidungen muss Raum für die Eigentätigkeit des Kindes und seine Autonomie geschaffen werden. Untersuchungen zur Entwicklung der Sprache haben viele differenzierte Teilergebnisse erbracht, die sich zu dem Konsens formen, dass von einer hohen Eigendynamik des Erwerbsprozesses auszugehen ist. Die Forschungsergebnisse werden differenziert betrachtet, weil sehr viele Wechselwirkungen bestehen. Trotz individueller Variationen zeigen sich jedoch auch universelle Muster, wie Romonath und auch Penner am Beispiel des Erwerbs phonologischer Prozesse aufgezeigt haben. "Dennoch unterstützen diese Resultate die Hypothese, dass die Sprachentwicklung trotz eines unterschiedlichen sprachlichen Inputs spezifische universelle Muster aufweist ... Die Ergebnisse stützen somit die zentrale Hypothese universalistischer Spracherwerbstheorien, dass in jeder Sprache der phonologische Spracherwerbsprozeß durch das Vorkommen von universellen Prinzipien determiniert ist." (Romonath 1993, 433)

Didaktische Fragestellungen können nicht warten, bis alle Wechselwirkungen erforscht sind. Auf der Basis der Forschungsergebnisse können aber erfahrungsoffene Lernsituationen gestaltet werden, die den heterogenen Fähigkeiten und Förderbedürfnissen der Kinder gerecht werden.

4.2

Didaktische Konzeptionen

4.2.1

Die bildungstheoretische Didaktik im Rahmen kritisch-konstruktiver Didaktik (Wolfgang Klafki)

Klafki fordert, dass Bildung als Recht für alle gelten soll - als Allgemeinbildung und nicht nur als Bildung für Eliten. Bildung soll die jungen Menschen beflihigen, sich mit den epochalen Fragen der Menschheit auseinanderzusetzen. Dabei geht es um weltumspannende Strukturprobleme unserer historischen Epoche. Klafki versteht Bildung als selbständig zu erarbeitenden und personal zu verantwortenden Zusammenhang der drei Grundfahigkeiten:

• • •

Fähigkeit zur Selbstbestimmung jedes Einzelnen Mitbestimmungsflihigkeit und Verantwortung ftir die Gestaltung der gemeinsamen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse Solidarität und Einsatz ftir Menschen, die unterprivilegiert sind (vgl. Klafki 1993).

Die Schüler an die "Schlüsselprobleme der modernen Welt" heranzufül:!!5(n,...~I~chtet

KfafiT~afsden-Rem-efner---1iitemauonäTei1.Erz~uli[]!!~.aer:t11SIEsco-·- Erzie-

hungsorganisation der Veremten Nationen. Die folgenden Schlüsselprobleme gelten nach seiner Ansicht als epochal: • •

Friedensfrage Umweltfrage

70 • • •

gesellschaftlich produzierte Ungleichheit Gefahren und Möglichkeiten der Kommunikationsmedien Ich-Du-Beziehungen (vgl. Klafki 1996)

Auch wenn alle typischen Strukturprobleme unserer historischen Epoche fiir diese Arbeit bedeutungsvoll sind, soll nur die dritte Frage, die im engeren Sinne fiir die Thematik dieser Arbeit relevant ist, weiter ausgeführt werden. In den Blick kommt das Schlüsselproblem des innerhalb unserer und anderer Gesellschaften produzierten Ungleichgewichtes: • • • • • •

"zwischen sozialen Klassen und Schichten zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen zwischen Menschen, die einen Arbeitsplatz haben und denen, filr die das nicht gilt zwischen Ausländern in Gastländern und der einheimischen Bevölkerung, aber auch zwischen verschiedenen Volksgruppen einer Nation: positiv lautet die Aufgabe: multikulturelle Erziehung gesellschaftlich produzierte Ungleichheit zum anderen geht es um die Ungleichheit in internationaler Perspektive, ... das Macht- und Wohlstands-Ungleichgewicht zwischen so genannten entwickelten und wenig entwickelten Ländern." (Klafki 1996, 59)

Für viele mehrsprachige Kinder unserer Gesellschaft sind gleich mehrere der hier aufgefiihrten Aspekte maßgeblich an ihrer Chancenungleichheit beteiligt. Im Sinne einer demokratischen, am Selbstbestimmungs- und Solidaritätsprinzip orientierten Bildungsauffassung hat das Thema exemplarische Bedeutung sowohl fiir 'Inländer' als auch fiir 'Ausländer'. Es bietet sich fiir die Planung des Unterrichts über einen größeren Zeitraum sowie über Fächergrenzen hinweg an. Gegenwartsbedeutung und Zukunftsbedeutung sind evident. Allerdings verfUgen Kinder der Primarstufe erst ansatzweise über die notwendige Perspektivenübemahme, um das Thema intellektuell zu reflektieren. Die Zugänglichkeit des Themas kann aber unter Beachtung der moralischen Entwicklung vorbereitet werden, indem auf der konventionellen Ebene moralisch und ethisch erwünschte Verhaltensweisen zur Orientierung an Recht und Ordnung eingeübt und eingewöhnt werden, wie z.B. die Absprache und Einhaltung von Klassen- oder Gesprächsregeln, von Verhaltensregeln im Sport etc. (vgl. Kohlberg 1998). Für mehrsprachige Kinder können diese Konventionen eine soziale Verständigungsgemeinschaft sicherstellen. Als Maßstab fiir ,,normales" Verhalten können die Regeln Schutz ihrer Integrität bedeuten (vgl. Mead 1968), wie z.B.: • • •

Jeder wird um seiner selbst willen geachtet, unabhängig vom Aussehen, von der Herkunft und dem Geschlecht. Niemand wir ausgegrenzt, weil er etwas nicht weiß, etwas nicht so gut kann oder weil er noch nicht die deutsche Sprache beherrscht. Alle Sprachen der Kinder werden geachtet, ihre Gebräuche, Sitten und Weltanschauungen werden toleriert. Ihre Feste werden in den Kanon der Schulfeiern aufgenommen.

Bevor die Schüler die kognitiven Stufen erreicht haben, auf denen sie beginnen, eine autonome Gewissensnorm zu entwickeln, können sie auf der "Mikro-Ebene" des schulischen Alltags Friedensbereitschaft, Toleranz und Verantwortungsbereitschaft einüben (vgl. Klafki und Koch-Priewe 2002).

71

Die anspruchsvollen Vorstellungen zur Vorbildfunktion von Lehrerinnen und Lehrern im Sinne Janusz Korczak.s wurden im Hinblick auf mehrsprachige Schüler erweitert. Lehrer setzen sie sich fiir ihre Schüler ein und zeigen ihnen gegenüber Achtung und Zuneigung (vgl. Beiner I J. Korczak. 2002). Sie sorgen fiir eine ruhige, freundliche und fröhliche Arbeitsatmosphäre und schaffen eine anregende Lernumgebung. Sie fordern die Kooperation der Schüler untereinander, trauen ihnen Aufgaben zu und ermutigen sie zu selbständigem und verantwortlichem Handeln. Sie lassen alle Kinder zu Wort kommen und geben ihnen einen Spielraum zur Selbstentfaltung und zur Darstellung ihrer kulturellen Besonderheiten. Sie sorgen fiir die Integration mehrsprachiger Kinder und nehmen sich Zeit, wenn diese besonderer Hilfe bedürfen. Lehrerinnen und Lehrer fordern im Team mit der Schulleitung ein von Solidarität getragenes Schulklima. Sie arbeiten mit Eltern zusammen und beraten sie ggf. in Kooperation mit psycho-sozialen Diensten. 4.2.2

Lebensweltorientierte Didaktik

Lebenswelt wird hier im alltagssprachlichen Sinne verstanden als Bezug auf die individuellen Lebenslagen der Kinder (vgl. Kracht 2000) und auf den Einbezug des Lebens in die Welt der Schule. Die Schülerinnen und Schüler sollen Probleme ihrer eigenen Lebenswelt einbringen und auch mit ihren eigenen Ressourcen zu lösen versuchen. Die Erziehungsziele entwickeln sich damit aktuell aus der lebensweltlichen Situation heraus (vgl. Kilpatrick, W. H. 1935). In der Auseinandersetzung mit dem Philosophen Husserl definieren Schütz und Luckmann: "Die Wissenschaften, die menschliches Handeln und Denken deuten und erklären wollen, müssen mit einer Beschreibung der Grundstrukturen der vorwissenschaftlichen, für den - in der natürlichen Einstellung verharrenden - Menschen selbstverständlichen Wirklichkeit beginnen. Diese Wirklichkeit ist die alltägliche Lebenswelt." (Schütz und Luckmann 1979, 25)

