Dichte Atmosphäre: Über die bauliche Dichte und ihre Bedingungen in der mitteleuropäischen Stadt 9783035604412

  In view of progressive landscape use and the growing flow of traffic, the discussion of the reasonable degree of con

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German Pages 536 [460] Year 2014

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Dichte Atmosphäre: Über die bauliche Dichte und ihre Bedingungen in der mitteleuropäischen Stadt
 9783035604412

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Dichte Atmosphäre Über die bauliche Dichte und ihre Bedingungen in der mitteleuropäischen Stadt. (Hg.) Dietmar Eberle

(Autor) Eberhard Tröger

Birkhäuser Basel

Inhalt Bildessay von Claudia Klein Die gestimmte Stadt, Dietmar Eberle 

1 18

DICHTEANALYSEN Einführung — ­«Da muss ma’ halt a’mal durch.»

26

Vorgehen, Methodik und Begriffe 4 Städte, 36 Stadtperimeter, 9 Dichtekategorien, 13 Analyseparameter,

38

44 Die Quartiere  — 36 Stadtperimeter in 9 Dichtekategorien Dichtekategorie 1 ( < 0,4): Einfamilienhaus-Idyllen 1:  46 Haus und Garten Dichtekategorie 2 (0,4 – 0,6): Einfamilienhaus-Idyllen 2: 58 Urbane Gartenstädte  Dichtekategorie 3 (0,6 – 0,9): Stadtwohnungen im Grünen 1: 70 Haus und Zeile Dichtekategorie 4 (0,9 – 1,2): Stadtwohnungen im Grünen 2:  82 Zeile und Hof  Dichtekategorie 5 (1,2 – 1,5): Stadtwohnungen im Grünen 3:  92 Hof und Garten Dichtekategorie 6 (1,5 – 1,9): Innerstädtische Mischung 1:  104 Hof und Straße Dichtekategorie 7 (1,9 – 2,3): Innerstädtische Mischung 2: 114 Raster, Achsen und Plätze Dichtekategorie 8 (2,3 – 2,7): Innerstädtische Mischung 3:  126 Historische Vor- und Altstädte Dichtekategorie 9 ( > 2,7): Innerstädtische Mischung 4:  138 Geschäftszentren

Auswertung — Dichte, Atmosphäre und Zahlen Die Dichtekategorien und ihre Parameter Die Städte und ihre Parameter 

150 151 167

Fazit — Dichte und Atmosphäre 170 Die Stadt als Gesellschaftsraum  171 Die Stadt als Wohnraum 188 Die Stadt als Lebensraum 199 DICHTEGESCHICHTEN Berlin, Bettina Erasmy (Berlin) Nur spielen, Matthias Kiefersauer (München) Stadt und Stimmung. Wiener Eindrücke,  Franz Schuh (Wien) Waldrausch, Gerhard Meister (Zürich)

210 220 228 234

DICHTEKATALOG Begriffe und Abkürzungen

242

Schwarzpläne der Städte

246

Dichtekategorie 1 ( < 0,4): Einfamilienhaus-Idyllen 1:  255 Haus und Garten Dichtekategorie 2 (0,4 – 0,6): Einfamilienhaus-Idyllen 2: 283 Urbane Gartenstädte  Dichtekategorie 3 (0,6 – 0,9): Stadtwohnungen im Grünen 1: 311 Haus und Zeile Dichtekategorie 4 (0,9 – 1,2): Stadtwohnungen im Grünen 2:  339 Zeile und Hof  Dichtekategorie 5 (1,2 – 1,5): Stadtwohnungen im Grünen 3:  367 Hof und Garten Dichtekategorie 6 (1,5 – 1,9): Innerstädtische Mischung 1:  395 Hof und Straße Dichtekategorie 7 (1,9 – 2,3): Innerstädtische Mischung 2: 423 Raster, Achsen und Plätze Dichtekategorie 8 (2,3 – 2,7): Innerstädtische Mischung 3:  451 Historische Vor- und Altstädte Dichtekategorie 9 ( > 2,7): Innerstädtische Mischung 4:  479 Geschäftszentren  Stadtdiagramme 507 Kurzbiografien Bildnachweis Impressum und Dank

519 519 520

Bildessay von Claudia Klein

521

DIe gestimmte stadt

Dietmar Eberle

Baptisterium der Kathedrale von Brasília

19

Die gestimmte Stadt

«Genau das ist das Geheimnisvolle an neuen Städten, die anfängliche Sprachlosigkeit kurz vor dem Beginn, wenn das erste Wort noch nicht gesagt ist. Und ein erstes Wort gibt es stets, wie auch immer.»1 In seinem Essay «Ex Nihilo» über die Entstehung der beiden ­komplett neu geplanten und gebauten Städte Chandigarh in Indien und Brasília in Brasilien nimmt der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom den Begriff der «Stimmung» unmittelbar beim Wort. Beide Städte sind auf dem Reißbrett berühmter Architekten und Stadtplaner in einer Zeit entstanden, in der man an eine neue Welt glaubte, die an einer völlig neuen Stadtplanung und Architektur genesen sollte. Chandigarh wurde 1952 als neue Hauptstadt der indischen Provinz Punjab auf einer freien Fläche nahe einem gleichnamigen kleinen Dorf gegründet. Der Architekt Le Corbusier plante sowohl die Stadtstruktur als auch die Mehrheit der öf­fentlichen Gebäude. Brasília entstammt der Idealplanung des brasilianischen Stadtplaners Lúcio Costa, der den Plano Piloto mit seinen beiden sich kreuzenden Hauptachsen 1956 in die noch unberührte rote Erde der zentralbrasilianischen Hochebene entwarf. Heute ist die Stadt vor allem berühmt für die expressiven Bauten Oscar Niemeyers, der als Chef des staatlichen Bauamtes für die Architektur verantwortlich war. Die zwei Städte sollten einer zukunftsorientierten freiheitlichen Gesellschaft dienen und das Leben der Menschen in diesem Sinne ordnen und nachhaltig verbessern. Doch läuft man heute durch die beiden heroischen Planstädte, so empfindet man vor allem zweierlei: Einerseits weht noch immer der avantgardistische Geist der Architekten durch die weiten Straßenachsen und die kühnen Formen der Gebäude und wirkt wie ein Versprechen, das – inzwischen müde geworden – noch immer auf seine Einlösung wartet. Andererseits haben sich Mensch und Natur längst in dieser ursprünglich so künstlich-abstrakten Struktur eingerichtet, sie sich angepasst und überformt. Die Natur hat sich ihren Weg in die Stadt gebahnt und die herbeiströmenden Menschen haben sie mit einem riesigen Gürtel aus pragmatischen Satellitenstädten und Slums umgeben. Die Bewohner haben ihre Stimme erhoben und versucht, ihre Stadt teils hilflos, teils machtvoll auch gegen den Willen der Planer für sich zu stimmen.

«Die Praxis, oder sagen wir einfach das Leben: das Leben als Fortsetzung des Architekten, ein unerwarteter und unberechenbarer Handlanger.»2

20

Dietmar Eberle

Städte wie Chandigarh und Brasília sind in heutigen Demokratien in ihrer von Einzelpersonen geprägten Radikalität kaum noch vorstellbar. Und trotz oder auch wegen ihrer ästhetischen und räumlichen Wucht werden sie inzwischen stadtplanerisch als reine Kopfgeburten stark kritisiert. Ihr monumentaler Maßstab erschwert den Bewohnern die Aneignung, Funktionstrennungen laufen den Lebensgewohnheiten zuwider, die starre Idealstruktur sträubt sich gegen Anpassungen an neue Bedürfnisse und vieles mehr. Doch was haben Planer und Architekten inzwischen dazugelernt? Heute werden, zumindest in Europa, zwar kaum noch ganze Städte aus jungfräulichem Boden gestampft, aber unsere Siedlungsräume wachsen auch in Mitteleuropa in steigendem Tempo. Allenthalben entstehen neue Wohnviertel und Bürokomplexe in zentralen Lagen wie auch auf der sprichwörtlichen «grünen Wiese» an den Rändern der Städte. Bautafeln und Werbebilder versprechen ein zukunftsorientiertes und besseres Leben in diesen Quartieren. Der damit einhergehende rasant steigende Flächenverbrauch liegt aber nicht etwa an einem überproportionalen Bevölkerungswachstum, sondern vor allem an den gestiegenen Ansprüchen der Bewohner und einem ständig wachsenden Wohnflächenbedarf pro Bewohner.3 Einen hohen Einfluss haben außerdem Migrationsbewegungen zwischen den Staaten wie zwischen den ländlichen und den städtisch geprägten Gebieten, die zu erhöhtem Verkehrsaufkommen und zu hohem Flächenwachstum der Siedlungsgebiete führen. Und der Ausbau des Verkehrsnetzes ermöglicht zeitlich immer kürzere Verbindungen zwischen einst weit voneinander entfernten Orten. Die Mobilität wird zur Schlüsselfrage der Erscheinungsform unserer Siedlungsgebiete. Sie fördert die Auflösung eines traditionellen Verständnisses von der klar umgrenzten Stadt und führt in weiten Gebiete zu sehr niedrigen baulichen Dichten, die weder als Stadt noch als Land bezeichnet werden können, sondern heute mit etwas unklaren Begriffen wie «Agglomeration», «Urban Sprawl», «Stadtlandschaft» oder «Zwischenstadt» bezeichnet werden. Gleichzeitig vollzieht sich ein demografischer Wandel in der Gesellschaftsstruktur mitteleuropäischer Städte. Das durchschnittliche Alter der Bevölkerung steigt.4 Vor allem in den Städten überwiegt der Anteil der Haushalte mit nur ein bis zwei Bewohnern und in den Agglomerationsgebieten herrschen Kleinfamilien mit meist nur einem Kind vor. Diese Faktoren zusammen mit dezentralen Arbeitsmöglichkeiten verändern die Anforderungen an unsere bauliche Umgebung. Neben einem dichten Netz an öffentlichem Nahverkehr wächst vor allem die Bedeutung der fußläufigen Erreichbarkeit der wichtigsten Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kitas und Einkaufsmöglichkeiten. Eine Verringerung der tatsächlichen Distanzen ist also

21

Die gestimmte Stadt

unabdingbar. Dies kann jedoch nur durch eine entsprechende bauliche Dichte gewährleistet werden. Sie ist die Schlüsselgröße für die Stadtplanung. Rechnerisch basiert sie auf der Geschossflächenzahl, die in diesem Buch neu, aber auf die Gesamtheit eines definierten Stadtraumes einschließlich der öffentlichen Flächen bezogen wird. Inhaltlich meint der hier vertretene Begriff der «Dichte» die Ausnutzung des Bodens in Relation zur gesellschaftlichen Nutzung auf individueller Ebene. Welche Dichte entspricht welcher Gesellschaft und welchen Einfluss übt sie auf die Atmosphäre eines Quartiers aus? Dies ist die Grundfrage, der in diesem Buch nachgegangen werden soll. Denn die Atmosphäre als subjektive Wahrnehmung der städtischen Umgebung ist die Grundlage für die Akzeptanz eines Quartiers, eines neu erbauten genauso wie eines bereits bestehenden, das baulich verändert wird.

«Auf Architekturzeichnungen ist es immer still, in Städten nie.» 5 Versucht man heute über die riesigen Achsen Brasílias durch die gleißende Sonne von einem der locker aufgereihten großen Gebäudeblocks zum nächsten zu gelangen, so verliert man sich im übermenschlichen Maßstab dieser Stadtstruktur. Costa und Niemeyer hatten an ihren Zeichentischen im fernen Rio de Janeiro an das Auto als individuelles, selbst bestimmtes und schnelles Fortbewegungsmittel der Zukunft geglaubt und Brasília als Musterstadt dieses zukünftigen Lebens konzipiert. Auch die Struktur vieler Städte in Europa ist bis heute von diesem Glauben geprägt und widerspricht inzwischen den beschriebenen veränderten Bedürfnissen unserer gegenwärtigen Gesellschaft. In diesem Buch soll dem Zusammenhang von baulicher Dichte und Atmosphäre in mitteleuropäischen Städten nachgespürt werden. Und die Arbeitsthese lautet: Die Dichte bestimmt die ­Atmosphäre und den Charakter eines Stadtquartiers. Die Datenlage zu diesem Zusammenhang ist jedoch dünn und meist nur quantitativ auswertbar. Qualitative Analysen fehlen bisher weitgehend. Nachvollziehbare Antworten auf die Frage nach der Qualität dieses Zusammenhangs waren bisher kaum möglich. In der folgenden umfassenden Untersuchung geht es also darum, die harten Fakten und objektiv messbaren Faktoren zur subjektiven Wahrnehmung der Atmosphäre in Beziehung zu setzen. Zu diesem Zweck erfolgt die Definition von neun Dichtekategorien, denen jeweils ein bestimmter Charakter zugeordnet werden soll. Um dieses Vorgehen für die Forschung erfassbar zu machen, bedarf es eindeutig definierter Schlüsselgrößen, die eine Einordnung

22

Dietmar Eberle

und Bewertung ermöglichen. Daher werden anhand aussagekräftiger Analysefaktoren und bewusst umfangreichem Datenmaterial bestehende Quartiere aus verschiedensten Zeiten in den vier exemplarischen Städten Berlin, München, Wien und Zürich untersucht und deren Atmosphäre beschrieben und bewertet, welchen Einfluss sie auf die Stimmung eines Stadtviertels haben. Dies ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtungsweise von Stadträumen in klar abgegrenzten Perimetern. So werden Kriterien gefunden, die helfen sollen, bei der Planung künftiger Quartiere oder bei der Nachverdichtung oder dem Umbau vorhandener Stadtstrukturen die planerischen Grundanlagen für eine passende Stimmung zu setzen. Denn in Zukunft werden qualitative Fragen an den Städtebau und die subjektive Wahrnehmung als soziale Komponente zunehmend an Bedeutung gewinnen. Der Mensch als Bewohner bleibt dabei das Maß der Dinge. Cees Nooteboom interessiert sich in seinem Essay für die beiden Planstädte Brasília und Chandigarh, weil sie ex nihilo, also aus dem Nichts, entstanden sind und die Planer ihre eigenen Kriterien für deren Struktur finden mussten. Als Synonym für das flüchtige und schwer fassbare Phänomen der Atmosphäre nimmt er den ­Begriff der «Stimmung» bei seinem Wortstamm und stellt den Menschen als kommunikationsfähiges Gesellschaftswesen in den Mittelpunkt. Indem dieser seine Stimme im Raum der Stadt erhebt, stellt der Bewohner eine Beziehung zwischen Planung und Realität, ­z wischen Zeichnung und Mensch her. Er stimmt seine Umgebung. Deshalb steht in der vorliegenden Untersuchung auch der öffentliche Raum als gemeinsamer Aufenthalts-, Begegnungs- und Kommunikationsraum im Mittelpunkt. Hier bemessen sich die Qualitäten eines Quartiers, und hier entsteht seine ganz spezifische Atmosphäre. Dieses Buch soll einen fundamentalen Beitrag leisten, eine planerische Sprache finden zu lernen, um neue Städte zu stimmen, noch bevor sie existieren und ihnen nach ihrem Bau Schritt für Schritt und Wort für Wort zu einer stimmigen Atmosphäre zu verhelfen.

«Eine Stadt ist die Sammlung all dessen, was je gesagt und verkündet wurde: Proklamation, Aufruhr, Todesurteil, Gebet, das Flüstern von Verliebten, das Klagen eines Kranken, der Streit zwischen Betrunkenen, ein Demonstrationszug mit Parolen und Liedern, alle diese Geräusche zusammen bilden eine unaufhörliche Litanei, die die Geschichte der Stadt über die Jahrhunderte begleitet hat und noch immer begleitet, ein Gespräch, das nie zu Ende geht, solange die Stadt existiert.» 6

23

Die gestimmte Stadt

1 Cees Nooteboom, Ex Nihilo. Eine Geschichte von zwei Städten, Zürich 2013, S. 22f. 2 Ebd., S. 42 3 Der Wohnflächenbedarf pro Bewohner hat sich beispielsweise in der Schweiz in den vergangenen 30 Jahren von 34 auf 45 Quadratmeter pro Bewohner um den Faktor 1,3 erhöht. 4 Beispielsweise ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Schweiz über 40 Jahre alt, mit steigender Tendenz. 5 Nooteboom, a. a. O., S. 22. 6 Nooteboom, a. a. O., S. 22f.

Dichteanalyse   Einführung,   Vor­gehen, Methodik und Begriffe,  Die Quartiere,   Die Auswertung,  Das Fazit (S. 26)

(S. 38)

(S. 44)

(S. 150)

(S. 170)

Einführung

«Da muss ma’ halt a’mal durch»

1

27 Die Fläche der Stadtgebiete wächst in Mitteleuropa stetig an. Dies schürt Ängste vor dem Verlust natürlicher Landschaftsräume und Landressourcen. Gleichzeitig beklagen wir einen Mangel an atmosphärischer Stimmung in unseren unstrukturiert ausufernden Städten. ­­­­­­­ Zu lange haben wir baulichen Wildwuchs als notwendiges Übel hinge­ nommen. Nun werden die Rufe nach neuen Grenzen und baulicher Verdichtung unüberhörbar. Trotzdem wollen wir nicht auf Individualität und Wachstum verzichten. Die Diskussion über das Maß der baulichen Dichte in unseren Städten bestimmt die Tages- und die Fachpresse. Doch es fehlen fassbare Kriterien, die richtige Dichte für die jeweilige Situation wählen zu können. Indem die bauliche Dichte in Beziehung zur Atmosphäre gestellt wird, sollen in diesem Buch Grundlagen für eine neue ganzheitliche Gestaltung unserer Stadträume gefunden werden.

«Da muss ma’ halt a’mal durch»

1 Gerhard Polt, «Die Wegbeschreibung», in: Fast wia im richtigen Leben, 10. Folge, Bayerischer Rundfunk, 10. Dezember 1984. Hochdeutsch: «Da muss man eben durch.»

Schmetterlinge, Kieswerke und Wohnträume

«Komm halt a’mal raus. Ja, hier is’ doch schön am Land. Naja komm halt a’mal raus, damit’st auch mal an Schmetterling siehst, was? Schön is’ hier. Es is’ halt a grüne Lunge ...»2 Der bayerische Kabarettist Gerhard Polt schilderte 1984 in seinem Stück «Die Wegbeschreibung» erbarmungslos treffsicher, was für viele Mitteleuropäer längst zur alltäglichen Realität geworden ist: Herr König ist in ein neues Reihenhäuschen in der Peripherie Münchens gezogen und beschreibt nun am Telefon seiner Freundin Hilde, wie sie aus der Innenstadt zu ihm auf’s «Land» fahren soll. Der Weg führt über Autobahnabfahrten, vorbei an Hochhaussiedlungen, Gewerbemischgebieten, Kieswerken, Industrieparks und Einfamilienhäusern ­­bis hin zum gelobten Reihenhaus mit Grünstreifen und Vorgarten. Hildes Fahrt gerät zur Expedition durch die Wachstumszonen unserer Stadtlandschaft. Und Polt benennt damit in knapper Form die wichtigsten Themenfelder, die die Verantwortlichen für Stadt- und Raumplanung heute dringlicher denn je beschäftigen.

2 Gerhard Polt, «Die Wegbeschreibung», a.a.O. Auch alle folgenden wörtlichen Zitate ohne Fußnote, die grafisch hervorgehoben sind, entstammen dieser Quelle.

«Also jedenfalls ... dann nach den Wohnwägen, da fährst’ auf eine Schredderanlage zu, ja ... Und daneben ist eine Sondermüllanlage. Da kannst’ aber nicht reinfahren, da musst’ eh rechts vorbei. Da wird’s dann auch schon a bissl ländlicher. Da merkst’ dann schon, dass du von der City wegkommst.» Herrn Königs Wegbeschreibung durch die Agglomeration bezieht ihre lustvolle Boshaftigkeit aus der genauen Beobachtung der städtebau­ lichen Realitäten (die beschriebene Strecke wird im zugehörigen Film realistisch abgefahren)* und der optimistischen Begeisterung, die der Beschreibende für diese aufbringt. Hochhaussiedlungen heißen «Am Jagdfeld», Kirchen sehen wie «Schornsteine» aus, zwischen Möbelcenter und Lkw-Werk wohnen junge Familien in der «zweiten Garnitur» von Hochhausneubauten, und durch Industriegebiete «muss ma’ halt a’mal durch». Von all diesen ­Absurditäten lässt sich Herrn Königs unerschütterlicher Optimismus nicht beirren. Im Gegenteil, er begeistert sich für gigantische Strommasten und ein Betonwerk mit «allen Schikanen». Auch die damit ver­bundenen gewaltigen Maßstabssprünge in Form und Inhalt bringen ihn keineswegs aus der Ruhe. Immerhin hilft die nach einem winzigen

* 30 Jahre nach Gerhard Polts «Wegbeschreibung» (1984) haben wir Hildes Weg durch die Münchner Agglomerationsgebiete vom Autobahnnordring bis zum Reihenhausidyll rekonstruiert und erneut abgefahren. Die Bildstrecke, die dieses Kapitel begleitet, entstand während dieser Fahrt im Jahr 2014 und zeigt den aktuellen Zustand der fortschreitenden Bebauung unserer Kulturlandschaft in allen ihren Facetten.

28

Einführung

Vogel benannte «Zaunkönigstraße» bei der Orientierung, und der individuelle «Messingknopf» am ansonsten standartisierten Reihenhaus gibt Halt im unübersichtlichen «Mischmasch» der spätkapitalistischen Stadtlandschaft.

«Ich bin ja an und für sich gar nicht so verrückt aufs Landleben, aber für die Kinder ist’s halt ganz was anderes ... Jetzt sind wir noch a bissl weit vom Schuss. Aber in anderthalb Jahren ändert sich des, weil da wird die Autobahn direkt daher sechsspurig ausgebaut. Dann isses in die City bloß noch ein Klax, verstehst du ...» Dabei ist Herr König als Peripheriebewohner noch nicht einmal «so ver­rückt aufs Landleben». Es ist ja nur der Kinder wegen, und bald rettet ihn zum Glück der Ausbau der sechsspurigen Autobahn aus ­­­der Abgeschiedenheit seiner «ländlichen» Reihenhausidylle. Die Funk­ tionen der Stadt sind fein säuberlich voneinander getrennt, ohne ­­ Auto ist der Siedlungsbewohner zunächst verloren im wachsenden Schwemmland der Städte. Aus Polts schwarzhumoriger Erzählung spricht die tiefe Sehnsucht des postmodernen Menschen nach dem eigenen Ort in dieser Welt der ständig wachsenden Möglichkeiten. Man möchte auf nichts verzichten, und dafür nimmt man einiges in Kauf. Deshalb kann sich der Reihenhausbewohner auch für riesige Lagerhallen und Lkw-Werke begeistern. Sie sind die wirtschaftlichen Garanten für sein ländliches Glück mit Cityanschluss. Und damit sind sie weder hässlich noch schön, sondern einfach «enorme» Notwendigkeiten, die Bewunderung verdienen, zumindest aber hingenommen werden müssen. Auf der Basis dieser Art von Akzeptanz, die optimistisch auf das persönliche Wohl bedacht ist, breitet sich spätestens seit den ­1970er-Jahren stetig eine neuartige Siedlungsform aus, die Polt ohne Umschweife treffend als «Mischmasch» bezeichnet, und die die ­Fachwelt heute gerne mit dem Begriff «Urban Sprawl» umschreibt. Sie ist weder Stadt noch Land, sondern bildet eine dritte Kategorie, die genau dieser Sehnsucht entspringt, die nach Befriedigung möglichst vieler und immer wachsender Bedürfnisse strebt und die vermeintlich notwendigen Mittel dazu billigend in Kauf nimmt.

«Nur immer weiter ... Dann kommt wieder so ein Industriepark.» Doch das Streben nach dem Immer-Mehr hat natürlicherweise seine Grenzen. Die Ressourcen an Land, Rohstoffen und Energie sind nicht unerschöpflich, und nach jahrzehntelanger Toleranz der Mittel zu­ gunsten des Wirtschaftswachstums3 scheint nun seit einiger Zeit für Bauherren, Planer, Kommunen und Bewohner eine Ebene erreicht ­­zu sein, auf der dringend nach alternativen Lösungen für die zunehmende Zahl an Menschen, deren ebenso weiter wachsende Wirtschaftskraft und den damit verbundenen Wunsch nach immer mehr Wohnraum gesucht werden muss. 4 Gleichzeitig ist der Ruf nach Nachhaltigkeit unüberhörbar und allgegenwärtig. Doch unser Wirtschaftssystem ­­­­­ ist gefräßig und versucht sich auch diesen nur nebulös definierten Be­griff produktiv einzuverleiben. Nachhaltigkeit ist «in», aber bitte ohne auf etwas verzichten zu müssen.

«Und da fährst’ durch so ein Gewerbemischgebiet durch ... Ja, des is so a Mischmasch ...»

3 Um eine schnelle und wirtschaftlich optimierte Ausnutzung des Bodens zu gewährleisten, wurde lange Zeit auf eine umfassende ordnende und vorausblickende Raumplanung verzichtet, was das Entstehen des städtebaulichen «Flickenteppichs» aus einzelnen zusammenhanglosen Einzelplanungen förderte, den Gerhard Polt in seiner «Wegbeschreibung» so trefflich beschreibt. 4 Der Wohnflächenbedarf wächst exponentiell zum Bevölkerungswachstum. Während beispielsweise die Bevölkerung der Schweiz laut dem Bundesamt für Statistik seit 1980 von circa 6,3 Millionen auf fast 8,2 Millionen im Jahr 2013 um etwa das 1,3-Fache gewachsen ist, stieg der Verbrauch an beanspruchter Wohnfläche im gleichen Zeitraum von 34 auf 45 Quadratmeter um etwa denselben Faktor.

29 Die mit dieser Haltung verbundene Siedlungsform des «Mischmasch» kann die an sie geknüpften Idealvorstellungen eines wenig regle­ mentierten Lebens freier Konsumenten in einer Landschaft stetigen Wachstums jedoch nicht einlösen. Das «Landleben» findet nicht in einer von Polts Protagonisten beschworenen, von Schmetterlingen um­ flatterten grünen Lunge statt. Anstelle bunter Insekten donnern nun Flugzeuge über einen Teppich von Reihenhäusern, Großwohnsied­ lungen, alten Ortskernen, Industriegebieten und Zwischenbrachen hinweg. Und die «sechsspurige Autobahn» ist von einer Verkehrslösung zu einem Verkehrs- und Energieproblem geworden. Sie produziert kilo­ meterlange Staus, Umweltverschmutzung und hohe Unterhaltskosten. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch, Sehnsucht und Realität bereitet den Städteplanern inzwischen mehr und mehr Sorgen. Neben der Vernichtung wertvoller Ressourcen beklagen sie mangelnde ­Iden­ti­fikationsmöglichkeiten, strukturelle Vereinzelung und fehlende atmo­ sphärische Qualitäten. Und so suchen wir nun händeringend nach gültigen städtebaulichen Formen für den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und für eine erstrebenswerte Stadtform der Zukunft.

«Du bis dann praktisch schon da ... Und da steht’s dann auch: ’Im Wiesengrund’ ... Uns kannst’ ja gar net verfehlen, weil wir ham einen Messingknopf vorn dran ...» Bei dieser Suche erhalten insbesondere die «weichen Faktoren» der subjektiven Stadtwahrnehmung und -benutzung wie Wohlgefühl, Stadtcharakter, Identität, Aufenthaltsqualität und Atmosphäre in der mitteleuropäischen Wohlstandgesellschaft wieder ein größeres ­Gewicht und stehen gleichberechtigt neben den objektiv messbaren Werten der Stadtplanung. Gerne würde man nun atmosphärische Faktoren in die Planungen mit einfließen lassen, um angenehmere Stimmungen in den Quartieren zu erzeugen. Diese sind jedoch nicht ganz einfach zu bewerten und zu beschreiben, da sie zunächst einmal von der rein subjektiven Wahrnehmung des einzelnen Bewohners oder Passanten abhängen und nicht ohne Weiteres zu verallgemeinern sind. Doch stimmige Lösungen für größere Stadtgebiete müssen ­­eine breite Bewohnerschaft erreichen. Nicht jedem genügt ein blitzender «Messingknopf», um seinen Ort in einer immer komplexeren Welt zu finden. Bestimmte Zusammenstellungen von Objekten mit spezifischen Eigenschaften können aber jenseits der subjektiven Einzelwahrnehmung durchaus immer wiederkehrende Atmosphären erzeugen, die von der Mehrheit der Bewohner annähernd gleich wahrgenommen ­werden. Die bauliche Dichte könnte eines der Hauptkriterien sein, die eine solche «objektiv wahrnehmbare Atmosphäre» erzeugen können. Polts «Wegbeschreibung» stammt aus dem Jahr 1984. Mit wiederstrebender Verzögerung scheinen wir nun drei Wachstumsjahrzehnte später gezwungen zu sein, die Mentalität des «Da muss ma’ halt a’mal durch» nicht mehr zu tolerieren und ungewohnt grundsätzliche Fragen danach zu stellen, wie und wie dicht wir in unseren wachsenden Städten leben wollen.

«Gell, also kommst! Freu’ mer uns!» «Ja, das möchste.» Das Problem der Idealisierung kaum erfüllbarer Ansprüche an das persönliche Lebensumfeld ist keineswegs neu, denn es ist eng mit

«Da muss ma’ halt a’mal durch»

30 der modernen Gesellschaft und ihrem Streben nach Individualität und Wohlstand verbunden. Bereits zur Zeit der sogenannten klassischen Moderne Ende der 1920er-Jahre formulierte ein anderer großer deutscher Polemiker, nicht minder bissig und amüsant als Polt, das schon damals in der gesamten Bevölkerung wachsende Anspruchsdenken aufs Treffendste. Kurt Tucholsky beschrieb die Idealvorstellung des nach immer größerem Wohlstand strebenden deutschen Bürgertums in dem Gedicht «Das Ideal» von 1927:

Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn – aber abends zum Kino hast du’s nicht weit. Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit: Neun Zimmer – nein, doch lieber zehn! 
 Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn, 
 Radio, Zentralheizung, Vakuum, 
 eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm, 
 eine süße Frau voller Rasse und Verve – (und eine fürs Wochenend, zur Reserve) – eine Bibliothek und drumherum 
 Einsamkeit und Hummelgesumm. Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste, 
 acht Autos, Motorrad – alles lenkste 
 natürlich selber – das wär ja gelacht! 
 Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd. Ja, und das hab ich ganz vergessen: 
 Prima Küche – erstes Essen – 
 alte Weine aus schönem Pokal – 
 und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal. 
 Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion. 
 Und noch ne Million und noch ne Million. 
 Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit. 
 Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit. Ja, das möchste! Aber, wie das so ist hienieden: 
 manchmal scheints so, als sei es beschieden 
 nur pöapö, das irdische Glück. 
 Immer fehlt dir irgendein Stück. 
 Hast du Geld, dann hast du nicht Käten; 
 hast du die Frau, dann fehln dir Moneten – 
 hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer: 
 bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher. Etwas ist immer. Tröste dich. Jedes Glück hat einen kleinen Stich. 
 Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. 
 Daß einer alles hat: 
 das ist selten.

Einführung

31

«Da muss ma’ halt a’mal durch»

Wer würde nicht heute noch gerne ein solch komfortables Leben in einer «Villa mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße» führen? Seitdem durch wachsenden Wohlstand eine breite Bevölkerungsschicht diesen Traum träumen kann, ist jedoch aus der ersehnten Villa für die meisten höchstens ein massenkompatibles Einfamilienhaus geworden, das mit bunten Farben und Formen nach Individualität ringt und die mangelnden außenräumlichen Qualitäten durch technische Aufrüstung der Innenräume zu kompensieren sucht. Statt von der Terrasse auf die Ostsee zu blicken, sitzen wir in unserer kontrolliert belüfteten Wohnung vor der heimischen Multimediaanlage und pilgern bestenfalls am Wochenende in von Stromleitungen überspannte Naherholungsgebiete. Und wenn wir doch einmal Lust auf einen Kinoabend an der Friedrichstraße verspüren, sind wir auf eine Auto­bahn oder zumindest auf einen Bus- oder Bahnanschluss angewiesen. Die mit dieser Lebensweise verbundene Mobilität der Bevölkerung ist ein weiteres stetig wachsendes Problemfeld heutiger ­Stadtplanung. Das Netz für den individuellen wie für den öffentlichen (Nah-)Verkehr wird immer weiter ausgebaut und ist zu einem der wichtigsten Standortfaktoren für die Besiedlung des Landes geworden. Ein Haus, das beispielsweise noch vor Kurzem eine ganze Weg­­ stunde vom Geschäftszentrum der nächsten Stadt entfernt lag, ist jetzt plötzlich durch den S-Bahnanschluss in einer guten Viertelstunde erreichbar, wodurch sich auch seine bauliche Umgebung und die Zu­sammensetzung der Bevölkerung dort stark und schnell verändert. Wie kann die Stadtplanung heute auf diese komplexe Mischung aus verschiedensten Ingredienzien reagieren? Unterschiedliche ­städtebauliche Ansätze, die vom gründerzeitlichen Blockrand über modernistische Zeilenbebauungen und kompakte Wohnblocks nach dem Vorbild der Spätmoderne bis hin zu neuen Hochhausquartieren reichen, werden parallel verfolgt. Die darüber geführten Debatten zeugen von einer ängstlichen Ratlosigkeit auf der Suche nach der zeitgemäßen Gestalt der Stadt. Einmütig verurteilen die Planer heute die wuchernden Teppiche aus Einfamilienhäusern und fordern eine «urbane Verdichtung». Deren Form und Qualität bleibt jedoch unklar, und überzeugende Lösungen sind gefragt. Zauberformeln Genau zur Zeit Tucholskys5 sahen sich auch die Visionäre der architektonischen Moderne mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Auf der einen Seite entwickelte schon damals die Bürgerschaft wachsende individualisierte Ansprüche an ihre Lebensverhältnisse, auf der anderen Seite standen die immensen sozialen, infrastrukturellen und gesundheitlichen Probleme der durch die Landflucht explodierenden Bevölke­ rungszahlen in den Städten. Mit ihren allzu idealistischen Antworten bereiteten sie damals aber paradoxerweise ungewollt den Nährboden für die nicht definierte neue Siedlungsstruktur, die uns heute wieder vor dieselbe große Frage wie damals stellt: Wie können Städte auf nachhaltige Weise schnell wachsen und dabei lebenswert sein und bleiben? Die Mitglieder des CIAM (Congrés Internationale d’Architecture Moderne) träumten einst mutig und voller Zuversicht von einer völlig neuen Stadt, die alle Probleme auf einen Schlag lösen sollte. 1933 verfassten sie unter der Führung von Le Corbusier ihr städtebauliches Manifest «Die Charta von Athen» 6 , das ein grundlegend neues ­Verständnis von Stadt einführte. Liest man sie heute wieder, so findet

5 Tucholskys Gedicht «Das Ideal» entstand 1927, die «Charta von Athen» wurde 1933 verabschiedet.

6 Thilo Hilpert (Hg.), Le Corbusiers «Charta von Athen». Texte und Dokumente, Kritische Neuausgabe, Bauwelt Fundamente 56, Braunschweig 1984. Alle folgenden wörtlichen Zitate in diesem Zusammenhang beziehen sich auf diese Buchausgabe.

32 man dort frappierende Parallelen zu den Problemen der aktuellen Städtebaudiskussion, wenn auch teils unter genau umgekehrten Vorzeichen. Die Charta hält unter anderem folgende Kernaussagen zum damaligen Status quo der Städte fest: Zum Thema der Verdichtung:

Punkt 8: «Das Heraufkommen des Maschinenzeitalters hat ungeheure Verwirrungen im Verhalten der Menschen, in ihrer Verteilung auf der Erde, in ihren Unternehmungen hervorgerufen: eine nicht mehr zu zügelnde Konzentra­ tions­bewegung in den Städten mit Hilfe mechanischer Geschwindigkeiten, eine brutale Entwicklung, die in der Geschichte ohne Gleichen ist und die ganze Welt erfasst hat. Das Chaos hat in den Städten Einzug gehalten.» Punkt 9: «Die Bevölkerungsdichte ist zu groß im histo­ rischen Kern der Städte (man zählt bis zu 1000, sogar bis zu 1500 Einwohner pro Hektar), wie auch in gewissen Stadtgebieten industrieller Expansion des 19. Jahrhunderts.»

Das Problem der unstrukturierten Agglomeration und des «Urban Sprawl» wird in der Charta folgendermaßen beklagt:

Punkt 11: «Das Wachstum der Städte verschlingt nach und nach die angrenzenden Grünflächen, auf die die aufeinanderfolgenden Erweiterungsgürtel der Städte hinausblicken.» Punkt 20: «Die Vororte sind ohne Plan und ohne geregelte Verbindung zur Stadt errichtet.»

Und sie benennt die sozialen und psychologischen Probleme der damaligen Stadt:

Punkt 71: «Die Mehrzahl der untersuchten Städte bietet heut­ zutage das Bild des Chaos: sie entsprechen in keiner Weise ihrer Bestimmung, die vordringlichen biologischen und psychologischen Bedürfnisse ihrer Einwohner zu befriedigen.»

Punkt 72: «Diese Situation enthüllt die unaufhörliche ­An­einanderreihung von Privatinteressen seit Beginn des Maschinenzeitalters.» Aus all diesen Problemstellungen zieht die CIAM-Versammlung in ihrem letzten Punkt folgende hochpolitische Schlussfolgerung:

Punkt 95: «Das Privatinteresse wird in Zukunft dem Interesse der Gesellschaft unterstellt sein.»

Diese Forderung damals bereits als sicher zu erwartende Feststellung zu formulieren, war etwas verfrüht, wie wir heute wissen. Die sozia­ listischen Gesellschaftsmodelle haben diesen dringlichen Wunsch trotz größter Anstrengungen nicht erfüllen können. Und die globalisierte westliche Konsumgesellschaft ist mehr denn je mit den Problemen der kaum noch zu kontrollierenden «unaufhörlichen Aneinanderreihung von Privatinteressen» konfrontiert. Und doch hat die CIAM-Charta das Bild unserer Städte und Landschaften so nachhaltig wie kein anderes Manifest des 20. Jahrhunderts geprägt und verändert. Das größte Problem, das damals dringend nach einer grundlegenden Lösung verlangte, war die starke Verdichtung in den Innenstädten,

Einführung

33

«Da muss ma’ halt a’mal durch»

­­ zu sozialen, hygienischen und damit verbundenen gesundheitlichen die Problemen führte und die Städte wie wuchernde Geschwüre in ­bis dahin ungekannter Geschwindigkeit in die umliegende Landschaft wachsen ließ. Die Angst vor dem Chaos, die große Teile der Gesellschaft seiner­ zeit beherrschte, ließ die Menschen nach radikalen Antworten rufen. Der bösartige Tumor sollte herausgeschnitten werden und einem geordneten und gesunden Gefüge Platz machen, in dem sich friedlich leben ließ. Und so suchten auch die Architekten nach einer Zauberformel für die Lösung der gesellschaftlichen und städtebaulichen Auf­ gaben. Die Charta tat dies manifestartig mit konkreten Feststellungen und Forderungen: Die Formel für die Raumplanung:

Punkt 1: «Die Stadt ist nur ein Teil eines ökonomischen, sozialen und politischen Ganzen, welches ihre Region ­bildet.»

Die Formel für die Architektur:

Punkt 29: «Hochbauten, in großer Entfernung voneinander errichtet, sollen den Boden zugunsten weiter Grünflächen freimachen.»

Die Formel für die Stadtplanung:

Punkt 32: «Richtiges Verhältnis von Baumasse zu freiem Raum, das ist die Formel, die einzig und allein das Problem des Wohnens löst.»

Die Verteilung der Baumassen in ihrem Verhältnis zur unbebauten Fläche, die im Idealfall einen Naturraum bilden sollte, wurde als entscheidender Faktor für die Lösung des Problems erkannt, Städte auf nachhaltige Weise schnell wachsen zu lassen. Jeder Bewohner sollte die Möglichkeit erhalten, ein gesundes Leben mit Licht, Luft und Sonne im Grünen zu führen. In der spezifischen Dichte der Bebauung sahen die Väter der Charta also die Zauberformel für die Zukunft der Städte. Die damals daraus gefolgerten Forderungen sind hinlänglich bekannt. Das unkontrolliert gewucherte Knäuel der Städte sollte entwirrt, ­geordnet und in seine Grundfunktionen aufgespalten werden: Wohnen, Freizeit, Arbeit, Verkehr und historisches Erbgut der Städte. Wobei dem Verkehr als verbindendes System eine zentrale Rolle zukam, denn die neuen Gebäude sollten möglichst viel Baumasse auf einem relativ kleinen Footprint 7 konzentrieren und dazwischen relativ großen Raum für frische Luft und Sonne lassen, wodurch die Wege zwischen den Häusern, aber auch zwischen Wohnung, Arbeit, Einkauf und Kultureinrichtungen lang wurden. Der Logik des «Maschinenzeitalters» folgend sollten an Versorgungssträngen miteinander vernetzte, aber möglichst autonom funktionierende «Wohnmaschinen» in die Landschaft ein­ gebettet werden. Die Bewegung zwischen den teils weit auseinander liegenden Gebäudeeinheiten sollte sich mit motorisierten Fortbewegungsmitteln bewerkstelligen lassen. Zunächst schien die Umsetzung dieser Zauberformel allerdings undenk­bar, da sie mit immensen Abrissen und Enteignungen in den Städten verbunden gewesen wäre. Erst die flächenhaften Zerstörungen aufgrund des Zweiten Weltkriegs und die darauf folgenden politschen Umwälzungen ermöglichten im Zuge des Wiederaufbaus im östlichso­zialistischen wie im westlich-kapitalistischen System die Realisierung der CIAM-Ideen auf breiter Ebene.

7 Die überbaute Bodenfläche ist im Verhältnis zur Größe der Gebäude sehr gering.

34

Einführung

Doch die Formel scheint nicht aufgegangen zu sein. Die neuen Stadtstrukturen förderten städtebauliche Inselbildungen, die bis heute ­­ die Struktur der Wachstumszonen unserer Städte prägen. An die Stelle des baulichen Kontinuums der historisch um eine Mitte gewachsenen europäischen Stadt trat das Gewebe der Verkehrsnetze, entlang derer sich eine äußerst heterogene Bebauung weitgehend zentrumslos in die Landschaft ausbreitet. Die städtebaulichen Grundfragen scheinen jedoch immer noch dieselben wie zu Le Corbusiers Zeiten zu sein: Themen wie die Form der schnell wachsenden Stadt, die Abgrenzung zwischen Siedlungs- und Landschaftsraum, die Verteilung von privatem und öffentlichem Raum und die funktionale Ordnung der Stadt sind wieder in aller Munde. Und auch heute sucht man die Lösung für diese Probleme im «richtigen Verhältnis von Baumasse zu freiem Raum» 8 . Doch lag bei der Charta der Fokus auf dem freien Raum, so gilt nun Verdichtung und Durchmischung als neue Zauberformel für den Städtebau.

8 Le Corbusiers «Charta von Athen», Punkt 32

Verdichtung – Phobie, Zwang und Lifestyle Aus Angst vor einer unkontrolliert wachsenden Agglomeration, die ziel­­ los die Landschaft bedeckt und keine gesellschaftlichen Ideale mehr widerzuspiegeln vermag, wird in jüngster Zeit der Ruf nach baulicher Verdichtung immer lauter. Und es ist nicht nur das Argument des Platzund Energiesparens, das diesen Forderungen Gehör verschafft. I­nsbesondere Stadtplaner und Architekten idealisieren den schwer zu definierenden Begriff der «Urbanität» 9 bereits seit einiger Zeit als ­­­die zeitgemäße Form für unser Leben schlechthin, ohne präzise zu definieren, was unter dem meist subjektiv geprägten und nebulös bleibenden Begriff zu verstehen ist. Ganz im Gegensatz zu den Ideen der Charta sehen die heutigen Planer die Qualitäten städtischen Lebens nicht im luftigen Kontakt zur Natur, sondern in einer tendenziell geschlossenen Bauweise mit möglichst hoher Dichte. Die bauliche Verdichtung als gezielte «(Re-) Urbanisierung» soll neben der Begrenzung der Siedlungsräume auch zu größerer sozialer Dichte und Durchmischung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der Städte führen und der egozentrischen Individualisierung und Privatisierung entgegenwirken. Nach dem Scheitern der gegliederten, aufgelockerten Stadt der Moderne und den formalistischen Experimenten der Postmoderne sollen die Probleme jetzt vielerorts mit einer Rückkehr zum traditionellen europäischen Stadtbild gelöst werden. Der gründerzeitliche Blockrand mit einheitlicher Traufhöhe oder das Vorbild mittelalterlicher Gassenstrukturen soll die Lösung für heutige Gesellschaftsformen bringen. Andere setzen mit der Forderung nach Durchgrünung, Luft, Licht und Sonne weiterhin auf die Ideale der Moderne. Egal, auf welche althergebrachte Form man sich bezieht, alle hoffen gleich einem psychologi­ schen Wiederholungszwang darauf, dass die Repetierung alter Muster eine neue gültige Lösung bringen möge. 10 Das Scheitern der modernen Stadtideale schreiben Planer und Bewohner aber bereits in den 1960er-Jahren nicht mehr dem in der Charta beklagten technischen und funktionalen Versagen der Stadtstruktur zu, sondern im Gegenteil der neuen «Unwirtlichkeit unserer Städte» 11, die gerade aus der vom CIAM geforderten funk­ tionalen Entmischung und dem fehlenden menschlichen Maßstab resultierte, was zu einer kalten, technischen Atmosphäre in der Stadt führte.

9 Zu dieser Begrifflichkeit siehe auch ­­ das Unterkapitel «Urbanität» im Kapitel «4 Städte, 36 Perimeter, 9 Dichtekate­ gorien, 13 Analysepa­rameter».

10 In der Psychoanalyse wird der Wiederholungszwang als Impuls beschrieben, demnach der Analysant ungelöste und sogar schmerzhafte Gedanken, Handlungen, Träume, Spiele, Szenen oder Situationen immer wieder herstellt, in der Hoffnung, sie bei diesem Mal endlich zu einem guten Ende bringen zu können. 11 Alexander Mitscherlich, Die Unwirt­ lichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden, Frankfurt am Main 1965.

35 Um unseren Städten ein nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen, scheinen wir an einer neuerlichen Verdichtung und Durchmischung der vorhandenen Strukturen nicht vorbeizukommen. Sowohl innerhalb gewachsener Stadtstrukturen als auch an den Stadträndern und in der Agglomeration sind allerorts Umstrukturierungsprozesse in Richtung Verdichtung im Gange. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Auf der einen Seite stehen die harten Fakten: Die Bebauung der Landschaft kann nicht unbegrenzt mit steigender Geschwindigkeit fortgesetzt werden wie bisher. 12 Die Wege und Verkehrsflüsse müssen verkürzt werden, um Ressourcen zu sparen. Indem die Häuser und Wohnungen wieder enger zusammenrücken, lassen sich außerdem energetische Synergien nutzen. Und die Restflächen des (post-)modernistischen Städtebaues könnten als verfügbares Bauland zur Nachverdichtung genutzt werden. Auf der anderen Seite stehen weichere Faktoren, die mindestens ein gleich großes Gewicht erhalten müssen. Hierbei geht es um das soziale Miteinander, die Stadt als Gemeinschaft und nicht zuletzt um die eigene Befindlichkeit im Stadtraum, um Identität und ein Sich-Zuhause-Fühlen. Was aber kann die Verdichtung gerade in diesen Bereichen wirklich leisten? Und welche Dichte führt zu den beabsichtigten ­Zielen? Denn längst nicht jeder in unserer Gesellschaft möchte inmitten einer hohen baulichen und sozialen Dichte leben. Dichte und Individualisierung stehen prinzipiell in einem phobischen Verhältnis zueinander. Unser liberalisierter Lebensstil verlangt nach einem angemessenen Abstand zu den Nachbarn, um keinen «sozialen Dichtestress» zu verursachen. Die beruhigende Wirkung des Grünraums in der Stadt als eine der zentralen Errungenschaften des modernen Städtebaus und die Vernetzung ihrer Individuen im öffentlichen Raum bleiben von großer Wichtigkeit und scheinen unverzichtbar für zeitgenössische Arbeits- und Wohnbedürfnisse zu sein. Das rechte Maß Gegenwärtig lassen sich in den unterschiedlichen Lagen und städtebaulichen Situationen mitteleuropäischer Städte verschiedenste ­Ansätze parallel zueinander verfolgen. In Wohnquartieren und an Stadtrandlagen suchen die Planer nach einer Struktur, die die Vorteile einer verdichteten Bauweise mit den Vorzügen der grünen und auf­ gelockerten Stadt zu vereinen vermag. In zentralen Lagen wird mit maximalen baulichen Dichten experimentiert, die eine höchstmögliche Anzahl an architektonischen und sozialen Reizen bieten und so eine dichte städtische Atmosphäre in den Innenstädten erzeugen sollen, ohne die Akzeptanzgrenze der Bevölkerung zu überschreiten. Um das richtige Maß der Dichte für die verschiedenen Orte und Gesell­ schaftsgruppen herauszufinden, müssen nachvollziehbare Grundlagen geschaffen werden, die objektiv messbaren Faktoren des Städtebaus zu der subjektiven Wahrnehmung in Beziehung setzen. In diesem Buch werden die Beziehungen zwischen baulicher Dichte und Atmosphäre untersucht und übersichtlich dargestellt. ­Im Zentrum steht dabei die Frage, welchen Einfluss die bauliche Dichte auf die Atmosphäre einer Stadt und ihre Quartiere hat und welche weiteren Faktoren berücksichtigt werden müssen, um eine stimmige Atmosphäre auch gezielt erzeugen zu können. Dabei geht es aber nicht um allgemeingültige Zauberformeln, sondern eine interpretierende Analyse der messbaren Fakten wird in Beziehung zur subjektiven

«Da muss ma’ halt a’mal durch»

12 Beispielsweise hat der Wert der urbanen Durchdringung der Landschaft (UP) in der Schweiz von 2,75 UP im Jahr 1960 auf 4,24 UP im Jahr 2002 um mehr als das 1,5-fache zugenommen. Die jähr­ liche Zunahme der Zersiedelung beschleunigt sich rasant. Der Anstieg er­-­ folgte zwischen 2002 und 2010 mit 0.032 Durchsiedlungseinheiten (DSE)/ m2/Jahr fast dreimal so schnell wie im Zeitraum von 1980 bis 2002 (0.012 DSE/ m2/Jahr). Quelle: Geomatik Schweiz 3/2007 und 2/2013.

36 Wahrnehmung des Stadtraums gesetzt. So sollen greifbare Grundlagen für die ganzheitliche Planung neuer Stadtgebiete und die Nachverdichtung vorhandener Strukturen geschaffen werden, die eine aktive atmosphärische Stimmung eines Stadtquartiers ermöglichen und jenseits der fatalistischen Mentalität des «Da muss ma’ halt a’mal durch» eine dichte Atmosphäre im Stadtraum erzeugen. Im Dunstkreis der Straße Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt im öffentlichen Raum. Hier wird die Dichte der Bebauung räumlich spürbar. Hier kommen die ­Elemente der Stadt in einem gemeinsamen Raum zusammen. Hier findet das gemeinschaftliche städtische Leben statt. Und hier entsteht die Atmosphäre eines Quartiers oder einer ganzen Stadt. Der Begriff der «Atmosphäre» entstammt den griechischen Wörtern atmós, was «Luft, Druck, Dampf» bedeutet, und sfaira, «Kugel ». Er bezeichnet die gasförmige Hülle um einen Himmelskörper. Sie besteht meistens aus einem Gemisch verschiedener Gase, die vom Schwerefeld des Himmelskörpers festgehalten werden können. Die Atmosphäre ist an der Oberfläche am dichtesten und geht in großen Höhen fließend in den interplanetaren Raum über. Diese physikalische Definition hat vieles mit der Eigenart der anderen Bedeutung des Begriffs zu tun, nämlich mit der Atmosphäre als ­sinnliche Stimmung eines Ortes oder eines Raums. Als physikalische Atmosphäre bezeichnet man auch den Dunstkreis um die Erde. ­­Und die Atmosphäre, um die es in diesem Buch gehen soll, könnte man als den Dunstkreis eines Ortes bezeichnen. Ähnlich wie die Erdat­ mosphäre setzt er sich aus einem «Gemisch verschiedener Gase», das heißt hier verschiedenster sinnlicher «Ausdünstungen» des Raums, der Dinge, die sich in ihm befinden, und der Menschen und deren sozialer Aktionen zusammen. Jedes Ding und jede Person sendet verschiedenste charakteristische Sinneseindrücke aus, die dann bei demjenigen, der dieses Gemisch wahrnimmt, sehr spezifische individuelle und subjektive Empfindungen auslöst. Jeder Gegenstand, jedes Haus, jeder Baum und jeder Mensch hat sein eigenes Aussehen, seinen eigenen Ausdruck, Geruch und Klang und fühlt sich individuell an. Diesen Dunstkreis nennt man auch «Aura». Die Atmosphäre einer Stadt setzt sich aus den vielen verschiedenen auratischen Ausdünst­ ungen ihrer einzelnen Bestandteile zusammen, die dann quasi das «atmosphärische Gasgemisch» der Stadt und ihrer Quartiere bilden. Atmosphäre ist das Erste, was wir von einem Raum wahrnehmen – und das am schnellsten. Ein städtischer Raum bildet ein äußerst komplexes Geflecht aus vielen einzelnen Bestandteilen. Trotzdem erfassen wir ihn meist bereits in der ersten Sekunde mit allen unseren Sinnen gleichzeitig: Wenn wir der Raum einer Straße oder eines Platzes betreten, nehmen wir intuitiv einen Eindruck seines Aussehens und seiner Größe wahr, was in uns eine unbewusste Kette von Assozia­ tionen auslöst, ohne dass wir wirklich jede Einzelheit bewusst erkannt hätten. Gleichzeitig hören wir die Weite oder die Enge des Raums und die Be­schaffenheit seiner Materialien, ohne diesen Klang bewusst beschreiben zu können. Sein Geruch ruft in uns im selben Moment vielleicht Erinne­rungen wach, die uns auf eine ganz andere, weit entfernte Situation verweisen. All dies geschieht blitzartig in ein und demselben ersten kurzen Moment.

Einführung

37 Aus diesem Gemisch an Sinneserfahrungen entsteht in uns ein Gefühl für den Raum, das wir nicht mehr genau fassen können und das wir meist einfach als dessen «Atmosphäre» bezeichnen. Diese vorbewusste Stimmung bestimmt aber weitgehend, ob uns ein Raum oder auch nur ein einzelner Gegenstand gefällt oder nicht, ob wir ­­ ihn ohne Stress intuitiv benutzen und uns in beziehungsweise mit ihm wohlfühlen können. Das alles basiert auf einem sinnlichen Code, durch den wir mit dem Raum kommunizieren. Um eine Atmosphäre gezielt erzeugen zu können, ist es also von ­herausragender Bedeutung, herauszufinden, wie ihr Code funktioniert. Es kommt darauf an, die genaue Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile zu analysieren und zu kennen, um die richtige Mischung von Sinneseindrücken herstellen zu können. Der Begriff der Dichte spielt dabei eine wichtige Rolle. Wie bei einem Planeten ist sie nah an der physischen Masse am höchsten und nimmt bei wachsender Entfernung ab. Man könnte also sagen, dass hohe bauliche Dichte auch eine dichte Atmosphäre erzeugt. ­ In der subjektiven Bedeutung des Begriffes Atmosphäre als sinnliche Raumstimmung hängt die atmosphärische Dichte jedoch nicht vornehmlich von der hohen Konzentration der Baumassen ab, sondern von der stimmigen Mischung einer Vielfalt von Sinneseindrücken, die ­­ eine bestimmte sinnliche Dichte bei der Stadtwahrnehmung erzeugen. Wir treten in den Dunstkreis einer Straße und spüren, ob dieser uns gefällt oder ob eine Diskrepanz oder Dissonanz zwischen uns und dem Raum besteht. In diesem Buch wird dem Verhältnis zwischen baulicher Dichte und Atmosphäre analytisch nachgegangen, um eine neue Formulierung von Grundlagen für die Erzeugung stimmiger dichter Atmosphären in unseren Städten zu ermöglichen und damit ihre Bewohner sagen:

«Schön is’ hier.»

«Da muss ma’ halt a’mal durch»

Vorgehen, Methodik und Begriffe 4 Städte, 36 Stadtperimeter, 9 Dichtekategorien, 13 Analyseparameter

39 Die aktuelle Debatte um die Notwendigkeit baulicher Verdichtung und das richtige Maß der Dichte in unseren Siedlungsräumen schließt immer auch die Frage nach der damit zu gewinnenden Lebensqualität und der daraus resultierenden Atmosphäre mit ein. Daher lautet die Leitfrage dieses Buches: In wel-

chem spezifischen Verhältnis steht die bauliche Dichte zur Atmosphäre in einem Stadtquartier? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, werden zunächst neue Dichtefaktoren definiert und in neun Kategorien gegliedert. Innerhalb dieser Matrix werden 36 Perimeter in vier mitteleuropäischen ­Städten anhand von 13 Analyseparametern untersucht, miteinander verglichen und mit ihrem Erscheinungsbild und der dort herrschenden Atmosphäre in Beziehung gesetzt. Im Folgenden werden die wichtigsten Begriffe erklärt sowie die Methodik und die Vorgehensweise beschrieben.

Die Dichte Der Begriff der Dichte wird in diesem Buch in seinem doppeldeutigen Sinn verwendet: zum einen als bau­liche Dichte, auf die sich die neun Dichtekate­ gorien in dieser Untersuchung beziehen. Damit ist die Verteilung der oberirdischen Gebäude­flächen in Bezug auf einen begrenzten Stadtraum gemeint.1 Der maßgebende Größenwert hierfür ist die Geschoss­flächen­zahl. 2 Die atmosphärische Dichte meint hingegen die Intensität der sinnlichen Wahrnehmung und die spezifische Stimmung in den Außenräumen dieser ausgewählten Perimeter der jeweiligen Stadt. Dazu gehören optische, akustische, taktile und olfak­ torische Reize genauso wie das Gesamtbild des jeweiligen Quartiers und die Wahrnehmung des sozialen Lebens. Man könnte sie auch als «gefühlte Dichte» bezeichnen. 3 Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Begriffen ist Gegenstand dieses Buches.

Methodik und Begriffe Die Dichtefaktoren Die bauliche Dichte basiert rechnerisch auf den ­Werten der Geschossflächenzahl (GFZ). Deren Berechnung ist jedoch nicht in allen Städten und ­Ländern Europas gleich definiert. Deshalb wird sie in diesem Buch nicht wie üblich aus dem Verhältnis zwischen der Summe der Geschossflächen eines Gebäudes und der entsprechenden privaten Grundstücksfläche errechnet, sondern auf die Gesamt­ fläche eines festgelegten Stadtperimeters4 bezogen. Die hier als Dichtefaktoren bezeichneten Werte errechnen sich also aus der Summe der Geschossflächen aller Gebäude innerhalb des Perimeters im Verhältnis zur Gesamtfläche dieses Perimeters: Summe der Geschossflächen aller Gebäude Gesamtfläche des Stadtperimeters

 =  Dichtefaktor

Durch dieses Vorgehen werden nicht nur die Flächen der Privatgrundstücke berücksichtigt, sondern auch die der öffentlichen Straßen, Plätze und Parks mit in die Berechnung einbezogen. Der daraus re­sul­­­tie­­­­ren­­­­­de Dichtefaktor formuliert somit zu­ver­lässige Aus­sagen über die tatsächliche bauliche Dichte in der Gesamtheit eines Stadtperimeters. Dem An­teil des öffent­lichen Raums fällt dabei eine besondere Be­deutung zu, da er den Dichtefaktor maß­­geblich mit­­bestimmt.

40 Die neun Dichtekategorien Die Dichtekategorien bilden das Rückgrat dieser Untersuchung. Anhand der Dichtefaktoren werden neun Dichtekategorien definiert. Jede Dichtekategorie umfasst dabei eine gewisse Spanne an Dichtefak­ toren und bestimmt damit den Grad an Dichte in den zugeordneten Perimetern: Dichtekategorie 1

Dichtefaktoren unter 0,4

Vorgehen Die vier Städte Um eine nachvollziehbare Vergleichbarkeit gewährleisten zu können, wurden für diese Untersuchung vier europäische Städte aus dem deutschsprachigen Raum gewählt:

Berlin München Wien Zürich

Dichtekategorie 2

Dichtefaktoren von 0,4 — 0,6 Dichtekategorie 3

Dichtefaktoren von 0,6 — 0,9 Dichtekategorie 4

Dichtefaktoren von 0,9 — 1,2 Dichtekategorie 5

Dichtefaktoren von 1,2 — 1,5

Auch wenn sich diese vier Städte in ihrer geografisch­ en Größe und hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahlen teils erheblich unterscheiden, so teilen sie doch einen vergleichbaren geschichtlichen und kulturellen Hintergrund, ähnliche Siedlungsstrukturen und gleichartige Lebensweisen und Ansprüche ihrer Bewohnerschaft.

Dichtekategorie 6

Dichtefaktoren von 1,5 — 1,9 Dichtekategorie 7

Dichtefaktoren von 1,9 — 2,3 Dichtekategorie 8

Dichtefaktoren von 2,3 — 2,7 Dichtekategorie 9

Dichtefaktoren über 2,7 Innerhalb jeder Dichtekategorie wurde pro Stadt jeweils ein Perimeter als Analyseraum festgelegt. 5 Auf diese Weise erfolgt je Dichtekategorie die Analyse von vier Perimetern aus vier Städten. Dieses Vorgehen bietet die Möglichkeit, unterschiedliche städtebauliche Muster aus verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichem Kontext, aber mit einer ähnlichen baulichen Dichte miteinander zu vergleichen. Die relative Konstanz der baulichen Dichte inner­­halb einer jeden Kategorie lässt Rückschlüsse zu, welchen Einfluss die Dichte der Bebauung auf die Atmo­s­phäre im Quartier hat. Bestimmt allein die bauliche Dichte bereits einen großen Teil der atmosphärischen Stimmung? Oder welche anderen Faktoren sind außerdem dafür verantwortlich?6

Die 36 Stadtperimeter In jeder der vier Städte wurden neun Stadtperimeter für die Analyse gewählt. Ein solcher Perimeter ist ein klar umgrenztes Gebiet der Stadt, das sowohl private Parzellen als auch öffentliche Straßen-, Park- und Platzräume mit einschließt. Jeder dieser Perimeter ist einer Dichtekategorie zugeordnet. Der Name einer zentralen Straße bezieht sich nicht nur auf diese, sondern gibt jeweils dem ganzen Perimeter seinen Namen. Die Perimeter werden daher im ganzen Buch wie folgt bezeichnet (Dichtefaktor in Klammern):

41 Dichtekategorie 1

Berlin — Privatstraße (0,23) München — Waldstraße (0,36) Wien — Schippergasse (0,31) Zürich — Im Heimgärtli (0,30)

Dichtekategorie 2

Berlin — Drakestraße (0,41) München — Reindlstraße (0,47) Wien — Pilotengasse (0,43) Zürich — Schlösslistraße (0,44)

Dichtekategorie 3

Berlin — Hochsitzweg (0,63) München — Quiddestraße (0,80) Wien — Larochegasse (0,70) Zürich — Altwiesenstraße (0,61) Dichtekategorie 4

Berlin — Goebelstraße (0,93) München — Konrad-Dreher-Straße (1,03) Wien — Prinzgasse (1,01) Zürich — Meierwiesenstraße (1,18) Dichtekategorie 5

Berlin — Senftenberger Ring (1,44) München — Holbeinstraße (1,37) Wien — Ringofenweg (1,31) Zürich — Scheuchzerstraße (1,28) Dichtekategorie 6

Berlin — Bonner Straße (1,53) München — Tumblinerstraße (1,78) Wien — Hasnerstraße (1,62) Zürich — Bändliweg (1,55) Dichtekategorie 7

Berlin — Christburger Straße (2,12) München — Pariser Platz (2,02) Wien — Fockygasse (1,96) Zürich — Kanzleistraße (1,96) Dichtekategorie 8

Berlin — Raabestraße (2,33) München — Im Tal (2,62) Wien — Hahngasse (2,49) Zürich — Spiegelgasse (2,52) Dichtekategorie 9

Berlin — Friedrichstraße (3,40) München — Schwanthalerstraße (2,89) Wien — Wollzeile (3,18) Zürich — Bahnhofstraße (2,78)

Methodik und Begriffe Die Kriterien für die Auswahl der Perimeter inner-­ halb jeder Dichtekategorie ist die entsprechende bauliche Dichte, die vergleichbar große Fläche, eine ähnliche Lage innerhalb der jeweiligen Stadt und ein möglichst breites Spektrum an städtebaulichen Bebauungsmustern, sowohl innerhalb der jeweiligen Dichtekategorie als auch im Vergleich aller untersuchten Perimeter.

Die 13 Analyseparameter Um feststellen zu können, welche weiteren Fak­toren neben der baulichen Dichte Einfluss auf die At­mo­s­­phäre nehmen, wird jeder der 36 Stadtperi­meter nach 13 Analyseparametern ausgewertet. Dazu gehören bauliche, außenräumliche, soziale und geschicht­liche Parameter:

Baujahr (BJ) Belegungsdichte (BD) Fluktuation (FL) Gebäudehöhe (H) Geschossanzahl (G) Geschossflächenzahl (GFZ) Grundflächenzahl (GRZ) Verhältnis Kubatur zu Fläche (KF) Mietpreis (MP) Nicht bebaute Fläche (NBF) Öffentliche Fläche (ÖF) Nutzung und (öffentliche) Erdgeschossnutzung (ÖN) Private Fläche (PF) Einerseits werden diese Parameter innerhalb jeder Dichtekategorie miteinander verglichen, um Rückschlüsse auf ihre Bedeutung für den Charakter in der jeweiligen Kategorie ziehen zu können. Andererseits erlaubt die Analyse dieser Werte über alle Dichte­ kategorien hinweg eine Bewertung ihres Einflusses auf die Atmosphäre der Stadtperimeter. Genaue Angaben zur Berechnung jedes ein­zel­ nen Parameters finden sich am Anfang des sogenannten Dichtekatalogs. Dort sind die wichtigsten Werte in Karten dargestellt und alle Analyseparameter jeweils als Balkendiagramme übersichtlich zusammen­gestellt. Am Ende des «Dichtekatalogs» sind alle Balken­ diagramme jeder Stadt jeweils zu einem Stadt­ diagramm zusammengefasst, um abschließend ein übersichtliches diagrammatisches Bild von Berlin, München, Wien und Zürich zu zeigen.

42 Die Atmosphäre Im Gegensatz zu den objektiv messbaren 13 Analy­ se­parametern unterliegt die Atmosphäre in einem Stadtquartier zum größten Teil der sub­jek­tiven Wahrnehmung jedes einzelnen Bewohners oder Passanten und dessen Beziehung zu dieser Umgebung. Allerdings gibt es neben den ganz persön­ lichen Zugängen auch weitgehend allgemein gültige Zusammenhänge, die zu einer atmosphärischen Wahrnehmung führen, die die meisten Menschen dort teilen. Diese hängt von bestimmten Zusammenstellungen verschiedenster Elemente im Stadtraum zusammen. Um diese Konstellationen im Außen­raum der verschiedenen Perimeter soll es in diesem Buch gehen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den öffentlichen Räumen. Doch um die subjektiven Anteile der Atmo­s­phäre wahrnehmen zu können, muss man eigentlich selbst in dieser Umgebung anwesend sein. Man muss sich räumlich in ihr befinden, um alle ihre Ingre­ dienzien sehen, riechen und spüren zu können. Dies ist bei einem Buch aber grundsätzlich nicht mög­lich. Deshalb werden hier folgende Darstellungsmittel verwendet, um die atmosphärische Stimmung zu vermitteln und nachvollziehbar machen zu können und auf diese Weise die Perimeter in den verschiedenen Städten und Dichtekategorien vergleichen zu können:

Standardisierte Quartiersfotografien In allen vier Städten wurden die öffentlichen Stra­ ßenräume sowie die halb öffentlich genutzten Außen­räume nach streng vergleichbaren Kriterien foto­grafiert (gleiche Höhe des Augpunkts der Kamera, Zentralperspektive, gleiche Tageszeit, ähn­ liche Wetter­verhältnisse). Diese Fotos finden sich im «Dichtekatalog» jeweils zu Beginn der jeweiligen Dichtekategorie, sie bieten einen anschaulichen Überblick über die außenräumlichen Situationen im jeweiligen Perimeter.

Vorgehen

Stimmungsfotografien Der Fotoessay fängt optisch die Stimmung in den verschiedenen Perimetern ein. Großformatige ­Fotoseiten zeigen den subjektiven Blick der Foto­ grafin, die exemplarische Ausschnitte des Lebens im Quartier festgehalten hat. Diese Fotos finden sich im Kapitel «Die Quartiere» sowie im Vor- und Nachspann dieses Buches.

Quartiersbeschreibungen Jeder der 36 Stadtperimeter wird mit seiner Ent­ stehungsgeschichte, seiner Lage im Gefüge der Stadt, seiner Verkehrsanbindung, seinem aktuellen Erscheinungsbild, seinem Straßenbild und seiner Stimmung aus der Sicht des Autors detailliert beschrieben, um den Charakter eines jeden Peri­ meters so genau wie möglich nachvollziehbar zu machen. Diese Quartiersbeschreibungen finden sich im Kapitel «Die Quartiere» und bilden neben dem Datenmaterial der Analyseparameter die Grundlage für die Auswertung und das Fazit dieses Buches.

43 Vorgehen und Methodik Alle diese Daten, Fakten und Beschreibungen ­werden analysiert und bewertet, um ein Fazit über den Zusammenhang zwischen baulicher Dichte und Atmosphäre ziehen zu können. Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile: die Dichteanalyse, die «Dichtegeschichten» und den «Dichtekatalog».

Die «Dichteanalyse» Die Dichteanalyse beinhaltet die textliche Analyse mit den Quartiersbeschreibungen, der Auswertung und dem Fazit. Sie gliedert sich in drei Unterkapitel:

Die Quartiere Zunächst werden die Grundvoraussetzungen jeder Dichtekategorie kurz umrissen, dann die vier jeweiligen Perimeter aus Berlin, München, Wien und Zürich beschrieben und abschließend ein kurzes Zwischenfazit zum Charakter der jeweiligen Dichtekategorie gezogen. So entsteht ein Überblick über alle neun Dichtekategorien und die 36 Perimeter.

Dichte, Atmosphäre und Zahlen Dann wird der objektiv erfassbare Anteil des Ver­ hältnisses zwischen Dichte und Atmosphäre in allen Dichtekategorien, Perimetern und Städten untersucht. Grundlage dafür ist das Plan-, Zahlen- und Datenmaterial, das im zweiten Teil dieses Buches, dem «Dichtekatalog», grafisch dargestellt ist. Zur Auswertung wird es mit den Erkenntnissen der Quartiersbeschreibungen in Beziehung gesetzt.

Dichte und Atmosphäre Aus der gewonnenen Erkenntnis wird nun ein um­fassendes Fazit der Untersuchung gezogen und die wichtigsten Faktoren für den Zusammenhang zwischen Dichte und Atmosphäre benannt. Zuletzt folgen Konsequenzen und Kriterien für zukünftige Quartiersplanungen.

Die «Dichtegeschichten» In den «Dichtegeschichten» erzählen vier Autoren in literarischer Form über je eine der vier Städte. Diese vier Erzählungen wurden extra für dieses Buch geschrieben und fangen aus der persönlichen Sicht eines jeden Autors den Charakter seiner eigenen Stadt ein: Bei den einen handelt es sich um ihre Heimatstadt, bei den anderen um ihre Wahl­ heimat. Berlin, München, Wien und Zürich werden so atmos­phärisch lesbar und durch einen kurzen Kommentar ergänzt.

Methodik und Begriffe

Der «Dichtekatalog» Der «Dichtekatalog» versammelt das gesamte objektiv mess- und darstellbare Datenmaterial nach ­Dichtekategorien, geordnet in Form von Fotos, Karten und Balkendiagrammen. Ein praktisches seitliches Daumenregister hilft beim Finden der jeweiligen Kategorie. So kann bei der Lektüre der Analysetexte im Teil der «Dichteanalyse» bei Bedarf schnell das jeweilige Datenmaterial im Katalog hinzuge­zogen werden. Auf diese Weise kann der Leser die Teile des Buches einzeln studieren und gleichzeitig alle Kapitel untereinander vernetzen und nach eigenen Bedürfnis­sen in Beziehung zueinander setzen.

1 Siehe dazu den Absatz: «Die 36 Peri­meter». 2 Siehe dazu den Absatz: «Die Dichtefaktoren». 3 Siehe dazu den Absatz: «Die Atmos­phäre». 4 Siehe dazu den Absatz: 5 Zu den Auswahlkriterien siehe den Absatz: «Die 36 Stadtperimeter». 6 Siehe dazu den Absatz: «Die 13 Analyseparameter».

die Quartiere

36 Stadtperimeter in 9 Dichtekategorien

Der Charakter eines Stadtquartiers hängt stark von seiner geschichtlichen Entstehung, der sozialen Zusammensetzung seiner Bevölkerung, der Lage und Nutzung, dem aktuellen Erscheinungsbild und vielem mehr ab. Im Folgenden werden jeweils die Grundvoraussetzungen jeder Dichtekategorie kurz umrissen, dann die vier jeweiligen Perimeter aus Berlin, München, Wien und Zürich prägnant beschrieben und abschließend ein kurzes Zwischenfazit zum Charakter der jeweiligen Dichtekategorie gezogen.

Dichtekategorie 1

( < 0.4 )

Einfamilienhaus-Idyllen 1: Haus und Garten

Zürich, Im Heimgärtli

48

Dichtekategorie 1

Der Traum vom eigenen Heim Mit der Dichtekategorie 1 beginnt die Analyse in locker bebauten Quartieren an den Rändern der Städte. Wer in eine solche Lage zieht, sucht ganz bestimmte Qualitäten. In den meist frei stehenden und von Gärten umgebenen Häusern leben Menschen, die ein geschütztes, intimes und privates Wohnen im Kontakt zur Natur suchen. Historisch sind die vier hier untersuchten Siedlungen Erweiterungen traditionell gewachsener Dorfstrukturen, die bereits am Anfang des 20.  Jahrhunderts als Reaktion auf die sprunghaft ansteigenden Bevölkerungszahlen und die Auswirkungen der Industrialisierung entstanden und infolgedessen in die benachbarten Städte eingemeindet wurden. Eine weitere Verdichtung der Innenstädte schien nicht mehr möglich. Unabhängig von ihrem Stand suchten Familien aller Einkommensklassen nach einem gesunden Leben mit frischer Luft, Licht und Sonne in grüner Umgebung. Vor diesem Hintergrund entwickelte Ebenezer Howard Ende des 19. Jahrhunderts die Idee der Gartenstadt. Von dem industriell besonders belasteten Großbritannien ausgehend erhoffte man sich von deren Grundsätzen bald im ganzen industrialisierten Mitteleuropa eine Entspannung in den überlasteten Stadtzentren. Zunächst auf genossenschaftlicher Basis fußend, bauten viele Städte nach englischem Vorbild solche Quartiere in städtischer oder privater Trägerschaft, allerdings ohne den Anspruch, je das Gesamtbild von Howards Gartenstadtvision vollumfänglich umsetzen zu wollen.1 Die durchgrünten Stadterweiterungen ergänzten eher fragmentarisch und nach pragmatischen Gesichtspunkten die bestehende Stadt. Entweder entstanden sie in landschaftlich begünstigten Gebieten oder auf Flächen, die auf einfache Weise die Erschließung günstigen Baulandes ermöglichten oder in der Nähe der neuen Fabriken an den Rändern der Städte lagen. Die Gärten wurden zunächst oft zur Selbstversorgung genutzt. Gerade in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war dieser Aspekt existenziell wichtig. Die regelmäßigen Reihen der relativ schnell errichteten und eher bescheidenen Siedlungshäuser aus den Nachkriegsjahren mit schmalen Straßen und optimierter Platzausnutzung prägen auch heute noch viele Randgebiete mitteleuropäischer Städte und tragen die Atmosphäre dieser Notjahre in unsere Zeit. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung wandelte sich die Bedeutung des eigenen Besitzes von der kollektiven Uniformität hin zum Genuss des eigenen kleinen Hoheitsgebiets, das sich individuell gestalten ließ. Bis in die Gegenwart hinein sind Einfamilienhausquartiere plakative Spiegelbilder unserer individualisierten Gesellschaft. Gemeinsam ist den vier analysierten Quartieren eine flächenhafte Homogenität in ihrer städtebaulichen Struktur. Als neue Siedlungsgebiete wurden sie nach den jeweiligen Bedürfnissen und Idealen ihrer Zeit planmäßig am Reißbrett entworfen und dann angelegt. Aufgrund dieser strukturellen Geschlossenheit verbinden sich bis heute viele dieser Vorstadtsiedlungen kaum mit den angrenzenden Stadtgebieten. Mit den Jahren entstand so der städtebauliche Flickenteppich aus verschiedensten städtebaulich isolierten Quartieren, der die gegenwärtigen Vorstädte prägt. Die Perimeter Das Quartier an der Waldstraße in München-Trudering (Dichtefaktor 0,36) ist ein Wohngebiet, das all diese Phasen der Entwicklung

1 Ebenezer Howards Gartenstadtmodell sah die Gründung großer neuer Stadtstrukturen auf dem Land außerhalb der gewachsenen Städte vor. Sie sollten aus mehreren konzentrisch-kreisför­ migen Bebauungsgürteln mit getrennten Funktionen bestehen, zwischen denen Ackerland lag. Als völlig neue Stadt­ utopie sollten sie den Gegensatz ­zwischen Stadt und Land aufheben und ein gesundes Wachstum der Städte er­möglichen. Zwar wurde nie eine davon realisiert, aber die Gartenstadtidee diente als Inspiration für die städtebau­ lichen Forderungen der Moderne und deren späte großmaßstäbliche Umset­z­ ungen nach dem Zweiten Weltkrieg.

49 durchgemacht hat. In den Jahren der Wohnungsnot des ausgehenden Ersten Weltkriegs entstand ab 1917 im Münchner Vorort Trudering die sogenannte Gartenstadt, zu der auch das Gebiet der Waldstraße gehört und die 1932 eingemeindet wurde. Die einst bedürftigen Bevölkerungsschichten mit ihren Selbstversorgergärten sind nach dem Krieg schrittweise einer gehobenen Bürgerschaft gewichen, die das ruhige und familiäre Leben im Grünen mit guter Anbindung an die Stadt schätzt. Seit der Schließung des alten Flughafens und dem Bau der U-Bahnlinie zur Messestadt Riem im Jahr 1999 steigen die Bevölkerungszahlen sprunghaft an, und die Gartenstadt Trudering ist inzwischen eines der beliebtesten Wohnviertel Münchens. Diese sukzessive Entwicklung kann man gut an der Gestaltung der einzelnen Häuser ablesen. In dem Netz aus ruhigen Wohnstraßen, das unterschiedlich große Straßenkarrees umspannt, stehen neben einfachen Bauten mit Walmdach aus der Entstehungszeit der Siedlung Doppelhäuser aus den 1950er-Jahren, Zweifamilienhäuser der 1970er-Jahre im folkloristischen Voralpenstil stehen renovierten 1960erJahre-Bungalows gegenüber, zwischen ihnen ragen neben postmodernen Villen Baukräne aus frisch ausgehobenen Baugruben. Betrachtet man die Schwarzpläne der vier Quartiere, so fällt auf, dass Trudering das Gebiet mit den größten Freiflächen ist, gleichzeitig aber auch die größte bauliche Dichte aufweist. Dies liegt an einer gezielten Konzentration der Baumassen in mehrheitlich zweigeschossigen Einfamilien- und Doppelhäusern an den Rändern der ungewöhnlich tiefen Parzellen. Dadurch entsteht im Binnenbereich der Gevierte ein äußerst großzügiger, optisch zusammenhängender Gartenraum. 2 Von Anfang an wurde in diesem Bereich eine zweite Baulinie eingeführt. Hier stehen bisher meist kleine Gartenlauben und nur wenige Wohnhäuser, die sich bei Bedarf über Stichwege erschließen lassen. Diese Bebauungsreserve könnte auf Kosten der Gärten bald intensiver genutzt werden, wie es im östlichen Teil des Untersuchungsgebiets bereits jetzt geschieht. So würde sich eine noch deutlich höhere Dichteziffer ergeben. Die urbane Tendenz des Quartiers spiegelt sich auch in der Konzentration des öffentlichen Raums wider. Zwar ist der Anteil der öffentlichen Flächen in Bezug zur Gesamtfläche des Perimeters mit knapp 12,5 Prozent mit Abstand der niedrigste der vier Untersuchungsgebiete. Betrachtet man jedoch den weiteren Zusammenhang der Gartenstadt, so fällt auf, dass immer wieder kleinere und größere Parks in die Siedlung eingestreut sind, in denen öffentliche Bereiche als Flächen zusammengefasst werden, die ähnlich wie städtische Plätze gemeinsam nutzbare Freiräume bilden. Sie setzen Schwerpunkte in dem ansonsten gleichförmigen Wohngebiet, wo sich trotz der so unterschiedlichen Häuser die Straßenzüge zum Verwechseln gleichen. 3 Die Nähe zu städtischen Verhältnissen zeigt sich außerdem in der hohen Anzahl parkender Autos in den relativ breiten Straßen mit beidseitigen Gehwegen. Außerdem hat das dynamische Quartier die höchste Fluktuationsrate aller Perimeter. Obwohl die Schippergasse in Wien-Großjedlersdorf (Dichtefaktor 0,31) auf den ersten Blick ein ganz ähnliches Straßenbild bietet, herrschen hier ruhigere Verhältnisse als in München. Die Häuser sind etwas niedriger, die Straßen etwas grüner, und die Bewohner zeigen die größte Wohnstabilität aller vier Quartiere. Trotzdem wirkt die Bebauung im Schwarzplan am dichtesten, was die hohe Grundflächenzahl von 0,19 bestätigt. Mit einer Geschossflächenzahl von 0,31 liegt die bauliche Ausnutzung des Gebiets aber deutlich unter der in

Haus und Garten

2 Eine ähnliche städtebauliche Lösung ­ mit größerer Dichte (größere Häuser auf kleineren Parzellen) findet sich in der Villenkolonie Lichterfelde, siehe Peri­ meter «Drakestraße» Dichtekategorie 2.

3 Wäre ein solcher Grünbereich, wie beispielsweise der entlang der ­Waldstraße, Bestandteil des unter­ suchten Perimeters, so würde die Prozentzahl der öffentlichen Fläche weit höher ausfallen.

Berlin, Privatstraße München, Waldstraße

52 München. Diese bescheidenere Ausstrahlung des Quartiers hat ihre Wurzeln in seiner Entstehungsgeschichte, die eng an die Industrialisierung des Gebiets geknüpft ist. Wie Trudering war auch Jedlersdorf einst nur ein kleines Dorf in den Donauauen vor den Toren Wiens. Durch den Bau der Nordwestbahn entstanden bereits ab 1872 neben der großen Eisenbahnfabrik viele weitere Industriebetriebe. Nach der Eingemeindung als 21. Bezirk der Stadt Wien Anfang des 20. Jahrhunderts machte der anhaltende Zuzug kinderreicher Arbeiterfamilien den Bau verschiedener Werks- und Arbeitersiedlungen notwendig. Eine von ihnen ist die Ende der 1920er-Jahre gegründete Arbeitersiedlung Schotterfeld. Die schnelle Entwicklung der Industrie prägt Großjedlersdorf bis in die Gegenwart hinein. Die kleinbürgerliche Idylle der Siedlung ist heute umgeben von einem Sammelsurium großmaßstäblicher Bebauungsstrukturen am Rand zum offenen Landschaftsraum. 4 Auch hier sieht man den einzelnen Häusern ihr jeweiliges Baujahr an, aber die städtebauliche Gesamtstruktur ist deutlich gleichmäßiger angelegt. Die älteren Straßenzüge sind schmal, mit unbefestigten Gehwegen, die großzügiger gestalteten jüngeren haben beidseitig Gehwege und sind teils von Baumreihen zwischen Straße und Trottoir begleitet. Sie umschließen schmale und annähernd gleich große Bebauungskarrees, die sich an der ehemaligen Aufteilung der landwirtschaftlichen Felder orientieren. Trotz des höchsten Anteils an öffentlichen Flächen (knapp 16 Prozent) fehlen Parks vollständig. Als gemeinsam nutzbarer Raum dient ausschließlich die Straße. Diese bleibt aber aufgrund mangelnder Aufenthaltsqualität meist leer. Das Leben findet in den privaten Häusern und Gärten statt. Diese hohe Gewichtung der Intimsphäre zeigt sich auch in der Belegungsdichte, die besagt, dass jedem Bewohner der Schippergasse durchschnittlich knapp 118 Quadratmeter Geschossfläche zur Verfügung stehen. Ein noch gleichmäßigeres Bild zeigt die Siedlung Im Heimgärtli in Zürich-Albisrieden (Dichtefaktor 0,30). Im Unterschied zu den

anderen drei Quartieren wurde sie 1933 als einfache Arbeitersiedlung mit Gärten zur Selbstversorgung erbaut und wirkt bis heute wie aus einem Guss. Auch das Heimgärtli liegt in einer ehemaligen Vorstadt, die mit Entwicklung der Industrie 1934 in die Stadt Zürich eingemeindet wurde. Weil Albisrieden nachmittags im Schatten des Uetlibergs liegt, ge­hörte es allerdings trotz seiner Naturnähe nie zu den bevorzugten Wohn­la­ gen Zürichs. Der gesamte Fuß des Berghangs wurde deshalb nach und nach von Baugenossenschaften mit einfachen Zeilenbauten ­und kleineren Einzelhäusern bestückt. Erst in jüngster Zeit werden einige dieser Siedlungen durch Neubauten in größerem Maßstab ersetzt. Die Bebauungsstruktur des Heimgärtlis ist äußerst einfach und platzsparend. Das relativ kleine Gebiet wurde in genau gleich große Grundstücke aufgeteilt. Die Straße «Im Heimgärtli» bildet als ruhige Sackgasse die Mittelachse des Quartiers. Die völlig gleich erbauten zweigeschossigen Satteldachhäuschen stehen jeweils mittig in der Liegenschaft. So sind die Einzelbauten zwar durch Grünzonen von­ einander abgesetzt, der private Garten schrumpft allerdings zu einem schmalen Streifen um das Haus herum. Dieser wird jedoch intensiv genutzt, sodass viele der bescheidenen Häuser heute fast im Grün verschwinden. Die beiden mittleren Straßengevierte wurden zur besseren Ausnutzung des Grunds sogar dreireihig bebaut. Die mittlere Häuserreihe ist nur über Stichzufahrten erschlossen. Obwohl im Laufe der Zeit eine langsame Anpassung der einzelnen Häuser an die veränderten Wohnbedürfnisse erfolgte, blieb

Dichtekategorie 1

4 Siehe dazu auch die Siedlungen «Pilotengasse» (Dichtekategorie 2) und «Prinzgasse» (Dichtekategorie 4) in ähnlicher Lage in der Wiener Donaustadt.

53 die serielle Reihung der Häuser erhalten, da mangels freier Grundstücksfläche keine größeren Anbauten möglich sind. Wie in Wien herrschen eine große Identifikation mit dem Quartier und damit eine hohe Wohnstabilität. Mit gut 14 Prozent liegt der Anteil der öffentlichen Fläche zwar noch im Durchschnitt der Dichtekategorie 1, konzentriert sich aber ausschließlich auf das schmale Wegenetz der Siedlung, ohne erkennbare Schwerpunkte zu setzen. Durch die geringe Breite der gehweglosen Straßen entsteht in der Siedlung eine große nachbarschaftliche Nähe, die ein intimes Gemeinschaftsgefühl unter den Siedlungsbewohnern herstellt. Im Gegensatz zu den eher repetitiv und flächenhaft wirkenden städtebaulichen Gefügen in München, Wien und Zürich zeigt die Siedlung Privatstraße in Berlin-Hohenschönhausen (Dichtefaktor 0,23) eine eigenwillige, strenge Struktur. Das ehemalige brandenburgische Straßendorf Hohenschönhausen, das 1920 nach Großberlin eingemeindet wurde, hatte aufgrund der kleinen umliegenden Seen einen Ruf als ländliche Oase. Als sich hier zusätzlich Industrie ansiedelte, wuchs die Einwohnerzahl schnell an, sodass man begann, rund um den historischen Dorfkern herum strahlenförmig neue Siedlungen anzulegen. Auf einem der nördlichen tortenstückförmigen Abschnitte dieser Erweiterung entstand ab 1936 eine Einfamilienhaussiedlung auf privatem Grund. Die Struktur dieser Siedlung, deren konsequent durchnummerierte Straßen bis heute schlicht «Privatstraße» heißen, richtet sich radial auf das alte Dorfzentrum aus. Die gebogenen, gehweglosen Seitenstraßen sind relativ schmal und strahlen mit ihren unbefestigten Rändern eine dörfliche Atmosphäre aus. Eine breite Hauptachse mit Grünstreifen und Gehwegen kreuzt sich in der Mitte mit einer verbreiterten Querstraße an einer kleinen Grünanlage, die das Zentrum des Quartiers bildet. Umgeben von einfachen Wohngebieten, großmaßstäblichen Plattenbausiedlungen und Schrebergärten wirkt die Siedlung stark auf sich selbst bezogen und inselhaft nach außen hin abgeschlossen. Die schmalen Grundstücke sind im Wesentlichen gleich groß. Die kleinen Häuser aus allen Entwicklungsperioden liegen nahe an der Straße, und ihre rückwärtigen Gärten bilden ähnlich wie in München pro Karree einen gemeinsamen geschützten Grünbereich, in dem inzwischen verschiedene Kleinbauten und auffällig viele kleine Pools entstanden sind. Die Siedlung hat mit Abstand die geringste bauliche Dichte aller untersuchten. In der Lockerheit ihrer Bebauung, der intensiven Nutzung der Gärten und der Nähe der Nachbarschaften wirkt das Quartier fast wie eine Laubensiedlung. Diese Bescheidenheit zeigt sich auch in der Belegungsdichte von 68 Quadratmetern Geschossfläche, die jedem Siedlungsbewohner zur Verfügung stehen. Obwohl mit der zentralen Grünfläche und den beiden breiten Achsen groß-zügige öffentliche Räume angeboten werden, konzentriert sich das Leben auf die liebevoll gepflegten Häuser und Gärten. Das Eigene und das Gemeinsame Die untersuchten Gebiete in der Dichtekategorie 1 sind reine Wohngebiete, in denen der Schwerpunkt der aktiven Nutzung im privaten Bereich liegt. Die Straße dient meist nur als Verkehrsweg und ­ Verbindung zur Stadt, da öffentlicher Verkehrsanschluss und fußläufig erreichbare Infrastruktur fehlen. Erst ab einer gewissen baulichen

Haus und Garten

Berlin, Privatstraße München, Waldstraße

57 Dichte kommt der öffentliche Raum als notwendiger Aktionsraum zum Tragen. Der Charakter eines Gebiets wird aber in allen Bebauungsdichten dieser Kategorie stark durch die Verteilung und die Form des öffentlichen Raums bestimmt. Die Münchner Gartenstadt zeigt die klarsten räumlichen Formen und die entschiedenste Differenzierung zwischen öffentlichem und privatem Raum. Die nah an der Straße aufgereihten und meist zweigeschossigen Häuser bilden einen fast städtisch gefassten Straßenraum, dem auf der Rückseite der Häuser ein ebenfalls klar definierter Gartenraum gegenüberliegt. Sowohl Baumassen wie auch Freiräume konzentrieren sich. Im genauen Gegensatz dazu versucht das Zürcher Heimgärtli den öffentlichen Raum zugunsten des privaten beinahe zum Verschwinden zu bringen. Im Schwarzplan wirkt die Verteilung der immergleichen ebenfalls zweigeschossigen Häuser so gleichmäßig, dass die Straßen kaum auszumachen sind. In ihrer Schmalheit können ­und wollen sie das grüne Ineinanderfließen der Gärten kaum voneinander trennen. Die Siedlungsgemeinschaft steht im Vordergrund. Zwischen diesen beiden Polen sind die anderen Quartiere angesiedelt. Obwohl die Wiener Schippergasse den höchsten An­teil an öffentlichem Raum aufweist, zeigt der Perimeter im Schwarzplan eine ähnlich gleichmäßige Verteilung der Bebauung wie das ­ Zürcher Heimgärtli und erinnert gleichzeitig in Bezug auf das Straßenbild an München. Aber einerseits sind die Straßen in Wien zu breit, als dass der Gartenraum als Dominante durch die Siedlung fließen könnte, und andererseits sind die Häuser im Durchschnitt zu niedrig und zu «eingewachsen», um einen klaren Straßenraum zu bilden. Weit differenzierter geht die Berliner Siedlung mit der Verteilung der Räume um. Als Perimeter mit der geringsten Dichte haben die Häuser ähnlich wie in Wien nur durchschnittlich anderthalb Geschosse. Ihre Grundfläche fällt jedoch kleiner aus und lässt die Gärten ähn­­lich wie in Zürich über die schmalen Straßen eng zusammenrücken. Der öffentliche Raum konzentriert sich in dem breiten Achsenkreuz und dem kleinen Park in der Mitte, was dem Gebiet eine ländliche Atmosphäre mit Dorfplatz, Hauptstraße und Nebenwegen verleiht.

Wien, Schippergasse

Haus und Garten

Dichtekategorie 2

(0.4 — 0.6)

Einfamilienhaus-Idyllen 2: Urbane Gartenstädte

Wien, Pilotengasse nächste Seite: München, Reindlstraße

61

Urbane Gartenstädte

Garten und Stadt Auch die Quartiere der Dichtekategorie 2 sind Siedlungen, die zumindest bei ihrer Gründung am Rande der Städte lagen. Im Gegensatz zur ersten Kategorie wollen ihre Bewohner aber nicht nur die Idylle ihrer Gärten genießen, sondern suchen das Leben im Grünen

mit engem Anschluss an die städtische Gesellschaft.

Die vier ausgewählten Quartiere spannen in ihrer Entstehungszeit einen Bogen über mehr als ein ganzes Jahrhundert. Entsprechend unterschiedlich sind die Beweggründe für ihre Anlage und die Ansprüche ihrer Erbauer. Die Anlagen reichen von Villenkolonien des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts über pragmatische Stadterweiterungen der Zwischenkriegszeit bis hin zu dem Versuch, den gesichtslosen Ausuferungen am Stadtrand in neuester Zeit eine entschiedene und kompakte Form entgegenzustellen. Bei allen typologischen und empirischen Unterschieden ist den untersuchten Siedlungen aber gemeinsam, dass sie grundsätzlich am privaten Haus mit Garten festhalten und dieses Streben gleichzeitig in dichteren städtebaulichen Formen wie herrschaftlichen Villen und langen Reihenhauszeilen umsetzen. Die größere Geschlossen­heit der Bebauung und kleinen quartiersbezogenen Infrastruktureinrichtungen wie Restaurants, Läden und Gemeinschaftshäuser, die ­zu Fuß erreichbare Treffpunkte im Quartier bilden, lassen Ansätze eines städtischen Wir-Gefühls entstehen. Zum einen Teil macht ihre bevorzugte Lage mit direktem Anschluss an die Innenstadt diese Gebiete zu äußerst begehrten Wohnlagen, in denen Höchstpreise für Miete und Kauf erzielt werden. Zum anderen Teil versuchen die Anlagen selbst ein urbanes Lebensgefühl in die Peripherie zu tragen. Die Perimeter Das Quartier an der Drakestraße in Berlin-Lichterfelde (Dichtefaktor 0,41) ist das älteste der vier untersuchten Gebiete. Es liegt in der Villenkolonie Lichterfelde-West, die ab 1860 nach englischen Vorbildern als frühestes Villenviertel Berlins auf privatem Grund entstand. Gründer und Initiator war der Hamburger Geschäftsmann Johann Anton Wilhelm von Carstenn, der das Gebiet als professioneller Projektentwickler vermarktete. Er erschloss brachliegende Äcker in der Nähe des Dorfs Lichterfelde mit Straßen, S-BahnAnschluss und sogar der ersten elektrischen Tramlinie der Welt und band das neue Siedlungsgebiet auf diese Weise direkt an die Stadt Berlin an. Ein kleines Quartierszentrum mit Geschäften, Restaurants, Gemeindehaus und Biergarten um den Bahnhof und entlang der Drakestraße machte die Villenkolonie von Anfang an unabhängig von den umliegenden Dörfern, das bis heute als Tor zur Stadt fungiert. Jeder Käufer1 konnte auf seinem Grund eine Villa nach eigenem Geschmack errichten, was zur Zeit des Historismus zu einer großen Vielfalt fantasievoller Baustile führte. Da die Bauten jedoch strenge Vorschriften hinsichtlich des Städtebaus und ihres Reprä­ sentationsanspruchs erfüllen mussten2 , entstand bis Anfang des 20. Jahrhunderts eine in ihrer städtebaulichen Geschlossenheit und außergewöhnlichen architektonischen Vielfalt einzigartige Villen­ kolonie, die zum Vorbild für andere Siedlungen dieser Art wurde. In der Wohnungsnot nach 1945 wurde ein großer Teil der Villen in Ein­zelwohnungen aufgeteilt. Durch den Krieg gerissene Baulücken wurden teilweise mit neuen, pragmatisch ausgerichteten Mietshäusern

1 Um die Grundstücke gewinnbringend zu verkaufen, finanzierte der geschickte Geschäftsmann Carstenn in Lichterfelde den Bau der preußischen Hauptkadettenanstalt, wodurch die Gegend schnell zu einer bevorzugten Wohnlage des adeligen preußischen Offizierskorps avancierte. 2 Die Häuser mussten unter anderem eine gemeinsame Baulinie einhalten und eine repräsentativ gestaltete Fassade (in welchem Stil auch immer) zur Straße ausbilden.

62 gefüllt. Der Großteil der historisierenden Villen blieb aber erhalten und steht heute weiträumig unter Denkmalschutz. Das Untersuchungsgebiet um das Straßenkreuz Drake- und Holbeinstraße ist typisch für die Kolonie. Die kompakten Straßenkarrees werden von meist frei stehenden Häusern umstanden, die an den Straßenecken zu kleinen Villenanlagen zusammengefasst und mit Türmchen3 bekrönt sind, um den Kreuzungen ein platzähnliches, urbanes Gepräge zu verleihen. Hier finden sich auch einzelne Läden und Restaurants. Alle Häuser reihen sich mit einem Vorgartenab­ stand entlang einer Baulinie an den Straßen auf. Das typische Hochparterre der meist zwei- bis dreigeschossigen Villen wird als repräsenta­tive Beletage über Treppenanlagen betreten. Im Garten stehen heute umgenutzte Kutscherhäuser sowie einzelne Villen auf Binnengrundstücken mitten in den Bebauungsgevierten. Zwar ist die Drakestraße als Durchgangsstraße inzwischen geteert, aber die Nebenstraßen verbreiten mit dem alten Kopfsteinpflaster und der traditionellen Gasbeleuchtung noch die Atmosphäre der Entstehungszeit. Trotz seiner architektonischen Vielfalt wirkt das Quartier durch das Grün der alten Gärten und die großen, alleeartig angelegten Bäume zwischen den beidseitigen Gehwegen und der Straße sehr ruhig und homogen. Auf dem Weg zum Bäcker, zur S-Bahn oder ins Restaurant treffen sich Nachbarn, sodass umgeben von aller Ruhe ein moderates Straßenleben stattfinden kann. Aufgrund dieser Qualitäten und des Bahnanschlusses für eine schnelle Verbindung nach Berlin-Mitte erfreute sich die Villenkolonie Lichterfelde nach der Wende bis in die jüngste Zeit hinein insbesondere bei Diplomaten wieder als äußerst beliebte Wohngegend.

Dichtekategorie 2

3 Sie werden im Volksmund «Lichterfelder Türmchenvillen» genannt.

Das Siedlungsgebiet um die Schlösslistraße am Zürichberg (Dichtefaktor 0,44) entstand größtenteils zu Beginn des 20. Jahrhunderts als gehobenes Villenquartier. Bereits ein Blick auf den Schwarzplan zeigt eine deutlich andere Struktur als in der Drakestraße. Wo in Berlin ein flächiges Straßennetz klar definierte Bebauungskarrees bildet, zeigt der Zürichberg eine weitgehend gleichmäßige Verteilung von Einzelhäusern. Ein Grund dafür ist die völlig andere topografische Lage. Die Schlösslistraße liegt im Zürcher Stadtbezirk Fluntern, der ursprünglich vom Weinbau an den steilen Südhängen des Zürichbergs lebte. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt im 19. Jahrhundert erhielt der Berg plötzlich eine neue Bedeutung. An seinem Fuß wurden anstelle der abgebrochenen Stadtbefestigung die prestigeträchtigen Gebäude der Universität, der ETH und des neuen Spitals gebaut, und die aussichtsreichen Weinberge wurden zu begehrten Wohnlagen für wohlhabende Bürger, die dem Dunst der Abgase der wachsenden Industrie im Limmattal und der drückenden Nebeldecke der Zürcher Winter entfliehen wollten. 4 Die gewundene Wegestruktur des Quartiers ersetzte auf Basis des neuen Bebauungsplans von 1901 die steilen alten Rebbergpfade. Mit der Erfindung des Automobils wurde die Gegend leichter erreichbar und bei der reichen Bürgerschaft immer beliebter. Schnell wurde der zur Verfügung stehende Baugrund entsprechend knapper und wertvoller. Je jünger die Bebauung ist, desto kleiner fallen daher die Grundstücke aus. In den 1950er-Jahren entstanden zwischen den alten Villen einfachere Einfamilienhäuser und Genossenschaftsbauten. Heute herrscht eine rege Bautätigkeit im Quartier. Der steigende Bedarf an repräsenta­ tivem Wohnraum erzeugt seit Jahren einen erhöhten privaten Investitionsdruck. 5 Das Gebiet ist zwar über die nahe Seilbahn Rigiblick, eine Tramstrecke und eine Buslinie an die Innenstadt angebunden, das

4 Die Vorgänger der Villen waren große Landgüter städtischer Familien wie das Schlössli Susenberg, das der Schlössliund der Susenbergstraße ihren Namen gab. Es wurde 1909 von der Baugesellschaft Phoenix gekauft, abgerissen und samt den umliegenden Gütern, die den Perimeter bilden, gewinnbringend vermarktet. 5 Meist werden die alten Villengebäude abgebrochen und durch Neubauten mit luxuriösen Eigentumswohnungen ersetzt, die das Grundstück maximal ausnützen und zur Verdichtung des Quartiers beitragen.

Berlin, Drakestraße

Berlin, Drakestraße Zürich, Schlösslistraße

66 Auto bleibt aber das gebräuchliche Verkehrsmittel im Quartier. Durch die sonnige Lage und die Nähe zur City auf der einen und zum Waldgebiet des Zürichbergs auf der anderen Seite ist das Quartier Schlösslistraße eine der teuersten Wohngegenden in ganz Zürich. Entsprechend wichtig ist den Bewohnern der Schutz ihrer Privatsphäre. Das Straßenbild wird von den Stützmauern der Terrassengrundstücke, in denen oft auch die Garagen liegen, und durch schützende hohe Hecken geprägt. Die Straßen selbst zeugen von sehr unterschiedlicher Qualität. Die flacheren Straßen entlang der Höhenlinien sind breiter und einseitig von Gehwegen begleitet. Die steileren Straßen am Hang sind oft deutlich schmaler, ohne Trottoir und teils gepflastert. Zusätzlich bieten steile Treppenwege Abkürzungen für Fußgänger.6 Im Gegensatz zu den beiden gründerzeitlichen Quartieren in Berlin und Zürich mit ihren meist frei stehenden Villen setzen die jüngeren und bescheideneren Siedlungen in München und Wien auf die Qualitäten kompakter Reihenhauszeilen. Die kleinbürgerlichen Zeilenbauten im Perimeter um die Reindlstraße in München-Laim (Dichtefaktor 0,47) gehören zur Siedlung Neu­ friedenheim, die in der Zeit der Weimarer Republik um 1930 als sozialer Wohnungsbau von der «Gemeinnützigen Wohnfürsorge» im Rahmen eines groß angelegten Bauprogramms zur Linderung der grassierenden Wohnungsnot errichtet wurde. Der Architekt Bruno Biehler plante neun zweigeschossige Häuserzeilen, die im Osten eine zehnte viergeschossige Zeile7 vom Lärm der viel befahrenen Fürstenrieder Straße abschirmt. Jeweils zwei der ruhigen Wohnzeilen umschließen insgesamt vier grüne Gartenräume, die sich leicht strahlenförmig nach Süden öffnen. Ein schmaler, von Hecken begleiteter Kiesweg erschließt jeweils in ihrer Mitte die einzelnen Parzellengärten wie in einer Laubengartensiedlung. Diese Gartenbereiche sind im Norden von eingeschossigen Verbindungsbauten mit kleinen Läden und Garagen zur Inderstorferstraße abgeschlossen. Der mittlere von ihnen liegt etwas zurückgesetzt, wodurch zur Straße ein kleiner öffentlicher Park entsteht. Zwischen den parallelen Zeilen verlaufen schmale, baumlose Straßen mit beidseitigen Gehwegen. Die kleinen Vorgärten und Zugänge der Häuser sind nur durch eine niedrige Stufe und ohne Zäune oder Mauern vom Straßenraum abgesetzt. Dadurch werden diese privaten Flächen optisch zum Teil des öffen­­t­ lichen Raums und begrünen die Straße. Um die Gleichförmigkeit der Häuserzeilen aufzulockern, hat der Architekt außerdem die Reihen in jeweils zwei bis sechs unterschiedlich lange Teilstücke gegliedert und mit erdigen Pastelltönen farblich unterschiedlich gestaltet. 8 Das feinmaschige Wegenetz und der kleine Maßstab sowohl der Häuser als auch der Straßenräume verleihen dem Quartier eine intime, beinahe dörflich anmutende Ausstrahlung. Sowohl in den Straßen als auch in den Gärten verschwimmt die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Raum. Tatsächlich verfügt die Siedlung Neufriedenheim trotz der höchsten baulichen Dichte mit Abstand über den größten Anteil öffentlicher Flächen aller vier untersuchten Perimeter dieser Kategorie. Die tatsächlich öffentlich genutzten Räume wie die kleine Parkanlage und die Geschäftszeilen auf der einen Seite und die Gaststätte mit Biergarten gegenüber der katholischen Kirche auf der anderen orientieren sich aber nach außen zu den größeren Straßen. So bleibt das Innere der Siedlung eine ruhige Einheit, die ein Fremder nur mit Zögern betritt. Da die Geschlossenheit der Siedlung bis heute weitgehend originalgetreu erhalten ist, steht sie inzwischen unter Denkmalschutz.

Dichtekategorie 2

6 Diese steilen Fußwege folgen oft noch den alten Rebbergpfaden.

7 Die viergeschossige Zeile liegt außerhalb des Perimeters.

8 Eine ähnliche städtebauliche Konstellation mit um ein Geschoss höheren Häusern zeigt die Siedlung am «Hochsitzweg in Berlin» (Dichtekategorie 3).

Zürich, Schlösslistraße

68 Auf den ersten Blick wirkt die Anlage der Pilotengasse in WienAspern (Dichtefaktor 0,43) wie die zeitgenössische Version der Münchner Siedlung. Und tatsächlich finden sich viele Parallelen. Auch hier gliedern sich lange Reihenhauszeilen in kleinere Abschnitte, und teils erdige, teils äußerst kräftige Farben mildern deren Monotonie. Auch hier führt ein feinmaschiges Wegenetz durch die zweigeschossigen Häuserreihen. Doch wo sich das Quartier um die Münchner Reindlstraße in ein bestehendes städtebauliches Umfeld einpasst, gerät die Siedlung Pilotengasse zu einem privatisierten Experiment auf der grünen Wiese. Das streng rechteckige und ebene Grundstück wurde als Ganzes einschließlich der Verkehrswege und der Infrastruktur vom Österreichischen Siedlungswerk als Bauträger entwickelt und von 1989 bis 1992 bebaut. Als manifestartige Mustersiedlung sollte sie das Potenzial der baulichen Verdichtung am ausufernden Stadtrand ausloten. 9 Doch statt klare dörfliche oder städtische Räume zu bilden, spannen die drei Architektenteams von Adolf Krischanitz, Steidle + Partner sowie Herzog  &  de Meuron in ihrem gemeinsamen Bebauungsplan eine Fläche voller abstrakter Bezüge auf.10 Die Radien der sechs langen, gebogenen Reihenhauszeilen beziehen sich auf imaginäre ferne Zentren außerhalb der Parzelle. Daher weiten und verengen sich ihre Zwischenräume mit den Gärten und den schmalen Privatwegen, ohne eine reale Mitte zu fassen. Auf der Westseite wird diese Struktur von einer langen, geraden Reihenhauszeile flankiert, deren Einzelhäuser durch eingeschossige Anbauten im Garten voneinander separiert sind. An der Ostseite öffnet eine Reihe von frei stehenden Ein- und Zweifamilienhäusern die Siedlung optisch nach außen. Die Architekten sprechen von einer gewebeartigen Überlagerung der in Nord-Süd-Richtung längs orientierten baulichen Struktur mit dem quer dazu ausgerichteten Beziehungsfeld der Gärten und Grünräume.11 So laufen die einzelnen Zeilen mit individuell gestalteten Kopfbauten folgerichtig in einer quer gelagerten Grünanlage mit zwei Gemeinschaftshäusern und einem Spielplatz aus. Die Pilotengasse liegt zirka 14 Kilometer vom Zentrum Wiens entfernt, ist aber über eine U-Bahnstation gut an die Innenstadt angebunden. Als Mustersiedlung unternahm sie den Versuch, eine flächige Struktur ohne Zentrum zu entwickeln, die die Vorzüge des städtischen Lebens und seiner gesellschaftlichen Pluralität mit den Freuden des ruhigen Lebens am grünen Stadtrand vereinen sollte. Um die strenge Ordnung des Bebauungsfeldes entsprechend zu individualisieren, führten die Architekten verschiedene Typologien in unterschiedlichen Farben und Bewegungen zusammen.12 Es gibt nur einen zentralen Parkplatz auf der Nordseite des Perimeters, alle Binnenwege sind ausschließlich zu Fuß zu benutzen. Familiäres Leben mit städtischem Anschluss Die vier Quartiere der Dichtekategorie 2 versuchen den Spagat zwischen dem selbst bestimmten Familienleben am grünen Stadtrand und dem Teilhaben an den Vorteilen des gesellschaftlichen Stadtlebens. Trotz einer ähnlichen baulichen Dichte zeigen sie völlig unterschiedliche Charaktere. Erstaunlicherweise wirkt das am wenigsten dicht bebaute Gebiet um die Drakestraße in Berlin am urbansten, und das, obwohl hier wie in neuesten Einfamilienhausquartieren die unterschiedlich­ sten privaten Wohnträume nebeneinander stehen. Die Gründe dafür liegen einerseits in der städtebaulichen Struktur aus Gebäudekarrees,

Dichtekategorie 2

9 Vergleiche dazu auch den Perimeter «Ringofenweg» (Dichtekategorie 5) als ähnliches Experiment mit höherer Dichte. 10 Man könnte die einzelnen Baukörper der Siedlung auch als baukastenartige Sammlung von Bebauungstypologien moderner Siedlungen der 1920er- und 1930er-Jahre verstehen, wie man sie bis in die Details und die Farbgebung hinein bereits in der Zehlendorfer Waldsiedlung «Onkel Toms Hütte» in Berlin findet (siehe Perimeter «Hochsitzweg», Dichtekategorie 3).

11 Ebenda.

12 In der Siedlung finden sich insgesamt 21 verschiedene Wohntypen: davon 13 Einzelhäuser, 5 Doppelhäuser mit 10 Wohnungen, 6 Geschosswohnungen, 35 Reihenhäuser mit 172 Wohnungen und 2 Gemeinschaftshäuser.

69 die ähnliche Proportionen und Größen wie in gründerzeitlichen Innen­ stadtvierteln aufweisen und die Ecken mit einer geschlossenen Bebauung betonen. Andererseits homogenisieren die alten Allee­ bäume die Straßenansichten. Die oft dreigeschossigen Schaugiebel der Villen geben dem Gebiet zusätzlich eine städtische Höhe und zeigen den individuellen Repräsentationswillen einer städtischen Gesellschaft. Mit seinem kleinen Geschäftszentrum und dem eigenen S-Bahnhof ist das Quartier gleichzeitig das eigenständigste der vier Untersuchungsgebiete. Das Villenquartier am Zürichberg zeigt einen ganz anderen Charakter. Mit weniger als 14 Prozent liegt der Anteil öffentlicher Räume unter dem in Berlin. Auch fehlt eine öffentliche Infrastruktur im Gebiet fast völlig. Im Gegensatz zu den Lichterfelder Repräsentationsbauten wenden sich die Villen am Zürichberg mit ihren bescheideneren Fassaden und dem Abrücken von der Straße eher dem privaten Innenraum der Gärten und Häuser zu.13 In den Jahren der Wohnungsnot nach dem Krieg schien den Planern der große Platzverbrauch frei stehender Einfamilienhäuser nicht mehr angemessen. In vielen Siedlungen der Moderne, wie in der um die Münchner Reindlstraße, rückten die Menschen nun in dorfähnlichen Gemeinschaften zusammen. Im Vergleich der städtebaulich ähnlichen Anlagen in München und Wien fällt bei fast identischen Anteilen an nicht bebauten Flächen die große Diskrepanz beim Anteil der öffentlichen Räume auf.14 Durch die feinmaschige Durchwegung ensteht bei beiden ein großer Anteil an Verkehrsflächen. Der Münchner Perimeter differenziert allerdings klar zwischen den Hauseingängen zu befahrbaren Quartiersstraßen und den Gartenzugängen über Gartenwege, wobei alle Straßen und Wege öffentlicher Grund sind. Die Wiener Siedlung hingegen wurde auf einer einzigen privaten Parzelle erbaut. Somit ist auch das rein fußläufige Wegenetz privatisiert. Die Siedlung Pilotengasse wirkt dadurch am stärksten in sich gekehrt und lässt mit schwächerer Adressbildung und weniger Passantenpublikum bereits die Defizite halb öffentlicher Flächen erkennen.

Urbane Gartenstädte

13 Das Lebensgefühl entspricht eher dem der Quartiere der Dichtekategorie 1, allerdings in luxuriöserer Form.

14 Die Münchner Siedlung verfügt über 24,05 Prozent an öffentlichen Flächen, während die Wiener Siedlung nur 13,42 Prozent aufweisen kann.

Dichtekategorie 3

( 0.6  —  0.9 )

Stadtwohnungen im Grünen 1: Haus und Zeile

München, Quiddestraße

72

Dichtekategorie 3

Die durchgrünte Stadt Die dritte Dichtekategorie steht im Spannungsfeld zwischen pri-

va­tem Einfamilienhaus und durchgrüntem Stockwerkswohnungsbau. Das Zwitterwesen dieser Kategorie zeigt sich in der damit

einhergehenden grundsätzlichen Änderung der Besitzverhältnisse. Die Strukturen der beiden älteren Quartiere in Wien und Berlin entspringen der Idee der privaten Stadtvilla, die gehobenen Bevölkerungsschichten ein Leben auf dem eigenen Grund im Grünen als Alternative zu den zunehmend enger werdenden Verhältnissen im Stadtzentrum bot. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die allgemeine Wohnungsnot durch die drastischen gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen so groß, dass völlig neue Wohnformen für die breite Bevölkerung gefunden werden mussten. Wie in den Zürcher und Münchner Perimetern bebauten nun Genossenschaften und Großinvestoren weitflächige Parzellen nach wirtschaftlichen Kriterien mit einer möglichst hohen Anzahl an Mietwohnungen. Dabei fällt auf, dass sich die Entwicklung der Geschossflächenzahl (GFZ) in den vier Untersuchungsgebieten mit diesem Wechsel im Fortschreiten der Geschichte reziprok zur Ziffer der Grundflächenzahl (GRZ) verhält. Je jünger die Siedlungen und je größer die Parzellen werden, desto höher ist die GFZ und gleichzeitig desto kleiner die GRZ als Footprint der Bebauung. Die Baumassen wachsen also zugunsten der umgebenden Freiflächen in die Höhe. Dies garantiert einerseits eine immer schnellere und ökonomischere Bauweise der Gebäude und entspricht andererseits der neuen städtebaulichen Haltung, möglichst vielen Menschen ein gesundes Leben in grüner Umgebung zu bieten. Trotz ihrer Randlage verstehen sich aber alle vier untersuchten Siedlungen nicht mehr als reine Vorstadtquartiere, sondern bereits als Teil der Stadt, oder sie bilden sogar eigene neue Städte. Die Perimeter Die gründerzeitliche Villensiedlung an der Larochegasse in WienHietzing (Dichtefaktor 0,70) führt die Entwicklung vom repräsen-

tativen Einzelhaus zur Stadtwohnung im Grünen plastisch vor Augen. Das Gebiet gehörte bis Ende des 19. Jahrhunderts zum weitläufigen Park der großen Villa Hügel. Mit der Eingemeindung Hietzings in die Stadt Wien wurde der Grund plötzlich wertvoller. Ab 1894 teilte ein Immobilienhändler den Park in rechteckige Straßengevierte mit einzelnen Parzellen auf, die bis in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts hinein mit herrschaftlichen Villen im sogenannten Cottagestil nach englischen Vorbildern bebaut wurden.1 In ihrer Mitte ließ er ein Geviert unbebaut und legte dort in Anlehnung an den einstigen Villengarten den Hügelpark als öffentlich nutzbare Fläche an. Durch ihre Lage zwischen dem Schlosspark Schönbrunn und dem Lainzer Tiergarten sowie ihre gute Bahnanbindung an die City entwickelte sich die Gegend innerhalb kurzer Zeit zu einem beliebten, eleganten Wohnquartier. In stilistischer und städtebaulicher Hinsicht erinnert die Siedlung zunächst an die bereits beschriebene Berliner Villenkolonie Lichterfelde. 2 Doch die Karreestruktur ist kleinteiliger und hat einen höheren Straßenanteil. Die Häuser sind deutlich größer und mit mehrheitlich drei Vollgeschossen eine ganze Etage höher, sie stehen dichter beioder aneinander und bilden sogar zusammenhängende Villenanlagen. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Häuser zu großräumig, um nur eine Familie allein aufzunehmen, und so teilte

1 Im Quartier stehen unter anderem auch die Villen Steiner und Scheu von Adolf Loos und die Villa Langer von Joze ˇ Ple cnik. ˇ

2 Siehe Perimeter «Drakestraße» (Dichtekategorie 2).

73

Haus und Zeile

man viele von ihnen in Stockwerkswohnungen auf. Neuere Bauten wurden und werden direkt als Geschosswohnbauten errichtet. Die Nähe der Bauten zueinander verleiht den Gevierten bereits etwas vom Charakter einer städtischen Blockrandbebauung. Anstelle von engen innerstädtischen Höfen wuchert im Blockinneren hier das üppige Grün der Privatgärten. So entsteht im Zusammenspiel mit dem Park und den Alleebäumen, die ein- oder beidseitig die Gehwege der Straßen begleiten, bei aller Dichte der Bebauung zugleich das Gefühl, naturnah zu wohnen. Die einzelnen Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Parkcafé, kleinere Läden und das angrenzende historische Zentrum von Hietzing tun ihr Übriges, um die Gegend zu den einem der höchstgeschätzten Wohnquartiere Wiens zu machen. Wenn es nach den Plänen des Bezirksamts gegangen wäre, dann stünden heute auch im Perimeter um den Hochsitzweg in BerlinZehlendorf (Dichtefaktor 0,63) frei stehende Villen wie schon in den älteren Teilen dieser Gegend.3 Zehlendorf hatte sich ab der Wende zum 20. Jahrhundert zum beliebtesten Villenvorort Berlins entwickelt. Doch vor dem Hintergrund der Wohnungsnot und der expandierenden Städte in der Zwischenkriegszeit schlug das Planerteam um Hugo Häring, Otto Rudolf Salvisberg und Bruno Taut eine neue Bautypologie vor. Für die Waldsiedlung «Onkel Toms Hütte» erarbeiteten sie einen Bebauungsplan, der hauptsächlich aus langen Reihenhauszeilen bestand. Zwischen 1926 und 1932 errichteten sie zu beiden Seiten der Argentinischen Allee 1100 Geschosswohnungen und 800 Einfamilienhäuser. Als 1929 das U-Bahnnetz in die Siedlung verlängert wurde, realisierte Taut als fünften Bauabschnitt im nördlichen Teil die Häuserreihen am Hochsitzweg und seinen kammartigen Querstraßen. Anders als im südlichen Abschnitt, der in großen Teilen durch Geschosswohnungen in lang gestreckten Großformen entlang weitläufiger halb öffentlich genutzter Grünräume geprägt ist, griff er hier die Bautypologie des naturnahen und dennoch urbanen Einfamilienhauses mit privatem Garten auf. Doch er baute keine repräsentativen, frei stehenden Villen, sondern kompakte Reihenhauszeilen mit kleiner Grundfläche. 4 Durch die städtebauliche Anordnung zweier Längsstraßen mit fünf kurzen Zwischenstraßen entstand zwar die Andeutung einer Blockstruktur, doch an deren Schmalseiten blieben die Gartenräume offen und bildeten keine Höfe. Die quer zur Bebauung orientierten Gärten mit dem schmalen Gartenpfad zwischen beiden Reihen5 sollten explizit die Kommunikation unter den Bewohnern fördern. Um der drohenden Monotonie der Siedlung zu begegnen und die einzelnen Häuser zu individualisieren, führte Taut eine Reihe von Maßnahmen durch: Die prinzipiell gleich gebauten Reiheneinfamilienhäuser sind zur Straße hin zweieinhalbgeschossig und zum Garten hin dreigeschossig angelegt und springen vielfach vor und zurück. Ein fein austariertes Farbkonzept6 unterstützt die Differenzierung der Einzelhäuser und die Einbindung ins Quartier, das aufgrund seiner bunten Fassaden im Volksmund auch «Papageiensiedlung» heißt. Eine Besonderheit der Waldsiedlung in Zehlendorf ist die Integration des damals dort bestehenden Kiefernwaldes in den Bebauungsplan. Indem an den Straßen und in den Gärten wie zufällig verteilt einzelne Kiefernbäume stehen gelassen wurden, entstand in der Siedlung der Eindruck, man befinde sich trotz der strengen Bebauungsstruktur in einem durchgehenden Waldgebiet. Im Gegensatz zu dieser Waldstimmung und zu den städtischen Alleen der Wiener Larochegasse stehen die Häuserzeilen der Siedlung um

3 Siehe das nicht weit entfernte Gebiet um die «Drakestraße» (Dichtekategorie 2).

4 In den schmalen Häusern verfügt jeder Bewohner nur gut über die Hälfte der Geschossflächen, die einem Bewohner in der Wiener Larochegasse zur Ver­ fügung steht. Die Häuser haben damit nur die Größe einfacher Geschoss­ wohnungen in Berlins Zentrum und bilden eine grüne Alternative zu den dor­tigen eng bebauten Mietskasernen der Jahrhundertwende. 5 Diese Struktur diente (einschließlich der Farbgestaltung) unter anderem als Vorbild für die Wiener Siedlung «Piloten­ gasse» und findet sich auch in der Siedlung um die «Reindlstraße» in München (beide siehe Dichtekategorie 2). 6 Was den Architekten der Gründerzeit die individuell ornamentierten Schau­fassaden der Villen (wie in der Wiener Larochegasse) waren, war für Bruno Taut als Vertreter der Moderne die Farbe, die als preiswertestes aller Gestaltungsmittel allen Bevölkerungsschichten zur Verfügung stand. Am Hochsitzweg setzte er einerseits das Attikageschoss farblich von den Geschossen darunter ab, was den Fassaden eine beinahe klassisch anmutende Gliederung gibt. Andererseits thema­ti­ sierte er mit den Farben Grün und Rot die Himmelsrichtungen. Taut richtete die Häuser nicht wie in anderen Sied­lungen der Moderne baulich nach dem Sonnenstand aus, sondern gab ihnen tradi­tionell eine Straßen- und eine Gartenfassade. Da die Querreihen in Nord-Süd-­Richtung verlaufen, färbte er aber jeweils die Ostfassade in Grün, das die Morgen­sonne kühl eintönte, und die Westfassaden in warmes Orange des Sonne­nuntergangs. So stehen sich in den Straßen grüne und orangefarbene Fassaden gegenüber. Tauts Farbge­staltung zieht sich bis ins Detail der Fensterrahmen, die so zu Ornamenten der Fassade werden.

Berlin, Hochsitzweg Wien, Larochegasse

Zürich, Altwiesenstraße

78 die Altwiesenstraße in Zürich-Schwamendingen (Dichtefaktor 0,61) auf grünen Rasenflächen mit nur wenigen eingestreuten Büschen und Bäumen. Dieser Wiesenteppich bildet den Boden für die Mehrheit der meist genossenschaftlichen Siedlungen in diesem Stadtteil. Schwamendingen erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg einen rasanten Bauboom, der das ursprünglich kleine Dorf von 3000 Einwohnern auf 34 500 im Jahr 1966 anwachsen ließ.7 Den Bebauungsplan für diese schnelle bauliche Expansion entwickelte 1948 der damalige Zürcher Stadtbaumeister Albert Heinrich Steiner. Er plante das neue Schwamendingen als durchgrünte Wohnstadt strahlen- bzw. ringförmig um den alten Dorfkern herum. Der Untersuchungsperimeter wurde 1952 von einer Baugenossenschaft innerhalb kurzer Zeit bebaut. Er wird nur von relativ wenigen Quartiersstraßen erschlossen, die heute vornehmlich dem ruhenden Verkehr8 dienen. Die einzelnen Häuser mit ihren bescheidenen Geschosswohnungen sind nicht mehr wie in Berlin zur Straße ausgerichtet, sondern nach dem Sonnenstand. Man betritt sie über schmale Fußwege durch die Wiesen. Der Schwarzplan zeigt eine weitgehend gleichmäßige Verteilung zueinander verdrehter, kurzer Gebäudezeilen. Sie variieren nur durch ihre unterschiedliche Stellung, durch regelmäßige Versprünge innerhalb der Zeilen und durch die unterschiedlichen Höhen von zwei bis fünf Geschossen. Architektonisch gleichen sie einander jedoch stark. Da auch die Zwischen-räume mit ihren Rasenflächen ohne Begrenzungen kaum strukturiert sind und wenig genutzt werden, wirkt das Siedlungsbild betont ruhig und monoton. 9 Aufgrund der offenen Bebauungsstruktur dringt allerdings das permanente Rauschen der flankierenden Hauptverkehrsstraßen durch die gesamte Siedlung. Seit Kurzem wird damit begonnen, das Gebiet nachzuverdichten und die veralteten, zu klein gewordenen Wohnungen durch neue größere Gebäude zu ersetzen. Der durchgrünte Charakter der Siedlung soll aber auch in Zukunft grundsätzlich beibehalten werden.

Dichtekategorie 3

7 Heute wohnen im Zürcher Stadtkreis 12 (Schwamendingen) zirka 28 000 Einwohner.

8 In den 1950er-Jahren wurde das Auto erstmals zum Massenverkehrsmittel.

9 Nur vor den zweigeschossigen Zeilen gibt es kleine Privatgärten, die von den Bewohnern belebt werden.

Die Großsiedlung um die Quiddestraße in München-Neuperlach (Dichtefaktor 0,80) geht noch einen großen Schritt weiter in Richtung

Konzentration der Baumassen zugunsten halb öffentlich nutzbarer Freiflächen. Angrenzend an die beschauliche Gartenstadt Trudering10 entstand in den ausgehenden 1960er- und den 1970er-Jahren die größte Satellitenstadt Westdeutschlands. Um ein weitläufiges achteckiges Zentrum versammeln sich verschiedene Gruppen von Wohngroßbauten mit viel Abstandsgrün und eingestreuten kleinen Quartierszentren.11 Der untersuchte Perimeter liegt als eine dieser Bebauungseinheiten im Norden der «Entlastungsstadt»12 und wird inselartig von einer einzigen baumbestandenen Ringstraße mit Parkplätzen erschlossen. Von ihr aus führen abgeschrankte Fußwege durch Grünflächen zu den jeweiligen Erschließungskernen der sechs- bis zehngeschossigen Wohngebäude. Im Geiste der «auto­ gerechten Stadt» sind vierspurige Autostraßen wie die Quiddestraße feinsäuberlich vom Wegenetz der Fußgänger getrennt. An den Rändern des Perimeters treffen sie sich punktuell in zwei kleinen Einkaufs- und zwei Gemeindezentren mit Kirche und Kindergarten. Die gesamte Anlage folgt in groben Zügen den Idealen der Charta von Athen: Hochbauten in weitläufigen Grünräumen im Abstand zur Straße, Ausrichtung nach Sonnenstand, Funktionstrennung etc. Wie städtische Avenuen sollten Fußgängeralleen und kleine Platz­ anlagen die omnipräsenten Grünflächen gliedern und der Siedlung in gebührendem Maßstab das Gesicht einer neu verstandenen Urbanität im Grünen verleihen. Doch die Anlagen blieben verweist,

10 Siehe Perimeter «Waldstraße» (Dichtekategorie 1). 11 Jede dieser Bebauungsgruppen funktioniert prinzipiell als autarke Quartierseinheit, deren durchgrünte Anlagen wie Inseln von Ringstraßen umschlossen werden. 12 Die Stadt München beschloss 1960 die Errichtung von sogenannten Entlastungs­städten zur Linderung der grassierenden Wohnungsnot.

79 und fehlende Angebote wie Kiosks oder Kultureinrichtungen wurden später nur ungenügend in Container-Provisorien ergänzt. Zu weit liegen die immer gleichen Wohnungen in den hohen Gebäuden von den öffentlichen Räumen entfernt, und eine adressbildende Gestaltung der Hauseingänge, die einen Bezug zum Außenraum im Erdgeschoss herstellen könnte, findet kaum statt. Im Unterschied zum individuell differenzierten und ortsbezogenen Farbkonzept der beschriebenen Berliner «Papageiensiedlung» sind die Farben in München vor allem zur Orientierung im Einerlei der sich wiederholenden Fassadenfronten notwendig und tragen zur optischen Auflockerung der riesigen Gebäudeanlagen bei.

Raumbildungen

Der Schlüssel für die Charakterisierung der vier höchst unterschiedlichen Quartiere in der Dichtekategorie 3 liegt im Verhältnis der öffentlichen zu den privaten Räumen und der Gebäude zum umgebenden Grünraum. Vergleicht man die Anteile an nicht bebauter Fläche in den vier Perimetern, so steht die Wiener Villensiedlung mit gut 75 Prozent am unteren und die Münchener Großsiedlung mit fast 87 Prozent am oberen Ende der Skala. Betrachtet man aber die Anteile an öffentlichen Flächen, so kehrt sich das Verhältnis beinahe um. Mit 22,5 Prozent verfügt hier das Wiener Quartier über den größten Anteil, wohingegen die Münchner Trabantensiedlung nur weniger als 17 Prozent besitzt und die Zürcher Wohnzeilen sogar nur gut 13 Prozent an öffentlichem Raum aufweisen. Entsprechend unterschiedlich sind die Atmosphären in den Wohnsiedlungen. Das Quartier um die Wiener Larochegasse wirkt ausgesprochen urban. Es zeigt eine klare, hierarchisch geordnete Gliederung privater und öffentlicher Räume. Die Fahrspur der Straße ist durch einen Grünstreifen mit hohen Alleebäumen vom Gehweg getrennt. Dieser endet an den niedrigen Fundamentmauern der Gartenzäune, die den öffentlichen Straßenraum klar vom privaten Gartenraum trennen. Der Vorgartenbereich trägt zur Begrünung der Straße bei und führt zum individuellen Eingang jedes Hauses. Dahinter liegen die vom Straßenleben geschützten Privatgärten, die sich im Binnenbereich jedes Karrees optisch zu einem gemeinsamen Grünbereich vereinen. Mit einer Höhe von zwei bis maximal drei Vollgeschossen hat jede Stockwerkswohnung einen direkten Bezug zu diesen Gartenräumen, die intensiv genutzt und gepflegt werden. Zusätzlich erhält der öffentliche Raum mit dem Hügelpark einen für alle gemeinsam nutzbaren Gartenraum im Zentrum des Quartiers. Eine ähnliche Schichtung der Räume bietet die Taut-Siedlung am Hochsitzweg in Berlin. Der große Unterschied liegt darin, dass hier die einzelnen Wohneinheiten nicht horizontal als Geschosswohnungen organisiert sind, sondern vertikal als Reiheneinfamilienhäuser nebeneinander stehen. So kann jeder Bewohner über ein eigenes privates Stück Grünraum verfügen. Die feine Strukturierung der Straßen und Gartenwege, die nachbarschaftliche Nähe der schmalen Parzellen und die einzelnen hohen Waldbäume erzeugen im Gegensatz zu den herrschaftlichen Straßen in Wien hier eine ländlich geprägte Dorfstimmung. Bei den Siedlungen mit Geschosswohnungsbauten in Zürich und München fehlen private Gärten hingegen fast vollständig. Somit entfallen auch die traditionellen räumlichen Hierarchien zwischen Straße, Garten und Haus. Straßen fungieren nicht mehr als öffentliche

Haus und Zeile

80 Begegnungsräume, sondern nur noch als notwendiges Mittel zur Erschließung der grünen Quartiersteile. Die Parzellen sind deutlich größer. Private Fußwege führen von den wenigen Straßen durch halb öffentlich genutzte Grünräume zu den Hauseingängen, die kaum als solche zu erkennen sind. In Zürich haben die Häuser mit drei bis vier Geschossen zwar einen relativ engen Bezug zu den Grünflächen zwischen den Zeilen. Den kahlen Rasenflächen fehlen aber eine Zuordnung zu den einzelnen Häusern und jegliche räumliche Gliederung. Straßenräume werden nicht gebildet. So verkümmern die großzügigen Flächen zum Hoheitsbereich des Hausmeisters. Das Leben der Bewohner konzentriert sich auf das Innere ihrer Wohnung, die selbst die Balkone kaum nutzen.13 Die Münchner Satellitenstadt Neuperlach geht von einem ganz neuen Stadtverständnis aus. Die hohen Gebäudekomplexe suchen gar nicht erst den Kontakt zu den weiten Grünflächen, sondern wollen als hochkonzentrierte Strukturen inmitten einer durchgehenden Landschaft verstanden sein. Die prinzipiell ortsunabhängigen Hochhausbauten stehen als Symbol für die international ausge­ richtete Moderne. Da sie allerdings nicht im Sinne der Charta von Athen aufgeständert sind, produzieren ihre hohen Hauswände verloren wirkende Zwischenräume, die die einzelnen Gebäudezeilen auf Abstand halten.14

Wien, Larochegasse

Dichtekategorie 3

13 Vergleiche dazu die «Ringsiedlung» im Perimeter «Goebelstraße» in Berlin (Dichtekategorie 4).

14 Vergleiche dazu die beiden Perimeter «Prinzgasse» in Wien (Dichtekate­gorie 4) und «Senftenberger Ring» in Berlin (Dichtekategorie 5).

Dichtekategorie 4

( 0.9  — 1.2 )

Stadtwohnungen im Grünen 2: Zeile und Hof

Berlin, Goebelstraße

München, Konrad-Dreher-Straße

85

Zeile und Hof

Die gegliederte und aufgelockerte Stadt Bei der Planung der Siedlungen der Dichtekategorie 4 stand mehrheitlich die schnelle und kostengünstige Produktion von Wohnraum im Zentrum. Die Explosion der Bevölkerungszahlen in den Zwischenkriegsjahren und der Wohnungsnotstand nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs machten effiziente Lösungen für das Wohnungsproblem immer dringender notwendig. Die Richt­linien der Charta von Athen, die 1933 vom Congrès International d’Architecture Moderne (CIAM) unter Leitung von Le Corbusier ver­-fasst wurden, bildeten die Grundlage für die Entwicklung einer neuen städtebaulichen Strategie. Unter Punkt 29 der Charta heißt es: «Hochbauten, in großer Entfernung voneinander errichtet, sollen den Boden zugunsten weiter Grünflächen freimachen.»1 Um trotz schnell wachsender Bevölkerungszahlen den Landschaftsverbrauch einzudämmen, verstand man den Grünraum nicht mehr als privaten Garten, sondern als kontinuierlichen Landschaftsraum, der allen zugute kommen sollte. Bereits drei Jahre vor der Charta zeigte Hans Scharoun mit seinem Plan für die Zeilenbauten der Arbeitersiedlung in Berlin-Siemensstadt, in welche Richtung dieses Konzept gehen könnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die dort entwickelte Zeilenbauweise mit Geschosswohnungen innerhalb halb öffentlich genutzter Grünräume unzählige Male umgesetzt. Mit der Erfindung der seriell herstellbaren Betonfertigteile erhielt diese Art des Bauens in den 1960er- und 1970er-Jahren nochmals einen enormen Schub. Wo in der Siemensstadt noch verschiedene Architekten individuelle Gestaltungslösungen in überschaubarer Höhenentwicklung umsetzen konnten, führte die Standardisierung zu anonymen Großbauten, deren Erscheinung vor allem der Wirtschaftlichkeit Rechnung trug. Der halb öffentlich nutzbare Raum zwischen den industriell gefertigten Großbauten hatte nichts mehr mit dem ursprünglich intendierten natürlichen Landschaftsraum zu tun, sondern verkam zum problematischen Abstandsgrün, das bei Bewohnern und Passanten unbehaglichge Zweifel an der Sicherheit dieser Anlagen schürte. Schon bald kritisierte man die Anonymität dieser Satellitenstädte, doch erst Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre begann ein wirkliches Umdenken.

1 Thilo Hilpert (Hg.): Le Corbusiers «Charta von Athen». Texte und Dokumente, kritische Neuausgabe, Bauwelt Fundamente 56, Braunschweig 1984.

Die Perimeter Die sogenannte Ringsiedlung2 Siemensstadt um die Goebelstraße in Berlin-Charlottenburg (Dichtefaktor 0,93) wurde von 1929 bis 1931 von den Architekten Walter Gropius, Otto Bartning, Hugo Häring, Fred Forbat, Paul Rudolf Henning und Hans Scharoun, von dem auch das städtebauliche Konzept stammte, als Werkssiedlung von der Firma Siemens in dem nach ihr benannten Berliner Stadtteil erbaut. Die städtebauliche Anlage ähnelt stark dem in etwa zeitgleich entstandenen Nordteil der Zehlendorfer Großsiedlung «Onkel-TomsHütte»3 von Bruno Taut. Ein betont lang gestrecktes und gleich­ förmiges Gebäude 4 mit vier Geschossen entlang der Goebelstraße schottet den Straßenraum gegenüber den elf senkrecht dazu stehende Zeilenbauten mit vier bis fünf Vollgeschossen ab. Um einen parkähnlich gestalteten Grünraum schließen sich im Norden weitere sieben Zeilen an, die mit ihren lediglich zwei bis drei Geschossen zum Waldsaum der Jungfernheide überleiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden südlich der Goebelstraße neben dem zentralen Heizwerk

2 Der Ring war eine Vereinigung führender Architekten der Moderne, dessen Ziel es war, das sogenannte Neue Bauen zu fördern. Alle Architekten der Ringsiedlung gehörten zu diesem Verein.

3 Siehe Perimeter «Hochsitzweg» in der Dichtekategorie 3. 4 Es heißt aufgrund seiner monotonen Straßenfassade im Volksmund «Langer Jammer» und entspricht in seiner Länge und gebogenen Form Bruno Tauts differenzierter gestaltetem sogenanntem Peitschenknall in Berlin-Zehlendorf.

86 der Siedlung weitere sechs kurze Zeilenbauten hinzugefügt. Im Unter­­schied zur Zehlendorfer Waldsiedlung besteht die Ringsiedlung ausschließlich aus Stockwerkswohnbauten. Auch ist ihre Anlage viel gleichmäßiger gestaltet als in Zehlendorf. Die geraden nord-südorientierten Zeilen sind nicht gestaffelt und bilden keine Straßenräume aus, sondern sind in einen fließenden Grünraum eingebettet, durch den die einzelnen Hauseingänge nur über Fußwege erschlossen sind. Die Zeilen stehen so dicht beieinander, dass die Zwischen­räume den Charakter schmaler, offener Höfe annehmen. 5 Die Monotonie dieser Zeilenanordnung wird nur durch die unterschiedlichen Formensprachen der beteiligten Architekten, die sich vor allem in der Ge­ staltung der Balkonpartien ausdrückt, und durch den materialfarbenen Wechsel von Putz und Klinkerpartien etwas gegliedert und auf­ge­lockert. Aufgrund der strengen Ausrichtung der Grundrisse nach der Sonne6 schauen die bewegten Balkonseiten jeweils auf die strengen Rückseiten des Nachbargebäudes. Die Goebelstraße ist durch die triste Stimmung der kahlen Rückseite des «Langen Jammers» von Otto Bartning geprägt. Die Grünräume zwischen den Zeilen sind zwar durch den inzwischen alten Baumbestand gut gegliedert, werden aber mangels Zuordnung zu bestimmten Häusern und Bewohnern nur wenig genutzt. Kleine eingeschossige Ladenbauten und eine Grundschule mit Sportplatz tragen an den Ecken des Perimeters zur infrastrukturellen Versorgung des Gebiets bei. Die Siedlung wurde zum stilbildenden Vorbild für unzählige durchgrünte Zeilensiedlungen der Nachkriegszeit. Sie steht heute unter Denkmalschutz und wurde in die Liste des UNESCO -Weltkulturerbes aufgenommen. Spätestens ab den 1960er-Jahren geriet diese Zeilenbauweise als monoton und menschenfern in die Kritik. Der Siedlungsperimeter an der Konrad-Dreher-Straße in München-Hadern (Dichtefaktor 1,03) zeigt den Versuch, dieser Strenge mit einer dorfähnlichen Struktur eine städtebauliche Alternative gegenüberzustellen. Die Wohnsiedlung Kleinhadern wurde bereits ab den 1950er-Jahren als Teil der westlichen Stadterweiterung Münchens erbaut. Die ersten Gebäude im Süden des Gebiets entstanden noch als Zeilenbauten in weiten Grünflächen7 und schließen an die Zeilenstruktur der Laimer Vorkriegssiedlung Neufriedenheim an. 8 Im jüngsten Bauabschnitt nördlich der Konrad-Dreher-Straße, der den Untersuchungsperimeter bildet, versuchte man, stärkere Beziehungen zwischen den Gebäuden und dem Außenraum herzustellen. Hier schaffen nun gekrümmte und gestaffelte Bauten aus den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren zusammen mit drei frisch sanierten Wohnzeilen der frühen 1960er-Jahre einen wie gewachsen erscheinenden Städtebau, der unterschiedlichste hof­artige Raum­folgen bildet. Obwohl die Gebäude mit 4,3 Geschossen im Durchschnitt ein Vollgeschoss niedriger sind als in der Berliner Ringsiedlung, weist das Gebiet eine höhere Dichteziffer auf. Zwar schrumpft damit der Anteil der nicht bebauten Fläche, diese wird aber intensiver gestaltet. Ein internes landschaftlich gestaltetes Netz von Fußwegen verbindet die Spielplätze und kleinen Platz­an­ lagen in den verschiedenen offenen Hofräumen und soll den halb öffent­lichen Raum besser nutzbar machen. Nach außen bilden die Bauten entlang der Alpenveilchenstraße im Westen mit einem Seniorenheim und den Geschäften in den Erdgeschossen, die sich an der Nordwestecke zu einem kleinen Platz weiten, eine blockrand­ ähnliche Fassung.

Dichtekategorie 4

5 Vergleiche zur Siemens-Arbeitersiedlung den Perimeter «Bonner Straße» in Berlin (Dichtekategorie 6), der mit ähnlicher Höhe und ähnlich homogener Bewohner-­ struktur (Künstlerkolonie) geschlossene Höfe mit höherer Dichte schafft. 6 Schlafräume sind nach Osten, Wohnräume mit Balkonen nach Westen ausgerichtet (bzw. nach Norden und Süden entlang der Goebelstraße).

7 Vergleiche dazu den Perimeter «Altwiesenstraße» in Zürich (Dichtekategorie 3). 8 Siehe Perimeter «Reindlstraße» (Dichtekategorie 2). Allerdings sind die Häuserzeilen in Kleinhadern mit drei bis vier Vollgeschossen deutlich höher als in Laim und beherbergen ausschließlich Geschosswohnungen ohne Privatgärten.

87 Das Siedlungsgebiet an der Konrad-Dreher-Straße versucht einen Spagat. Einerseits will es die Qualitäten fließender Grünräume wie in Berlin als erfrischenden Naturraum nutzen, andererseits versuchen die Gebäude durch ihre innerstädtische Höhe und die offenen Hofbildungen diese Flächen mit urbanen Fassungen besser nutzbar zu machen. Doch trotz der Vielfalt an räumlichen Angeboten wirkt der Binnenbereich dieses Zwittergebildes die meiste Zeit verweist. 9 Auch die Siedlung an der Prinzgasse in Wien-Aspern (Dichtefaktor 1,01) suchte nach Alternativen zur Zeilenbauweise. Bei annähernd gleicher Dichteziffer wie in Kleinhadern verfolgt sie eine ähnliche Strategie, jedoch in ganz anderem Maßstab. Die Bebauung im flachen und ursprünglich ländlich geprägten Bezirk Donaustadt, zu der Aspern gehört, erfolgte nie nach einem integrierenden, übergeordneten Konzept, sondern sukzessive nach dem Prinzip der Restflächenfüllung.10 Deshalb finden sich hier niedrige Zeilensiedlungen der 1950er-Jahre neben gemischten Einfamilienhausgebieten, die unvermittelt an zehngeschossige Großstrukturen am Feldrand enden. Eine solche städtebaulich isolierte Großwohn­ anlage befindet sich auf dem Perimeter um die Prinzgasse. Sie wurde von 1972 bis 1975 von dem Architekten Oskar Payer als Gemeindesiedlung der Stadt Wien11 in Betonplattenbauweise geplant und gebaut. Als Reaktion auf die starke Kritik an den frei stehenden Zeilenbauten der ersten Generation der Wiener Plattenbausiedlungen entwickelte er an der Prinzgasse einen neuen Typus, der Übereckanschlüsse ermöglichte und im Nordteil durch T-förmige und im Südteil durch zickzackförmige Anordnungen unterschiedliche Hofräume bildet. Diese versammeln sich um die Flachbauten eines kleinen Einkaufsund eines Kultur- und Bildungszentrums.12 Aufgrund ihrer diagonalen Schrägstellung zu den Straßen betonen die Gebäudekomplexe ihre Unabhängigkeit im flächigen Landschaftsraum. Die große Höhe der elfgeschossigen Häusergruppen produziert mit der geringsten Grundflächenzahl dieser Dichtekategorie auch die weitläufigsten Grünräume. Ähnlich wie in München-Neuperlach13 sind die Wege der Fußgänger und die des motorisierten Verkehrs klar voneinander getrennt. Allerdings kann man die Prinzgasse bis heute nur mit dem Auto oder dem Bus erreichen. Was den Neuperlachern mit lockeren Gebäude zeilen und Fußgängeralleen nicht richtig gelang, sollte an der Prinzengasse mit verdichteten Hofformationen erreicht werden. Beide Siedlungen wollen nämlich den so gewonnenen halb öffentlich nutzbaren Grünraum für alle Bewohner zur Verfügung stellen. Doch auch hier verliert die einzelne Wohnung durch die große Höhe und die Gleichförmigkeit der standartisierten Fassaden ohne individuell gestaltete Hausteile und deren Eingänge ihren Bezug zum Außenraum. Trotz der geringsten Grundflächenzahl von nur 0,15 bilden die hohen Fassadenwände so große Außenräume, dass die erwünschte Gliederung den für die Bewohner fassbaren Maßstab weit überschreitet. Da die Gebäude nicht, wie in der Charta von Athen gefordert, im Erdgeschoss aufgeständert sind, kann der Landschaftsraum nicht fließen, sondern endet vor den Barrieren der lang gestreckten Hausgruppen, die sich nur vereinzelt über dunkle Hofdurchgänge durchqueren lassen. In den burgartig frei stehenden Komplexen richtet sich der Blick der Bewohner eher in die Weite der Landschaft als zum nahe liegenden Grünraum.14 Die Wohnsiedlung an der Meierwiesenstraße in Zürich-Grünau (Dichtefaktor 1,18) wurde von 1975 bis 1976 nach einem Gesamtplan der Architekten Heinrich Kunz und Oskar Götti als neues Stadtquartier

Zeile und Hof

9 Die nur wenige Hundert Meter entfernte Siedlung Neufriedenheim (siehe Perimeter «Reindlstraße» Dichtekategorie 2) wird mit ihrer U-förmigen Hofbildung aus Zeilen mit Privatgärten und Quartier­s­straßen trotz ihrer Strenge viel intensiver genutzt.