Welz und Reich fragen kritisch, ob es den Typ ursprünglicher und vortheoretischer menschlicher Orientierung, der dem objektiv-wissenschaftlichen Weltbegriff vorgeordnet ist, gibt (vgl. Welz 1996). Reich kritisiert an dieser Sichtweise, dass eine ungenügende Beobachtertheorie entwickelt wurde, allerdings weist Reich auf das sprachliche Dilemma hin, dass man auf der symbolischen Ebene nur etwas aussagen kann, wenn bereits etwas ausgesagt ist, denn "Ein Kind, das in unsere Welt hineingeboren wird, mag als Erfinder seiner Wirklichkeit erschei.; nen, aber dieser Schein ist trügerisch. Es kann erfinden, was es will, aber es wird nicht seine Muttersprache gänzlich neu erfinden, sondern überwiegend vorfinden." (Reich, K. 1998 a, Band 1, 198)

Reich akzeptiert diese Realität, die jedoch vom Subjekt zu dessen "Wirklichkeiten" gestaltet wird. Das bedeutet, dass die Lebenswelt unserer Schüler immer schon durch ihre Perspektive beeinflusst ist. Zur Aufgabe der Schulentwicklung gehört es, Per-..spektiven fiir demokratisches Lernen durch demokratische ßeteiligungsmöglichkeiten und durch 'die Etablierung wertreflektierenaerGemeinScijälten zu o~rfJYg[Schirp.

..

.

:too3")':·~-~-·-·····m- - [u]

Sehr gute Erfahrungen habe ich bei Wortfindungsstörungen mit Bewegungen gemacht. Marita wollte z.B. fiir das Modell unseres Spielhofprojektes eine Wippe bauen, fand aber nicht das passende Wort. Sie hatte aber ein subjektives Vorstellungsbild, das sie aufmeine Bitte hin in Bewegung umsetzte. Mit ausgestreckten Armen imitierte sie die Wippbewegungen und die anderen Kinder riefen ihr das Wort Wippe zu. So konnte sie ohne Gesichtsverlust das situativ nicht abrufbare Wort wieder aufgreifen. 7.3.3

Fächerübergreifende Aneignung von Semantik und Lexik

Das Thema Gesundheitserziehung wird im Laufe der Grundschulzeit im Sinne eines Spiralcurriculums erweitert. Eine gesunde ausgewogene Ernährung, zu der auch genügend Flüssigkeit gehört, ist eine wichtige Voraussetzung fiir das Lernen. Der kulturelle Aspekt des Essens sollte in multikulturellen Klassen beachtet werden, denn bei muslimischen oder bei jüdischen Kindem müssen bestimmte, religiös motivierte Nahrungs- und Zubereitungsvorschriften bedacht werden. Als Grunderfahrung sollten sich alle Kinder Wissen über die Zusammensetzung einer gesunden Ernährung aneignen. Dies geschieht auf der enaktiven Ebene durch das praktische Erproben von Speisen und Getränken. Die Kinder sollten im Laufe der Grundschulzeit die Bestandteile der Ernährung kennen lernen: Wasser, Eiweiß, Fett, Kohlehydrate, Ballaststoffe, Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente. In den ersten beiden Schulklassen können die Schülerinnen und Schüler im praktischen Tun an die Themen herangeführt werden. Hierzu bieten sich an: Mahlzeiten und Pausenbrot Die gesunde

129

Auswahl mit reichlich pflanzlichen, wenig tierischen und sparsam fettreichen Lebensmitteln können sie so konkret erfahren (vgl. Müller, M J. 2006). Das Thema "gesunde Ernährung" lässt sich mit dem Thema "Vom Wachsen der Pflanzen" verbinden. "Kresse ist gesund" ist ein dankbares Thema, weil die Sprossen binnen einer Schulwoche gesät und geerntet werden können. Kresse ist reich an Vitaminen und weist die Spurenelemente Eisen, Jod, Chrom und Phosphor auf. Sie enthält die Mineralstoffe Magnesium, Kalzium und Kalium sowie würziges Sentot (vgl. Bankhofer, 2006). Mit den Schülern meiner Eingangsklasse habe ich Kresse gesät, weil sie daran das Keimen aus der Kraft des Samens hervorragend beobachten konnten. Jedes Kind konnte auf einer Schale Kresse auf feuchter Watte aussäen, und dafiir sorgen, dass sie feucht blieb. Das Keimen konnte bereits am folgenden Tag mit einer Lupe beobachtet und anschließend dokumentiert werden. Bereits am vierten Tag konnten die Kinder die Kresse ernten. Da passte es gut, dass sie vom Schwimmen kamen und einen guten Appetit mitbrachten. Ich hatte den Tisch mit einer Stoffdecke und mit Servietten gedeckt, so dass unser gemeinsames zweites Frühstück gleichzeitig fiir die Kinder ein kleines Fest war, an das sie sich noch gern erinnerten. Frisches Brot mit frischer Butter, mit frischem Kressesamen bestreut, fanden alle Kinder sehr lecker. Die Kinder hatten gelernt, gemeinsam zu beginnen, was fiir den Zusammenhalt der Schülergruppe wichtig war. Kinder, die zu Hause häufig keine gemeinsamen Mahlzeiten mehr erleben, müssen manchmal Tischsitten erst erlernen. 14 Die folgenden Wörter wurden inhaltlich, aber nur die häufigen Wörter (Fettdruck) auch rechtschreiblich gesichert. Samen - säen - gießen trocken - nass - feucht Keimblätter - keimen - Wurzeln - wachsen Kresse - Vitamine - Kresse ist gesund Kresse schmeckt .... frisches Brot vom Bäcker - Butter guten Appetit! 7.3.4

Zur Arbeit mit dem Grundwortschatz

Der Wortschatz bildet sich im Laufe des Lebens aus. Augst geht von einem mengenmäßig großen passiven Wortschatz aus, der die Teilmengen des aktiven mündlichen und des aktiven schriftlichen Wortschatzes beinhaltet. Der Rechtschreibgrundwortschatz ist hiervon nur ein sehr kleiner Teil. Durch eine didaktische Reduktion wird die Zahl der zu erlernenden Wörter so eingegrenzt, dass der Grundwortschatz eine gesicherte Transferbasis fiir weitere Lernsituationen bietet (vgl. Augst 1989; vgl. ders. 1998). Nach Klafki ist ein wesentliches didaktisches Auswahlkriterium das Hier und Jetzt der Schüler. Deshalb sollten Wortschatzlisten ausgewählt werden, die sowohl 14 In Berlin wurde deshalb sogar in einem sozialen Brennpunkt ein Kinderestaurant eingerichtet, in dem Kinder auch die Esskultur anderer Länder auf einer kulinarischen Weltreise erleben können (vgl. Rundfunk Berlin-Erandenburg 2006).

130

gesprochene als auch geschriebene Kindersprache als Basis haben. Dies trifft auf den Wortschatz im Grundschulalter nach Pregel und Rickheit (1987) zu. Das Korpus wurde bereits vor über 20 Jahren erhoben und ist damit zum Teil veraltet. Eine wichtige Quelle fiir die Weiterentwicklung des Wortschatzes ist die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur. 7.3.5

Zusammenfassung:

Durch die Didaktisierung des semantischen Dreiecks wurde auf die positive Wechselwirkung des fächerübergreifenden Lemens im Sachunterricht hingewiesen. Die Auseinandersetzung mit konkreten Gegenständen ist :fiir die Konzeptualisierung von Semantik und Lexik sehr wichtig. Das didaktische Triangulieren stellt dabei eine Verstärkung der erworbenen Konzepte dar und kann im Bedarfsfall eine individuelle Lernunterstützung gewähren. Der Wortschatz kann sich so systematisch aufbauen, wobei ein Kriterium fiir seine Auswahl die Lebensbedeutsamkeit für die Heranwachsenden ist. 7.4

Fonetik und Phonologie

7.4.1.