10 Vergleiche den Perimeter «Pilotengasse» (Dichtekategorie 2), der ebenfalls als Bebauungsinsel in der Donaustadt liegt.

11 Um den Wohnungsmangel zu beseitigen, baute die Stadt von 1972 bis 1977 in ganz Wien rund 16 500 neue Wohnungen. Viele von ihnen wurden vom Architekturbüro Payer geplant.

12 Anders als an der «Quiddestraße» in München-Neuperlach fehlt ein über­ geordnetes neues Zentrum. Die Prinzgasse steht wie das Fragment einer Stadtutopie ver­loren in der Ebene. 13 Siehe Perimeter «Quiddestraße» (Dichtekategorie 3).

14 Allerdings bietet der direkt angrenzende Badeteich Hirschstetten einen öffent­lichen Erholungsraum von hoher Qualität.

Wien, Prinzgasse Zürich, Meierwiesenstraße

90 am westlichsten Stadtrand geplant. Das durch die flankierende Autobahn, die Europabrücke und die Limmat etwas isoliert gelegene Gebiet war die letzte große Landreserve der Stadt Zürich und sollte möglichst dicht bebaut werden, um ein eigenständiges Quartiers­leben entwickeln zu können.15 Daher wurden soziologische Aspekte wie die soziale Durchmischung ein wichtiger Bestandteil der Planung. Die Siedlung zeigt den größten Reichtum an städtebaulichen Formen aller vier Perimeter. Zwei gekrümmte und aufgeständerte Zeilenwohnbauten mit sieben bis neun Geschossen umschließen mit fast durchgehenden Balkonen und gemeinschaftlichen Dachterrassen einen großzügigen, gut besonnten Parkraum.16 In dessen Mitte er­hebt sich ein 19-geschossiger Wohnturm, um den sich öffentliche Ein­richtungen wie eine Schule mit Kinderhort, ein Seniorenheim, eine Post und einige Geschäfte als niedrige Bauten in eigener Formensprache gruppieren. Unterschiedlich große Wohnungen sollten sowohl Familien, Singles wie auch ältere Menschen ansprechen, und subven­ tionierte Sozialwohnungen wurden neben teureren Eigentumswohnungen angeboten.17 Obwohl die Großsiedlung in der Grünau mit Abstand die höchste bauliche Dichte aller vier Perimeter dieser Kategorie aufweist, verfügt sie über einen gleich großen Anteil unbebauter Fläche wie die Wiener Trabantenstadt. Ihr Außenraum wirkt sogar am größten und am meisten belebt. Anders als in Wien wird er nicht in Einzelhöfe zerstückelt, sondern zu einer großen Fläche zusammengefasst. Im Grunde könnte man die städtebauliche Konstellation als verdichtete Transformation der Berliner Ringsiedlung begreifen. Auch in Berlin fasst der lange Gebäudebogen Bartnings einen Grünraum, der im dortigen Fall mit Zeilen bebaut ist. In der Grünau fällt der große Bogen deutlich höher, breiter und gestaffelter aus. Die Bebauung des Freiraums konzentriert sich (statt der Zeilen) in einem einzigen hohen Turm. So entsteht ein Park, der durch die öffentlichen Gebäude und Anlagen gut gegliedert ist und auf den ein Großteil der Mieter in ihren urbanen Wohnungen blicken kann. Die Zürcher Großsiedlung versuchte, alles richtig zu machen. Durch ihre klare Gliederung von individuell geformten Häusergruppen und gut nutzbaren Außenräumen, die sich auf den konkreten Ort beziehen, sowie durch den bequemen Tramanschluss entstand in dieser isolierten Stadtrandlage ein durchaus lebendiges Quartier, mit dem sich bald viele Bewohner gerne identifizierten.18 Maßstäbe Die vier Perimeter der Dichtekategorie 4 zeigen die Problematik der mangelnden Einbindung ihrer inselartig isolierten Strukturen auf städtebaulicher wie auf soziologischer Ebene. Die Qualität des halb öffentlich nutzbaren Raums und der Verkehrsanbindung wird zum Gradmesser ihres Erfolgs als Wohnquartier. Alle vier Untersuchungsgebiete bieten ausschließlich Geschosswohnungen ohne private Gärten. Trotz einer höheren Geschossflächenzahl haben diese Siedlungen aber im Schnitt einen deutlich kleineren Anteil an bebauter Fläche als die Quartiere der Dichtekate­­gorie 3. Die Gebiete wurden meist innerhalb kurzer Zeit durch Großunternehmen auf relativ großen privaten Parzellen erbaut. Die Bewohner gelangen zu den unscheinbaren Eingängen der einzelnen Gebäude durch den weitläufigen privaten Außenraum über schmale Fußwege, die von Ringstraßen abzweigen. Mit diesem Erschließungssystem

Dichtekategorie 4

15 Im Gegensatz zu den vergleichbaren Großsiedlungen an der «Quiddestraße» in München (Dichtekategorie 3), oder des «Senftenberger Rings» in Berlin (Dichtekategorie 5) ist die Zürcher ­Siedlung keine Einheit einer größeren ­städtebaulichen Utopie, sondern möchte ein möglichst gut funktionierendes neues Quartier sein. 16 Als Vorbild für die Anlage diente die kurz zuvor erbaute Cité du Lignon in Genf.

17 Dass das Gemeinschaftszentrum nicht im geplanten Umfang umgesetzt wurde, ist ein Grund dafür, dass trotz der differenzierten Planung und der sozialen Durchmischung auch die Grünau schon bald als anonyme Hochhaussiedlung in der Kritik stand. Inzwischen werden ihre Qualitäten jedoch geschätzt.

18 Siehe dazu auch den Perimeter «Bändliweg» (Dichtekategorie 6), der die Siedlung mit einer neuen städtebau­ lichen Struktur erweitert.

91 minimierten die Planer den öffentlichen Straßenraum. Der Weg zur eigenen Wohnung gleicht der Wanderung durch einen mehr oder weniger gestalteten Landschaftsraum. Genau diese halb öffentlich genutzten Grünflächen sind aber im Verhältnis zur teilweise großen Höhe der Gebäude mit der stereotypen Anonymität ihrer Fassaden die Problemzonen dieses Systems. Ihnen fehlen eine eindeutige Zuordnung zu einzelnen Häusern und der persönliche Bezug zu den Bewohnern. Im Unterschied zu den gleichmäßig verteilten niedrigen Zeilen der Züricher Fifties-Siedlung um die Altwiesenstraße19 versuchen deshalb, die Bauten in der vierten Kategorie allesamt Beziehungen zwischen den Einzelgebäuden herzustellen. Dabei geht es jedoch weniger um Kleinteiligkeit als vielmehr um gut nutzbare Zuordnungen von Baumassen und Freiräumen und um einen Bezug zum Ort.

Zeile und Hof

19 Siehe Perimeter «Altwiesenstraße» in Zürich (Dichtekategorie 3).

Dichtekategorie 5

( 1.2  — 1.5 )

Stadtwohnungen im Grünen 3: Hof und Garten

München, Holbeinstraße

94

Dichtekategorie 5

Grün und kompakt In den ausgewählten Quartieren der Dichtekategorie 5 vollzieht sich räumlich der Übergang von der offenen Zeilenbauweise, die die vorhergehende Kategorie prägte, hin zu ersten Ansätzen von städtischen Blockrändern mit privaten Höfen und Gärten. Wie der Perimeter am Senftenberger Ring zeigt, bringt dieser Grad an baulicher Dichte die durchgrünte Großsiedlungsbauweise in der Höhenstaffelung und der Erschließung an den Rand ihrer Machbarkeit. In den anderen drei Perimetern rückt deshalb nun wieder das traditionelle städtische Haus in moderater Höhe nah an die Straße, und die Grünräume werden als klein parzellierte Privatgärten gepflegt. Die hierarchische Abgrenzung zwischen öffentlichem Straßenraum und privatem Grundstück, die im Berliner Märkischen Viertel noch unscharf verläuft, wird in den folgenden Quartieren zum bestimmenden Gestaltungsmerkmal. Durch die geringere Geschossanzahl von nur drei bis vier Vollgeschossen sinkt dort bei wachsender Dichte der Anteil nicht bebauter Fläche. Gleichzeitig wächst der Anteil öffentlichen Raums, denn statt sparsamer Ringstraßen um halb öffentlich genutzte Landschaftsräume verläuft das Straßennetz hier engmaschiger und umfasst übersichtliche Blockstrukturen. Die kleinteilige Parzellierung bewirkt, dass jedes Haus seine eigene persönliche Adresse ausbilden kann, die über den öffentlichen Raum direkt zugänglich ist. So wird zugleich eine dynamische Entwicklung eines Gebiets bei hoher Dichte möglich. Trotz der städtischen Blockbildungen bleibt der Grünraum als Rahmen für das städtische Leben äußerst wichtig. Die Perimeter Die Plattenbausiedlung am Senftenberger Ring in Berlin-Reinickendorf (Dichtefaktor 1,44) ist Teil der Trabantenstadt Märkisches Viertel, die von 1963 bis 1974 als größter Siedlungsneubau Westberlins im Norden der Stadt nahe der Grenze zum Ostteil von mehr als 35 in- und ausländischen Architekten erbaut wurde. Rund 17 000 Wohnungen sollten zunächst vor allem Umsiedler aus Sanierungsgebieten der Innenstadt sowie Flüchtlinge aus Ostberlin aufnehmen. Später veränderte sich die soziale Struktur. Lange Zeit war das Märkische Viertel ein Sinnbild für die Probleme anonymer Großsied­­l­ungen mit hohem Migrantenanteil. Politische Veränderungen, Sanierungs- und Verbesserungsmaßnahmen haben die Lage inzwischen beruhigt.1 Ähnlich der Münchner Satellitenstadt Neuperlach2 gruppieren sich verschiedene durchgrünte Wohnquartiere in Großformen um einen Zentrumsbereich mit Wasserbecken, Einkaufszentrum, Kulturund Sozialeinrichtungen, das vom Senftenberger Ring als Haupterschließungsstraße umgeben ist. Der Untersuchungsperimeter bildet den östlichsten Teil dieser Ringbebauung. Die schmaleren elf- bis 14-geschossigen Bauten in T-Form wurden von der amerikanischen Architektin Astra Zarina geplant, den langen zickzackförmigen Bauteil mit elf Geschossen im Osten entwarfen die Architekten René Gagès und Volker Theissen. Die gestaffelte städtebauliche Formation versucht offene Hoffolgen zu bilden und erinnert in ihrer Anlage an das Gebiet um die Prinzgasse in Wien3 , nur sind die Berliner Gebäude im Durchschnitt um zehn Meter höher. Obwohl sich die unbebaute ­Fläche im Vergleich auf 87 Prozent leicht erhöht, verringert sich der Anteil an öffentlichem Raum mit acht Prozent etwa auf die Hälfte von

1 Die schon immer durch Migration geprägte Bewohnerstruktur ist heute besser integriert, und das Gebiet ist durch das Ende der DDR und den Abbau der nahen Berliner Mauer aus einer extremen Randlage in eine bessere Position gelangt. 2 Siehe Perimeter «Quiddestraße» (Dichtekategorie 3).

3 Siehe Perimeter «Prinzgasse» (Dichtekategorie 3).

95

Hof und Garten

Wien und München. Dies liegt daran, dass der grösste Teil der unbebauten Fläche am Senftenberger Ring nur halböffentlich genutzt, also de facto privat ist. Entsprechend schwierig war lange Zeit die Nutzung dieser Aussenräume zwischen den stereotypen Fassaden­ gebirgen, für deren Unterhalt sich aufgrund der unklaren Nutzungsverhältnisse kaum jemand zuständig fühlte. Heute sind die Grünan­ lagen zwar gepflegt und auf Spielplätzen sieht man einzelne Kinder, aber im Gesamteindruck wirken die Flächen ebenso verwaist wie in den vergleichbaren Großsiedlungsperimetern. Die Höhe und die Monotonie der Bebauung lassen die Probleme halb öffentlich nutzbarer Gebäudezwischenräume noch deutlicher zutage treten. Interessant ist nun der Vergleich zwischen einer solchen Großwohnsiedlung und einem traditioneller gewachsenen Stadtquartier ähnlicher Dichte. Der Perimeter um die Holbeinstraße in München-Bogenhausen (Dichtefaktor 1,37) ist ein gemischtes Blockrandquartier mit mehrheitlich herrschaftlichen Wohnhäusern aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute. Schon seit der Eingemeindung des Dorfs Bogenhausen in die Stadt 1892 entwickelte sich der Hügelrücken über der Isar zu einem der beliebtesten Villenquartiere Münchens. Umgeben von frei stehenden Häusern mit Gärten bildet der Perimeter den weitgehend geschlossen bebauten zentralen Bereich von Bogenhausen. Bei seinem Bau herrschte dort eine ländliche Stimmung vor den Toren der Innenstadt, die sich auch heute noch im Stil vieler Hausfassaden mit verspielten Erkern, Giebeln und Balkonen widerspiegelt. Die individuelle Fassadengestaltung jedes einzelnen Hauses betont die persönliche Hausadresse der aneinander gebauten Liegenschaften. 4 Mit durchschnittlich vier Vollgeschossen orientiert sich die Bebauung in ihrer Höhe an innerstädtischen Blockrändern. 5 Jedoch treten die Häuserfluchten vom Gehweg zurück und bilden kleine Vorgärten, die die Straßenzüge begrünen und bei ähnlicher Breite der öffentlichen Straßen räumlich großzügiger erscheinen lassen als in der City. Die privaten und öffentlichen Bereiche bleiben aber klar voneinander getrennt. Und obwohl die nicht bebaute Fläche mit knapp 67 Prozent um ganze 20 Prozent geringer ausfällt als am Senftenberger Ring, liegt der Anteil an öffentlichem Raum mit über 23 Prozent fast beim Vierfachen der Berliner Großsiedlung. Da im untersuchten Perimeter kaum echte Platzbildungen zu finden sind, verteilen sich die öffentlichen Flächen fast ausschließlich auf das von parkenden Autos gesäumte und beidseitig von Trottoirs begleitete Straßennetz. Einzelne kleine Geschäfte und Restaurants sind im Quartier verteilt und tragen zu einem ruhigen Straßenleben bei. Obwohl die Belegungsdichte in München nur etwa halb so hoch wie in Berlin ist, wirken die privaten wie die öffentlichen Außenräume deutlich intensiver genutzt als die halb öffentlich nutzbaren Räume des Märkischen Viertels. Einen Kompromiss hinsichtlich der Durchgrünung des Quartiers bei gleichzeitig hoher Dichte macht das Siedlungsgebiet an der Scheuchzerstraße in Zürich-Oberstraß (Dichtefaktor 1,28). Es liegt am ­süd­westlichen Fuß des Zürichbergs, direkt unterhalb des teuren Villen­­quartiers.6 Wie dieses ist es aufgrund der Eingemeindung in die ­­ Stadt Zürich nach 1893 in den ehemaligen Rebhängen entstanden. Da es aber nahe der Innenstadt liegt, entschieden sich Stadt und Investoren in diesem Gebiet für eine dichtere Bebauung. Das Netz ruhiger Wohnstraßen passt sich der Hanglage an und bildet unterschiedlich geformte Bebauungskarrees. Trotzdem schafft der strenge

4 Typologisch könnte man den Perimeter der «Holbeinstraße» mit den repräsentativen Schaufassaden, grünen Vorgärten und Gartenhöfen als eine verdichtete Version der «Larochegasse» in Wien (Dichtekategorie 3) betrachten. Der im Vergleich entstehende Eindruck, die «Larochegasse» sei grüner, ist nicht nur auf die lockerere Bebauung und den größeren Gartenanteil zurückzuführen, sondern auch wesentlich auf die Alleebäume im öffentlichen Straßenraum, die in München weitgehend fehlen. 5 Siehe beispielsweise die Münchner Perimeter «Pariser Platz» (Dichtekategorie 7) und «Tal» (Dichtekategorie 8).

6 Siehe Perimeter «Schlösslistraße» (Dichtekategorie 2).

Berlin, Senftenberger Ring Zürich, Scheuchzerstraße

Zürich, Scheuchzerstraße Wien, Ringofenweg nächste Seite: Zürich, Scheuchzerstraße

100 Bebauungsplan ein so straffes Korsett, dass das Quartier im Ganzen eine sehr ruhige, homogene Atmosphäre ausstrahlt. Um jeder einzelnen Hangparzellen möglichst viel Sonne zu garantieren und dem Gebiet einen Gartencharakter zu verleihen, schrieb der Bebauungsplan von 1901 eine offene Bauweise mit frei stehenden Mehrfamilienhäusern vor.7 Die Straßenfronten der Gebäude durften eine Breite von 25 Metern nicht überschreiten. In seiner Tiefe konnte das Grundstück jedoch bis zu einem Grenzabstand von sieben Metern voll bebaut werden. So entstanden zwischen 1904 und 1914 in Oberstraß die typischen schlanken und tiefen Wohnhäuser mit vier Geschossen, die von schmalen Gärten umgeben sind, in denen auch die seitlichen Hauseingänge liegen. Die Höhe der Gebäude stellt einen städtischen Maßstab her, und die klare Gliederung in öffentliche und private Räume im Zusammenspiel mit der Vielfalt der unterschiedlich gestalteten Einzelbauten schafft persönliche Adressen. Der bürgerlichen ­Klientel entsprechend sind die Häuser neben einigen Jugendstil­ bauten zumeist im damals aufkommenden Heimatstil gehalten. Mit den ­schwe­­ren Dächern, den Sgraffiti-Ornamenten, den großen Balkonloggien und dem alten Hecken- und Baumbestand der Gärten strahlt das Quartier trotz städtischem Habitus eine ausgesprochen wohnliche, fast intime Atmosphäre aus. 8 Sowohl bei der Geschossflächen- und der Grundflächenzahl als auch beim Anteil der öffentlichen Flächen liegen die Zahlen in Zürich leicht unter denen in München. Die Verteilung der Wohnflächen ­­auf einzeln stehende Häuser mit Stockwerkswohnungen bewirkt eine elegante Symbiose aus dem Gefühl, im eigenen Haus mit Garten zu wohnen und gleichzeitig am städtischen Leben teilzuhaben. Das Quartier gehört damit zu den beliebtesten in ganz Zürich, was sich auch in den Mietpreisen niederschlägt, die im Stadtvergleich sogar höher liegen als im noblen Bogenhausen. Die Planer der Wohnsiedlung um den Ringofenweg in Wien-Favoriten (Dichtefaktor 1,31) versuchten Ende der 1980er-Jahre aus den Erkenntnissen der Geschichte zu lernen. Der Arbeiterbezirk Favoriten verfügt zwar über ein dicht bebautes Zentrum mit Blockrändern ­ aus der Gründerzeit. Ähnlich wie in der Wiener Donaustadt wurde aber auch an seinen Rändern mit verschiedensten Bebauungsformen vom Einfamilienhaus bis zur Plattenbausiedlung experimentiert. Der Untersuchungsperimeter liegt zwischen der Südosttangente der Autobahn und dem großen Erholungsgebiet Wienerberg. Er gehört zu der Wohnsiedlung Wienerberggründe, die auf einem ehemaligen Werksgelände der Wienerberger Ziegelwerke entstand. Auf Basis eines Wettbewerbs, den der Architekt Otto Häuselmayer 1980 gewann, wurden von 1984 bis 1996 in drei Etappen von verschiedenen Architekten9 etwa 2000 Wohnungen erbaut. Nach den negativen Erfahrungen mit anonymen Großsiedlungen wie etwa an der Prinzgasse10 , die denen im Märkischen Viertel in Berlin ähneln, suchten die Planer nach Alternativen. Mit der Bebauung am Ringofenweg wollten sie nun auf wirtschaftliche Weise ein urbaneres Sozialleben ermöglichen und gleichzeitig die Vorteile des Wohnens am Stadtrand nutzen. Die Lage direkt am Naherholungsgebiet Wienerberg und die gute verkehrstechnische Anbindung an die Innenstadt schienen beste Voraussetzungen dafür zu bieten. Die Siedlung entstand im Rahmen des Wohnbauprogramms «Vollwertwohnen», das attraktivere Stadtwohnungen mit hoher Lebens­qualität anbieten wollte, um die Abwanderung aus der Stadt aufs Land zu bremsen. Ähnlich der Mustersiedlung an der Pilotengasse11 in Wien-Aspern sind in den Wienerberggründen verschiedenste

Dichtekategorie 5

7 Die Zürcher Bauordnung von 1901 ver­bot generell in Hanglagen eine geschlossene Bebauung.

8 Vergleiche den im Straßenraum ähnlich strukturierten Perimeter «Larochegasse» in Wien (Dichtekategorie 2), der allerdings mit niedrigeren Häusern, größeren Gartenräumen und repräsentativen Villenfassaden eine herrschaftlichere Atmosphäre verströmt.

9 Neben Otto Häuselmayer bauten Otto Steidle, Helmut Wimmer, Adolf Krischanitz, Heinz Tesar, Gustav Peichl und viele mehr. 10 Siehe Perimeter «Prinzgasse» (Dichtekategorie 4).

11 Siehe Perimeter «Pilotengasse» (Dichtekategorie 2).

102 Bebauungstypen versammelt. Bockrand-, Hof- und Zeilenbauten bilden entlang der Otto-Probst-Straße einen drei- bis viergeschossigen urbanen Straßenraum. Gleichzeitig löst sich die Bebauung mit den Punktbauten der «tanzenden Landvillen» von Gustav Peichl zum Erholungsraum der Lehmgrubenseen locker auf. Eine große Anzahl von Architekten sollte mit ihren persönlichen Formensprachen Individualität garantieren und die Identifikation mit dem eigenen Haus und dem Quartier fördern. In der Vielfalt der dort ausgeführten Wohnformen lässt aber auch eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich der richtigen Form erkennen. Sie entspringt einer kritischen Haltung gegenüber monotonen Großsiedlungen wie der am Senftenberger Ring in Berlin. Gleichzeitig mussten investorenfreundliche Lösungen für die Bebauung möglichst großer Parzellen gefunden werden. Die Gliederung des rechteckigen Perimeters in fünf Parzellen, die über einen um-­ laufenden Ringweg mit flankierenden Parkplätzen und drei Stichwege erschlossen sind, erinnert in ihrer Anlage mit dem überwiegenden Anteil von halb öffentlich genutzten Außenräumen an die Struktur von Großsiedlungen. Auch die inselhafte Lage des Gebiets acht Kilometer außerhalb der Innenstadt verströmt eher eine vorstädtische Stimmung. Bei einer relativ niedrigen Bebauung von durchschnittlich nur drei Geschossen und einem niedrigen Anteil unbebauter Fläche setzt die Siedlung jedoch auf nachbarschaftliche Nähe in einem Reichtum an räumlichen Angeboten. Sie ähnelt damit eher einer verdichteten Form der dörflich geprägten Anlage in der Siedlung Neufriedenheim in München12 , nur mit dem Unterschied, dass in Wien Geschosswohnun­­gen und kaum Privatgärten geplant wurden.

Dichtekategorie 5

12 Siehe Perimeter «Reindlstraße» in München (Dichtekategorie 2).

Sehnsucht nach Symbiose Wohnprogramme wie die des Wiener «Vollwertwohnens» verkörpern die Sehnsüchte und die Erwartungen, die sich in der Dichtekategorie 5 an das Wohnen richten. Ihre Planer suchen explizit nach einer Symbiose zwischen enger städtischer Gemeinschaft und naturnahem Wohnen.13 Diesem Anspruch werden aber am ehesten jene Bebauungen gerecht, die klar auf einen urbanen Habitus setzen und selbstbewusste Stadthäuser in private Grünräume betten. In Quartieren wie denen an der Münchner Holbeinstraße oder an der Zürcher Scheuchzerstraße entsteht eine streng gegliederte Schichtung der Räume von der Fahrbahn über den Gehweg und den Vorgarten zum Haus und dem Gartenraum. Die Atmosphäre wirkt städtisch, aber gerade durch die ländlich inspirierte Gestaltung der Fassaden, die gepflegten Gärten und die umgebenden Villengebiete bleibt das Gefühl, im Grünen zu wohnen, bestehen. Die ausladenden Balkone statten die einzelnen Wohnungen zusätzlich mit großzügigen privaten Außen-­ räumen aus. Gleichzeitig wächst der Anteil an nicht bebauten Flächen und an öffentlichen Begegnungsräumen. In München wie in Zürich wird die Symbiose aus urbanen und ländlichen Qualitäten noch dadurch gestärkt, dass sowohl Naherholungsgebiete als auch die Innenstadt leicht zu Fuß zu erreichen sind. Auf diese Weise können diese beiden Quartiere die Sehnsucht nach städtischem Leben in naturnaher Umgebung sehr gut befriedigen. Bei ähnlicher Dichte gestaltet sich die Bebauung am Ringofenweg viel unentschiedener. Innerhalb des Quartiers setzt zwar auch sie auf die fußläufige Erreichbarkeit von den Geschäften an der Straße und dem Erholungsraum mit den Seen dahinter. Die Häuser sind aber mindestens ein ganzes Geschoss niedriger als in München und Zürich,

13 Siehe dazu auch das Gedicht «Das Ideal» von Kurt Tucholsky im Kapitel «Ja, das möchste» in der Einführung zu diesem Buch, das den in der Siedlung gebrauchten Begriff «Vollwertwohnen» satirisch treffend beschreibt.

103 und die Anlage wirkt in sich abgeschlossen. Der Weg in die Innenstadt ist relativ weit, und so bleibt die Atmosphäre einer isolierten vorstädtischen Gemeinschaft bestehen. Viel konsequenter will das Märkische Viertel am Rande Berlins durch die Bildung einer eigenen Satellitenstadt ebenfalls die Symbiose aus Stadt- und Landleben erreichen. In der Realität kann die Siedlung aber weder ein funktionierendes städtisches Zentrum herstellen, noch benutzbare Grünräume anbieten. Die Verdichtung in die Höhe schafft eher Fernbezüge als ein funktionierendes Quartiersleben.

Hof und Garten

Dichtekategorie 6

( 1.5  — 1.9 )

Innerstädtische Mischung 1: Hof und Straße

München, Tumblingerstraße

Wien, Hasnerstraße

107

Hof und Straße

Die Suche nach der städtischen Form Die Analyse der Quartiere in der Dichtekategorie 6 zeigt eine

Verschiebung des städtebaulichen Schwerpunktes weg von den Grünzonen hin zum Straßen- und Hofraum. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Bevölkerungszahl im Zuge der Industrialisierung sprunghaft an. Beinahe alle größeren mitteleuropäischen Städte planten in dieser Zeit Stadter­weiter­ungen, die mit umfassenden Eingemeindungen einhergingen. Um die gewonnenen Flächen effizient zu nutzen, wurde der Blockrand die typische städtebauliche Form dieser Zeit. Außer­dem spielte die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bahn- und Tramlinien eine große Rolle. Die beiden Perimeter in Wien und München stammen aus der Gründerzeit, gehen aber unterschiedlich mit dem Thema der Dichte und dem Verhältnis von Straße zu Hofraum um. Das Berliner Quartier versuchte, aus den Fehlern dieser Zeit zu lernen und die Figur des Blockrandes zu klären und zu verbessern. Die Bebauung des jüngsten Perimeters in Zürich suchte mit kompakten Einzelvolumina eine ­Neuinterpretation der verdichtenden Blockrandbauweise unter den Vorzeichen der ökonomischen und ökologischen Effizienz. Allen vier Perimetern ist gemeinsam, dass sie in ehemals vorstädtischen Gebieten eindeutig städtische Räume schaffen wollten. Sie gehören aber bis heute nicht zum engeren Kernbereich der ­­jeweiligen Stadt. Sie sind verkehrstechnisch eng an das Stadtzentrum wie an die Peripherie angebunden und suchen die Vorteile von Kiezgemeinschaften. Der halb öffentlich genutzte Raum spielt (außer in Zürich) nur noch eine untergeordnete Rolle. Dafür wird die Grenzziehung zwischen Straße, Haus und Hof immer wichtiger. Die Perimeter Die Quartiersanalyse beginnt mit einem städtebaulichen Experiment. Die Bebauung des Perimeters am Bändliweg in Zürich-Grünau (Dichtefaktor 1,55) versucht eine Umkehrung der traditionellen Blockrandstruktur. Dort, wo sich innerhalb eines Blockrandes eigentlich die Höfe öffnen würden, konzentriert der Architekt Adrian Streich die Baumassen, und wo die Blockränder an Straßen stünden, befindet sich jetzt ein halb öffentlich genutzter Platzraum.1 So entsteht mitten in der Grünau eine weite Fläche, auf der würfelförmige Gebäude mit relativ tiefen Grundrissen und großen Loggien stehen. Sie schaffen in ihren Zwischenräumen eine lockere Folge offener Plätze mit mehrheitlich festen Oberflächen und eingestreuten Kunstwerken. 2 Diese eigenwillige städtebauliche Konstellation der Siedlung Werdwies ist aus ihrer direkten Umgebung heraus zu verstehen. Der Perimeter ersetzte im Jahr 2007 eine einfache Wohnsiedlung, die mit niedrigen Blockrandzeilen einen lang gestreckten, introvertierten Hof bildete. Die neuen Punktbauten öffnen nun einerseits den Raum im Norden zu den Grünflächen und den öffentlichen Einrichtungen der Großsiedlung Grünau aus den 1970er-Jahren3 , andererseits leiten sie süd­lich zu den kleineren Parzellen über. Die Siedlung steht wie auf einer platzartigen Platte, die nun das neue Zentrum der Grünau bildet. Vergleicht man ihre Analysewerte mit denen der angrenzenden Großsiedlung, so fällt auf, dass in der Werdwies bei deutlich höherer Dichte und nur wenig tieferer Durchschnittshöhe der Bauten der Anteil an unbebauter Fläche abnimmt, gleichzeitig der Anteil des öffentlichen

1 Würde man die Höfe einer traditionellen Blockrandbebauung mit Baumasse füllen und risse dann die Häuser des Blockrandes ab, so würden kompakte würfelförmige Bauten stehen bleiben, wie sie an der Bändliweg geplant wurden. 2 Die Gestaltung der Freiflächen stammt vom Landschaftsarchitekten André Schmid, ein Brunnen von dem Künstler Ugo Rondinone und eine Reihe von Fahnen von Frédéric Post.

3 Siehe den Perimeter «Meierwiesenstraße» (Dichtekategorie 4).

Berlin, Bonner Straße Zürich, Bändliweg

110 Raums aber drastisch zunimmt. Der Plan mit der Verteilung der öf­fen­t­­­ lichen Flächen zeigt jedoch sofort, dass diese sich nur in der Ring­ straße um die Großparzelle konzentrieren. Die Platzräume selbst gehören gänzlich zum halb privaten Raum der Siedlung. Durch die kleinteilige Gliederung ist dieser Zwischenraum schwieriger zu nutzen4 als die weiten, funktional gut gewichteten Flächen in der 1970er-Jahre-Siedlung nebenan. Zwar haben alle Wohnwürfel halb öffentlich genutzte Erdgeschossnutzungen wie einen kleinen Supermarkt, einen Kindergarten und Kleingewerbe. Mangels Lauf­ kundschaft führen diese aber ein Schattendasein in der Ruhe des Siedlungsinneren. Der planerische Schwerpunkt liegt auf dem Angebot guter, großzügiger Wohnungen. Dies zeigt auch ein Vergleich der Belegungsdichte beider Siedlungen. Die Wohnungen der Werdwies bieten jedem Bewohner beinahe anderthalb mal mehr Fläche als die der Großsiedlung. Den genau entgegengesetzten städtebaulichen Weg schlägt die Künst-­ lerkolonie um die Bonner Straße in Berlin-Wilmersdorf (Dichtefaktor 1,53) ein. Hier umschließen klare Blockränder große Hofräume, die parkähnlich gestaltet sind. Ein Netz baumbestandener Straßen bildet zusammen mit den grünen Vorgartenzonen die engmaschige öffentliche Erschließung der Siedlung mit dem Ludwig-Barnay-Platz als ihrem Zentrum. Die Künstlerkolonie Berlin wurde zwischen 1927 und 1931 als südliche Fortsetzung der sogenannten Gartenstadt um den Rüdes-­ heimer Platz, die schon vor dem Ersten Weltkrieg entstand, nach einem Gesamtplan der Architekten Ernst Paulus und seinem Sohn Günther Paulus erbaut. Sie sollte sozial nicht abgesicherten Künstlern und Schriftstellern preiswerten, komfortablen Wohnraum zur Verfügung stellen. Bis zum Beginn des NS-Regimes wohnte hier eine große Anzahl bekannter Kunstschaffender. Die hohe Konzentration von Linksintellektuellen machte die Kolonie nach 1933 zum Ziel nationalsozialistischer Übergriffe. 5 Viele wurden aus ihren Wohnungen vertrieben, andere gingen in den Widerstand, einige von ihnen kehrten nach dem Krieg zurück. Heute steht die Siedlung unter Denkmalschutz. Da die Künstlerkolonie tendenziell eine Gemeinschaft Gleichgesinnter beheimatete, legten ihre Planer großen Wert auf die kommunikationsfördernden Qualitäten der Außenräume. Als Alternative zu den engen Mietskasernen der Gründerzeit6 wurden die Hofräume der Blocks bewusst als Begegnungsraum freigehalten, und der BarnayPlatz bildete den öffentlichen Treffpunkt des Quartiers. Vergleicht man nun die Zahlen der Kolonie mit denen der Siedlung Werdwies in Zürich, so fällt auf, dass bei annähernd gleicher Geschossflächenzahl und geringerer Bauhöhe in Berlin der Anteil der unbebauten Fläche zwar leicht sinkt, die öffentlichen Flächen aber drastisch größer ausfallen. Das Straßennetz ist breit und offen gestaltet, es setzt mit Platzbildungen Schwerpunkte. Zusätzlich haben die ­verschiedenen Höfe einen halb öffentlichen Charakter und bieten eine weitere Hierarchie von Begegnungsräumen an, die aber klar den je­-w ­ eiligen Wohnblocks zugeordnet sind.7 Außer einer Kirche mit ­Gemeindehaus fehlen im Perimeter jedoch jegliche öffentlichen Einrichtungen und Geschäfte. Das Gebiet ist gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden und besitzt bis heute den Charakter eines ruhigen Wohnquartiers mit wenig Straßenverkehr. Die Bebauungsstruktur um die Hasnerstraße in Wien-Ottakring (Dichtefaktor 1,62) verdichtet sich sowohl zu den Straßen als auch

zu den Höfen hin.

Dichtekategorie 6

4 Die formal unterschiedliche Gestaltung der einzelnen Platzräume, die trotz ähnlicher Nutzung und Größe verschiedene Platzcharaktere erzeugen soll, zeigt, dass diese nicht selbstverständlich aus den Angeboten und Bedürfnissen am Ort erwachsen.

5 Unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Nazionalsozialisten im Jahr 1933 wurden Razzien und Verhaftungen in der Künstlerkolonie durchgeführt. Zahlreiche prominente Bewohner wie etwa Ernst Bloch, Walter Hasenclever, Arthur Koestler und viele andere verließen daraufhin Deutschland, oder gingen in den Untergrund, um den Widerstand zu organisieren, wie beispielsweise die Gruppe «Revolutionäre Arbeiter und Soldaten» (RAS). 6 Siehe die Parameter «Christburger Straße» (Dichtekategorie 7) und «Raabestraße» (Dichtekategorie 8).

7 Vergleiche dazu die in etwa zeitgleich entstandene Zeilenbau-Siedlung im Perimeter «Goebelstraße» in Berlin (Dichtekategorie 4), die bei ähnlicher Bauhöhe und geringerer Dichte mehrheitlich halb öffentlich nutzbare Räume bildet.

111 Der Perimeter erstreckt sich über die Grenze zwischen den Bezirksteilen Ottakring und Neulerchenfeld und ist typisch für die Gründerzeitbebauungen jenseits des Wiener Gürtels. 8 Mit der Industrialisierung Ottakrings stieg die Bevölkerungszahl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch im benachbarten Neulerchenfeld sprunghaft an. 9 Um Raum für die vielen neuen Bewohner zu schaffen, legte man zwischen den beiden Ortskernen ein neues Quartier in einem regelmäßigen Raster längsrechteckiger Karrees mit zirka 60 mal 130 Metern Seitenlänge an. Da in dem Gebiet hauptsächlich Arbeiter und Gewerbetreibende wohnten und arbeiteten, wurden auch die Innenhöfe der Blocks baulich stark genutzt. Die Höfe sind eng mit niedrigen Hinterhäusern, Gewerbebauten, Ställen und Gartenhäusern bebaut. Oft sind diese Bebauungen Reste der nur ein- bis zweigeschossigen Gebäude aus der Anfangszeit des Quartiers. Der höhere Blockrand kam erst im späten 19. Jahrhundert hinzu. Die Vorder­ häuser rücken ohne Vorgärten direkt an die Straße. Der öffentlich nutzbare Grünraum konzentriert sich auf einzelne Parkanlagen wie den Vorplatz des Amtshauses und die Alleebäume der Hasnerstraße. Daher sorgt das Quartier trotz seiner recht unterschiedlich hohen Bauten im Ganzen für einen betont urbanen und steinernen Eindruck. Das äußerst effizient genutzte Raster des Perimeters weist mit nur 50 Prozent nicht bebauter Fläche den mit Abstand niedrigsten Wert aller vier Untersuchungsgebiete auf. Gleichzeitig verfügt es, trotz deutlich höherer baulicher Dichte, mit 31 Prozent über einen ähnlich hohen Anteil an öffentlichen Flächen wie die Berliner Künstlerkolonie. Halb öffentlich genutzte Räume gibt es kaum. Aufgrund des regen Treibens innerhalb der Blocks werden die eng strukturierten öffentlichen Freiräume jedoch viel intensiver genutzt. Im Quartier findet sich bis heute eine Vielfalt an Kleingewerbe, Läden und Gastronomie. Die hohe Belegungsdichte und die große Nähe der Bauten führen im Durchschnitt zu relativ niedrigen Mietpreisen, wodurch das Gebiet eine große Durchmischung von In- und Ausländern aufweist. Die kleinere Parzellierung und die Möglichkeit, Höfe mit Kleinbauten zu bebauen oder umzunutzen, befördern außerdem eine dynamische Entwicklung des Gebiets. Auch das Schlachthofviertel um die Tumblingerstraße in der Münchner Isarvorstadt (Dichtefaktor 1,78) entstand als Arbeiter- und Handwerkerquartier in der Gründerzeit. 1878 wurde in der Isarvorstadt der zentrale Münchner Schlacht- und Viehhof samt Bahnanschluss gebaut. Dieser zog schnell Handwerksbetriebe aus der Metzger-, Leder- und Textilbranche an, deren Betreiber vornehmlich galizische Juden waren. Zusammen mit verschiedenen anderen Kleingewerben siedelten sie sich nördlich der neuen Schlachthofanlage an und entwickelten ein reges Quartiersleben. Im Zweiten Weltkrieg wurden zwar viele Häuser in dieser Gegend zerstört, viele wurde aber wiederaufgebaut, und bis heute steht ein großer Teil der alten Grün­­derzeitgebäude. Obwohl sie einer zeitgleich mit dem Bau des Schlachthofs ­ver­abschiedeten Baulinienplanung folgt, wirkt die Quartiersstruktur organischer gewachsen als das Wiener Raster. Die Bebauungskarrees fallen deutlich größer aus und bilden keine geschlossenen Block­ ränder, sondern dichte Konglomerate aus gleichwertigen Einzel­ häusern und Kleinblöcken. Nur an den Außenrändern des Perimeters werden die Blöcke mit höheren Häuserzeilen geschlossen. Auf diese Weise wird das ganze Quartiersinnere von den viel befahrenen größeren Straßen rundum abgeschirmt. Zwischen den Häusern führt ein feines Wegenetz innerhalb jedes Gevierts zu den einzelnen,

Hof und Straße

8 Siehe dazu auch den Perimeter «Fockygasse» (Dichtekategorie 7). 9 Die Bevölkerungszahl des Neulerchenfeldes stieg von gut 6000 im Jahr 1850 auf 45 000 im Jahr 1890 an. In Ottak­­­ring lebten 1850 über 7000 Menschen und 1890 bereits knapp 62 000. Mit der Ein­gemeindung in die Stadt Wien 1892 stieg die Zahl weiter an.

112 dicht beieinanderstehenden Häusern. Die Bebauung bleibt so bei aller Enge offen und lässt Querungen durch die Straßenkarrees zu. An der Ruppert- und der Schmellerstraße besitzen die Häuser Vorgärten, die zusammen mit den Bäumen zwischen den Gebäuden einen vor­ wiegend grünen Eindruck vermitteln. Die mehrheitlich viergeschossigen Häuser erzeugen durch ihre dichte und flächige Bauweise die höchste Geschossflächenzahl in dieser Kategorie. Und obwohl der Anteil an öffentlicher Fläche mit 24,5 Prozent relativ niedrig ist, wirkt das Quartier lockerer bebaut und viel ruhiger und grüner bewachsen als in Wien.10 Da die umliegenden Quartiere des Glockenbach- und des Gärtner-­ platzviertels in den vergangenen Jahren in großem Umfang saniert wurden und gegenwärtig eine rasche Gentrifizierung erleben, steigt auch im einfacheren Schlachthofquartier immer mehr das Mietpreisniveau. Die Bewohner scheinen trotz der engen Bauweise die Qualitäten des Quartiers sehr zu schätzen. Privat und öffentlich Die Quartiere der Dichtekategorie 6 suchen jedes auf seine Weise nach dem richtigen Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Raum. Die relativ hohe Dichte lässt halb öffentlich genutze Aussenräume nur noch begrenzt zu. Trotzdem experimentieren drei der Perimeter mit dieser Raumkategorie. Die Siedlung Werdwies in Zürich stülpt den halb öffentlich genutzten Raum als Platz nach außen und versucht so, eine maximale Öffentlichkeit herzustellen, schafft damit aber ein etwas unklares vorstädtisches Feld. Die Künstlersiedlung in Berlin erprobt eine klare Hierarchisierung zwischen den halb öffentlich nutzbaren Hofräumen, den Vorgar­ten-­ zonen, den Straßen und den Parkanlagen, wodurch ein sehr ruhiges, homogenes Quartier mit viel Grün und wenig Straßenleben entsteht. Die enge Durchwegung der Häuserblöcke in München bildet zwar auch schmale, halb öffentlich genutzte Räume, diese dienen jedoch eindeutig der Erschließung der verschiedenen Häuserschichten innerhalb der Gevierte und übernehmen so die Funktion schmaler Gassen. Die Vorgartenzonen an den Straßenzügen dienen teilweise als kleine Gastgärten von Restaurants und Cafés, oder als Vorplätze von Geschäften und tragen so ihrerseits zu einem regen Straßenleben ­­ bei. So kann das Quartier trotz hoher Dichte eine angenehme Durchmischung von Wohnen und Gewerbe entwickeln und die Kommuni­ kation zwischen den Bewohnern fördern, ohne seine ruhigen Kiezqualitäten zu verlieren. Nur der Perimeter in Wien verzichtet vollkommen auf halb ­öffentlich genutzte Flächen. Mit der höchsten Grundflächenzahl erzeugt er auch die größte Öffentlichkeit, denn alle Räume außerhalb der Blöcke sind klar öffentlichen Funktionen wie Straßen und Plätzen zugewiesen. Diese Verdichtung des Lebens ist überall in den Straßen zu spüren. Das Quartier ist damit gleichzeitig das lauteste und bunteste in dieser Kategorie. Mit einer Belegungsdichte von 60 Quadrat­ metern pro Einwohner liegen die Wohnungen allerdings nur knapp über der Hälfte der Fläche, die einem Bewohner der Werdwies in Zürich zur Verfügung steht. Nur aufgrund der städtischen Förderung bleiben diese Wohnungen in Zürich erschwinglich. Hier zeigt sich aber auch der immense Wandel der Mieteransprüche an den Wohnraum.

Dichtekategorie 6

10 Vergleiche dazu den Perimeter «Scheuch-­ zerstraße» in Zürich (Dichtekategorie 5), der bei geringerer Dichte, kleineren Karrees und mehr Straßenanteil eine ähnliche Verteilung von Einzelhäusern zeigt.

Wien, Hasnerstraße

Dichtekategorie 7

( 1.9  —  2.3 )

Innerstädtische Mischung 2: Raster, Achsen und Plätze

Berlin, Christburger Straße nächste Seite: Wien, Fockygasse

117

Raster, Achsen und Plätze

Stadterweiterungen der Gründerzeit Die Dichtekategorie 7 vereint vier klassische Stadterweiterungen der Gründerzeit und zeigt, wie stark sich ihre Geschichten ähneln und zu welchen unterschiedlichen Lösungen jede der vier Städte fand. Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte Mitteleuropa aufgrund der einsetzenden Industrialisierung einen bisher nicht gekannten wirtschaftlichen Aufschwung. Die Folge war eine grassierende Landflucht, die den Bedarf an günstigem Wohnraum in den Städten nach oben schnellen ließ. Innerhalb kurzer Zeit wurden oft buchstäblich auf der grünen Wiese ganze neue Stadtviertel errichtet. Es war die Zeit der großräumigen Eingemeindungen, in der Großstädte entstanden. Das Ausmaß der Stadterweiterungen und die Masse der Menschen erforderten neben einer hygienischen Kanalisation ebenso eine völlig neue Verkehrsinfrastruktur. Die Eisenbahn wurde zu einem wichtigen Motor sowohl für die Wirtschaft als auch für die Entwicklung der Stadtstruktur. Bahnhöfe und Gleistrassen waren die strukturierenden Elemente der neuen Ballungsräume und sorgten für den Transport der Menschen. Als effizienteste städtebauliche Form wurde damals das gründer­zeitliche Straßenraster aus Blockrändern mit vier- bis sechsgeschossigen Mietshäusern entwickelt, das bis heute weite Teile mitteleuropäischer Städte prägt. Die größte Schwierigkeit bei dieser Bauweise bestand in der mangelnden Regulierung der Bebauungsdichte. Die Bauordnungen bezogen sich meist nur auf Planungen für den öffentlichen Raum der Straßen und Plätze sowie die Verteilung der Schulen, Ämter und Kultureinrichtungen. Innerhalb der Blocks und vor allem in den Hinterhöfen wurde jedoch der Bauspekulation kaum eine Grenze gesetzt. Die durchgrünten Zeilenbauten der Moderne sind als be-freiende Gegenreaktion auf die stickigen, engen Verhältnisse dieser Spekulationszeit zu verstehen.1 Interessant ist, dass die gründerzeit­liche Blockrandstruktur (im Gegensatz zur Moderne) eindeutige städtische Quartiere schuf, die in Mitteleuropa noch immer als Inbegriff für Urbanität gelten. Heute gehören diese ehemals ärmlichen Arbeiterquartiere bei deutlich geringerer Belegungsdichte zu den beliebtesten Wohngegenden der Städte. Nach den Zerstörungen der beiden Weltkriege und den gezielten Auflockerungen und Entkernungen der Hinterhöfe bieten die Häuser nun großzügige Wohnräume, eine Mischung aus kleinen Läden, Lokalen und unterschiedlichen Wohnangeboten. Außerdem sind sie verkehrstechnisch gut angebunden und zentrumsnah. Die Gentrifizierung ist derzeit in vollem Gang und ergreift inzwischen fast alle erhaltenen Gründerzeitviertel. Die Pertimeter Das Quartier um die Christburger Straße in Berlin-Prenzlauer Berg (Dichtefaktor 2,12) zeigt in außergewöhnlich reiner Form die Prinzipien und die Schwierigkeiten einer spätgründerzeitlichen Bebauungsstruktur. Der Prenzlauer Berg ist bis heute das größte erhaltene Gründerzeitgebiet in Deutschland. Bereits seine Entstehung steckte voller Superlative. Als die Bevölkerungszahlen in Berlin zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch die große Landflucht rasch zunahm, verschlechterten sich die Lebensbedingungen in den engen Mietshäusern innerhalb der Stadtmauern so stark, dass die Stadtverwaltung Pläne für eine großräumige Stadterweiterung rund um Berlin und deren grüne Nachbarstadt Charlottenburg erarbeitete. Nach einigen gescheiterten

1 Mit dem großen Börsenkrach 1873 endete diese Bauspekulationsphase abrupt und erholte sich erst Ende des 19. Jahrhunderts, als ein erneuter Bauboom einsetzte.

118 Planungsversuchen2 entwickelte der vom königlichen Innenministerium eingesetzte Bauinspektor James Hobrecht bis 1862 den nach ihm benannten «Hobrecht-Plan», auf dessen Basis die größte Stadterweiterung Europas für die kommenden 50 Jahre erfolgen sollte. 3 Ziel dieses Plans war es, ein leistungsfähiges Straßennetz mit entsprechender Kanalisation und Versorgungsleitungsführung zu schaffen sowie Platz für Gleistrassen und Bahnhöfe zu erschließen. Hobrecht legte allerdings keinen detaillierten Bebauungsplan vor, sondern entwickelte einen sogenannten Fluchtlinienplan, in dem ein System von strahlenförmigen Achsen und Ringstraßen mit Boulevardcharakter festgelegt wurde. Dieser Plan regelte nur die Abgrenzung zwischen den öffentlichen Straßen- und Platzräumen und den dazwischen liegenden Bebauungskarrees, ohne eine genaue Parzellierung und deren maximale Ausnützung vorzuschreiben. Hobrecht verfügte zunächst lediglich, dass an den Straßen bürgerliche Wohnhäuser mit maximal sechs Geschossen und 20 Metern Traufhöhe gebaut werden und in den Innenhöfen Werkstätten und Wohnräume für Arbeiter entstehen sollten. Er erhoffte sich von dieser Vorgabe eine bewusste soziale Durchmischung der Bewohnerschaft in den neuen Bezirken. Da jedoch die Baupolizeiordnung von 1853 außer einer minimalen Größe von 5,34 mal 5,34 Metern4 für Hinterhöfe keine weiteren Vorschriften hinsichtlich der Bodenausnützung machte, war der Bau-­ spekulation Tür und Tor geöffnet. So entstand in kurzer Zeit um Berlin der wilhelminische Mietskasernenring mit seinen großzügigen Vorderhäusern und den äußerst engen, schlecht belüfteten Hinterhofwelten. 5 Der Prenzlauer Berg bildet den größten Teil dieses Rings. Seine älteren innenstadtnahen Gebiete wurden mit bis zu acht Hinterhöfen äußerst dicht bebaut.6 Erst als die Bauwirtschaft sich nach dem großen Börsenkrach von 1873 wieder erholt hatte und zur Jahrhundertwende ein erneuter Bauboom mit dichtester Bebauung einsetzte, sah sich der Magistrat gezwungen, die Bauordnung zu verschärfen. Sie schrieb nun deutlich größere Hinterhöfe vor, sodass sich jetzt meist zwei Nachbarparzellen jeweils C-förmig um einen gemeinsamen Innenhof legten. Die Traufhöhe wurde auf maximal 22 Meter angehoben, die Geschosszahl auf fünf begrenzt. Ende der 1890er-Jahre erreichte die Bebauung den Ring der Danziger Straße, der die nordöstliche Außengrenze des HobrechtPlans bildete. Der Untersuchungsperimeter zwischen Christburger und Danziger Straße setzt dieses neue Bebauungsschema mustergültig um. Wo in den älteren Bebauungskarrees des Prenzlauer Bergs ein großes Straßengeviert mit vielen Hinterhöfen dicht bebaut wurde, teilen dieses Gebiet zwei weitere Parallelstraßen in drei schmale Grundstücksrechtecke mit weitgehend gleich großen Parzellen. So entstehen gut belichtete und belüftete Wohnungen in je zwei Vorderhäusern und einem Seitenflügel.7 Der Perimeter an der Christburger Straße erreicht mit dieser klaren städtebaulichen Struktur die höchste Dichte aller vier Gebiete in dieser Kategorie. Mit über 40 Prozent hat er zwar gleichzeitig auch den größten Anteil an öffentlicher Fläche, diese verteilt sich aber ausschließlich auf den Straßenraum, ohne Plätze mit Aufenthaltsqualität zu bieten. 8 Das DDR-Regime ließ das Gebiet zugunsten des Baus neuer Wohnungen in Plattenbaugebieten verfallen. Nach der sogenannten Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 wuchs das Interesse an den vielen erhaltenen Gründerzeithäusern rasch, und der Prenzlauer Berg wurde zum größten Sanierungsgebiet Europas. Die Mischung aus breitem baumbestandenem Straßenraum, kleinen Läden, großen Vorderhaus- und ruhigen Hinterhauswohnungen scheint heute mit einer deutlich geringeren Belegungsdichte besser denn je

Dichtekategorie 7 2 Unter anderem plante der Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné bereits 1840 einen großen Ringboulevard um die Stadt, der aber zu weitläufig angelegt war. 3 1861 hatte Berlin 525 000 Einwohner, und der Hobrecht-Plan ging von einem Wachstum der Einwohnerschaft in den kommenden 50 Jahren auf 1,5 bis zwei Millionen Einwohner aus. Tatsächlich wuchs die Bevölkerungszahl 1910 bereits auf zirka 1,9 Millionen. Durch die Eingemeindungen überschritt Großberlin 1920 sogar die Vier-Millionen-Grenze.

4 Dies war der minimale Wendekreis für damalige Feuerspritzen. 5 Mit durchschnittlich 110 Menschen pro Haus galt der Prenzlauer Berg als eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. (Zum Vergleich wohnten 1920 in London acht und in New York 17 Menschen pro Haus.) 6 Zu den älteren Quartieren des Prenzlauer Berges siehe den Perimeter «Raabestraße» (Dichtekategorie 8).

7 Das typische Prenzlauer-Berg-Haus dieser Zeit ist 18 Meter breit, hat ein fünfgeschossiges Vorderhaus mit Geschäften im Erdgeschoss und je zwei Wohnungen pro Obergeschoss und einem Seitenflügel mit meist vier Wohnungen pro Etage für ärmere Bevölkerungsschichten. Die Mono­tonie der Struktur wurde durch unter­schie­d­liche Fassadengestaltung geschickt gebrochen. 8 Im Hobrecht-Plan war eigentlich ein großer öffentlicher Platz in diesem Perimeter geplant. Doch da die Grundeigentümer für solche Plätze von der Stadt nicht entschädigt wurden, überbauten sie auch diese Flächen. Heute begrenzen die überbreiten Straßenzüge der Danziger und der Greifswalder Straße sowie der Landsberger Allee mit ihren Tramgleisen das Gebiet.

Wien, Fockygasse

München, Pariser Platz Zürich, Kanzleistraße nächste Seite: Zürich, Kanzleistraße

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Raster, Achsen und Plätze

zu funktionieren. Außerdem ist das Gebiet mit zwei Tramlinien und dem S-Bahn-Ring verkehrstechnisch sehr gut angebunden. Der Perimeter an der Fockygasse in Wien-Meidling (Dichtefaktor 1,96) zeigt zwar ein ähnlich straffes Raster wie der Prenzlauer Berg. Anders als Berlin entwickelte Wien aber nie einen umfassenden Stadterweiterungsplan. 9 Trotzdem ähnelt die gründerzeitliche Planungsentwicklung mit den beiden Ringstraßen (Ring und Gürtelstraße) und den strahlenförmigen Ausfallstraßen prinzipiell der Berlins. Das ebenfalls rasante Wachstum Wiens im 19. Jahrhundert wurde jedoch in eher kleinen Einzelabschnitten durch ortsspezifische Bebau-­ ungslösungen umgesetzt. Der Untersuchungsperimeter liegt jenseits des Gaudenzdorfer Gürtels. Die Anlage der Gürtelstraße entstand ab 1873 durch die Schleifung der Anlagen des Linienwalls. Damit wurde auch die Bauverbotszone um den Wall aufgehoben, und schnell entstanden rund um Wien neue Wohnquartiere zwischen dem Gürtel und den alten Kernen der Vororte. Wie der Perimeter an der Hasnerstraße10 liegt das kleine Gebiet an der Fockygasse in dieser Zone direkt außerhalb der ehemaligen Wallanlagen und ist durch ein überwiegend gleichmäßiges Straßenraster geprägt. Und wie dort umschließen höhere Blockränder entlang der Straßen jeweils einen Hofraum mit meist niedrigeren Gewerbeund einfacheren Wohngebäuden. Die Vorderhäuser sind mit fünf Stockwerken ein Geschoss höher als in Ottakring und bilden nur in seltenen Fällen gleich hohe rückwärtige Seitenflügel. Im Gegensatz zum industriell optimierten Reihungssystem der Christburger Straße wuchs hier hinter ausgesprochen homogenen Straßenansichten im Blockinneren ein heterogener, kaum geregelter Hinterhofkosmos. Der relativ hohe Anteil an öffentlichen Flächen verteilt sich wie in Berlin ausschließlich auf das Straßennetz. Schwerpunkte setzt das Achsenkreuz aus Wolfgang- und Steinbauergasse. Im Unterschied zu den schmalen, und wenig begrünten Nebenstraßen sind diese beiden Gassen breiter gehalten und von Grünstreifen mit Alleebäumen begleitet, was ihnen eine höhere Aufenthaltsqualität verleiht. Hier finden sich auch kleine Läden und Gastlokale. Dem lebhaften Viertel ist anzumerken, dass es die höchste Belegungsdichte dieser Dichtekategorie aufweist. Alles strahlt die Atmosphäre eines einfachen, dichten Arbeiterquartiers mit hohem Ausländeranteil aus. Die städtebauliche Grundstruktur des Perimeters an der Kanzleistraße in Zürich-Außersihl (Dichtefaktor 1,96) ähnelt stark der in Wien. Auch Außersihl entstand einst aus einer Vorortgemeinde, die vor den Befestigungsanlagen der Stadt und jenseits der Sihl lag. Das Gemeindegebiet umfasste die Schwemmebene von Limmat und Sihl und war zunächst dünn besiedelt. Orte wie der Hinrichtungsplatz und die Tierkadaverentsorgung, die man in der Stadt nicht haben wollte, wurden hierhin ausgelagert, und so besaß das Gebiet lange keinen guten Ruf.11 Als auch in Zürich mit Beginn der Industrialisierung ein schneller Bevölkerungszuwachs einsetzte, bot Außersihl die größten Grundstücksreserven vor der Stadt. Bei seiner Eingemeindung 1893 war es dann bereits größer als Alt-Zürich. Mit Bauten wie der Kaserne, dem Zeughaus und verschiedenen Schulhäusern versuchte die Stadt, das Gebiet aufzuwerten. Trotzdem blieb dieser Stadtkreis einer der ärmsten Zürichs. Als Reaktion auf die schlechten Verhältnisse im dicht besiedelten Außersihl formulierte das revidierte Baugesetz von 186312 Vorschriften zum Erscheinungsbild städtischer Gebiete und ermöglichte nun eine geschlossene Bauweise, die mit ihrer höheren

9 Zwar gewann Otto Wagner 1893 den Wettbewerb für einen «Generalregulierungsplan» für die Stadt Wien, dieser wurde aber nur in kleinen Bruchstücken umgesetzt.

10 Siehe Perimeter «Hasnerstraße» in Wien-Ottakring (Dichtekategorie 6).

11 Noch heute heißt die Gegend des Zürcher Stadtkreises 4 Kreis «Cheib», was ursprünglich «Tierkadaver» bedeutet. 12 Das «Kantonale Gesetz btr. eine Bauordnung für die Städte Zürich und Winterthur und für städtische Verhältnisse überhaupt vom 30. Juni 1863» sollte das Erscheinungsbild verbessern, sah eine genaue Verteilung des öffentlichen Grundes vor und ermöglichte die geschlossene Bauweise. Das Gesetz wurde planerisch aber nie im vollen Umfang umgesetzt.

124 Dichte die ärmlichen Einzelhäuser ersetzen sollte. Diese fand im Spekulationsfieber des großen Wirtschaftsaufschwungs am Ende des 19. Jahrhunderts eine schnelle Verbreitung.13 Auch das Quartier an der Kanzleistraße durchlief diesen Wandel und folgte den neuen Richtlinien mit meist fünfgeschossigen repräsentativen Mietshäusern, die mehrheitlich Ende der 1890er-Jahre entstanden. Der Bau des Güterbahnhofs und der Gleisanlagen lockte vorwiegend italienische Bauarbeiter in das Gebiet innerhalb des Gleisbogens der Seebahn, in dem der Untersuchungsperimeter liegt. Mit den stattlichen Neorenaissancefassaden stellte die Arbeiterschaft ihr neu gewonnenes proletarisches Selbstbewusstsein nun stolz zur Schau. Als die Liegenschaftskrise nach 1900 die Spekulationsblase zum Platzen brachte, stoppte auch an der Kanzleistraße jegliche Bautätigkeit. Erst im ­ Aufschwung der 1920er- und 1930er-Jahre komplettierten Baugenossenschaften die Quartiersstruktur schließlich durch einheitlich gestaltete Blockränder. Im Gegensatz zu den kompakten Blöcken mit den labyrinthischen Hinterhöfen in der Wiener Fockygasse sind die Straßenkarrees an der Zürcher Kanzleistraße kleiner, und die schmalere Blockrandbebauung umschließt mehrheitlich freie Innenhöfe. Nur die älteren Höfe sind mittig mit frei stehenden niedrigen Gewerbebauten besetzt. An einzelnen Stellen des Gebiets liegen zweigeschossige Gewerbebauten auch direkt an der Straße und erinnern an die proletarisch geprägte Vergangenheit. In den jüngeren Genossenschaftshöfen befinden sich kleine Grünanlagen mit Kinderspielplätzen. Die Straßenzüge sind nur punktuell von Bäumen und kleinen Vorgartenstreifen begrünt und wirken im Ganzen eher steinern. Heute ist das Gebiet mit seinen vielen Altbauten als Wohnquartier beliebt und trägt mit einzelnen Cafés und Kiezläden zu einem regen Stadtleben bei. Auch die Bebauung des Perimeters um den Pariser Platz in MünchenHaidhausen (Dichtefaktor 2,02) entstand im Zuge des Eisenbahnbaus. Als der Münchner Ostbahnhof 1871 eingeweiht wurde, hatte Deutsch-­ land gerade den Krieg gegen Frankreich gewonnen. Als Zeichen dieses Triumphs beschloss der Münchner Stadtbaumeister Arnold Zenetti, das noch vollkommen unbebaute Gebiet vor dem Bahnhof nach dem Vorbild der Stadtumgestaltung in Paris von Georges-Eugène Baron Haussmann durch ein System aus großen Achsen und Plätzen mit der Stadt zu verbinden. So entstand das sogenannte Franzosenviertel, dessen größten Teil der Perimeter bildet und dessen Straßen und Plätze nach Orten siegreicher Schlachten benannt wurden. Im Gegensatz zu den strengen Rastern der anderen drei Perimeter entstanden hier durch die strahlenförmig vom Orleansplatz vor dem Bahnhof ausgehenden Achsen und die runden Plätze sehr unregelmäßig geschnittene und außerordentlich große Karrees. Angesichts des Schwarzplans könnte man fast meinen, ein Stück Paris sei maßstäblich ins kleine München transferiert worden, nur fallen die Häuser mit durchschnittlich knapp vier Geschossen um mindestens ein Stockwerk niedriger aus als in der französischen Metropole. Ähnlich wie im Münchner Schlachthofviertel 14 suchten die Planer nach Bebauungslösungen für diese tiefen Häuserblöcke. Anders als dort entschied man sich aber für geschlossene Blockränder, in deren Bin­nenraum die eng bebauten Hinterhofwelten der armen Leute wucherten, die meist nur über Tore in den Vorderhäusern begehbar waren. So entwickelte sich das Viertel schnell zu einem der am dichtesten besiedelten Quartiere Münchens. Trotzdem wirkt das Gebiet durch die Alleen und die baumbestandenen Plätze sehr grün.

Dichtekategorie 7

13 Zwischen 1888 und 1900 verdoppelte sich die Zahl der Wohnhäuser in Außersihl auf knapp 1900 Einheiten.

14 Siehe Perimeter «Tumblinger Straße» (Dichtekategorie 6), wo die Bebauung durch Einzelhäuser keine geschlossenen Höfe bildet und mehr Durchlässigkeit erzeugt.

125 Das Franzosenviertel wurde im Krieg wenig zerstört und hat noch heute einen großen Altbaubestand. Bis Anfang der 1980er-Jahre blieb es das «Glasscherbenviertel» der kleinen Leute. In der Folge wurden die Höfe allmählich ausgelichtet, punktuell durch Neubauten ergänzt und begrünt. Neben Schwabing entwickelte sich die Gegend zu einer der ersten in Deutschland, die eine Gentrifizierung durchmachte. Heute ist sie eine der gefragtesten innerstädtischen Wohn­ lagen Münchens. Block und Raster Die vier Perimeter in der Dichtekategorie 7 zeigen aufgrund der ähnlichen Entstehungsgeschichten eine gewisse Homogenität in der äußeren Erscheinung wie in den statistischen Zahlen. Vergleicht man die Schwarzpläne, so stellt man fest, dass die Hauptprobleme der gründerzeitlichen Blockrandbebauung in der Größe und der Proportionierung der Straßenblöcke sowie in der Verteilung des öffentlichen Raums lagen. Das Gebiet um den Pariser Platz in München besitzt als ältestes der vier Quartiere auch die größten und tiefsten Bebauungsblöcke. Bei einer der höchsten Grundflächenzahlen dieser Kategorie hat es mit gut 28 Prozent bei Weitem den geringsten Anteil an öffentlicher Fläche. Diese formt jedoch stärker als in den anderen Perimetern klare Achsen und Plätze, die mit viel Baumbestand Grünräume mit hoher Identifikationskraft bilden. Das Innere der großen Blöcke war jedoch kaum zu planen und produzierte zunächst enge, ungesunde Wohnverhältnisse. Das kaum später entstandene Quartier an der Wiener Fockygasse zeigt ähnliche Probleme aufgrund der dichten Hofbebauung. Die regelmäßigen Rasterblöcke sind jedoch kleiner, wodurch mehr öffentlicher Straßenraum, jedoch ohne nennenswerte Schwerpunkte entsteht. Auch die Perimeter in Berlin und Zürich basieren auf einem Bebauungsraster. Sie wurden allerdings erst zur Jahrhundertwende geplant und haben bereits aus den Schwierigkeiten andernorts gelernt. Zürich zeigt das feinmaschigste Raster, wodurch die Blöcke samt Höfe kleiner ausfielen und nur vereinzelt mit niedrigen Ge­werbebauten besetzt werden durften. Berlin als die Stadt mit dem größten und schnellsten Wachstum suchte die Lösung in einer standardi­ sierten Reihung von Hofhäusern, die in langen, schmalen Gevierten mit maximaler Geschwindigkeit und Effizienz bebaut werden konnten. Die Individualisierung der immer gleichen Einzelhäuser mittels Fassadenschmuck aus dem Katalog funktioniert als einfaches Mittel der Identitätsstiftung noch heute. Insbesondere in den Rasterplanungen mussten allerdings häufig öffentliche Räume dem Bauboom weichen. Bemerkenswert ist, dass die Quartiere aus der Gründerzeit bis heute außerordentlich gut funktionieren. Dies liegt einerseits an ihrer entschieden städtischen Ausstrahlung mit klaren Straßen- und Platzräumen, die oft baumbestanden sind. Andererseits können sie sich mit weichen Faktoren wie der Innenhofbebauung, die mit der Zeit ausgelichtet oder ersetzt wurde, immer wieder an die neuesten Wohnbedürfnisse anpassen. Renovierte Gründerzeitquartiere gehören daher zu den beliebtesten städtischen Wohngegenden der Gegenwart.

Raster, Achsen und Plätze

Dichtekategorie 8

( 2.3  —  2.7 )

Innerstädtische Mischung 3: Historische Vor- und Altstädte

München, Im Tal nächste Seite: Zürich, Spiegelgasse

129

Historische Vor- und Altstädte

Historische Siedlungsmuster Mit der Dichtekategorie 8 erreicht die Analyse die Kernbereiche der historischen Innenstädte. Im Gegensatz zu allen bisher untersuchten Perimetern sind diese Gebiete mehrheitlich durch lange, komplexe historische Prozesse entstanden und wurden nicht oder nur teilweise als Gesamtplan auf dem Reißbrett geplant.1 Die meisten von ihnen gehörten bei ihrer Entstehung zu den ersten Vorstädten außerhalb der Mauern der ursprünglichen Kernstadt und wurden erst mit der Zeit zu Teilen der Innenstädte. Für ihre Entwicklung waren einerseits Verkehrswege wie beispielsweise Handelsstraßen oder dann ab dem 19. Jahrhundert Bahntrassen wichtig. Andererseits spielte die Kirche eine zentrale Rolle, denn ihre großen, prägenden Gebäudeanlagen und die dazugehörigen Ländereien setzten oft den Start- und Ankerpunkt für die Erschließung neuer Gebiete. Die Untersuchung der vier Quartiere führt von frisch parzellierten Äckern vor der Stadt über einheitlich überformte Vorstädte, bei denen sich geschichtliche Strukturen weiterhin abzeichnen, bis hin zu historisch gewachsenen Stadtstrukturen, die nur langsam und stetig wuchsen und ihre Gestalt über Jahrhunderte bewahren konnten. Trotz ihrer zentralen Lage haben die meisten Quartiere ihre be­währte Nutzungsstruktur im Laufe der Zeit beibehalten. In den Erdgeschossen sorgen kleine Läden und Cafés für Leben in der Straße. In den Geschossen darüber befinden sich Wohnungen. Nur in Gebieten, die zur tatsächlichen Kernstadt gehören, verdrängen gewerbliche Nutzungen allmählich das Wohnen. Ihre vielfältige Durchmischung können die zentralen Stadtviertel in dieser Form nur bewahren, weil die Parzellen bis heute klein geblieben sind und eine Vielzahl unterschiedlicher Besitzer die Häuser verwaltet. Eine solche Kleinteiligkeit stammt aber aus einer längst vergangenen Zeit und ist gegenwärtig aus wirtschaftlichen Gründen nur schwer zu halten. Deshalb werden die kleinen Parzellen dort, wo durch den Zweiten Weltkrieg oder späteren Verkauf Lücken geschlagen wurden, oft zusammengelegt und im größeren Maßstab überbaut.

1 Eine Ausnahme bildet der Perimeter um die Berliner Raabestraße. Er wurde zwar auf einem Karree des HobrechtPlans erbaut, aber der Binnenbereich der Blocks ist nach den Bedürfnissen der Investoren und der Bewohner gewachsen.

Die Perimeter Der Perimeter um die Raabestraße in Berlin-Prenzlauer Berg (Dichtefaktor 2,33) liegt knapp außerhalb der alten Stadtbefestigungen und gehört damit bereits zu den Bebauungen, die auf Basis des gründerzeitlichen Hobrecht-Plans für die großräumige Stadterweiterung Berlins entstanden. Er ist damit kein Altstadtquartier im eigentlichen Sinn. Seine Form und seine Entstehungsgeschichte unterscheiden sich jedoch stark von der des Gebiets an der Christburger Straße2 , das ebenfalls im Winsviertel nur wenige Hundert Meter entfernt liegt und etwas später erbaut wurde. Im Gegensatz zu diesem zählen die vier fast quadratischen Straßenblöcke der Raabestraße zu den größten im Prenzlauer Berg. Den geschichtlichen Nukleus des Quartiers bildet die Immanuel-­ kirche. Um die Bautätigkeit auf ihren ehemaligen Feldern anzukurbeln, setzte die Großgrundbesitzerfamilie Bötzow ein altbewährtes Mittel ein. Sie schenkte um 1890 der Stadt Berlin ein Grundstück jen­seits des Marien-Nikolai-Friedhofs für den Bau einer Kirche vor dem Prenzlauer Tor. Schon nach kurzer Zeit errichtete die Georgengemeinde 1893 unter der Schirmherrschaft der Kaiserin Auguste Viktoria dort die Immanuelkirche. Die Rechnung der Bötzows ging auf, denn in den folgenden Jahren wuchs rund um die Kirche schnell ein dichtes Wohn-

2 Siehe Perimeter «Christburger Straße» (Dichtekategorie 7), wo auch die Geschichte des Hobrecht-Plans erläutert wird.

Zürich, Spiegelgasse München, Im Tal

132 quartier. Der Hobrecht-Plan sah hier relativ große Straßenkarrees vor. Als reiner Fluchtlinienplan konzentrierte er sich allerdings nur auf den repräsentativen Straßenraum und die fünfgeschossigen Bürger­häuser der geschlossenen Blockränder. Der Perimeter an der Raabestraße ist ein gutes Beispiel dafür, was in den Zeiten des gründerzeitlichen Baubooms mit kaum reglementierten Hofbereichen geschah. 3 Bis heute sind in großen Teilen die engen Reihungen von bis zu sieben Hinterhöfen mit oft fünf Geschossen erhalten und vermitteln einen Eindruck von der baulichen Dichte der Gründerjahre am Prenzlauer Berg. 4 Nur wo der Zweite Weltkrieg Wunden in dieses dichte Netz gerissen hatte, ist die Bebauung heute etwas aufgelockert. Zwar sind die engen Höfe inzwischen fast alle begrünt und ihre Fassaden hell gestaltet, trotzdem grenzt ihre kaminartige Schmalheit an die Grenze dessen, was heute überhaupt noch als Wohnraum goutiert werden kann. Aufgrund seiner guten Durchmischung mit kleinen Cafés und Läden, der beliebten Qualität der Gründerzeitwohnungen und der zentralen Lage durchläuft aber auch dieses Gebiet seit Jahren den Prozess einer Gentrifizierung. Das dicht bebaute Quartier an der Hahngasse in der Wiener Rossau (Dichtefaktor 2,47) entstand ebenfalls um eine Kirche als dessen Zentrum. Trotz mancher Ähnlichkeiten blickt das Quartier allerdings auf eine viel längere Geschichte zurück als die Berliner Raabestraße. Mit dem kaiserlichen Erlass von 1632 wurde rund um die Wiener Kernstadt ein verbreitertes Glacis angelegt, vor dem ein Bauverbot galt. In dieser Zone lag das Auengebiet der Rossau, wo die Fischer und Flößer ihre Pferde weideten und tränkten. Bald wurde das wasserreiche Gebiet wegen seiner Stadtnähe auch bei Adeligen und wohlhabenden Bürgern beliebt, die dort ihre Gartenpalais errichteten. 5 Der eigentliche bauliche Kern der Rossau entstand mit dem Bau des Servitenklosters in den 1670er Jahren. Um die Kirche herum siedelten sich ab dem frühen 18. Jahrhundert größere Gewerbebetriebe wie eine Porzellanmanufaktur und eine Kattunfabrik an, die von der Nähe des Donaukanals als Transportweg profitierten. Da die Schiffe mit Pferden auch gegen die Strömung zur Rossauer Schifflände gezogen werden mussten, florierte ab den 1770er-Jahren auf den Flächen des inzwischen veralteten Glacis das Handwerk der Sattler und Wagner, die das Geschirr für Pferde, Zugseile und Wagen herstellten. Kurz nachdem die Rossau nach Wien eingemeindet worden war, ließ der Kaiser die Befestigungsanlagen ab 1857 schleifen und an ihrer Stelle den Ringboulevard mit neuer Bebauung anlegen. Ähnlich wie das Quartier an der Fockygasse6 wurde das bisher nur von einzelnen Handwerksbetrieben besiedelte Gebiet um die Servitenkirche nun zu einem neuen Wohnviertel jenseits des Rings. Im Gegensatz zu den rationalen Rastern der Gründerzeit folgten die Straßenkarrees in der Rossau allerdings den historischen Wegeführungen um die ehemaligen Palaisgärten, wodurch sehr unterschiedlich dimensionierte Gevierte entstanden. Die kleinsten sind sehr schmal und übersichtlich, die größten nähern sich in ihren Maßen schon fast den quadratischen Blöcken an der Berliner Raabestraße an. Auffällig ist die starke Diskrepanz zwischen den stattlichen Vorderhäusern im herrschaftlichen Ringstraßenstil und den völlig ungeregelt wuchernden Hinterhofwelten. Während wohlhabende Bürger nah an der Innenstadt entlang der Straßen in bester Lage residierten, richteten sich die Handwerker und einfachen Leute, die das Leben im Gebiet vorher bestimmt hatten, ungesehen vom Straßenleben in den dicht bebauten Hinterhöfen ein. Trotz einiger Läden, Lokale und kleingewerblichen Nutzungen ist das Viertel bis heute eine Wohngegend geblieben.

Dichtekategorie 8

3 Vergleiche dazu die viel feinmaschigere Straßenstruktur an der Christburger Straße, die bereits aus diesem Problem gelernt hat und deren luftigere Höfe eine neue Mindestgröße einhalten. 4 Die relativ niedrigen Zahlen bei Geschossflächenzahl (GFZ) und der Grundflächenzahl (GRZ) ergeben sich nur durch die breiten Straßenräume. Innerhalb der Blöcke herrscht aber eine maximale Dichte.

5 Ein erhaltenes Beispiel ist das direkt neben dem Perimeter gelegene Palais Liechtenstein.

6 Siehe Perimeter «Fockygasse» (Dichtekategorie 7).

133 Das Tal in der Münchner Altstadt (Dichtefaktor 2,62) entstand ursprünglich ebenfalls vor den Toren der inneren Stadtbefestigung. Und auch hier spielte eine Kirche eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der Gegend. Bereits im 13. Jahrhundert wurde vor dem Talburgtor das Heilig-Geist-Spital samt Kirche erbaut. Da das Tal als Teil der Salzstraße die östliche Haupteinfahrt in die Stadt bildete, siedelten sich um das Klosterspital verschiedene Handelsbetriebe an. Im 14. Jahrhundert war die Bebauung bereits so dicht, dass 1347 eine zweite Stadtmauer fertiggestellt wurde. Diese frühe Stadterweiterung umfasste ziemlich genau das Gebiet des Untersuchungsperimeters7 und ist in ihrer spätmittelalterlichen Grundstruktur bis heute erhalten. Städtebaulich wird das Viertel von der überbreiten Straße Im Tal dominiert. Aufgrund des Wasserreichtums der Talvorstadt siedelten sich hier viele Brauereien an. Die meisten Seitenstraßen folgen den ehemaligen Bachläufen, die damals Frischwasser lieferten. So entstand eine klare Hierarchie des Straßennetzes, in der die Straße Im Tal als befahrbare Verlängerung der Landstraße eine platzartige Breite erhielt, während die Nebenstraßen oft nur Gassen entlang der Bäche waren. Als Anfang des 19. Jahrhunderts der Marienplatz als Lebensmittelmarkt zu klein wurde, riss man das Heilig-Geist-Spital ab und ließ nur die Kirche bestehen, die später sogar noch vergrößert wurde. An der Stelle des Spitals legte man den Viktualienmarkt an, der bis heute die größte Freifläche im Gebiet bildet. Im Gegensatz zur Wiener Au um die Servitenkirche, deren Blöcke fast einheitlich in der Gründerzeit neu erbaut wurden, ist die Talvorstadt ein Beispiel für eine historisch gewachsene Stadtstruktur, die sich über Jahrhunderte aus den jeweiligen Bedürfnissen der Zeit heraus entwickelte. Erst im Zweiten Weltkrieg wurden Teile zerstört und anschließend durch Neubauten ersetzt. Heute ist die Straße Im Tal eine der Haupteinkaufsstraßen Münchens. Die Nebenstraßen mit ihren Brauhäusern und dem Viktualienmarkt zählen zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Da die alten schmalen Parzellen des Tals oft fast vollständig überbaut sind, hat das Gebiet die außerordentlich hohe Grundflächenzahl von Dichtefaktor 0,57. Gleichzeitig ist der Anteil an öffentlichen Flächen mit knapp 33 Prozent der höchste aller vier Perimeter. Auch bei den Gebäuden fällt der hohe Anteil an öffentlichen und gewerb-­ lichen Nutzungen auf, der mit wenig Wohnanteil typisch für ein innerstädtisches Gebiet ist. Der Perimeter um die Spiegelgasse im Zürcher Niederdorf (Dichtefaktor 2,52) bildet zwischen dem Predigerkloster und dem Großmün­ ster8 den Kernbereich der Altstadt innerhalb der Stadtmauer östlich der Limmat. Seine Hauptader ist die Niederdorfstraße, die parallel zur Limmat leicht erhöht am Hang entlangführt. Sie war ursprünglich der innerstädtische Teil der alten Handelsstraße, die vom Aargau kommend durch Zürich hindurch zum rechten Seeufer verlief. Vor dem Bau des Limmatquais standen die Stammhäuser der verschiedenen Handwerkerzünfte direkt am Ufer des Flusses. Schmale und teilweise steile Stichstraßen führten von der Niederdorfstraße hinunter an die Limmat. 9 Östlich dieser Hauptstraße wird das Quartier durch ein System verschieden großer Plätze und Marktstraßen gegliedert. Die Stadt schuf nie einen großen zentralen Marktplatz wie in München, sondern behielt nur die unterschiedlichen Kleinmärkte wie den Rindermarkt, den Neumarkt und die Marktgasse als Mikrokosmos bei. ­ So konnten sich in den anliegenden Häusern viele Gastbetriebe niederlassen. Das Niederdorf wurde zum Vergnügungsviertel Zürichs und blieb es noch lange, nachdem die Märkte aufgelöst worden

Historische Vor- und Altstädte

7 Der westlichste Teil des Perimeters mit der erhöht gelegenen Kirche St. Peter lag noch innerhalb der ersten Stadtmauern.

8 Der Dominikanerorden, der das Predigerkloster betrieb, war im 13. Jahrhundert als Verbündeter der reichsfreien Stadt der Widersacher des Chorherrenstifts Groß münster, das damals die Herrschaft über die Stadt Zürich beanspruchte.

9 Noch heute tragen diese Gassen die Namen der Handwerkszünfte und Geschäfte, zu denen sie führten, z. B. Metzgergasse und Badergasse.

Berlin, Raabestraße Wien, Hahngasse

136 waren. Da hier kein Krieg Schneisen ins Stadtbild schlug, blieb die mittelalterliche Struktur einschließlich der Häuser erhalten. Daher gleicht das Niederdorf heute einem Altstadtmuseum, das viele Touristen anzieht.10 Der einzige große Eingriff geschah im 19. Jahrhundert. Als die schmale Niederdorfstraße dem Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen war, wurde der Limmatquai als neue Hauptverkehrsader entlang der Limmat gebaut und teilweise von neuen Häuserfronten gesäumt. Sie blieb eine viel befahrene Verkehrsstraße bis sie 2005, wie bereits das gesamte Gebiet des Perimeters, für den Autoverkehr gesperrt wurde. Ähnlich wie im Münchner Tal gibt es eine klare Hierarchie aus großen Hauptstraßen, schmalen Gassen und Plätzen. Die Struktur ist allerdings viel feinmaschiger, und die Parzellen sind kleiner. Die Straßen fallen oft so schmal aus, dass sie auch ohne Sperrung kaum für den Autoverkehr befahrbar wären. Trotzdem ist das Gebiet mit einer Grund-­ flächenzahl von 0,53 weniger dicht bebaut als das Tal, und man findet vereinzelt sogar private Gärten.

Dichtekategorie 8

10 Noch bis vor Kurzem konnten sich im kleinteiligen Niederdorf privat geführte Läden mit spezialisierten Angeboten halten. Erst seit wenigen Jahren verschwinden diese auch hier zugunsten von Firmenketten.

Verdichtung nach innen So unterschiedlich die Perimeter in der Dichtekategorie 8 auch sind, so haben sie doch mindestens ein Merkmal gemeinsam: Die hohen Dichtezahlen ergeben sich aus einer maximalen Ausnutzung der bebaubaren Flächen. Durch diese Verdichtung nach innen entsteht eine große Diskrepanz zwischen den räumlich engen Häuserstrukturen und den teilweise großzügigen öffentlichen Räumen. In den beiden gründerzeitlich geprägten Quartieren in Berlin und Wien verteilen sich diese öffentlichen Flächen relativ gleichmäßig auf den Straßenraum, ohne besondere Schwerpunkte zu setzen.11 Trotz der breiten Straßen haben diese beiden Quartiere mit nur 25 Prozent einen relativ geringen Anteil an öffentlich nutzbaren Bereichen. Die Perimeter in München und Zürich sind hingegen durch unregelmäßige mittelalterliche Wegesysteme geprägt. Hier bauen stark unterschied-­ liche Straßenbreiten und verschiedene Platzräume Hierarchien auf, die auch auf die jeweilige Funktion der Flächen, wie Märkte oder Verkehrsstraßen, hinweisen. Die stark unterschiedlichen Raumangebote schaffen einen Kosmos, der gemäß der Zeit seiner Entstehung hauptsächlich auf Fußläufigkeit ausgerichtet ist. Die Straßen der Gründerzeitquartiere waren hingegen bereits für Fuhrwerke bemessen. Ihr regelmäßiges Raster war prinzipiell auf eine endlose Wiederholung ausgelegt. Bis heute dominiert in den Häuserblöcken entlang dieser Straßen das Wohnen. In den Erdgeschossen sind nur einzelne kleingewerbliche und gastronomische Nutzungen eingestreut. Die engen Altstadtquartiere sind durch eine viel intensivere Mischung aus Gewerbe und Wohnen geprägt. Da in München größere Teile im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, zeigt sich das Gefüge der Parzellengrößen hier heterogener als im vollständig erhaltenen Zürcher Niederdorf. Nach dem Zweiten Weltkrieg ersetzten Im Tal teils größere Bebauungen die ehemals kleinen Häuser. Auf diese Weise wurden größere Verkaufsflächen geschaffen, und so funktioniert die Gegend heute als Hauptverkaufsstraße in Verlängerung der innerstädtischen Fußgängerzone.12 Das Niederdorf hat seine traditionelle Zusammensetzung aus kleinen Läden und engen Wohnungen bis in die Gegenwart hinein weitgehend bewahren können. In den letzten Jahren wuchs der finanzielle Druck in dieser zentralen Lage aber so

11 In Wien bildet zwar die Servitenkirche als Überbleibsel aus einer anderen Zeit ein Zentrum mit Platzraum. Die restliche Anlage bleibt aber gleichmäßig mit Straßenbreiten der Gründerzeit gestaltet.

12 Siehe dazu auch die westliche Ver­ längerung der Fußgängerstraße im Perimeter «Schwanthaler Straße» (Dichtekategorie 9).

137 stark, dass inzwischen viele der angestammten Läden schließen müssen, um finanzstarken Firmenketten zu weichen, die mit der Klein-­ teiligkeit der Räume dann oft nur schwer zurechtkommen. Mit Mietpreisen, die um zwei Drittel über dem Durchschnitt der Stadt Zürich liegen, haben private Ladenbetreiber mittelfristig jedoch kaum noch Chancen, hier rentable Geschäfte zu betreiben.

Historische Vor- und Altstädte

Dichtekategorie 9

( >  2.7 )

Innerstädtische Mischung 4: Geschäftszentren

Berlin, Friedrichstraße

Wien, Wollzeile München, Schwanthalerstraße

142

Dichtekategorie 9

Kommerzieller Druck Die Quartiere in der Dichtekategorie 9 sind durchwegs innerstädtische Geschäftsbezirke. Ihre hohe Dichteziffer entspringt der großen Nachfrage nach zentral gelegenen Räumen. Sie sind hauptsächlich durch gewerbliche Nutzungen geprägt und zielen daher auf maximale Ausnutzung der Parzellen. Ähnlich wie die Perimeter der Dichtekategorie 8 haben alle vier eine lange baugeschichtliche Entwicklung hinter sich. Und auch hier entstanden die meisten von ihnen (bis auf die Wiener Wollzeile) einst als vorstädtische Erweiterungen der Kernstadt. Trotzdem unterscheiden sich ihre städtebaulichen Anlagen und ihre Nutzungsstrukturen teils erheblich. Eine wichtige Rolle spielen hier die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Während die Wollzeile in Wien von solchen Zerstörungen weitgehend verschont blieb und bis heute ihre Kleinteiligkeit in der Parzellierung wie im architektonischen Ausdruck bewahren konnte, zeichnet sich in Berlin und München ein starker Wandel hin zu großflächigen Überbauungen nach dem Krieg ab. Die Zürcher Bahnhofstraße als jüngstes der vier Quartiere hat zwar keine Kriegsschäden zu verzeichnen. Sie wuchs aber bereits seit ihrer Entstehung auf Basis einer modernen industriell geprägten Ökonomie, die größere Flächen bevorzugt, und zeigt dadurch von Anfang an entsprechend dimensionierte Strukturen. Die Perimeter Die Gegend um die Wollzeile im Zentrum Wiens (Dichtefaktor 3,18) hat die längste Geschichte aller Perimeter in dieser Kategorie. Bis heute hat sie ihre historische Struktur ohne allzu große Kriegsschäden bewahrt. Der Perimeter bildet den östlichen Teil der inneren Altstadt um den Stephansdom. Die Wollzeile ist eine der ältesten Straßen Wiens. Bereits in Zeiten der römischen Antike führte hier eine Ausfallstraße aus dem ehemaligen Castrum Vindobona Richtung Osten. Im Mittelalter ver-­ lief sie vom Bischofshof neben dem Dom zum Stubentor innerhalb der damaligen Stadtbefestigung. Eine zweite Römerstraße folgte der Kärtnerstraße in südlicher Richtung. Zusammen mit der Kärtner- und der Rotenturmstraße, die zu zwei anderen Toren führten, bildet die Wollzeile das Achsenkreuz der östlichen Altstadt. Diese war im Mittelalter durch die Gassen und Märkte der verschiedenen Handwerkszünfte1 und Klosteranlagen gegliedert. Ihr Mittelpunkt war der Dombezirk, der ursprünglich eine abgeschlossene Anlage bildete. Nach seiner Öffnung wurde dieser als Domplatz zum zentralen Platzraum der Stadt Wien. Obwohl sich die Bausubstanz immer wieder veränderte, blieb die mittelalterliche Wegeführung erhalten. Erst im späten 19. Jahrhundert verbreiterte man die Kärtnerstraße und baute die flankierenden Häuser grundlegend um. 1974 wurde sie zur Fußgängerzone umgestaltet. Ein Großteil der Häuser im Perimeter stammt aber noch heute aus der Barockzeit und wurde nur entlang der ehemaligen Mauerführung der Stubenbastei im Zuge der Anlage der Ringstraße durch gründerzeitliche Blöcke ersetzt. Auch im Krieg wurden nur wenige Häuser total zerstört und später durch Neubauten ersetzt. 2 Das Viertel um die Wollzeile ist ein Beispiel für die kontinuierliche Weiterentwicklung einer Innenstadtstruktur auf Basis einer mittelalterlichen Stadtanlage.3 Enge Gassen führen zu unterschiedlich großen Plätzen. Die kleinsten unter ihnen, wie zum Beispiel der Franziskanerplatz oder der Doktor-Ignaz-Seipel-Platz, wirken in dieser Dichte wie

1 Straßennamen wie Wollzeile, Bäckerstraße, Seilerstätte und Fleischmarkt erinnern heute noch an die ehemalige Handwerkergegend. Zwischen Bäckerstraße und Sonnenfelsgasse befand sich ursprünglich ein lang gestreckter Marktplatz, der bereits im Mittelalter überbaut wurde.

2 Die meisten Totalschäden entstanden an der Kärntner- und an der Rotenturmstraße. Sie wurden teilweise erst in jüngster Zeit durch Neubauten ersetzt. 3 Vergleiche dazu den ähnlichen Perimeter «Im Tal» in München (Dichtekategorie 7), der allerdings als ehemalige Vorstadt eine etwas lockerere Struktur aufweist.

143

Geschäftszentren

intime Zimmer. Rundum sind die Bebauungskarrees bis aufs Äußerste ausgenützt. Mit einer Grundflächenzahl von 0,63 bietet der Wiener Altstadt-Perimeter von allen hier betrachteten Perimetern mit Abstand am wenigsten unbebaute Freiflächen. Die gesamte Gegend strahlt heute eine etwas nostalgische Ruhe aus. Da sich die schmalen Straßen nur schlecht für Autos eignen, herrscht wenig Verkehr. Die Wollzeile selbst hat sich mit kleinen Läden, altmodischen Kaufhäusern und Passagen mitten im Stadtzentrum die Stimmung einer stillen Einkaufsstraße bewahrt, die – schön und leicht angestaubt – als typisch wienerisch gilt. Ganz im Gegensatz zur über Jahrhunderte gewachsenen Kleinteiligkeit Wiens strahlt der Schwarzplan des Perimeters an der Friedrichstraße in Berlin-Mitte (Dichtefaktor 3,40) mit seinem rechtwinkeligen Raster preußische Strenge aus. Fast könnte man meinen, er sei ein Teil des gründerzeitlichen Hobrecht-Plans4 , aber das Raster ist rigider, die Karrees sind kleiner und die Überbauung ist zu dicht für Wohnhäuser. Tatsächlich entstand die Berliner Friedrichstadt bereits Ende des 17. Jahrhunderts. Nach dem Tod seines Vaters, des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, ließ König Friedrich I. auf der Cöllnischen Feldmark vor den alten Stadtmauern ein völlig neues Quartier planen. 5 Er sorgte für den Bau von Straßen und Erschließungen. Höhere Beamte bekamen ein Grundstück geschenkt, um dort ein möglichst ansehnliches Haus zu bauen, in dem sie unter anderem Flüchtlinge und Soldaten aus Frankreich unterbringen sollten. Die meisten Häuser standen mit der langen Traufseite zur Straße, da sich die Höhe der staatlichen Bauzuschüsse nach der Länge der Fassadenfront richtete.6 Durch diese Vorgaben entstanden lange, schmale Häuser, die als niedriger Blockrand teils recht große Gärten umschlossen. Die Friedrichstadt wuchs innerhalb kurzer Zeit,7 und sobald ein Haus zu unansehnlich wurde, ersetzte man es rasch durch ein stattlicheres. So wurden die Karrees allmählich dichter bebaut und die Parzellen kleiner, die Häuser höher und der Ausdruck städtischer. Den zentralen Marktplatz bildete der Gendarmenmarkt, der vom französischen ­ und vom deutschen Dom flankiert, später das Schauspielhaus in seiner Mitte aufnahm. Die Hauptader dieser Stadterweiterung war und ist die Friedrichstraße. Sie führte von der sich nördlich anschließenden Dorotheenstadt bis zum Exerzierplatz auf dem Tempelhofer Feld im Süden und diente somit auch als Marschstraße für das Militär. Der Analyseperimeter liegt zwischen dem Gendarmenmarkt und der leicht gebogenen Mauerstraße, an der früher die westliche Verlängerung der Dorotheenstädtischen Stadtmauer verlief. Er ­umfasst damit den Kernbereich der heutigen Friedrichstraße. Im 19. Jahr-­hundert entwickelte sich diese zur belebten Handelsstraße. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sie durch den Bahnhof Friedrichstraße verkehrstechnisch gut angeschlossen. Der Perimeter war nun auf schmalen Parzellen mit engen Hinterhöfen bereits enorm dicht bebaut. 8 Mit unzähligen Geschäften, Theatern, Gast­ stätten und Hotels bildete die Friedrichstraße das Zentrum des städtischen Lebens. 9 Nach den großflächigen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg10 lag die Gegend des Perimeters lange Zeit brach. Erst ab den 1970erJahren begann das damalige Ostberlin mit dem systematischen ­Wiederaufbau. Da die Friedrichstraße mit lediglich 15 bis 17 Metern relativ schmal für einen so wichtigen Boulevard war, plante man zu DDR-Zeiten mitten im Perimeter auf Höhe des Gendarmenmarkts eine platzartige Aufweitung. Die Rohbauten standen 1989 bereits, als die sogenannte Wende zu einem Baustopp führte. Im wiedervereinigten

4 Vergleiche die Perimeter «Christburger Straße» (Dichtekategorie 7) und «Raabestraße» (Dichtekategorie 8). 5 Die Friedrichstadt war nach dem Friedrichswerder und der Dorotheenstadt die dritte Erweiterung des historischen Stadtkerns. Ihre Planer waren die durch den niederländischen Barock geprägten ­Architekten, Ingenieure und Baumeister Johann Arnold Nering, Johann Heinrich Behr und Martin Grünberg. 6 Die meisten Häuser mussten auf Pfähle gegründet werden, weil die Feldmark ursprünglich ein Sumpfgebiet war. 7 Um 1740 standen bereits annähernd 2000 Häuser in der Friedrichstadt.

8 Einen Eindruck dieser engen Bebauung bekommt man heute noch in den west­ lichen Karrees des Parameters, wo viel Vorkriegssubstanz erhalten ist. 9 Bereits um 1725 existierten in der Friedrichstadt viele Bierhäuser und Branntweinbrennereien. 10 Etwa 50 Prozent des Gebäudebestandes im Perimeter war vollkommen zerstört.

München, Schwanthalerstraße

145

Geschäftszentren

Berlin wurden die DDR-Bauten wieder abgerissen und die Blöcke entlang der Friedrichstraße äußerst dicht überbaut. Anstelle der ­Platzaufweitung wurden nun die drei Blöcke der Friedrichstadtpassagen mit großen Kaufhäusern bebaut. Auf der anderen Seite der Straße waren bereits vorher viele der kleinteiligen Parzellen groß­ flächigen Überbauungen gewichen. Heute ist die Friedrichstraße das pulsierende Geschäftszentrum von Berlin-Mitte und ist durch eine Mischung aus großmaßstäblichen Neubauten und kleinen Altbauparzellen geprägt. Da einige Karrees des Perimeters mit mindestens fünf Geschossen voll überbaut sind, erreicht er die höchste Dichteziffer aller untersuchten Perimeter. Die enge Bebauung erzeugt in Verbindung mit den großen Fassaden der Häuser und dem fehlenden Grün einen äußerst steinernen Ausdruck. Auch der Perimeter an der Schwanthalerstraße im Münchner Bahnhofsviertel (Dichtefaktor 2,89) musste schwere Kriegsschäden er­leiden und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg fast vollständig ­­ wiederaufgebaut. Auch er entstand ursprünglich vor den Toren der Altstadt. München verdankte seine Existenz und seinen Reichtum der Salzstraße, die von Osten durch das Isartor und das Tal11 kommend als Hauptachse die Altstadt durchquerte und sie im Westen durch das Neuhauser Tor wieder verließ. Direkt nach dem Tor am heutigen Stachus (Karlsplatz) verzweigte sie sich in zwei Richtungen. Die heutige Bayerstraße führte über Landsberg an den Bodensee, und die Schützenstraße12 , inzwischen eine Fußgängerzone, verlief nach Nordwesten in Richtung Augsburg. Die Gabelung der beiden Straßen war bereits im 17. Jahrhundert mit einzelnen Häuschen besiedelt. Sie ist heute noch in dem schmalen trapezförmig zulaufenden Karree im Norden des Perimeters nachvollziebar. 1804 wurde nördlich dieser Gabelung der alte Botanische Garten angelegt. Gleichzeitig plante König Ludwig I. im Gebiet des Perimeters und auf den sich südlich anschließenden Flächen der Theresienwiese die Ludwigvorstadt als großräumige Stadterweiterung. Zu dieser Zeit war die Umgebung der Straßengabelung bereits ziemlich genau in Form des Perimeters mit Landhäusern in großen Gartenkarrees bebaut. Wohlhabende Bürger sollten nun zukünftig hier in Villen und repräsentativen Mietshäusern leben. Als Mitte des 19. Jahrhunderts der Centralbahnhof hierher verlegt worden war, begann das Gebiet rasch zu wachsen. Nach einer weiteren Vergrößerung des Bahnhofs Ende des 19. Jahrhunderts war der Perimeter als Teil der sich inzwischen nach Osten ausbreitenden Blockrandstruktur sehr dicht bebaut. Er bildete nun als Bindeglied zwischen Bahnhof und Innenstadt den Kern des neuen Bahnhofviertels mit vielen Vergnügungsstätten und Biergärten.13 Da der Hauptbahnhof im Zweiten Weltkrieg ein Hauptziel der Alliierten war, wurde auch seine Umgebung fast vollständig dem Erdboden gleich gemacht. In den 1950er-Jahren wurde sie mit dem Bahnhof wiederaufgebaut. Der nördliche Teil des Perimeters zwischen der Front des neuen Hauptbahnhofs und dem halb runden Platzraum des Stachus wurde nun statt der früher kleinteiligen Struktur auf teils großen Parzellen mit Kaufhäusern und Hotels bebaut. Mit der Fußgängerzone Schützenstraße bildet dieser Teil heute die Verlängerung der geschäftigen Neuhauser Straße vom Marienplatz bis zum Bahnhof. Der südliche Abschnitt des Perimeters behielt weitgehend seine kleinparzellige Vorkriegsstruktur. Hier siedelte sich eine für deutsche Bahnhofsviertel typische Mischung aus Rotlichtmilieu und Spielhallen auf der einen Seite und türkischem Leben mit kleinen Läden und Moscheen auf der anderen an.

11 Siehe Perimeter «Im Tal» (Dichtekate­ gorie 8).

12 Der Name «Schützenstraße» weist heute noch auf den Schießplatz hin, der ab dem Mittelalter hier lag.

13 Der Mathäser war einer der größten und ältesten Bierbrauereien der Welt. Sein Ursprung geht auf das Jahr 1690 zurück, wo der erste Mathäser den damals im Perimeter gelegenen Schießplatz bewirtete. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde die «Mathäser Bierstadt» zunächst in neuer Größe und mit angeschlossenem Kino wiederaufgebaut. Ende der 1990er-Jahre wurde der ganze Komplex abgerissen und durch das Multiplexkino «Mathäser Filmpalast» ersetzt.

Zürich, Bahnhofstraße Wien, Wollzeile

148 Das Untersuchungsgebiet um die Bahnhofstraße im Zentrum von Zürich (Dichtefaktor 2,78) entstand in seiner heutigen Form ebenfalls erst im 19. Jahrhundert. Und auch seine Entstehung ist eng mit dem Bau des Bahnhofs verbunden. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das Gebiet der unteren Bahn­hofstraße ein von Bäumen bestandener Wall der ehemaligen Stadt-­ befestigung, der nur dünn mit einzelnen Bürgerhäusern in großen Gärten bebaut war. Nachdem der Wall nicht mehr zur Verteidigung erforderlich war, entwickelte er sich zu einem beliebten Ort für Spazier­gänge im Grünen. Bereits 1847 baute man vor dem Schanzengraben, der ehemals entlang der Stadtbefestigung in die Limmat verlief, einen kleinen Bahnhof an der Stelle, wo heute der Hauptbahnhof steht. Dieser diente zunächst nur der kleinen Nordostbahn für die Strecke Zürich–Baden und war von der Stadt aus schlecht zu erreichen. Als wenige Jahre später in der Schweiz begonnen wurde, das Fernbahnnetz auszubauen, gewann der Bahnhof schnell an Bedeutung. Man entschied sich, den vorhandenen Standort beizubehalten und dort einen größeren Bahnhof zu bauen. Um diesen besser an die Stadt anzubinden, wurde beschlossen, den Schanzengraben statt in die Limmat in die Sihl zu leiten und den Fröschengraben an der ehemaligen inneren Stadtbefestigung zuzuschütten, um darauf einen Boulevard zu bauen, der den neuen Bahnhof mit dem Paradeplatz und dem See verbinden sollte. 1865 wurde die Bahnhofstraße fertiggestellt. Sie war 22 bis 24 Meter breit und vor allem im mittleren Abschnitt zunächst noch als ungepflasterte Straße von Gärten und kleinen Häusern gesäumt. Der eigentliche Aufschwung vom ländlich geprägten Wohn­ quartier zur städtischen Geschäftsstraße geschah erst ab der Wende zum 20. Jahrhundert. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wurden viele der inzwischen erbauten Villen durch großstädtische Geschäftshäuser ersetzt. Das neue Quartier wurde in unregelmäßige Straßenkarrees aufgeteilt, die sich langsam mit Blockrandbebauungen und mit großen Kaufhäusern füllten. Das Gebiet des Perimeters wird durch verschiedene Platzanlagen wie den Löwenplatz, den Beatenplatz oder die Pestalozzianlage14 gegliedert und aufgelockert. Durch diese Freiräume und die relativ große Breite der Hauptstraßen hat das Zürcher Untersuchungsgebiet den mit Abstand höchsten Anteil an öffentlichen Flächen in dieser Kategorie. Allerdings generiert es auch die kleinsten Werte bei der Geschossflächen- und der Grundflächenzahl. Die Bahnhofstraße ist heute eine reine Fußgängerzone. Mit ihren Alleebäumen und den kleinen Parks wirkt sie sehr grün. Die Zentren der Städte Als einzige der neun Kategorien versammelt die Dichtekategorie 9 fast ausschließlich Geschäftshäuser. Das Wohnen spielt lediglich eine untergeordnete Rolle. Der Fokus liegt auf dem Angebot profitabler Büro- und Verkaufsflächen. Als Gegenpart zu den maximal ausgenutzten Bebauungen fällt hier dem öffentlichen Raum eine ganz besondere Rolle zu. Er dient weniger als Ort für längere Aufenthalte, sondern vielmehr als dynamischer Bewegungsraum für eine große Anzahl von Menschen. Die Fußgängerzonen in München und Zürich können diese Funktion prinzipiell am besten erfüllen. Allerdings wirkt die Zürcher Bahnhofstraße mit ihren Trambahnen und der großen Länge deutlich belebter als die klassische Fußgängerzone an der Münchner Schützenstraße, die durch den Verkehrsstrudel am Stachus zusätzlich von der Innenstadt abgeschnitten wird. Die Berliner Friedrichstraße gerät durch ihre geringe Breite und den zusätzlichen

Dichtekategorie 9

14 An ihrer Stelle befand sich einst die Hinrichtungsstätte vor den Toren der Stadt.

149 Autoverkehr an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Allerdings entwickelt sie so auch eine gesteigerte urbane Atmosphäre, die durch den großen Maßstab ihrer Bebauungen noch unterstützt wird. Die Wiener Wollzeile scheint in einer anderen Zeit zu verweilen. Ihre Strukturen sind mit den schmalen Gassen und Passagen eindeutig auf den Fuß-­ gänger ohne motorisierte Verkehrsmittel zugeschnitten, und ihre Parzellenstruktur lässt keine großflächigen Bebauungen zu. Damit ist sie gegenüber der Fußgängerzone an der Kärntner Straße kommerziell zwar kaum konkurrenzfähig. Ihre Durchmischung und die unterschiedlichen Qualitäten ihrer alten Straßen machen sie aber zu einem unverwechselbaren Quartier Wiens. Die Straßenräume beziehen ihre Größen direkt von ihrem fußläufigen Gebrauch und bieten immer wieder Plätze für einen längeren Aufenthalt an. Im Gegensatz zu den anderen drei Geschäftsvierteln, die für ein möglichst schnelles und geradliniges Passieren konzipiert sind, erzeugt ihr Wegesystem einen eigenständigen Rhythmus mit Verengungen und Weitungen, die Beschleunigungen und Beruhigungen hervorrufen.

Geschäftszentren

Die Auswertung

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

151 Der Zusammenhang zwischen der baulichen Dichte eines Quartiers und der dort herrschenden Atmosphäre ist sehr vielschichtig und unterliegt schlussendlich der sinnlichen Wahrnehmung des individuellen Menschen als körperlich anwesendes Subjekt in der jeweiligen Umgebung. Doch jede hier untersuchte Dichtekategorie hat ihren eigenen Charakter, der von verschiedensten messbaren Faktoren abhängt. Nach der Analyse der geschichtlichen Hintergründe, der städtebaulichen Entwicklung und der architektonischen Erscheinung der Quartiere zuvor1 stellt sich nun die Frage, welche spezifischen Parameter tatsächlich Einfluss auf das Verhältnis zwischen Dichte und Atmosphäre nehmen und auf welche Weise sie das tun. Anhand von 13 Analyseparametern wird im Folgenden der zahlenmäßig erfassbare Anteil dieses Verhältnisses zwischen Dichte und Atmosphäre untersucht. Grundlage dafür ist das Plan- und Zahlenmaterial, das im zweiten Teil dieses Buches, dem «Dichte-Katalog», grafisch übersichtlich dargestellt ist.

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

1 Siehe dazu das Kapitel «Die Quartiere».

Dichtekategorien und ihre Parameter Im Folgenden werden die Werte der wichtigsten Untersuchungsparameter (Geschossflächenzahl, Grundflächenzahl, Parzellierung, Anteil der nicht bebauten Fläche, Anteil der öffentliche Fläche, Anteil der privaten Fläche, Gebäudehöhe, Geschossigkeit, Fluktuation, Mietpreisniveau, (öffentliche) Nutzung) verglichen und in Beziehung zueinander gebracht . Die daraus resultierenden Schlüsse werden dann am tatsächlichen Erscheinungsbild und der Atmosphäre der jeweiligen Quartiere, wie sie anhand von Fotografien gezeigt und in den Quartiersanalysen beschrieben werden, überprüft. So kristallisiert sich heraus, welche Bedeutung die einzelnen Untersuchungsparameter für die jeweilige bauliche Dichte und deren Atmosphäre innerhalb des Vergleichs der neun Dichtekategorien haben. Sprünge und Zäsuren im Zahlenmaterial werden bestimmten Dichtegruppe zugeordnet und mit dem physischen Erscheinungsbild der Quartiere verglichen. Die Auswertung ist nach den wichtigsten Faktoren für den Zusammenhang von Dichte und Atmosphäre gegliedert, die gleichzeitig die deutlichsten Auswirkungen auf die Atmosphäre in den Quartieren verursachen. Die Gebäudehöhe und das Siedlungsbild

Gebäudehöhe und Geschossigkeit, Geschossflächenzahl und Grundflächenzahl Die Gebäudehöhe wird oft als ein wichtiges Kriterium für die subur­bane oder urbane Atmosphäre eines Stadtteils herangezogen. Doch welchen Einfluss hat sie konkret auf die Wahrnehmung eines Quartiers? Die Geschossflächenzahl (GFZ) ist der maßgebende Dichtefaktor dieser Untersuchung. Nimmt man sie als Ausgangspunkt für die Zahlenanalyse hinsichtlich der Höhenwirkung der Quartiere und setzt ihren Wert in Beziehung zur jeweiligen Grundflächenzahl (GRZ), so ergibt sich im Vergleich der neun Kategorien eine klare Zäsur zwischen der dritten und der vierten Dichtekategorie (Dichtekategorie 3: GFZ 0,6 bis 0,9; Dichtekategorie 4: GFZ 0,9 bis 1,2).

152

Die Auswertung

In den ersten drei Kategorien bis zum Dichtefaktor 0,9 pendelt die GFZ um den zweifachen Wert der GRZ. Ab der vierten bis zur neunten Dichtekategorie kreisen die Werte der GFZ dann gleich­ bleibend um den 4,5- bis 5-fachen Wert der GRZ. Trotz höherer Dichte steigt dieser Wert also nicht mehr an. Ein Vergleich zwischen den durchschnittlichen Höhenentwicklungen der Quartiere in den einzelnen Kategorien bestätigt diese Erkenntnis. In den Dichtekategorien 1 bis 3 bewegt sich die Geschos-­ sigkeit durchschnittlich von 1,4 bis 3,4 Vollgeschossen. Ab der vierten Kategorie bleibt sie dann relativ stabil zwischen 4,5 und 5 Vollgeschossen. Und während die Gebäudehöhe in den ersten drei Kategorien noch kontinuierlich von 4,5 bis über 10 Meter ansteigt, bewegt sie sich ab der vierten Kategorie dann relativ gleichbleibend um einen Mittelwert der Untersuchungsperimeter von 14,3 Metern. Überprüft man diese Beobachtungen am Siedlungsbild der Quartiere, ihrer Geschichte und ihrer Atmosphäre, so stellt man fest, dass die ersten drei Dichtekategorien einen eher vorstädtischen Charakter ­zeigen, während ab der vierten Kategorie ein städtischer Eindruck überwiegt. Die Höhe der Bebauung und ihr Verhältnis zur bebauten Fläche üben also einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung eines Quartiers aus. Dennoch garantiert die Höhe allein noch keinen städtischen Charakter. Innerhalb der ersten drei Dichtekategorien können und wollen die klassischen Einfamilienhausquartiere2 mit frei stehenden Einzel­ häusern zunächst per se keine innerstädtischen Qualitäten entwickeln. Bei einer geringen baulichen Ausnutzung der Grundstücke legen sie den strukturellen Schwerpunkt auf die Bildung privater Gartenräume. Trotz ihrer dörflichen Ausstrahlung liegen die Ursprünge dieser Siedlungsform in den Ideen der Gartenstadtbewegung ab 1900, die ein neues Verständnis einer durchgrünten Stadt vertrat. Niedrige Häuser mit nur ein bis zwei Vollgeschossen sollten eine gute Belichtung und den direkten Bezug zum weitläufigen Außenraum garantieren. Die mehrheitlich eingeschossigen und durchschnittlich nur gut 4 Meter hohen Häuser der Siedlung Privatstraße in Berlin-Hohenschönhausen liegen beispielsweise in relativ große Gärten eingebettet und erlauben im eigenen Reich die Verwirklichung privater Wohn-­ träume im unmittelbaren Kontakt zur Natur. Dasselbe Ziel verfolgen die konsequent identischen Häuser der Zürcher Siedlung Im Heimgärtli. Allerdings konzentrieren sie die Baumassen platzsparend auf meist zwei Vollgeschosse mit 6,6 Metern Traufhöhe. Die Nutzung solcher Quartiere konzentriert sich also auf den privaten Bereich und muss sich eigentlich nicht im öffentlichen Raum als Repräsentation abbilden. Eine Ausnahme bei den untersuchten Perimetern bildet die Villenkolonie um die Drakestraße in Berlin-Lichterfelde. Zwar stehen auch hier Einzelhäuser in relativ großen Gärten. Im Gegen-­ satz zu den etwa 3,5 bis 6,6 Metern Traufhöhe der anderen Einfa-­ milienhausgebieten sind die Villen in Berlin durchschnittlich knapp 9 Meter hoch, obwohl sie nur zwei Vollgeschosse besitzen. Aufgrund geschickter Tricks erscheinen sie im Straßenbild dreigeschossig: Ei­­nerseits stehen die meisten dieser herrschaftlichen Häuser nämlich auf Sockelgeschossen, die sie aus dem Grundstück herausheben. Die ­Zugänge sind dementsprechend mit Freitreppen inszeniert. Andererseits evozieren zahlreiche Häuser mit einem Schaugiebel an der repräsentativen Fassade zur Straßenseite hin optisch ein zusätzliches Geschoss.

Individuelle Vielfalt der Häuser in der Berliner Privatstraße und homogene Bebauung im Zürcher Heimgärtli

2 Folgende Perimeter sind klassische Einfamilienhausquartiere: Privatstraße und Drakestraße in Berlin, Waldstraße in München, Schippergasse in Wien oder Im Heimgärtli und Schlössliweg in Zürich.

Repräsentative Fassaden an der Berliner Drakestraße und hinter Hecken und Mauern verborgene Villen an der Zürcher Schlösslistraße

153

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

Für den imposanten Höheneindruck entscheidend sind außerdem die regelmäßigen Reihen alter Alleebäume, die dem Straßenraum eine durchaus städtische Höhe verleihen. Trotz der deutlich größeren Durchschnittshöhe von 11,25 Metern und drei Vollgeschossen kann die Schlösslistraße in Zürich hingegen keine städtische Ausstrahlung vermitteln. Die Häuser treten zur Straße hin wenig in Erscheinung. Ihre Fassaden beziehen sich meist allein auf den Garten und die Aussicht auf Stadt, See und Berge. Obwohl das Quartier mit Mietpreisen um 142 Prozent des mittleren Zürcher Mietpreisniveaus zu den teuersten der Analyse in diesem Buch zählt, dient der Straßenraum nur der Erschließung des Quartiers und weniger der Repräsentation oder dem öffentlichen Leben. Die Höhe der Einfamilienhaussiedlungen in den ersten beiden Dichtekategorien hängt auch mit der gesellschaftlichen Position der Be-­ wohner des Quartiers zusammen. Die sozial gehobenen Quartiere wie die Drakestraße und die Schlösslistraße sind auch baulich deutlich höher als die übrigen vier einfacheren Wohnsiedlungen mit Einfamilienhäusern, die meist kaum 4 Meter Traufhöhe erreichen. Neben der Repräsentation dient die Bauhöhe in den hochprei-­ sigen Quartieren auch der Konzentration der Baumassen zugunsten der Größe des Freiraums und der maximalen Ausnutzung der bebaubaren Fläche. Mit einer GRZ von 0,15 belegt die teure Schlösslistraße trotz einer GFZ von 0,44 den untersten Rand aller gemessenen ­­­Grund-­ flächenzahlen. 3 In Zusammenhang mit der Höhe ist die Geschlossenheit der Bebauung ein weiteres Merkmal für den städtischen Charakter eines Quartiers. Mit dem Ansteigen der Geschossflächenzahl rücken die Häuser immer weiter zusammen. Bereits in der Dichtekategorie 1 formen Quartiere wie die Waldstraße in München-Trudering durch ihre enge Aneinanderreihung von Einfamilienhäusern entlang der Straße die Andeutung eines geschlossenen Straßenraums. Ab Dichtekategorie 2 beginnen sich die Einzelhäuser dann bei gleichbleibend in geringer Höhe von maximal zwei Vollgeschossen zu Reihen zusammenzuschließen. Die Reiheneinfamilienhäuser des Münchner Perimeters Reindlstraße, der Wiener Pilotengasse und des Berliner Hochsitzwegs bieten relativ geschlossene Straßen- bzw. Wegräume. Ihre Wirkung bleibt jedoch vorstädtisch, denn die niedrigen Häuser wenden sich weiterhin vornehmlich den privaten Gärten zu. Erst ab Dichtekategorie 3 erreichen die Gebäudezeilen Höhen von über 10 Metern. Mit zunehmender Höhe steigert sich aber nicht automatisch auch der urbane Eindruck des Quartiers. Die Siedlungszeilen der Altwiesenstraße in Zürich liegen trotz größerer Höhe und langer Reihen verloren in ihrer kaum belebten Wiesenumgebung. Die ebenfalls in der dritten Dichtekategorie angesiedelte Wiener Larochegasse wirkt hingegen äußerst städtisch, obwohl ihre Häuser nur eine relativ geringe Durchschnittshöhe von 6,37 Metern und nur zwei Geschossen erreicht. Ihre Stadtvillen bilden einen klaren Straßenraum, wohingegen die Zürcher Zeilen in ihrer Ausrichtung kaum auf die Straßenführung reagieren, sondern sich eher nach den Himmelsrichtungen orientieren.

Urbanität erwächst also nicht allein aus der Dichte und der Höhe einer Bebauung, sondern sie hängt vom Verhältnis der Häuser und ihrer Bewohner zum Außenraum ab. Dabei spielt die Höhe eine entscheidende Rolle. Die Quartiere der ersten drei Dichtekategorien suchen in ihrer Mehrheit den direkten Bezug zum Garten als privatem Außenraum.

Grüne Wegräume in der Münchner Reindlstraße und in der Wiener Pilotengasse

3 Der Perimeter Privatstraße in Berlin hat mit der niedrigsten GFZ von 0,23 dennoch eine höhere GRZ von 0,16.

In der Wiener Larochegasse und im Berliner Hochsitzweg beleben private Vorgärten das Straßenbild.

154 Sie sind daher mit ein bis zwei Vollgeschossen eher niedrig, sodass ein Großteil der Räume einen unmittelbaren Zugang zum Garten bietet. Durch ihre hohe Gewichtung der Intimität wenden sich diese Gebiete dem Grünraum zu und wirken vorstädtisch. In der voran­ge­gangenen Analyse der Quartiere wurden sie daher unter dem Oberbegriff «Gartenidyllen» zusammengefasst. 4 Die Dichtekategorie 3 bildet eine Übergangskategorie zwischen diesen Gartenidyllen und dem «durchgrünten Wohnen» in den Geschosswohnbauten, die nach der Zäsur ab Dichtekategorie 4 folgen. Mit durchschnittlich höchstens 2,5 Vollgeschossen suchen die Perimeter Hochsitzweg und Larochegasse noch den engen Bezug zum Garten. Dagegen verfügen die Perimeter Quiddestraße in München-Neuperlach und Altwiesenstraße über keinen privaten Gartenraum. Ihre Geschosswohnungen verteilen sich auf 3,5 bis 5,5 Vollgeschosse. Allerdings spielen beide Siedlungen mit Höhenstaffelungen. An der Altwiesenstraße sind zwei- bis viergeschossige Riegel frei auf eine Rasenfläche gestreut. Um die Quiddestraße staffeln sich die Großwohnbauten zwischen zwei und sogar zehn Geschossen. Ab Dichtekategorie 4 sind die Häuser im Schnitt nicht mehr niedriger als vier Vollgeschosse und haben keine privaten Gärten. An ihre Stelle tritt ein durchgehender halb öffentlicher Grünraum. Ähnlich wie in der Altwiesenstraße und der Quiddestraße variieren die Einzelgebäude in den Perimetern der vierten und der fünften Kategorie jedoch stark hinsichtlich ihrer Höhe. Die gestaffelten Häuserzeilen in den Großwohnsiedlungen bilden eine Häuserlandschaft innerhalb der ebenfalls landschaftlich gestalteten halb öffentlichen Grünräume. Besonders ausgeprägt ist diese Höhenbewegung in den Satellitenstädten der 1970er-Jahre. Sie kommen bereits in der Dichtekategorien 3 vor, vor allem aber in den Kategorien 4 und 55 und bilden einen eigenen städtebaulichen Typus. Aufbauend auf Ebenezer Howards Gartenstadttheorie (1898) und den Richtlinien der «Charta von Athen» (1933) wollten sie einen möglichst nicht privatisierten Grünraum für alle Bewohner gleichberechtigt zur Verfügung stellen. Durch die radikale Funktionstrennung sind die Bauten mit öffentlichen Nutzungen wie Geschäftspassagen, Gemeindezentren und Kultureinrichtungen meist nur ein- bis zweigeschossig gehalten, um den direkten Bezug zum Außenraum herzustellen. Die Wohnbauten türmen hingegen viele Geschosse auf kleiner Grundfläche auf, wodurch rundum relativ große zusammenhängende Grünflächen entstehen. Die Häuserkomplexe sind idealerweise aufgeständert, meist aber nur auf Sockelgeschossen aus dem Boden gehoben. Dies verhindert den unmittelbaren Zugang der Erdgeschosswohnungen zum Grünraum und damit auch die Anlage privater Gärten. Die Wohnungen orientieren sich somit eher in die Ferne der Landschaft als zum nahen Außenraum. Auch bei Siedlungen der 1950er-Jahre ist diese Differenzierung von Höhen und Außenbezügen bereits zu beobachten. Da bei solchen Großsiedlungen die Verdichtung nicht in die Breite, sondern in die Höhe stattfindet, produziert diese besondere Wohnform sowohl bei den Werten der GRZ wie bei den Höhen die größten Abweichungen innerhalb der jeweiligen Kategorie. Mit Höhen über 42 Metern und bis zu 14 Vollgeschossen bei einer enorm niedrigen GRZ von nur 0,13 gelangt das Berliner Märkische Viertel am Senftenberger Ring in der Dichtekategorie 5 an die Grenzen des Machbaren, was die Belichtung und den Bezug zum Außenraum betrifft. Die Siemensstadt in Berlin-Charlottenburg geht da trotz der offenen Anordnung ihrer Gebäudezeilen traditionellere Wege. Entlang

Die Auswertung

4 Siehe dazu das Kapitel «Die Quartiere».

5 Siehe die Perimeter Quiddestraße (Dichtekategorie 3), Prinzgasse und Meierwiesenstraße (beide Dichte­ kategorie 4) sowie Senftenberger Ring (Dichtekategorie 5).

Schmale Grünflächen zwischen den Zeilen der Altwiesenstraße in Zürich und der Quiddestraße in München

155

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

der Goebelstraße reihen sich vier- bis fünfgeschossige Gebäuderiegel, die im Straßenraum durchgehend eine städtische Höhe von etwa 18 Metern wie in einem Quartier der Gründerzeit erreichen. Allerdings orientieren sich die Häuser nach der Sonne, kehren der Straße ihre Rückseiten zu und öffnen den Straßenraum im Norden zum Grünen.

Zwischen den Dichtekategorien 5 und 6 zeichnet sich eine zweite Zäsur der Höhenentwicklung ab. Zwar bleibt der Durchschnittswert

der Höhen in etwa gleich. Ab einer GFZ von 1,5 lässt die Höhen-­ bewegung aber deutlich nach und die Häuser schließen sich zu relativ homogenen Blockrandbebauungen zusammen. Diese Quartiere werden in der Analyse der Quartiere deshalb unter dem Oberbegriff «Innerstädtische Mischung» zusammengefasst. Unter den Gegebenheiten der mitteleuropäischen Abstands-­ regelungen, die auf gute Belichtungen aller Häuser ausgerichtet sind, ist eine Entwicklung ganzer Stadtteile in große Höhen aufgrund der dann wachsenden gegenseitigen Beschattung kaum möglich. Dies gilt vor allem für Wohnbebauungen. Der Blockrand mit seinen vier bis maximal sechs Etagen bietet hingegen eine geeignete Struktur für die Verdichtung in der Fläche. Während die Vorderhäuser ihre Höhe behalten, sind bei der Bebauung der Höfe weiterhin Höhenstaffelungen möglich. Das Maß der Ausnutzung dieser Hofbebauungen lässt eine graduelle Verdichtung zu, ohne das Straßenbild ändern zu müssen. Im Perimeter Bonner Straße in Berlin-Wilmersdorf werden beispielsweise die Höfe völlig freigehalten und als gemeinsame Grünräume inmitten der fünfgeschossigen Blöcke genutzt. Die deutlich kleineren Straßenkarrees an der Kanzleistraße in Zürich dagegen sind zwar nur vier Stockwerke hoch, ihre älteren Höfe sind aber mit ein bis zwei­ geschossigen Gewerbebauten bebaut. Die neueren sind wie in Berlin freigehalten und begrünt. Die Blöcke an der Raabestraße in BerlinPrenzlauer Berg wiederum sind relativ dicht und größtenteils in der gleichen Höhe wie die fünfstöckigen Vorderhäuser bebaut. Die Höfe ähnlicher Blockstrukturen wurden hier später oft ausgelichtet. Im Unterschied dazu sind in den Geschäftszentren ganze Blöcke bei ähnlicher Höhe sogar voll überbaut. Das System aus Blockrand- und Hofbebauungen ist also strukturell so flexibel, dass es verschiedenste Höhenentwicklungen und Grundflächenzahlen aufnehmen kann, ohne das Gesicht zur Straße zu verlieren. Dies ist auch ein Hauptgrund für die Langlebigkeit von Gründerzeitquartieren. Im Gegensatz zu Zeilen- oder Punktbe­ bau­ungen können sie verschiedenste Dichtequalitäten annehmen und sich sehr gut an veränderte Bedürfnisse anpassen. Ihre durchschnittliche Höhe von 4 bis 5 Vollgeschossen mit 18 bis 22 Metern hat sich im Laufe der Zeit in Mitteleuropa als Richtwert durchgesetzt, denn sie bietet verschiedene Vorteile. Zum einen garantiert sie eine günstige Belichtung der Wohnungen bei gut nutzbaren Straßenbreiten, die in den untersuchten Städten mindestens der Höhe der Bebauung entsprechen. Zum anderen waren und sind Häuser mit dieser Höhe bereits in einfachem Mauerwerk wirtschaftlich zu errichten. Des Weiteren ist diese Höhe über Treppenhäuser ohne Lift noch zu Fuß erschließbar und auch die obersten Wohnungen erlauben noch einen direkten Ruf- und Sichtkontakt zum Straßenleben. Nicht umsonst sind in klassischen Gründerzeitquartieren die Wohnräume und die Balkone ohne Rücksicht auf die Himmelsrichtung meist zur Straße orientiert. Sie übernehmen somit eine soziale Funktion. ­Als private Außenräume setzen die Balkone das Straßenleben in die Höhe fort. Auf diese Weise kann jeder

Höhenstaffelungen in den Großsied­ lungen am Senftenberger Ring und an der Prinzgasse

Ein parkartiger Hof in der Bonner Straße und der kleinräumige Hinterhofkosmos an der Raabestraße in Berlin

156

Die Auswertung

Bewohner seinen persönlichen Beitrag zum öffentlichen Leben leisten. Durch die Geschlossenheit der Häuserfronten bleibt das Gefühl einer bestimmten städtischen Dichte im Straßenraum immer erhalten, selbst wenn in den Höfen völlig unterschiedliche Dichtegrade herrschen. Die Höhe der Bebauung trägt also entscheidend zur Atmosphäre eines Quartiers bei. Sie ist direkt mit der Dichte eines Quartiers verknüpft. Äußerst wichtig ist dabei der Bezug zum Außenraum und dessen bauliche Gestaltung. Deshalb soll im Folgenden das Ver-­ hältnis zwischen der baulichen Dichte und den nicht bebauten privaten und öffentlichen Flächen genauer betrachtet werden. Öffentlicher und privater Außenraum, Grünraum

Anteil nicht bebauter, öffentlicher und privater Flächen; Parzellierung Die Atmosphäre eines Quartiers hängt hauptsächlich von den Qualitäten des Außenraums und seiner Nutzungsangebote beziehungsweise seiner Nutzbarkeit ab. Hier werden Nähe oder Distanz, soziales Miteinander oder Anonymität, Lebendigkeit oder Ruhe, Enge und Weite, Licht und Schatten angelegt und das Quartier «gestimmt». Die Gestaltung und Verteilung der nicht bebauten öffentlichen und privaten Außenräume ist daher von entscheidender Bedeutung. Vergleicht man ihre Flächenwerte in den neun Dichtekategorien, so bestätigen die Zahlen die bei der Untersuchung der Höhen festgestellten beiden Zäsuren nach der dritten und der fünften Kategorie. In den ersten drei Kategorien steigen die durchschnittlichen Anteile des öffentlichen Raums relativ kontinuierlich von zwölf Prozent in der ersten Kategorie bis über 20 Prozent in der dritten Kategorie an. Nach der ersten Zäsur ab einem Dichtefaktor von 0,9 in der Kategorie 4 sinkt der Anteil allerdings wieder bis unter zehn Prozent. Erst ab Dichtekategorie 5 werden wieder Werte über 20 Prozent erreicht. Nach der zweiten Zäsur ab dem Dichtefaktor 1,5 in der sechsten Kategorie springen die Werte dann sogar auf 30 und punktuell sogar bis auf über 40 Prozent. Diese Entwicklung hat direkt mit dem Bezug der Häuser zum Außenraum und dessen gesellschaftlicher Bedeutung zu tun. In den ersten drei Kategorien nimmt der öffentliche Raum eine untergeordnete Rolle ein. Die Bewohner suchen vor allem den Kontakt zu ihren eigenen privaten Außenbereichen. Die Parzellierung ist klein­teilig, Straßen dienen vornehmlich der Erschließung einzelner Grundstücke. In Einfamilienhausgebieten können die Wohnstraßen bei geringem Verkehrsaufkommen allerdings auch eine nachbarschaftliche Funktion als Begegnungsraum oder Spielbereich annehmen. Dabei sind unterschiedliche Strategien zu erkennen. In homogen strukturierten Perimetern wie der Münchner Waldstraße und der Wiener Schippergasse mit einem Anteil an öffentlichen Flächen von knapp 12,5 bis 16 Prozent verteilt sich der öffentliche Raum allein auf das Straßennetz . In München und auch teilweise in Wien ermöglicht die Straßenbreite beidseitig schmale Gehwege, sodass der Fußgänger- und der Autoverkehr parallel, aber getrennt voneinander im Straßenraum geführt werden kann. Auf den Straßen gilt allgemein Tempo 30.

Waldstraße in München und Schippergasse in Wien mit Gehwegen und schmale Quartierstraße im Heimgärtli in Zürich

157 Diese Geschwindigkeitsbegrenzung gilt auch im Zürcher Perimeter Im Heimgärtli. Bei ähnlich niedrigem Anteil an öffentlichen Flächen von gut 14 Prozent und noch größerer struktureller und ästhetischer Homogenität fehlen jedoch Gehwege. Die Straßen sind deutlich schmaler und dienen sowohl den Fußgängern als auch dem Auto­ verkehr. In der Realität ist innerhalb des Quartiers nur Schrittgeschwindigkeit möglich. Die äußerst schmale Hauptstraße ist sogar in Privatbesitz und ihre Befahrbarkeit entsprechend reglementiert. Diese Ruhe und die Nähe zwischen öffentlichem und privatem Raum tragen zur intimen, gemeinschaftlich abgeschlossenen Atmo­­s­phäre dieser Siedlung bei. Als Passant fühlt man sich beinahe wie ein Ein­dringling, der unberechtigt eine private Gartenwelt betritt. Bei fast identischem Anteil an öffentlichen Flächen von 14,4 Prozent hat das Quartier Privatstraße6 in Berlin zwar in den schmalen Seitenstraßen mit ihren unbefestigten Rändern eine beinahe noch intimere Ausstrahlung als der Perimeter Im Heimgärtli. Diese nachbarschaftliche Nähe wird aber durch eine deutlich breitere Achsenstraße mit Grünstreifen gegliedert, die in der Mitte der Siedlung einen kleinen Park umschließt. Hier wird also statt eines gleichförmigen Straßennetzes eine Hierarchie innerhalb des öffentlichen Raums eingeführt. Die Seitenstraßen sind so schmal wie nur irgend möglich. Der so gewonnene Raum wird in die mittige Hauptstraße und den kleinen Park investiert. Diese beiden Räume können durch ihre Größe nun tatsächlich einen Mehrwert für das öffentliche Leben entwickeln und ein gemeinschaftlich nutzbares Zentrum ausbilden. Gleichzeitig bieten sie Orientierung im bunten Einerlei der Einzelhäuser. In der Realität werden diese Räume zwar nur relativ wenig genutzt, denn der eigene Garten bleibt das Zentrum von Aktivitäten. Trotzdem wird das Quartier durch diese geordnete symmetrische Struktur zentriert, wodurch es einen hohen Wiedererkennungswert und eine starke Identität erhält. Auch die Villensiedlungen der Dichtekategorien 2 und 3 an der Berliner Drakestraße (Dichtefaktor 0,41) mit 15,3 Prozent und an der Wiener Larochegasse (Dichtefaktor 0,70) mit 22,5 Prozent öffentlicher Flächen zeigen räumliche Hierarchien. Die Drakestraße bildet als breite Hauptverkehrsader des Quartiers mit der Holbeinstraße ein gliederndes Straßenkreuz. Durch die Aufweitung der Ecken an einigen Kreuzungen im Quartier und durch die Ansiedlung einzelner öffentlicher und gewerblicher Nutzungen nehmen diese den Charakter kleiner Platzräume an, die allerdings aufgrund des starken Verkehrsflusses auf der Drakestraße aber kaum zum Ver-­ weilen einladen. Umso mehr sind die Querstraßen selbst als Aufenthaltsort gestaltet. Im Gegensatz zur geteerten Drakestraße sind sie gepflastert und werden zwischen Fahrbahn und Gehweg von breiten Grünstreifen mit großen Alleebäumen gesäumt. Die kraftvolle Präsenz des öffentlichen Grüns verleiht den Wohnstraßen einen parkähnlichen Charakter, der allein durch die privaten Gärten nicht erreicht werden könnte. Das Quartier an der Larochegasse in Wien zeigt ein ganz ähnli­­ches Straßenbild mit Bäumen und Grünstreifen. Hier kommt allerdings ein Park in der Mitte des Viertels hinzu, der ähnlich wie in der Siedlung Privatstraße einen zentral gelegenen öffentlichen Freiraum für alle Bewohner bietet, den die Wiener jedoch viel reger nutzen. Auch ohne den Park flächenmäßig zu berücksichtigen7 hat das Wiener Quartier mit 22,5 Prozent einen höheren Anteil an öffentlichen Flächen als die Berliner Siedlungen Drakestraße mit gut 15 Prozent und Privatstraße mit nur 14,4 Prozent. Dies liegt vor allem an der geringen Größe der

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

6 Trotz ihres Namens liegen all diese schmalen «Privatstraßen» auf öffent­ lichem Grund.

Kaum benutzte Grünfläche im Zentrum der Berliner Siedlung Privatstraße und Tanztee im belebten Hügelpark an der Wiener Larochegasse

7 Der Hügelpark ist im Kartenmaterial ­­ der Stadt Wien als Privatfläche aus­ gewiesen. Er steht aber allen Bürgern offen und verfügt über einen Kinderspielplatz und einen Kindergarten.

158 Bebauungskarrees. Je feiner das Straßennetz ausfällt, desto größer wird dessen Anteil an der Gesamtfläche und damit auch der des öffentlichen Raums. Den größten Anteil öffentlicher Flächen in den ersten drei Dichtekategorien findet man daher mit 24 Prozent in der Zeilensiedlung an der Reindlstraße in München-Laim. Die kleinen, schmalen Reihenhausparzellen werden von beiden Seiten erschlossen. Die schmale Straße, durch private Vorgärten aufgeweitet und begrünt, führt zu den vorderen Hauseingängen, und über einen parallelen Fußweg kann man die Gärten hinter den Häusern betreten. 8 Beide Wege liegen auf öffentlichem Grund und profitieren von den angrenzenden privaten Gartenbereichen. Trotz noch feinmaschigerer Durchwegung verfügt die Zeilensiedlung an der Wiener Pilotengasse mit nur 13,4 Prozent über den geringsten Anteil an öffentlichen Flächen. Dies liegt nicht nur an den sehr dicht nebeneinander liegenden Zeilen, sondern vor allem daran, dass die ganze Siedlung auf einer einzigen privaten Parzelle erstellt wurde und somit auch die Erschließungswege auf privatem Grund verlaufen. Diese Privatisierung eigentlich öffentlich genutzter Flächen ist kennzeichnend für die Mehrzahl der untersuchten Perimeter in den Dichtekategorien 4 und 5. Die Parzellen wachsen zu großen, zusammenhängenden Privatflächen an und werden nur von wenigen öffentlichen Ring- und Stichstraßen erschlossen. Insbesondere in Großsiedlungen wie der Meierwiesenstraße in Zürich oder dem Senftenberger Ring im Märkischen Viertel in Berlin sinkt der Anteil des öffentlichen Raums auf deutlich unter zehn Prozent. Das bedeutet aber nicht, dass der Flächenanteil, der für alle Bewohner nutzbar wäre, ebenso stark schrumpft. Im Gegenteil: Es wurde ja bereits festgestellt, dass die Grundflächenzahl solcher Siedlungen sehr niedrig ist und die Freiflächen wachsen. Der Anteil nicht bebauter Flächen an der Gesamtfläche solcher Perimeter liegt bei ca. 85 Prozent. Das prägende Thema dieser Quartiere mit mittlerer Dichte heißt «halb öffentlicher Raum». Und die Problematik solcher Räume ist bereits in dieser Begrifflichkeit angelegt. Es handelt sich de facto um private Flächen. Im Gegensatz zu hierarchisch organisierten Siedlungsstrukturen, die klar zwischen privatem und öffentlichem Grund unterscheiden, verschwimmen hier die Grenzen. Die Einteilung und Gestaltung klein strukturierter privater Parzellen weicht einer durchgehenden, großräumig gedachten Landschaft, die mehr oder weniger stark gestaltet ist und in die größere Einzelbauten frei platziert sind. Ihre Strukturierung ergibt sich zunächst einmal aus der Verkehrsführung und der Anordnung der Parkplätze. Innerhalb der Grünflächen setzen Gemeinschaftseinrichtungen wie Quartierszentren und Spielplätze punktuell Schwerpunkte. Eine klare Zuordnung der Besitzverhältnisse ist im Außenraum allerdings kaum nachzuvollziehen. Daher sind die Ränder solcher Flächen oft mit Ordnungs- und Verbotsschildern gespickt, was die Nutzbarkeit weiter verunklärt oder sogar grundsätzlich infrage stellt. Insbesondere in den Großsiedlungen der 1970er-Jahre9 laufen die eigentlich großzügigen Grünräume Gefahr, auf diese Weise zu bloßen Abstandsflächen zu verkommen.10 In den 1980er-Jahren versuchte man, diesem Problem durch klein-­ teiligere Strukturierungen zu begegnen. Der Wiener Perimeter Ringofenweg hat beispielsweise mit über 17 Prozent einen doppelt so hohen Anteil öffentlicher Flächen wie der Berliner Senftenberger Ring, der in der gleichen Dichtekategorie 5 liegt. Dies liegt vor allem an einer kleinteiligeren Erschließung der Parzellen, die zwar dennoch

Die Auswertung

8 Bei knapp 21 Prozent öffentlicher Fläche zeigt Bruno Tauts Siedlung am Hochsitzweg eine ähnliche Struktur.

Öffentliche Quartierstraße und rück­ wärtiger Gartenweg in der Münchner Siedlung Reindlstraße

9 Siehe dazu die Perimeter Quiddestraße, Prinzgasse, Meierwiesen­s traße, Senftenberger Ring. 10 Zur Problematik der halb öffentlichen Räume siehe auch im Kapitel «Die Stadt als Gesellschaftsraum» das Unterkapitel «Hierarchien!».

159 relativ groß bleiben, aber stärker überbaut werden.11 Durch die Abtrennung kleiner Privatgärten vor vielen Erdgeschossen wird hier zwar auch zwischen den Zeilen eine privatisierte Hierarchiestufe eingeführt. Die verbleibenden Flächen zeigen jedoch ebenfalls Probleme mangelnder Zuordnung. Sie werden als halb öffentliche Flächen stark reglementiert und dementsprechend wenig genutzt. Die Siedlung an der Münchner Konrad-Dreher-Straße verfügt eigentlich über gar keine öffentlichen Flächen in ihrem Binnenbereich. Der ausgewiesene Prozentsatz von 14,5 Prozent verteilt sich hier ausschließlich auf die sie flankierenden Straßen. Trotzdem gibt es ein kleinräumiges Angebot an Flächen mit Spielplätzen und Bänken für die Bewohner der Siedlung, die sie unterschiedlich stark nutzen. Eine wirkliche Identifikation mit diesem Raumangebot findet kaum statt.

Dichte, Atmosphäre und Zahlen 11 Der Perimeter Ringofenweg verfügt über eine nicht bebaute Fläche von 64 Prozent, wohingegen am Senftenberger Ring 87 Prozent nicht bebaut sind.

Die Qualität halb öffentlicher Räume steht und fällt mit ihrer Gestaltung und Pflege. Sind sie auf die Bedürfnisse der Anwohner funktionell und ästhetisch zugeschnitten und werden entsprechend unterhalten und gepflegt. So können sie einen wertvollen Außenraum mit Parkqualitäten für viele Nutzer anbieten. Siedlungen wie beispielsweise Fernand Pouillons Pariser Anlage Le Point du Jour in BoulogneBillancourt bei Paris zeigen anschaulich die Potenziale, aber auch den Aufwand gut gestalteter und gepflegter halb öffentlicher Räume. In recht einfacher Form lässt der Zürcher Perimeter Meierwiesenstraße Ansätze solcher Sorgfalt und Qualität ebenfalls erkennen. Diese In­vestitionen aber scheuen viele Grundeigentümer, und die meistens zuständigen Hausverwaltungen minimieren ihren Aufwand mit allen Mitteln. Ein weiteres Problem dieser Räume bleibt jedoch unabhängig von ihrer Gestaltung bestehen. Sie privatisieren funktional eigentlich öffentlich intendierte Flächen wie Wege, Straßen und Plätze und fördern so die Bildung inselartiger Parallelwelten, die nur bedingt mit dem Stadtorganismus verknüpft sind. Im Kern suchen die Quartiere der mittleren Dichtekategorien in ihren öffentlichen und privaten Außenräumen eine Lösung für den heute sehr aktuellen und zeitgemäßen Wunsch, im Grünen mit viel Freiraum zu wohnen, und zugleich die Annehmlichkeiten städtischen Lebens genießen zu können. Für beides spielt der Außenraum als Erholungs- und Aktionsfläche eine zentrale Rolle, jedoch mit unterschiedlichen Anforderungen. Die städtebaulichen Ansätze, die im Sinne moderistischer Planung den Schwerpunkt auf den halb öffentlich genutzten Raum legen, versuchen weitläufige Grünräume zu erzeugen, die meist nur den Anwohnern zur Verfügung stehen. Deren Pflege bedarf eines großen Engagements seitens ihrer privaten Eigentümer sowie eine möglichst große Durchlässigkeit in der baulichen Anordnung, um die erwünschten landschaftlichen Qualitäten der halb öffentlichen Flächen entsprechend zum Tragen zu bringen. Denn nur wenn die Grünflächen gepflegt sind und die Häuser in genügendem Abstand zueinander stehen, wird das Gefühl des Wohnens im Park erlebbar. Nicht wenige Bewohner und Fachleute beklagen hier allerdings oft das Fehlen eines urbanen Lebensgefühls bei gleichzeitig hoher Kon zentration von Bewohnerzahlen auf kleiner Fläche. Dieses Manko kann in vielen Fällen nur durch eine möglichst gute (Nah-)Verkehrsanbindung ans Stadtzentrum kompensiert werden. Diese generiert in jedem Fall zusätzliche Verkehrsströme in der jeweiligen Stadt, die wiederum das gesellschaftliche Miteinander vor Ort absaugen. So wird trotz pluralistischer Zusammensetzung ihrer Bewohnerschaft

Privatwege in den Siedlungen Pilotengasse in Wien, Konrad-Dreher-Straße in München und Ringofenweg in Wien

Gepflegte Außenräume in der Zürcher Großsiedlung an der Meierwiesenstraße, die durch offene Erdgeschosszonen verbunden sind

160

Die Auswertung

in solchen Quartieren die Bildung einer städtisch geprägten Atmosphäre verhindert. Die gleiche städtebauliche Dichte lässt sich auch stadtnah und mit vergleichbar «grüner Ausstrahlung» durch hierarchische Raum-­ gliederungen und kleinteilige Parzellierungen erreichen. Dies zeigt in dieser Untersuchung besonders deutlich das Quartier an der Scheuchzerstraße in Zürich. Hier wird klar zwischen privaten und öffentlichen Flächen differenziert, der öffentliche Raum nimmt trotz fehlender Platzräume mit 22 Prozent annähernd ein Viertel der Gesamtfläche des Perimeters ein. Jedes Haus ist über öffentliche Straßen erreichbar und eng mit dem Verkehrsnetz der Stadt ver-­ woben. Dass trotzdem eine gartenähnliche Stimmung im Quartier entsteht, ist vor allem zwei städtebaulichen Entscheidungen zu verdanken. Zum einen ist die Scheuchzerstraße mit Alleebäumen bestanden, was den öffentlichen Straßenraum selbst zu einem grünen Kontinuum mit bestimmter Höhe innerhalb des Quartiers werden lässt. Zum anderen besteht eine mittige Platzierung der Häuser auf den relativ kleinen Parzellen.12 Die dadurch entstandenen schmalen umlaufenden Gartenstreifen bieten individuell gestalt- und nutzbare Außenräume. Im Straßenbild verschmelzen diese eher kleinen Gärten zu einem verbindenden Grünraum, der die Atmosphäre des Quartiers als Ganzes prägt. Gleichzeitig erhalten die Straßenräume durch die enge Reihung ähnlich großer, aber individuell gestalteter Häuser eine städtische Anmutung, und dies bei einem Anteil an nicht bebauter Fläche von annähernd 70 Prozent. Öffentliche Platzräume fehlen jedoch. Eine wichtige Rolle spielen die teils großzügigen Balkone oder Loggien, die als persönlicher Außenraum wie offene Wohnzimmer das Straßenbild beleben. Dieses städtebauliche Prinzip verteilt die Aufwendungen für Pflege und Unterhalt auf viele Eigentümer, was die Einzelinvestitionen minimiert und die Eigeninitiative fordert und fördert. So erscheint die Straße als gesellschaftliches Abbild ihrer Bewohnerschaft.