Die Klanggestalt von Gedichten und Versen

Kniereiter und Ammenverse sollen Kinder beruhigen. Das "Heiapopeia" ist den meisten Kindem wohl aus der Kleinkinderzeit vertraut. Ich habe Clemens von Brentanos Gedicht "Wie so leise die Blätter wehen" gewählt (vgl. Freiburger Anthologie 2002; vgl. Gelberg, 2000), um die Schüler durch den Klang des Refrains: 'Gute Nacht heiapopeia singt Gockel und Gackeleia' mit dem Diphthong [ai] vertraut zu machen. Dichter malen mit den Klängen der Sprache. In den Versen von Rainer Maria Rilkes Gedicht "Zum Einschlafen zu sagen" liegt eine beruhigende Wirkung. "Ein schönes Gedicht erinnert mit seinem Rhythmus wohl auch an die Zeit, als wir vor unserer Geburt im Gehen und Arbeiten der Mutter geschaukelt, gewiegt und geschüttelt wurden und immer ihren Herzschlag und das Pulsieren ihres Blutes spürten." (Andresen, U. 1992, 12)

Reime können die Inhalte emotional verankern. Die Melodie der Verse erweitert das rhythmische Empfinden. Das Sprechen der Gedichte aber macht sie erst lebendig (vgl. Spinner 1999). Durch wiederholtes Sprechen prägt sich der Klang des Gedichtes schließlich ein. 7.4.2

Förderung der phonologischen Bewusstheit- Reimwörter

Das Reimen macht vielen Kindern Spaß, weil es die 'Funktionslust' des Sprechens fördert und einen spielerischen Umgang mit Sprache erlaubt. Es fUhrt in fiktionale Aspekte der Sprache ein und steigert die Freude am Fabulieren. Viele Kinder entdecken das Reimen schon früh und empfinden Lust bei der Produktion ganzer Perioden von 'Unsinnsreimen'. Dieses erste Reimen ist ein spielerisches Eingewöhnen in den Lautbestand einer Sprache und fördert implizit das phonologische Bewusstsein, denn im Reimen erfahren die Kinder, dass Wörter aus verschiedenen Lauten bestehen, die wie

131

Bausteine ausgetauscht werden können und dann Bedeutungen verändern. Bei sehr jungen Schülern sollten die Übungen zunächst durch konkrete Erfahrungen verankert sein (vgl. Affolter 1992). Dazu können die Schüler auf der enaktiven Ebene Gegenstände aus ihrer Erfahrungswelt, Spielzeug oder Dinge des täglichen Gebrauchs mit vielen Sinnen wahrnehmen um die Bezeichnung vorstellungsmäßig zu verankern. Zwei Kinder können dann die Gegenstände ihres Reimpaares manipulieren, wie z. B. "Die Kuh liegt im Schuh". Auf der ikonischen Ebene werden dann die Gegenstände durch Abbildungen repräsentiert, und schließlich können Kinder auf der abstrakten Ebene selbst aus einer Anzahl von vorgegebenen Wörtern das Reimwort finden, oder aus ihrem Wörtervorrat schöpfen. Diese Versschmiede kann kleine Limericks hervorbringen, die dann auch veröffentlicht werden können. Hierzu können alle Sprachen der Schüler beitragen 7.4.3

Cross- linguales Reimen

Reimen ist auch cross - lingual möglich. So haben Komponisten mehrsprachige Lieder verfasst. Johann Sebastian Bach hat seine Pastorale "In dulce jubilo" in lateinisch und Dt:et eh geschrieben, und Mozart hat sein deftiges "bona nox" gleich aus den Sprach Deutsch, Englisch, Französisch und Lateinisch komponiert (vgl. Bauer und M zart 2005). Mit diesen Beispielen können Schüler mit den klanglichen Ähnlichkeiten ihrer Sprachen vertraut werden, aber auch die Unterschiede bewusst wahrnehmen, was letztlich zu einem Sprachdifferenzbewusstsein fUhrt. Nach den Weltkriegen hat sich, ausgehend von Brasilien, eine polyglotte kosmopolitische Poesie entwickelt, die auch Einfluss auf die konkrete Poesie hatte (vgl. Garnringer 2000). 7 .4.4

Unterschiede in der lautlichen Realisation gespannter und ungespannter Vokale

In allen Sprachen gibt es neben den universellen Lautoppositionen spezifische distinktive Unterschiede. Es gibt Sprachen, die ein reich differenziertes konsonantisches Phonemsystem haben wie z.B. die slawischen Sprachen und wiederum andere, bei denen das Vokalsystem besonders differenziert ist. Deutsch gehört zur zweiten Gruppe, in der die gespannten gegenüber den ungespannten Vokalen Phonemcharakter haben (vgl. Hirschfeld 1998). Insbesondere sprachbehinderten Kindern mit phonologischen Schwierigkeiten gelingt die Unterscheidung dieser feinen Nuancen häufig nicht. Hier kann das Ertasten der Muskelspannung der Lippen und der vom Nervus fascialis innervierten Muskeln helfen, die Unterschiede über den taktil-kinästhetischen Kanal wahrzunehmen (vgl. Liberman u. a. 1967). Zusätzlich können mit einem Spiegel die unterschiedlichen Spannungsveränderungen der Lippenbewegungen beobachtet werden. Eine visuelle Hilfe ist außerdem eine Taschenlampe mit einem Morseschalter, der so lange anbleibt wie der Vokallaut zu hören ist. Dadurch werden zusätzlich die quantitativen Lautmerkmale bewusst gemacht.

132

7.4.5

Der Einfluss der Koartikulation auf die auditive Wahrnehmung dialektale Besonderheiten

Die Koartikulation verändert die Lautgestalt der umgebenden Laute entschieden. So kann der ungespannte (u]-Laut durch einen folgenden Rachenlaut wie z.B. das uvulare - [R] bei den Wörtern WURST oder DURCH soweit zurückverlagert werden, dass er von dem ungespannten [:>]-Laut kaum noch zu unterscheiden ist. Wegen der Differenzierungsschwierigkeiten schreiben die Kinder die Wörter häufig als* WORST oder *DORCH. Im Rheinland bestehen zusätzliche Probleme bei der Differenzierung der ungespannten Laute [u] und [::>], die im Ripuarischen zusammenfallen. So wird das Wort Blutwurst hier mit dem ungespannten offenen [:>]-Laut realisiert. Diese Aussprache hat außerdem eine Schibboleth- Funktion, um den "echten" Rheinländer zu erkennen. Zur rechtschreiblichen Sicherung sollten hochfrequente Wörter über den visuellen und schreibmotorischen Kanal gespeichert werden. Allgemein wird davon ausgegangen, dass es schwieriger sei, Laut~ unterscheiden, die nur in einem Aspekt, z.B. plus I minus voice differieren. Ich ha e jedoch gute Erfolge mit der Isolierung dieses distinktiven Merkmals gemacht, da h 'ufig die gesamte Reihe mit phonemischen Oppositionen betroffen war, also [b] und [p]; [d] und [t]; [g] und [k]; [v] und [f] sowie [z] und [s]. Nach meiner Erfahrung wird die Opposition der labialen Laute am ehesten beherrscht. Das kann daran liegen, dass die Bewegungen der Lippen kinästhetisch und visuell deutlicher wahrgenommen werden können, andererseits an der Tatsache, dass sich die aufgezählten Lautoppositionen in ihrer Auftretenshäufigkeit deutlich unterscheiden. Wie die Sprachwissenschaftlerin Ilse Schleyer, Universität Dortmund, recherchiert hat, kommen die Laute [g] und [k] nur in sehr wenigen Minimalpaaren vor, während die anderen Oppositionen schon mit den ersten "Kniereitem" erworben werden können. Auch wenn die expressive Sprache der Schüler keine Abweichungen mehr aufweist, zeigen sich auditiven Differenzierungsschwächen noch in den Spontanschreibungen der Schüler. 7.4.6

"Plätzchen backen, kann das therapeutisch sein?"