Gartenstimmung in den Seitenstraßen der Zürcher Scheuchzerstraße 12 Zum Bebauungsplan des Perimeters Scheuchzerstraße siehe die Quartiers­­ analysen.

Ab Dichtekategorie 6 (ab Dichtefaktor 1,5) wird die Bebauungs-

struktur geschlossener, die privaten Außenräume schrumpfen stark zugunsten öffentlicher Flächen. Versteht man Urbanität wie bereits beschrieben als städtebauliche und architektonische Manifestation eines dichten, gemischten gesellschaftlichen Lebens, so beginnt in dieser Kategorie das wirkliche Stadtleben, das entsprechende öffentliche Aktionsräume und Bühnen benötigt.

Begrünte Straßenzüge in der Bonner Straße in Berlin und städtische Blockränder an der Wiener Hasnerstraße

Kategorie 6 nimmt dabei eine Sonderstellung ein. In gewisser Hinsicht ist sie eine Übergangskategorie zwischen den nach Privatheit und Natur strebenden unteren Dichtekategorien und den Erfordernissen gesellschaftlichen Stadtlebens in den Stadtzentren. Das Quartier um die Bonner Straße in Berlin versucht auf pla­­ka­ tive Weise diesen Spagat. Mit seinen geschlossenen Blockrändern zitiert es die gründerzeitlich geprägte innerstädtische Bebauungsstruktur und verfügt mit 31 Prozent über einen bereits relativ hohen Anteil an öffentlichen Flächen. Gleichzeitig sprechen die Vorgartenbereiche, Alleebäume und begrünten Innenhöfe von der Sehnsucht nach möglichst viel Natur in der Stadt. Bei gleichem Anteil an öffentlichen Flächen sind die Blockrandbebauungen an der Wiener Hasnerstraße bereits voll und ganz dem innerstädtischen Leben ohne private ­Grünräume an den Straßen verpflichtet und wirken deutlich lebendiger. Die Häuser im Münchner Perimeter Tumblingerstraße bieten ­eine weitere städtebauliche Sonderlösung an. Auch ihre Struktur

Schmale Seitenwege an der Tumblingerstraße in München

161 versucht, das Leben im Grünen mit urbanen Qualitäten zu verbinden. Und obwohl das Quartier mit 24,5 Prozent wesentlich weniger öffentlichen Raum ausweist als die Bonner Straße und die Hasnerstraße, wirken die Straßenzüge grüner und aufgelockerter als dort. Als Zwitter zwischen Blockrand- und Einzelhausbebauung liegt eine Besonderheit in der feingliedrigen inneren Durchwegung der kompakt bebauten Karrees auf privatem Grund. In gewisser Hinsicht könnte man das Quartier am Zürcher Bändliweg (Dichtefaktor 1,55) als bereinigte Variante der Münchner Kleinblocks in der Tumblingerstraße auf vereinheitlichter Basis betrachten. Hier konzentrieren sich die Baumassen in sieben voluminösen Gebäuden. So entstehen um diese herum große halb öffentliche Räume13 , die mit mehrheitlich festen Belägen und kleinräumiger Gliederung den Versuch einer städtischen Variante der benachbarten Großsiedlung Meierwiesenstraße bilden. Anders als die Tumblingerstraße bleibt die Zürcher Siedlung jedoch ohne interne öffentliche Straßen inselhaft isoliert. In den hier analysierten Perimetern der Dichtekategorien 7, 8 und 9 verschwindet das Phänomen des halb öffentlichen Raums fast vollständig. Das enge gesellschaftliche Zusammenleben sowie die oft lange geschichtliche Entwicklung dieser Quartiere fördern kleinere Parzellen und die volle Ausnutzung bebaubarer Flächen. So sinkt der Anteil der unbebauten Fläche in diesen Kategorien auf nur noch 60 bis unter 40 Prozent. Dafür wächst der Anteil der öffentlichen Fläche auf bis zu 41 Prozent an. Die untersuchten Perimeter dieser drei höchsten Dichtekategorien sind grundsätzlich durch Blockrandbebauungen geprägt, wie sie in den meisten mitteleuropäischen Innenstädten vorkommen. Strukturell lassen sich hier zwei unterschiedliche städtebauliche Muster unterscheiden. Zum einen sind das die über Jahrhunderte gewachsenen Altstadt-­ gebiete wie die Spiegelgasse in Zürich, das Im Tal in München und die Wollzeile in Wien. Schon ein Blick auf die Schwarzpläne dieser Quartiere zeigt große Unregelmäßigkeiten in ihrer feingliedrigen städtebaulichen Anlage. Ihre Parzellen sind äußerst kleinteilig und das Wegesystem ist in großen Bereichen auf Fußläufigkeit ausgelegt. Die öffentlichen Flächen, deren Anteil von 26 bis 33 Prozent beträgt, sind durch schmale Straßen und vereinzelte Platzaufweitungen räumlich stark gegliedert. Aus dem historisch gewachsenen Geflecht ihrer Funktionen und der Besitzverhältnisse begründen sich ferner die Lage, Größe und Proportion solch unterschiedlich geformter und organisch anmutender Räume. Oft folgen ihre Hauptgassen den Handelswegen von einst. Da die mittelalterlichen Stadtanlagen mit Mauern streng umgrenzt waren, geht dieses städtebauliche System äußerst ökonomisch mit seinen Freiflächen um. Der Anteil an nicht bebauter Fläche liegt zwischen 37 und 47 Prozent. Wo Privathäuser oder kleinere­Handelslokale sich nur zu Fuß erreichen lassen, sind die Gassen äußerst eng bemessen. Wo vor langer Zeit Pferdefuhrwerke auf Handelswegen passierten, sind die Straßen entsprechend breiter und von Geschäften gesäumt. Für Märkte oder vor Repräsentationsbauten wurden die Straßen entweder noch stärker aufgeweitet14 oder Plätze angelegt. Der Grünanteil fällt in den teils engen Außenräumen recht gering aus. Da die Entstehungszeit dieser Quartiere meist im Mittelalter lag, war in den relativ kleinen, umfriedeten Städten die Landschaft noch nah; erholsame öffentliche Grünanlagen und Bäume innerhalb der Stadtmauern waren weniger nötig.15 Jedoch gibt es vielerorts private Gärten,

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

Frei stehende Wohnblöcke am Bändliweg in Zürich

13 Siehe dazu die Quartiersanalyse des Perimeters Bändliweg. Der Anteil öffentlicher Flächen von knapp 22,5 Prozent verteilt sich ausschließlich auf die den Perimeter umgebenden Straßen.

Platzaufweitung und enge Gassen an der Zürcher Spiegelgasse

14 Die Münchner Straße Im Tal oder der Rindermarkt im Zürcher Perimeter Spiegelgasse bilden solche aufgeweiteten Straßenräume, die gleichzeitig als Marktplätze dienten. 15 Nach der Auflassung der Befestigungsanlagen entwickelten sich an ihrer Stelle manchmal die ersten Grünanlagen, die oft noch bis heute als Grüngürtel um die Altstadt erhalten sind wie beispielsweise in Wien.

162 die zunächst der Selbstversorgung dienten und heute privilegierte Ruhezonen im Treiben der Stadt bieten. Aufgrund der langsamen Entwicklung auf kleinteiligen Parzellierungen konnte sich ein Gleichgewicht zwischen den bebauten und den unbebauten Flächen einpendeln, das auf einer optimalen Ausnutzung der Flächen basiert. So wird der Städtebau in seiner Struktur wie in der Atmosphäre seiner Straßen und Plätze zum unmittelbaren Spiegelbild der Funktionen, des sozialen Gefüges und des Lebensgefühls seiner Zeit. Heute bilden diese Quartiere die historischen Identifikationspunkte ihrer Städte. Daher leiden sie zwar oft unter den Folgen der zunehmenden Anpassung an touristische Bedürfnisse: Alteingesessene Läden verschwinden zugunsten internationaler Ladenketten und Tourismusläden, die Wohnungen weichen Büronutzungen und dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Aber ihre engmaschige Struktur bietet insbesondere in Zeiten der momentan wieder zunehmenden Wertschätzung von Verkehrsberuhigung, Fußläufigkeit und nachbarschaftlichem Austausch ein neues Potenzial für eine Wiederbelebung dieser Stadtmodelle. Zum anderen finden sich in diesen obersten Dichtekategorien die klassischen Stadterweiterungen aus der Zeit des Barock am Ende des 17. Jahrhunderts16 und vor allem aus der sogenannten Gründerzeit im ausgehenden 19. Jahrhundert17. Sie gehen nicht minder ökonomisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Flächen um. Da sie jedoch innerhalb relativ kurzer Zeit entstanden, mussten ihre Planer am Reißbrett eine prospektive Struktur suchen, die verschiedenste Funktionen effizient aufnehmen und sich an unterschiedliche Siedlungsgrößen und Topografien anpassen kann. Dafür hat sich das bereits jahrtausendealte Prinzip des Straßenrasters als das vorteilhafteste und flexibelste durchgesetzt. Interessant ist, dass in den Bebauungsplänen des Barock wie auch in denen des ausgehenden 19. Jahrhunderts meist nur die Straßenfluchten der Bebauung des Blockrandes und deren maximale Höhen festgeschrieben wurden. Innerhalb der Karrees blieb die Bebauungsdichte weitgehend frei und unreglementiert und entwickelte sich daher recht unterschiedlich. So reichen die Anteile der nicht bebauten Flächen an der Gesamt­ fläche der hier untersuchten Perimeter von knapp 42 bis 63 Prozent. Der Anteil öffentlicher Flächen bewegt sich zwischen knapp 26 bis über 40 Prozent und liegt im Schnitt höher als bei den eng strukturierten Altstadtgebieten. Er verteilt sich hauptsächlich auf das Straßennetz und erhält Schwerpunkte durch unbebaute Karrees, die als Parks oder Plätze genutzt werden, sowie durch gliedernde Straßenachsen. Die Breite der Straßen und die Größe der Bebauungsgevierte sind hier also maßgebend für den quantitativen Anteil des öffentlichen Raums.18 Und somit bestimmt die Gestaltung der Straßenräume maßgeblich die Qualität der Atmosphäre eines solchen Quartiers. Die Straßen der Gründerzeitviertel werden ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert breiter, bieten «mehr Licht und Luft» und sind auf einen wachsenden Verkehr ausgelegt. Das hatte zur Folge, dass Wege für Fußgänger und für den fahrenden Verkehr strikt voneinander getrennt wurden. Die im Verhältnis zu den Fahrspuren relativ breiten Gehwege in vielen Gründerzeitquartieren zeugen noch heute davon, dass der Schwerpunkt des Verkehrsaufkommens in ihrer Entstehungs­ zeit zunächst noch bei den Fußgängern gelegen hat. Außerdem rückte nun die Landschaft in den schnell expandierenden Großstädten in immer weitere Ferne. Deshalb erhielt das Grün in diesen Straßennetzen eine zunehmende Bedeutung. Viele der Quartiersstraßen aus

Die Auswertung

Gründerzeitliche Blockrandstruktur an der Raabestraße 16 Siehe dazu den Perimeter Friedrichstraße in der Dichtekategorie 9. 17 Siehe dazu die Perimeter Hasnerstraße (Dichtekategorie 6), Raabestraße, «Pariser Platz, Fockygasse, Kanzleistraße (Dichtekategorie 7), Christ­ burger Straße, Hahngasse (Dichtekategorie 8), Schwan­thalerstraße, Bahnhofstraße (Dichte­kate­gorie 9).

Barocke Straßenachse der Friedrichstraße in Berlin

18 Durch den flächenmäßig relativ hohen Straßenanteil um die schmalen Bebauungskarrees hat der Berliner Perimeter Christburger Straße mit über 40 Prozent den höchsten Anteil an öffentlichen Flächen in der gesamten Analyse.

163 dem 19. Jahrhunderts sind bis heute von Alleebäumen gesäumt. Diese Baumreihen trennen die Gehwege von den Fahrbahnen und schützen über die Höhe ihrer Kronen gleichzeitig die Fenster und Balkons der Wohnungen in den Obergeschossen vor neugierigen Blicken. Auf diese Weise strukturieren sie effizient auf verschiedensten Ebenen das Straßenleben und geben ihm eine beruhigende grüne Atmosphäre.19 Wo in den mittelalterlichen Altstädten noch befestigte steinerne Plätze Raum für Handel und Gesellschaftsleben boten, wurden in ­­­­ den Stadterweiterungen des 19. Jahrhunderts nun Parks geplant, die der arbeitenden Bevölkerung Erholung in unmittelbarer Nähe ihrer anfangs äußerst dicht bebauten Wohnblöcke bieten sollten. 20 Die runden Plätze entlang der Weißenburger Straße im Quartier um den Pariser Platz in München bieten als Sonderfälle eine Mischung aus befestigten Plätzen und grünen Parks nach Pariser Vorbild an. Dieser Typus des begrünten Stadtplatzes lebt von der formalen Stärke der Platzformen und bietet gute Identifikationsmöglichkeiten und vielfältige Nutzbarkeiten an. Obwohl ein großer Teil der Platzfläche be­festigt ist, überwiegt die grüne Anmutung und eine parkähnliche Atmosphäre, die Erholung verspricht. Deshalb siedeln sich hier auch gastronomische Betriebe an und der grüne Platz wird zum Naherholungsgebiet für das umgebende Quartier.

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

19 Siehe dazu auch das Unterkapitel «Grün und Architektonisch» im Kapitel «Fazit».

20 Viele dieser in den ursprünglichen Stadt­­ erweiterungsplänen des 19. Jahrhunderts (wie zum Beispiel im Berliner Hobrechtplan) geplanten klein en Stadtparks wurden allerdings auf Druck der Bauinvestoren zugunsten von Bauland nicht umgesetzt. Friedhöfe übernahmen dann teilweise die Aufgabe dieser fehlenden Grünanlagen.

Ab einer bestimmten Stadtgröße, die bei den vier untersuchten Städten Berlin, München, Wien und Zürich meist erst im 19. Jahr­ hundert erreicht wurde, rückte die Landschaft nämlich in eine Ferne, die nicht mehr ohne Weiteres in das täglichen Leben integrierbar ­­ war. Der grüne Platz oder der Park holte daher ein Stück Natur in die Stadt, die das Klima im meteorologischen wie im sozialen Sinn verbessern half. Die Nutzung

(Erdgeschoss-)Nutzungen Die einzelnen Perimeter dieser Untersuchung wurden aufgrund ihrer unterschiedlichen Wohnqualitäten ausgewählt. Bis auf die Geschäftsbezirke in den dichtesten Perimetern dominiert deshalb in allen Dichtekategorien die Wohnnutzung. Insbesondere Erdgeschoss­ nutzun­gen wie Läden, Gastronomie und Büros tragen aber bereits bei Quartieren mit einer geringen baulichen Dichte viel zum Straßenleben und damit zur Atmosphäre bei. Sie stellen den Kontakt zwischen Straße und Gebäude her und schaffen so Identifikationsmöglichkeiten und fördern die Kommunikation unter den Bewohnern. Die Zäsuren nach der zweiten und der fünften Dichtekategorie, die bei der Höhenentwicklung und der Verteilung des öffentlichen Raums festgestellt wurden, sind auch in der Nutzung der Perimeter nachweisbar. Die ersten beiden Kategorien sind durch reine Wohnnutzung zumeist bei Einfamilienhäusern mit Gärten geprägt. Die Atmosphäre dieser Quartiere ist daher privat und intim. Trotzdem sind bereits ab der zweiten Dichtekategorie einzelne öffentliche Erdgeschossnutzungen wie Geschäfte und Gaststätten zu verzeichnen. Ihr Prozentsatz beträgt allerdings nur maximal zwei Prozent. In Perimetern wie dem um die Berliner Drakestraße werden so trotz der eher stillen Wohnstimmung an Straßenkreuzungen Treffpunkte für die dort lebenden Bewohner geschaffen.

Alleebäume an der Christburger Straße in Berlin und der begrünte Weißenburger Platz in München

Kleine Quartiersläden an der Drakestraße und an der Goebelstraße in Berlin

164 Ab der dritten Dichtekategorie finden sich fast nur noch Geschosswohnungen. Die Häuser werden höher und zeigen eine horizontale Schichtung, während die Einwohnerzahl zunimmt. In den Dichtekategorien 3 bis 5 werden daher einzelne öffentliche Erdgeschossnutzungen zum wichtigen Bestandteil der Quartiere, um eine woh­­­ nungsnahe Versorgung der Bewohner zu gewährleisten. Der Anteil öffen­­t­­­­­licher Nutzungen steigt hier von drei bis auf fünf Prozent. Gerade in Zeilensiedlungen der Moderne und der Spätmoderne wie beispiels­weise in der Goebelstraße in der Berliner Siemensstadt und der Altwiesenstraße in Zürich sollten kleine Eckläden eine gewisse Autarkie der Versorgung in der Siedlung gewährleisten. Heute können sich viele dieser Geschäfte aber kaum mehr halten, da die öffentliche Verkehrsanbindung an die Innenstadt verbessert wurde und mit dem Auto günstigere Einkaufszentren leicht erreichbar sind. In den Großsiedlungen wie der Wiener Prinzgasse oder dem Berliner Senftenberger Ring konzentrieren sich die öffentlichen Nutzungen in flachen Ein­kauf­s­zentren, um eine eigene kleine Stadt zu bilden, wodurch der Anteil öffentlicher Nutzungen hier sogar auf zehn bis 15 Prozent steigt. In den Dichtekategorien 6 und 7 schwankt der Anteil ebenfalls um zehn bis 15 Prozent, ist jedoch auf Erdgeschossnutzungen im ganzen Perimeter verteilt. Daher können Läden und Gastronomie das Straßenleben in allen Bereichen der Perimeter anregen. In der Zürcher Kanzleistraße steigt der Wert sogar auf knapp 38 Prozent, da hier besonders viele Erdgeschosse gewerblich genutzt werden und größere Schulbauten innerhalb des Perimeters liegen. Ansonsten dominiert die Wohnnutzung. In den Dichtekategorien 8 und 9 steigt der Anteil öffentlicher Nutzungen dann deutlich auf über 60 Prozent an, da diese zentralen Lagen Publikum auch von außerhalb des Quartiers und der Stadt ­­ anziehen. Diese Perimeter sind also nicht mehr als eigenständige Quartiere zu verstehen, sondern beziehen ihre Funktion aus der Vernetzung mit dem gesamten Stadtgebiet, dessen wirtschaftliches Zentrum sie bilden. Somit sind diese innerstädtischen Geschäftsbe­ zirke die einzigen Perimeter dieser Untersuchung, in denen nicht das Wohnen, sondern die öffentlichen Nutzungen überwiegen. Vor allem die Perimeter der Dichtekategorie 9 wie beispielsweise die Friedrichstraße in Berlin weisen einen Wohnanteil von kaum mehr als 25 Pro­ zent auf. Und auch diese wenigen Wohnungen werden meist nicht dauerhaft bewohnt, sondern dienen Geschäftsleuten als zweiter oder dritter Wohnsitz.

Die Auswertung

Flachbauten des zentralen Einkaufs­ zentrums am Senftenberger Ring in Berlin

Die Lage, der Verkehr und soziale Daten

Lage im Stadtgebiet, Anbindung ans Verkehrsnetz, Mieten, Belegungsdichte und Fluktuation Generell kann man feststellen, dass die bauliche Dichte der untersuchten Perimeter von den Stadträndern zum Zentrum hin relativ kontinuierlich zunimmt. Die Einfamilienhausquartiere mit den niedrigsten Dichten finden sich allesamt am Rand der Städte. Die hohen und höchsten Dichten kommen alle an zentralen Lagen wie in Gründerzeitvierteln und in historischen Vor- und Altstädten vor. Dazwischen liegen die mittleren Dichtekategorien. Wie bei den meisten anderen Analyseparametern nehmen allerdings auch hier die Großsiedlungen der 1960er- und 1970er-Jahre eine Sonderstellung ein. Da sie wie eigenständige neue Städte organisiert sind, befinden

Durch öffentliche Nutzungen geprägte Straßenzüge der Weißenburger Straße am Pariser Platz in München, der Friedrichstraße in Berlin und der Schwanthalerstraße in München

165

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

sie sich trotz einer mittleren baulichen Dichte meist an den Rändern der Städte. Die Lage hat großen Einfluss die Atmosphäre im Quartier, dessen Gestaltung und die soziale Zusammensetzung der Bewohnerschaft. Die niedrigen Dichten der Kategorien 1 und 2 an den Stadtrand-­ lagen sind auf eine gute (Nah-)Verkehrsanbindung angewiesen, da sowohl Arbeitsplätze als auch Einkaufsmöglichkeiten meist mehr oder weniger weit entfernt liegen. Noch bis Ende der 1980er-Jahre setzte man hier auf den motorisierten Individualverkehr. Das Auto galt als Symbol für ein selbstbestimmtes und «autonomes» Leben im Grünen. Mit zunehmendem Verkehrsaufkommen und wachsendem Umweltbewusstsein werden insbesondere an diesen grünen Lagen die Fußläufigkeit und die Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz immer wichtiger. Als beispielsweise der Münchner Perimeter Waldstraße Ende der 1990er-Jahre zusätzlich zur Straßenbahn an das U-Bahn-Netz angeschlossen wurde, stiegen die Bevölkerungszahlen sprunghaft an. Noch heute sind die Fluktuationsraten dort mit 138 Prozent ungewöhnlich hoch und dynamisch. Im wesentlich schlechter angebundenen Perimeter Schippergasse in Wien hingegen liegt die Fluktuationsrate bei nur gut zwölf Prozent. Das Quartier um die Zürcher Schlösslistraße wiederum hat zwar ebenfalls nur eine niedrige Fluktuationsrate von 23 Prozent aufzuweisen und ist lediglich über eine Buslinie an den öffentlichen Verkehr angebunden. Trotzdem sind hier die Mietpreise mit über 142 Prozent des städtischen Mittelwerts die höchsten in dieser Dichtegruppe. Dies hat mit der fußläufigen Nähe zur Innenstadt und vor allem mit der attraktiven Aussicht an der sonnigen Hanglage zu tun. Die niedrigsten Mietpreise im Verhältnis zu Stadtmittelwert gelten in diesen beiden Dichtekategorien mit 94 Prozent im Berliner Perimeter Drakestraße. Obwohl auch hier Villen in Gärten stehen, macht sich die große Entfernung zum Stadtzentrum in relativ günstigen Mietpreisen bemerkbar. Besser gelegene klein-­ bürgerliche Siedlungen wie das Zürcher Im Heimgärtli erzielen trotz einfachster Bausubstanz ein Mietpreisniveau von 110 Prozent. Die Belegungsdichte ist dagegen nicht nur mit den Parametern der Lage verknüpft, sondern hängt außerdem stark mit der jeweiligen Bauweise und der sozialen Struktur im Quartier zusammen. So weist das durch die bürgerliche Mittelschicht geprägte Münchner Einfamilienhausquartier Waldstraße eine relativ große Fläche pro Einwohner von 310 Quadratmetern auf. Dieser Wert hat einerseits damit zu tun, dass jeder Familie ein eigenes Haus zu Verfügung steht. Andererseits hat dies aber auch mit der Lage zu tun, da durch den günstigen Verkehrsanschluss mit Bus, Tram und U-Bahn und durch das grüne Umfeld viele junge Paare und Kleinfamilien ins Quartier drängen, die ohne die gute Vernetzung des Viertels wohl eher in der Innenstadt wohnen würden. Kleinbürgerliche Reihenhausquartiere haben deutlich geringere Flächenzahlen wie etwa die Wiener Pilotengasse mit 59 Quadratmetern oder der in München gelegene Perimeter Reindlstraße mit sogar nur 34 Quadratmetern pro Einwohner. Ab den mittleren Dichten der Kategorien 3, 4 und 5 überwiegen die Stockwerkswohnungen an unterschiedlichen Lagen . Während Gründerzeitquartiere wie die Perimeter Holbeinstraße in München und Scheuchzerstraße in Zürich sich in Innenstadtnähe befinden, liegen die meisten Siedlungen dieser Kategorien eher an den Rändern der Städte und sind somit auf eine gute Verkehrsanbindung angewiesen. Im Gegensatz zu den Einfamilienhausquartieren der untersten Dichte-

Bushaltestelle an der Berliner Drakestraße und steile Treppen als Shortcuts von der Schlösslistraße ins Zürcher Stadtzentrum

Trambahntrasse am Zürcher Bändliweg und innenstadtnahe bürgerliche Häuser an der Münchner Holbeinstraße

Anonym wirkende Zeilenbauten an der Münchner Quiddestraße

166 kategorien versuchen diese Siedlungen aufgrund der deutlich höheren Bevölkerungsdichte fußläufig erreichbare Infrastruktureinrichtungen wie Geschäfte, Schulen, Arztpraxen und Kindergärten bereitzustellen, um lange Wege zu vermeiden. Dies gelingt jedoch nur begrenzt, da zumindest die Arbeitsplätze meist weiter entfernt liegen und größere Einkäufe trotzdem mit dem Auto oder einem öffentlichen Verkehrsmittel erfolgen. Dieses Problem verschärft sich bei den Satellitenstädten, wenn keine entsprechende Verkehrsanbindung gegeben ist. Im Perimeter Prinzgasse etwa, der 14 Kilometer vom Zentrum entfernt in der Wiener Donaustadt liegt, war die längste Zeit lediglich eine Straßenbahnverbindung vorhanden. Erst im Jahr 2013 wurde eine U-BahnStation in die Nähe verlegt. Von der Zürcher Meierwiesenstraße in die Innenstadt braucht die Tram dagegen nur 15 Minuten. Dies schlägt sich auch in den Fluktuationsraten nieder, die in der Meierwiesenstraße mit über 25 Prozent ähnlich hoch liegen wie ­­ in den zentral gelegenen Gründerzeitvierteln der mittleren Kategorien. Die Prinzgasse ist mit nur 16 Prozent Zu- und Wegzügen dagegen deutlich weniger dynamisch. Am stabilsten mit nur 14 Prozent Fluktuation bleibt die Bewohnerschaft im Münchner Perimeter KonradDreher-Straße, der rund zehn Kilometer vom Zentrum am Marienplatz entfernt liegt und am schnellsten über die Autobahn erreicht wird. Die Mietpreise dieser Dichtekategorien bewegen sich zwischen 92 und 124 Prozent, wobei die niedrigste Rate im Perimeter Altwiesenstraße im sechs Kilometer vom Zentrum entfernten Zürich-Schwamendingen erreicht wird. Dieses Quartier ist durch Zeilenbauten der 1950er-Jahre mit einfach ausgestatteten Wohnungen geprägt, befindet sich aber neuerdings im Umbruch. Die höchsten Mietpreise zahlen die Bewohner der Zürcher Scheuchzerstraße, deren bürgerliche Gründerzeitbauten gediegene Wohnungen in Zentrumsnähe bieten. Die Belegungsdichte schwankt hier zwischen 39 Quadratmetern im Perimeter Quiddestraße in der Münchner Trabantenstadt Neu­ perlach und 114 Quadratmetern im gründerzeitlichen Villenquartier um die Wiener Larochgasse. Diese Schwankung hat eher mit der Bauart und der gesellschaftlichen Zusammensetzung der Quartiere zu tun, als unmittelbar mit der Lage. Beide Quartiere liegen etwa acht Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und haben einen U-BahnAnschluss in der Nähe. Die Perimeter der Dichtekategorien 6 und 7 sind mehrheitlich durch gründerzeitliche Blockrandbebauungen in innerstädtischen Lagen geprägt. Der Autoverkehr spielt hier eine untergeordnete Rolle. Stattdessen sind ein engmaschiges öffentliches Verkehrsnetz und fuß­ läufige Erreichbarkeit öffentlicher Einrichtungen und Geschäfte ausschlaggebend für eine gute Lage. Alle Quartiere dieser beiden Dichtekategorien erfüllen weitgehend diese Anforderungen. Entsprechend bewegt sich das Mietniveau um 100 Prozent des Mittelwertes der jeweiligen Stadt. In zwei Wiener Quartieren fällt dieser Wert auf etwa 75 Prozent ab. Damit zahlen die Mieter in den Perimetern Hasnerstraße und Fockygasse die niedrigsten Mieten in der gesamten Untersuchung. 21 Beide Quartiere sind jedoch verkehrstechnisch gut angebunden und liegen nah am Stadtzentrum. Die Mietpreise in diesen ehemaligen Handwerkerquartieren sind eher auf die äußerst gemischte Bevölkerungsstruktur und auf die wenig sanierten Gebäudesubstanz zurückzuführen als auf die Lage. Dies zeigt sich auch an der Belegungsdichte der beiden Wiener Perimeter, die mit unter 60 Quadratmetern Geschossfläche pro Einwohner in diesen zwei Dichtekategorien am höchsten ist. In den übrigen Perimetern verfügen die Bewohner über Geschossflächen

Die Auswertung

Individuelle Stadtvillen an der Wiener Larochegasse

Typische gründerzeitliche Straßenzüge in den ehemaligen Handwerkerquartieren Hasnerstraße und Fockygasse in Wien 21 Der geförderte Wohnungsbau am Zürcher Bändliweg läuft mit 66 Prozent des mittleren Mietpreises der Stadt außer Konkurrenz.

167 zwischen 70 und 90 Quadratmetern22 , die damit größer sind als in den mittleren Dichtekategorien. Dies liegt vor allem an den großzügig geschnittenen Gründerzeitwohnungen, die ursprünglich für Großfami­ lien konzipiert waren, heute aber oft nur von Paaren oder Kleinfamilien bewohnt sind. Einzig in den beiden multikulturellen Quartieren in Wien leben auch derzeit noch größere Familien oder Wohngemeinschaften. Die Fluktuationsraten sind in den Perimetern mit den günstigsten und in denen mit den teuersten Mieten besonders niedrig. Die beiden günstigen Wiener Perimeter Hasnerstraße und Fockygasse haben eine Fluktuationsrate von nur etwa 33 Prozent. Die teuren Münchner Quartiere Tumblingerstraße und Pariser Platz weisen sogar Fluktuationsraten von lediglich 23 und 15 Prozent auf. Diese Werte zeigen die Beliebtheit dieser Quartiere. Die einen wegen ihrer günstigen Mieten bei guter Lage, die anderen wegen ihrer reizvoll gestalteten Architektur bei ebenfalls guter Lage und knappem Wohnraumangebot in der Stadt. Die höchsten Dichtekategorien 8 und 9 nehmen eine Sonderstellung ein. Sie bilden die Zentren der Städte, nur hier erhalten gewerbliche Nutzungen eine größere Bedeutung. Aufgrund ihrer zentrale Lage bilden diese Viertel oft Verkehrsknotenpunkte in der Stadt. Im Quartier selbst wird aber großer Wert auf Fußläufigkeit gelegt, da alle not­ wendigen Einrichtungen unmittelbar vorhanden sind. Quartiere wie das Niederdorf um die Zürcher Spiegelgasse, die dortige Bahnhofstraße oder um die Wiener Hahngasse sind zu großen Teilen verkehrsberuhigt oder sogar reine Fußgängerzonen. Der Einkaufsbummel soll möglichst ungestört möglich sein. Die Mietpreise sind hier vor allem wegen der teuren Ladenmieten besonders hoch. Im Perimeter Spiegelgasse in der Zürcher Altstadt steigt das Mietniveau bis auf einen Spitzenwert von 166 Prozent des städtischen Mittelwertes. Aber auch ein Quartier mit höherem Wohnungsanteil wie die Christburger Straße in Berlin-Prenzlauer Berg hat mit 103 Prozent ein relativ hohes Mietniveau. 23 Einzig das ruhige Wohnviertel um die Wiener Hahngasse liegt mit 93 Prozent deutlich unter dem städtischen Mittelwert. Nur in diesen Wohnquartieren ist die Belegungsdichte ähnlich hoch wie in den Dichtekategorien 6 und 7. In den übrigen Quartieren mit hohem Gewerbeanteil liegt sie bei mehreren Hundert Quadratmetern pro Kopf. Durch den hohen Anteil an großen Kaufhäusern und Büroflächen steigt dieser Flächenwert in der Zürcher Bahnhofstraße sogar auf mehrere Tausend Quadratmeter an. Die Fluktuationsraten lassen hingegen wenige Rückschlüsse auf Lage und Nutzung zu. Die wenigsten Zu- und Wegzüge finden mit nur 22 Prozent im alteingesessenen Altstadtquartier der Wiener Wollzeile statt. Die höchste Fluktuationsrate hat der dynamische und multikulturell geprägte Münchner Perimeter Schwanthalerstraße zu verzeichnen.

Dichte, Atmosphäre und Zahlen 22 Im Zürcher Perimeter Bändliweg findet sich eine besonders niedrige Belegungsdichte von 113 Quadratmetern pro Bewohner; dies aber nur, weil dort ausschließlich geförderter Wohnungsbau mit großen Familienwohnungen steht.

Verkehrsberuhigte Zonen in der Wiener Hahngasse

23 Das ungewöhnlich niedrige Mietpreis­ niveau in der Berliner Friedrichstraße mit 94 Prozent kann auf den relativ hohen Anteil noch nicht renovierter Altbauten im Perimeter zurückgeführt werden.

Fußgängerzone im Zürcher Niederdorf um die Spiegelgasse

Die Städte und ihre Parameter Neben der Bedeutung der Analyseparameter für die Dichtekategorien formulieren diese auch wesentliche Aussagen über den Charakter der untersuchten Städte. Im Folgenden soll deshalb der Einfluss der jew­­eiligen Parameter in Wien, Zürich, Berlin und München verglichen und die Unterschiede anhand von Durchschnittswerten durch alle Perimeter der jeweiligen Stadt bewertet werden.

168

Die Auswertung

Höhe und Flächenzahlen

Gebäudehöhe und Geschossigkeit, Geschossflächenzahl und Grundflächenzahl Bildet man in jeder Stadt zunächst den Durchschnittswert der Geschossflächenzahl (GFZ) aller untersuchten Perimeter, so erreichen

München mit einer GFZ von durchschnittlich 1,48 und Wien mit 1,45 die höchsten Werte und damit die größte Bebauungsdichte. Die Perimeter in Berlin und Zürich sind hingegen mit einem durchschnittlichen GFZ-Wert von 1,40 deutlich weniger dicht bebaut. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Durchschnittswerten der Grundflächenzahl (GRZ). Auch hier erreichen die Städte München­­ und Wien mit einer GRZ von 0,35 und 0,36 die höchsten Werte der Untersuchung. Mit einer durchschnittlichen GRZ von 0,29 und 0,28 bleiben Berlin und Zürich deutlich hinter den erstgenannten zurück. Entsprechend verkehrt sich dieses Bild der Städte anhand der Werte von Höhe und Geschossigkeit. Die größte Durchschnittshöhe der Gebäude wird in Zürich mit 15,6 Metern und 4,6 Geschossen erreicht, gefolgt von Berlin mit Gebäudehöhen von durchschnittlich 13,4 Metern und 5 Geschossen. In München sind die Gebäude hin­ gegen nur durchschnittlich 10,7 Meter und 3,7 Geschosse hoch, und in Wien kommen sogar nur 9,1 Meter und 3,1 Geschosse vor. Dies ist auch im Stadtbild gut abzulesen. Berlin breitet sich als grüne Flächenstadt weit aus. Die Straßen sind relativ breit, es gibt viele Parks, Plätze und Grünflächen. Zürichs Straßen sind zwar wesentlich weniger großzügig bemessen, dafür ist die Bebauung lockerer, und geschlossene Blockränder mit Hinterhöfen sind die Ausnahme. Die große Gebäudehöhe in Zürich ist dem Umstand geschuldet, dass hier wie in Berlin mit wenigen Ausnahmen homogene Höhen der Häuser vorherrschen. Die Traufhöhen in den Straßen von München und Wien bewegen sich dagegen deutlich nach unten. Auf diese Weise verursachen sie eine Minderung der Durchschnittshöhe. Öffentlicher und privater Außenraum

Anteil nicht bebauter, öffentlicher und privater Flächen; Parzellierung Verknüpft mit den Durchschnittswerten der Flächenzahlen und Höhen wiederholt sich die bereits festgestellte Einteilung der Städte in zwei Gruppen auch bei den Zahlen der nicht bebauten Flächen . Bei niedrigen Geschoss- und Grundflächenzahlen und großen Höhen hält die Bebauung in Berlin mit durchschnittlich 72 Prozent und in Zürich mit 71,5 Prozent die größten Flächenanteile frei. München und Wien sind mit durchschnittlich 65 und 63,5 Prozent nicht bebauter Fläche baulich deutlich stärker ausgenutzt. Die Verteilung der Anteile der privaten Flächen an der Gesamtfläche der Perimeter bestätigt dieses Bild. Die höchsten Durchschnittswerte finden sich mit je 49,5 Prozent in Berlin und Zürich. München und Wien verzeichnen dagegen nur 42 und 41 Prozent. Bei den Anteilen der öffentlichen Flächen an der Gesamtfläche zeigen sich nahezu ausgeglichene Werte von durchschnittlich rund 23 Prozent. Einzig Zürich fällt hier mit einem Anteil von im Schnitt nur 22 Prozent etwas ab. Der größere Anteil an nicht bebauter Fläche in Berlin und Zürich wird also nicht für die Schaffung öffentlicher Räume genutzt,

Fußgängerzone im Perimeter Bahnhofstraße in Zürich

169 sondern bleibt in Privatbesitz. Trotzdem wirkt vor allem das Stadtbild von Berlin räumlich deutlich großzügiger als in den anderen drei Städten. Die nicht bebauten Flächen kommen hier direkt oder indirekt dem großmaßstäblichen Straßenraum zugute, während sie in Zürich auf ein feingliederiges Netz von Außenräumen verteilt sind. München und Wien nutzen die nicht bebauten Flächen etwas stärker für die Öffentlichkeit, zeigen aber ein dichteres Bebauungsbild. Soziale Daten

Belegungsdichte und Fluktuation Ermittelt man die durchschnittliche Belegungsdichte in den Dichtekategorien 3 bis 7, die hauptsächlich durch Geschosswohnungsbau geprägt sind, dann erhält man wiederum die höchsten Flächenwerte in Berlin mit 76 Quadratmetern und in Zürich mit sogar 81 Quadrat­ metern. In Wien stehen dagegen jedem Einwohner durchschnittlich 72 Quadratmeter Geschossfläche zur Verfügung und in München «nur» 65 Quadratmeter. Trotzdem liegen all diese Werte erstaunlich hoch24 und zeugen vom demografischen Wechsel in der Bevölkerungs­struktur, demzufolge immer weniger Personen in einem Haushalt zusammen­ leben. 25 Der Vergleich der Durchschnittswerte der Fluktuationsraten26 in den vier Städten ergibt ein weitgehend heterogenes Bild und scheint nicht mit der Belegungsdichte verknüpft zu sein. Die Werte sagen aber Entscheidendes über die Stimmung und die Dynamik in der jeweiligen Stadt aus. Berlin als wandlungsfähigster, dynamischster und am stärksten durch internationales Publikum geprägter Ort ­dieses Städtevergleichs verzeichnet mit 64 Prozent die höchste durchschnittliche Quote von Zu- und Wegzügen. Dem folgt mit 52 Prozent Fluktuation das aufstrebende und ständig wachsende München. Zürich hat trotz ebenfalls stark dynamischer Entwicklungen nur eine Fluktuationsrate von 42 Prozent. 27 Und Wien bildet mit 25 Prozent das beschauliche Schlusslicht der vier untersuchten Städte. Somit kann die Fluktuationsrate als verlässlicher Gradmesser für die Dynamik, die Beliebtheit und den Charakter einer Stadt gelten. 28

Dichte, Atmosphäre und Zahlen

24 Beispielsweise wird die durchschnitt­ liche Geschossfläche vom Zürcher Amt für Raumentwicklung für die ganze Stadt durchschnittlich mit 40 bis 45 Quadratmetern pro Einwohner ange­geben. Allerdings bildet die «Basis der Berechnung die Gesamtsumme der Einwohner der Gemeinde. Das heisst, Einwohner, die in Gebäuden wohnen, die der Nutzung, Dienstleist­ ung, Industrie, Landwirtschaft und sonstiges zugeordnet sind, werden mitberücksichtigt. Daraus ergibt sich, dass die tatsächliche Geschossflächengrösse je Einwohner noch höher liegt». Quelle: Baudirektion Kanton Zürich, Amt für Raumentwicklung, Abteilung Raumplanung, Geschossflächenbestand 2000– 2009, Zürich 2011. 25 Lebten beispielsweise 1960 in der Schweiz nur 14,2 Prozent Einzelpersonen in einem Haushalt, so waren es im Jahr 2000 bereits 36 Prozent. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner steigerte sich von 34 Quadratmetern im Jahr 1980 auf 44 Quadratmeter im Jahr 2000. Und diese Zahlen wachsen weiter. Quelle: Schweizerisches Bundesamt für Statistik, Neuchâtel 2014. 26 Anteil der Zu- und Wegzüge im Verhältnis zur Bewohnerzahl in den Jahren von 1996 bis 2006 in Prozent. 27 Die im Vergleich zu den dynamischen Veränderungen in der Stadt niedrige Fluktuationsrate ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in dieser Studie vor allem ältere und beständige Zürcher Quartiere analysiert werden. 28 Zum Charakter der einzelnen Städte siehe auch die literarischen Kurz­ geschichten und Kurzporträts im Kapitel «Stadtgeschichten».

Fazit

Dichte und Atmosphäre

Karl-Marx-Zentrum, München-Neuperlach

171

Dichte und Atmosphäre

Die Begriffe der «Dichte» und der «Atmosphäre» haben beide eine soziale und eine physische Komponente. Die Untersuchung in diesem Buch zeigt, dass die Dichte der Stadt eng an die Bedürfnisse der jeweiligen Bewohnerschaft gebunden ist, aus denen heraus die bauliche Gestalt des Quartiers entstehen sollte. Diese entscheidet letztendlich über die subjektiv wahrgenommene Atmosphäre dort und in der gesamten Stadt. Die zentrale Rolle spielt dabei das Verhältnis des privaten zum öffentlichen Raum. Deshalb gliedert sich das Fazit dieser Analyse in drei Kapitel:

Die Stadt als Gesellschaftsraum Die Stadt als Wohnraum Die Stadt als Lebensraum Schließlich soll die Stadt allen ihren unterschiedlichen Bewohnern als Wohnraum dienen und in den Quartieren aller Dichtegrade eine lebens­ werte Atmosphäre bieten. Die Kriterien dafür werden im Folgenden zu­sammengefasst und zeigen, dass von der niedrigsten bis zur höchsten Dichtekategorie jede ihre gesellschaftliche und ihre bauliche Gestalt finden kann. Die Grenze zwischen Stadt und Land kann so nicht als harter Schnitt, sondern als weicher Übergang ausgebildet werden und auf integrierende Weise einen gemeinsamen Lebensraum bilden.

Die Stadt als Gesellschaftsraum Soziale Atmosphäre

«Ja, was soll’n der macha?» «Ja, Atmosphäre verbreiten!»1 In Gerhard Polts kurzem Satirestück «Der Bohemien» aus dem Jahr 1984 stehen er selbst als Hauswart Faltermeier und Gisela Schneeberger als engagierte Wohnungseigentümerin Frau Kerzl gemeinsam auf einem Balkon in der Münchner Satellitenstadt Neuperlach und beobachten von oben einen Mann mit Schiebermütze, Halstuch und Sandalen, wie er sein Fahrrad abstellt, im Supermarkt eine Flasche Wein kauft und diese dann auf dem Platz unterhalb ihres Balkons trinkt. 2 Frau Kerzl hatte diesen Bohemien ausfindig gemacht, damit er in der Großsiedlung am Stadtrand eine urbane Atmosphäre verbreitet. Was satirisch ausgesagt werden soll: Obwohl der Platz, auf den sie blicken, in den 1970er-Jahren als kommerzielles, kulturelles und gesellschaftliches Zentrum dieses Teils von Neuperlach geplant war, kann er in der Realität diese Funktion nicht erfüllen. Die Menschen überqueren die betongepflasterte Platzfläche so schnell wie möglich, ohne zu verweilen. Ein städtischer Platz fungiert in seinem eigentlichen Sinn als Gesellschaftsraum, indem er allen Bewohnern als öffentlicher Treffpunkt ein gesellschaftliches Forum bietet. Um das zu ermöglichen, muss er bestimmte Aufenthaltsqualitäten aufweisen. Die Wohnungseigen­ tümerin in Polts Stück glaubt, das Manko des Platzraums erkannt zu

1 Gerhard Polt, Fast wia im richtigen Leben, Folge 10: Der Bohemien, Bayrischer Rundfunk, München 1984. Auch alle folgenden wörtlichen Zitate ohne Fußnote, die grafisch hervorge­ hoben sind, entstammen dieser Quelle.

2 Die Szene mit Gerhard Polt und Gisela Schneeberger wurde am Karl-MarxZentrum in der Münchner Großsiedlung Neuperlach gedreht, nur wenige Hundert Meter vom Perimeter Quiddestraße (Dichtekategorie 3) entfernt. Es wurde als Subzentrum der Satellitenstadt Neuperlach ab 1975 erbaut.

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Fazit

haben. Sie und die anderen Wohnungseigentümer haben deshalb be­schlossen, dem Platz zwischen den damals noch relativ neuen Hoch­hausgebirgen städtisches Leben einzuhauchen, indem sie gemeinsam mit dem Betreiber der dortigen Cafeteria einem Bohemien die Miete finanzieren, um für diesen einen Anreiz zu schaffen, dort zu wohnen. Allein durch dessen urbane Ausstrahlung und seinen künstlerisch geprägten Hintergrund soll er dem zugigen Platz und dem ganzen unpersönlich wirkenden Wohnquartier zu Flair und Lebensqualität verhelfen. Denn von den vielen Tausend Bewohnern der Satellitenstadt will niemand so recht an dem dafür vorgesehenen Ort verweilen. Frau Kerzl hofft nun, wenn eine Leitfigur den Platz als Aufenthaltsort genießt, dann sollte er bald auch für alle anderen Bewohner zum Vorbild werden können und öffentliches Leben auf den Platz lenken.

«Sie werd’n sehn: Der wird genauso b’suffa rumhänga wie der, den wo’s scho mal g’habt hab’m, der wo allweil alles voll g’spieb’m hat.»3 Ein ähnlicher Versuch mit einem Künstler war jedoch bereits vorher schon einmal fehlgeschlagen. Ohne sein innerstädtisches Umfeld kam dieser nicht gegen die Tristesse des Ortes an und verfiel als hilfloser Statist entmutigt dem Alkohol. Frau Kerzl hält jedoch unbeirrt an der Idee der Kultivierung durch Einzelpersonen fest. Denn wenn diese Pioniere ihr gewohntes Umfeld mit an den Stadtrand bringen, so glaubt sie, dann entstünde automatisch auch dort ein kulturelles Leben wie in gewissen Quartieren der Innenstadt. Deshalb plant sie bereits, einen zweiten Bohemien anzusiedeln, um die beabsichtigte Entwicklung zu beschleunigen.

«Ich sage ihnen, Herr Faltermeier: Wir werden das Busch­ röschen-Karree systematisch kultivieren. […] Wir sind uns einig: Wir holen noch ’nen Bohemier. … Wir setzen noch einen zweiten aus. […] Ja, hier entsteht ein richtiges Geistesleben. Glauben Sie mir, Herr Faltermeier: Ganz abgesehen von der atmosphärischen Verbesserung. Die vier Wohnungen, die ich hier habe, die kann ich dann ganz anders vermieten. Ein paar Bohemiens, vielleicht noch ein Schauspieler, und der Quadratmeterpreis steigt hier um 30 Prozent Minimum.» «Ja, ich versteh’ Ihnen scho: Sie woll’n a neues Schwabing.»4 Was die gewiefte Wohnungseigentümerin eigentlich möchte, könnte man als künstlich herbeigeführte Gentrifizierung bezeichnen. Dieser Prozess kommt normalerweise von selbst in Gang, wenn das innerstädtische Kerngebiet einer Stadt wächst und bisher abseits gelegene Quartiere plötzlich zu zentralen Lagen mutieren. Durch diese neue Positionierung ändert sich auch die Zusammensetzung der Bewohner­ schaft: In der Umbruchphase sind die Mietpreise noch niedrig und Gewerbeflächen werden frei, da das flächenintensive Gewerbe weiter nach draußen zieht. Typischerweise erkennen und nutzen Künstler und die Alternativszene als Erste das Potenzial der neu gewonnenen Freiflächen. Für eine begrenzte Zeit sind sie die Initianten und Vermittler des Wechsels, bis dann meist eine Erhöhung des Mietpreis­ niveaus stattfindet und eine besser betuchte Bewohnerschaft einzieht. Der Münchner Stadtteil Schwabing war in den 1980er-Jahren ein Paradebeispiel für eine solche Metamorphose.

3 Polt, wie Anm. 1; hochdeutsch: «Sie werden schon sehen, der wird genauso besoffen herumhängen wie der, den sie schon einmal hatten, der alles vollgespien hat.»

4 Ebd.; hochdeutsch: «Ja, ich verstehe Sie schon: Sie wollen ein neues Schwabing.»

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Dichte und Atmosphäre

Frau Kerzl setzt auf einen einzelnen Bewohner und sucht den Fehler nicht im Städtebau oder in der Architektur, denn an dieser ist sie ja als zufriedene Wohnungseigentümerin beteiligt und sieht keinen Anlass für Investitionen oder Kritik. Im Gegenteil: Sie wittert Potenzial für eine Gewinnmaximierung, weil sie ihre Wohnungen dann teurer vermieten kann. Sie träumt von einer Symbiose aus innerstädtischer Atmosphäre und ruhigem Wohnen im Grünen, wie es die Planer von Satellitenstädten wie Neuperlach auch tatsächlich programmatisch angestrebt hatten. Das Manko Neuperlachs sieht sie im fehlenden gesellschaftlichen und kulturellen Leben im öffentlichen Raum und in der Anonymität der momentanen Bewohnerstruktur. Diese sozialen Faktoren versucht sie nun mithilfe einzelner Menschen als Akteuren und Leitfiguren zu verbessern. Warum aber braucht ein damals kaum zehn Jahre altes Quartier wie Neuperlach bereits eine gesellschaftliche Umstrukturierung? Und warum ist die angestrebte soziale Belebung solcher Großsiedlungen bis heute nicht wirklich gelungen? Urbanität durch Dichte? Bei der Planung der Satellitenstadt Neuperlach 5 hatte man in den 1960er-Jahren eigentlich alles richtig machen wollen. Das Leitbild der Urbanität durch Dichte6 vor Augen wollte man ein neues Modell städtischen Lebens im Grünen erschaffen. Die Stadtplaner hatten bereits aus den Fehlern der gleichmäßig verteilten, monofunktionalen und anonym wirkenden Zeilenbebauungen der 1950er-Jahre gelernt und legten nun mehr Gewicht auf soziale und funktionale Gliederungen und Durchmischungen sowie auf architektonisch reizvollere Gestal­ tungen. Unter Beibehaltung der Leitlinien der gegliederten und auf­ gelockerten Stadt7 sollte aufgrund einer hohen baulichen Dichte eine neuartige sinnliche Verdichtung des städtischen Lebens und eine städtische Atmosphäre im Grünen erreicht werden. Die aus dieser zunächst gut gemeinten Haltung resultierenden Satellitenstädte entwickelten sich jedoch relativ schnell zu sozialen Problemzonen. Eine rein zahlenmäßig erfassbare Dichte kann also noch keine funktionierende Atmosphäre erzeugen. Das Motto «Urbanität durch Dichte» ist auch heute wieder fast in jeder Tageszeitung und in unzähligen Fachpublikationen zu lesen. Doch die Vorzeichen haben sich geändert. Im Gegensatz zu den 1960erund 1970er-Jahren, als man versuchte, der drohenden Wohnungsnot durch neue Stadtkonzepte auf der grünen Wiese Herr zu werden, setzt man inzwischen vermehrt auf Nachverdichtung der bestehenden Stadtstrukturen. Am Anfang des 21. Jahrhunderts leben wir in einer Zeit der stark wachsenden Verstädterung, die nicht ohne die Neuplanung ganzer Stadtviertel auskommt. Grund dafür ist nun nicht eine sprunghaft wachsende Bevölkerungszahl oder Wohnungsnot, sondern die wachsenden Ansprüche der Bewohner an Ausstattung, Größe und Lage ihrer Wohnung. Der Wohnflächenbedarf pro Einwohner ist beispielsweise in der Schweiz in den letzten 30 Jahren von 34 auf 45 Quadratmeter angestiegen, die Siedlungsfläche hat sich pro Einwohner von 375 auf über 400 Quadratmeter vergrößert. 8 Zudem leben immer weniger Menschen in traditionellen Familienstrukturen und suchen mehr Angebote in der Ausstattung der eigenen Wohnung wie im öffentlichen Umfeld. Diese neuen Ansprüche finden auch in den atmosphärischen Erwartungen seinen Niederschlag.

5 Siehe Perimeter Quiddestraße in der Dichtekategorie 3. 6 Das städtebauliche Leitbild «Urbanität durch Dichte» sollte in den 1960er- und 1970er-Jahren der mit höherer Dichte und besser gegliederten Strukturen und Funktionsmischungen zu einem urba­ neren Stadtleben führen. Da die Grundsätze des durchgrünten Wohnens bei­ behalten wurden, erfolgte eine Ver­­dich­tung in der Höhenentwicklung. Die steigenden Grundstückspreise begünstigten diese Entwicklung. Die bekanntesten Ergebnisse dieses Leitbildes sind die großmaßstäblichen Trabantenstädte wie München-Neuperlach. 7 Johannes Göderitz, Roland Rainer und Hubert Hoffmann, Die gegliederte und aufgelockerte Stadt, Tübingen 1957.

8 Angaben des Statistischen Bundes­ amtes der Schweiz, Stand: 2013.

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Fazit

Insbesondere in Stadtplaner- und Architektenkreisen ist eine positive Gewichtung eines diffus als urban umschriebenen Lebensgefühls in relativ hohen Dichten festzustellen. Geringe Dichten werden hingegen als landschaftszerstörend verurteilt und deren Bewohner als ich­be­zogene «Häuslebauer» ohne Interesse an der Gemeinschaft und kultureller Verantwortung verdammt. Die Untersuchung der neun Dichtekategorien in diesem Buch zeigt jedoch, dass für alle diese Kategorien städtebauliche Lösungen gefunden werden können, die eine funktionierende und lebenswerte Atmosphäre für spezifische Bevölkerungsgruppen erzeugen. Die jeweilige Ausprägung muss aber genau auf die von den Planern anvisierte Bewohnerschaft mit ihren Bedürfnissen und Erwartungen abgestimmt werden. Der öffentliche Raum und seine Nutzung und Belebung durch die Menschen spielt dabei die Schlüsselrolle. Jeder Gesellschaft ihre Dichte!

«Das war gar nicht so einfach, den hier raus an den Stadtrand zu bekommen.» «Ja, aber da wohnt er doch umsonst. Der soll doch froh sei’ !» «Was glauben Sie, wie schwer das ist, einen echten Bohemien aus seiner gewohnten Umgebung herauszuschälen?» Neuperlach ist nicht Schwabing. In diesem Buch wird die Münchner Satellitenstadt 9 unter dem Titel «Stadtwohnungen im Grünen» der Dichtekategorie 3 zugeordnet. Der Münchner Stadtteil Schwabing hingegen, den Frau Kerzl als Vorbild nimmt, wird zu den «Städtischen Blöcken»10 der Dichtekategorie 7 gerechnet. Beide Quartiere haben also ganz unterschiedliche Dichten und spezifische Zielgruppen. Der Bohemien zieht nur gegen mietfreies Wohnen in die Großsiedlung. In Schwabing herrscht bei größerer Dichte eine innerstädtische Atmosphäre mit einem hohen Anteil an Erdgeschossnutzungen und Gastronomie. Das damit einhergehende gemischte Straßenleben ist der Nährboden für das Savoir Vivre des Bohemiens. Der voll­ kommen neu geplante Stadtteil Neuperlach liegt dagegen am Stadtrand. Zwar wurde hier versucht, durch künstlich erzeugte städtische Situationen wie die Platzfläche um das Marx-Zentrum ein urbanes ­Lebensgefühl mit dem Wohnen im Grünen zu vereinen. Doch dieser Städtebau kann offensichtlich weder die Bedürfnisse des Städters, noch die des nach Erholung suchenden Stadtrandbewohners zufrieden­ stellend erfüllen. Deshalb ersehnt Frau Kerzl auch eine soziale Umstrukturierung und Belebung des Quartiers, um eine städtische Atmosphäre zu erzeugen. Doch der von ihr aus seiner angestammten innerstädtischen Umgebung herausgeschälte Bohemien sitzt schließlich verloren vor der Cafeteria am Stadtrand und scheint sich wie sein Vorgänger dem Trinken hinzugeben. Bestimmte Bevölkerungsgruppen bevorzugen bestimmte bauliche und atmosphärische Dichten, an die sie bestimmte Erwartungen knüpfen. Nur wenn diese Erwartungen und Bedürfnisse erfüllt werden, entsteht ein stimmiges Quartier mit einer entspannten Atmosphäre. Es kommt also darauf an, die städtebaulichen Strukturen und ihre spezifischen baulichen Dichten genauestens aus den Bedürfnissen

9 Siehe Perimeter Quiddestraße in München-Neuperlach (Dichtekategorie 3). 10 Schwabings bauliche Dichte entspricht ungefähr dem hier untersuchten Perimeter Pariser Platz (Dichtekategorie 7).

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Dichte und Atmosphäre

der zu erwartenden Zielgruppe heraus zu entwickeln und auf die

Bewohnerschaft und deren soziales Zusammenleben abzustimmen. Die entsprechend angenehme Atmosphäre entsteht aus dem spezifischen Verhältnis zwischen gesellschaftlicher und baulicher Dichte sowie deren städtebaulicher und architektonischer Ausformung. Die 36 Peri­ meter in den neun Dichtekategorien lassen sich daher jeweils bestim­ mten gesellschaftlichen Gruppierungen zuordnen. Im Kapitel «Die Quartiere» werden diese Kategorien in drei unterschiedliche Dichtegruppen gegliedert, deren Titel die jeweilige gesellschaftliche Positionierung und die atmosphärische Ausstrahlung thematisieren. I. Einfamilienhausidyllen Die Dichtekategorien 1 und 2 (mit Dichtefaktoren bis 0,6) wurden unter dem Titel «Einfamilienhausidyllen» zusammengefasst. Die Zielgruppe ist vor allem die Familie mit Kindern. Der Begriff der «Idylle» meint hier den Genuss eines ländlich geprägten und selbstbestimmten Lebens mit Anschluss an die Stadt, aber jenseits der gesellschaftlichen Zwänge des sozial dichten Stadtlebens. Der direkte Kontakt zum privaten Garten steht im Zentrum des Wohnens, weswegen die einzeln stehenden Häuser meist nur ein bis zwei Geschosse aufweisen. Die städtebauliche Struktur ist kleinteilig. Die Atmosphäre wirkt möglichst ruhig, naturnah und ist durch ein fein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zur Nachbarschaft geprägt. Die Sicherheit der Kinder und des Eigentums ist wichtig. Öffentliche Nutzungen sind kaum vorhanden. Kleine Quartiersläden und vereinzelte Restaurants und Biergärten können aber einen wichtigen Beitrag zu einer kommunikativen Atmosphäre leisten, da solche Quartiere ansonsten sehr zu einer Aneinanderreihung isolierter Einzelreviere tendieren. Diese Gebiete durchlaufen meist Generationenzyklen: Zunächst wohnen hier junge Familien mit Kindern, die Straßen und Gärten beleben. Sind die Kinder erwachsen und verlassen das Elternhaus, werden diese Gegenden sehr ruhig, und die Bevölkerung über­altert, bis dann die nächste Generation wieder junges Leben ins Quartier bringt. Nachverdichtungen sind in diesen Dichtekategorien durch höhere Ausnutzung begrenzt möglich, solange der Gartenanteil im Gesamtbild dominierend bleibt. Aufgrund solcher zwischenzeitlichen Bauaktivitäten lassen sich die Generationenzyklen der Siedlungen verkürzen. Zwei unterschiedliche Strategien stehen in den hier untersuchten Perimetern für zwei unterschiedliche Haltungen, die zwar beide ihre Berechtigung haben und erfolgreich spezifische Wohnatmosphären erzeugen können, aber ein unterschiedliches Verhältnis zum Ganzen der Stadt zeigen.

1. Intime Gemeinschaftssiedlungen11 Die erste Strategie setzt auf maximale Intimität und Gemeinschafts­gefühl im Quartier. Perimeter wie das Zürcher Im

Heimgärtli oder die Münchner Reindlstraße12 gehören zu einem Netz äußerst schmaler öffentlicher Straßen, die intim wirken, eine gegenseitige Kontrolle im Quartier ermöglichen und kaum Verkehr führen.13 Die Bewohner kennen sich und tauschen sich über den

11 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Privatstraße in Berlin, ­­ ­­Im Heimgärtli in Zürich, Reindlstraße in München, Pilotengasse in Wien. 12 Straßennamen beziehen sich hier und im Folgenden immer auf den so bezeichneten Perimeter der Untersuchung, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt. 13 Diese Straßen haben typischerweise nur eine Park- und eine Fahrspur. Die Fahrgeschwindigkeit ist auf 10 bis maximal 30 km/h begrenzt.

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München, Reindlstraße; Wien, Prinzgasse München, Waldstraße; Berlin, Privatstraße

Fazit

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Dichte und Atmosphäre

Zürich, Scheuchzerstraße; Berlin, Friedrichstraße Wien, Hasnerstraße; Wien, Schippergasse

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Fazit

Gartenzaun hinweg gerne aus. Die Gärten dominieren den öffen­t­ lichen Straßenraum, der auch als Spielzone für Kinder dienen kann. Private und öffentliche Außenräume können eng verwobene Synergien entwickeln. Werden die Wege zu den Häusern jedoch privatisiert und sind nur noch fußläufig zugänglich wie beispielsweise im Wiener Perimeter Pilotengasse, so kann schnell die Atmosphäre einer nach außen hin abgeschotteten Parallelgesellschaft entstehen, die Gefahr läuft, sich komplett aus der Stadtgemeinschaft auszugrenzen. Außenräumliche Schwerpunkte wie der kleine öffentliche Park im Berliner Perimeter Privatstraße können bei der Strukturierung solcher Gebiete gute Dienste leisten, sind aber durch den engen Fokus auf die privaten Gärten in den kleinräumigen Einfamilienhausgebieten nicht zwingend notwendig.

2. Vernetzte Gartenstädte14 Im Gegensatz dazu versucht die zweite Strategie, die Stille des fami­liären Wohnquartiers möglichst eng mit dem Straßennetz der Stadt zu verknüpfen. Die Straße gewinnt als Aufenthaltsort und Verkehrsader außerhalb des Privaten an Bedeutung, und jedes Haus ist sowohl mit dem Auto als auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichbar. Dieser Parallelführung des Verkehrs wird außer­dem in der Strukturierung der Straßenräume mit Gehwegen, Parkplätzen und Fahrbahnen Rechnung getragen. In Perimetern wie der Drakestraße in Berlin-Lichterfelde erhält die Straße zusätzlich durch Alleen, Grünstreifen, Gehwege und gepflasterte Fahrbahnen eine fein hierarchisierte und betont eigenständige räumliche Aufgabe. Sie hat daher ein größeres gesellschaftliches Gewicht. Tatsächlich hatte der Investor beim Bau des neuen Quartiers, das im Jahr 1860 noch weit vor den Toren der Stadt lag, bereits die Straßen in ihrer ganzen Struktur inklusive der Alleebäume angelegt und ans Straßennetz der Hauptstadt angeschlossen, sodass Bauinteressierte bereits durch Straßenräume gehen konnten, noch bevor das erste Haus stand. Und tatsächlich waren die Grundstücke sehr schnell verkauft und bebaut.

14 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Waldstraße in München, Schippergasse in Wien, Drakestraße in Berlin, Schlösslistraße in Zürich.

Diese hohe Gewichtung des Straßenraums in Kombination mit ein­ zelnen Läden und Gastronomie führt zu einer deutlich städtischeren Atmosphäre im Quartier, obwohl es sich de facto um ein grünes Einfamilienhausgebiet am Stadtrand handelt. Der S-Bahn-Anschluss und die mit ihm verbundene gute Verkehrsanbindung trägt ein Übriges zum städtischen Wohngefühl bei. Vergleicht man dazu einzelne Straßen in den Perimetern Waldstraße in München oder Schippergasse in Wien mit und ohne in diesem Sin­­-ne hierarchisch gestaltete Straßenräume, so wird der atmosphärische Unterschied offensichtlich. Sind die Straßen großzügig als Aufenthaltsräume gestaltet, so sind öffentliche Parkanlagen nicht unbedingt notwendig, können aber auch hier zusätzliche Treffpunkte anbieten und als Orien­ tierungsbereiche dienen, wie etwa bei der Waldstraße in München. Außerdem können spezielle Freiräume wie Fußballplätze oder Gemeinschafts­zentren das gesellschaftliche Miteinander fördern.15 Im Ganzen führt die zweite Strategie atmosphärisch zu eher städtisch geprägten Quartieren, die großflächig angelegt werden können und mehr Kontrolle über die Dosierung von Nähe und Distanz der Bewohner untereinander ermöglichen.

15 In der Wiener Schippergasse fehlen solche gemeinschaftlichen Außen­ räume, was weniger Struktur im Straßenbild und ein anonymere Atmo­ sphäre zur Folge hat.

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Dichte und Atmosphäre

II. Stadtwohnungen im Grünen Die Dichtekategorien 3, 4 und 5 (mit Dichtefaktoren von 0,6 bis 1,5) werden als «Stadtwohnungen im Grünen» betitelt. Diese Dichte­ gruppe ermöglicht bereits eine dichtere Bebauung, bietet aber noch einen so überwiegenden Anteil an Freiflächen, dass dem Grün atmosphärisch der Vorrang gegeben oder zumindest eine Balance zwischen Grünraum und Bebauung gesucht wird. Hier findet der Wechsel vom Einfamilienhaus zur Etagen­ wohnung statt, was auch Konsequenzen für die Bewohnerstruktur hat. Zielgruppen sind jetzt nicht mehr allein Familien mit Kindern, sondern auch Wohngemeinschaften, Paare und Alleinstehende. Dies führt zu einer größeren sozialen Durchmischung hinsichtlich des Alters, der Lebensführung und der Herkunft der Bewohner. Der Bezug zum Grünraum bleibt zwar wichtig, ist aber nicht mehr zwingend jedem Bewohner direkt als privater Bodenanteil zugeordnet. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach öffentlichen Nutzungsangeboten. Die angestrebte Atmosphäre vereint ein städtisches Lebensgefühl mit den Annehmlichkeiten des ruhigen Lebens im Grünen. Diese Dichtegruppe ist vielleicht die aktuell am meisten diskutierte und erstrebte, da sie das Lebensgefühl unserer Zeit am besten widerzuspiegeln vermag. Viele der neuen Wohnquartiere entstehen heute genau unter diesen Prämissen und suchen immer wieder nach neuen Lösungen für diesen Spagat zwischen Stadt und Grün. Deshalb ist dies auch die Dichtegruppe mit den größten Unterschieden in den städtebaulichen Ansätzen und mit den größten strukturellen Unklarheiten. Um den Spagat zwischen städtischem und ländlich geprägtem Wohnen zu bewältigen, experimentierten Stadtplaner bereits in der Vergangenheit mit den unterschiedlichsten Typologien. Von den Gartenstädten an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert über Zeilensiedlungen der Moderne (der 1920er-Jahre und der Nachkriegszeit) und Satellitenstädte der 1970er-Jahre bis hin zu durchgrünten offenen Blockrandstrukturen sind verschiedenste Ansätze vertreten. Gleichzeitig können sie vor allem durch die unklare Zuordnung privater und öffentlicher Außenräume sozial, funktional und atmosphärisch die problematischsten Situationen aufweisen. Auch in dieser Gruppe sind zwei grundsätzlich unterschiedliche städte­bauliche Ansätze zu unterscheiden, die aber beide das gleiche beschriebene Ziel der Stadtwohnung im Grünen verfolgen:

1. Landschaftlich gestaltete Siedlungen Die Mehrheit der untersuchten Quartiere dieser Untergruppe bettet baulich konzentrierte und teils relativ hohe Gebäude in einen landschaftlich gestalteten, halb öffentlichen (de facto privatisierten) Grünraum ein. Aufgrund der unklaren oder fehlenden Zuordnung ­dieses Grünraums zu bestimmten Bewohnern kann diese Konstellation allerdings nur selten die angestrebte Wirkung des befreiten Wohnens in der Landschaft entfalten.16 Mit einem relativ großen Maßstab der Parzellen wie der Gebäude ist häufig eine anonyme Atmosphäre verbunden, die zu sozialen Problemen im Quartier führen kann. Zwei Untergruppen lassen sich hier unterschieden:

a) Einzeln stehende Gebäudezeilen17 Die erste Untergruppe verteilt einzeln stehende Gebäudezeilen mit

16 Um einen funktionierenden halb öffent­ lichen Grünraum zu erhalten, bedarf ­­ es einer entschiedenen Abgrenzung vom öffentlichen Raum, genauester gärtnerischer Planung und intensiver Pflege ­­der Anlagen. Diesen mit Kosten verbundenen Aufwand scheuen jedoch die meisten Eigentümer solcher Siedlungen, wodurch Abstandsgrün ohne Aufenthaltsqualität entsteht. 17 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Altwiesenstraße in Zürich, Goebelstraße in Berlin.

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Fazit

meist nicht mehr als vier Obergeschossen auf einer kaum struktu­ rierten Grünfläche. Für sie ist eine typisierte Bauweise und serielle Produktion charakteristisch, die vor allem in den 1950er-Jahren ­umgesetzt wurde. Ein Prototyp dieser städtebaulichen Ordnung ist das Zürcher Quartier um die Altwiesenstraße. Straßenräume werden hier kaum baulich gefasst, sondern nur als Parkzonen genutzt.

b) Großmaßstäbliche Gebäudekomplexe18 Die zweite Untergruppe setzt zwar ebenfalls auf ein landschaftliches Kontinuum, versucht aber mithilfe von komplexeren Raumgliederungen wie Alleen, Platzräume, kulturelle und kommerzielle Zentren städt­ ische Situationen in einer höheren baulichen Dichte zu inszenieren. Die vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren entstandenen großmaßstäbliche Gebäudekomplexe, die als «Trabanten»- oder «Satellitenstädte» bezeichnet werden, verfehlen mit Großformen und Höhen bis zu 14 Geschossen meist den menschlichen Maßstab und können ebenfalls nicht die Qualitäten städtischen Wohnens im Grünen ausschöpfen wie Gerhard Polts Beispiel des Bohemiens in Neuperlach plastisch vor Augen führt. Der Kontakt zum gemeinschaftlichen Boden geht verloren und der Blick wandert in die Ferne der Landschaft.

2. Offene Blockrandstrukturen19 Die zweite Gruppe der «Stadtwohnungen im Grünen» operiert mit kleinmaßstäblichen Strukturen, die sich an offenen Blockrandstruk­ turen orientieren. Auch diese Perimeter versuchen, Urbanität im ­Grünen zu ermöglichen. Doch sie suchen weniger ein landschaftliches Kontinuum, sondern streben vielmehr nach klaren Hierarchien ­zwischen öffentlichen und privaten Flächen. Quartiere wie das um die Scheuchzerstraße in Zürich setzen auf ein feingliederiges Verhältnis von Mehrfamilienhäusern mit typischerweise nicht mehr als acht Wohn­ einheiten und relativ kleinen privaten Gärten . Das Straßennetz fällt feinmaschiger aus, der öffentliche Straßenraum gewinnt an Bedeutung. Im ähnlich strukturierten Wiener Perimeter Larochegasse kommt sogar noch ein klar definierter Platzraum als Treffpunkt für die Bevölkerung hinzu, der trotz relativ niedriger baulicher Dichte, geringerer Einwohnerzahl und großer Privatgärten gerne intensiv genutzt wird und ein öffentliches Leben im Wohnquartier ermöglicht. Im Perimeter Holbeinstraße in München schließen sich die Einzelhäuser teilweise sogar zu geschlossenen urbanen Blockrändern zusammen. Mit ihren oft üppig bewachsenen Vorgärten bewahren sie aber die Stimmung einer grünen Vorstadt. Öffentliche Angebote wie Schulen und einzelne Läden ergänzen diese städtisch-grüne Atmosphäre in oft unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Die Perimeter dieser Untergruppe gehören zu den beliebtesten Wohnquartieren der jeweiligen Städte. III. Innerstädtische Mischung In den Dichtekategorien 6 bis 9 finden sich in den untersuchten Perimetern fast nur noch geschlossene Bebauungsstrukturen mit eindeutig innerstädtischer Ausstrahlung. Die Traufhöhen liegen um die 20 bis 22 Meter und sind typisch für die zentralen Bereiche mitteleuropäischer Städte. Die Straße wird nun einerseits zum Ne­gativ­ raum der formgebenden Bebauung. Da sie jedoch aufgrund der höheren Bewohnerzahlen auf kleinem Raum komplexere gesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen hat, muss sie andererseits umso detaillierter und kräftiger gestaltet werden.

18 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Quiddestraße in München, Prinzgasse in Wien, Meierwiesenstraße in Zürich, Senftenberger Ring in Berlin.

19 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Larochegasse in Wien, Konrad-Dreher-Straße und Holbeinstraße, beide in München, Ringofenweg in Wien, Scheuchzerstraße in Zürich.

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Dichte und Atmosphäre

Hier mischen sich verschiedenste Bevölkerungsgruppen un­ter­ schied­lichster Herkunft und aller Einkommensgruppen. Familien, Singles und Studenten teilen sich oft dasselbe Viertel. Die Angebote öffentlicher Einrichtungen wie Schulhäuser, Verwaltungsgebäude und Kulturbauten sind zahlreicher und wichtiger als in den Quar­ tieren der zuvor genannten Dichtekategorien. Je näher der jeweilige Peri­me­ter ans Zentrum der Stadt rückt, desto dominanter wirken kommerzielle Nutzungen vom Kleingewerbe und Einzelhandel über Büro- und Geschäftszentren bis hin zu großen Kaufhauskomplexen. Traditionell kommen hier im Außenraum Plätze und Märkte hinzu. Bei allen Ähnlichkeiten lassen sich auch in dieser Dichtegruppe drei grundsätzlich unterschiedliche städtebauliche Muster mit entsprechenden Zielgruppen unterscheiden.

1. Altstädte20

Die erste Untergruppe bilden die über Jahrhunderte historisch ge wachsenen Altstädte, die privilegiert in der Mitte der Städte liegen.

Sie folgen meist städtebaulichen Anlagen aus der Zeit des Mittelalters bis zum Barock zu Beginn der Neuzeit. Da diese Stadtstrukturen und die erhaltenen Gebäude die Hierarchien und Bedürfnisse einer längst vergangenen Gesellschaft widerspiegeln, tendieren sie gegenwärtig zu einer musealen Ausstrahlung und werden nur allzu oft vom Tourismus oder den Bedürfnissen einer kleinen Elite vereinnahmt, die die ursprüngliche Nutzungsstruktur überdecken. Beispielsweise war das Zürcher Niederdorf um den Perimeter Spiegelgasse ursprünglich von Bewohnern aus Handwerk, Kirche und Bürgertum geprägt und bildete innerhalb der damaligen Mauern die eigentliche Stadt mit all ihren gesellschaftlich-hierarchischen Schichtungen und Angeboten wie Märkten, Häfen und Klosterhöfen. Heute besteht seine Nutzungsstruktur jedoch hauptsächlich aus einer Mischung hochpreisiger Wohnungen, kleiner Boutiquen und Läden mit touristischem Angebot, Hotels, Gastronomie und Büros. Der Denkmalschutz verhindert größere Abrisse, sodass die kleinmaßstäbliche Parzellenstruktur erhalten ist. Je nach Lage und einstiger gesellschaftlicher Position schwanken die Höhen der Häuser hier zwischen einem und sechs Stockwerken. Die Gassen verengen beziehungsweise weiten sich stark und sind größtenteils ausschließlich zu Fuß begehbar. Die Atmosphäre schwankt zwischen stiller dörflicher Stimmung und touristischem Lärm. Eine Besonderheit sind die zum Teil erhaltenen privaten Gärten und Dachterrassen, die mitten im Zentrum der Stadt das ruhige Leben einer Einfamilienhausidylle ermöglichen. 2. Gründerzeitquartiere 21 In der zweiten Untergruppe sind die typischen Gründerzeitquartiere des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts versammelt. Sie prägen in weiten Teilen die mitteleuropäischen Innenstadtlagen. Da sie meist auf Basis von Fluchtlinienplänen angelegt wurden, die nur den öffentlichen Straßenraum, die Baulinien und die Höhen der Vorderhäu­ ser festlegten, nicht aber die Bebauung innerhalb der Straßenge­ vierte, sind hier bei ähnlichen Straßenansichten sehr unterschiedliche Dichten vertreten. Die Stärke dieser Bebauungsform liegt in der ­ lexibilität ihrer Struktur. Die Vorderhäuser bilden einen meist großF zügigen Straßenraum mit einheitlicher Traufhöhe, sodass ein homogener Eindruck entsteht, der oft von Baumreihen unterstützt wird und eine ruhige, städtisch-grüne Ausstrahlung verbreitet. Lücken lassen sich zusätzlich für Spielplätze und kleine Parks nutzen. Sowohl anhand der Straßen als auch anhand der Bebauung sind deutlich erkennbare horizontale wie vertikale Hierarchien festzustellen. Die

20 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Im Tal in München, Spiegelgasse in Zürich, Wollzeile in Wien.

21 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Tumblingerstraße in München, Hasnerstraße und Fockygasse, beide in Wien, Raabestraße in Berlin, Pariser Platz in München, Kanzleistraße in Zürich, Christburger Straße und Bonner Straße, beide in Berlin, Hahngasse in Wien.

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Fazit

Straßen haben meist breite Gehwege, Baumreihen trennen sie vom ruhenden wie fahrenden Verkehr. Diese Trennung erhält eine zusätz­ liche Betonung durch verschiedene Bodenbelägen, zum Beispiel Platten, Pflastersteine oder geteerte Oberflächen. Die großzügige Breite der Gehwege ermöglicht eine vielfältige Nutzung für Cafés, Verkaufsstände, als Spielfläche oder auch einfach als Ort für Spaziergänge, Gespräche oder Muße. Die Fassaden der Vorderhäuser sind durch Farben und Bau­ schmuck individualisiert, sodass trotz großer Homogenität der Bebauung leicht identifizierbare Adressen der Einzelhäuser entstehen. In den Vorderhäusern sind große Teile der Erdgeschosse für Einzelhandel und Gastronomie reserviert. Die großzügigen Wohnungen darüber haben meist Balkons zur Straßenseite und spiegeln den Anspruch und das Prestigebedürfnis des ehemaligen Großbürgertums wider. Die Geschosse staffeln sich in ihrer Höhe je nach sozialem Stand ihrer Bewohner von der Belletage im ersten Stock bis hinauf ins etwas niedrigere vierte oder fünfte Obergeschoss, wo einst die einfachsten und günstigsten Wohnungen lagen. Aufgrund ihrer Größe, Raumhöhe und flexiblen Nutzbarkeit sind all diese Gründerzeitwohnungen auch heute noch vorwiegend bei Paaren und Familien beliebt und ebenso als Büros gut nutzbar. Die Hinterhäuser und Hofgebäude dienten einst einer gemischten Nutzung für einfaches Wohnen und handwerkliche Tätigkeiten und fügten sich teils äußerst dicht in die bestehende Bebauung ein. Heute sind sie meist bau­lich ausgelichtet und gelten aufgrund ihrer Situation, vom Lärm der Straße abgeschottet zu sein, innerhalb des schützenden Blockrandes als beliebte grüne Wohnlagen inmitten der Stadt. Die Gründerzeitquartiere zeigen als Reißbrettplanungen auf Basis eines Straßenrasters wohl die am flexibelsten nutzbare städtebauliche Struktur, die sich verändernden Bedürfnissen immer wieder anpasst und abhängig von der jeweiligen Bewohnerschaft völlig unterschiedliche Charaktere annehmen kann. 3. Geschäftszentren22 Die Geschäftszentren bilden die dritte Untergruppe. Sie basieren im Grunde auf den gleichen städtebaulichen Blockrandstrukturen wie die Wohnquartiere der Gründerzeit, nur verschiebt sich hier der Fokus der Nutzungen zu Handel, Gewerbe und Büros. Nun sind nicht mehr nur die Erdgeschosse für geschäftliche Nutzungen re­ serviert, sondern teilweise ganze Häuser oder sogar Gebäudeblocks. In der ge­sam­ten Dichteuntersuchung tritt nur in dieser Untergruppe die Wohnnutzung deutlich in den Hintergrund. Deshalb kommen hier auch die höchsten baulichen Dichten mit Vollüberbauungen kompletter Straßenkarrees vor, die wie an der Berliner Friedrichstraße als große Kaufhauskomplexe genutzt werden. Das Publikum ist auf Konsum konzentriert und kommt aus einem weiten Umkreis der Stadt. Eine Problematik dieser Gebiete besteht in der fehlende Belebung außerhalb der Geschäftszeiten. Obwohl meist ein Wohn­ anteil von mindestens 20 Prozent vorgeschrieben ist, kann sich keine Wohnatmosphäre entfalten. Nach Geschäftsschluss verwaisen diese Quartiere daher oft, da klein­teilige Strukturen fehlen und das hohe Mietenniveau im Zentrum der Stadt Privatwohnungen nur für Wohlhabende ermöglicht und sich mit Gewerbe großen Stils deutlich höhere Einnahmen erzielen lassen.

22 Zu dieser Untergruppe gehören folgende Perimeter: Friedrichstraße in Berlin, Schwanthalerstraße in München, Bahnhofstraße in Zürich.

183

Dichte und Atmosphäre

Die Dichte und ihre städtebaulichen Formen

Dichtekategorien 1, 2 Dichtefaktoren bis 0,6

EinfamilienhausIdyllen

— Intime Gemeinschaftssiedlungen — Vernetzte Gartenstädte

Dichtekategorien 3, 4, 5 Dichtefaktoren 0,6 bis 1,5

Stadtwohnungen im Grünen

— Landschaftlich gestaltete Siedlungen

— Einzelstehende Zeilen — Großmaßstäbliche Siedlung

— Offene Blockrandstrukturen

Dichtekategorien 6, 7, 8, 9 Innerstädtische Mischung Dichtefaktoren über 1,5

— Altstädte — Gründerzeitquartiere — Geschäftszentren

Hierarchien!

«Herr Böhm hat dazu extra Straßencafélizenz beantragt … Da wird dann musiziert ab und an …» «Was, a Musi’ a no’?» 23 In Gerhard Polts Stück «Der Bohemien» träumt die Neuperlacher Wohnungseigentümerin Frau Kerzl von einem kulturellen Straßenleben in der Satellitenstadt. Die Strukturen dafür sind aber nicht ohne Weiteres vorhanden. Eine Straßencafélizenz allein kann noch kein Kulturleben garantieren, erst recht nicht, wenn die Bewohner nicht auf der zugigen Platzfläche verweilen möchten. Es fehlen die außenräumlichen Gliederungen, die eine adäquate Nutzung des Ortes ermöglichen würden. Dies gilt für die Bewegung in Straßenräumen genauso wie für den Aufenthalt auf Plätzen oder in Parks. In allen Dichtekategorien bieten diejenigen Quartiere die angenehmste Atmosphäre, die höchste Lebensqualität und die breiteste Akzeptanz, die mit einer feinen Abstufung der städtebaulichen Strukturen im öffentlichen Raum und im Übergang zum Privaten genau auf die Zusammensetzung der Bewohnerschaft einer gewissen baulichen Dichte eingehen und diese als Gestaltungsgrundlage nutzen. Maß­ geschneiderte Gliederungen zwischen privaten Häusern oder Gärten, Trottoir und Fahrbahn, sowie durch Begrünungen können auf die jeweilige Bevölkerungszusammensetzung eingehen. Gerade in Zeiten, in denen sich der persönliche Bereich der ver­schiedenen Bevölkerungsgruppen immer stärker nivelliert und Innen- und Außenräume stärker voneinander trennbar sind, werden hierarchische Gliederungen des öffentlichen Bereichs als Gesellschafts­ raum wichtig. 24

23 Polt, wie Anm. 1; hochdeutsch: «Was, Musik auch noch?»

24 Beispielsweise werden aufgrund kon­ trollierter Wohnungslüftungen oder Klimaanlagen die Fenster vieler aktueller Neubauten kaum mehr geöffnet oder sind sogar festverglast. Die Erweiterung des öffentlichen Raumes durch die offenen Fenster in die Gebäude hinein und umgekehrt, sowie die damit ver­ bundenen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Straße und Haus gehen zunehmend verloren.

184

Fazit

Der Begriff der «Hierarchie» soll gesellschaftlich hier aber nicht das autoritäre Oben und Unten im Sinne einer Rangordnung beschreiben, sondern vielmehr das geordnete Nebeneinander der unterschied­ lichen Mitglieder einer Gesellschaft im Stadtraum, deren Außenräume je nach baulicher und sozialer Dichte unterschiedlich gewichtet sind. Abgrenzungen zwischen privaten und öffentlichen Bereichen –  die Breite eines Gehwegs, unterschiedliche Bodenbeläge auf dem Gehweg und der Fahrbahn, ein Grünstreifen, Baumreihen, Beleuchtung und vieles mehr – bilden in ihrer Anordnung, Dimensionierung und Qualität das jeweilige gesellschaftliche Gefüge ab und bringen in der Atmosphäre des Außenraums das Lebensgefühl der Bewohner zum Ausdruck. Das den öffentlichen Raum bestimmende Element ist dabei nicht der Platz oder der Park, sondern die Straße.

Privater und öffentlicher Raum25 Die Basis für dieses hierarchische Ordnens bildet die Gestaltung des Verhältnisses zwischen privatem und öffentlichem Außenraum. In der ersten Gruppe (Dichtefaktoren unter 0,6) der Dichtekategorien 1 und 2 dominiert der private Außenraum. Er wird meist durch Zäune, Hecken und Bäume markiert und geschützt. Die Trennung zwischen Garten und Straße ist also in klassischen Einfamilienhausquartieren deutlich ausgebildet. Ausnahmen zeigen Reihenhaussiedlungen wie im Perimeter Reindlstraße in München oder dem Hochsitzweg in Berlin. Hier bilden schmale Vorgärten offene Übergangszonen, die ohne Zäune auskommen und das Straßenbild prägen. Dies ist aber nur möglich, da die eigentlichen Privatgärten hinter den geschlossenen Häuserzeilen geschützt bleiben. Rücken die Zeilen aber zu dicht zusammen und unterscheiden nicht zwischen Garten und Vorgarten wie in der Wiener Pilotengasse, dann wird das Bedürfnis nach Trennung zwischen Weg und Garten und der Gärten untereinander umso stärker. In vielen Fällen krankt die Atmosphäre dieser unteren Dichtegruppe daran, dass der öffentliche Raum zugunsten des privaten Gartens vernachlässigt wird. Dabei zeigen insbesondere Straßen mit einer kräftigen Gliederung, dass der öffentliche Raum so zum Aufenthaltsraum werden kann und die gemeinschaftliche Atmosphäre unterstützt wird. In der Großbauerstraße im Wiener Perimeter Schippergasse verlaufen beispielsweise gepflasterte Gehwege vor den Gartenzäunen, die durch breite Grünstreifen mit Alleebäumen von der geteerten Straße getrennt sind, wodurch auch außerhalb der individuellen Privatgrundstücke ein öffentlicher Aufenthaltsraum für alle entsteht. Die Perimeter der mittleren Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren von 0,6 bis 1,5) zeigen die unklarsten hierarchischen Gliederungen. Ins­besondere in den landschaftlich gestalteten Siedlungen wie den Zeilensiedlungen der 1950er-Jahre oder den großen Gebäude­ komplexen der Satellitenstädte verwischt die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Grund. Oft bleibt unklar, wer diese Grünflächen und Wege betreten und benutzen darf. Eine große Anzahl an Regel- und Verbotsschildern zeugt von der Unklarheit dieser halb öffentlichen Räume. Die Folge ist, dass sich für diese eigentlich als grüne Paradiese für die Anwohner gedachten Flächen weder der Eigentümer und dessen Verwaltung noch die Öffentlichkeit wirklich zuständig fühlt (auch wenn klar die privaten Eigentümer und Ver­­walt­ ungen, die die Schilder aufstellen, verantwortlich für solche Flächen sind und die wahre Unsicherheit eher bei den Bewohnern und Nutzern liegt). Sobald aber klare Grenzen beispielsweise durch Zäune, Hecken, Mauern oder auch nur durch Niveausprünge zwischen

25 Siehe dazu auch im Kapitel «Dichte, Atmo­sphäre und Zahlen» das Unter­ kapitel «Öffentlicher und privater ­Außenraum, Grünraum».

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Dichte und Atmosphäre

öffentlichen und pri­vaten Flächen gesetzt werden, lassen sich selbst solche landschaftlich gestalteten Perimeter mit entsprechendem Aufwand der Eigentümer intensiv pflegen und gut nutzen. Gleichzeitig tendieren sie dann umso mehr zur Bildung von «Gated Communities», die sich als streng geschützte und kontrollierte Privatbereiche aus der Stadtgemeinschaft ausschliessen. Offene Blockrandstrukturen hingegen bilden viel stärker gegliederte Außenräume und weisen jedem Mitglied der Gesellschaft seinen Ort zu, für den er idealerweise dann auch verantwortlich ist. Um diese Zuständigkeit wahrnehmen zu können, sollten die Grundstücksgrößen nicht allzu vielen Parteien zugeordnet sein. Kleinteilige Parzellenstrukturen wie beispielsweise in den Perimetern Larochegasse in Wien oder Scheuchzerstraße in Zürich funktionieren deutlich besser als solche, die auf großen Parzellen eine ähnliche Struktur nur baulich nachzubilden versuchen wie etwa in den Perimetern Konrad-Dreher-Straße in München und Ringofenweg in Wien. Sind die Gärten nämlich einzelnen Häusern zugeordnet und klar vom Straßenraum getrennt, so werden sie entsprechend gepflegt und tragen als Abfolge individuell gestalteter Außenräume zur grünen ruhigen Atmosphäre der öffentlichen Straße bei. Gleichzeitig ist es wichtig, auch den Straßenraum durch Gliederungen zu stärken. Die Trennung von Fahrbahn und Gehweg durch Grünstreifen und Bäume macht die Straße selbst zum öffentlichen Grünraum. Die Bebauung im Perimeter Holbeinstraße in München leitet durch ihre eher geschlossene Bebauung bereits zur dritten Dichtegruppe über. Schmale Vorgärten halten hier die Passanten auf Abstand und können den Erdgeschosswohnungen auch als Terrassen dienen. Hält sich die Gewichtung der privaten und der öffentlichen Außenräume in der mittleren Dichtegruppe noch die Waage, so gewinnt der gut gegliederte Außenraum in der höchsten Dichtegruppe (mit Dichte­ faktoren ab 1,5) an Bedeutung. Die Staffelung klar abgegrenzter Bereiche vom privaten Innenhof, über das Haus und eventuell einen schmalen privaten Vorgarten, hin zum öffentlichen Gehweg, eventuell mit Grünstreifen und Bäumen, zur Park- und zur Fahrspur erleichtert das Zusammenleben in der dichten innerstädtischen Mischung. Je höher die Dichtekategorie wird, umso mehr dringt der öffentliche Raum über Geschäfte, Gastronomie und kulturelle Nutzungen in das Haus und in den Hof ein. Gleichzeitig ragen Elemente wie der Balkon in den Straßenraum hinein. 26 Ein solches Ineinandergreifen und Verzahnen von privatem und öffentlichem Raum wird in dieser Dichtegruppe essentiell, um eine Kommunikation der Bewohner zu ermöglichen. Und umso wichtiger wird es gleichzeitig, die privaten und öffentlichen Bereiche klar voneinander zu separieren.

Grün und Architektur Bis auf gewisse Bereiche in der höchsten Dichtegruppe ist das Grün immer ein wichtiger Bestandteil des Städtebaus der untersuchten ­Perimeter. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Grün sowie dessen Verhältnis zur gebauten Architektur in der je­ weiligen Dichtekategorie übt einen äußerst großen Einfluss auf die Atmosphäre im Quartier aus. In der ersten Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren unter 0,6) überwiegt der private Grünraum und lässt die Architektur der Einzelhäuser in den Hintergrund treten. Umso wichtiger wird die individuelle Gestaltung dieser Gärten. In jüngster Zeit ist jedoch eine Tendenz zu einer pflegeleichten und niedrigen Gartengestaltung zu beobachten,

26 Siehe dazu auch die Unterkapitel «Balkons!» und «Erdgeschosse!» im folgenden Kapitel «Die Stadt als Wohnraum».

186 die kaum den erwünschten Beitrag zum öffentlichen Raum leisten kann. Atmosphärisch gesehen entstehen dadurch Lücken oder sogar Verödungen ganzer Straßenzüge, da die vereinzelt stehenden und individuell gestalteten Einfamilienhäuser durch den fehlenden Beitrag dominanter Gärten weder einen gemeinsamen Straßenraum bilden, noch die Intimbereiche der Nachbarn untereinander schützen können. Als atmosphärisches Ziel dieser Bevölkerungsgruppe kann aber ein ruhiges, ungestörtes Leben im Grünen angenommen werden. Es wird deshalb immer wichtiger, die Straßenzüge bereits in den untersten Dichtekategorien mit öffentlichem Grün zu bestücken. Grünstreifen und Reihen von Alleebäumen können als quasi architektonische ­Elemente eine kräftige Gliederung und eine einheitliche Höhe herstellen, wodurch die heterogene Bebauung wieder in den Hintergrund rückt und der öffentliche Straßenraum das Quartier zu einem Ganzen zusammenbinden kann. Die Perimeter der mittleren Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren von 0,6 bis 1,5) streben nach einer ausgewogenen Balance zwischen Grünraum und Architektur. Die landschaftlich gestalteten Siedlungen versuchen dies mit einer Streuung kompakter Baumassen in das Kontinuum einer grünen Landschaft. Sowohl der Grünraum als auch die Bebauung erhalten daher einen überdurchschnittlich großen Maßstab. Die weiten Aussenflächen sprengen genauso wie die hoch aufgetürmten Häusergebirge das menschliche Maß und erschweren die Aneignung durch die Bewohner. Soziale Kontakte sind auf diese Weise im Außenraum nur schwer zu knüpfen und beschränken sich auf inselhaft gestaltete Spielplätze und ein schmales Netz von Fußwegen. Oft genug findet das gesellschaftliche Leben im Außenraum kaum noch statt, da sich die Bewohner eher in die private Wohnung zurückziehen. Offene Blockrandstrukturen hingegen verknüpfen Grünraum und Architektur zu einem feinmaschigen Netz, das sich sehr gut gliedern lässt. Sie suchen im Gegensatz zu den halb öffentlich genutzten Landschaften der Zeilen- und Großsiedlungen nach einem Gleichgewicht zwischen klar definiertem öffentlichem und privatem Grünraum. Zwar sinkt hier der Anteil an nicht bebauter Fläche um etwa zehn Prozent, aber die Grünräume lassen sich aufgrund der engeren sozialen Beziehungen und kleinere Maßstäbe viel besser nutzen. Aufseiten der Architektur wird der überschaubare private Garten von geräumigen Balkons ergänzt, die eine fein dosierte Abstufung von Intimität im Außenraum ermöglichen. Die Gärten sind zwar klar von der öffentlichen Straße getrennt und den einzelnen Häusern zugeordnet, tragen aber entscheidend zur grünen Straßenatmosphäre bei. Zäune, Hecken oder niedrige Mauern markieren die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Grund, wodurch die Zuständigkeiten definiert sind und ein konfliktarmes Miteinander im Straßenraum stattfinden kann. So werden fruchtbare Synergien zwischen öffentlichem und privatem Raum ermöglicht. Erst in der höchsten Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren ab 1,5) ab Dichtekategorie 6 verschiebt sich der Schwerpunkt im Verhältnis zwischen Grün und Architektur im öffentlichen Außenraum hin zum Gebauten, das nun das Straßenbild eindeutig dominiert. Trotzdem erzeugt auch hier in den meisten Fällen das Grün wichtige Anteile der Atmosphäre in den Quartieren. Besonderes Gewicht fällt den Straßen­bäumen zu, die ein wesentliches gliederndes Element mit ­architektonischen Qualitäten in den öffentlichen Straßenraum einführen. Die Reihung ihrer Stämme bildet quasi Kolonnaden, deren Dach die Baumkronen formen. Quer zur Straße betrachtet, öffnen die im Abstand gesetzten Baumstämme den Blick zwischen der Straße

Fazit

187

Dichte und Atmosphäre

und den Erdgeschossen der Häuser, die in dieser Dichtegruppe oft öffentliche und gewerbliche Nutzungen beinhalten. Darüber wachsen die Baumkronen zu einem dichteren Geflecht zusammen, das die Intimität der privaten Wohnungen schützt. Diese Wohnungen können ihrerseits zum Grün des Straßenraums beitragen. Bepflanzte Balkone ergänzen die Wände des Straßenraums und bilden private vertikale Gärten.

Verkehr und Ruhe

Die Straße ist der öffentliche Ort, an dem die Gesellschaft eines Quartiers und einer Stadt zusammenkommt, sich trifft und sich gemeinsam bewegt. Damit die Straße diese soziale Rolle übernehmen kann, muss sie die gesellschaftliche Mischung eines Quartiers aufnehmen und widerspiegeln können. Daher ist es unerlässlich, in der Straße möglichst viele Verkehrsströme parallel zu führen und möglichst jede Adresse mit einem direkten Zugang zu diesem öffentlichen Verkehrsnetz anzubinden. So kann die Straße im Zusammenspiel mit den angrenzenden Häusern als kraftvolles Bauwerk dem öffentlichen Wohnraum dienen, der Aufenthalt und Kommunikation ermöglicht. Um Konflikte zwischen den Bedürfnissen der verschiedenen Verkehrs­ teilnehmer zu vermeiden, müssen alle Beteiligten klar definierte Bereiche erhalten. In der ersten Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren unter 0,6) finden sich die einzigen Straßenräume ohne Hierarchie im öffentlichen Raum. In intimen Gemeinschaftssiedlungen herrscht wenig Verkehr, und der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Fußgängern und ­fahrendem Verkehr ist so gering, dass eine Trennung kaum notwendig ist.27 Die Straßen zwischen den Gärten sind eher schmal und führen alle Beteiligten auf derselben Fläche. In den vernetzten Gartenstädten gewinnen die Aufgaben der Straße an Komplexität. Sie ist hier immer in Fahrbahn und Gehweg getrennt, da der fahrende Verkehr wichtiger ist, und Fußgänger geschützt werden müssen. 28 Zusätzlich stellt der Straßenraum ein Begegnungsraum dar, wo sich Nachbarn treffen und wo Kinder spielen. Die Trennung erfolgt durch parkende Autos, die problematisch für die Übersichtlichkeit des Verkehrsraums sein können, und durch Grünstreifen, die zusätzliche öffentliche Grünräume anbieten und ­einen freien Blick ermöglichen. Außerdem können Baumreihen zu Gliederung und Schutz beitragen. In der mittleren Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren von 0,6 bis 1,5) herrschen zunächst ähnliche Verkehrsverhältnisse wie in den Gartenstädten. Bei den Gliederungen der Verkehrsströme unterscheiden sich die beiden Untergruppen hier allerdings stark. In den landschaftlich gestalteten Siedlungen verfügen die Fußgänger und der fahrende Verkehr jeweils über ein streng voneinander getrenntes Wegenetz. Diese Separierung entspringt der Idee, dass einerseits der Fußgänger sich sicher und frei in einer grünen und gleichzeitig städtisch ge­ prägten Umgebung bewegen können soll. Und andererseits zielte man gerade in den 1960er- und 1970er-Jahren auf die Gestaltung einer autogerechten Stadt. In der Realität führen die Fußwege zumeist über halb öffentlich genutzte Privatflächen und enden an Parkplätzen. ­­ Die Trennung zwischen auto- und fußgängergerechten Verkehrswegen schafft kaum eine Verknüpfung mit dem Kontinuum des komplexen städtischen Straßennetzes. In den offenen Blockrändern hingegen werden meist alle Verkehrsteilnehmer parallel geführt. Die Straße kann ihre Aufgabe als öffentlicher Gesellschaftsraum hier besser wahrnehmen. Gehwege und Fahrbahnen sind durch Grünstreifen und parkende Autos voneinander

27 In den untersuchten Perimetern herrscht eine Geschwindigkeitsbegrenzung zwischen Schrittgeschwindigkeit und ­­ 30 km/h. 28 In den untersuchten Perimetern dieser Dichtegruppe besteht meist eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h.

188

Fazit

getrennt. Generell gilt auch hier meist eine moderate Geschwindigkeitsbegrenzung. 29 Fußgängern sollte in dieser Dichtegruppe mindestens der gleiche Flächenanteil zur Verfügung stehen wie dem fahrenden Verkehr. In der obersten Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren ab 1,5) verschiebt sich das Verhältnis dann noch stärker zugunsten der Fußgänger. ­­Je mehr Menschen in großer Nähe zusammen wohnen und je geringer der Anteil der nicht bebauten Fläche eines Quartiers wird, desto wichtiger sind die begehbaren öffentlichen Flächen. In den Gründerzeitquartieren spielen Gehwege eine wichtige Rolle. Oft sind sie ­breiter als die Fahrbahn und dienen unterschiedlichen Zwecken. Einer­seits sind sie Fußgängerwege, daneben aber auch Zonen für Gas­tronomie, Begegnungen und Kinderspiele. Diese Qualität wird durch unterschiedliche Oberflächenbeläge von Fahrbahn und Trottoir noch unterstützt. 30 Die breiten Gehwege werden so zu lebendigen Auf­enthaltsräumen. In Altstädten sind die Straßen heute wegen ihrer mangelnden Tauglichkeit als Fahrstraße und als Maßnahme zur Verkehrsberuhigung oft für den Autoverkehr gesperrt. Dies bewirkt ­jedoch, dass die Altstadt als Insel im Stadtgeflecht wahrgenommen wird und eher den Bedürfnissen des Tourismus angepasst ist als ­denen der Stadtbewohner. Allgemein kann man sagen, dass eine feine Hierarchisierung, die den unterschiedlichen Beteiligten ihren Ort im öffentlichen Raum zuweist, die Straße als Gesellschaftsraum ordnet und stärkt. In ­Wohngebieten, die in diesem Buch vornehmlich untersucht werden, ist schon seit einiger Zeit eine stärkere Gewichtung der Fußgänger­be­reiche zu beobachten. Das Auto wird zugunsten der öffentlichen Verkehrsmittel verdrängt, wodurch der Fußgänger an Bedeutung gewinnt. Schon heute werden Wohnstraßen umgebaut und der Flächenanteil ­­an der Straße für Fußgänger vergrößert. Ruhe und Fußläufigkeit sind inzwischen in allen Dichtekategorien sehr erstrebte Qualitäten. Und das Fahrrad als vielleicht flexibelstes Verkehrsmittel für kurze Strecken wird immer beliebter und verlangt nach seinem Raum in der Straße.

29 In den meisten untersuchten Perimetern gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h.

30 Meist sind die Gehwege mit Platten belegt oder mit kleinen Steinen gepflastert, die Radwege farblich hervorgehoben und die Straßen geteert oder grob gepflastert. In den untersuchten Städten erfolgt diese Unterscheidung nur ­in Zürich nicht. Dort sind zumeist alle Flächen geteert.

«Sehen Sie, jetzt radelt er!»

Die Stadt als Wohnraum Wohnen!

«Ja, was soll der nacha macha?» «Wohnen!»

31

Gerhard Polt wählt in seinem Satirestück nicht zufällig den Bohemien als Symbolfigur, um Defizite der seinerzeit neuesten Stadtplanungen aufzudecken, gilt dieser doch als Prototyp des Städters, der von ­­ den öffentlichen Angeboten seiner urbanen Umgebung lebt. Nicht die Wohnung ist sein Lebensmittelpunkt, sondern die Straßen, Plätze ­und Cafés der Stadt. Die Belebung dieses Außenraums ist der Nährboden für seine Existenz. Seine Lebensweise ist nicht vom Rhythmus der Arbeit geprägt, sondern vom Flanieren, Kommunizieren und ­Kontakteknüpfen. Er ist damit der Bewohner des Stadtraums par exellence. Und diese Qualitäten werden in unserer modernen Kommunikationsgesellschaft mit dezentralen Arbeitsweisen und zunehmen­ der Vernetzung immer wichtiger. Der öffentliche Raumkönnte und

31 Polt, wie Anm. 1; hochdeutsch: «Ja, was soll der denn machen?»

189

Dichte und Atmosphäre

kann heute bereits an vielen Stellen als idealer Aufenthaltsraum für die ganze Bandbreite des Lebens von der persönlich gestalteten Freizeit bis hin zur Arbeit am Computer dienen.

«Auf der letzten Eigentümerversammlung, da war’n wir uns einig: Hier muss was passieren! … kulturell und auch atmosphärisch … verstehen Sie … Lebensqualität!» «Aber mir hab’m doch jetzt erst grad die neue chemische Reinigung daher g’kriegt …»32 Fehlen die entsprechenden Angebote wie beispielsweise in der Satellitenstadt Neuperlach, so kann der Bohemien die Stadt nicht mehr ­­ auf seine Weise bewohnen. Zwar bieten hier die einzelnen Wohnungen in den großen Gebäuden allen gewünschten Komfort, doch der ­öffentliche Außenraum kann die urbanen Bedürfnisse nach sozialem Austausch, Zerstreuung und Komfort nicht erfüllen. Und natürlich gilt auch nicht einfach der von Frau Kerzl angestrebte Umkehrschluss, dass die Anwesenheit eines einzelnen Bohemiens die fehlenden Angebote automatisch ergänzt. Im Gegenteil: Sie bringt diesen Mangel umso deutlicher zum Vorschein. Der Philosoph Martin Heidegger stellt in seinem Aufsatz «Bauen, Wohnen, Denken» grundsätzlich fest: «Das Wohnen ist die Weise, wie die Sterblichen auf der Erde sind.»33 Dieses existenzielle Verständnis von Wohnen bedeutet, dass wir die Dinge, die Gebäude und die Räume so bauen müssen, dass sie einen von uns geprägten Ort um uns er­­ schaffen. Löst sich dieses Bauen nun von der Lebensart und den Bedürfnissen der Bewohner, wie das bei Großplanungen leicht passiert, indem beispielsweise profitorientierte Effizienz und Massenproduktion als strukturelle Ziele die eigentlichen funktionalen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Bewohner überdecken, dann klafft ein ontologischer Spalt zwischen dem Gebauten und den Bewohnern. Das Gebaute kann nicht mehr zum gesellschaftlichen Wohnort werden. Dies gilt in besonderem Maß für den öffentlichen Außenraum, da er nicht von einzelnen Personen geprägt und in Besitz genommen werden kann, sondern ein gesellschaftliches Leben für die Mehrheit seiner Bewohner ermöglichen können muss. Mehr als das Gebäudeinnere ist er daher das Spiegelbild unseres Gesellschaftsverständnisses und wird damit zum Wohnzimmer unserer Städte. Wenn Architekten und Stadtplaner heute so vehement für Urbanität als ein städtisches Wohngefühl eintreten, so tun sie das aus der Überzeugung heraus, dass das Städtische die gültige Weise ist, wie wir in Zukunft die Erde bewohnen wollen. Und die Entwicklung der weltweiten Verstädterung scheint dieser Haltung Recht zu geben. 34 Wie diese Urbanität aber genau aussieht, darüber gehen die Mei­nungen auseinander. Wie wollen wir die Erde bewohnen, wenn wir noch nie in einer so dicht besiedelten Welt gelebt haben? Die eigentliche Not des Wohnens besteht darin, dass die Sterblichen das Wesen des Wohnens immer erst wieder suchen, dass sie das Wohnen erst lernen müssen. 35 Die Gesellschaft jeder Generation muss also immer wieder nach der für sie gültigen Wohnform suchen. Diese entsteht immer aus dem richtigen Verhältnis von Baumasse zu freiem Raum36 , wie es bereits die Charta von Athen in den 1930er-Jahren for­mu­liert hat. Bauliche Dichte und Atmosphäre sind insbesondere auf der Basis dieses Wohnens auf das Engste miteinander verbunden. Die spezifische Dichte, in der wir die jeweiligen Teile der Stadt bebauen, bestimmt ­zugleich die Atmosphäre, die wir dort sinnlich erfahren.

32 Ebd.; hochdeutsch: «Aber wir haben doch jetzt erst die neue chemische Reinigung bekommen.»

33 Martin Heidegger, Bauen Wohnen Denken (1951), in: ders., Vorträge und Aufsätze, 8. Auflage, Stuttgart 1997, ­ S. 142.

34 Nachdem 1950 noch ca. 70 Prozent der Weltbevölkerung auf dem Land lebten, wohnt seit 2007 mehr als die Hälfte der Menschheit in städtischen Regionen. Nach Prognosen der UN World Urbanization Prospects von 2007 wird eine Steigerung dieses urban geprägten Anteils auf über 60 Prozent im Jahr 2030 und weiter auf 70 Prozent im Jahr 2050 erwartet. 35 Heidegger, wie Anm. 33, S. 156.

36 Thilo Hilpert (Hg.), Le Corbusiers ­­Charta von Athen. Texte und Dokumente, Kritische Neuausgabe, Bauwelt Fundamente 56, Braunschweig 1984, Punkt 32.

190 Der Bohemien ist die Testfigur für das Funktionieren des Gelernten oder eben für dessen Scheitern, da er absichtslos den urbanen Raum bewohnen will. Als Flaneur ist sein Ziel das städtische Wohnen an sich. Statt selbst Atmosphäre zu verbreiten, ist er der gesellschaftliche Stimmungsmesser für die Atmosphäre eines Quartiers und einer ­ganzen Stadt. Im vorangegangenen Kapitel «Die Stadt als Gesellschaftsraum» wurde deshalb versucht, die Dichtekategorien der Stadt an bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen oder Mischungen und deren spezifische Wohnbedürfnisse zu knüpfen. Denn nur wenn diese den Stadtraum bewohnen können und nutzen wollen, herrscht eine gelassene Atmosphäre, die der jeweiligen Gesellschaft entspricht und urbanes ­Wohnen ermöglicht. Die Bewohnbarkeit des öffentlichen Stadtraums ist also eines der Hauptkriterien für das Funktionieren eines Quartiers. Dies gilt bereits in der untersten Dichtegruppe der Einfamilienhaus­ idyllen. In einem Perimeter wie der Berliner Drakestraße schaffen

einzelne kleine Läden und eine kraftvolle grüne, hierarchisch gegliederte Gestaltung des Straßenraums eine Aufenthaltsqualität außerhalb des eigenen Grundstücks, die ein Gespräch vor dem eigenen Haus und Garten in einer Balance zwischen Nähe und Distanz zulässt. Der ­öffentliche Raum wird daher bewohnbar und strahlt trotz geringer baulicher Dichte und geringer Bauhöhe eine durchaus städtische Atmosphäre aus. Auch die intimen Gemeinschaftssiedlungen wie das Zürcher ­ Im Heimgärtli wirken belebt und bewohnt. Der öffentliche Raum spielt hier aber wegen der großen Nähe der Gärten zur Straße nicht die Hauptrolle. Die Ausstrahlung ist eher vorstädtisch, Passanten ­werden argwöhnisch beäugt. Da in dieser Dichtegruppe der Schwerpunkt ­­­des Wohnens im privaten Bereich liegt, kann sogar ein voll­ ständig privatisierter Perimeter wie die Wiener Pilotengasse durch die Nähe der Gärten zueinander eine wohnliche Atmosphäre für die ­Bewohner ausstrahlen. Der große Unterschied zu den anderen Quartieren ­besteht darin, dass seine Außenräume nur mittelbar mit denen der gesamten Stadt vernetzt sind und kein Bewohnen des ­öffentlichen Stadtraums ermöglichen. In der mittleren Dichtegruppe der Stadtwohnungen im Grünen gewinnt der öffentliche Außenraum durch die höhere bauliche und ­soziale Dichte an Bedeutung. Hier zeigt sich deutlich das Zwitterwesen dieser Gruppe. Der Anspruch auf privaten Grünraum und die gleichzeitige Erwartung urbanen Lebens führen oft zu städtebaulichen Miss­ verständnissen und unbefriedigenden Ergebnissen. An den Begriffen Landschaft und Garten lässt sich das Verhältnis des Außenraums zum Wohnen in dieser Dichtegruppe ­vielleicht am besten beschreiben. Die Außenräume der landschaftlich gestalteten Siedlungen wie der Senftenberger Ring in Berlin oder ­­ die Prinzengasse in Wien kranken bereits daran, dass eine Landschaft kein städtisch gestalteter Grünraum sein kann, sondern, so gut es eben geht, naturähnlich angelegt wurde. Die großen Grünflächen sind weder wirklich öffentlich zugänglich noch rein privates Territorium. Landschaften sind an sich keine von Menschen gebauten Wohnorte, sondern sind durch Möblierungen und Zonierungen nur punktuell ­bewohnbar. Ein Garten hingegen ist ein individuell gestaltetes Stück Erde mit einer klaren privaten Zuordnung zu einer Person, Familie oder

Fazit

191 Gruppe, der ihr per definitionem als Wohnraum im Freien dient. Gärten sind deshalb gut in die Hierarchie aus privaten und öffentlichen ­Räumen einer Stadt integrierbar.37 Folglich sind offene Blockrandstruk­ turen wie in der Scheuchzerstraße in Zürich oder der Larochegasse ­­ in Wien mit ihren abgegrenzten privaten Gärten auch auf der öffentlichen Straße gut bewohnbar. Die Gebäude gewinnen an Dominanz für den Außenraum und formen ihn bereits weit mehr als die Einfamilienhäuser der ersten Dichtegruppe. Mit ihrer moderaten Höhe stellen sie den Bezug aller Geschosswohnungen zum Garten und zur Straße ­ her, die so zu einem Wohnraum für alle wird. Versteht man die Straßen als fließendes Raumkontinuum der Wohnung Stadt, so können kleine Parks und Plätze als öffentliche Pendants zu den Gärten sozusagen die abgeschlossenen Zimmer dieser Wohnung, die Ruhepole im Straßen­netz bilden. Dieses Verständnis von dem öffentlichen Stadtraum als Wohnung kommt in der dritten Dichtegruppe Innerstädtische Mischung am stärksten zum Tragen. Hier erhalten die Straßen-, Platz- und Grün­ räume weitgehend geschlossene Wände. Auf diese Weise tragen sie den Charakter von Innenräumen im Stadtkörper. Das Grün ist zwar nicht mehr so dominant wie in der ersten und der zweiten Dichtegruppe. Trotzdem kann es einen wesentlichen ­Beitrag zum Wohlempfinden in einer städtischen Atmosphäre leisten. In kultivierter Form bilden Baumreihen in den Straßen, begrünte ­Plätze und Parks sozusagen die Zimmerpflanzen und Blumensträuße der Wohnung Innenstadt. Stadtmöbel sorgen dafür, dass diese ­Räume als Aufenthaltsorte für viele unterschiedliche Bevölkerungsgruppen dienen, die sich hier treffen können. Besonders wichtig sind die sozialen Treffpunkte wie kleine Läden, Cafés, Kinos oder Theater. Altstädte und Gründerzeitquartiere bieten durch ihre kleinteilige Mischung hier die wohl wohnlichsten Stadtatmo­­s­phären im öffentlichen Raum. Insbesondere die großzügig angelegten Straßenräume der Gründerzeit lassen sich bis heute vielfältig nutzen. Je nach Bedarf können Cafés oder Anwohner Stühle auf den breiten Gehweg stellen und am Straßenleben teilnehmen, während Eltern ­ mit Kinderwagen sich treffen oder auch ein Eisverkäufer mit seinem Stand Platz findet. Das Trottoir dient als multifunktionale Zone nicht zuletzt den Fußgängern, die sich hier entspannt und geschützt bewegen können. Allein in den Geschäftszentren droht diese Mischung aus dem Gleichgewicht zu geraten. Handel und Dienstleistungen überwiegen so stark, dass der Innen- wie Außenraum oft genug nur noch ein ­Passagenraum und kein Aufenthaltsraum ist. Doch auch in diesem Fall gibt es gestalterische Strategien zur Belebung. Kulturelle Einrichtungen und damit verbundene Platzräume können hier einen wertvollen ­Beitrag zur Benutzbarkeit und zur Aufenthaltsqualität leisten. Der Perimeter Friedrichstraße in Berlin grenzt beispielsweise unmittelbar ­­ an das Schauspielhaus und den Gendarmenmarkt, der als eines der prägnantesten Wohnzimmer Berlins gelten kann und einen öffentlichen Treffpunkt für das Quartier und die ganze Stadt anbietet. Die Bahnhofstraße in Zürich versucht eine Belebung mithilfe von Baumreihen, Grünflächen und Sitzbänken zu erreichen. Um in den geschlossenen Bebauungen dieser Dichtegruppe vor allem in den Wohnquartieren eine Verzahnung zwischen den Wänden d ­ er Häuser und dem öffentlichen Raum herstellen zu können, spielen Balkons eine entscheidende Rolle. Als kleiner privater Außenwohnraum ermöglichen sie es jedem Anwohner, in den Raum der Straße einzutreten, ohne die eigene private Wohnung zu verlassen. So

Dichte und Atmosphäre

37 Weiterführende Details zum Verhältnis zwischen Grünraum und Stadt siehe das Kapitel «Grün!».

192

Fazit

Berlin, Hochsitzweg und Raabestraße München, Waldstraße; Berlin, Goebelstraße

193

Dichte und Atmosphäre

Wien, Fockygasse; Zürich, Altwiesenstraße Zürich, Bahnhofstraße; Wien, Wollzeile

194 kann der Straßenraum über seine ganze Höhe hinweg auch vertikal bewohnt werden. 38

Fazit

38 Weiterführende Details dazu siehe im folgenden Kapitel Balkons!

Balkons!

«Herr Faltermeier, schnell, kommen Sie mal. ­Schauen Sie mal, da isser! Von hier sieht man ihn grade …» «Lassen’s sehng … zoang’s a mol …» 39 «Da! Da unten mit der Plastiktüte!»

39 Polt, wie Anm. 1; hochdeutsch: «Lassen Sie sehen … zeigen Sie mal …»

In Gerhard Polts Stück ruft Frau Kerzl aufgeregt Herrn Faltermeier auf ihren Balkon, weil man von dort aus gerade in diesem Moment den von ihr ins Quartier geholten Bohemien auf dem Platz davor sehen kann. Die beiden treten aus der eng möblierten Wohnung durch die dicken Gardinen nach draußen, und da ihr Balkon im ersten Stock liegt, kann sie gleich eine Nachbarin auf die neue Attraktion aufmerksam machen:

«Tach, Frau Böhlow! Schaun Sie mal!» Das Hinaustreten aus den eigenen vier Wänden hinein in den öffent­ lichen Gesellschaftsraum der Straße ist ein wichtiger kommu­nikativer Akt zwischen Individuum und Gemeinschaft. In diesem Sinne bilden Balkons wichtige Schnittstellen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, zwischen Wohnung und Straße. Seine Ausformung ist eng mit der jeweiligen Gesellschaft und der entsprechenden baulichen Dichte verknüpft. Bereits ab Dichtekategorie 3 herrschen Geschosswohnungen vor, somit wird ab einem Dichtefaktor von 0,6 dieser private Außenwohnraum als Vermittler bedeutend. In der mittleren Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren von 0,6 bis 1,5) ist der Balkon als Fassadenelement omnipräsent. Doch kann er hier längst nicht immer seine Aufgabe als Kommunikationselement erfüllen. Das Grundproblem liegt in einer Änderung der Funktionsanforderungen an den Balkon seit der archi­ te­ktonischen Moderne. Basierte seine Ausrichtung in der tradi­tio­nellen Architektur bis zur Gründerzeit noch auf gesellschaft­lichen Aspekten (also einer Ausrichtung zur Straße oder zum Platz), so reckte er sich nun als Ort der privaten Freizeit der Sonne entgegen. Von den 1920er-Jahren bis heute werden vor allem in dieser mittleren Dichtegruppe die Balkons nach dem Sonnenstand und nicht nach der Straße ausgerichtet. Ein anschauliches Beispiel, welche Veränderung dies für den ­öffentlichen Straßenraum bedeutet, zeigt die Berliner Modernesiedlung Siemensstadt um den Perimeter Goebelstraße. 40 Otto Bartnings lang gestrecktes Gebäude zeigt aufgrund seiner Nordausrichtung ­eine glatt und abweisend wirkende Rückseite entlang der Straße. Nicht zu Unrecht gaben ihm die Berliner sogleich den Namen «Langer Jammer». Die Balkons liegen ausschließlich zum privaten Grünraum hin auf der Südseite. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich bei den senkrecht zur Goebelstraße stehenden Zeilenbauten. Da der Abend als diejenige Tageszeit für Freizeit und Entspannung definiert wurde, sind die Balkons hier alle nach Westen zum Sonnenuntergang aus­ gerichtet. Dies führt zu dem Effekt, dass jeder Balkonseite eine glatte Rückseite des gegenüberliegenden Gebäudes zugeordnet ist. ­ Der Balkon wird so zum weitgehend an Privatinteressen orientierten Außenwohnraum ohne Vermittlungsfunktion.

40 Siehe Dichtekategorie 4.

195

Dichte und Atmosphäre

Noch deutlicher tritt dieses soziale Manko bei den Großsiedlungen der 1970er-Jahre hervor. Die Verdichtung in die Höhe ging bei ihnen mit der Absicht einher, jedem Bewohner einen möglichst guten ­Zugang zum Grünen mit Licht, Luft und Sonne zu ermöglichen. Auch hier liegen die Balkons konsequent auf der Sonnenseite und bieten einen Blick auf die kahle Rückseite der gegenüberliegenden Zeile. Zum Problem des Anblicks abweisender Rückseiten kommt bei ­zunehmender Höhe hier noch der Umstand hinzu, dass spätestens ab dem vierten bis sechsten Obergeschoss der direkte Kontakt zum ­Leben auf der Straße oder im Grünraum nicht mehr möglich ist. Wohnte Frau Kerzl nämlich in dieser Höhe, könnte sie von ihrem Balkon aus Frau Böhlow auf dem Platz vor dem Haus nicht mehr auf den Bohemien aufmerksam machen.

Jüngste Wohnsiedlungen wie etwa die würfelförmigen Gebäude im

Zürcher Perimeter Bändliweg41 wollen möglichst alle drei Sonnenrichtungen, gen Osten, Süden und Westen, für private Balkonräume nutzen. Die Kommunikation zum Straßenraum spielt kaum eine Rolle. Einzig durch die unterschiedliche Ausrichtung der Balkonseiten soll eine Monotonie wie in der Berliner Siemensstadt vermieden werden. Streng genommen handelt es sich hier auch gar nicht um auskragende Balkons, sondern um Loggien . Dieser Unterschied ist bedeutend, denn Loggien bleiben Räume innerhalb des Gebäudevolumens und können in diesem Sinne kein exponiertes Hinaustreten in den öffentlichen Raum ermöglichen und sich mit diesem verzahnen. Dies stärkt die Trennung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit und vernachlässigt soziale wie kommunikative Aspekte.

Dass es auch in der mittleren Dichtegruppe einen eher an gesellschaftlichen Zielen orientierten Umgang mit dem Thema Balkon gibt, zeigen Siedlungen wie die um die Perimeter Larochegasse in Wien, Holbeinstraße in München und Scheuchzerstraße in Zürich. Balkons, und Erker als deren geschlossene Form, gehören hier zum Straßenbild, auf das sie ausgerichtet sind. Sie werden rege genutzt und sind oft bepflanzt, sodass sich der meist kleine Privatgarten auch in der Vertikalen fortsetzen kann. Der geringe Passantenverkehr in diesen Perimetern erlaubt einen relativ hohen Anteil an intimer Privatheit, ­­ der in den Straßenraum getragen wird. So zeugen die Balkons von dem Bezug ihrer jeweiligen Bewohner zum Außenraum und tragen entscheidend zum Charakter der Einzelhäuser bei, die sich im Quartier zu einer Gesellschaft versammeln. Ein Gespräch zwischen Straße und Balkon ist überall möglich und gibt dem Gebiet bei aller Ruhe eine kommunikative, betont wohnliche Atmosphäre. In der höchsten Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren über 1,5) wird der Balkon zur essenziellen Schnittstelle zwischen öffentlichem Raum und privater Wohnung. Die Geschlossenheit des Straßenraums erfordert die Verzahnung mit den Gebäuden, um Kommunikation überhaupt ­­ zu ermöglichen. Nur so wird der städtische Außenraum auch in seiner gesamten Höhe zum Wohnraum. Allerdings kommt es auf die feine Dosierung zwischen Nähe und Distanz an. Die Blockrandbebauun­ gen der Gründerzeit lassen in diesem Punkt eine klare Hierarchie er­ kennen. Zur Straße hin wurden repräsentative Balkons vor geschmückten Fassaden angeordnet, die selten mehr als einen Meter in den Straßenraum hineinragen durften. Diese Tiefe zwingt zum disziplinierten Umgang mit diesem privaten Außenraum, da er nicht genügend Platz bietet, um ihn zu intim einzurichten. Dies bleibt den Wohnräumen ­ im Inneren der Häuser vorbehalten, die sich zwar auch zur Straße hin

41 Siehe Dichtekategorie 6.

196

Fazit

orientieren, deren Intimität aber vor den Blicken der Passan­ten geschützt ist. Zum deutlich schlichter gehaltenen Innenhof innerhalb der Blöcke wurden, wenn überhaupt, meist nur Küchenbalkons für Kräuter in Töpfen, die Deponierung von übelriechendem Abfall oder das Trocknen von Wäsche geplant. Heute versucht man in diesen Gebieten, eine Allianz aus den alten Hierarchien und den neuen Bedürfnissen herzustellen. Die ­­kleinen alten Küchenbalkons werden häufig durch große bis über zwei ­­Meter tiefe Wohnbalkons ersetzt. Diese können nun tatsächlich a­ ls Außenwohnräume dienen und freier benutzt werden, da sie vom Straßenleben geschützt in der Ruhe der Innenhöfe liegen. Über sie kann auch eine nachbarschaftliche Nähe erfolgen. Der kleinere Balkon zur Straße hin bewahrt dagegen Haltung und bleibt Loge im Theater des öffentlichen Straßenlebens.

Generell kann man feststellen: Balkons (oder Erker) als in den öffent­ lichen Raum hineinragender privater Außenwohnraum machen den Straßenraum in seiner vollen Höhe bewohnbar. Fehlen sie (und die entsprechenden Erdgeschossnutzungen42), so zieht der Strom des Lebens an den Häusern vorbei und gleitet an ihnen ab, ohne Schnittstellen zum Andocken finden zu können und Kommunikation zu ­ermöglichen. Der Straßenraum läuft dann Gefahr, zur reinen Verkehrsader degradiert zu werden. Erdgeschosse!

«Wir machen jetzt auch vierteljährlich eine Vernissage … unten in der Cafeteria bei Herrn Böhm.» Frau Kerzl hat in Gerhard Polts Stück bereits zwei Bilder von dem Bohemien gekauft und möchte nun Ausstellungen in der Cafeteria im Erdgeschoss veranstalten. Auch das soll dem Zweck dienen, die Kommunikation in der Großsiedlung zu verbessern und die Lebensqualität im öffentlich genutzten Raum zu steigern. Ob dies funktioniert, ­ ist jedoch immer eine Frage des örtlichen Publikums. ­Insbesondere in solchen Großsiedlungen der 1970er-Jahre, in denen verschiedene Funktionen stark voneinander getrennt sind, kommen nur wenige ­gemischte Passantenströme vor, die öffentliche Veranstaltungen in den Erdgeschossen frequentierten. Nach Jahren der Marginalisierung des Erdgeschosses wird in jüngster Zeit wieder gesteigerter Wert auf dessen Gestaltung ­ und insbesondere auf seine frei zugänglichen Nutzungen gelegt. Doch damit diese ihre belebende Funktion für ein Quartier erfüllen können, bedarf es auch hier einer maßgeschneiderten Anpassung an die ­Bedürfnisse und Möglichkeiten des Zielpublikums in der jeweiligen Dichtekategorie und der entsprechenden Lage. Das Erdgeschoss ist der Ort, an dem der Passant auf Augen­ höhe mit dem Haus in Kontakt treten kann. Noch unmittelbarer als über ­­­die Balkons kann hier also am einfachsten ein Anreiz zum Austausch stattfinden. Dies kann je nach baulicher Dichte und gesellschaftlicher Zusammensetzung Distanz benötigen (beispielsweise durch Zäune und Gärten) oder Nähe bis hin zu einem Verschmelzen von öffentlichem Raum und Haus zulassen (wie zum Beispiel bei öffen­ t­lichen Nutzungen wie Gewerbe und Gastronomie im Erdgeschoss). In der unteren Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren unter 0,6) steht die Distanz im Vordergrund. Eigentlich stellt der Garten das Erdgeschoss

42 Siehe folgendes Kapitel «Erdgeschosse!».

197 dieser Quartiere dar. Zäune, Hecken und Büsche schützen die Privatsphäre der Bewohner. Kommunikation findet über den Zaun oder die Hecke hinweg statt. Trotzdem können hier einzelne kleine Läden und Gastronomiebetriebe gesellschaftliche Treffpunkte bilden, die die soziale Atmosphäre beleben. Eine große Vielfalt unterschiedlicher Angebote im Erdgeschossbereich bietet zum Beispiel der Münchner Perimeter Reindlstraße. 43 ­­ In den schmalen Quartiersstraßen halten kleine und leicht erhöhte Vorgärten die Passanten auf Abstand zu den Wohnräumen in den Erdgeschossen und Hochparterren der immer gleichen Reihenhäuser. Gleichzeitig begrünen sie den Straßenraum, können den einförmigen Fassaden jedoch nur begrenzt ihre kleinbürgerliche Tristesse nehmen. Das Restaurant mit Biergarten funktioniert durch seine Lage ge­ genüber der Kirche und dem Spielplatz im Süden der Siedlung gut als sozialer Treffpunkt und Ruhepol. Wohingegen die eingeschossigen Ladenzeilen auf der nördlichen Seite entlang der Inderstorferstraße kaum Laufkundschaft erreichen können, da sie nicht mit einem Kontinuum weiterer Erdgeschossangebote vernetzt sind und wenig Passan­tenverkehr führen. Entlang der Berliner Drakestraße 44 hingegen gibt es die Verknüpfung einer Reihe von Läden und Lokalen, die immer an den ­aufgeweiteten Straßenkreuzungen angeordnet sind, was eine lockere Kette von öffentlichen Erdgeschossnutzungen ergibt. In den Seitenstraßen dominiert hingegen die intime Wohnatmosphäre der Gärten und die von der Straße zurückversetzten Einzelhäuser. In der mittleren Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren von 0,6 bis 1,5) wird der Kontakt zum öffentlichen Raum zunehmend wichtiger. ­ Hier findet man völlig unterschiedliche Konzepte für die Nutzung der Erdgeschosse. In den Großsiedlungen der 1970er-Jahre wurden die öffentlichen Nutzungen in Einkaufs- und Kulturzentren zusammengefasst. So ­blieben die übrigen Siedlungen trotz relativ hoher Dichte der reinen Wohnnutzung überlassen. Die Erdgeschosse wurden angehoben, ­­ um die Privatsphäre vor dem halb öffentlich genutzten Außenraum zu schützen. Die Haussockel wirken daher eher abweisend. Andere Siedlungen versuchten in kleinerem Maßstab Ladenzeilen in die Bebauung zu integrieren. Wie bereits das Beispiel Reindlstraße ­­in München zeigt, funktionieren diese aber nur, wenn sie mit weiteren öffentlichen Nutzungen vernetzt sind oder zusammen örtliche ­Kleinzentren bilden wie etwa in den Perimetern Konrad-Dreher-Straße in München45 oder Ringofenweg in Wien. 46 Die meisten der Quartiere dieser Dichtegruppe halten aber wie in der Gruppe mit der niedrigsten Dichte mit viel Grün Abstand zum öffent­lichen (Straßen-)Raum. Dabei zeigen nur wenig dichter bebaute Peri­meter wie der an der Tumblingerstraße 47 in München, dass sich ­­­der Vorgartenabstand auch als Multifunktionszone nutzen lässt. In der dortigen Schmellerstraße kann er je nach Bedarf bei einer Liegenschaft als grüner Privatgarten, bei einer anderen als bestuhlter Gast­garten eines Restaurants und wiederum bei einer anderen als Vorplatz vor einem Laden oder Café dienen. Diese unterschiedliche Nutzbarkeit des Bereichs zwischen Haus und Straße spiegelt sehr gut die Bedürf­nisse der Bewohnerschaft der mitt­leren Dichtegruppe wider. Je nach Bedarf kann hier in kleinparzelliger Struktur gezielt auf verschiedenste Wünsche reagiert werden. So kann eine Mischung aus privaten ­und öffentlichen Nutzungen ent­stehen, die eine für diese Stadtwohnungen im Grünen ersehnte Vereinigung aus ruhigem Wohnen mit Garten und städtischem

Dichte und Atmosphäre

43 Siehe Dichtekategorie 2.

44 Siehe Dichtekategorie 2.

45 Siehe Dichtekategorie 4. 46 Siehe Dichtekategorie 5.

47 Mit einem Dichtefaktor von 1,78 gehört der Perimeter Tumblingerstraße in München zwar schon knapp zur obersten Dichtegruppe. Seine lockere Be­ bauungsstruktur und das grüne Straßenbild sind aber durchaus mit Quartieren der mittleren Dichtegruppe vergleichbar.

198 Lebensgefühl herstellen und die Straße zum grünen öffentlichen Wohnraum entwickeln. 48 In der oberen Dichtegruppe (mit Dichtefaktoren ab 1,5) rücken die Häuser mit ihren Erdgeschossen meist als Blockrand ohne Vorzone direkt an den öffentlichen Straßenraum heran. Das hat Vor- und Nach­ teile. Beherbergen sie Wohnungen, so sind diese meist als Hochparterre ausgebildet, um ihre Intimität vor der Nähe der Passanten etwas zu schützen. Trotzdem finden ihre Bewohner morgens so manche Bierdose auf ihrem Fensterbrett. Deshalb sind die Erdgeschosse der Dichtekategorien ab Dichtefaktor 1,5 keine beliebten Wohnlagen, sondern prädestiniert für öffentliche und halb öffentliche Nutzungen wie Läden, Gastronomie, Kindertagesstätten und Ähnliches. Diese profitieren von der unmittelbaren Zugänglichkeit und erweitern den öffentlichen Wohnraum der Straße in die Häuser hinein. So werden die Erdgeschosse in den hohen Dichtekategorien zu einem Teil der Straße.

Fazit

48 Ansätze dieser Mischung durch multifunktionale Vorgartenzonen sind auch bereits in den Perimetern Larochegasse in Wien (Dichtekategorie 3) und Holbeinstraße in München (Dichtekategorie 5) zu erkennen.

Grün!

«Ja, no’ konn’er ja mir a bissl helfa, beim Heckenstutzen oder bei die Bodendecker rasiern.»49 «Herr Faltermeier, der Mann ist Bohemier, der rührt keinen Finger!»

49 Polt, wie Anm. 1; hochdeutsch: «Ja, dann kann er mir ja ein bisschen helfen beim Heckenstutzen oder beim Rasieren der Bodendecker.»

Der Begriff «Bodendecker» ist ein Synonym für den Anspruch und die Unentschiedenheit von Siedlungsanlagen wie der in Neuperlach hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Natur. Eigentlich bezeichnet er immergrüne, niedrige und pflegeleichte Pflanzen, die große Bodenflächen bedecken können und kein Unkraut wachsen lassen. Im Gegensatz beispielsweise zum Rasen können solche Flächen nicht betreten ­ zum Aufenthalt genutzt werden. Sie benötigen, anders als die Wiese, nur ein bis zwei Mal im Jahr einen Schnitt. Der Bohemien hätte aber wohl auch zu diesem minimalen Aufwand keine große Lust. Als innerstädtischer Flaneur ist er es ge­wöhnt, öffentliche Angebote zu nutzen und zu genießen, aber nicht, sich selbst an ihrer Pflege zu beteiligen, zumal auch deswegen nicht, weil sie ­­ihm keinen wirklichen Genuss bereiten. Viele Bodendecker wie etwa die beliebte Zwergmispel sind nämlich in ihrem Einsatz als flächen­deckende Monokultur nicht besonders ansehnlich. Dabei wurden solche landschaftlich gestalteten Siedlungen doch angelegt, um die Freuden des städtischen Wohnens im Grünen zu genießen. Martin Heidegger schreibt hierzu: «Das Bauen als Wohnen entfaltet sich zum Bauen, das pflegt, nämlich das Wachstum, – und zum Bauen, das Bauten errichtet.»50 Bauen heißt ihm zufolge also, die Erde zu bewohnen. Damit meint er: Neben der Errichtung von Bauten gehört grundsätzlich der Anbau von Pflanzen und Früchten zur Ernährung oder einfach für die ästhetische Gestaltung der Umgebung dazu. In diesem Sinne bedeutet Bauen auch das Hegen und Pflegen des Bodens. Gebäude sind also aufs Engste mit dem sie umgebenden Außenraum verbunden. Beide zeugen vom Wohnen des Menschen auf der Erde. Nicht nur, weil sie ihm keinen Genuss bereiten, will sich der Bohemien voraussichtlich nicht an der Pflege von Hecken und Bodendeckern beteiligen, sondern auch, weil er sich schlicht nicht zuständig fühlt. Außenraum bedeutet für ihn Öffentlichkeit, und dafür ist selbstredend

50 Heidegger, wie Anm. 33, S. 142.

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Dichte und Atmosphäre

nicht er, sondern die öffentliche Hand zuständig. Er käme nie auf ­­die Idee, den Rasen in einem innerstädtischen Park zu mähen. Der öffent­ lich erscheinende Außenraum in Neuperlach ist jedoch kein öffentliches Eigentum, sondern privates und wird daher gemeinhin als «halb ­öffentlich» bezeichnet. Missverständnisse sind also vorprogrammiert. Für die Atmosphäre eines städtischen Außenraums ist das Grün in je­dem Fall einer der wichtigsten Faktoren. Und da es sich bei ­städtischem Grün um kultivierte Natur handelt, hängt dessen Wirkung wiederum enorm von der Pflege ab. In fast allen in diesem Buch untersuchten Stadtperimetern spielt der Grünraum eine bedeutende Rolle. Abhängig vom Grad der bau­ lichen Dichte rückt eher das private oder eher das öffentliche Grün in den Vordergrund. Je genauer das Grün aber einzelnen Häusern ­­und Personen einerseits und städtischen Verantwortlichen andererseits zugeordnet ist, umso mehr werden Identifikation und Zuständigkeitsgefühl gestärkt und desto besser Gärten, Bäume, Grünstreifen, ­Platzanlagen und Parks gepflegt. Insbesondere in der Innenstadt spielt das Grün außerdem eine entscheidende Rolle als natürliche Klimaanlage. Wenn sich die Mauern der Häuser im Sommer aufheizen und gerade in den oberen Dichtekategorien die Temperaturen in die Höhe steigen, sorgen ­Bäume für Schatten und Kühle, und ihre Blätter filtern die von Abgasen belastete Luft. Im Winter verlieren Laubbäume ihre Blätter und lassen das Sonnenlicht tief in den Straßenraum vordringen. Auf diese Weise passt sich das Grün dynamisch allen Jahreszeiten an. Gleichzeitig gibt es dem Straßenraum einen natürlichen Maßstab, in den sich der Mensch einordnen und an dem er sich orientieren kann. Die Höhe eines Baums steht beispielsweise in direktem Bezug zur Höhe des Hauses neben ihm und dem Menschen darin. Und er macht den Wandel der Jahreszeiten auch in der Stadt für alle Bewohner sichtbar. Städtische Grünräume stellen so eine direkte Verbindung zur umgebenden Landschaft und zur Natur her. Die Straße ist die Ader, entlang der sich die Natur in kultivierter Form mit der Stadt verklammern kann. Heute ist häufig von «Green Cities» und «Green Buildings» die Rede, die oft nach gänzlich neuen Formen von Architektur und Stadt suchen. 51 Wenn der öffentliche Straßenraum aber grundsätzlich wieder stärker als Ort für die Begrünung der Stadt verstanden und kultiviert wird, so ist dieses Netzwerk der Straßen in all seiner Vielschichtigkeit leistungsfähiger und flexibler als manche technisch optimierte neue Gebäudelösung.

Die Stadt als Lebensraum Individualität und Kontinuität

«Ja, Großstadt hab’n wir hier genug … aber Flair! ­­ Savoir vivre!» «Wen?» Angesichts des Münchner Marx-Zentrums, auf das Gerhard Polts Haus­meister und die Wohnungseigentümerin Frau Kerzl blicken, möchte man nach deren Ausruf fragen: Welche Großstadt? Und ­welches entsprechende Flair (also welche Atmosphäre)? Und welche Art zu leben passt dazu? Herr Faltermeier fragt zu Recht: Wen? ­ Und meint vielleicht: Für wen?

51 In der Architektur werden heute oft Formen gesucht, die das Grün durch grossformatige Terrassierungen, Vorsprünge, Fassadenbegrünungen oder Loggien in private Gebäude integrieren. Auf der städtischen Ebene wird mit neuen Strukturen der Gartenstadtidee experimentiert, die aber die ganze Komplexität eines städtischen Gefüges kaum erfüllen können.

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Fazit

Die Trabantenstadt versucht, durch differenzierte räumliche und architektonische Gliederungen das Abbild einer neuen Stadtidee aus einem Guss zu erzeugen, in dem sich ihre Bewohner jedoch nur schwer wiederfinden können. Eine städtische Atmosphäre als Zusammenspiel aus gesellschaftlicher und ästhetischer Gestimmtheit will sich nicht einstellen, da konkrete Bezüge zwischen Mensch und Ar­chi­­­­tektur fehlen. Kaum einer weiß genau, wie hier gelebt werden soll. Savoir vivre? Wenn sich nun – wie die Untersuchung der 36 Perimeter in diesem Buch gezeigt hat – für alle Dichtekategorien Formen finden lassen, die in sich stimmige Atmosphären erzeugen können, wie kann dann aus allen diesen unterschiedlichen Dichten eine Stadt als Ganzes entstehen? Eine Stadt kann nur dann als solche identifiziert werden, wenn sie ein möglichst starkes Kontinuum ihrer Strukturen herstellt, das ihr einen Zusammenhalt gibt und Identität verleiht. Vorwiegend die Städte Mittel­ europas, um die es hier geht, beklagen heute einen Verlust dieses städtebaulichen Kontinuums. Deshalb versuchen Städteplaner und Architekten in der aktuellen Debatte über das richtige Maß an Dichte mehrheitlich deren Grenzen zu stärken und ihre Strukturen durch Verdichtung einander anzunähern und zu vereinheitlichen. Eine Minder­ heit propagiert das Gegenteil, nämlich die Auflösung des traditionellen Stadtverständnisses zugunsten einer Vorstellung von der Stadt als Region im Sinne einer Zwischenstadt 52 , die versucht, in der Zersiedelung eine Chance für den neuen Städtebau zu sehen. Beide Ansätze kommen aber nicht ohne den Begriff der Stadt als Ort der Gemeinschaf t aus. Als politische Einheit soll sie ein friedliches gesellschaftliches Miteinander ermöglichen und organisieren. In diesem Buch werden verschiedene Dichtegrade unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen und Mischungen zugeordnet und deren Bedürfnisse und Erwartungen an ihre Umgebung als Basis für deren Gestaltung herangezogen. 53 Ein solches Vorgehen kann ins­ besondere bei der Planung neuer Quartiere natürlich nur anhand von Annahmen und Erfahrungswerten arbeiten und steht immer in der Gefahr, Idealisierungen einer typischen Bevölkerungszusammensetzung und deren Ansprüchen zu verfallen. Trotzdem ist es fruchtbar, von dem gesellschaftlichen Miteinander als Planungsgrundlage auszugehen. Denn eine unangenehme spannungsgeladene Atmosphäre entsteht oft vor allem dort, wo eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft. Glückte die atmosphärische Stimmung in den einzelnen hier definierten Dichtegruppen54 und wurde für die verschiedenen Ansprüche jeweils eine passende städtebauliche und architektonische Form gefunden, so stellt sich nunmehr die Frage nach dem Konti­ nuum dieser Einzellösungen, das die jeweiligen Quartiere erst zu einer Stadt zusammenbindet. An diesem Punkt kommt der öffentliche Raum ins Spiel. Nur er kann die verschiedenen öffentlichen und privaten Teile eines Quartiers und einer Stadt einem harmonischen Ganzen zusammenfügen. Er ist der Gesellschaftsraum, der allen zur Verfügung steht und den alle teilen. In dieser Funktion kann er das Kontinuum der Stadt herstellen und darüber hinaus bestimmte Atmosphären in den einzelnen Vierteln wenn nicht garantieren, so doch ermöglichen. So kann ­ der öffentliche Raum die Atmosphäre einer ganzen Stadt bestimmen.

52 Thomas Sieverts, Zwischenstadt – zwischen Ort und Welt, Zeit und Raum, Stadt und Land, Gütersloh und Berlin 1997. Laut Sieverts sind die Bereiche zwischen den traditionellen Städten, ­­die wir heute als Agglomeration oder Urban Sprawl bezeichnen, weder Stadt noch Land, sondern eine neue Kategorie der Besiedlung, die er als Zwischenstadt bezeichnet. 53 Siehe dazu das Kapitel «Die Stadt als Gesellschaftsraum» ab Seite 171.