In deutschen Dialektgebieten wie im Hessischen und in Sächsischen gibt es gegenüber dem Hochdeutschen eine Nivellierung des Aspektes plus I minus Stimmhaftigkeit. Einer meiner Schüler, dessen Mutter aus Hessen stammte, zeigte diesbezügliche Schwierigkeiten. Im sprachtherapeutischen Unterricht konnte ihm der Unterschied handlungsorientiert nahe gebracht werden: Wir backten in der Weihnachtszeit Plätzchen und packten sie am folgenden Tag festlich ein. Bei dieser Aktion wurde zwischen Backpapier und Packpapier unterschieden Die Minimalpaare machten den Unterschied besonders deutlich:

Ferner kamen explizit eine Reihe von Zutaten und Gerätschaften mit den stimmhaften versus stimmlosen Plosiven [p] und [b] zum Einsatz wie Backblech, Backpulver, But-

133

ter, Paket, Pinsel, Plätzchen, Puderzucker etc., (bei Backblech wurde zunächst das anlautende [b] der zweiten Silbe stimmlos ausgesprochen (progressive Assimilation vgl. Heilmann 1978). Plätzchen backen kann also therapeutisch wirksam sein und zwar nicht nur im Hinblick auf die Förderung der auditiven Wahrnehmungsdifferenzierung. Lesen- und Schreibenlernen sowie die pragmatische Umsetzung von (Bild)-Rezepten im sozialen Miteinander (Kooperation, Rücksichtnahme etc.), das Ausstechen der Plätzchen besonders fiir Kinder mit visuellen Wahrnehmungsproblemen (Figur-Grund) etc. können je nach den Förderbedürfhissen fiir Einzelne oder fiir eine Gruppe von Kindem f6rderlich sein. Die Lautzeichen nach Kossow können bei auditiv wahrnehmungsgestörten Kindem die Analyse der Laute unterstützen (vgl. Niedersteberg 1987). Diese Zeichen werden schließlich so unauffällig gehandhabt, dass die Artikulationsstelle nur noch angedeutet werden muss, damit sich das Kind an die korrekte Lautung erinnert. Bei einem stimmlosen Plosiv wird durch eine minimale Bewegung, die von der Artikulationsstelle wegführt, an das Merkmal plus fortis erinnert. Schülern, die Schwierigkeiten haben, die Buchstaben und

visuell zu unterscheiden, habe ich mit einem Spiegel demonstriert, dass diese beiden kleinen Buchstaben zwar dieselbe Form haben, allerdings spiegelbildlich sind, 'eben auf dem Kopf stehen'. Je nach individuellen Differenzierungsschwierigkeiten bieten sich Übungen mit Minimalpaaren an. Wenn es dabei gelingt, Situationen wie oben beschrieben zu schaffen, in denen es auf den minimalen Unterschied in der Bedeutungserschließung ankommt, so wird die Aufinerksamkeit auf die Aneignung dieses distinktiven Merkmals gelenkt. Die verwendeten Minimalpaare sollten in etwa gleich häufig vorkommen und möglichst aus derselben grammatischen Kategorie stammen. Es bietet sich an, die Wörter aus Häufigkeitslisten zu wählen und in der Fördersituation noch einmal zu überprüfen, ob die Wortbeispiele den Kindern tatsächlich bekannt sind.

7.4. 7

"Drachen brauchen Liebe" - psycholinguistischer Sprachunterricht

Bei meiner ersten Eingangsklasse zeigte sich nach den ersten großen Ferien, dass vieles von dem, was vor den Ferien erarbeitet wurde, wieder vergessen war. Bei der Durchsicht freier Schriftproben, hatten einige Kinder das Phonogramm fiir den ach-Laut [x] ausgelassen oder durch dem Buchstaben realisiert. Letzteres lässt sich aus der lautlichen Ähnlichkeit des Rachen-[R] mit dem [x] -Laut erklären. Für eine Reihe psycholinguistischer Übungen wählte ich als ,,Aufhänger" eine ironische Geschiphte aus: ,,Drachen brauchen Liebe". Im Kunstunterricht wurde das Thema mit der Gestaltung eines Feuer speienden Fabelwesens aufgegriffen. Im Folgenden gebe ich eine Übersicht über die psycholinguistischen Perspektiven:

134







Auditive Rezeption:

- Hören des Textes (vgl. Anl. 3 a) - Identifizieren von Realität und Fiktion - Rezipieren des Textes aus verschiedenen Blickwinkeln - Beantworten von Fragen zum Text

Auditives Assoziieren:

-Vermutung über den Fortgang der Geschichte - Nachdenken über Ursache und Wirkung - Assoziieren von Situationen, Reaktionen und Gefühlen - Ausdenken eines phantastischen Schlusses -Spielerische Veränderung durch Lautvertauschung (Rebus) -Identifizieren der Lautfolge in Wörtern

Visuelles Assoziieren:

- Sprachspiel mit den Buchstabenfolgen und in Wörtern - Sterbahnträume (Hans Manz)- Spiel mit verschlüsselten Wörtern -Spielerische Veränderung durch Lautvertauschung (Rebus) \ - Additum: "Ziffernwörter" entschlüsseln und weitere Beispiel suchen, z.B.: lam, 2fel, Run3se, etc. (vgl. Anlage 4 b)

Busch und Giles geben sehr viele Hinweise zu den einzelnen Bereichen (vgl. Giles und Bush 1982), die m. E. jedoch in einen sinnvollen Kontext eingebettet werden sollten. Um aktuelles Wortmaterial fiir adäquate Übungen zu erhalten, habe ich den Wortschatz nach Pregel und Rickheit (vgl. Anlage 4 c) und das Buch "Der Sonnenftesser" von Paulsen nach Wörtern mit der Laut- und Buchstabenfolge [ax], ohne [aks] untersucht (vgl. Anlage 4 d). 7 .4.8

Zusammenfassung:

Gedichte malen mit dem Klang der Sprache. Die Funktionslust der Schüler wird durch Reimen und Verseschmieden gefördert. Durch den spielerischen Umgang erhalten die Schüler einen Einblick in die Struktur der Schrift (vgl. Wehr, 2001). Besondere Schwierigkeiten, die sich aus der Divergenz zu den Ausgangssprachen der Kinder ergeben, können durch gezielte Übungen behoben werden. Die auditive Differenzierung lautlicher Oppositionen, kann durch weitere Sinneskanäle unterstützt werden, besonders, wenn diese in den Primärsprachen oder Dialekten der Schüler nicht angelegt sind. Zur Unterscheidung der Vokallänge wurde als Hilfe die Morsefunktion einer Taschenlampe vorgeschlagen. Hier wurde beispielhaft die Unterscheidung von ähnlichen Lauten mit Hilfe von Minimalpaaren im Rahmen eines handlungsorientierten Sachunterrichts gezeigt. Für die Differenzierung ähnlicher Rachenlaute wurde Arbeitsmaterial fiir die Freiarbeit vorgestellt.

135

7.5

Syntax und Morphologie Sergio L. Amado Monroy Deutsche Grammatik Ich arbeite, du schuftest, er verdient. (in: Ackermann, 1992, 85)

Dass die Beherrschung der deutschen Grammatik noch keine hinreichende Bedingung fUr gerechte Bildungschancen ist, bestätigt sich auch in dem aktuellen Bericht der Bund-Länder-Kommission (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006). 7.5.1

Verbzweitstellung im deutschen Hauptsatz und Verbklammer

Erst wenn das Kind (in der Regel mit drei Jahren) das Formativ I-st/ fiir die zweite Person Singular beherrscht, hat es das gesamte Paradigma der Verbflexion erworben, das eine Voraussetzung fiir die Verbzweitstellung im Aussagesatz des Deutschen ist. Die Übersicht in Weinrieb (1993) sagt zwar etwas über die Hierarchisierung der Verbklammem aus, nicht jedoch über die Häufigkeit ihrer Verwendung. Ich habe daher anhand des preisgekrönten Kinder-Sachbuches ,,Der Sonnenfresser" von Susanne Paulsen untersucht, wie sich die unterschiedlichen Verbklammern verteilen (vgl. Anlage 2). Analysiert wurden Hauptsätze auf neun gleichmäßig verteilten Textseiten. Dabei wurden 52 Hauptsätze mit Verbklammem gefunden, die wie folgt aufgeschlüsselt sind: 16 Kopulaklammern 12 Lexikalklammern 12 Modalklammern 9 Perfektklammern 2 Passivklammern I Modalklammern mit inkorporierter Lexikalklammer Frau Paulsen hat den sehr komplexen Inhalt über die Entwicklung des Pflanzenwachstums verständlich dargestellt. Ihr Verzicht auf Verschachtelungen erleichtert das Textverständnis. In den untersuchten neun Seiten gab es nur eine inkorporierte Klammer. Die große Zahl der Kopulaklammern hängt offensichtlich mit dem Thema des Buches zusammen, in dem naturwissenschaftliche Fakten erklärt werden. In der Sprachheilpädagogik gibt es entwicklungsproximale Ansätze, um die Satzstrukturen des Deutschen zu evozieren (vgl. Danneubauer 2003). Sie orientieren sich inhaltlich und methodisch an den Bedingungen des regulären Spracherwerbs. Dabei werden systematisch Modellierungstechniken verwendet, die an die Fähigkeiten der Kinder anknüpfen. Ein Kind mit grammatischen Entwicklungsstörungen (Entwicklungsdysphasie) wird in der Rolle des aktiven Lerners gesehen. Wegen geringer Verarbeitungskapazitäten benötigen dysphasische Kinder aber einen absichtsvoll organisierten Sprachlemprozess, um die erschwerten Bedingungen zu kompensieren. Damit sich entwicklungsdysphasische Kinder die sprachlichen Regeln erschließen können,

136

bedürfen sie einer Lenkung der Aufmerksamkeit. Die Expansionen sollen stets in der Zone der nächsten Entwicklung erfolgen. Die absichtsvolle Organisation der "inszenierten" Sprachlernprozesse wird systematisch herbeigeflihrt. Imitationen und ModelIierungen sollen helfen, die Regeln, die sich das Kind erschlossen hat, zu verinnerlichen. Die Therapeutin oder der Therapeut sind das Modell, das die Zielstruktur durch erhöhte Frequenz, Intensität und Rekurrenz vorgibt (Modelling). Dabei werden kindliche Äußerungen im Hinblick auf die Zielstruktur vervollständigt sowie durch Umformung der Äußerungen und korrigierendes Feedback expandiert und der Zielstruktur angenähert. Methodisch wird angestrebt, die sprachliche Zielstruktur in natürliche Situationen einzubetten, die Angebote offen zu gestalten und dabei die Eigeninitiative des Kindes zu stärken. Auf den Unterricht mit mehrsprachigen Kindern sind einige Elemente übertragbar: • • • •

Beachtung der Struktur des regulären Spracherwerbs, strukturiertes Sprachvorbild des Lehrers, Passung des Sprachangebots an die Zone der nächsten En~wicklung, Interventionen zur Lenkung der Aufmerksamkeit sowie \unter bestimmten Voraussetzungen korrektives Feedback, • Rahmung eines motivierenden, erfahrungsoffenen und handlungsorientierten Unterrichts, • Interdependenz von Inhalt, Struktur und Methode. In Einzel- oder Kleingruppensituation sollte es Kindern möglich sein, ein korrigierendes Feedback anzunehmen, vorausgesetzt, dass es behutsam gegeben wird und das Kind nicht desavouiert. Intensität und Rekurrenz nehmen in Kleingruppen zu, da sich die Redezeit um den Faktor der Gruppenanzahl erhöht. Matsch hat auf der Basis der entwicklungsproximalen Therapie einen sehr stringenten und strukturierten Therapieaufbau entwickelt, mit dem er durch sehr spezifische Übungen die jeweils .kürzeste Zielstruktur erreichen möchte, auf die er dann stufenweise aufbauen kann. Der Aufbau ist zieladäquat und auch flir die Unterweisung mehrsprachiger Kinder prinzipiell geeignet, muss aber individuell auf die Lernbedürfnisse abgestimmt werden. Hier soll zunächst die Aneignung der Verbstellung des Deutschen in der Schrittfolge nach Matsch kurz skizziert werden. Die Terminologie Weinrichs habe ich in Klammern hinzugefligt: • • • •

Wechselnde Subjekt- und Objekttopikalisierung Aufspaltung von Präfixverben (Lexikalklammer) Erzählform des Perfekts mit Auxiliar und Partizip (Perfektklammer) Modalverben mit infinitem Vollverb (Modalklammer) (vgl. Motsch, H. - J. 2004).

Nach meiner Analyse des Sachjugendbuches "Sonnenfresser" von Paulsen möchte ich die Liste um geplante Aktionen ergänzen: •

Definitionen, Beschreibungen (Kopulaklammer) Von einer Handlung betroffen sein (Passivklammer).

137

7.5.1.1

Topikalisierung

Anstelle der wechselnden Objekt- oder Subjekt-Topikalisierung (vgl. Motsch, H.-J. 2004) bevorzuge ich eine Topikalisierung der Adverbiale, die nach Clahsen (vgl. 1986) bereits sehr früh auf der zweiten Stufe seines Spracherwerbprofils erworben werden. Als Varianz bieten sich häufige Zeitadverbiale an, die den Ablauf des Unterrichtstages strukturieren (vgl. Timmermann 2000). Um das Formativ I-st/ zu sichern, können die Kinder auch einzeln in der zweiten Person Singular angesprochen werden. In freien Lernarrangements entscheiden sich Kinder definitiv für eine Zahl von Angeboten und für die Reihenfolge der Bearbeitung und verbalisieren ihr Vorhaben: Zuerst male ich, danach spiele ich, etc .. Die Topikalisierung der Adverbials kann jedoch Kindern, die mit diesbezüglich freien sprachlichen Regularien in ihrer Primärsprache aufgewachsen sind, Probleme bereiten. Hier helfen Symbole für die Satzanalyse nach Montessori, ein roter Kreis für das Verb, der bei den Präfixverben zerschnitten wird. Motsch "personalisiert" die Satzteile, indem er den Kindem Konstituenten in schriftlicher Form zuteilt. Das Verb wird als bewegungsfaul dargestellt, weshalb sich der Darsteller des Verbs auf einem Stuhl räkeln darf, während sich die Kinder mit den Satzgliedern um das Verb bewegen (vgl. Motsch, H.-J. 2004). Angesichts der Tatsache, dass z. B. die Verben in den Verbklammem getrennt werden und bei verschachtelten Verbklammem zusätzlich komprimiert und umgestellt werden müssen (vgl. Weinrieb 1993) würde ich allerdings nicht vom "faulen Verb" sprechen. Im. Folgenden wird die Anwendung der Verbklammer im Unterricht gezeigt. 7.5.1.2

Lexikalklammer

Grammatikmaschinen oder Grammatikroboter wie sie in vielen Sprachbüchern zu finden sind, erhalten Anweisungen zur Reduktion der Verben auf ihre Stammform. Ein Speicher gibt dann eine Auswahl von Präfixen vor, die den Sinn der Verben verändern, wiez.B. abaufdurchherbeihereinherausherunterhinaufüber-

hüpfen laufen klettern kriechen spriJ!Ken

Nach Weinrich, der für eine Grammatik mit Augen und Ohren, mit Händen und FUßen plädiert, sollen die Präpositionalphrasen sinnenfällig verankert werden (vgl. Weinrieb 1976,). Idealerweise lässt sich die Lexikalklammer im Sportunterricht realisieren. Bewegungslandschaften eignen sich besonders, die Trennung der Präfixverben konkret

138

zu erfahren. Die Freude der Kinder an der Bewegung kann helfen, das neue Sprachmuster emotional zu verankern, z.B.: "Du kletterst die Sprossenwand hinauf. Jan kriecht zuerst durch die Röhre. Jule springtjetzt über den Bock." etc.

Wenn zwei Klassengruppen kooperieren, so kann ein Lehrer Aufsicht führen und der andere seine volle Aufmerksamkeit auf die sprachliche Lehr-Lernsituation lenken. Um möglichen Fehlerquellen vorzubeugem, sollte beachtet werden, dass Präpositionen in unterschiedlichen Sprachen unterschiedliche Fälle nach sich ziehen. 7.5.1.3

Kopulaklammern und weitere Satzklammern

Als zweiten Rahmen möchte ich die Kopulaklammer einführen. Diese Klammer ist fiir den Sachunterricht unentbehrlich, weil Definitionen nicht ohne sie auskommen, z.B.: Das Blatt ist herzförmig. Der Blattrand ist gesägt. Es ist sicher ein Birkenblatt etc.

r

Im Anschluss an diese Übungen bietet sich die Passivklammer an, die idealerweise auch im Sachunterricht eingeführt wird; so können z.B. unterschiedliche Blätter der heimischen Laubbäume für eine Ausstellung vorbereitet werden. 1. Die Blätter werden zuerst gesammelt. 2. Dann werden sie sortiert. 3. Danach werden sie gewaschen. 4. Schließlich werden sie gepresst. 5. Sie werden auf Plakate aufgeklebt. 6. Zum Schluss werden sie beschriftet. Die Pressen lassen sich im Rahmen der Holzbearbeitung sehr gut selbst herstellen. Dazu benötigt man Flügelschrauben und Unterlegscheiben. Die Bezeichnungen könnten wiederum als Beispielwörter für Komposita dienen (vgl. 7.5.2.2). 7.5.2.