54 Zu den einzelnen Dichtegruppen ­ siehe das Kapitel «Jeder Gesellschaft ihre Dichte!» ab Seite 174.

201 Die Straße als Aufenthaltsort Wenn heute vom öffentlichen Raum die Rede ist, so spricht man oft über Orte, die dem ruhenden Aufenthalt dienen. Plätzen, Parks, ­­Spielund Sportplätzen wird hohe Aufmerksamkeit geschenkt, und hier erfolgen oft auch besonders von privater Seite gerne prestigeträchtig Investitionen. Die mit Abstand größte Fläche des öffentlichen Raums nehmen die Straßen ein, denen jedoch hauptsächlich eine Rolle als Verkehrsader zugesprochen wird. Wenn sie als Aufenthaltsort dienen sollen, dann werden sie meist beruhigt oder sogar vollständig für den fahren­ den Verkehr gesperrt und/oder privatisiert. Die Straße ist aber der einzige öffentliche Raum, der das Kontinuum der Stadt gewährleisten kann. Als Bewegungsraum ist er ­zugleich der größte Aufenthalts- und Begegnungsraum der Stadt. Die meisten Menschen treffen sich auf der Straße. Nur die Straße kann alle Bürger in ein und demselben Raum zusammenführen. Sowohl Fußgänger als auch Rad- und Autofahrer sowie Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel teilen sich denselben Raum und stellen so die größtmögliche Öffentlichkeit her. Es ist daher wichtig, möglichst viele unter­schiedliche Verkehrsströme in einer gemeinsamen Straße parallel zu führen. Je nach Quartier und Verkehrsfluss können dann unterschiedliche Gruppen von Verkehrsteilnehmern bevorzugt werden. Generell ist derzeitig eine wachsende Gewichtung der Flächen für Fußgänger und Fahrradfahrer zu beobachten. Die wenigsten Perimeter dieser Untersuchung enthalten aber Parks oder Platzflächen. Und die meisten von ihnen dienen vornehmlich Wohnzwecken. Die Straße wird also zum größten und oft einzigen öffentlichen Aufenthaltsort in der Stadt. Die Straße als Atmosphärengenerator Durch ihre Omnipräsenz ist die Straße der Raum, der den Charakter eines Quartiers maßgeblich bestimmt. In Zeiten zunehmender Individualisierung, die auch den einzelnen Gebäuden ästhetisch anzusehen ist, kommt der öffentlichen Straße zudem die Funktion eines Atmosphärengenerators zu. Sie kann sich nicht darauf beschränken, die einzelnen Grundstücke zu erschließen und mit öffentlichen Angeboten zu ergänzen, sondern sie muss ein Gutteil der Stimmung selbst ­er­zeugen, um das atmosphärische Kontinuum einer Stadt zu gewähr­ leis­ten. Sie sollte also nicht nur als ergänzendes Raumangebot verstanden werden, das sich auf die atmosphärische Beteiligung der privaten Häuser und Grünflächen verlässt, sondern aktiv als öffentliche Reprä­sentation und Spiegelung der anliegenden Quartiersform und ­deren Gesellschaft fungieren. Die Straße steht in der Planung immer an erster Stelle. Ihre Gestaltung kann in neu angelegten Quartieren bereits vorwegnehmen, welche Atmosphäre dort herrschen soll, bevor sie von Häusern gesäumt wird. Es ist daher entscheidend, sich in der frühen Phase der Planung ­eine möglichst genaue Vorstellung davon zu machen, welche Stimmung die Bewohner und Passanten später vorfinden sollen. Wichtige Faktoren für die gezielte Erzeugung einer bestimmten Straßenatmosphäre sind:

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Fazit

— ihre Breite im Verhältnis zur Höhe der Bebauung, — eine geschlossene oder eine offene Anordnung der anliegen den Häuser, — der Abstand der Häuser zur Straße, — die Orientierung der Häuser zur Straße hin, — das Verhältnis zwischen privatem und öffentlichem Grünanteil, — die Form der Straßenbegrünung (oder ihr Fehlen), — die Flächenverteilung von Gehweg, Begrünung, parkendem Ver­kehr und Fahrbahn, — die Materialisierung der Oberflächen, — die Form der Straßenmöblierung, — die Geschwindigkeit des fahrenden Verkehrs und deren Begrenzung, — die hierarchische Gliederung der Straße in entsprechende Bereiche für Fußgänger und Verkehr — die hierarchische Abfolge von Straßengestaltungen, Kreuzungen und Plätzen durch die verschiedenen Quartiere der Stadt sowie — die Verbindung der Straße zu den benachbarten Quartieren. Setzt man diese Faktoren in ein bestimmtes Verhältnis zueinander, so lässt sich die Straße bis zu einem gewissen Grad «stimmen», ­ und ihre Wirkung kann sich auf das gesamte Quartier übertragen. Eine Straße in einem Einfamilienhausquartier der ersten Dichtegruppe kann ihre Wirkung also nicht allein auf die atmosphärische Beteiligung der privaten Gärten stützen, sondern sollte selbst ein öffentliches Abbild dieser Gärten formen. 55 So wird einerseits die in solchen ­Gebieten beabsichtigte grüne Atmosphäre sichergestellt, selbst wenn manche Gärten entlang einer Straße nicht in dieser Hinsicht gestaltet sind. Anderseits wird den individuellen Ausformungen des privaten Grüns eine repräsentative Form entgegengestellt, die als öffentlicher Raum mit der gesamten Stadt vernetzt ist. 56 Im gleichen Sinne suchen die Straßen in der mittleren Dichtegruppe eine Form, den Anspruch städtischen Wohnens im Grünen ­­­­­ zu repräsentieren. Diese Gruppe zeichnet sich durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Präsenz der Gebäude und der Grünräume aus. Eine besondere Bedeutung kommt hier dem Verhältnis zwischen Haus und Straße zu. In landschaftlich gestalteten Siedlungen orien­ tieren sich die Gebäude nicht zur Straße, sondern nach den Himmelsrichtungen und dem Grünraum. Daher können sie keine definierten Straßenräume bilden. In Quartieren mit offenen Blockrandstrukturen hingegen bilden die Häuserfronten einen relativ klar definierten Straßenraum. Die Häuser stehen zwar oft einzeln in Gärten, bilden jedoch aufgrund ihres gleichen Abstands zur Straße eine Baulinie hinter den Vorgärten. Letztere tragen ebenfalls zur grünen Stimmung einer Straße bei. Die öffentliche Straße selbst ist klar von den privaten Gärten getrennt, hierarchisch gegliedert und begrünt. In der dritten und obersten Dichtegruppe bilden geschlossene Blockrandbebauungen die Wände eines Straßenraums im architekto­ nischen Sinne. Die Häuser rücken direkt an die Straße und statt eines Vorgartens als Abstands- und Übergangszone dringt nun der öffentlich nutzbare Raum in die Zone ihrer Erdgeschosse ein. Dadurch ver­zahnt sich der Fußgängerbereich der ebenfalls hierarchisch gegliederten Straße mit dem Inneren der Häuser. 57 Nach Möglichkeit sind auch hier die Straßenzüge begrünt. Wo das nicht der Fall ist, müssen die Fassaden die atmosphärische Wirkung erzielen, was entsprechende Vorschriften hinsichtlich ihrer Gestaltung erfordert.

55 Eine Ausnahme bilden die intimen Gemeinschaftssiedlungen, da sie von der Beteiligung aller Bewohner leben. Deshalb kommen in solchen Quartieren relativ schmale gehweglose Straßen vor, die sich als öffentlicher Straßenraum völlig zurücknehmen und auf die Wirkung der grünen Gärten vertrauen. 56 Beispiele für solche Straßengestaltungen finden sich in der Großbauerstraße im Wiener Perimeter Schippergasse mit ihren Bäumen und Grünstreifen oder in den alleenbestandenen Straßenzügen im Perimeter Drakestraße in Berlin.

57 In den Obergeschossen geschieht diese Verzahnung durch die in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Privatbalkone. Siehe dazu das Unterkapitel «Balkons!» im Kapitel «Die Stadt als Wohnraum» ab Seite 194.

203 Adressen Wenn die Straße als verbindendes Kontinuum alle Dichtegrade der ver­schiedenen Quartiere einer Stadt zu einem Ganzen zusammen­ binden soll, dann hat im Idealfall auch jeder ihrer Bewohner auf ­kürzestem Weg einen direkten Anschluss an das Straßennetz . Bereits in den Dichtekategorien der untersten Gruppe funktionieren diejenigen Straßenräume atmosphärisch am besten, wo die Einfami­lien­ häuser in etwa gleichem Abstand relativ nah an der Straße stehen. Hier können die Häuser auf diese Weise eine räumliche Wirkung auf die Straße ausüben. Aufgrund der geringen Größe der einzelnen Parzellen ist der Weg von der Haustür bis zur Straße meist ohnehin relativ kurz. Dieses Verhältnis ändert sich fundamental in den landschaftlich gestalteten Siedlungen der mittleren Dichtekategorie. Hier sind­ ­­­­­die Häuser in große private Grünflächen eingebettet. Der Weg zur Straße führt durch diese halb öffentlich genutzten Privatflächen, die ein ­eigenes Wegenetz etablieren, das meist mehrere Adressen oder große Wohnkomplexe erschließt. Eine einzelne Adresse ist oft von der ­öffentlichen Straße aus nicht zu erkennen. Dies führt zu einer Privatisierung des eigentlichen Zugangs zu den Häusern, wodurch ein Teil des Wegenetzes nicht mehr auf öffentlichem Grund verläuft und so der Kontrolle durch die Stadt entzogen wird. Diese Häuser sind nicht mehr unmittelbar mit dem Netz der Stadt verbunden. Im Gegensatz zu diesen großen Parzellen, die eine inselartige privatisierte Infrastruktur aufbauen, ist in den Quartieren mit offener Blockrandstruktur jedes Haus direkt mit dem öffentlichen Straßenraum und so mit der gesamten Stadt vernetzt. Die Parzellen und die Grünflächen fallen kleiner aus und sind eindeutig privat, die Haus­ adressen beherbergen jeweils eine überschaubare Anzahl von Bewohnern. Jeder ist auf kürzestem Weg an das Kontinuum der Stadt an­ gebunden und kann sich selbst durch den persönlichen Eingang im öffentlichen Raum repräsentiert sehen. In den Blockrändern der Gründerzeitquartiere und der Geschäftszentren der obersten Dichtegruppe stehen die Häuser ohnehin direkt an der Straße, sodass die Zugänge unmittelbar auf öffentlichen ­Boden führen. Umso wichtiger ist der Bereich der Fußgänger in den hierarchisch gegliederten Straßen. Und auch hier ist es von Vorteil, wenn jede Adresse nicht zu viele Parteien erschließt. Einen Sonderfall bieten Häuser mit Geschäften oder Gastronomie, denn in diesen ­Fällen haben die Häuser zwei Adressen, eine für die Bewohner der Häuser in den Obergeschossen und eine für die gewerbliche Nutzung. Der Außenbereich vor den Häusern auf öffentlichem Grund ist ­wichtig, um dort Waren zu verkaufen oder um vor dem Lokal zu sitzen. Die private Adresse dringt in den öffentlichen Raum ein. Wenn jeder Bewohner über einen möglichst unmittelbaren Zugang zum öffentlichen Straßenraum verfügt, kann sich nicht nur ein räum­liches, sondern auch ein gesellschaftliches Kontinuum in einer Stadt bilden, an dem jeder Einzelne teilhat. Ghettobildungen oder «Gated Communities» werden so vermieden, die Straßen der Stadt gehören zum gemeinsamen Lebensraum. Stadt und Landschaft — ein Plädoyer für Vernetzung und weiche Übergänge Das Verhältnis zwischen Bebauung und Naturraum ist seit jeher eines der zentralen Themen des modernen Städtebaus.

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Fazit

Berlin, Raabestraße; Zürich, Kanzleistraße Berlin, Friedrichstraße; München, Im Tal

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Dichte und Atmosphäre

München, Tumblingerstraße; Berlin, Friedrichstraße Berlin, Friedrichstraße; Wien, Wollzeile

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Fazit

Die be­deutendsten städtebaulichen Theorien der vergangenen 150 Jahre setzen sich mit dem Verhältnis zwischen der Stadt zur Landschaft auseinander. Ebenezer Howards Gartenstadtvision von 1898 versuchte angesichts der starken Industrialisierung der Städte und Landschaften sowie des enormen Bevölkerungswachstums ein neues Stadtkonzept zu eta­blieren, das auf Basis konzentrischer kreisför­ miger Schichten Natur, Ackerbau, Industrie und Wohnbauten in einem System miteinander verquicken sollte. Das Zentrum seiner Gartenstadt war nicht eine dicht bebaute Innenstadt, sondern ein öffentlicher Park. In der weiteren Entwicklung versuchte die Charta von Athen durch die Konzentration der Baumassen in Hochbauten die ­Land­­­schaft so frei wie möglich zu halten, um allen Bewohnern ein gesundes Leben im Grünen zu ermöglichen. Dies hätte aber nur funktionieren können, wenn der Boden nicht Einzelnen, sondern der Gemeinschaft gehört hätte, die dann auch für dessen Pflege zu­ständig gewesen wären. In der Ökobewegung seit den späten 1970er-Jahren und in der ge­gen­wärtigen Nachhaltigkeitsdebatte lebt die Sehnsucht nach einer Vereinigung von Architektur und Natur jedoch unvermindert weiter. Eine «Green Architecture» soll energetisch wie atmosphärisch zur Verbesserung unserer Lebensqualität führen. Heute beklagen viele Planer und Stadtbewohner das Ausufern unserer Städte in die Landschaft. Von «Landschaftsfraß» ist die Rede, dem durch Verdichtung entgegengewirkt werden soll. Die sich auflösende Stadt soll wieder eine Form mit klaren Grenzen erhalten. Stadtplaner fordern hohe Dichten, je dichter desto besser. Unter dem Schlagwort «Urbanität durch Dichte» soll dieser städtebaulichen Form ein positives Lebensgefühl eingehaucht werden, das im Gegensatz zur Offenheit der Landschaft steht. Die Analysen in diesem Buch zeigen jedoch, dass gerade die Vielfalt aller hier dargestellten baulichen Dichtekategorien der Pluralität unserer Gesellschaft am besten entspricht. Statt also in Dualitäten wie der «guten Innenstadt» und der «bösen Peripherie» oder der ­«bösen Bebauung» und der «guten Natur» zu denken, sollten wir wieder beginnen, weiche Übergänge zu ermöglichen und zu goutieren. Die Wildtiere übrigens haben diese Trennung schon längst auf­ gegeben und die Stadt für sich als Lebensraum erobert. Allein in Berlin leben derzeit 53 Säugetier- und 180 Vogelarten. 58 Das sind mehr als in den meisten Teilen der die Stadt umgebenden Kulturlandschaft. Geringe und mittlere Bebauungsdichten spielen hier eine wichtige Rolle, da sie eine Vielfalt an Lebensräumen bieten, die ein friedliches Nebeneinander von Mensch und Natur ermöglichen. Begreift man die Stadt als politisches, gesellschaftliches, soziales und wirtschaftliches Ganzes, so kommt dem öffentlichen Raum eine Schlüsselrolle zu. Nur er kann die verschiedenen baulichen Dichten bis hin zur nicht bebauten Landschaft zu einem Kontinuum zusammenbinden und gleichzeitig ein geregeltes Wachstum ermöglichen. Die Straße als größter Teil dieses Raums ist das Mittel, um den atmosphärischen Zusammenhalt zu gewährleisten. Begreift man sie als gestalterisch wichtiges Bauwerk und nicht nur als Negativraum zwischen der Bebauung, so kann sie auf sozialer wie auf perzeptiver Ebene eine atmosphärische Gesamtheit einer Stadt erzeugen und sicherstellen. Außerdem kann sie Stadt mit Landschaft verbinden und vermischen. Straßen können den Blick aus der Stadt in die Landschaft freigeben. Und was noch viel wichtiger ist: Entlang der Straßenzüge

58 Angaben der Senatsverwaltung der Stadt Berlin, Stand: 2014.

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kann die Natur in die Stadt hineinwachsen und umgekehrt. Eine rigide Separierung von konzentrierten Baumassen und freier Natur- und Kulturlandschaft, wie sie in der Gartenstadtutopie oder der Charta von Athen angedacht wurde, erübrigt sich, wenn Straßen, Plätze und Parks ein starkes Kontinuum herstellen. Auf diese Weise kann sich aus Stadt und Landschaft vielleicht so etwas wie eine vielfältig zusammengesetzte Stadtlandschaft oder eine Landschaftsstadt als gemeinsamer Lebensraum entwickeln. Um dies zu erreichen, ist es von größter Bedeutung, dass wichtige Teile der öffentlichen Räume nicht privatisiert werden und so der Kontrolle der Städte entgleiten, wie es vor allem in den seit Jahrzehnten von Investoren, aber auch von Bewohnern favorisierten Quartieren mit mittleren Dichten bis heute geschieht. Halb öffentlich genutzte Privatflächen zerstören das Kontinuum der öffentlichen Außenräume einer Stadt und machen einer unaufhörliche Aneinanderreihung von Privatinteressen Platz, die schon Le Corbusier in seiner Charta beklagte. 59 Letztendlich ist es nämlich das sensibel angepasste Kontinuum des öffentlichen Raums, das bei allen unterschiedlichen Bebauungsdichten und -formen ein gemeinsames Gefühl von Stadt von den Rändern der Stadt bis in ihr Zentrum hinein erzeugen kann und eine zeitgenössische Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen bereithält. Die Städte und Kommunen sind also mehr denn je gefordert, öffentliche Räume von hoher Qualität zu planen, zu bauen und zu

­ flegen. Sie sind das Bindemittel, das unterschiedlichste Dichten p untrennbar zu einem gemeinsamen Stadtgefüge verbinden kann. ­­Und sie sind das Steuerungsmittel, mit dem die Atmosphären in den unterschiedlichen Dichten erzeugt und zu einer Stadtatmosphäre zusammengeführt werden kann. Auf die spezifische Qualität der einzelnen städtebaulichen Dichten im Verhältnis zu einem starken öffentlichen Außenraum kommt es an, um die Stadt als ganzheitlichen Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanze zu etablieren und in allen Bereichen einer Stadt stimmige und dichte Atmosphären zu ermöglichen.

59 Hilpert, wie Anm. 36, Punkt 72.

So vergleichbar viele der untersuchten Quartiere in diesem Buch auch vorkommen, so hat doch jede der vier Städte als Ganzes ihren eigenen Charakter, der das Leben der dort wohnenden Menschen prägt und ihren Gebäuden, Straßen Plätzen, Cafés und Parks eine ­unverwechselbare Atmosphäre verleiht. Vier Schriftsteller spüren in ihren persönlichen Geschichten diesen Eigenarten ihrer jeweiligen Stadt erzählerisch nach. Berlin als größte der Städte in diesem Buch hat aufgrund seiner ganz besonderen Geschichte die Landschaft und die Natur in die weite Fläche seines Stadtgefüges aufgenommen, integriert und mit den Häusern zu einem vielschichtigen und kaum entwirrbaren Ge­flecht verwoben. Bettina Erasmy erzählt von den Brachen und Grün­räumen in dieser Stadt, die oft deren Dichte erst körperlich spürbar machen. Sie erzählt vom Leben der Menschen und Tiere Berlins zwischen höch­ster Verdichtung und flüchtiger Auf­lösung, zwischen großen Träumen und Scherben im Gras. Im viel kleinräumigeren München dagegen sind die beiden getrennten Pole Stadt und Land deutlich spürbar. In Matthias Kiefersauers Geschichte fahren feiernde Mädels aus dem ländlichen Dingolfing mit viel zu langen Limousinen durch die engen Straßen des Zentrums von München. Die übergroßen Dimensionen der Autos verkörpern die idealisierten Erwartungen der «Ländler» an die Versprechungen der Großstadt, die ihrerseits damit überfordert ist. Dichte und Enge liegen hier in den Straßen wie in den Köpfen nah beieinander. Nur der stille Strom der Isar schafft kurzzeitig den entspannenden Raum für die zarte Annäherung von Stadt und Land, von Herz und Verstand, der die Beteiligten aber kaum trauen mögen. Trotz ähnlicher Größe wie München spielen viel selbstbewusstere und zugleich tiefer zweifelnde Momente eine tragende Rolle im Lebens­gefühl Wiens. Franz Schuh spricht von der direkten Verbindung zwischen Körperlichkeit und psychischer Verfassung in dieser Stadt. Und er bezieht diese Begriffe auf die eigene Person wie auf ganz Wien. Größenwahn und Mittelmaß, Effizienz und Leerstellen, Vitalität und Langeweile, Arbeiten und Flanieren formen einen starken Stadtkörper, der Hohlräume hat und manchmal etwas kränkelt. Sie schaffen eine großzügige Stadtpersönlichkeit, die manchmal zur Engstirnigkeit neigt. Zürich ist die mit Abstand kleinste der vier Städte, und doch beschreibt Gerhard Meister in seiner Geschichte eine Dichte an unterschiedlichsten benachbarten Raumcharakteren, wie sie in den anderen Städten kaum möglich wären. Zwar ist ähnlich wie im weitläufigen Berlin die Natur überall so nahe, dass sich die ­Be­wohner wie auch der Protagonist der Zürcher Geschichte mit ihr voll­kommen identifizieren kann. Doch sie ist – jedenfalls nicht physisch – in der Stadt, sondern die Stadt liegt in der Natur, oder was man als solche bezeichnen könnte. Zumindest liegt der Wald nur einen kleinen Spaziergang oder im wörtlichen Sinne einen «Katzensprung» vom Stadtzentrum entfernt.

Dichtegschichten   Berlin,  München,  Wien,  Zürich (S. 210)

(S. 220)

(S. 234)

(S. 228)

Berlin

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Berlin

Am Tag meiner Ankunft herrscht gleißende Morgendämmerung, ein weiterer heißer Sommertag bricht an. Ich bin die Nacht durchgefahren, den Umzugswagen im Rückspiegel. Ich ziehe nach Berlin. Berlin sei eine Traumstadt, sagt ein Freund: immer zu werden und niemals zu sein. Wenn man eine gute starke Dosis aus Paradox und Komplexität brauche, das habe hier seinen Platz. Das Zentrum, irgendwie. Wenigstens zwei davon, eher mehr. Unperfekt, unkontrollierbar, auch das. Eine Metropole, die sich nicht so ohne Weiteres zum Normalfall befördern lässt. Kreativ, überschätzt, vielleicht, unübersichtlich, möglich. Glaube man, das grundlegende Axiom der Stadt Berlin formuliert zu haben und auf den Kern dessen, was ihre Reize ausmacht, verweisen zu können, habe sie sich schon wieder verändert. Eine Stadt wie ein Palimpsest, beschrieben, ausradiert, neu beschrieben. Nachdem ich schon eine Weile in der Stadt lebe, denke ich: ein Bündel von Zuschreibungen, die sich genauso entziehen wie die Stadt selbst. Aber was Berlin auf jeden Fall ist: eine Stadt mit Auflösungstendenzen. Einerseits. Die sich verflüchtigt. In wechselnde Moden. Vorgaben, wechselnde Entwürfe und Vorstellungen über sich selbst. Sich verflüchtigt in Grünflächen, Brachen, unbebauten Raum. Andererseits und gleichzeitig: dichtes urbanes Leben. Dichte in allen Himmelsrichtungen. Vertikal. Subkutan. Dichte durch Nähe von Gegensätzen. Von Mensch und Natur. Dichte von verschlossener und erschlossener Geschichte. Genau das meine er, sagt der Freund. Ich sitze am Fuß der alten alliierten Abhörstation, einer verwaisten Kuppelanlage, die auf einer begrünten Geröllhalde thront: Trümmer zerbombter Berliner Häuser, die nach dem Krieg zweiundzwanzig Jahre lang an dieser Stelle abgeladen und aufgehäuft wurden. Sand und Mutterboden versiegelten die Trümmermassen zu einem Berg, der nun begrünt werden konnte; eine Million gepflanzter Bäume schlossen die Renaturierung ab. Heute ist der Teufelsberg ein unübersehbarer Bestandteil der Landschaft dieser Stadt, wird als unersetzbar empfunden. Wesentlich für das Bild von Berlin. Die höchste menschengemachte Erhebung ist eine Kriegsdeponie, die Verdichtung von Stein und Schutt zu einem riesigen unsichtbaren Grabstein.

Mit Ihnen würd ich gern gehen in der Dämmerung. Ich würd mich hinter einem Grabstein mit Ihnen vor Ihnen verstecken. Thomas Bernhard, Eine Begegnung

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Ein Mountainbiker rastet neben mir. Erzählt von Greifvögeln, die er hier schon gesichtet hat. Und die jetzt die Luftkorridore, die zur Zeit des Kalten Krieges bis weit hinter den Eisernen Vorhang kontrolliert werden konnten, für ihre Rufe nutzen. Er erzählt von den Kindern, die ihre Drachen steigen lassen und durch die durchlöcherte Bespannung der Radarkuppeln schlüpfen, obschon die Gebäude aufgrund ihres schlechten Zustands offiziell abgesperrt sind. Von Liebespaaren, die den Ausblick über ihre Stadt genießen, und manche von ihnen sich hier oben angeblich schon ein Eheversprechen gaben. Eine Art bukolisches Hideaway, denke ich, unter dem die Überreste einer zerstörten Stadt ruhen. Eine Idylle, deren Fundamente wiederum das Material liefern, um die Gebäudereste der Wehrtechnischen Fakultät zu überformen, die den Krieg überstanden haben. (Unweit des Teufelssees sollte hier eine Hochschulstadt entstehen, Teil eines Welthauptstadt-Germania-Wahnsinns im «Tausendjährigen Reich»). Der Himmel ist tief und grau, vom trüben Grau anrollender Schwüle. Ich sitze im luftigen Schatten dieses alten Kolosses aus Kunststoff, Stahl und abblätternder Farbe. Fahre mit der Hand über das niedergedrückte Gras, nicht sehr üppig, aber weich und grün. Ich schürfe, grabe in der dünnen Haut. Der Mountainbiker erzählt, dass er gestern noch mit seinem Fahrrad über die scharfe Kante einer Scherbe gestolpert sei. In der er eine alte Kachel erkannt haben will («So etwas sieht man heute nicht mehr»). Nach einem starken Gewitter ist die Erde oftmals stark ausgewaschen, und dann fördert ein Relikt aus dem Grabungsfeld unter seinen Rädern die Existenz einer anderen Zeit zutage. Es sind die Kontraste, die mich an diesem Ort reizen. Aus hundertzwanzig Metern über normalnull eine beeindruckende Großaufnahme von Berlin vor mir. Eine in die Länge und Breite gezogene Metropole, scheinbar ohne Horizont, die aus der schmerzlichen Erinnerung an die Mauer meint, sich vielleicht stetig ausdehnen zu müssen. Dann sind da die grünen Lungenflügel der Naherholungsgebiete, die das städtische Berlin in Abschnitten flankieren, beatmen, durchbrechen, manchmal so brachial, als wollten sie die Stadt zum Verschwinden bringen. Und wenn ich den Blick davon löse, meine ich eine seltsame physische Aufladung dieses Ortes zu spüren; immerhin lagert unter mir die zerstörte Geometrie von Straßenschluchten, Trümmerund Bauschutt einer untergegangenen Bebauungsgeschichte, die lesbare und luzide Dokumente geworden sind und Stoff für die Archäologen der Zukunft bieten.

Dyrkin und der Telefonist lagen unter einem Schotter­ haufen und wussten nicht, ob ihre Knochen noch heil waren. Betasten konnten sie sich nicht, weil ein

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Stahlträger so tief über ihnen hing, dass sie sich nicht aufrichten konnten. Andererseits hatte ihnen dieser Träger ganz offensichtlich das Leben gerettet. Dyrkin knipste die Taschenlampe an, und der Anblick, der sich ihnen bot, war wahrhaft furchterregend: Über ihren Köpfen im Staub hingen Steinbrocken, verbogene Eisenteile, übereinander geschobene, mit Schmieröl übergossene Betonplatten und zerfetzte Kabel. Beim nächsten Bombeneinschlag würden Eisen und Stein verschmelzen und nicht den kleinsten Spalt mehr übrig lassen, in dem ein Mensch überleben könnte. Wassili Grossman, Leben und Schicksal

Ich denke an ein Spiel, in dem wir uns als Kinder eine Reise ins Innere der Erde vorstellten, einmal quer durch, um dann am anderen Ende, etwa in Neuseeland, wieder aufzutauchen. Heute stelle ich mir eine unbemannte Zeitmaschine vor, die durch die höchste Kuppel der Radarstation einfährt und im Zeitraffer lotrecht durch die lebendig gewordenen Zeitschichten hinabgleitet bis zum Sockel eines Gründerzeithauses. Eine Geschichtspyramide, in der in unheimlicher Dichte die bekannten und unbekannten Namen von Mördern, Opfern, von Machthabern und Mitmachern beherbergt und in den sich unendlich mischenden Sedimenten alle erdenklichen menschlichen Abgründe, Leidenschaften und Sehnsüchte abgelagert sind. Die geografische Lage des Grunewaldsees ist 52° 28‘ 12“ nördlicher Breite und 13° 15‘ 45“ östlicher Länge. Nachts liegt der See still, wie schwarze Folie inmitten eines ehemaligen herrschaftlichen Jagdgebietes. Das Bellen der Hunde, die tagsüber diesen See und den sich anschließenden Grunewald zeitweise massenbesiedeln, ist um diese Uhrzeit nur noch ein ferner Nachhall. Vor zwanzigtausend Jahren gab es hier nichts außer Grundmoränen; Kies, Sand, Schluff und Ton waren vom abschmelzenden Inlandeis zurückgeblieben. Auf den vorwiegend sandigen Böden wuchsen Eichen, Buchen und Birken, später auch zunehmend Kiefern. Zu Beginn der Neuzeit entstand am Grunewaldsee das Jagdschloss «Zum grünen Walde», ein Renaissancebau, in dem Kurfürst Joachim ll. ­Hector sich von seinen Regierungsgeschäften bei der Jagd und in Begleitung seiner Mätresse erholen konnte. Gejagt wurden Hirsche, Rehe, Wildschweine, Auerhahn, Reiher und Fasan, die in einer großflächigen Waldung, durchzogen von Gewässern und Feuchtgebieten, reichlich Lebensraum und Nahrung fanden. Um bequemer an die Stadt Berlin angebunden

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zu sein, ließ der Kurfürst von Brandenburg einen Damm (den späteren Kurfürstendamm) vom Jagdschloss zum Berliner Stadtschloss errichten. Im 21. Jahrhundert ist Berlin wie viele andere Metropolen eine wuchernde, hoch technisierte Schaltzentrale, ein Sammelsurium unterschiedlicher Lebensformen inmitten künstlicher Massive aus Stein, Beton, Glas und Asphalt. Der Grunewald ist neben anderen Naherholungsgebieten Berlins Teil des Stadtbildes geworden, Stadtnatur. Die Jagd zur persönlichen Erbauung ist abgeschafft, sie dient heute ökologischen Gründen, ihr wesentlicher Bestandteil ist die Hege, zum Ziel hat sie den Naturschutz. Wer will, kann allerdings den hochkomplexen «Ameisenkolonien» in der Stadt entfliehen, die auf Mammon, Arbeitsplätze und den richtigen Lifestyle verlagerte Jagd unterbrechen: Pack die Badehose ein, zieh die Lupe aus dem Rucksack, inspiziere die Termitenhügel im Unterholz und fange Schmetterlinge. Ein grünes Bollwerk von sechstausend Hektar Grünflächen, einst von der Stadtmauer ausgegrenzt, schiebt sich nun in und durch die Millionenstadt. Ausgedehnte Mischwälder und Seen liegen heute im Stadtgebiet. Und die Wildtiere zogen mit. Folgten den Menschen bis in die Häusermeere. Sie ernähren sich vom Abfall, leben im Untergrund, rücken uns in Schwärmen und Kolonien auf die Pelle. In der Zwischenzeit sind sie unsere Mitbewohner geworden, unsere geliebten oder geschmähten Untermieter. Mit Argwohn nehmen wir sie als unsere stillen oder nicht ganz so stillen Teilhaber zur Kenntnis. Wenn der Mensch geht, sitzt, läuft, steht, ist gewiss, dass er ganz in der Nähe tierische Nachbarn hat, die graben, wühlen, schnüffeln, jagen. Und umgekehrt. Es ist nicht zu leugnen: Das Tier spiegelt das Tier in uns, und das zoon politikon menschelt am Tier.

Kläglich, schattenhaft und flüchtig nimmt sich der mensch­ liche Intellekt in der Welt aus, nur sein Besitzer nimmt ihn so pathetisch, als ob die Angeln der Welt sich in ihm drehten. Könnten wir uns aber mit der Mücke verständigen, so würden wir vernehmen, dass auch sie mit diesem Pathos durch die Luft schwimmt und sich als fliegendes Zentrum dieser Welt fühlt. Friedrich Nietzsche, Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne

Die ausgeräumte Natur von Monokulturlandschaften im Umland hat bewirkt, dass die Lebenswirklichkeit der dort lebenden Tiere sich verändert, heißt verschlechtert hat. Die Folge ist, dass eine Stadt wie Berlin heute dicht besiedelt ist: Zu dreieinhalb Millionen Menschenein-

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wohnern gesellen sich hundertundachtzig Vogelarten, darunter Eulen, Habichte, Bussarde, Turm- und Wanderfalken; fünfundsiebzig Prozent aller Stechmückenarten Mitteleuropas; dreiundfünfzig Säugetierarten, darunter etliche Großfamilien von Wildschweinen, die extrem anpassungsfähigen Füchse, Marder und Waschbären. (Ganz zu schweigen von unseren Haustieren, den Wanzen, Milben, Käfern, Ratten, Katzen und Hunden, die sich in einigen Fällen gegen unseren Willen mit uns vergesellschaftet haben.) Dreißigtausend Tierarten, allein nur für Berlin. Wir haben uns sorgsam abgeschirmt, urbane Zentren gegründet und wähnen uns unbehelligt und unangreifbar. Das Wilde in der Natur scheint domestiziert, gezähmt, verbannt. Aber wir decken ihm den Tisch, bieten ihm beheizten Unterschlupf, in dem sich wunderbar überwintern lässt. Die selbst geschaffene Umweltverschmutzung in Form von Dreck, Lärm, Abgasen scheint die Tiere (und auch die Pflanzen) nicht abzuhalten. Sie lassen sich anlocken von den Wegwerfprodukten unserer Wohlstandsverwahrlosung. Foodsharing, bitte schön. Plötzlich sehen wir unsere Gärten umgepflügt, erscheinen unverhofft Spielkameraden auf Kinderspielplätzen, werden unsere toxischen Autos stillgelegt. Eine noch nie da gewesene Einwanderungswelle einst menschenscheuer Wildtiere fängt an uns zu verunsichern, Ängste auszulösen. So nah sind sich Mensch und Tier inzwischen gekommen, dass zum Spaß eine Umstellung der Blickrichtung lohnt: Das Tier sieht sich den Menschen an. Und was sieht es da? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Unvermeidbar werden wir uns mit dem Auftreten und den Behausungen der neuen Bewohner neben unseren eigenen, meist gut ausgestatteten Wohnhöhlen und Nistplätzen vertraut machen. Städtische Lebensweise hat immer ein verflochtenes Schicksal, das eine Kreuzung komplexer Vorgänge und Existenzen bedeutet. Der Mensch in der Stadt ist durch sein raumgreifendes Vordringen in die Natur wieder bei seinen evolutionären Vorgängern angekommen. Wenn man so will, kommt etwas zurück, was immer schon zur menschlichen Natur dazugehörte. Wir leben jetzt mit ihnen, Tür an Tür, in einer neuen bereicherten Lebensgemeinschaft. In die Dichte der menschlichen Laute und des urbanen Lärms sickert jetzt der Gesang der Nachtigallen ein, der Ruf der Haubenlerche, das Grunzen der Wildschweine, das Scharren der Waschbären. Und vor den Toren Berlins warten schon die Wölfe mit ihrem Geheul. Als der Freund schellt, erwischt er die Mittagsflaute zwischen dem Hupen, das normalerweise straßauf, straßab den ganzen Tag zu hören ist. Das Geheul der Autos hängt Tag und Nacht in der Luft, Sirenen, Feuerwehrwagen, Busse, Autos im Stau, alles so normal, als wäre es ein archaischer Klang, auf den man existenziell angewiesen ist.

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Der Freund spricht mit mir über die Sprechanlage. — Wie geht’s? Gut geht’s. — Wie sieht’s aus? Ist schon viel los? Warte. Ich renne zum Küchenfenster und spähe über die Spitzen einer Baumreihe hinweg auf das Tempelhofer Rollfeld. Ein paar Kitesurfer, sage ich in die Sprechanlage. — Mehr nicht? Ich weiß nicht. Willst du es dir ansehen? Wir sitzen am Klapptisch am anderen Ende der Wohnung, eine Küche drei mal drei Meter. — Wie geht’s?, fragt der Freund, als hätten wir eben nicht schon miteinander gesprochen, er nimmt den Kaffee, öffnet das Küchenfenster. Pressluftgehämmer. Ich kann trotzdem gut schlafen, sage ich, auch bei geöffnetem Fenster. — Das Beste ist der Ausblick, sagt der Freund. Das Rollfeld ist um diese Uhrzeit, mitten in der Woche, praktisch leer. Ein paar Versprengte, Drachenflieger, Spaziergänger, wiederhole ich. (Seit jeher wurde auf dem Feld marschiert, exerziert, paradiert. Erst die preußische Armee, dann die SS. Und seit jeher wurde Aviatik betrieben. Vom Himmel fielen hier Heißluftballons, Zeppeline, Bomber, Versorgungsflugzeuge während der Berlin-Blockade.) Der Freund bietet mir eine Theorie an. An dieser Stelle sei Berlin eine Bühne, deren Kulissen zum Teil noch in den Seitenbühnen verharrten. Der Bogen des Flughafengebäudes bilde die Brandmauer. Und die Sportler, Flaneure und Schaulustigen auf der Start- und Landebahn hielten als Darsteller die Bühne eifrig in bespielbarem Zustand.

Der Vorhang hob sich zu einem Bühnenbild, dessen hintere Wand vom Zusammenstoß mit einem Helfer noch schwankte, der die Bühne in letzter Minute verlassen hatte, und die ersten paar Dialogzeilen wurden durch ein unbeabsichtigtes Scharren und Krachen hinter den Kulissen beeinträchtigt. Das kleine Durcheinander zeigte die wachsende Hysterie der Darsteller an, doch vor dem Rampenlicht wurde dadurch nur der Eindruck verstärkt, es stehe etwas ganz Besonderes bevor. Richard Yates, Zeiten des Aufruhrs

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Sie treiben einfach nur Sport, genießen die Weite, sage ich nüchtern. Er sehe immer noch die Linienflugzeuge, die von hier aus nach Madrid, Moskau oder London abhoben, die Urlaubsflieger, vollgepackt mit Sonnenanbetern. Manchmal bedaure er die Schließung des Flughafens, es war jedes Mal ein Erlebnis, das Abheben, das Einklappen der Räder, der Fluglärm, der in den Wolken versickerte. Oder wenn die Flieger blinkend aus dem Dunst auftauchten und landeten. Mitten in der Stadt. — Als Kind faszinierten mich die Kondensstreifen, das waren geheime Botschaften, die die Flugzeuge in den Himmel schrieben, die aber nur die Erwachsenen verstanden, sagt der Freund. Siehst du die zwei Skater, die da wie irre über die Startbahn rasen? Dreißig, vielleicht vierzig Stundenkilometer. Ich sehe sie. Die unnachgiebige Betonpiste, scheinbar nur in einer Richtung, unendlich vorwärtsgewandt, die ihnen so vertraut ist, an den kleinen Menschentrauben vorbei, die sie beobachten, ihnen ausweichen. Noch eine Theorie. — Dieses Feld ist eine unbebaute Zelle in der ausdehnenden Wucherung der Stadt. Eine Projektionsfläche, sagt er. Wie das?, frage ich. — Schon sehr bald werden sich alle dort tummeln, die Ein- und Anwohner, die Nerds und Geeks, die Kodderschnauzen, Flaneure und Restträumer, die Digital Natives und Zugewanderten, der Fatzke von nebenan, die Überflieger und Subkulturer, sagt er hastig. (Das klingt jetzt wirklich wie der Kommentar zu einer Massenszene auf einer Bühne. Besser noch: in einem Film. Im Tonfall leicht fieberhaft, im Wackelkamera-Modus gedreht.) Und sie werden das tun, was Menschen gern in ihrer Freizeit tun: spielen, essen, nichts tun, reden, sich bewegen.

Verlieren Sie vor allem nicht die Lust dazu zu gehen. Ich laufe mir jeden Tag das tägliche Wohlbefinden an und entlaufe so jeder Krankheit; ich habe mir meine bes­ ten Gedanken angelaufen, und ich kenne keinen Gedan­ ken, der so schwer wäre, dass man ihn nicht beim Gehen los würde. Søren Kierkegaard, Briefe an Regine Olsen

Die Stadt kommt mir sowieso manchmal vor wie ein mobiler Eventpark, sage ich. Je nach Attraktion und medialer Aufmerksamkeit zieht es die Berliner einmal hierhin, einmal dorthin. Mauerpark, Preußenpark, Görlitzer Park, und so weiter. Dass sie aus den umliegenden Stadtteilen wie Neukölln und Tempelhof hierhin pilgern, klar. Aber

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du glaubst, die Tempelhofer Freiheit wird so eine Art Berliner Central Park werden und Menschen aus Wannsee, Prenzlauer Berg – – Berlin ist wie New York eine Stadt, der ein festes Zentrum fehlt, fährt der Freund fort. Ein dichtes Netz kleinerer urbaner Ballungsräume mit unterschiedlichen Atmosphären. Polyzentrisch. Jedes Jahr ziehen bis zu 140 000 Menschen in die Stadt, und es ist noch nicht ganz klar, ob dadurch der Hunger nach städtischer Ausdehnung eher zunehmen wird oder die Bebauung kompakter wird und die Menschen noch näher zusammenrücken. Da ist dieses Areal doch wie geschaffen, Luft, Licht und Weite in einen Innenraum zu lassen, wo man erst am äußersten Rand des Blickfelds wieder Gebäude sieht. Auf vier Quadratkilometer unbebautem Raum werden Begegnungen zu Kreuzungen, sie bilden Knotenpunkte oder hinterlassen flüchtige Symmetrien auf dem Asphalt. Man läuft aufeinander zu, schwirrt auseinander. Zufällig, oder man hat sich verabredet. Versammlungsorte entstehen. Ruhezonen. Spaziergänger, Sportler, Familien: ein Stop-and-go von Hunderten Bewegungsarten. Eine menschliche Architektur aus Dichte und Transparenz. Jede Bewegung, Klang und Bild. Eine Schwarmintelligenz, aus deren Dynamik immer neue Bilder und Formen entstehen. Le Corbusier selbst beschreibt Architektur als «das weise, korrekte und großartige Spiel der Körper unter dem Sonnenlicht». Wir stehen immer noch im Windzug des offenen Fensters. In der Zwischenzeit hat es zu regnen begonnen. Die Skater verschwimmen zu undeutlichen Silhouetten, dann sind sie ganz verschwunden. Die Bäume scheinen unter der Wucht des Regens in sich zusammenzufallen. Er würde mich gerne ein Mal die Woche besuchen und von hier beobachten, was dort drüben geschehe, sagt der Freund. («Dort drüben». Zwei jener Wörter, die in dieser Stadt ihre Bedeutung immer noch mit großem Unbehagen transportieren.) Dies sei für ihn wie das Wiederfinden eines verloren geglaubten Gefühls von Gemeinschaft. Wie früher, wenn man sich gemeinsam vor dem Fernseher verabredete. Der Wunsch des Freundes klingt so dringlich, als hinge die Zukunft dieser Stadt davon ab. Was natürlich absurd ist. Wir sind noch nicht einmal mittendrin, nur die vagen Beobachter eines Reservates unter einem weiten unverstellten Himmel. Mit unseren Augen Bilddaten sammeln von etwas, das es vielleicht bald so nicht mehr geben wird, sagen wir uns. Aber mehr als diese ungenaue Vermutung uns beunruhigt, gefällt uns die Melancholie, die jetzt jede Woche dabei aufflackern wird.

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Die konnten nicht aus München sein. Christoph hatte da keine Zweifel. Die Westermühlstraße war schon für jeden Kleinwagenbesitzer eine Zumutung: für zwei Fahrtrichtungen freigegeben, aber so eng, dass immer nur ein Auto Platz auf der Fahrbahn hatte. Wer durch die Westermühlstraße fuhr, stand die meiste Zeit in Einfahrten und ließ den Gegenverkehr durch. Christoph nahm selten das Auto. Er war Münchner – und Münchner brauchen ihre Autos nur, wenn sie einen Designerstuhl transportieren oder die Wanderparkplätze in der Jachenau zustellen wollen. Umso mehr fielen Christoph die beiden Stretchlimousinen auf, die sich an einem Samstagabend im Mai durch die Westermühlstraße schoben und vor der Sushi-Bar hielten, in der er mit Laura saß. Die Kreuzung war sofort blockiert. Die Fahrer stiegen aus. Sie trugen Sonnenbrillen. Dabei war es schon seit einer Stunde dunkel. Christoph warf einen Blick auf die Kennzeichen der Autos: Dingolfing. Er fühlte sich bestätigt. Der Fahrer der ersten Limousine öffnete die hintere Tür. Als Christoph den ersten Fahrgast sah, der sich unbeholfen aus dem Wagen schälte, stöhnte er leise: «Nicht schon wieder!» Die Frau war etwa dreißig Jahre alt. Sie hielt einen Blumenstrauß in ihren Händen und trug einen Schleier auf dem Kopf, der gar nicht zu Jeans und Bluse passen wollte. Eine Braut, die ihren Junggesellinnenabschied feiert. Ihre Freundinnen stellten sich zu ihr, alle etwa im gleichen Alter – und sehr aufgekratzt. Die Braut blickte auf das Schild über der Eingangstür und verzog das Gesicht. Die anderen Frauen lachten darüber. Dann bekam sie einen Bauchladen umgehängt. Und eine ihrer Begleiterinnen stellte sich vor sie und begann euphorisch, etwas zu erklären. Die Freundinnen krümmten sich vor Lachen. Christoph war froh, dass er hinter einer dicken Glasscheibe saß und nichts verstand. «Das ist heute die siebte», sagte er, als die Braut und ihre Freundinnen die Sushi-Bar enterten. Er hatte den Tag in der Innenstadt verbracht, auf der Suche nach neuen Laufschuhen. Sechs Mal hatte ihn eine Frau mit Blumen, Bauchladen und Brautschleier angesprochen, mehr noch: Jede von ihnen hatte ihm Sexspielzeug verkaufen wollen, Noppenkondome, Handschellen, in einem Fall sogar einen Vibrator. Jedes Mal hatte Christoph so getan, als würde er die Frau mit dem Schleier nicht hören. Als er Laura davon erzählte, lachte sie auf: «Hast du Angst vor denen?», fragte sie. Christoph schüttelte den Kopf. Angst war der falsche Begriff. Er war nur immer überfordert, wenn er in einen Junggesellinnenabschied geriet. Man wusste als Mann nie, wie man sich verhalten sollte. Laura amüsierte sich: «Die wollen doch nur spielen, Hase.» Laura und Christoph waren seit sechs Jahren ein Paar. Sie merkte schon gar nicht mehr, wenn sie ihn Hase nannte.

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Jetzt also auch noch Sushi. Martina zweifelte langsam daran, dass die Frauen, die sie begleiteten, wirklich ihre Freundinnen waren. Wochenlang war sie von ihnen bekniet worden, einen Junggesellinnenabschied in der Stadt zu feiern. Aber Martina mochte München nicht. Und sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen. Sie hatte sich geweigert. Die Freundinnen hatten nicht lockergelassen, und irgendwann war sie eingeknickt. Jetzt stapfte sie schon seit acht Stunden durch München, mit einem albernen Schleier auf dem Kopf und einem unguten Gefühl im Bauch. Patrizia hatte sich das Programm ausgedacht. Sie kannte Martina gut. Genau genommen hatte sie nichts vergessen, was ihr Martina in den letzten sechzehn Jahren anvertraut hatte. Anders gesagt: Bis jetzt war es für Martina ein Tag voller Peinlichkeiten gewesen. Martina hatte singen müssen – mitten auf der Straße. Dabei hatte sie in der Schule vom Chorleiter immer Süßigkeiten dafür bekommen, dass sie nur stumm die Lippen bewegte. Patrizia aber bestand darauf, dass sich Martina bei ihrem Junggesellinnenabschied als Straßenmusikerin versucht. Und sie gab sich erst zufrieden, als zwanzig Euro in dem Hut zusammengekommen waren, den die Freundinnen jedem Passanten unter die Nase hielten. Danach hatte man mit Segways die Stadt erkundet, wobei Martina, überfordert von der Technik ihres Gefährts, den Kinderanhänger eines jungen Vaters touchierte und so einen recht blutigen Sturz verursachte. Später hatte Patrizia ihr bei einem Trinkspiel den Büstenhalter zerschnitten. Martina reparierte ihn notdürftig mit einer Sicherheitsnadel, hatte aber seitdem ständig Angst, sich zu stechen. Schließlich hatte man eine Art öffentliche Tanzstunde in einem Rundtempel bei der Residenz abgehalten, bei der Martina mit jedem dahergelaufenen Rentner Lambada tanzen musste, natürlich gegen Bezahlung an Patrizia. Ein alter Mann in einem gelben Strickpulli bekam dabei eine Erektion. Die Freundinnen bemerkten das freilich nicht. Aber sie lachten. Und jetzt hatten die Mädels Martina ausgerechnet in eine SushiBar geführt. Noch auf der Straße war ihr von Patrizia ein Auftrag erteilt worden: Mit einem Bauchladen sollte sie von Tisch zu Tisch wandern, Sexspielzeug verkaufen und sich so ihr Abendessen verdienen. Was für ein blödes Spiel! Martina würde sich erst überwinden müssen – und dann übergeben. Denn sie sprach ungern fremde Menschen an. Und sie ekelte sich vor rohem Fisch. Auch das wusste Patrizia. Den ganzen Tag über hatte Martina gehofft, der Junggesellinnenabschied würde wenigstens angenehm ausklingen. Ein Happy End unter Freundinnen. Aber scheinbar wollten Patrizia und die Mädels Martina weiter ärgern. «Ich mache jetzt nicht mehr mit», sagte Martina und setzte sich an den reservierten Tisch. Die Mädels buhten. Das halbe Lokal drehte den Kopf zu ihr. Martina spürte, wie sie errötete. Ein Mann vom

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Nebentisch fragte, was denn los sei mit der Braut. Und Patrizia sagte, lauter als nötig: «Die ist nur verklemmt.» Die Freundinnen lachten. Martina stellte den Bauchladen auf den Tisch und verschränkte die Arme. Im ersten Augenblick hielt es Christoph für einen Deko-Gag. Eine Vase mit langstieligen Rosen stand auf dem Boden der Toilette, direkt neben einem Pissoir. Dann aber entdeckte er den Zettel, der mit einem Stück Klebeband an der Vase befestigt war. «Münchner Männer, aufgepasst! Nehmt euren Mut zusammen und bringt die Braut von ihrem Vorhaben ab!», stand da in einer Frauenhandschrift. Christoph floh vor dem Blumenstrauß, genauso wie er vor den sechs Bräuten in der Innenstadt geflohen war. Aber selbst in den Spiegeln an den Waschbecken entdeckte er das Arrangement. Die Blumen und der Zettel ärgerten ihn. Was wäre denn, wenn man sich auf das Spiel dieser Frauen einließe? Wenn man die Anweisung auf dem Zettel mit aller Leidenschaft befolgte? Wenn man wirklich versuchte, die Braut zu verführen? Er wusch sich die Hände. Es war Samstagabend. Laura hatte sich zu ihrem Nachtdienst verabschiedet. Christoph würde jetzt heimgehen und Musik hören, die Laura nicht gefiel. Das hatte er sich so angewöhnt. Oder sie hatte ihn darum gebeten, er wusste das nicht mehr genau. Je länger er auf die Rosen starrte, desto mehr fühlte er sich herausgefordert, von sieben Bräuten – und, ja, auch von seiner eigenen Freundin, die ihn immer Hase nannte und darüber lachte, wenn er von fremden Frauen erzählte. Er suchte seinen eigenen Blick im Spiegel. Und dann löste er sich ruckartig, nahm den Blumenstrauß und verließ die Toilette. Die Vase nahm er gleich mit. Neben Martina war ein Platz frei. Und vor ihr stand plötzlich ein Mann mit einem Rosenstrauß. Er hatte sogar eine Vase dabei und stellte sie auf den Tisch. Die Mädels verstummten und blickten zu ihm. Der Mann setzte sich, ohne zu fragen. «Und du willst also heiraten?», sagte er. Martina blickte sich um. Ihre Freundinnen beobachteten sie gespannt. Sie kannte diese Blicke: So schauten die Mädels, wenn jemand einen Witz erzählte und sie auf die Pointe warteten. Aber diesmal wollte Martina ihren Freundinnen die Pointe nicht gönnen. Sie war das Opfer gewesen, seit sie am Morgen am Wendehammer in diese blöde Limousine eingestiegen war. Genau genommen hatten ihre Freundinnen schon immer viel über sie gelacht, neunundzwanzig Jahre lang. Der Mann neben Martina wartete auf eine Antwort, die Mädels auch. Martina streckte ihren Rücken durch. Sie fixierte ihn mit ihren braunen Augen und sagte: «Ja, ich will.» Und sie lächelte, zum ersten Mal, seit sie in München angekommen war.

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Eine halbe Stunde später standen Themen im Raum, die sie noch nicht einmal mit ihrem Jürgen angeschnitten hatte. War Martina glücklich mit ihm? Was ist der Unterschied zwischen Liebe und inniger Freundschaft? Wo beginnt Untreue? All das fragte dieser Christoph. Und Martina antwortete. Mit keiner einzigen ihrer Freundinnen hatte sie jemals so offen gesprochen. Sie spürte, dass ihr niemand am Tisch zutraute, sich überhaupt mit solchen Fragen zu beschäftigen. Jürgen war schließlich Martinas erster Freund. Und nächsten Samstag würde sie ihn heiraten. Aus. Die Mädels gaben vor, sich zu unterhalten. Aber manchmal verstummten sie mitten im Satz, nämlich dann, wenn Christoph mit einer neuen Frage noch privater wurde und Martina noch deutlicher eine Seite an sich offenbarte, die alle überraschte. Christoph war charmant dabei, brachte sie zum Lachen und hakte doch nach, wenn sie ihm zunächst nur die halbe Wahrheit verraten wollte. Sie spürte die Unruhe der Mädels. Das reizte sie. Einmal unternahm sie einen Versuch. Sie berührte Christoph scheinbar zufällig am Unterarm. Das Gespräch der anderen verstummte wieder. Und weil sie das Schweigen der Mädels genoss, langte sie gleich noch einmal hin – und ließ die Hand auf Christophs Unterarm liegen. Sie hatte sich auf ein Spiel eingelassen und war für die Begegnung mit einem Fremden eine andere geworden. Keine verklemmte Braut mehr, sondern die Martina, die sie immer gern gewesen wäre, hätte sie sich nur getraut. Sie konnte kaum glauben, wie leicht ihr das fiel. Christoph war etwas außer Übung. Er hatte, seit er mit Laura zusammen war, nicht wissentlich mit anderen Frauen geflirtet. Aus seinem Hinterkopf kramte er ein paar Fragen hervor. Mit denen hatte er sich damals, lange vor Laura, auch dieser Kerstin genähert, dem einzigen One-Night-Stand seines Lebens. Er war überrascht darüber, dass die alten Fragen immer noch wirkten. Dennoch: Etwas störte ihn an der Gesprächssituation mit Martina. Es dauerte, bis er es benennen konnte. «Ich würd gern wissen, wie du aussiehst ohne den Schleier», sagte Christoph. Martina griff an ihren Kopf, tastete nach dem Schleier. Scheinbar hatte sie ihn vergessen. Sie legte ihn neben ihren Bauchladen. Dann schüttelte sie ihre Haare, bis sich ihre Frisur gefunden hatte. Christoph war zufrieden: «Hab ich mir schon gedacht.» Martina verstand nicht: «Was denn?» Christoph lächelte: «Ziemlich hübsch.» Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal so etwas zu Laura gesagt hatte. Hasen machen eben keine Komplimente. Und außerdem waren die Dinge, die er Martina sagte, Komplimente mit einer Hintertür. Er war zu diesem Spiel aufgefordert worden, unten, in der Toilette. Jetzt gab er sich nur Mühe. Und am Ende würde er sa-

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gen, es sei alles gar nicht so gemeint gewesen. Davor aber wollte er wissen, wie weit die Braut mit ihm gehen würde. Christoph hatte eine Idee. Patrizia legte ihre letzte Sushi-Rolle in die Sojasauce zurück. «Das ist nicht dein Ernst», sagte sie. Aber Martina stand bereits. Und Christoph neben ihr. Martina fand es interessant, wie sich Patrizia veränderte, seit Christoph sie angesprochen hatte. Den ganzen Tag über hatte Patrizia Ansagen gemacht, hatte vorgegeben, was Martina machen musste, und sich dabei in eine hysterische Ausgelassenheit hineingesteigert. Dann hatte sich Christoph zu Martina gesetzt – und plötzlich klang Patrizia wie Martinas Mutter. «Wir feiern hier deinen Junggesellinnenabschied», sagte sie vorwurfsvoll. Martina hob die Schultern: «Ich mag kein Sushi. Und da hinten gibt es die beste Currywurst der Stadt.» Und mit einem kurzen Blick zu Christoph schob sie hinterher: «Sagt er.» Christoph nickte. Patrizia schüttelte den Kopf. «Aber nur kurz!», ermahnte sie ihre Freundin. Martina hätte sich gewünscht, irgendwo an Patrizia ein Ironiesignal zu entdecken. Aber in der Stimme und im Blick ihrer Freundin, da war nichts als bitterer Ernst. Martina drehte sich zu Christoph und nickte ihm zu. Sie verließen die Sushi-Bar. Aber Patrizias Verbissenheit nagte an Martina. Als sie auf der Straße standen, bat sie Christoph, kurz zu warten – und ging noch einmal hinein. Der Weg von der Tür zum Tisch fühlte sich anders an. Vorhin, mit Schleier und Bauchladen, hatte Martina die wenigen Meter bis zum Tisch als unerträglich lang empfunden. Da war sie noch die verklemmte Braut gewesen. Jetzt spürte sie zwar auch, dass sie beobachtet wurde. Aber ihr Gang war federnd, und ihr Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie genau wusste, was sie wollte. Patrizia übersah das scheinbar. Sie schrie ihr entgegen: «Ich hab gewusst, du machst nur einen Spaß.» Jetzt strahlte sie wieder. Doch Martina blieb ernst hinter ihrem Stuhl stehen und fragte: «Wieso Spaß?» Und während sie das sagte, griff sie mit größter Beiläufigkeit nach ihrem Bauchladen und nahm sich drei Kondome. Dann hielt sie kurz inne – und griff nach einem vierten. «Man weiß ja nie», sagte sie grinsend und drehte sich. Diesmal lachten die Mädels nicht. Und erst nach ein paar Metern schrie ihr Patrizia hinterher: «Jetzt ist’s aber gut, Martina! Komm zurück!» Martina drehte sich nicht einmal um, sie hob nur kurz die Hand zum Abschied. Keine der Freundinnen konnte ihre Augen sehen. Die verklemmte Braut strahlte – und zugleich fragte sie sich, ob sie diesen Abend noch einmal bereuen würde. Sie ging tatsächlich mit, verließ ihre eigene Feier wegen ihm. Oder wegen der Currywurst, die er ihr versprochen hatte. Bei einem echten

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Flirt, dachte Christoph, würde er sie jetzt ohne Umweg an die Isar lotsen. Aber wie echt war der Flirt mit Martina eigentlich? Anfangs war Christoph nur neugierig gewesen. Aber jetzt, als sie sich bei ihm einhakte und ihn zu sich zog, und als ihn ihre Haare für einen kurzen Augenblick am Hals kitzelten, da erregte ihn das. «Und wohin gehen wir jetzt?», fragte sie leise kichernd. Christoph drehte sich zu ihr: Martina wollte gar keine Currywurst, das begriff er jetzt. «An die Isar», sagte er. Natürlich wollte sie nicht mit Christoph schlafen. Sie hatte die Kondome nur genommen, um ihre Freundinnen zu schockieren. Und sie war stolz darauf, dass ihr das gelungen war. Dennoch wusste sie: Irgendwann würde ihr Spiel ein Ende finden und sie sich zurückverwandeln müssen in die Martina, die mit Jürgen und seinen Eltern ein Reihenhaus am Wendehammer bewohnte. Aber musste das jetzt schon sein? Sie waren schnell an der Isar. Christoph führte sie über eine Brücke. Dann stiegen sie eine Treppe hinunter und gingen ein paar Meter zurück Richtung Innenstadt. Am Ufer der Isar gab es riesige Stufen aus Stein. Es sah aus wie eine Tribüne. Nur die Bühne dazu fehlte. Man blickte auf den Fluss und die Stadt. Typisch München, dachte Martina, die ganze Stadt eine Bühne! Jeder spielt eine Rolle. Jeder verstellt sich. Sie drehte sich zu Christoph. Der hatte sich zurückgelehnt und genoss den Ausblick. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich im verhassten München so wohlgefühlt wie in den Stunden mit Christoph. Als sie eine andere war. Als auch sie sich verstellte. Christoph erzählte ihr von einer Band namens Endkrass. Die wollte nur ein einziges Konzert geben und sich danach auflösen. Er hatte dieses Konzert eher zufällig erlebt. Wenig später seien daraus die Sportfreunde Stiller geworden, sagte er nicht ohne Stolz. Dann unterbrach er sich selbst. Er lenkte ihren Blick mit einer Kopfbewegung nach unten. Martina erschrak: Warum auch immer – ihre Hand lag schon wieder auf seinem Unterarm. Sie hatte es nicht einmal bemerkt. Ihre Augen fanden seine, und plötzlich verschwand das Strahlen. Die Blicke der beiden wurden ernst. Stille. «Und du willst wirklich nächste Woche heiraten?», fragte er noch einmal. «Logisch», sagte sie. Aber ihre Hand ließ seinen Arm nicht los. Normalerweise würde ich sie jetzt küssen, dachte er. Wäre das dann das Ende seines Versuchs? Oder ginge da tatsächlich noch mehr? Und wo begann eigentlich für ihn die Untreue? Bis jetzt war der Abend mit Martina ein Spaß gewesen, von dem er Laura erzählen wollte. Das hatte er zumindest gedacht. Doch jetzt merkte Christoph: In Wahrheit war die große Frage nicht mehr, wie weit die Braut gehen würde. Sondern er. Andererseits: Wie konnte er jetzt noch dieser Situation entfliehen?

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War nicht schon längst klar, wie es weiterginge? Es fühlte sich so verboten logisch an. Und es würde sicher schön. Nein, nicht schön – sondern geil. Aber morgen würde er wieder Laura treffen. Seine Laura. Andererseits traute die ihm sowieso nicht das zu, was er hier gerade trieb. Wenn er seinen Oberkörper jetzt nur ein wenig nach vorne neigte, dann – In diesem Moment klingelte Martinas Handy. Sie griff danach. Christoph konnte erkennen, welcher Name auf dem Display erschien: Patrizia, die Trauzeugin. Vielleicht ist es besser so, dachte Christoph. Martina starrte auf das Telefon. Dann stand sie auf. Auch Christoph erhob sich: «Soll ich dich zurückbringen?», fragte er. Aber Martina schüttelte den Kopf, drehte den Rücken zur Isar – und warf ihr klingelndes Handy in einem weiten Bogen über ihre Schulter ins Wasser. «Soll Glück bringen», sagte sie trocken. Warum hatte sie das getan? Martina wusste es selbst nicht. Sie war sich aber sicher, dass sie rangegangen wäre, wäre ein anderer Name auf dem Display erschienen. Jürgen hätte sie zurückholen können, einfangen wie ein entlaufenes Haustier. Patrizia nicht. Sie hatte Martina so weit gebracht, dass sie jetzt an der Isar stand, mit einem wildfremden Mann, der etwas an ihr attraktiv fand, das sie eigentlich gar nicht hatte. Und jetzt? Den Rest könnte sie auch behaupten, dachte Martina. Die Mädels würden ihr alles glauben. Die verklemmte Braut hatte das Spiel gewonnen, so oder so. Sie blickte Christoph an. Lange. Und dann fasste sie einen Entschluss. «Du wohnst doch hier irgendwo, oder?», hörte Christoph sie sagen. Jetzt war es also raus. Schlagartig wurde er traurig. Wie gern hätte er sie jetzt geküsst! Wie gern wäre er mit ihr in seiner Wohnung verschwunden! Aber es ging nicht. Er blieb Lauras Hase. Er konnte sich nicht vorstellen, mit dem zu leben, was er sich im Moment so sehnlich wünschte. «Hör zu», begann er, «eigentlich habe ich eine Freundin.» – «Und ich einen Verlobten.» Martina lächelte ihn an. Ihr Blick war fordernd. Er ließ sie stehen und ging nach Hause. Von der Brücke aus sah er sie noch einmal. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sie saß auf den Steinstufen und starrte in die Münchner Nacht. Christoph meinte, dabei ein Kopfschütteln zu erkennen. Drei Tage später gestand Laura Christoph, dass sie seit Monaten eine Affäre mit einem Kollegen habe. Und am Samstag darauf heiratete Martina. Es heißt, sie führe eine glückliche Ehe mit Jürgen. Und sie fahre ungern nach München.

Stadt und Stimmung. Wiener Eindrücke

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In den 1980er-Jahren schrieb ich ein Buch, eine Prosa über meine Stadt. Ich war leider nicht «der Mann mit der Kamera», wie er in Vertovs gleichnamigem Film die Großstadt Moskau mit der entsprechenden, eben mit der filmischen Technik abbildete: Das war seinerzeit eine Einheit von Inhalt und Form. Die avancierte Technik der Kamera und der Triumph der Urbanität – sie standen damals auf der gleichen Entwicklungsstufe. Aber so wie Vertovs Film ein Hochgefühl dokumentierte, den Aufbruch verschiedener und verschieden beschäftigter Menschen in einer Stadt, war ich, in Wien für mein Buch herumlaufend, ähnlich euphorisch. Die Euphorie kam davon, dass ich – wegen meiner Schreibabsichten – die Stadt wie einen Selbstzweck beobachten konnte. Ich fuhr nicht mit der Straßenbahn, um irgendwo hinzukommen, sondern nur um zu beobachten, wie die Stadt für sich genommen funktioniert und vor allem: wie sie sich anfühlt. Ich war der Rolle der Arbeitsbiene zunächst enthoben, es sollte ja dann doch eine Arbeit daraus werden, aber fürs Erste war ich Flaneur, und ich ging davon aus, dass einem Menschen und Städte etwas sagen. Über mich selbst sagt die Stadt auch etwas aus: Vor Jahren hatte ich vom Begriff «Körperschema» erfahren. Dieser Begriff, er stammt unter anderem von dem Wiener Psychiater Paul Schilder, handelt vom «Leibbewusstsein» der Menschen und in meiner psychoanalytisch unkorrekten und leicht trivialisierenden Lesart davon, dass das Gefühl für den eigenen Körper nicht von diesem allein begrenzt wird. Das heißt, man hat in sein Körpergefühl auch Vorstellungen aus seiner Umwelt eingemeindet: Der Schulweg aus meiner Kindheit zum Beispiel – vor allem die Brücke über die Westbahn, die ich überqueren musste, um auf die Mariahilfer Straße zu kommen – hat sich mir über Realität und Imagination physisch eingeprägt: Den Weg kenne ich im Traum. Aber die Prägung beginnt bereits im Stiegenhaus, man kann das Gefühl haben, dass die Stiegen rauf und runter den Sinn für den eigenen Körper mitbestimmen. Jeder Mensch hat etwas von der Außenwelt mitbekommen, in der er sich routiniert aufhalten und deren Anforderungen er tagein, tagaus bewältigen muss. Und es ist klar, dass ein jeder Mensch, wenn er Glück hat, auf seine Außenwelt eingestimmt ist. Hat er das Glück nicht, dann leidet er unter den Dissonanzen zwischen seiner Gestimmtheit und dem, was seine Umgebung gegen ihn aufs Spiel setzt. Unerträgliche Wohnverhältnisse zum Beispiel vergisst kaum einer – sie entscheiden, wenn auch nicht allein, bis ans Ende über das Lebensgefühl. Silvia Bovenschens Buch «Über-Empfindlichkeit» verdanke ich ein Zitat aus Paul Valérys «Cahiers»: «Das wahre Portrait von jemandem

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bestünde darin, den Ort derjenigen Dinge zu umreißen, die ihm angenehm und wünschenswert sind, genauso wie den Ort dessen, was ihn abstößt. Alles definiert über seine besondere Sensibilität. Das heißt durch eine Tabelle seiner potentiellen Antworten auf die Fragen, die ihm entweder seine ’Welt’ oder sein Organismus stellt.» Stellt sich nun die Frage, welche Stimmung die Verbauungsdichte einer Stadt auslösen kann, ist die erste Antwort darauf ebenso einfach wie unbefriedigend: Eine große Dichte kann ein Geborgenheitsgefühl, eine Art von Eingebettetsein hervorrufen. Aber genau derselbe Umstand kann auch einengend wirken. Die ungeheuren Straßenschluchten von São Paulo, die von Hochhäusern eingezirkelten Plätze, empfand ich als gigantomanisch. Aber diese Empfindung war erhebend. Das Beängstigende konnte ich in einen begeisternden Schauder vor der Größe investieren. So einen Eindruck macht eine mitteleuropäische Stadt wie Wien nie. In Wien gibt es höchstens Zitate solcher Größe, zum Beispiel das Vienna International Center, das bezeichnenderweise im Bezirk Kaisermühlen steht und also bei aller Modernität das alte Wien mit dem Kaiser noch verrät. Es gibt Filmaufnahmen von den Fahrbahnen, die über die Brücke in die UNO-City führen – und die erzeugen schon den Schein einer gigantischen Urbanität. Aber in Wirklichkeit besitzt Wien nur Abbreviaturen davon – was unter anderem den Größenwahn von uns Eingeborenen in Schranken hält. Ich bin im 15. Bezirk Wiens aufgewachsen und habe zwei große Areale erlebt, die durch Verbauung ihren Charakter veränderten und die durch diese Veränderung in meiner Seele einen Stimmungswandel gegenüber meiner Stadt verursachten. Wo heute die Stadthalle steht, ein mittlerweile grandios verschuldeter Veranstaltungsort, befand sich in meiner frühen Kindheit eine Wüste aus aufgelassenen und verwilderten Schrebergärten. Diese Wüste symbolisierte (und ich nahm das, auch wenn ich es nicht artikulieren hätte können, genauso wahr), dass unbegrenzt Platz in dieser Stadt war, und dass, wenn man es nicht anders will, das Grün aus dem Grau der Vorstadt herauswachsen kann. Das Areal war ein Spielplatz, ohne dafür gedacht zu sein. Die städtischen Spielplätze – mit ihren von Gittern eingezäunten Fußballfeldern – waren wie ein städteplanerischer Widerspruch in sich: Darin ging es nicht ums Spielen, sondern um die Reglementierung der Spieler, die es sich unter dem Motto «Besser als gar nichts» gefallen ließen. Hinterm Maschendraht gab es wenig Abenteuer, jedenfalls keine von der Art, zu der die Wildnis einlud. Wir proletarischen Kinder, die zu keiner Hoffnung Anlass gaben, nannten den vergitterten Fußballplatz selbstverständlich Käfig.

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Stadt und Stimmung

Die Stadthalle (und so nahm ich es wahr, auch wenn ich es nicht hätte artikulieren können) war ein eher klinisches Gebäude, und sie dominierte die Gegend, nicht nur architektonisch, sondern auch sozial – mit den Geschäftigkeiten und Machenschaften, die nun einmal zu Orten gehören, welche man zumeist bloß mit Tickets betreten darf. Etwas Keimfreies trat an die Stelle, die einst von der Natur überwuchert war. Aber solche Mehrzweckhallen gehören zu Städten, auch die ganze Betonatmosphäre der Treffpunkte für Menschenmengen, die unterhalten werden wollen; sie kosten Platz und stehen – allein auf weiter Flur – triumphierend da, bis sie vielleicht einmal abgerissen werden. Die andere städtische Weite, die zum Teil dicht verbaut wurde, war in meiner Kindheit die Schmelz. Unterm Kaiser diente die Schmelz als ein Exerzier- und Paradeplatz. Bis heute stehen auf der Schmelz ordentliche Schrebergärten, einer nach dem anderen, sodass es den Menschen möglich ist, miteinander zu kommunizieren, zu streiten oder gerade nicht zu streiten. Die Gärten stehen – little boxes – dicht nebeneinander, penibel in Parzellen und durch Zugangswege geordnet. Keine Anarchie! Auf der Schmelz gibt es ein «Schutzhaus» – ich glaube, es hatte ursprünglich den Sinn, die Schrebergärtner vor den Unbilden des Wetters zu bewahren. Das «Schutzhaus» hat einen riesigen Gastgarten, und es heißt, damit alles klar ist, «Schutzhaus Zukunft». Ach, was ist das für ein schöner Ort ... Aber den Rest der Schmelz hat man nicht als sogenanntes Erholungsgebiet belassen. Man hat ein Gymnasium hingebaut und gegenüber davon eine Sportstätte der Universitätsturnanstalt: Hier turnen zukünftige Turnlehrer ihre Kür und Pflicht. Da ich – nach dem Überleben meiner Schulpflicht – Schulgebäude liebe, in die ich nicht hineinmuss, finde ich das Leben, das mit den Kindern und den Studenten in die Schmelz kam, richtig urban. Zu viel Erholung und zu viel Museen (in denen die Zeit stillsteht) machen mich in der Stadt krank. Auf der Schmelz pulsiert das Leben (beinahe) – und das nicht zuletzt, weil Gebäude von unterschiedlichen Zwecken mehr oder weniger dicht nebeneinander liegen. Das hat eine Vitalität, die – falls man nicht gerade selbst depressiv ist – Freude macht. Ich kenne auch das Gegenteil, nämlich wie durch allmählich immer dichtere Bebauung die Stimmung aus der Balance gerät, bis man endgültig traurig ist. Ich war zehn Jahre alt, als meine Eltern in einen großen Gemeindebau zogen, in die Alliogasse. Allio – so hieß ein aus Italien stammender Architekt der Barockzeit. Nun, barock war in der Alliogasse gar nichts. Aber ich hatte, etwas übertrieben gesagt, einen «Balkon», also eine mit einem Gitter versehene, nach außen sich ausdehnende Betonplatte. Von hier genoss ich einen weiten Ausblick, in eine Allee hinein und bis vor in die Märzstraße.