Artikelzuordnung im Deutschen

Da die Genuszuordnung im Deutschen nur zum geringen Teil regelgeleitet ist, sollte vorsorglich der Artikel im Unterricht gemeinsam mit den neu erworbenen Lemmata verankert werden. Dies sollte auch für die Konzeption von Sprachbüchern und Förderprogrammen gelten. In Materialien des Landesinstituts NRW wurde die Regel der Genuszuordnung zwar benannt, in den Beispielwörtern wurden die Artikel jedoch ausgelassen (vgl. Landesinstitut 2001 b). Dennoch vertrete ich die Auffassung, dass Kinder die Chance haben sollten, Regeln, die eindeutig sind, zu erkennen und anzuwenden. Eindeutige Regeln können im Unterricht bewusst gemacht und als solche auch formuliert werden. Selbst Tendenzen der Genusmarkierung können intuitiv erfasst werden. Ein rückläufiges Wörterbuch

139

erleichtert das Auffinden von Wortbeispielen. Dies könnte besonders polnisch sprechenden Kindern eine Hilfe sein, die es ja gewohnt sind, die Genusmarkierung nach fonetischen Aspekten vorzunehmen. Insofern vertrete ich eine andere Auffassung als H.- J. Motsch, der es als plausibel erachtet, dass die Kinder keine Pluralbildungsregeln erwerben (vgl. Motsch, H.-J. 2004). Wenn Zydatiß bemängelt, dass man glaube, beim Frühbeginn des Zweitsprachenlemens die materielle Substanz der Sprache, das WAS des Strukturenerwerbs, negieren zu können (vgl. Zydatiß 2002), so möchte ich ergänzen, dass sowohl das WAS als auch das WIE wichtig sind. Im Folgenden plädiere ich dafiir, dass sowohl fiir mehrsprachige als auch fiir einsprachig mit Deutsch aufgewachsene Kinder die Beachtung der konventionellen Aspekte des Artikelerwerbs genutzt werden soll. Meine Vorgehensweise möchte ich besonders flir slawisch sprechende Kinder als ein alternatives Lernangebot empfehlen. 7.5.2.1 Artikelzuordnung mit Hilfe eines Bild-Wort-Schatzes Im Laufe der Spracharbeit, die eng mit dem Sachunterricht verknüpft war, entstand ein Bild-Wortregister, bei dem auf der Vorderseite einer Korrespondenzkarte ein Bild gemalt war und auf der Rückseite das entsprechende Wort mit dem entsprechenden bestimmten Artikel. Die Artikel waren farbig markiert: Femina rot, Maskulina blau und Neutra grün. Außerdem gab es Karten in Form von Häusern in den entsprechenden Farben, die zusätzlich noch taktil durch die Position der Schornsteine zu unterscheiden waren: Feminina rechts, Maskulina links und Neutra mittig. Kinder, die Schwierigkeiten mit der Artikelzuordnung hatten, konnten die Artikel-Häuser auslegen, dann die Karten mischen und den entsprechenden Häusern zuordnen. Bei Unsicherheit konnten sie die Karten umdrehen, zum Schluss konnten sie ihre Wahl selbst kontrollieren. Die Zuordnung der Neutra war erwartungsgemäß die schwierigste. Wenn ein Kind alle Zuordnungen korrekt beherrschte, beobachtete ich häufig ein "Überlemen", eine gewisse Funktionslust, das Erlernte noch ein- oder zweimal auszufiihren. Ich ließ mir dann von den Kindem ihr Können zeigen und trug es in einen Pensenbogen ein (nach Montessori). Das Betrachten der Formen, z.B. der Vergleich aller auslautenden , erbrachte erste Hinweise auf Regularien der Genuszuordnung. Die Pluralformen wurden mit entsprechenden Dubletten gebildet. Hier fand ich in Zeitschriften witzige Zeichnungen, die ich als Schwarze-Peter-Spiele gestaltete, Gleichzeitig waren vorausschauend im Hinblick auf die Auslautverhärtung die entsprechenden Buchstaben hervorgehoben wie z.B. . Die Kartenspiele waren systematisch nach Schwierigkeitsstufen aufgebaut. Fächerübergreifend arbeiteten wir im Kunstunterricht mit Duplikationsverfahren (Materialdrucke, Frottagen), mit denen dann ebenfalls Pluralformen evoziert werden konnten, z.B. zum Thema "Blumenwiese mit Schmetterlingen". Beobachtete ich bei Schülern besondere Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Artikel, so nutzte ich das Lottospiel "Wörterschlange" der Firma Ravensburger Spiele, das sich hervorragend zur Differenzialdiagnose eignete, da alle möglichen Pluralformen des Deutschen mehrfach genannt werden müssen (vgl. Wörterschlange. o J .) .

140 7.5.2.2

Artikelformen bei Komposita

Die Bildung zusammengesetzter Nomen ist Teil der Wortschatzarbeit Die vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten, die das Deutsche in diesem Aspekt bietet, sind außerordentlich zahlreich und so in keiner anderen Sprache zu finden (vgl. Motsch, W. 2004). Bei der Artikelzuordnung von zusammengesetzten Nomen muss das Grundwort besonders beachtet werden. Diese Aufgabe kann durch das Kategorisieren unterschiedlicher Objektbereiche unterstützt werden, wie ich es fiir die Differenzierung von Spielzeug und Werkzeug im technischen Sachunterricht gezeigt habe (vgl. Zellerhoff 2002). Weitere Übungsmöglichkeiten bieten die Bereiche HauswirtsQhaft, in der Lebensmittel wie z.B. Obst und Gemüse kategorisiert werden können. Hier können Kinder neben der sachlich-fachlichen Information auch sprachliche Folgerungen schließen: Alle Wörter, die mit dem Morphem I-beere/ enden sind feminin, die auf I-kohl/ enden sind maskulin. Der Artikel wechselt also mit dem Grundwort. 7.5.3

Zusammenfassung

Sprachunterricht in allen Fächern kann als Unterrichtsprinzip die sprachlichen Formen verankern, wie hier exemplarisch am Unterrichtsbeispielen des Sachunterrichts sowie des Sport- und Kunstunterrichts gezeigt wurde (vgl. Knapp 2003). Mit dem Bildwortschatz wurde ein Medium vorgestellt, das die eigenaktive Auseinandersetzung mit dem Genus erlaubt. Es wurden Alleignungsformen aus dem sprachtherapeutischen Setting auf ihre Übertragbarkeit überprüft, in Teilen in Frage gestellt und für die Arbeit mit mehrsprachigen Kindern adaptiert. 7.6

Pragmatik

7.6.1

" ... ganz unwichtig zu sein, wenn die Dinge sprechen"

In allen Schulen, auch in Schulen für Schüler mit dem F örderbedarf psychische und emotionale Entwicklung, habe ich erfahren, dass Kinder ganz konzentriert und aufmerksam werden, wenn sie mit spannenden Dingen zu tun haben oder wenn ihnen faszinierende Lebewesen begegnen. Hans Krieger, der jedem seiner Schüler einen Ton seines Flügels zugedacht hatte, erlebte ein freudiges Gewahrwerden und Ergriffensein, wenn er diesen Ton allein durch das Mitschwingen einer anderen Saite anklingen ließ. "Und ich habe ein wenig davon erspürt, wie wichtig es für den Lehrer sein mag, ganz unwichtig zu sein, wenn die Dinge sprechen." (Krieger 2000, 166)

In meiner Arbeit als Fachleiterin habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Kinder sich sehr intensiv und aufinerksam einer Sache zuwenden können. Wenn Lehramtsanwärter noch etwas zu sagen vergessen hatten, was nach ihrer Meinung 'ganz, ganz wichtig' war, dann war dieser Zauber oft gebrochen. Ich habe den jungen Kollegen deshalb geraten, sich leise zu den Kindem zu begeben und darauf zu vertrauen, dass diese ihnen in einer Gedanken-, Lese- oder Gesprächspause ihr Ohr leihen. Diese Fokussierung der Aufmerksamkeit kann auch durch den so genannten Nikolaus-Effekt hervorgerufen werden, bei dem etwas Verdecktes zum Vorschein kommt. Ich habe

141

sogar erlebt, dass der Hausmeister involviert wurde, um mit einem Überraschungspaket in der Tür zu stehen. In den Unterrichtsbesuchen machten die Kinder das Spiel zwar liebenswürdigerweise mit, aber fast immer gab es einen Realisten unter ihnen, der mir nebenbei zu versehen gab, dass er den 'Zirkus' durchschaue. Von einer solchermaßen inszenierten Motivation habe ich abgeraten, denn, "Wer über Motivierung nachdenkt, hat schon den Schiller als Objekt vor sich, statt ihn als Agenten seines Lemens zu begreifen." (Narr 2002, 259)

Nach meiner Erfahrung bedarf die Begegnung mit realen Sachen, mit Pflanzen und Tieren keiner inszenierten Motivation (vgl. Stark und Mandl 2000). Umgekehrt kann es sinnvoll sein, diese starken Impulse zu reduzieren, wenn man die Aufinerksamkeit der Kinder auf andere Aspekte lenken will. 7.6.2

"Rund um den Biggesee"- Sprache als Handlung erfahren

Fächerübergreifende Themen aus dem Fach Sprache und dem Lernbereich Sachunterricht bieten sich fiir die Arbeit in Projekten an. Um die Autonomie der Schüler zu fördern und ihren Handlungsraum zu erweitern, gab ich meinen Schülern die Chance, im Rahmen eines Projektes selbst aktiv zu werden (vgl. Gudjons 2004). Eine aktuelle Projektidee wurde aus dem Bedürfnis meiner Schüler heraus geboren, mehr von ihrem eigenen Bundesland zu erfahren. Erst wenige Kinder waren in Nordrhein-Westfalen unterwegs gewesen. Im Sachunterrichtsbuch gab es eine NRW-Karte und ein Kapitel über den Erholungswert des Waldes sowie den Plan eines Campingplatzesam Biggesee. Die Jugendherberge Olpe war das Ziel unserer Abschiedsfahrt, was die Schüler motivierte, mehr über die Region zu erfahren. Ein Handlungsrahmen mit den wesentlichen Konstituenten eines Projektes war gegeben: • • • •

Das Projekt geht von der Interessenslage der Schüler aus. Schulische und außerschulische Lebenswelt werden miteinander verbunden. Die Schüler planen gemeinsam mit dem Lehrer den Unterricht; dabei lernen sie das eigene Planen im Vollzug ihres Tuns. Das Handeln ist zielgerichtet, am Ende steht ein Produkt oder Werk mit Emstfallcharakter. Die Teilnehmer stehen durch gemeinschaftliches Handeln diskursiv in Beziehung (vgl. Suin de Boutemard 1975).

Die Bedürfnisermittlung und Zieltindung fand in einem Kreisgespräch statt. Der Projektanlass lag im Interesse der Schülerinnen und Schüler. Um in der Situationsanalyse die zu erwartenden Anforderungen des Projekts mit den Fähigkeiten der Schüler zu vergleichen, evozierte ich zunächst ihre Vorerfahrungen an Hand einer Karte von NRW, die ich in den Mittelpunkt des Gesprächskreises legte. Einige Schüler hatten zu bestimmten Orten eine emotionale Beziehung und berichten über eine Rundfahrt durch den Duisburger Hafen oder erinnerten sich an unsere Fahrt mit der Schwebebahn in den Wuppertaler Zoo. Ein Mädchen entdeckte den Kahlen Asten, auf dem es schon einmal mit seinen Eltern zum Rodeln war und der viele Höhenringe aufwies, was die Schüler an ein Kartoffelmodell erinnerte, mit dem sie in das Kartenlesen eingefllhrt worden waren. Schließlich fanden die Kinder auch den Biggesee. Nach einem intensiven Austausch wurde das Projektziel festgelegt: Die Kinder schlugen vor, ein

142

Strategiespiel zu NRW zu entwickeln. Angesichts der geringen Schülerzahl legten sie sich auf die Region rund um den Biggesee fest. Als Projektziel wurde festgelegt, ein spannendes Spiel zu entwickeln, dass Informationen zum See und zu den Städten und Orten am Biggesee bieten sollte, die vor allem das Interesse von Kindem weckten. Die Teilziele wollten sich die Kinder individuell stellen, sobald sie entsprechendes Material gesichtet hatten. Also war unser gemeinsames Ziel: "Rund um den Biggesee: ein spannendes Spiel für Kinder" Als Arbeitsziel einigten wir uns darauf, zunächst Informationen zu besorgen. Die Kinder beschlossen, Informationen über die gewählten Orte, die Atta~Höhle und den Staudamm einzuholen. Ich bot an, eine Bücherkiste zum Thema auszuleihen, denn auch innerhalb eines Projektes sind die Lehrenden verantwortlich und müssen ihren qualifikationsbedingten Vorsprung zur Verfügung stellen, soweit ihn die Kinder brauchen (vgl. Bastian und Combe 2004). Die Durchführung begann mit der Planung eines Schreibens, in dem die Kinder ihre Bitte um Information vorbra9Uen. Einige Kinder orientierten sich an einem Anschreiben, das wir zuletzt im Ranmen unseres Projekts "Müllbeseitigung" an ein Abfuhrunternehmen geschrieben hatten. Ihre Fragen wurden an der Tafel gesammelt: Was ist in Ihrer Stadt (am Staudamm) (in der Höhle) für Kinder besonders spannend? Gibt es einen Stadt-(Plan) mit besonderen Informationen für Kinder? Mit einem offiziellen Schreiben wollte ich den "Emstfallcharakter" der "Kinderarbeit" unterstützten. Es half jedoch wenig, denn die beiden Städte schickten zwar Informationsmaterial, die speziellen Fragen der Kinder blieben aber unbeantwortet. Wie ich auf Nachfrage erfuhr, gab es damals keine speziellen Informationen für Kinder. Hingegen waren die Angaben der Staudammbetreiber zum Dammbau und zur Energiegewinnung didaktisch sehr gut aufgearbeitet. Die Kinder entschieden sich dafür zusammenzuarbeiten. Sie bildeten vier Gruppen: eine Olpe-Gruppe, die auch Waldwege zur Jugendherberge erkunden wollte, eine Seegruppe, die sich mit Sondern, einem versunkenen Dorf beschäftigten wollte, eine Staudammgruppe und eine AUendom-Gruppe, der es vor allem um die Höhle ging. Bei der Erarbeitung lernten die Schüler, sich etwas zuzutrauen, ihre Leistungsfähigkeit autonom einzuschätzen, übernommene Aufgaben verlässlich auszuführen und einander bei der Auswertung und Darstellung der Informationen zu helfen. Wir hatten die Ziele jedoch nicht realistisch genug eingeschätzt. Es gelang den Schülerinnen und Schülern noch nicht, die erarbeiteten Aspekte miteinander zu verknüpfen. In einer Zwischenreflexion entschieden sie sich deshalb für eine Posterausstellung, wobei die Partner den anderen Schülern ihre Station erklärte und Fragen beantworteten. Noch offene Fragen wurden gesammelt und später Broschüren und Fachbücher zu Rate gezogen. Schließlich wurden die Poster in der Regenpausenhalle ausgestellt. Die Stellwandtechnik wird auch in der systemisch-konstruktivistischen Pädagogik zum Austausch über Themen und zur Präsentation von Arbeitsergebnissen genutzt (vgl. Reich, K. 2005). Als wir schließlich bei unserem Besuch der Atta-Höhle an ihrer tiefsten Stelle standen und ich unseren Begleiter bat, uns eine Minute lang die Stille empfinden zu lassen, da flogen auf einmal zwei Fledermäuse über uns hinweg. Die Begegnung mit

143

den beiden Fledermäusen zog die Kinder in ihren Bann, sodass sie ein andächtiges Staunen erlebten (vgl. auch Bemer und Zimmermann 2005). Dieses Erlebnis wurde schließlich das verbindende Glied zu einer abenteuerlichen Geschichte rund um den Biggesee, die wir uns abends am See bei der Reflexion des Tages ausdachten. Die Kinder fabulierten nun, ob es nicht sein könne, dass diese vom steigenden Wasser der Talsperre aus ihrer Scheune vertrieben wurden und dass sie im Wald umherirrten, ehe sie endlich Unterschlupf in der Atta-Höhle fanden. 7.6.3

Informationen fiir Kinder und von Kindem fiir Kinder

Inzwischen haben viele Städte damit begonnen, das Informationsbedürfuis von Kindem ernst zu nehmen. In Hannover - Roderbruch ist ein stadtteilbezogener Kinderstadtplan in Zusammenarbeit mit einer internationalen Kindergruppe herausgekommen, in dem Informationen zu Spiel- und Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Bibliotheken, Spielplätzen, Schwimmbädern, Kiosken, etc. bereitgestellt sind. Alle relevanten Orte sind durch ikonographischer Zeichen leicht zu erkennen. Das Vorwort des Bezirksbürgermeisters ist sogar in Türkisch und Russisch verfasst. Die Stadt Freiburg hat in Kooperation mit den örtlichen Schulen und der Pädagogischen Hochschule einen multimedialen Kinderstadtplan entwickelt, der gleichzeitig das Lehren und Lernen mit interaktiven Medien vermitteln soll (vgl. Greve - Projekt 2002). Grundschulen in Jülich und in Koblenz haben "Kinderstadtpläne" selbst erstellt, die durch Links auf die römische Entstehungsgeschichte ihre Städte hinweisen. Hier wurden überzeugend Informationen von Kindem fiir Kinder bereitgestellt. Diese Informationen gibt es nur auf Deutsch; solche in weiteren Sprachen sind nicht vorgesehen. Der neue Kinderstadtplan der Stadt Düsseldorf ist nur in Deutsch verfasst, weitere Informationen gibt es in den wirtschaftlichen Erfolg versprechenden Sprachen Englisch, Japanisch und Chinesisch. Eine Reihe von Städten bieten "Kinderkalender" mit aktuellen Hinweisen auf Spiel- und Freizeitangebote an. Berlin hat eine ,,Blinde Kuh" Suchmaschine mit ,,Klicks" zu Kinderbüros allein auf Deutsch geschaltet. Gerade bei den multimedialen Suchmaschinen sollte es möglich sein, sie in internationalen Verkehrsprachen und in den Sprachen der Migranten zu installieren. 7.6.4