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Franz Schuh

Vis-à-vis vom Balkon unserer Wohnung war nichts. Der Blick war frei. Er fiel oft auf ein Kinderfreibad – so hießen solche Schwimmbecken im Jargon der Städtischen Verwaltung. Ich glaube, mit zehn war ich schon über das Alter hinaus, um noch baden zu dürfen, aber im Sommer runtergeschaut – das habe ich noch als Siebzehnjähriger. Solange es eben ging. Es war eine Illusion, dass die Stadt so etwas weiter sein ließe, der Baugrund ist lukrativ, und die Menschen wollen doch wohnen! Im Lauf der Zeit, mit der die Eltern älter wurden, verbaute man den Blick vom Balkon. Wenn ich zu Besuch kam, sah ich in ein trauriges Gegenüber, sah die Miseren des Daseins in der gegenüberliegenden Kleinwohnung. Dabei hätte die eigene Misere vollauf genügt. Das Kinderfreibad war verschwunden, und auch den Spielplatz, den sie eine Zeit lang an Ort und Stelle, wohl als Ersatz, ermöglicht hatten, gab es nicht mehr. Die Dichte der Bauten war so gesteigert, dass sie kaum intensiver werden konnte, und es ist mir auch klar, was meine Stimmung an den Tiefpunkt brachte: das Licht. Die beidseitig verbaute Gasse dämpfte das Tageslicht empfindlich. Das machte den riesigen Unterschied zu der Zeit aus, als ich mir in der Badehose auf dem Balkon den ersten Sonnenbrand des Jahres holte. Das Bad im Licht und die freie Sicht – sie waren Glücksboten. Ich will aber noch eine andere Art des Stimmungswandels durch Verbauung notieren, also eine, die weder eine Eintrübung noch eine Aufheiterung der Stimmung betrifft. Es war ein Zufall, also ein Liebesverhältnis, dass ich einige Jahre in einem Haus auf der Prinz-Eugen-Straße im 4. Bezirk wohnen konnte. Von der Wohnung aus (die an der Rückseite des Hauses, fern vom Straßenlärm, gelegen war) sah ich einen großen freien Platz, der nach ein paar Hundert Metern in den Parkplatz für das Funkhaus des Österreichischen Rundfunks überging. Ich arbeitete damals (wie heute) hin und wieder für den Funk und sah von der Argentinierstraße aus die Wohnungsfenster meiner Freundin in der Ferne. Auch dieser freie Blick hat mich geprägt. Am angegebenen Ort ist seit Jahren alles verbaut, und zwar mit einer architektonischen Lieblosigkeit, über die man als Anrainer oder als Passant sich nur wundern kann. Ich resigniere, lasse aber auch keine schlechte Stimmung zu; es ist mir gleichgültig geworden, und ich füge mich klaglos in die Misere, die ich oft genug zu sehen bekomme. Heute wohne ich in der Wiener Innenstadt, denn nobel geht die Welt zugrunde. Was die Innenstadt auszeichnet, ist gewiss eine Dichte, aber eine, die nie in die Enge kippt. Noble Innenstädte gehen großzügig mit dem Raum um, vielleicht auch, weil es nur wenige Menschen gibt, die hier Grund und Boden kaufen könnten. Diese

233

Stadt und Stimmung

(selten übertriebene) Großzügigkeit der Anlagen stimmt mich schon seit ein paar Jahrzehnten heiter, aber ich will nicht leugnen, dass die Plätze meiner Herkunft mir heute noch ein Glück versprechen, das ich nicht gefunden habe. Ja, auch für ein Kind der Stadt gilt die berühmte Formulierung Ernst Blochs, auch dem Stadtkind entsteht «in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat». Als ich, wie gesagt, in den 1980er-Jahren durch die Stadt flanierte, um Sätze für meinen Prosatext zusammenzubringen, der «Der Stadtrat» hieß, stach mir die außerordentliche Dichte der Verbauung in den alten proletarischen Vierteln Wiens ins Auge. Die Altbauten – zum Beispiel im 16. Bezirk – ließen keinen Freiraum. Sie hatten zusätzlich etwas Gedrücktes und nährten damit das Klischee vom Proletarischen, das ja – wie jedes Klischee – nicht nur falsch ist. Die Gemeindebauten, in denen ich meine Kindheit verbracht hatte, waren wenigstens mehr bemüht, selbstbewusste Bewohner zu ermöglichen. Aber dennoch hat bis heute, wenn auch ein wenig sozialstaatlich gemildert, die alte Unterscheidung zwischen den Hütten einerseits und den Palästen andererseits ihren Sinn. Die Unterscheidung zwischen «den Armen» und «den Reichen», die zum Beispiel Georg Büchner vor fast 300 Jahren für die Revolution eingenommen hat, spielt im Stadtbild immer noch eine Rolle. Es wäre kein Wunder, wenn man hier Stimmungsschwankungen messen könnte, die – bei aller Befriedung der Konflikte – am Ende ausschlaggebend sind.

Waldrausch

Gerhard Meister

235

Waldrausch

Draußen, vor dem Eingang des Kinos, spielten sie Boule und tranken Bier, die Schuhe in diesem hellen Kies, darüber das Lachen, das Rauchen. Endlich war der Sommer über die Stadt gekommen und hatte alles Zwinglihafte und Zugeknöpfte weggeblasen. Der Sommer war da, und mit ihm hatte sich eine mittelmeerische Flanierlust und Lebensfreude überallhin ausgebreitet, die Leute waren draußen in den Straßen, sie füllten die Seepromenade, und auch dieser kleine Park, ein ehemaliger Schulhof, zu dem eine Bar und ein Kino gehörten, war voller Menschen. Er saß drinnen. Schon den dritten Abend hintereinander saß er drinnen in diesem Kino. Er wollte nicht darüber nachdenken, weshalb das so war. Reichten als Grund für seine frühsommerliche Vereinzelung nicht die wunderbaren Sofas, die es in diesem Kino gab, riesige, schwarze Ledersofas, auf die man sich hinstrecken konnte, ein Getränk in Griffweite am Boden? Das Erste war ein argentinischer Film gewesen, gedreht in den Wäldern Patagoniens (ein Mann erschießt bei einem Jagdunfall einen andern, schlüpft in dessen Leben und gerät so in eine Gangstergeschichte mit noch viel mehr tödlichem Schießlärm), der zweite Film stammte aus Malaysia, seltsam lange Einstellungen, ungelenkes Schauspiel und wieder viel Wald, durch den Geister huschten mit Knopfaugen, die durch die Nacht funkelten. Von der Sehnsucht nach der Natur, die viele aus der Stadt hinaustreibt, hatte er bisher kaum etwas verspürt, und so fand er es ganz stimmig, dass er jetzt zwar, wie es den Anschein machte, der Faszination des Waldes erlegen war – aber eben eines Waldes, der im Kino stattfand. In dem saß er nun und ganz allein. Das Wetter natürlich, es hatte die Leute abgehalten, vielleicht auch der Film, der heute gezeigt wurde, ein gänzlich unbekannter Film. Er hatte jedenfalls noch nie von diesem Film gehört, auch der Name des Regisseurs sagte ihm nichts (was nicht viel heißen musste), ob es bekannte Schauspieler zu sehen gab, darauf hatte er keine Acht gegeben, er wollte einfach in diesen Film, von dem er wusste, dass er ihn mitnahm in den Wald hinein. Unter fünf Zuschauern gibt es keine Filmvorführung, hatte die Frau an der Kasse gesagt, und Sie sind bisher der einzige, der in den Film will. Tut mir leid. Damit hatte er nicht gerechnet. Was sollte er, wenn er die nächsten zwei Stunden nicht in diesem Kino, in diesem Film verbringen konnte, von dem er nur wusste, dass der Wald, einem originellen Programmationseinfall folgend, in ihm eine Hauptrolle spielte? Er stand da und wusste nicht weiter. Die Filmoperateurin rettete ihn. Sie musste bemerkt haben, wie es um ihn stand und wie aus seinen Augen das

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Gerhard Meister

Flehen nach diesem Film geradezu getropft hatte. Blödsinn, woher dieser Gedanke, bei ihm hatte nichts getropft. Sie fand den Film eben toll, so wie sie das ganz glaubhaft beteuert hatte. Sie hatte Lust, sich diesen Film noch einmal anzuschauen, und nur aus diesem Grund saß er jetzt allein im Saal – und vor ihm schon der Wald. Was er nun sah, war noch einiges seltsamer als die Geistergeschichte aus Malaysia vom vorigen Tag. Zuerst schien es, als sei die Kamera einfach auf den Waldboden gelegt, unbeweglich ins Grün gerichtet, dazu ein leichtes Rauschen, das aus den Tannenwipfeln drang. Nach einiger Zeit setzte sich die Kamera, immer noch knapp über dem Nadelboden, in Bewegung. Sie umging Heidelbeergestrüpp, drückte sich durch ein Dickicht frisch gepflanzter, vielleicht mannshoher Jungtannen und geriet dann hinter einen dicken Baumstamm, aus dessen Deckung sie sich langsam hervorschob. Die Kamera zeigte den Blick eines Tieres, das durch den Wald schlich, so viel hatte er begriffen. Im Bildausschnitt, in dem dieser Blick nun verharrte, wurde die Kontur eines Vogels sichtbar, der seine ganz normale Vogelnervosität zur Schau stellte, ohne jede Ahnung also, dass er beobachtet wurde, und zwar von einem Tier, das es auf ihn abgesehen hatte. Schon folgte der Sprung auf den Vogel zu, der Biss in seinen Hals, das Hin-und-her-Geschüttel des noch piepsenden und flatternden Vogels, der Federnsturm in der Luft, dann das Fressen des Vogels, abgefilmt in unendlich langer Echtzeit. Ihm wurde es nicht langweilig dabei, er genoss den Wald, in den ihn der Film geführt hatte, und genoss in gewisser Weise auch die Mahlzeit des Tieres, das jetzt zu Ende gefressen hatte und sich auf die Suche nach Wasser machte. Woher wusste er, dass das Tier Durst hatte? Warum hatte er so viel Anteilnahme daran, wie das Tier nun nach Wasser suchte, warum freute er sich mit ihm, als das Plätschern eines Bächleins zu hören war? Das rasche Lappen der Zunge. Was tat dieser Regisseur, von dem er noch nie etwas gehört hatte, mit welchen Tricks brachte er ihn, seinen einzigen Zuschauer jetzt in diesem Kinosaal, dazu, sich derart erleichtert zu fühlen, dass das Tier seinen Durst löschen konnte? Woher diese Identifikation mit einem Tier, von dem er noch immer nur vermuten konnte, was es war (ein Fuchs vielleicht?). Aber da war keine Zeit für Fragen, es ging schon wieder vorwärts, die Schnauze flog über den Nadelboden, auf dem eine nächste Verlockung ihre Spur hinterlassen hatte, der Geruch wurde stärker, der Gang rascher, und da war sie, die Luchsin – und woher er wusste, dass es eine Luchsin war und kein Luchs, das spielte keine Rolle, er wollte sie haben, sie besteigen, um jeden Preis, so schnell wie möglich. Doch die Luchsin zierte sich, wich von ihm, er hinter ihr her, seine Tatze griff nach ihr, sie wehrte sich, lautes Fauchen, dann war sie weg. Ruheloses Pirschen durch den Wald, in dem es jetzt Nacht war,

237

Waldrausch

aber seine Augen durchdrangen die Dunkelheit, wurden dann, und er fühlte es als einen Schmerz, plötzlich stumpf. Im Kinosaal war das Licht angegangen, er saß da, verwirrt, die Filmoperateurin stand vor ihm, sagte, was sie vorher schon gesagt hatte: ein toller Film. Er nickte und schwieg, sie schlug vor, ein Bier zusammen zu trinken. Er nickte, noch immer abwesend, sie verließen das Kino, draußen die laue Sommernacht, die Leute auf dem Kiesplatz waren noch mehr geworden, auch Boule wurde noch immer gespielt, mit einem dumpfen Knirschlaut schlugen die Kugeln im Kies auf, das Geräusch drang unangenehm durch das Stimmengewirr. Alles in Ordnung?, fragte die Frau. Er nickte, stand dann da, verloren, mitten in den Leuten um ihn, während sie an einem Ausschankstand für Bier anstand, um den her das Gedränge noch dichter war. Die Frau kam zurück, reichte ihm den einen Plastikbecher. Er stand da mit einem Bier in der Hand, wie alle andern um ihn, im Gespräch mit dieser Frau, die er an diesem Abend kennengelernt hatte. Sie redete vom Film, den sie beide gesehen hatten, er verstand nicht, was sie sagte, zu stark war noch die Gegenwart des Waldes, in dem er vorhin herumgestrichen war. Der Gedanke dann an die Luchsin und die missglückte Jagd nach ihr. Der Gedanke, diese Jagd noch einmal aufzunehmen und zu einem erfolgreichen Ende zu führen. War das nicht eine Gelegenheit? Er war verwirrt. Wer war jetzt der Gejagte und wer der Jäger? Die Frau gefiel ihm, keine Frage, umgekehrt schien das Gleiche zu gelten, ihr Lächeln war unerschütterlich, obwohl er nur wie nebenher mit ihr redete. Die Jagd aufnehmen. Nein, es ging nicht. Etwas störte ihn an dieser Frau, und zwar, wie er merkte, dass sie keine Luchsin war. Er war jetzt sehr unruhig. Um ihn das Durcheinander der vielen Stimmen, sehr lärmig, obwohl der Platz offen war. Die Leute um ihn her übertrieben ihre menschlichen Aufgeregtheiten und Freuden in Grimassen hinein, die ihn anwiderten. Auch das Bier wollte nicht schmecken. Er ließ die Frau stehen, drückte sich durchs Gedränge von Frauen und Männern, Bier und Zigaretten, Umhängetaschen und Flipflops. Fast wäre er über ein abgestelltes Fahrrad gefallen. Ein Mann urinierte durch den Eisengitterzaun, der den Platz umgab. Eine Gruppe sehr junger Frauen, kurze Röcke, hohe Absätze, Bierdosen in den Händen, hemmten seinen Lauf, er blieb in ihrem überdrehten Gelächter hängen. Ein Auto fuhr vorbei, der Fahrer hielt die Hupe gedrückt, auf dem Beifahrersitz hatte sich eine Frau durchs Fenster ins Freie aufgerichtet, sie freuten sich über ein gewonnenes Fußballspiel oder über den Sommer oder über sich selber, dass sie da waren an diesem Abend, an diesem Ort, wo das Leben pulsierte. An der Straßenecke eine Bar mit ihren T­ischen im Freien, großes Gedränge, großer Lärm. Ein Tram fuhr­­heran, er war nicht sicher, dass es in seinen Schienen blieb. Er überquerte die

238

Gerhard Meister

Straße, ging schneller, links stand ein riesiges Tramdepot offen, beschienen von Hunderten von Neonröhren, rechts riss die Reihe der Fassaden auf, eine letzte Ahnung von Abendrot über einem Hochhaus, das weiter weg breit wie ein Gebirge stand. Er ging über eine Brücke, unter ihm rauschte die Eisenbahn. Die Ampeln wechselten von Grün auf Gelb auf Rot, ganz in seiner Nähe und dann wie ein Echo auf der nächsten und auf der übernächsten Kreuzung rote Lichtflecke in der Dämmerung. Die Augen der Waldgeister, die Augen der Luchsin. Das Gebrüll eines Mannes an der offenen Autotür in sein Handy hinein. Einer der in diesem Stadtteil unvermeidlichen orthodoxen Juden, langer Bart, schwarzer Hut und Kaftan auf dem Fahrrad. Die Straße stieg leicht an. Er blieb vor einem Schaufenster stehen. In großen roten Klebebuchstaben stand FLASH darauf geschrieben, das S als gezackter gelber Blitz in die Schrift gestellt. Drinnen der Bratspieß mit dem Kebabfleisch, ein schwarzhaariger Mann, die in diesen Lokalen üblichen billigen Stühle und Tische. Er verspürte Appetit, aber absolut keine Lust auf den Kaufvorgang. Aber wenn er noch etwas essen wollte, dann sollte er es jetzt tun. Ging er hier weiter, dann gab es nur noch Wohnsiedlungen, mehrstöckige, lang gezogene Neubauten und dann diese Reihenhäuser mit ihren Vorgärten, die sich den Hang hochzogen. Die Straße stieg jetzt steiler, vor ihm erhob sich die schwarze Masse des Üetlibergs, darauf gesteckt die Nadel des Sendeturms mit ihren roten Blinklichtern, sonst kein Licht mehr, alles schwarz, schwarzer Fichtenwald, dem er jetzt schon sehr nahe war. Hier, in der Richtung des Üetlibergs, war es mit der Stadt rasch zu Ende, der Üetliberg selber war schon das Ende der Stadt, er war schon der Wald, zu dem es ihn hintrieb und den er nun fast erreicht hatte. Es war ruhig geworden um ihn her. Aus einem der Vorgärten drang Gelächter, doch nur gedämpft, kein Mensch zu sehen, alles still. Dann stand plötzlich, nur ein paar Schritte entfernt, eine Katze vor ihm. Sie sträubte ihr Fell, sie fauchte, er fauchte zurück. Mit einem kläglichen Miauen verschwand sie in einem Gebüsch. Er überprüfte die neu gewonnene Beweglichkeit seiner Ohren. Er gab dem Drang nach und streifte seine Kleider ab. An einer Straßenecke standen Abfallcontainer, er zögerte, schnupperte den Geruch, der ihnen entströmte. Dann plötzlich eine Stimme, er sah in einiger Entfernung ein Paar. Der Mann hatte in seine Richtung gewiesen. Die beiden blickten zu ihm hin, schienen etwas zu besprechen. Mit ein paar Sprüngen entfernte er sich aus dem Licht der Straßenlaternen in die Dunkelheit und stieg weiter hinauf. Unter ihm schimmerte und funkelte die Stadt in Tausenden von Lichtern, linker Hand verlor sich das Leuchten in der Ferne, rechts teilte der See als lang gezogener schwarzer Fleck die Lichter, die sich

239

Waldrausch

an seinem Ufer entlangzogen. Der Sirenenton einer Ambulanz klang herauf zu ihm und verhallte. Er drehte sich ab, überquerte den letzten asphaltierten Weg, huschte durchs Gras, das seinen Bauch kitzelte, er schrie, so gut gefiel ihm dieses Kitzeln, und noch viel mehr gefiel ihm, was er vor sich hatte. Denn da war er, der Wald, dessen kühler Luft sich seine Nüstern entgegenblähten, der Wald, auf den er zurannte, der Wald, in dem er verschwand.

Dichtekatalog Fotos, Karten, Diagramme

Begriffe unD ab­ kürzungen

4 Städte, 36 Stadtperimeter, 9 Dichtekategorien, 13 Analyseparameter

243 Im Folgenden werden die Begriffe in dieser Unter­ suchung erklärt und ebenso die verwendeten Berechnungsgrundlagen, Maßeinheiten und Abkür­z­ungen in den Karten und Diagrammen sowie den Fotos und Luftbildern des «Dichtekatalogs».

BD: Belegungsdichte Die BD berechnet sich aus der Anzahl der Bewohner pro 100 Quadratmeter Geschossfläche. In Abhäng­ig­ keit der Angaben zur Bewohnerschaft erfolgt in den Karten eine detaillierte Darstellung pro Parzelle oder pro Gebäudeblock. Anzahl der Bewohner 100 qm

 =  BD (qm)

Datengrundlage: statistische Erhebungen der Städte

BJ: Baujahr Das Baujahr (BJ) der Gebäude innerhalb des Peri­ meters wird je nach Datenlage entweder blockweise oder für die Einzelbauten angegeben. Datengrund­lage: Gebäudedaten (GIS -Datensatz), Dokumentationskarten (Berlin)

FL: Fluktuation Der Wert der FL berechnet sich aus der Anzahl der Zu-, Weg- und Umzüge in einem definierten Zeitraum (Ermittlung eines Durchschnittswertes aus den Mes­ sungen in den Jahren 1996 , 2001, 2006) im Verhältnis zur Einwohnerzahl im Perimeter in Prozent. Zu-, Weg- und Umzüge Einwohnerzahl im Perimeter

 =  FL (%)

Datengrundlage: statistische Erhebungen der Städte (Bilanzierung des Bevölkerungsbestandes mit Zu-, Weg- und Umzügen und entsprechender Verweildau­ er über einen definierten Zeitraum)

G: Geschossanzahl Anzahl der nutzbaren oberirdischen Geschosse (Vollgeschosse) zuzüglichnutzbarer Dachgeschosse mit einer definierten Mindesthöhe von 2,10 Metern. Datengrundlagen: Gebäudedaten der Stadtplanungs­ ämter

GFZ: Geschossflächenzahl = Dichtefaktor Der Dichtefaktor auf Basis der GFZ berechnet sich aus der Summe der oberirdischen Geschossflächen (einschließlich der Dachflächen mit einer definierten Mindestraumhöhe von 2,10 Meter) aller Gebäude innerhalb des Perimeters im Verhältnis zur Gesamt­ fläche dieses Perimeters. Summe der Geschossflächen aller Gebäude Gesamtfläche des Stadt­ perimeters

  =  Dichtefaktor    (GFZ)

Geschossflächen: Summe der Grundflächen aus den einzelnen Geschossen (Gebäudeaußenmaße) an­ rechenbare Geschosse: Alle oberirdischen Geschosse (Vollgeschosse). Flächen von Dachgeschossen mit einer definierten Mindestraumhöhe von 2,10 Metern werden separat erfasst. Ermittlung: Grundrissfläche (Gebäudeaußenmaße auf Basis der amtlichen Vermessungsdaten) mal Anzahl der Geschosse zuzüglich der anrechenbaren Dachgeschossflächen Perimeterfläche: alle nach den Richtlinien der Ver­ messung aufgenommenen Parzellenflächen und die Summe aller öffentlichen Flächen Datengrundlage: amtliche Vermessungsdaten (GISDatensatz), Gebäudedaten und statistische Erheb­ ungen zu Geschossigkeit und Dachgeschossflächen der Stadtplanungsämter

GRZ: Grundflächenzahl Die GRZ berechnet sich aus der Summe der Grund­ flächen aller Gebäude innerhalb des Perimeters im Verhältnis zur Gesamtfläche dieses Perimeters. Summe der Grundflächen aller Gebäude Gesamtfläche des Stadt­ perimeters

 =  GRZ

Grundflächen: alle nach den Richtlinien der Vermes­ sung aufgenommenen oberirdischen Grundflächen (Gebäudeaußenmaße aller Gebäude und baulichen Anlagen mit festem Fundament und einer bestimm­ ten Mindestgröße) Perimeterfläche: alle nach den Richtlinien der Ver­ messung aufgenommenen Parzellenflächen und die Summe aller öffentlichen Flächen

244 Datengrundlage: amtliche Vermessungsdaten (GIS-Datensatz) der Stadtplanungsämter

NBF: Nicht bebaute Fläche Die NBF bezeichnet die Relation aller nicht bebauten Flächen zur Gesamtfläche des Perimeters in Prozent.

H: Gebäudehöhen

alle nicht bebauten Flächen Gemessen werden prinzipiell die Traufhöhen der Gebäude in Metern (m). Datengrundlage: Vermessungsdaten (GIS-Daten­ sätze) und Gebäudedaten der Stadtplanungsämter

KF: Verhältnis Kubatur zu Fläche Der Wert KF berechnet sich aus der Summe der Volumina aller Gebäude innerhalb des Perimeters im Verhältnis zur Gesamtfläche dieses Perimeters. ältnis zur Gesamtfläche dieses Perimeters. Summe der Volumina aller Gebäude Gesamtfläche des Stadtperimeters

 =  KF

Kubatur: Es werden nur oberirdische Volumina ge­ rechnet. Bei den Dachräumen werden nur Räume mit einer Mindesthöhe von 2,10 Metern be­ rücksichtigt. Ermittlung: Gebäudegrundfläche (Gebäudeaußen­ maße, Vermessungsdaten) mal Gebäudehöhe (Trauf­ höhe); ggf. zuzüglich des Volumens des Dachraums: Grundfläche Dachraum mal Höhe (definierte Min­ desthöhe) Parzellenflächen: alle nach den Richtlinien der Ver­ messung aufgenommenen Parzellenflächen Datengrundlage: Vermessungsdaten (GIS-Datensät­ ze) und Gebäudedaten der Stadtvermessungsämter

MP: Mietpreis Der Wert MP errechnet sich aus dem Mietpreis ge­ mäß Mietspiegel (Bruttomiete in Euro je qm und Jahr) in Relation zum Durchschnittsmietpreis der Stadt (durchschnittliche Bruttomiete in Euro je qm und Jahr) in Prozent. Verhältnis zur Gesamtfläche dieses Perimeters.

Gesamtfläche des Perimeters

 =  NBF (%)

Datengrundlage: amtliche Vermessungsdaten (GISDatensatz), Angaben der Stadtplanungsämter zur Parzellenaufteilung und zur Verteilung der öffentli­ chen Flächen

ÖF: Öffentliche Fläche Die ÖF bezeichnet die Relation aller öffentlichen Flächen (Straßen, Plätze, Parks) zur Gesamtfläche des Perimeters in Prozent. alle öffentlichen Flächen Gesamtfläche des Perimeters

 =  ÖF (%)

Datengrundlage: amtliche Vermessungsdaten (GIS-Datensatz) der Stadtplanungsämter zur Verteilung der öffentlichen Flächen

ÖN: Öffentliche Nutzung und Erdgeschossnutzung Die verfügbaren Angaben der Städte über die Art der Nutzung im Erdgeschoss sowie Angaben zu unterschiedlichen Nutzungen und Einteilungen innerhalb der Gebäudeblöcke werden kartografisch dargestellt mit dem Ziel, die öffentlichen Nutzungen besonders hervorzuheben. Die Angaben variieren innerhalb der unterschiedli­ chen Städte teilweise stark. Wenn keine Angaben zur Erdgeschossnutzung archiviert sind, wird die Haupt­ nutzung im Gebäude dargestellt. Aus diesem Grund werden (öffentliche) Erdgeschossnutzungen oft nicht berücksichtig, da die Nutzungsart nicht den Schwer­ punkt im Gebäude darstellt. Die Karten mit Angabe von Hauptnutzungen der Gebäude sind also mit den Karten mit Einzeichnung der Erdgeschossnutzung nicht direkt vergleichbar. Datengrundlage: Angaben der Stadtplanungsämter

Mietpreis gemäß Mietspiegel Durchschnittsmietpreis der Stadt

 =  MP (%)

Datengrundlage: Benchmarks von Immobilienfirmen sowie Daten aus statistischen Erhebungen der Ämter für Stadt- und Raumentwicklung

245 PF: Private Fläche

Aktualität der Daten

Die ÖF bezeichnet die Relation aller privaten Flächen (Parzellen) zur Gesamtfläche des Perimeters in Prozent. alle privaten Flächen Gesamtfläche des Perimeters

 =  PF (%)

Datengrundlage: amtliche Vermessungsdaten (GIS-Datensatz) der Stadtplanungsämter zur Vertei­ lung der öffentlichen Flächen

Die Quartiersfotografien Jeder der 36 Stadtperimeter wurde in standartisier­ ter Form fotografiert, um die Vergleichbarkeit aller Perimeter zu gewährleisten. In jedem Perimeter wurden die Straßenräume mit gleicher Höhe des Augpunkts der Kameralinse als Zentralperspektive zur gleichen Tageszeit und bei ähnlichen Wetter­ verhältnissen aufgenommen. Das Gleiche gilt für die privaten Außenräume im Quartier. Fotograf: Michael Heinrich, München

Die Luftbilder Die Luftbilder sind maßstabsgetreue Aufnahmen der beteiligten Städte im Maßstab 1 :   5 000. Datengrundlagen: Vermessungsämter der Städte

Die Pläne Alle Perimeterpläne sind im Maßstab 1 :   5 000 darge­ stellt. Die vier Schwarzpläne der jeweiligen gesamten Stadtgebiete werden im Maßstab 1 :   90 000 wieder­ gegeben.

Die Angaben der vier Städte für die oben genannten Daten stammen aus folgenden Jahren: Berlin 2011 München 2008 Wien 2010 Zürich 2008 Die Fotografien von Michael Heinrich enstanden in den Jahren 2010 und 2011.

Schwarzplan, Berlin Maßstab 1 :  90 000

Schwarzplan, München Maßstab 1 :  90 000

Schwarzplan, Wien Maßstab 1 :  90 000

Schwarzplan, Zürich Maßstab 1 :  90 000

1

Dichtekategorie 1

( < 0.4 )

 Privatstraße, — Mün Waldstraße, — Wien —  Schippergasse, — Zürich —  Im Heimgärtli Berlin — chen —

(0.23)

(0.36)

(0.31)

(0.30)

256

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

Quartiersfotografien 1

257

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30)

258

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

Quartiersfotografien 1

259

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30)

260

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

Quartiersfotografien 1

261

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30)

262

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

263

Luftbilder 1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30)

264

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

265

Schwarzpläne 1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30)

266

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

267

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30) öffentliche Fläche (ÖF)

private Fläche (PF)

Bebauung

1

Parzellen, nicht bebaute Fläche (NBF) private (PF) öffentliche Fläche (ÖF)

268

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

269

Geschossflächenzahl

(GFZ)

1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.45

> 0.45 — 0.7

> 0.7 — 0.9

> 0.9 — 1.1

> 1.1 — 1.

> 1.5 — 2.0

> 2.0 — 3.0

> 3.0 — 4.0

> 4.0

270

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

271

Grundflächenzahl (GRZ) 1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.2

0.2 — 0.4

> 0.4 — 0.6

0.4 — 0.6

> 0.8 — 1.0

272

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

273

Gebäudehöhen (H) und Geschossanzahl (G) 1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30) keine Daten

< 5 m

> 5— 8 m

> 8 — 11.5m

> 11.5 — 15m

> 15 — 18.5m

> 18.5

> 22 — 42m

> 42m

274

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

275

Belegungsdichte (BD) 1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30) keine Daten

< 5 m

0.5 — 1

1 — 2

> 2

276

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

277

Fluktuation (FL) 1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30) keine Daten

0% — 20%

> 20% — 40%

> 40% — 50%

> 50% — 70%

278

Berlin, Privatstraße (0.23)

München, Waldstraße (0.36)

Dichtekategorie 1

279

Nutzung (Öffentliche Nutzung ÖN) 1

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Schippergasse (0.31)

Zürich, Im Heimgärtli (0.30) keine Daten

Wohnen

gemischte Nutzung

Verwaltung    Büro

Handel, Dienstleistungen

öffentliche Gebäude

Lager

Gewerbe, Industrie

Verkehr, Garagen, Parken

280

Dichtekategorie 1

NBF Anteil nicht bebaute Fläche zu Gesamtfläche (%) ÖF Anteil öffentliche Fläche zu Gesamtfläche (%) Anteil private Fläche zu Gesamtfläche (%) PF GFZ Ø GFZ (Bezug Quartiersperimeter) GRZ Ø GRZ (Bezug Quartiersperimeter) KF Verhältnis Kubatur zur Fläche (Bezug Quartiersperimeter) H Ø Gebäudehöhe (m) Ø Geschossigkeit G BD Belegungsdichte (Geschossfläche in qm pro Bewohner) Ø Mietpreis im Verhältnis zum Ø Mietpreis in der Stadt (%) MP FL Fluktuation (1996–2009) (%) ÖN Anteil öffentlicher Nutzung (Erdgeschoss) (%) BJ Baujahr

100% Ø 98.6% 84.2% Ø 72.6%

Ø73.4qm 73.4m2 Ø 68.1m 2 68.1qm

69.8% Ø 13.9m

Ø 1.62

Ø 67.3%

Ø 5.2

Ø 49.8%

40.2%

Ø 3.86 Ø 0.28

Ø 22.8%

4.2m

0.16

14.4%

UA NBF

PRS PF

PS ÖF

1.5

Ø 11.5%

0.80

0.23 GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Berlin, Privatstraße (0.23)

310.5m 2 310.5qm

Ø151.5qm 151.5m 2 Ø 137.7%

Ø 101.5%

1971—

94.9% 81.2% 69.4%

Ø 67.2%

1951—1970 Ø 51.0% Ø 1.33

Ø 44.7%

Ø 4.16 Ø 9.0m

Ø 0.33

1921—1950

Ø 22.5%

0.18

12.4%

UA NBF

PS ÖF

Ø 3.4

0.36

PRS PF

GFZ FAR

München, Waldstraße (0.36)

1.09

GRZ SOI

KF VAR

3.8m

1.8

HH

FG

Ø 18.4%

BD OD

MP RP

FL PT

0.0% PU ÖN

YC BJ

Auswertungsdiagramme 1

281

118.0m 2

1971—

100% Ø Ø 95.2% 98.6% 84.2% 80.5% Ø 72.6%

Ø 79.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm

69.8% 64.7%

Ø 63.5%

Ø 13.9m

Ø 1.62 Ø 49.8%

Ø 1.43

Ø 41.0%

Ø 0.36

Ø 22.8% 22.5%

0.19 0.16

15.8% 14.4%

UA NBF

40.2%

Ø 8.8m

Ø 3.1

GRZ SOI

1921—1950

Ø 21.7% 0.89 0.80

GFZ FAR

1951—1970

Ø 5.2

Ø 0.28

0.31 0.23 PRS PF

PS ÖF

Ø 4.41 Ø 3.86

Ø 67.3%

KF VAR

4.2m 3.5m

1.5 1.4

HH

FG

12.1%

BD OD

— MP RP

Ø 13.8% Ø 11.5% 0.0% 0.2% PU ÖN

FL PT

1801—1920 — YC BJ

Wien, Schippergasse (0.31)

Ø 525.6m 2 310.5qm

Ø 151.5qm 137.7%

Ø 115.0% 109.8% Ø 101.5%

1971—

94.9%

1951—1970 82.7% 81.2%

1921—1950

Ø 71.5% Ø 67.2%

69.4% 68.4%

Ø 49.5% Ø 44.7%

Ø 1.40 Ø 1.33

Ø 22.5% 22.0% 14.3% 12.4%

PS ÖF

0.36 0.30 PRS PF

GFZ FAR

Ø 9.0m

Zürich, Im Heimgärtli (0.30)

Ø 51.0% Ø 41.6%

Ø 3.4

6.6m

0.18 0.17 1.09 0.93 GRZ SOI

1951—1970

Ø 4.6

Ø Ø 4.27 4.16 Ø 0.33 Ø 0.28

UA NBF

65.6m 2

Ø 15.6m

KF VAR

3.8m

1.8 1.8

HH

FG

Ø Ø 20.2% 18.4%

1921—1950

12.2%

BD OD

MP RP

FL PT

0.0% PU ÖN

1801—1920 YC BJ

Dichtekategorie  2

(0.4 — 0.6)

 Berlin —  Drake­straße, — München —  Reindlstraße, — Wien —  Pilotengasse, — Zürich — (0.47)

(0.43)

(0.44)

 Schlösslistraße

2

(0.41)

284

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

Quartiersfotografien

2

285

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44)

286

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

Quartiersfotografien

2

287

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44)

288

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

Quartiersfotografien

2

289

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44)

290

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

291

Luftbilder

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44)

292

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

293

Schwarzpläne

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44)

294

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

295

Parzellen, nicht bebaute Fläche (NBF) private (PF) öffentliche Fläche (ÖF)

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44) öffentliche Fläche (ÖF)

private Fläche (PF)

Bebauung

296

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

297

Geschossflächenzahl

(GFZ)

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.45

> 0.45 — 0.7

> 0.7 — 0.9

> 0.9 — 1.1

> 1.1 — 1.

> 1.5 — 2.0

> 2.0 — 3.0

> 3.0 — 4.0

> 4.0

298

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

299

Grundflächenzahl (GRZ)

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.2

0.2 — 0.4

> 0.4 — 0.6

0.4 — 0.6

> 0.8 — 1.0

300

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

301

Gebäudehöhen (H) und Geschossanzahl (G)

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44) keine Daten

< 5 m

> 5— 8 m

> 8 — 11.5m

> 11.5 — 15m

> 15 — 18.5m

> 18.5

> 22 — 42m

> 42m

302

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

303

Belegungsdichte (BD)

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44) keine Daten

< 5 m

0.5 — 1

1 — 2

> 2

304

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

305

Fluktuation (FL)

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44) keine Daten

0% — 20%

> 20% — 40%

> 40% — 50%

> 50% — 70%

306

Berlin, Drakestraße (0.41)

München, Reindlstraße (0.47)

Dichtekategorie 2

307

Nutzung (Öffentliche Nutzung ÖN)

2

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Pilotengasse (0.43)

Zürich, Schlösslistraße (0.44) keine Daten

Wohnen

gemischte Nutzung

Verwaltung    Büro

Handel, Dienstleistungen

öffentliche Gebäude

Lager

Gewerbe, Industrie

Verkehr, Garagen, Parken

308

Dichtekategorie 2

NBF Anteil nicht bebaute Fläche zu Gesamtfläche (%) ÖF Anteil öffentliche Fläche zu Gesamtfläche (%) Anteil private Fläche zu Gesamtfläche (%) PF GFZ Ø GFZ (Bezug Quartiersperimeter) GRZ Ø GRZ (Bezug Quartiersperimeter) KF Verhältnis Kubatur zur Fläche (Bezug Quartiersperimeter) H Ø Gebäudehöhe (m) Ø Geschossigkeit G BD Belegungsdichte (Geschossfläche in qm pro Bewohner) Ø Mietpreis im Verhältnis zum Ø Mietpreis in der Stadt (%) MP FL Fluktuation (1996–2009) (%) ÖN Anteil öffentlicher Nutzung (Erdgeschoss) (%) BJ Baujahr

100% Ø 98.6% 94.3% Ø 98.6% 84.2% 80.3% Ø 72.6%

Ø73.4qm 73.4m2 Ø 68.1qm2 70.5m

69.8% 65.0% Ø 13.9m

Ø 1.62

Ø 5.2

Ø 49.8% Ø 3.86 Ø 0.28

Ø 22.8% 15.3% 14.4%

UA NBF

PS ÖF

PRS PF

0.41 0.23

0.16 0.2

GFZ FAR

GRZ SOI

Ø 67.3% 56.3%

40.2%

8.9m

2.2

2.2 4.2m

1.5

Ø 11.5%

0.80 KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

FL PT

3.8% 0.0% PU ÖN

— YC BJ

Berlin, Drakestraße (0.41)

310.5qm

Ø151.5qm 151.5m 2 Ø 137.7%

Ø 101.5% 96.6% 94.9%

1971— 1921—1950

81.2% 77.2% 69.4%

Ø 67.2%

1951—1970 56.1% Ø 51.0%

53.2% Ø 1.33

Ø 44.7%

Ø 4.16 Ø 9.0m

Ø 0.33 24.1% Ø 22.5% Ø 22.5% 12.4%

UA NBF

PS ÖF

0.47 0.36

PRS PF

GFZ FAR

München, Reindlstraße (0.47)

0.23 0.18

34.3m 2 1921—1950

2.2 1.09

GRZ SOI

Ø 3.4

3.8m

0.44

1.6m

KF VAR

HH

Ø 18.4%

1.8

FG

BD OD

MP RP

FL PT

1.5% 0.0% PU ÖN

YC BJ

Auswertungsdiagramme

2

309

1971—

100% Ø Ø 95.2% 98.6% 84.2% 77.8% Ø 72.6%

Ø 79.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm

69.8% 64.4%

Ø 63.5%

Ø 13.9m

Ø 1.62 Ø 49.8%

Ø 1.43

Ø 41.0%

Ø 0.36 0.22 Ø 0.28 0.16

Ø 22.8% 22.5% 0.43

14.4% 13.4%

0.23 UA NBF

PRS PF

PS ÖF

Ø 4.41 Ø 3.86

GFZ FAR

GRZ SOI

1.29 0.80 KF VAR

Ø 67.3%

59.4m 2 Ø 5.2 40.2%

Ø 8.8m

Ø 3.1 Ø 21.7%

4.8m 4.2m

1.6 1.5

HH

FG

9.3%

BD OD

— MP RP

Ø 13.8% Ø 11.5% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Wien, Pilotengasse (0.43)

Ø 525.6m2 310.5qm

Ø 151.5qm 142.3%

115.7m 2

137.7%

Ø 115.0% Ø 101.5%

1971—

94.9%

1951—1970

84.7% 81.2% Ø 71.5% Ø 67.2%

70.9% 69.4%

Ø 49.5% Ø 44.7%

Ø 1.40 Ø 1.33

Ø Ø 4.27 4.16

Ø 22.5% 22.0% 0.44 0.36

13.7% 12.4%

PS ÖF

PRS PF

GFZ FAR

Zürich, Schlösslistraße (0.44)

0.18 0.15

GRZ SOI

Ø 51.0%

Ø 4.6

11.3m Ø 9.0m

Ø 0.33 Ø 0.28

UA NBF

1921—1950 1951—1970

Ø 15.6m

3.0

Ø 41.6%

Ø 3.4 23.1%

1.46 1.09

3.8m

1.8

KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

FL PT

Ø Ø 20.2% 18.4%

2.1% 0.0% PU ÖN

1921—1950 1801—1920 —1800 YC BJ

Dichtekategorie 3



( 0.6  —  0.9 )

 Hochsitzweg, — Mün Quidde­straße, — Wien —  Larochegasse, — Zürich —  Altwiesenstraße

Berlin — chen —

(0.93)

(0.80)

(0.61)

3

(0.70)

312

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

Quartiersfotografien

3

313

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61)

314

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

Quartiersfotografien

3

315

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61)

316

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

Quartiersfotografien

3

317

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61)

318

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

319

Luftbilder

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61)

320

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

321

Schwarzpläne

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61)

322

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

323

Parzellen, nicht bebaute Fläche (NBF) private (PF) öffentliche Fläche (ÖF)

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61) öffentliche Fläche (ÖF)

private Fläche (PF)

Bebauung

324

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

325

Geschossflächenzahl

(GFZ)

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.45

> 0.45 — 0.7

> 0.7 — 0.9

> 0.9 — 1.1

> 1.1 — 1.

> 1.5 — 2.0

> 2.0 — 3.0

> 3.0 — 4.0

> 4.0

326

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

327

Grundflächenzahl (GRZ)

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.2

0.2 — 0.4

> 0.4 — 0.6

0.4 — 0.6

> 0.8 — 1.0

328

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

329

Gebäudehöhen (H) und Geschossanzahl (G)

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61) keine Daten

< 5 m

> 5— 8 m

> 8 — 11.5m

> 11.5 — 15m

> 15 — 18.5m

> 18.5

> 22 — 42m

> 42m

330

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

331

Belegungsdichte (BD)

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61) keine Daten

< 5 m

0.5 — 1

1 — 2

> 2

332

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

333

Fluktuation (FL)

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61) keine Daten

0% — 20%

> 20% — 40%

> 40% — 50%

> 50% — 70%

334

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

München, Quiddestraße (0.80)

Dichtekategorie 3

335

Nutzung (Öffentliche Nutzung ÖN)

3

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Larochegasse (0.70)

Zürich, Altwiesenstraße (0.61) keine Daten

Wohnen

gemischte Nutzung

Verwaltung    Büro

Handel, Dienstleistungen

öffentliche Gebäude

Lager

Gewerbe, Industrie

Verkehr, Garagen, Parken

336

Dichtekategorie 3

NBF Anteil nicht bebaute Fläche zu Gesamtfläche (%) ÖF Anteil öffentliche Fläche zu Gesamtfläche (%) Anteil private Fläche zu Gesamtfläche (%) PF GFZ Ø GFZ (Bezug Quartiersperimeter) GRZ Ø GRZ (Bezug Quartiersperimeter) KF Verhältnis Kubatur zur Fläche (Bezug Quartiersperimeter) H Ø Gebäudehöhe (m) Ø Geschossigkeit G BD Belegungsdichte (Geschossfläche in qm pro Bewohner) Ø Mietpreis im Verhältnis zum Ø Mietpreis in der Stadt (%) MP FL Fluktuation (1996–2009) (%) ÖN Anteil öffentlicher Nutzung (Erdgeschoss) (%) BJ Baujahr

100% Ø 98.6% 94.3% Ø 98.6%

1921—1950

84.2% 77.4% Ø 72.6%

Ø73.4qm 73.4m2 Ø 68.1qm2 66.3m

69.8% 56.5%

Ø 13.9m

Ø 1.62

Ø 5.2

Ø 49.8% Ø 3.86

Ø 22.8% 20.9% 14.4%

0.23 Ø 0.28

0.63

PS ÖF

PRS PF

47.7%

10.7m

2.45

40.2% 2.5

4.2m

0.16

1.5

Ø 11.5%

0.80

0.23 UA NBF

Ø 67.3%

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Berlin, Hochsitzweg (0.63)

310.5qm

Ø151.5qm 151.5m 2 Ø 137.7%

Ø 101.5%

1951—1970 1971—

94.9% 93.2% 86.6% 81.2% 69.9% 69.4%

Ø 67.2%

1951—1970

15.6m 5.5 Ø 1.33

Ø 44.7%

Ø 4.16 Ø 9.0m

Ø 0.33 0.80

Ø 22.5% 16.7% 12.4%

UA NBF

PS ÖF

PRS PF

Ø 3.4

39.0m 2

2.27

0.36

0.18 0.13

1.09

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

München, Quiddestraße (0.80)

Ø 51.0%

3.8m

1.8

HH

FG

19.6%

BD OD

MP RP

FL PT

1921—1950 Ø 18.4% 4.9% 0.0% PU ÖN

YC BJ

337

Auswertungsdiagramme

103.4% 100% Ø Ø 95.2% 98.6% 84.2% 75.2% Ø 72.6%

1971—

Ø 79.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm

69.8%

Ø 67.3%

Ø 63.5% Ø 13.9m

Ø 1.62

52.7% Ø 49.8%

Ø 1.43

Ø 41.0%

Ø 0.36 0.25 Ø 0.28

0.70

Ø 22.8% 22.5% 22.5% 14.4%

PRS PF

PS ÖF

Ø 5.2

Ø 3.1 2.2

4.2m

1.5

HH

FG

Ø 21.7% 16.1%

0.80

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

1801—1920

40.2%

Ø 8.8m 6.4m

2.23

0.16 0.23

UA NBF

Ø 4.41 Ø 3.86

1951—1970

BD OD

MP RP

Ø 13.8% Ø 11.5% 1.2% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Wien, Larochegasse (0.70)

Ø 525.6m2 310.5qm

Ø 151.5qm 137.7%

Ø 115.0% Ø 101.5%

1971—

94.9% 92.5% 81.2% 80.3% Ø 71.5% Ø 67.2%

69.4% 67.2%

Ø 49.5% Ø 44.7%

52.8m

Ø 1.40 Ø 1.33

Ø Ø 4.27 4.16 Ø 0.33 Ø 0.28

Ø 22.5% 22.0%

0.61

13.1% 12.4%

UA NBF

PS ÖF

0.20 0.18

0.36

PRS PF

1951—1970

Ø 15.6m

GFZ FAR

Zürich, Altwiesenstraße (0.61)

1.84 1.09

GRZ SOI

KF VAR

2

Ø 51.0%

Ø 4.6 10.0m Ø 9.0m

3.4

3.8m

1.8

HH

FG

Ø 41.6%

Ø 3.4

18.4%

BD OD

MP RP

FL PT

Ø Ø 20.2% 18.4%

2.75% 0.0% PU ÖN

1951—1970 1921—1950

YC BJ

3

113.8m 2

Dichtekategorie 4

( 0.9  — 1.2 )

 Goebelstraße, — Mün Konrad-Dreher-Straße,  Prinzgasse, — Zürich —  Meierwiesenstraße

Berlin — chen — — Wien —

(0.93)

(1.03)

4

(1.18)

(1.01)

340

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

Quartiersfotografien

4

341

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18)

342

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

Quartiersfotografien

4

343

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18)

344

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

Quartiersfotografien

4

345

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18)

346

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

347

Luftbilder

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18)

348

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

349

Schwarzpläne

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18)

350

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

351

Parzellen, nicht bebaute Fläche (NBF) private (PF) öffentliche Fläche (ÖF)

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18) öffentliche Fläche (ÖF)

private Fläche (PF)

Bebauung

352

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

353

Geschossflächenzahl

(GFZ)

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.45

> 0.45 — 0.7

> 0.7 — 0.9

> 0.9 — 1.1

> 1.1 — 1.

> 1.5 — 2.0

> 2.0 — 3.0

> 3.0 — 4.0

> 4.0

354

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

355

Grundflächenzahl (GRZ)

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.2

0.2 — 0.4

> 0.4 — 0.6

0.4 — 0.6

> 0.8 — 1.0

356

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

357

Gebäudehöhen (H) und Geschossanzahl (G)

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18) keine Daten

< 5 m

> 5— 8 m

> 8 — 11.5m

> 11.5 — 15m

> 15 — 18.5m

> 18.5

> 22 — 42m

> 42m

358

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

359

Belegungsdichte (BD)

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18) keine Daten

< 5 m

0.5 — 1

1 — 2

> 2

360

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

361

Fluktuation (FL)

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18) keine Daten

0% — 20%

> 20% — 40%

> 40% — 50%

> 50% — 70%

362

Berlin, Goebelstraße (0.93)

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

Dichtekategorie 4

363

Nutzung (Öffentliche Nutzung ÖN)

4

Maßstab 1 :  5 000

Wien, Prinzgasse (1.01)

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18) keine Daten

Wohnen

gemischte Nutzung

Verwaltung    Büro

Handel, Dienstleistungen

öffentliche Gebäude

Lager

Gewerbe, Industrie

Verkehr, Garagen, Parken

364

Dichtekategorie 4

NBF Anteil nicht bebaute Fläche zu Gesamtfläche (%) ÖF Anteil öffentliche Fläche zu Gesamtfläche (%) Anteil private Fläche zu Gesamtfläche (%) PF GFZ Ø GFZ (Bezug Quartiersperimeter) GRZ Ø GRZ (Bezug Quartiersperimeter) KF Verhältnis Kubatur zur Fläche (Bezug Quartiersperimeter) H Ø Gebäudehöhe (m) Ø Geschossigkeit G BD Belegungsdichte (Geschossfläche in qm pro Bewohner) Ø Mietpreis im Verhältnis zum Ø Mietpreis in der Stadt (%) MP FL Fluktuation (1996–2009) (%) ÖN Anteil öffentlicher Nutzung (Erdgeschoss) (%) BJ Baujahr

103.2% 100% Ø 98.6% Ø 98.6% 84.2% 82.3%

1921—1950

81.6m 2

Ø 72.6%

Ø73.4qm 73.4m2 Ø 68.1qm

69.8% 66.9% Ø 13.9m 12.7m

Ø 1.62 Ø 49.8%

5.5

Ø 67.3% 66.3%

Ø 5.2 Ø 5.2 40.2%

Ø 3.86 0.93 Ø 0.28

Ø 22.8% 15.4% 14.4%

4.2m

PRS PF

PS ÖF

1.5

Ø 11.5%

0.80

0.23 UA NBF

2.79

0.18 0.16

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

1.6% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Berlin, Goebelstraße (0.93)

310.5qm

Ø151.5qm 151.5m 2 Ø 137.7%

Ø 101.5% 96.6% 94.9%

1971—

81.2% 76.9% 69.4%

Ø 67.2%

1951—1970

62.4% Ø 51.0% Ø 1.33

Ø 44.7%

Ø 4.16

1.03 Ø 22.5%

PS ÖF

3.07

0.23 0.18

14.5% 12.4%

UA NBF

Ø 0.33

0.36

PRS PF

GFZ FAR

1.09

GRZ SOI

München, Konrad-Dreher-Straße (1.03)

KF VAR

4.3 9.4m Ø 9.0m Ø 9.0m

40.1m2 Ø 3.4

3.8m

1.8

HH

FG

14.1%

BD OD

MP RP

FL PT

Ø 18.4% 5.3% 0.0% PU ÖN

1921—1950 1951—1970

YC BJ

365

Auswertungsdiagramme

100% Ø Ø 95.2% 98.6% 84.8% 84.2%

Ø 79.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm

69.8% 69.6%

Ø 67.3%

Ø 63.5% Ø 13.9m 13.9m

Ø 1.62 Ø 49.8%

Ø 1.43

Ø 41.0%

Ø 0.36

1.01

3.06 4.2m

0.16 0.15

15.2% 14.4%

Ø 3.1

PRS PF

Ø 21.7% 16.2%

1.5

0.80

0.23 PS ÖF

40.2%

Ø 8.8m

Ø 0.28

Ø 22.8% 22.5%

UA NBF

Ø 5.2 4.6

Ø 4.41 Ø 3.86

GFZ FAR

GRZ SOI

6.3m 2

KF VAR

HH

FG

BD OD

— MP RP

4

Ø 72.6%

1971—

15.6% Ø 11.5% Ø 13.8% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Wien, Prinzgasse (1.01)

Ø 525.6m2 310.5qm

Ø 151.5qm 137.7%

Ø 115.0% Ø 101.5%

1971—

94.9% 80.1m 2 74.4% 69.4%

Ø 71.5% Ø 67.2%

6.8

1951—1970

Ø 15.6m Ø 49.5% Ø 44.7%

Ø 1.40 Ø 1.33 1.18

Ø 22.5% 22.0% 12.4% 9.7% PS ÖF

0.36

PRS PF

GFZ FAR

0.18 0.16

GRZ SOI

Zürich, Meierwiesenstraße (1.18)

Ø 9.0m

KF VAR

Ø 41.6%

Ø 3.4

3.00

1.09

Ø 51.0%

Ø 4.6

Ø Ø 4.27 4.16 Ø 0.33 Ø 0.28

UA NBF

87.7%

21.8m

84.1% 81.2%

25.3% 3.8m

HH

1.8

FG

Ø Ø 20.2% 18.4%

1921—1950

10.3% BD OD

MP RP

FL PT

0.0% PU ÖN

YC BJ

Dichtekategorie 5

( 1.2  — 1.5 )

Berlin —  Senftenberger Ring, — München —  Holbeinstraße, — Wien — Ringofenweg, — Zürich — (1.44)

(1.37)

(1.31)

 Scheuchzerstraße

5

(1.28)

368

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

369

Quartiersfotografien

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28)

370

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

371

Quartiersfotografien

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28)

372

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

373

Quartiersfotografien

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28)

374

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

375

Luftbilder Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28)

376

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

377

Schwarzpläne Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28)

378

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

379

Parzellen, nicht bebaute Fläche (NBF) private (PF) öffentliche Fläche (ÖF) Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28) öffentliche Fläche (ÖF)

private Fläche (PF)

Bebauung

380

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

381

Geschossflächenzahl

(GFZ)

Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.45

> 0.45 — 0.7

> 0.7 — 0.9

> 0.9 — 1.1

> 1.1 — 1.

> 1.5 — 2.0

> 2.0 — 3.0

> 3.0 — 4.0

> 4.0

382

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

383

Grundflächenzahl (GRZ) Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.2

0.2 — 0.4

> 0.4 — 0.6

0.4 — 0.6

> 0.8 — 1.0

384

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

385

Gebäudehöhen (H) und Geschossanzahl (G) Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28) keine Daten

< 5 m

> 5— 8 m

> 8 — 11.5m

> 11.5 — 15m

> 15 — 18.5m

> 18.5

> 22 — 42m

> 42m

386

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

387

Belegungsdichte (BD) Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28) keine Daten

< 5 m

0.5 — 1

1 — 2

> 2

388

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

389

Fluktuation (FL) Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28) keine Daten

0% — 20%

> 20% — 40%

> 40% — 50%

> 50% — 70%

390

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

München, Holbeinstraße (1.37)

Dichtekategorie 5

391

Nutzung (Öffentliche Nutzung ÖN) Maßstab 1 :  5 000

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28) keine Daten

Wohnen

gemischte Nutzung

Verwaltung    Büro

Handel, Dienstleistungen

öffentliche Gebäude

Lager

Gewerbe, Industrie

Verkehr, Garagen, Parken

392

Dichtekategorie 5

NBF Anteil nicht bebaute Fläche zu Gesamtfläche (%) ÖF Anteil öffentliche Fläche zu Gesamtfläche (%) Anteil private Fläche zu Gesamtfläche (%) PF GFZ Ø GFZ (Bezug Quartiersperimeter) GRZ Ø GRZ (Bezug Quartiersperimeter) KF Verhältnis Kubatur zur Fläche (Bezug Quartiersperimeter) H Ø Gebäudehöhe (m) Ø Geschossigkeit G BD Belegungsdichte (Geschossfläche in qm pro Bewohner) Ø Mietpreis im Verhältnis zum Ø Mietpreis in der Stadt (%) MP FL Fluktuation (1996–2009) (%) ÖN Anteil öffentlicher Nutzung (Erdgeschoss) (%) BJ Baujahr

12.1

103.2% 100% Ø 98.6% Ø 98.6%

24.5m

1971—

87.2% 84.2% 78.7% Ø 72.6%

Ø73.4qm 73.4m2 Ø 68.1qm

69.8% Ø 13.9m

Ø 1.62 Ø 49.8%

1.44 3.37

PS ÖF

57.8m2

40.2%

Ø 3.86

Ø 0.28

Ø 22.8% 14.4% 8.5% UA NBF

Ø 5.2

73.6% Ø 67.3%

0.23 PRS PF

GFZ FAR

0.16 0.13

GRZ SOI

4.2m

1.5

Ø 11.5%

0.80 KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

4.5% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Berlin, Senftenberger Ring (1.44)

310.5qm

Ø151.5qm 151.5m 2 Ø 137.7%

112.9m2 103.5% Ø 101.5% Ø 101.5% 94.9%

1971— 1951—1970 1921—1950

81.2%

Ø 44.7% 43.3%

PS ÖF

Ø 4.16

0.18 0.36

PRS PF

GFZ FAR

München, Holbeinstraße (1.37)

Ø 51.0%

4.69

1.37 Ø 1.33 Ø 1.33 0.33 Ø 0.33 Ø 0.33

23.5% Ø 22.5% Ø 22.5% 12.4%

UA NBF

1801—1920 1951—1970

69.4%

Ø 67.2% 66.9% Ø 67.2%

1.09

GRZ SOI

KF VAR

10.6m Ø 9.0m Ø 9.0m

3.8

3.8m

1.8

HH

FG

—1801

Ø 3.4 26.8%

1921—1950 Ø 18.4%

BD OD

MP RP

FL PT

3.9% 0.0% PU ÖN

YC BJ

393

Auswertungsdiagramme

115.3% 1971—

100% Ø Ø 95.2% 98.6% 84.2% Ø 72.6%

Ø 79.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm

69.8%

64.3% Ø 63.5%

Ø 13.9m

Ø 1.62 Ø 49.8% 47.0% Ø 41.0%

1.31

Ø 1.43 0.36

Ø 4.41 3.86 Ø 3.86 Ø 0.36

0.16

Ø 3.1

PRS PF

4.2m

1.5

HH

FG

Ø 21.7% 12.7%

0.80

0.23 PS ÖF

8.3m

40.2% 3.2

Ø 0.28

Ø 22.8% 22.5% 17.3% 14.4%

UA NBF

Ø 8.8m

Ø 5.2

Ø 67.3%

56.4m 2

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

BD OD

MP RP

Ø 13.8% Ø 11.5% 1.6% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

5

Wien, Ringofenweg (1.31)

Ø 525.6m2 310.5qm

Ø 151.5qm 137.7% 123.7% Ø 115.0% Ø 101.5%

1971—

94.9%

1951—1970

81.2%

1921—1950

Ø 71.5% Ø 67.2% 68.8%

74.1m 2

69.4%

Ø 49.5% Ø 44.7% 46.8%

Ø 1.40 Ø 1.33

4.61

1.28

Ø Ø 4.27 4.16

4.2 Ø 9.0m

0.31 Ø 0.33 Ø 0.28 Ø 22.5% 22.0% Ø 22.0% 12.4%

UA NBF

1801—1920 1951—1970

15.8m Ø 15.6m

PS ÖF

0.18 0.36

PRS PF

GFZ FAR

1.09

GRZ SOI

Zürich, Scheuchzerstraße (1.28)

KF VAR

Ø 51.0%

Ø 4.6

Ø 41.6%

Ø 3.4

3.8m

1.8

HH

FG

29.4% Ø Ø 20.2% 18.4%

BD OD

MP RP

FL PT

4.4% 0.0% PU ÖN

1921—1950

YC BJ

Dichtekategorie 6 ( 1.5  — 1.9 ) Berlin —  Bonner Straße, — München —  Tumblingerstraße, — Wien —  Hasnerstraße, — Zürich — (1.53)

(1.78)

(1.62)

 Bändliweg

6

(1.55)

396

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

397

Quartiersfotografien

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55)

398

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

399

Quartiersfotografien

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55)

400

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

401

Quartiersfotografien

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55)

402

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

403

Luftbilder Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55)

404

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

405

Schwarzpläne Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55)

406

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

407

Parzellen, nicht bebaute Fläche (NBF) private (PF) öffentliche Fläche (ÖF) Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55) öffentliche Fläche (ÖF)

private Fläche (PF)

Bebauung

408

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

409

Geschossflächenzahl

(GFZ)

Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.45

> 0.45 — 0.7

> 0.7 — 0.9

> 0.9 — 1.1

> 1.1 — 1.

> 1.5 — 2.0

> 2.0 — 3.0

> 3.0 — 4.0

> 4.0

410

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

411

Grundflächenzahl (GRZ) Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.2

0.2 — 0.4

> 0.4 — 0.6

0.4 — 0.6

> 0.8 — 1.0

412

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

413

Gebäudehöhen (H) und Geschossanzahl (G) Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55) keine Daten

< 5 m

> 5— 8 m

> 8 — 11.5m

> 11.5 — 15m

> 15 — 18.5m

> 18.5

> 22 — 42m

> 42m

414

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

415

Belegungsdichte (BD) Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55) keine Daten

< 5 m

0.5 — 1

1 — 2

> 2

416

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

417

Fluktuation (FL) Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55) keine Daten

0% — 20%

> 20% — 40%

> 40% — 50%

> 50% — 70%

418

Berlin, Bonner Straße (1.53)

München, Tumblingerstraße (1.78)

Dichtekategorie 6

419

Nutzung (Öffentliche Nutzung ÖN) Maßstab 1 :  5 000

6

Wien, Hasnerstraße (1.62)

Zürich, Bändliweg (1.55) keine Daten

Wohnen

gemischte Nutzung

Verwaltung    Büro

Handel, Dienstleistungen

öffentliche Gebäude

Lager

Gewerbe, Industrie

Verkehr, Garagen, Parken

420

Dichtekategorie 6

NBF Anteil nicht bebaute Fläche zu Gesamtfläche (%) ÖF Anteil öffentliche Fläche zu Gesamtfläche (%) Anteil private Fläche zu Gesamtfläche (%) PF GFZ Ø GFZ (Bezug Quartiersperimeter) GRZ Ø GRZ (Bezug Quartiersperimeter) KF Verhältnis Kubatur zur Fläche (Bezug Quartiersperimeter) H Ø Gebäudehöhe (m) Ø Geschossigkeit G BD Belegungsdichte (Geschossfläche in qm pro Bewohner) Ø Mietpreis im Verhältnis zum Ø Mietpreis in der Stadt (%) MP FL Fluktuation (1996–2009) (%) ÖN Anteil öffentlicher Nutzung (Erdgeschoss) (%) BJ Baujahr

100% Ø 98.6% 94.3% Ø 98.6%

1921—1950

84.2% 74.0% Ø 72.6% Ø 72.6%

76.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm Ø 73.4m2

69.8% 14.0m Ø 13.9m Ø 13.9m

Ø 1.62 Ø 49.8% 43.0%

1.53

4.33

31.0%

0.26

Ø 22.8%

PS ÖF

PRS PF

40.2%

Ø 0.28 4.2m

1.5

Ø 11.5%

0.80

0.23 UA NBF

Ø 5.2

Ø 3.86

0.16

14.4%

69.0% Ø 67.3% Ø 67.3%

6.1

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

2.8% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Berlin, Bonner Straße (1.53)

310.5qm

Ø151.5qm 151.5m 2 Ø 137.7%

107.0% Ø 101.5%

1971— 1951—1970

94.9%

1921—1950

81.2% 69.4%

Ø 67.2%

63.9m 2

6.04

1.78

57.0%

1951—1970 1801—1920 Ø 51.0%

Ø 1.33

Ø 44.7%

0.43

24.5% Ø 22.5% Ø 22.5% 12.4%

UA NBF

PS ÖF

Ø 4.16

9.9m

Ø 0.33

32.5%

Ø 9.0m Ø 9.0m

Ø 3.4 3.3 23.4%

0.18 0.36

PRS PF

GFZ FAR

1.09

GRZ SOI

München, Tumblingerstraße (1.78)

KF VAR

3.8m

1.8

HH

FG

BD OD

MP RP

FL PT

1921—1950 Ø 18.4% 3.0% 0.0% PU ÖN

YC BJ

421

Auswertungsdiagramme

100% Ø Ø 95.2% 98.6% 84.2% Ø 72.6%

Ø 79.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm

69.8%

Ø 63.5% 50.9%

Ø 49.8%

1.62 Ø 1.62 Ø 1.43

Ø 41.0%

Ø 0.36

31.0% Ø 22.8% 22.5%

7.7m 19.9%

0.16

PRS PF

40.2% 32.2%

Ø 3.1 2.6

4.2m

1.5

HH

FG

Ø 21.7% 14.0% Ø 11.5% Ø 13.8%

0.80

0.23 PS ÖF

Ø 67.3%

Ø 5.2

Ø 8.8m

Ø 0.28

14.4%

UA NBF

Ø 4.41 Ø 3.86

1921—1950 1801—1920

76.5%

60.4m2

Ø 13.9m 4.92

0.49

1971— 1951—1970

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

BD OD

MP RP

0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Wien, Hasnerstraße (1.62)

6

Ø 525.6m2 310.5qm

Ø 151.5qm 137.7%

113.8m 2

Ø 115.0% Ø 101.5%

1971—

94.9% 81.2% 79.7% 69.4% Ø 15.6m 57.2% Ø 49.5% Ø 44.7%

1.55

Ø 1.40 Ø 1.33

4.71

Ø 22.5% 22.5% Ø 22.0% 12.4%

PS ÖF

0.36

PRS PF

GFZ FAR

Zürich, Bändliweg (1.55)

1.09

GRZ SOI

KF VAR

1951—1970 Ø 51.0%

Ø 4.6 Ø 9.0m

0.20 0.18

66.4%

6.3

Ø Ø 4.27 4.16

Ø 0.33 Ø 0.28

UA NBF

80.4%

19.9m

Ø 71.5% Ø 67.2%

Ø 41.6%

Ø 3.4

3.8m

1.8

HH

FG

Ø Ø 20.2% 18.4%

1921—1950

11.1%

BD OD

MP RP

FL PT

0.0% PU ÖN

YC BJ

Dichtekategorie 7

( 1.9  —  2.3 )

Berlin —  Christburger Straße, — München —  Pariser Platz, — Wien —  Fockygasse, — Zürich — (2.12)

(2.02)

(1.96)

 Kanzleistraße

7

(1.96)

424

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

425

Quartiersfotografien

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96)

426

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

427

Quartiersfotografien

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96)

428

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

429

Quartiersfotografien

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96)

430

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

431

Luftbilder Maßstab 1 :  5 000

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96)

432

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

433

Schwarzpläne Maßstab 1 :  5 000

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96)

434

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

435

Parzellen, nicht bebaute Fläche (NBF) private (PF) öffentliche Fläche (ÖF) Maßstab 1 :  5 000

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96) öffentliche Fläche (ÖF)

private Fläche (PF)

Bebauung

436

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

437

Geschossflächenzahl

(GFZ)

Maßstab 1 :  5 000

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.45

> 0.45 — 0.7

> 0.7 — 0.9

> 0.9 — 1.1

> 1.1 — 1.

> 1.5 — 2.0

> 2.0 — 3.0

> 3.0 — 4.0

> 4.0

438

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

439

Grundflächenzahl (GRZ) Maßstab 1 :  5 000

7

Wien, Fockygasse (1.96)

Zürich, Kanzleistraße (1.96) keine Daten

unbebaut

> 0.0 — 0.2

0.2 — 0.4

> 0.4 — 0.6

0.4 — 0.6

> 0.8 — 1.0

440

Berlin, Christburger Straße (2.12)

München, Pariser Platz (2.02)

Dichtekategorie 7

7

448

Dichtekategorie 7

NBF Anteil nicht bebaute Fläche zu Gesamtfläche (%) ÖF Anteil öffentliche Fläche zu Gesamtfläche (%) Anteil private Fläche zu Gesamtfläche (%) PF GFZ Ø GFZ (Bezug Quartiersperimeter) GRZ Ø GRZ (Bezug Quartiersperimeter) KF Verhältnis Kubatur zur Fläche (Bezug Quartiersperimeter) H Ø Gebäudehöhe (m) Ø Geschossigkeit G BD Belegungsdichte (Geschossfläche in qm pro Bewohner) Ø Mietpreis im Verhältnis zum Ø Mietpreis in der Stadt (%) MP FL Fluktuation (1996–2009) (%) ÖN Anteil öffentlicher Nutzung (Erdgeschoss) (%) BJ Baujahr

103.2% 100% Ø 98.6% Ø 98.6% 84.2%

8.26

Ø 72.6%

69.8%

Ø73.4qm 73.4m2 Ø 68.1qm 69.5m 2 Ø 13.9m

Ø 1.62 Ø 49.8% 0.40

PRS PF

Ø 5.2 40.2%

Ø 3.86

4.2m

0.16

1.5

Ø 11.5%

0.80

0.23 PS ÖF

Ø 67.3%

Ø 0.28

19.6%

14.4%

UA NBF

1801—1920

5.1

40.5%

Ø 22.8%

1951—1970 83.5%

19.9m

2.12

60.1%

1971—

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

HH

FG

BD OD

MP RP

8.2% 0.0% PU ÖN

FL PT

— YC BJ

Berlin, Christburger Straße (2.12)

310.5qm

Ø151.5qm 151.5m 2 Ø 137.7%

103.5% Ø 101.5% Ø 101.5% 94.9%

1971— 1951—1970 1921—1950 1801—1920

81.2% 69.4%

Ø 67.2%

2.02

72.2m 2

6.71

1951—1970

55.4%

Ø 51.0% Ø 1.33

Ø 44.7%

28.4% Ø 22.5%

PS ÖF

Ø 4.16

11.2m Ø 9.0m Ø 9.0m

Ø 0.33 27.0% 0.36

PRS PF

3.9

—1800

Ø 3.4

1921—1950 0.18

12.4%

UA NBF

0.45

GFZ FAR

München, Pariser Platz (2.02)

1.09

GRZ SOI

KF VAR

3.8m

1.8

HH

FG

BD OD

MP RP

15.1%

Ø 18.4% 18.6%

FL PT

0.0% PU ÖN

YC BJ

449

Auswertungsdiagramme

100% Ø Ø 95.2% 98.6% 84.2% Ø 72.6%

69.8%

Ø 63.5%

Ø 79.5m 2 Ø 73.4qm 68.1qm

1.96 6.09 Ø 13.9m

Ø 1.62

54.2%

Ø 49.8%

Ø 1.43

Ø 41.0%

37.1%

0.46

17.1%

PRS PF

PS ÖF

57.3m2

40.2%

3.7

33.1%

Ø 3.1

Ø 21.7%

0.16

4.2m

1.5

HH

FG

Ø 13.8% Ø 11.5% 8.1%

0.80

0.23 UA NBF

Ø 67.3%

11.2m Ø 8.8m

1801—1920

74.6%

Ø 0.28

Ø 22.8% 22.5% 14.4%

Ø 4.41 Ø 3.86

Ø 0.36

Ø 5.2

1971— 1951—1970 1921—1950

GFZ FAR

GRZ SOI

KF VAR

BD OD

MP RP

FL PT

0.0% PU ÖN

— YC BJ

Wien, Fockygasse (1.96)

Ø 525.6m2 310.5qm

Ø 151.5qm 137.7%

1971— 1951—1970

94.9% 85.7m 2

1921—1950

81.2% Ø 71.5% Ø 67.2% 63.0%

69.4%

18.4m 1.96

Ø 49.5% Ø 44.7% 33.2%

Ø 1.40 Ø 1.33 0.37

29.8%

Ø 22.5% 22.0%

UA NBF

PS ÖF

0.36

PRS PF

GFZ FAR

Ø 9.0m

Zürich, Kanzleistraße (1.96)

KF VAR

Ø 51.0% 46.1% Ø 41.6%

Ø 4.6

Ø 0.33 Ø 0.28

1.09

GRZ SOI

5.6 Ø Ø 4.27 4.16

0.18

12.4%

1801—1920 1951—1970

Ø 15.6m

5.77

Ø 3.4

3.8m

1.8

HH

FG

36.7%

Ø Ø 20.2% 18.4%

BD OD

MP RP

FL PT

0.0% PU ÖN

1921—1950

YC BJ

7

Ø 115.0% 107.8% Ø 101.5%

Dichtekategorie 8

( 2.3  —  2.7 )

Berlin —  Raabestraße, — München —  Im Tal, — Wien —  Hahngasse, — Zürich —  Spiegelgasse (2.33)

(2.62)

(2.49)

8

(2.52)

452

Berlin, Raabestraße (2.33)

München, Im Tal (2.62)

Dichtekategorie 8

453

Quartiersfotografien

8

Wien, Hahngasse (2.49)

Zürich, Spiegelgasse (2.52)

454

Berlin, Raabestraße (2.33)

München, Im Tal (2.62)

Dichtekategorie 8

455

Quartiersfotografien

8

Wien, Hahngasse (2.49)

Zürich, Spiegelgasse (2.52)

456

Berlin, Raabestraße (2.33)

München, Im Tal (2.62)

Dichtekategorie 8

457

Quartiersfotografien

8

Wien, Hahngasse (2.49)

Zürich, Spiegelgasse (2.52)

458

Berlin, Raabestraße (2.33)

München, Im Tal (2.62)

Dichtekategorie 8

459

Luftbilder Maßstab 1 :  5 000

8

Wien, Hahngasse (2.49)

Zürich, Spiegelgasse (2.52)

460

Berlin, Raabestraße (2.33)

München, Im Tal (2.62)

Dichtekategorie 8