Zusammenfassung

Sprache als Möglichkeit des Handeins zu erfahren, ist ein wesentlicher Aspekt von Pragmatik. Dieser perlokutive Akt kann jedoch auch missglücken, wie hier- mehr oder weniger - hinsichtlich der Informationsbeschaffung im Rahmen eines Projekts gezeigt wurde. Das Gelingen hängt jedoch nicht allein von dem Bemühen und der Sorgfalt der Schüler ab, sondern ist Ausdruck einer Kultur, die achtsam mit den Bedürfuissen von Kindem umgeht- oder eben nicht. Kinder haben es mit UnterstUtzung ihrer Lehrer mutig unternommen, andere Schüler zu informieren. Aber auch Behörden bewegen sich auf Kinder zu, indem sie diese unterstützen, ihren Handlungsradius zu erweitern. Es wäre wünschenswert, wenn dies in einem Buropa der Mehrsprachigkeit in vielen Sprachen gelänge. Sprache und inszenierter Motivationszauber kann jedoch

144

auch den Zugang zu den Dingen verstellen. Deshalb kann es wichtig sein, dass Lehrer ruhig werden, schweigen und sich zurücknehmen, "wenn die Dinge sprechen". 7.7

Schrift als sekundäres Symbolsystem

7.7.1

"Ay§e, du hörst es richtig!"- Kontrast zur türkischen Schrift

Der Diphthong Iei/ wird im Deutschen als [ai] ausgesprochen, aber in den überwiegenden Fällen als , geschrieben. Mit der neuen Rechtschreibreform ist die Schreibung , weiter zurückgegangen. Im Wortschatz der Kinder spielt diesbezüglich nur der MAIKÄFER noch eine geringe Rolle. Wenn Schüler an Stelle von schreiben, so haben sie das Prinzip der ~nem-Morphemkorrespon­ denz verstanden, aber noch nicht die orthographisch korrekte Schreibung erlernt. Für türkische Kinder, die in ihrer Ausgangssprache alphabetisiert wurden, wäre die Schreibung des Diphthongs/ei/ als ein oder folgerichtig wie z.B. an den häufigen Eigennamen Ay!le oder Aylin zu sehen ist. Die Realisierung des unbestimmten Artikels als stellt eine Interferenz dar. Eine fonetische Schreibung kann aber auch häufig bei den primär deutschsprachigen Schreibanfängern beobachtet werden:



(am Satzanfang)

Ute Andresen berichtet von einem Kind, das geschrieben hatte, also obwohl es über die orthographisch korrekte Form verfUgte, dennoch die fonetische Schreibung hinzufügte, indem es "aufsieh hörte" (vgl. Andresen, U. 2003). Betrachtet man diese Abweichungen als ein Fenster zum Lernprozess, dann zeigt sich, dass die Kinder schon in der Lage sind, den Diphthong vollständig oder in Teilen aus dem Lautkontinuum der Sprache zu extrahieren. Darum gäbe der Kommentar "falsch" dem Kind keinen Hinweis zum Aufbau des Rechtschreibwissens. Vielmehr sollte zunächst die Rückmeldung erfolgen, dass das Kind den Doppellaut richtig oder im Ansatz richtig gehört hat, dass aber beim Diphthong [ai] im Deutschen die Schreibung von der Lautung abweicht. Andresen schlägt vor, bei der Rückmeldung an das Kind, nicht von richtig oder falsch zu sprechen, sondern von korrekt oder noch nicht ganz korrekt (vgl. Andresen, U. 2003). Fächerübergreifend kann die spezielle Schreibung des in einer Unterrichtsreihe zum Monat Mai oder zum Maikäfer noch einmal thematisiert werden. Die Ausnahmen werden auf einer Umkehrliste verzeichnet. Dazu bieten sich die Wörter Mai, Maibaum, Maikäfer, Main und Maiskolben an. Wenn türkische Schüler in der Klasse sind, sollte man neben den Mädchennamen Ay~e und Aylin noch ay (Mond) als Beispiel fiir alternative Schreibformen anbieten. Die häufige Beobachtung der Fehlschreibung des untermauert die Bedenken, die Martin Sassenroth zur alphabetischen Strategie des Rechtschreibens anmerkt: "So sind Aufforderungen wie "Schreibe, wie du sprichst" oder "Hör genau zu" irrefilhrend, da orthographische Schreibweisen nach anderen Prinzipien aufgebaut sind und sich nicht "erhören" lassen. . .. Ein solcher Unterricht lenkt die Aufinerksamkeit der Kinder immer wieder auf

145 die lautsprachliche Form und steuert damit der notwendigen Automatisierung von orthographischen Fähigkeiten entgegen." (Sassenroth 2003, 61)

Die Diphthonge und entsprechen ebenfalls in ihrer Schreibung nicht der Lautung [:>i]. Bei kommt außerdem noch erschwerend hinzu, dass die korrekte Schreibung morphembezogen über die Ableitung des Singulars erschlossen werden muss. 7. 7.2

Reversionsgefahr ähnlicher Buchstabenkombinationen

Wird das Schreibenlernen sehr stark an das Hören gekoppelt, dann nimmt es nicht wunder, wenn die Speicherung der zwei- oder dreigliedrigen Phonogramme nicht gelingt, etwa weil sie in ihre Einzelgrapheme zerlegt werden. Das Speichern der Diphthonge sollte daher nicht logogen, sondern visuell und schreibmotorisch verankert werden. Das - Phonogramm muss besonders gut gesichert werden, da außerdem das Archephonem , das in 78% der Rechtschreibfälle flir das lange gespannte [i:] steht, eine Reversionsgefahr mit sich bringt. Es bietet sich daher an, diese verwechslungsgefährdeten Buchstabengruppen zu Beginn der Schriftsprachaneignung durch unterschiedliche Farben und/oder durch Zeichen zu markieren. Für das eignet sich ein liegendes Oval, das gelb unterlegt ist, fiir das ein spitzwinkliges Dreieck. Da es hoch und gespannt gesprochen wird, habe ich es rot unterlegt. Diese Hilfsmittel werden mit zunehmender Sicherheit der Schüler wieder ausgeblendet. Da der unbestimmte Artikel EIN und seine Derivate zu den häufigsten Wortformen gehören, sollten sie unmittelbar in den visuellen Wortspeicher übernommen und schreibmotorisch gesichert werden (vgl. Neuland 1990). Sodann können die Beispielwörter typographisch in der Ei-Form angeordnet werden. Jonglierbilder mit Wörtern, die auf enden, können zum Reimen anregen. Anders als beim langen [o:]- Laut, werden Umkehrlisten flir die Wörter mit unmarkiertem -Graphem bereitgestellt. Schreibt also ein Kind ,,ROHSIENE" (vgl. Köhler 2004), dann hat es zwar den langen und gespannten [i:]- Laut richtig gehört, muss aber noch die Ausnahmeregel erwerben. 7. 7.3

Phonogrammhefte als Lernhilfe für mehrgliedrige Buchstabenkomplexe

Um mehrgliedrige Buchstabenkomplexe als Repräsentanten fiir Einzellaute zu speichern, gibt es in der Montessoripädagogik flir diese Buchstabenfolgen kleine, so genannte Phonogrammhefte im DIN A 6-Format, die bequem in die Hosentasche passen und die ein Kind, das sich mit bestimmten Buchstabenkombinationen schwer tut, solange begleiten können, bis es diese sicher gespeichert hat. Ich habe diese Heftehen sehr differenziert auf die Rechtschreibfähigkeiten der Kinder abgestimmt. Wohlwissend, dass es Kinder verwirren kann, wenn beide Allophone des /eh/ parallel angeboten werden, habe ich die Übungsmöglichkeiten noch einmal zwischen dem - und dem - Heft differenziert. Ein Umschlag aus farbiger Folie unterstützt die Differenzierung, wobei flir den [